Smart Investor Weekly SIW 48/2013
Über (Standard-)Erwartungen ...
Zukunft und Erwartung
An der Börse wird bekanntlich auf die Zukunft gehandelt. Genauer gesagt handelt jeder Marktteilnehmer im Wesentlichen auf das, was er für die Zukunft hält. Wem ein Kurs oder Preis als zu niedrig
erscheint, der wird eher kaufen, wem er dagegen als zu hoch erscheint, der wird den betreffenden Titel meiden bzw. verkaufen. Die Erwartung dahinter ist, dass der Kurs in Zukunft schon irgendwie
dem heutigen Werturteil des Marktteilnehmers folgen werde. Derartige Überlegungen müssen keineswegs nur fundamentaler Natur sein. Dahinter kann auch die Erwartung stecken, dass sich beispielsweise
ein Aufwärtstrend weiter fortsetzen werde und eine bereits teure Aktie noch teurer wird. Diese Erwartungen der Marktteilnehmer sind zwar immer subjektiv, das heißt aber nicht, dass sie deshalb auch
stark streuen müssten. Oft genug bilden sich hinter einigen wenigen Meinungsführern regelrechte Fraktionen, wobei innerhalb dieser Fraktionen ziemlich ähnliche Ansichten über die weitere
Kursentwicklung geteilt werden. Da sich die subjektive Innenwelt der Meinung bzw. Erwartung in Käufen und Verkäufen, sowie Kauf- und Verkaufsgesuchen manifestiert, gibt es zwischen dem eigentlich
Kursgeschehen und den Erwartungen der Marktteilnehmer deutliche Rückkopplungen.
Unterschiedliche Erwartungen
In der Praxis sind diese subjektiven Erwartungen also gar nicht so individuell und unabhängig voneinander, wie das mancher Marktteilnehmer vielleicht gerne von seinen eigenen Gedankenprozessen
annehmen möchte. Schließlich bilden sich diese Erwartungen nicht im luftleeren Raum, sondern vor dem Hintergrund der zugänglichen Informationen. Die aber sind für das Gros der Marktteilnehmer sehr
ähnlich. Einige Informationen regen nicht nur zum Handeln an, sondern üben einen erheblichen Handlungsdruck auf die Akteure aus – Massenmedien, spezialisierte Wirtschaftsnachrichtendienste und
nicht zuletzt die Kursentwicklung selbst sind hier zu nennen (s.o.). All dies wird bei den Empfängern immer eine von drei Handlungsoptionen auslösen: Kaufen, Verkaufen, und am häufigsten:
Nichtstun. Obwohl durch die massenhafte Verbreitung der Information schon ein großes „Ansteckungspotenzial“ für die Anleger zu einem gleichgerichteten Denkprozess besteht, sind dennoch oft
Börsenphasen ohne größere Kursbewegungen zu beobachten. Das dürfte zum einen daran liegen, dass zeitgleich durchaus widersprüchliche Informationen auf den Markt treffen können – beispielsweise ein
Umsatzrückgang bei Produktlinie A, aber ein neu erschlossener Markt in Region B. Zum anderen werden auch ein und dieselben Informationen von den Marktteilnehmern – je nach Vorerfahrung und
aktueller „Fraktionszugehörigkeit“ – durchaus unterschiedlich interpretiert. Derartige gegenläufige Effekte wirken glättend auf das Kursgeschehen.