SIW 50/2013
Wehe, wenn sie losgelassen …
Ende der Schonzeit
Mit der Vereidigung der neuen Bundesregierung geht die beste Zeit für die Bürger des Landes nun unwiderruflich zu Ende. Drei Monate ohne neue Gesetze, Gängelungen und vor allem ohne den
bevormundenden, regierungsamtlichen Neu- und Dummsprech, der uns unablässig erklären will, wie wir die Welt zu sehen und wofür wir uns zu engagieren haben. Es sind glückliche Tage, in denen Politik
mit sich selbst beschäftigt ist und das Volk in Ruhe lässt. Vorbei.
Klar war, dass SPD-Chef Gabriel in der neuen Regierung eine gewichtige Rolle spielen wird, dass er sich aber gleich zwei Ressorts (Wirtschaft, Energie) einverleiben würde, war dann aber doch
überraschend. Schließlich traute man Sigmar, dem Unersättlichen, bislang kaum zu, auch nur eines der Themen inhaltlich auszufüllen. Mit Andrea Nahles, der neuen Arbeitsministerin, gibt es einen
echten Neuzugang auf der großen Bundesbühne. Gemessen an der Verweildauer in staatlichen Bildungseinrichtungen dürfte sie mit 20 Semestern Studium der Zukunftsfächer Politik, Philosophie und
Germanistik zu den bestausgebildetsten Kabinettsmitgliedern gehören. Manuela Schwesig, ebenfalls ein Neuzugang, widerlegt wie schon ihre Amtsvorgängerin im Familienministerium das Bonmot, dass
Politik jener Teil des Show Business sei, der hässlichen Menschen vorbehalten wäre. Die größte Überraschung aber war wohl, dass Ursula von der Leyen nahtlos ins Verteidigungsministerium umgetopft
wurde, wo sie praktisch direkt in den Aufsichtsrat der Bundeswehr einstieg. Möglicherweise ein Hinweis auf einen Börsengang des Traditionsunternehmens und eine baldige Aufnahme in den DAX.
Politische Kernkompetenz
Wenn angesichts dieses Kabinetts wieder einmal kulturpessimistisch beklagt wird, dass es vielen Ministern und natürlich auch Ministerinnen an der nötigen Qualifikation für ihre Ressorts fehle, dann
erscheint uns dies aber als eine unzulässige Verengung der Perspektive auf Bildungskarrieren und formale Abschlüsse. Spätestens seit dem Auftreten der AfD und ihrer professoralen Vorturner wissen
wir ja, wie schädlich zu viel Bildung für die real existierende EU- und Euro-Politik sein kann. Zudem kann man niemandem, der künftig am Kabinettstisch Platz nehmen wird, die eigentlichen
Kernkompetenzen jedes erfolgreichen Politikers absprechen – eine Spürnase für gut gefüllte Fleischtröge, sowie Instinkt und Ellenbogen für dem Weg dorthin.