Investoren-Kompass

Patient Kapitalismus

Dass der Kapitalismus zweifelsfrei von allen Wirtschaftssystemen die bestmögliche Allokation und Versorgung mit Gütern erreicht, stellt allen Ernstes niemand mehr außer Frage, der sich über Stammtischparolen hinaus mit dieser Frage beschäftigt. Aber ebenso wird niemand allen Ernstes in Frage stellen, dass der Kapitalismus sehr oft übers Ziel hinaus schießt und manchmal seltsame Blüten mit potenziell selbstzerstörerischer Wirkung treibt. Genau diesen Makel wollte das chinesische Regime immer mit seinem Mix aus Kapitalismus und Sozialismus verhindern. Mit Kapitalismus light sozusagen. Doch dass China auch auf diese Weise den Kapitalismus nicht auf Dauer bändigen kann, zeigt sich nun langsam. Wie in dieser Woche zu lesen war, zeigen chinesische Banken eine höchst seltsame Kreativität bei der Arbeit an den Bilanzen. Die Bank of China hat demnach viele faule Kredite, denen der Chef der Bank etwas arg martialisch den „Krieg erklärt“ hat. Dabei will sich die Bank nun eines Tricks bedienen. Die Bank of China wird einfach die faulen Kredite über Marktwert an seine Investmentbanking-Tochter verkaufen. Damit hat die Bank of China die faulen Papiere aus der Bilanz und steht dem Anschein nach gut da. Gut, das würde nicht viel nützen, wenn die Papiere bei der Tochter verblieben. Also wird diese die Kredite strukturieren und dann weiter verkaufen. Bin ich der einzige, bei dem da unschöne Erinnerungen hochkommen? Ich glaube nicht. Faule Kredite bündeln und strukturieren und dann im großen Stil weiter verkaufen. Die Banken stoßen sich dann daran gesund. Die Käufer freuen sich zunächst über höhere Renditen, die einem schön vorgerechnet werden. Zumindest solange, bis die ganzen faulen Kredite zu notleidenden Kredite werden und massenhaft ausfallen. Nennen wir es das Lehman-Syndrom, dass anno 2008 schon mal fast die kapitalistische Welt zum Ableben gebracht hatte. Eine Zeitlang dachte man, dieses Krebsgeschwür wäre komplett entfernt. Doch nun kommt ein Rezidiv wie es scheint. Zwar wird er diesmal nicht so weit streuen, da chinesische Banken das „Zeugs“ sicher nicht auf dem ganzen Globus loswerden. Doch es reicht, wenn es China kollabieren lässt. Denn dann fällt das Herz des Patienten Weltkonjunktur aus.

Noch ist das aber Zukunftsmusik. Erst mal werden DAX & CO wieder den Business as Usual aufnehmen wie es scheint. Mittlerweile erscheinen sogar neue Rekorde wieder denkbar. Doch man sollte China dauernd unter Beobachtung halten. Die Gefahr ist real, dass im Reich der Mitte der nächste Ausbruch des „Lehman-Syndroms“ droht!