Hart aber Fair
Eine Frage der demokratischen Legitimation
„Steuern, Schulden, Eurorettung - werden wir jetzt abkassiert?“ Das war das Thema der gestrigen Diskussionsrunde „Hart aber Fair“ auf ARD. Eingeladen waren Sahra
Wagenknecht (Die Linke), Bernd Lucke (AFD), Norbert Röttgen (CDU), Ralf Stegner (SPD) und Frank Lehman (Wirtschaftsjournalist).
Zu Beginn der Sendung präsentierte Moderator Frank Plasberg neueste Umfragedaten, nach denen die Eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) derzeit auf sechs Prozent der Wählerstimmen kommen
würde und damit im Parlament vertreten wäre. Wirtschaftsjournalist Lehman zeigte sich jedoch überzeugt, dass es nicht zu Neuwahlen kommen, sondern sich eine große Koalition finden werde. In dieser
werde die CDU ihre Wahlversprechen brechen und die Koalition aus CDU und SPD als Abkassierer in die Geschichte eingehen.
CDU–Mann Röttgen widersprach vehement. Steuererhöhungen seien nicht erforderlich, da der Staat momentan über genug Steuereinnahmen verfüge. SPD-Parteivorstand Stegner konterte, dass die CDU
Wahlversprechen gemacht habe, die sie ohne Steuererhöhungen nicht durchsetzen könne. Sahra Wagenknecht von Die Linke betonte, dass die Steuerquote auf dem Niveau des Jahres 2000 liege und in
Deutschland ein ungerechtes Steuersystem herrsche, bei der Reiche entlastet und die Mittelschicht belastet wird. Bernd Lucke von der AFD verwies darauf, dass Wortbrüche bei der CDU und SPD
Traditionen haben, bestes Beispiel die Mehrwertsteuererhöhung der letzten großen Koalition. Die Positionen waren abgesteckt.
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Was wird aus den Wahlversprechen?
Moderator Plasberg präsentierte eine Rechnung, nach der die Wahlversprechen der CDU jährlich 19,3 Milliarden Euro kosten würden. CDU-Mann Röttgen kam mächtig ins Schwimmen und sagte,
Wahlversprechen würden nur unter dem Vorbehalt der Finanzierungsmöglichkeit gemacht. Heißt also: Freibier für alle – aber nur wenn ich weiß wie ich es bezahlen soll? Man kann wohl annehmen, dass
die Wahlversprechen in den Wind gesprochen wurden, da diese ohne Steuererhöhungen nicht finanzierbar sind. AfD-Mann Lucke betonte zudem, dass sind die jährlich erforderlichen 19,3 Milliarden Euro
noch gar nicht in dem angeblichen ausgeglichenen Haushalt von Finanzminister Schäuble enthalten seien, sondern erst erwirtschaftet werden müssten.
Interessante Aussage vom CDU-Mann
Nachdem Journalist Lehman deutlich gemacht hatte, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel an Visionen für Europa fehle und sie die Bevölkerung nicht mitnehme, ließ sich CDU-Mann Röttgen zu einer
interessanten Aussage verleiten: Wir hätten in der Eurokrise Zeit gekauft und Europa müsse verändert werden. Interessant, denn bisher wurde die alternativlose Rettungspolitik der Regierung Merkel
immer als sehr erfolgreich bezeichnet. Nun heißt es, man habe Zeit gekauft? Zeit ist nun definitiv etwas, was man nicht kaufen kann. Im Gegenteil: Man hat keine Zeit gekauft, sondern gutes
deutsches Steuergeld einfach schlechtem Geld hintergeworfen.
In diesem Kontext fragte Lucke von der AFD in Richtung Stegner und Röttgen: Wie stellen Sie sich Europa vor? Antworten konnten Röttgen und Stegner nicht geben, außer dass Europa nicht
handlungsfähig sei (Röttgen) und zukünftig sozialer ausgerichtet werden sollte (Stegner) - übliche Phrasen. Lucke gab die Antwort also selbst: Europa müsse demokratisch legitimiert und vor allem
auch abwählbar sein. Das passt natürlich nicht zur Alternativlosigkeit von Merkel & Co.
Die bisherige Euro-Rettungspolitik auf dem Prüfstand
Der Europäische Rettungsschirm ESM hat die deutschen Steuerzahler bisher rund 22 Milliarden Euro gekostet. Das sind 265 Euro pro
Bundesbürger. Der deutsche Sparer muss für die bisherige Rettungspolitik bluten, währen die Schuldner entlastet werden. Interessanter Aspekt der gestrigen Sendung, SPD-Mann Stegner
kritisierte die Rettungspolitik der Kanzlerin scharf, doch stimmten er und seine Fraktion im Bundestag größtenteils für diese Maßnahmen. Schizophren? Oder vorauseilender Gehorsam?
Eine Frage der Demokratie
AfD-Chef Lucke sah sich erneut mit dem Argument des Rechtspopulismus konfrontiert. Dafür herhalten musste seine Aussage von der „Entartung der Demokratie“. Doch was ist eigentlich wirkliche
Entartung der Demokratie? Hat dies nicht mit der angeblichen Alternativlosigkeit von Merkels Rettungspolitik begonnen? Muss es in einer Demokratie nicht immer auch Alternativen geben? Oder ist das
schon der erste Schritt in Richtung Diktatur? Wie steht es um die Demokratie, wenn eine angebliche Oppositionspartei im Bundestag die Rettungspolitik der Regierung zwar scharf kritisiert, dann aber
doch fast geschlossen zustimmt? Ein Abgeordneter ist nicht seiner Partei verpflichtet. Ein Abgeordneter ist seinen Wählern und seinem Gewissen verpflichtet. Wenn er dieser Verpflichtung nachkommt,
wird er heutzutage schnell „auf Linie gebracht“. Und wenn eine Partei wie die AfD dieses kritisiert, dann sollten echte Demokraten ihr dafür dankbar sein. Genau dadurch wird verhindert, dass
Deutschland und Europa immer mehr in diktatorische Zustände abdriftet.