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    Hüfner  858  0 Kommentare „Eine Währung braucht einen Staat“ - Seite 3

    Was im Laufe der Krise stark auffiel, war, dass häufig gegen die Inhalte des aktuellen EU-Vertragswerks – den Lissabon-Vertrag – verstoßen wurde. Danach soll die EU-Kommission eigentlich gestärkt werden, in den letzten Jahren hatten aber die Nationalstaaten das Heft des Handelns in der Hand. Halten Sie es für gerechtfertigt, dass in schwierigen Situationen ungewöhnliche Maßnahmen getroffen werden oder hätte die Krise mit einer konsequenten Vertragseinhaltung besser bewältigt werden können?

    Natürlich, in schwierigen Zeiten muss man ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen. Bei dem Modell, das wir im Augenblick im Lissabon-Vertrag haben, steht die EU-Kommission im Zentrum der Exekutive. Das halte ich nicht für sehr sinnvoll. Die EU-Kommission ist für den gesamten europäischen Raum der 28 Mitglieder konzipiert. Das passt nicht für den Euroraum mit seinen 17 Staaten. Da müssen wir uns bald etwas Neues einfallen lassen. Es gibt z.B. noch keine parlamentarische Repräsentanz für den Euroraum. Das Europa der zwei Geschwindigkeiten muss jetzt neu definiert werden. Von der EU-Kommission bin ich sehr enttäuscht und traue ihr auch im gegenwärtigen Modell nicht zu, dass sie das in den Griff bekommt.

    Eine Verkleinerung der Kommission ist immerhin Inhalt des Lissabon-Vertrags.

    Am liebsten wäre mir natürlich eine Art Kommission für den Euroraum, der als Gegenpart zur EZB funktioniert. Das wird aber nicht passieren, weil man nicht zwei Kommissionen nebeneinander stellen kann. Da braucht es neue Formen. Mit dem jetzigen Lissabon-Vertrag ist das aber nicht zu machen. Wir müssen aber auch sehen, dass der Trend genau in die andere Richtung geht. Der Trend geht in den sogenannten Intergouvernementalismus – also die Nationalstaatlichkeit. Im Moment müssen wir uns darüber klar werden, ob wir eine Gemeinschaft von Staaten wollen oder eine Vereinigung. Derzeit gehen wir eher in Richtung Gemeinschaft der Staaten. 

    Jahrzehntelang ging der Trend in Richtung stärkere Integration. Warum verändert sich das momentan?

    Das ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es an der Enttäuschung über die Entwicklung in Europa. Ich denke, es ist eine generelle Skepsis gegenüber Europa eingetreten. Das ist schade, weil wir gerade jetzt Europa brauchen.

    Kommen wir zu den Aktienmärkten. Vor allem in Deutschland kennen sie scheinbar keine Krise. Wie kann es sein, dass Aktien- und Wirtschaftswachstum so gegensätzlich läuft?

    Ganz einfach: Weil wir viel Liquidität haben. Und da ist auch viel Blase drin in dieser Aktienentwicklung. Durch die wirtschaftliche Entwicklung ist sie nicht mehr gerechtfertigt. Es ist der längste Aktienaufschwung in der Geschichte des DAX und das liegt an der Liquidität. Wird sie eingesammelt, dann gibt es ein Problem. Es wird aber nicht zu einem schnellen Ende kommen, denn es ist noch viel Liquidität vorhanden, selbst wenn die Notenbanken jetzt etwas einsammeln sollten.

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    Patrick Daum
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    Patrick Daum ist Dipl.-Politologe mit Schwerpunkt für Europa, Wirtschaft und Recht. Als Redakteur bei €uro-Advisor-Services GmbH ist er zuständig für die Top-Themen auf www.fundresearch.de.
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    Verfasst von 2Patrick Daum
    Hüfner „Eine Währung braucht einen Staat“ - Seite 3 Martin Hüfner, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Assenagon, sprach exklusiv mit FundResearch unter anderem über den Stand der Finanzkrise in Europa, den Weg, den die EU politisch einschlagen sollte und die Entwicklung der Aktienmärkte.

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