Smart Investor Weekly 12/2012
Schöne Worte – Und wo sind die Taten?
Ob Rede oder Talkshow, schöne Worte sind die Lieblingswährung der Politik: wohlfeil, beliebig, belanglos. Was aber zählt, sind Taten – und die sind ernüchternd.
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Gauck der Herzen
Nun ist es offiziell: Joachim Gauck, bislang Präsident der Herzen, ist unser aller neuer Bundespräsident. Selbst ohne Rede geht ein Ruck durchs Land. Der
letzte Politiker der mit vergleichbaren Vorschusslorbeeren gestartet ist, war US-Präsident Barack Obama. Wir erwarten zwar nicht, dass auch Gauck ohne eigenes Zutun ein Friedensnobelpreis in den
Schoß purzelt, dennoch gibt es weitere Gemeinsamkeiten: Beide Kandidaten wurden als lebendige Gegenentwürfe ihrer unmittelbaren Amtsvorgänger (Bush bzw. Wulff) mit positiven Projektionen regelrecht
überfrachtet. Die „Hauptsache anders!“-Kandidaten können angesichts dieser Erwartungshaltung fast nur verlieren, positives Überraschungspotenzial jedenfalls ist kaum vorhanden. Das wird zum
Problem, besonders wenn die ersten Amtshandlungen zeigen, dass hier ganz normale Politiker agieren. Gauck hat zumindest den Vorteil, dass von einem Bundespräsidenten im Wesentlichen nicht viel mehr
als tadellose Haltung, staatstragende Miene und ab und an eine gelungene Rede erwartet wird. Das mag den Prozess der Entzauberung weit hinauszögern oder gänzlich verhindern. Wäre da nicht das
ESM-Gesetz, das nach dem aktuellen Fahrplan im Juni von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll und das anschließend vom Bundespräsidenten zu prüfen und auszufertigen wäre. Man kann uns
nur wünschen, dass Gauck seine Amtspflichten ernst nimmt und sich nicht wie sein Vor-Vorgänger Horst Köhler unter (Zeit-)Druck setzen lässt. Gerade dieses buchstäbliche Ermächtigungsgesetz, gegen
das schon im Vorfeld erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden, bedarf einer besonders intensiven Prüfung durch den Bundespräsidenten. Unabhängig von schönen Worten, wird
diese Amtshandlung zeigen, ob Gauck ein Bürgerpräsident der Deutschen oder ein „Bürge“-Präsident für die korrupten politischen Systeme anderer Länder sein wird. Wir sind zwar nicht optimistisch,
aber mäßig gespannt.