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    Tragödie mit Happy End?  2253  2 Kommentare Argentinien - pleite und stolz drauf!

    Verhandlungen gescheitert, das Land pleite: Die argentinische Regierung beharrt eisern darauf, den Forderungen der Hedgefonds nicht nachkommen zu wollen und treibt das Land damit in die viertgrößte Staatspleite der Wirtschaftsgeschichte. Eine Katastrophe für das Land – doch die politische Elite feiert sich als Sieger.

    „Zahlen oder nicht zahlen, das ist hier die Frage“ - Dieses Zitat stammt weder aus Shakespeares Feder, noch handelt es sich um eine philosophische oder gar juristische Frage, denn letztere ist ohnehin schon längst geklärt. Nein, dahinter steckt pures politisches Kalkül. Es ist das Kalkül der argentinischen Regierung, sich den von ihnen als „erpresserische Geierfonds“ verschmähten Hedgefonds nicht zu beugen und den Forderungen in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar nicht nachzukommen (wallstreet:online berichtete). Dabei wäre es für das Land angesichts eigener Währungsreserven in Höhe von knapp 30 Milliarden US-Dollar ein Leichtes, die Summe zu zahlen. Aber darum geht es nicht. Es ist keine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens. Und die argentinische Führung um Staatschefin Cristina de Kirchner möchte die Hedgefonds schlicht und ergreifend nicht auszahlen. Stattdessen riskiert sie die zweite Staatspleite des Landes innerhalb von nur 13 Jahren. Eine Pleite, die seit Donnerstagmorgen, 6:00 Uhr deutscher Zeit, bittere Wirklichkeit ist. „Default ist nicht bloß ein „technischer“ Zustand, sondern ein ziemlich reales und schmerzvolles Ereignis, das (…) Menschen wehtun wird“, kommentiert Daniel Pollack die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens. Der Mediator hatte bis zuletzt versucht, die beiden Parteien doch noch zu einer Einigung zu bewegen, vergebens. Auch ein Versuch des argentinischen Bankenverbandes, die Pleite in letzter Minute doch noch zu verhindern, scheiterte.

    Argentinische Bevölkerung feiert seine Helden

    Und wie reagiert die argentinische Bevölkerung? Mit Unverständnis und Wut gegen die politische Elite oder gar mit Unruhen? Weit gefehlt. Vielmehr feiern sie die argentinische Regierung, allen voran Wirtschaftsminister Axel Kicillof, als Helden, die dem neoliberalen Raubtierkapitalismus die Stirn geboten haben. Wie die „Welt“ berichtet, unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung diese Strategie der Unbeugsamkeit. Mehr noch, insbesondere Kicillof, der die Verhandlungen mit den Hedgefonds führte und letztendlich zum Scheitern brachte, wird als „neuer Stern am Himmel des Kirchnerismus“ geadelt. „Heute verwandelst du dich in einen Helden“, schrieb etwa Luis D’Elia, den die „Welt“ als eine der schillerndsten und zugleich umstrittensten Figuren der argentinischen Linken bezeichnete, unter ein Foto des Wirtschaftsministers. Rhetorisch betrachtet geht es bei dem Schuldenstreit mit den Hedgefonds um nichts Geringeres als den Kampf des kleinen Davids Argentinien gegen die mächtigen Finanz-Goliaths dieser Welt. Doch die Reaktion der argentinischen Bevölkerung macht auch deutlich: Hinter der Entscheidung, sich den Hedgefonds nicht zu beugen, stecken politisches Kalkül und Machterhalt.

    Argentiniens Zeiten sind ohnehin alles andere als rosig und die erneute Staatspleite wird die wirtschaftliche Situation nochmals verschärfen. Kapitalflucht, ein Exodus ausländischer Investoren, kaum noch Zugang zu den internationalen Finanzmärkten, all diese Auswirkungen wird letztendlich der kleine Mann auf den Straßen Argentiniens leidvoll zu spüren bekommen. Umso cleverer, wenn sich die dann aufkeimende Wut eben nicht gegen die Oberen des eigenen Landes, sondern gegen eine kleine Gruppe „erpresserischer Geierfonds“ aus den ohnehin verhassten USA richtet. Auf diese Weise werden aus den Politikern, die die gescheiterten Verhandlungen zu verantworten haben, mal eben gefeierte Helden, die der bösen Finanzwelt eisern die Stirn geboten haben. Darüber hinaus, so schreibt die „Welt“, lasse Staatschefin Kirchner mit ihrem Kurs „Vaterland oder Geierfonds“ kaum Platz für Kritik. Der Opposition sind damit die Hände gebunden, denn eine Kritik am Vorgehen der Regierung würde sie automatisch auf die Seite der Hedgefonds rücken.

    Eine Tragödie mit Happy End?

    Aus innenpolitischer Sicht war es demnach ein kluger Schachzug, die Verhandlungen platzen zu lassen und sogar eine Staatspleite in Kauf zu nehmen. Aber auch im Hinblick auf den Schuldenstreit selbst könnte sich die Strategie der argentinischen Regierung womöglich auszahlen. Der „Welt“ zufolge spiele sie auf Zeit um das Verfahren mit den Hedgefonds hinauszuzögern. Und zwar so lange, bis die so genannte RUFO-Klausel nicht mehr gilt. Diese besagt, dass alle Angebote, die die argentinische Seite den Hedgefonds unterbreitet, zugleich auch für jene Gläubiger gelten müssen, die den damaligen Schuldenschnitt akzeptiert hatten. Allerdings läuft diese Regelung zum Ende des Jahres aus. Danach ließe sich eine Einigung mit den Hedgefonds erzielen, ohne die anderen Gläubiger mit einzubeziehen und womöglich weitere 120 Milliarden US-Dollar zahlen zu müssen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat außerdem angekündigt, im Falle einer Einigung die Zahlungsunfähigkeitseinstufung umgehend aufzuheben. Verwandelt sich das „Zahlen oder nicht zahlen“-Drama also am Ende doch noch in eine Tragödie mit Happy End? Und wenn ja, für wen?





    wallstreetONLINE Redaktion
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