„Immer exotischere und kompliziertere ETF“
Experten sehen in börsengehandelten Fonds eine Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte. Auch Vermögensberater bleiben kritisch
Sie sind günstig, erfolgreich und beliebt. Aber die Exchange Traded Funds (ETF) sind vor Kurzem ins Gerede gekommen. Nach Erfahrungen des Internationalen Rats für Finanzstabilität (FSB), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIS) können die börsengehandelten Fonds die Ungleichgewichte auf und die Instabilität von Finanzmärkten verstärken.
„Die zunehmende Popularität von synthetischen ETF, die Derivate nutzen, sowie der zunehmende Einsatz der Wertpapierleihe stellen Anleger vor neue Herausforderungen im Hinblick auf Kontrahenten- und Sicherheitenrisiken“, heißt es in einem Report des FSB. „Die Erwartung einer jederzeit möglichen Rückgabe von Anteilen kann in Stresssituationen am Markt zu Liquiditätsengpässen führen.“ Ins Visier sind die synthetischen ETF geraten, die auf Derivate und Hedge-Fonds-Strategien setzen.
Neben db x-trackers, einer Tochter der Deutschen Bank und selbst Emittent von ETF, haben sich mit I-Shares und ETF Securities sogar einige Emittenten der Kritik angeschlossen. Sie fordern mehr
Transparenz. FundResearch sprach mit Andreas Daniels, Vorstand der Hamburger Vermögensverwaltung Knapp-Voith, über Vor- und Nachteile börsengehandelter Fonds.
Können Sie die Kritik an synthetischen ETF, die auf Swaps und anderen Derivaten aufbauen, nachvollziehen?
Andreas Daniels: Ja, der Aufbau dieser ETF ist für viele Anleger nicht nachvollziehbar. Anleger wissen nicht, wie viele der ETF-Produkte in der Realität konstruiert werden.
Betrachtet man dann die Tatsache, dass bei vielen Produkten die Gegenpartei der Derivate-Positionen der Emittent des ETF ist, kann der Anleger ein Produkt mit einem hohen Emittenten-Risiko im Depot
haben, ohne es überhaupt zu wissen. Sollte es dann zu einem ähnlichen Fall wie bei der Pleite von Lehman Brothers kommen, könnten nicht nur Zertifikate-Besitzer, sondern auch ETF-Halter Verlust
erleiden.
Wirken sich auch die Exchange Traded Commodities oder Notes gefährlich für die Märkte aus, treiben beispielsweise die ETC die Rohstoffpreise auf dem Lebensmittelsektor?
Daniels: Die Auflage von ETC auf einzelne Rohstoffe kann sich durchaus preissteigernd auswirken, da mit diesen Produkten eine Nachfrage bedient und in einigen Fällen auch erst
geschaffen wird, die vorher nicht auf diesem direkten Weg bedient werden konnte. Diese neue, zusätzliche Nachfrage kann dann zu höheren Rohstoffpreisen führen, wie man auch schon nach Auflage
einzelner ETC im Metallbereich sehen konnte.
Die Beliebtheit der ETF ist hoch. Eine gesunde Entwicklung?
Daniels: Grundsätzlich ist das positiv, der Anleger kann Investitionen in vielen Fällen kostengünstiger und transparenter als mit gemanagten Fonds oder Zertifikate durchführen.
Allerdings war in den vergangenen Monaten der Trend zu erkennen, dass die Emittenten immer exotischere und kompliziertere ETF auflegen – mit ebenfalls höheren Gebühren. Diese Entwicklung ist zu
hinterfragen, da die neu aufgelegten Produkte der eigentlichen Idee, die kostengünstige Investitionsmöglichkeit in einen Index, teilweise nicht mehr entsprechen.
Sie setzen lieber auf die direkte Aktienanlage – warum?
Daniels: Als Vermögensverwalter stehen wir direkt in der Verantwortung gegenüber dem Kunden. Wann immer unsere Expertise es ermöglicht, realisieren wir daher Investitionen in
einzelne Titel. So können wir die vereinbarten Strategien individuell umsetzen und dabei trotzdem auf aktuelle Entwicklungen eingehen. Zum Anderen haben wir aufgrund unserer Kundenstruktur so auch
die Möglichkeit, eine ausreichende Risikostreuung zu erzielen, ohne dadurch ,Klumpenrisiken’ in den Depots aufzubauen.
Wenn es doch Fonds sein sollen, was empfehlen Sie Ihren Klienten: ETF oder gemanagte Fonds?
Daniels: Wir setzen unsere Anlagestrategien in der Regel immer durch Einzeltitel um. Sollte es doch nötig sein, auf Fonds zurückzugreifen, wählen wir ETF. Ein gemanagter Fonds wird
ausschließlich dann gekauft, wenn es für die gewünschte Strategie keinen entsprechenden ETF am Markt gibt.
ETF sind wegen der niedrigen Gebühren beliebt. Aber scheuen Privatanleger nicht auch vor den gemanagten Fonds zurück, weil sie nach den Diskussionen um Kickbacks der Beratung
misstrauen?
Daniels: Dies wird ebenfalls einer der Gründe sein. Wir erleben es gerade in Gesprächen mit neuen Kunden, dass das Vertrauen in die Banken zurückgegangen ist. Ein Grund dafür ist
die oftmals völlig intransparente Kosten- und Gebührenstruktur bei vielen Produkten. Wir können Bankkunden nur empfehlen, sich ständig über alle Kosten eines Produktes zu informieren.
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