Luminar - eine gute, diverse nicht so gute und eine extrem irritierende News
In den letzten zwei Wochen gab es eine ganze Reihe von Meldungen, welche direkt oder indirekt mit Luminar zu tun haben. Zuerst einmal wurden die
Q1/23-Zahlen veröffentlicht (
https://investors.luminartech.com/news-events/press-releases…). Es gab von der technischen und vertraglichen Seite keine großen Entwicklungen, die nicht schon vorher bekannt gewesen wären. Lediglich die Übernahme von Teams von ArgoAI und Velodyne/Ouster war wirklich neu.
Bei den Zahlen gab es zunächst einmal Positives zu vermelden. Der
Umsatz stieg in
Q1 auf
14,5 Mio. $, was eine
Steigerung um 112 % YOY bedeutete, und damit dem Luminar-Ziel entsprach, dieses Jahr den Umsatz gegenüber 2022 mindestens zu verdoppeln. Damit sind die guten Neuigkeiten aber auch schon erzählt.
Nicht so toll war, daß für
Q2 ein
Umsatz von 15 - 17 Mio. $ avisiert wurde (
https://d1io3yog0oux5.cloudfront.net/_7dc3b3d502de4684176b69…, Seite 20). der Umsatz im Q2/22 betrug 9,9 Mio. $. Dies ergäbe für Q2/23 eine
Steigerung zwischen 52 und 72 %,
für das
H1/23 wäre es dann eine Steigerung zwischen
76 und 88 %.
Damit würde per H1 das Verdoppelungsziel verfehlt werden, was bedeuten würde, daß in H2/23 der Umsatz gegenüber dem Vorjahr deutlich mehr als verdoppelt werden müßte. Hinter diesen benötigten Umsatzanstieg sind allerdings ein paar Fragezeichen zu setzen. Dazu gleich mehr im nächsten Absatz. Vorher sei aber noch erwähnt, daß der
Cashburn im Q1/23 so hoch war, daß auch hier das
Jahresziel in Gefahr ist. Zum Jahresende 2022 hatte Luminar noch 489 Mio. $ in der Kasse. Zum Jahresende 2023 sollen es noch mehr als 300 Mio. $ sein. Das heißt, im Schnitt dürften rund 47 Mio. & je Quartal abfließen. In
Q1 waren es jedoch
67 Mio. $. Eine Kapitalerhöhung außen vor, dürften damit in den restlichen drei Quartalen nur jeweils durchschnittlich 40 Mio. $ verbrannt werden. CEO Austin Russell geht zwar davon aus, daß der Cashburn im Jahresverlauf durch sinkende Investitionen in die Fabrik in Mexiko bei gleichzeitig steigenden Einnahmen deutlich nachlassen soll, aber ich habe daran diverse Zweifel, die ich im folgenden ausführen werde.
Und damit komme ich zu den
nicht so guten Neuigkeiten. Die erste, den
hohen Cashburn, habe ich ja soeben angemerkt. Ob die Ausgaben im Jahresverlauf deutlich sinken, möchte ich zumindest hinterfragen, da die Fabrik in Mexiko keineswegs produktionsklar ist, sondern erst noch komplettiert und in Betrieb genommen werden muß. Anschließend müßten dann aber auch erst einmal die für eine Volumenproduktion benötigten Vorräte aufgebaut werden. Wobei letzteres vielleicht unbeabsichtigter Weise gebremst werden könnte. Und dafür gibt es zwei, miteinander verwobene, Gründe. Und diese sind
Verschiebungen der Produktionsstarts bei Volvos EX90 und dem Polestar 3, den neben einem China-Modell derzeit einzigen Modellen, in denen die Luminar-Technik serienmäßig verbaut werden soll. Volvo hat den Produktionsbeginn des EX90 von Ende 2023 auf H1/24 verschoben (
https://www.reuters.com/business/autos-transportation/volvo-…), Polestar den Lieferbeginn des Polestar 3 von Ende 2023 auf mindestens Q1/24 (
https://www.golem.de/news/softwareprobleme-polestar-verschie…). Dabei ist anzumerken, daß die Polestar 3 mit Luminar-Technik ohnehin erst Ende 2024 zur Auslieferung geplant sind. Gleichzeitig hat Polestar bekanntgegeben, 10 % Personal abbauen zu wollen, was kein gutes Zeichen ist bei einer Automarke, welche ausschließlich vollelektrische Modelle baut. Sowohl Volvo als auch Polestar geben Softwareprobleme bei der gemeinsam genutzten technischen Plattform als Grund an.
Diese
Produktionsverzögerungen könnten zu entsprechenden
Verzögerungen bei der
Abnahme der benötigten Technik bei Luminar führen. Damit gerät das
Luminar-Umsatzziel für
2023 meiner Ansicht nach
deutlich unter Druck. Verringerte Einnahmen bei gleichzeitig hohen Ausgaben dürften dann auch das
Liquiditätsziel für Ende 2023 unter Druck bringen. Hier stehen allerdings bereits Kapitalerhöhungen ins Haus. Zum einen wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Q1-Zahlen eine
Ausgabe von 3,5 Mio. Aktien zur Bezahlung von Lieferanten bekanntgegeben (
https://investors.luminartech.com/sec-filings/all-sec-filing…), zum anderen hat der chinesische Produktionspartner
TPK sich
verpflichtet, Aktien zu erwerben. Und zum dritten hat Luminar bekanntgegeben,
Aktien im Wert von bis zu 75 Mio. $ zur Bezahlung möglicher Aquisitionen zu emittieren. Mit all diesen Maßnahmen könnt der Cash-Bestand zum Jahresende wohl wirklich über 300 Mio. $ gehalten werden, nur wurde das bei Verkündung des Zieles nicht so kommuniziert.
Die wichtigsten Wirtschaftsmeldungen, welche potentielle Auswirkungen auf Luminar bzw. die Lidar-Landschaft haben könnte, kamen aus dem
VW-Konzern. Zum einen gab es den Paukenschlag des
Rausschmisses des Cariad-Vorstandes (
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/volkswagen-pet…). Die VW-Softwaretochter Cariad hat unter anderem einen
Deal mit Luminar-Konkurrent
Innoviz abgeschlossen, welcher den Einsatz von dessen Lidar zumindest bei einer Probeserie autonomer Fahrzeuge mit nachfolgendem potentiellen massenhaften Einsatz im VW-Konzern bedeutet (hätte). Ob der neue Cariad-Chef weiter auf Innoviz setzt, ist fraglich, ganz besonders nachdem die VW-Technik-Vorreiter-Tochter
Porsche bekannt geben hat, zukünftig in Sachen
Fahrassistenzsysteme mit Intel-Spin Off Mobileye zusammenzuarbeiten (
https://stock3.com/news/porsche-nutzt-mobileye-fahrassistenz…). Zwar war da keine Rede von Lidar, Fakt ist aber, daß
Mobileye auch in dieser Richtung tätig ist, und derzeit ein
eigenes System entwickelt, welches
2025 marktreif sein soll. Im zugehörigen Fact Sheet (
https://static.mobileye.com/website/corporate/media/radar-li…) steht unter anderem zu lesen:
"Until 2022, we will be using best-in-class LiDARs from Luminar Technologies, Inc. and advanced stock Radars. In the mean time, Intel and Mobileye are pushing the cutting-edge of these technologies to get them ready to enable highly accurate and cost effective autonomous driving."
Mobileye wird also zukünftig nicht mehr auf Luminar setzen, sondern entwickelt eine eigene Lidar-Variante, welche auch technisch vom Luminar-Vorgehen abweicht. Neben der von Mobileye behaupteten technischen Überlegenheit soll das zukünftige System auch deutlich billiger als das von Luminar sein. Hier muß allerdings beachtet werden, daß auch Luminar die Kosten für den Iris-Nachfolger deutlich drücken will. Das größere Problem für Luminar sehe ich darin, daß
Mobileye sein
Lidar in Kombination mit Radar und einem
umfassenden Softwarepaket für das autonome Fahren anbietet, während die Luminar-Technik entweder vom jeweiligen Autohersteller oder einem Technikpartner (z.B. Nvidia) mit anderen Sicherheitsfeatures kombiniert werden muß.
Und als ob das alles nicht genug Druck auf Luminar ausüben sollte, dreht der Chef höchstpersönlich offenbar völlig frei:
Luminar Tech CEO Russell to acquire majority stake in Forbes
https://www.reuters.com/business/media-telecom/luminar-tech-…
Zitat:
"Luminar Technologies (LAZR.O) CEO Austin Russell will buy a majority stake in Forbes Global Media Holdings in a deal that values the business news publisher at nearly $800 million, Russell and Integrated Whale Media Investments (IWM) said in a statement on Friday.
The automotive tech billionaire has agreed to acquire 82% of Forbes, which includes the remaining portion of the company owned by the Forbes family, the joint statement to Reuters said."
"It is not immediately clear how Russell is financing the deal."
-> Falls diese Meldung vom Wochenende wahr sein sollte, ergeben sich daraus diverse Fragen und Rückschlüsse. Laut der Meldung erwirbt Russell 82 % an Forbes, welches gleichzeitig mit 800 Mio. $ bewertet wird. Das heißt, er müßte über
650 Mio. $ auf den Tisch legen. Da wäre zuerst einmal zu fragen, wie er das machen will, ohne (wie in US-Foren als angebliche Aussage von ihm zu lesen stand) seinen Anteil an Luminar zu schmälern. Eigentlich käme da fast nur eine Hinterlegung eines größeren Teils seiner Luminar-Anteile als Pfand in Frage. Zum zweiten ist Forbes keineswegs eine blühende Firma, sondern ganz im Gegenteil seit Jahren ein Geldverbrenner. Heißt, bei seinem Erstinvetsment wird es sehr wahrscheinlich nicht bleiben - vielmehr wird da sehr wahrscheinlich kontinuierlich Kapital nachgeschossen werden müssen. Zum dritten scheint sich Russell in Verkennung der finanziellen Zusammenhänge auf einer Stufe mit
Jeff Bezos (2013 Kauf der
"Washington Post") und
Elon Musk (2023 Kauf von
Twitter) zu sehen, und ihnen als Medientycoon nacheifern zu wollen. Schon sein unmittelbar nach dem Luminar-Börsengang erfolgter Kauf einer Villa in L.A. für 83 Mio. $ (plus einer weiteren in Florida für 10 Mio. $) war ja etwas irritierend. Aber nunmehr ist es wirklich an der Zeit, die Zurechnungsfähigkeit und finanzielle Übersicht von Russell ein wenig in Zweifel zu ziehen.
Das gravierendste Problem dabei ist aber, daß
Russells Fokus offensichtlich nicht (mehr) komplett auf Luminar liegt, was ein schlechtes Zeichen ist. Im besseren Fall dürfte das nur zu etwas nachlassendem Engagement führen, im Worst Case zu einer Trennung von Luminar. Auf jeden Fall bringt es aber Unruhe in den Investmentcase Luminar, welcher mit einem solch sprunghaften, scheinbar nach Ego-Boostern gierenden CEO an der Spitze - mögen er und sein Produkt auch technisch top sein - eigentlich keiner mehr ist.
Schade.