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    EZB vor Trade-Off?  2676  2 Kommentare EZB als Notenbank und Bankenaufsicht - Interessenkonflikte vorprogrammiert

    Noch im November zieht die EZB in ihren neuen Prachtbau um. Doch das ist bei Weitem nicht die einzige, vor allem nicht die drängendste Aufgabe: Als Zentralbank steht sie vor dem Problem der stagnierenden Inflationsrate. Und dazu kommen die neuen Aufgaben als Bankenaufsicht. Kritiker fürchten indes Interessenkonflikte. 
     
    Entspannt ihrem Umzug widmen kann sich die Europäische Zentralbank (EZB) nicht. Zu sehr steht sie angesichts der anhaltend schwachen Wirtschaft in der Euro-Zone im Blickpunkt. Dazu kommt die Zusatzaufgabe als Bankenaufsicht. Damit zumindest räumlich keine Interessenskonflikte im Hause der EZB entstehen, bleibt den Bankenaufsehern der Umzug in den pompösen EZB-Neubau verwehrt. 
     
    Interessenkonflikte sind vorprogrammiert
     
    „In Zukunft kann es natürlich zu Interessenkonflikten kommen, wenn beispielswiese wegen eines anziehenden Wirtschaftswachstums höhere Leitzinsen notwendig würden, die schwächere Banken vor allem im Süden belasten könnten“, zitiert das „Handelsblatt" den Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die EZB droht in Zukunft also vor einem Trade-Off zu stehen. Das Beispiel der Zinspolitik zeigt deutlich, dass die Gefahr von Interessenkonflikten keine Zukunftsmusik, sondern Gegenwart ist. Denn mit Hilfe immer niedrigerer Zinsen versuchte die EZB über die letzten Jahre hinweg, Kredite billiger zu machen und so über den Umweg der Banken Investitionen zu unterstützen. Das Ziel der EZB als Zentralbank war es, so die Konjunktur anzukurbeln und die Inflationsrate anzuheben. 
     
    Ob die EZB als Bankenaufsicht dieser Politik zugestimmt hätte, ist fraglich. Denn weil die Kreditvergabe für Banken immer weniger lukrativ wurde, hat die EZB sie – ob bewusst oder unbewusst – auf die Suche nach neuen Renditechancen geschickt. Um weiter hohe Gewinne zu scheffeln, müssen die Banken allerdings zwangsläufig höhere Risiken eingehen. Genau das jedoch sollte die EZB als Bankenaufseher verhindern, heißt es in dem Bericht des "Handelsblatt". 
     
    Zwei Aufgaben in einem Haus: Kritik kommt von den Grünen
     
    Der Grünen-Finanzexperte im Europaparlament Sven Giegold sagt deswegen: „Wir haben schon während der Gesetzgebung gefordert, dass die EZB die Bankenaufsicht an eine neue Institution abgibt.“ Dies gelang bekanntlich nicht. Auch der Versuch von Giegold, bereits im Vorfeld eine zukünftige Abgabe der neuen Aufgaben der EZB zu regeln, scheiterte. „Ein Zeitplan wurde damals von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen gemeinsam abgelehnt, weil man die neue EZB-Institution nicht gleich durch ein Verfallsdatum schwächen wollte“, zitiert das Blatt den Grünen-Politiker. 
     
    Eine Findungsphase bleibt der EZB verwehrt
     
    Die EZB muss in Zukunft also die Balance zwischen ihren Aufgaben finden. Zeit, sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen, bleibt nicht. Zu sehr drängen akute Fragen. Wie etwa die Frage nach mehr Aktivitäten im Kampf gegen die niedrige Inflationsrate. Um die Inflation irgendwie ihrem in die Ferne gerückten Zielwert von „zwei Prozent oder knapp darunter“ näher zu bringen, hat die EZB schon mehrere  kontroverse Maßnahmen umgesetzt. Allen voran die seit Jahren niedrigen Zinsen. Dazu kam im September die Entscheidung des EZB-Rats, den Banken massenhaft Kreditverbriefungen und Pfandbriefe abzukaufen. Darunter auch die als besonders riskant geltenden Asset Backed Securities (ABS). Jüngst machten Spekulationen die Runde, die EZB könne schon Anfang nächsten Jahres ein Programm zum Aufkauf von Unternehmensanleihen starten (siehe hier).
     
    ABS-Kaufprogramm, Spekulationen über den Kauf von Unternehmensanleihen… und schon ist auch das Quantitative Easing wieder Thema
     
    Angesichts der anhaltend niedrigen Inflationsrate tauchen immer wieder Forderungen auf, die EZB solle sich ein Beispiel an der US-Notenbank Federal Reserve nehmen und massenhaft Staatsanleihen kaufen. Quantitative Easing (QE) ist mal wieder in aller Munde. Während die Fed am vergangenen Donnerstag das Ende ihres Kaufprogramms verkündete, weitete die Bank of Japan ihres am letzten Freitag nochmals aus, schreibt das „Wall Street Journal Deutschland“. Dazu kommt, dass die EZB angekündigt hat, ihre Bilanz auf das Volumen von 2012 ausweiten zu wollen. Das heißt: Rund eine Billion zusätzlich an Aktiva, schreibt das Journal.
     
    Doch allein mit den bislang laufenden Programmen dürfte das schwer werden. „Ihnen läuft die Zeit davon“, zitiert WSJ Ken Wattret, Volkswirt bei BNP Paribas. „Wenn man die Bilanz schneller ausweiten will, muss man auf größeren Märkten kaufen.“ Deswegen der Ruf nach dem Kauf von Staatsanleihen. Doch die EZB dürfte dem Beispiel Japans wohl kaum folgen. Zu groß sind den Notenbankern die Risiken. „Ich denke nicht, dass wir in den nächsten Monaten Dinge wie Käufe von Anleihen des öffentlichen Sektors erwägen sollten – auch wenn man sie für den Notfall analysieren sollte“, sagte EZB-Ratsmitglied und Chef des estnischen Zentralbank Ardo Hansson laut WSJ vergangene Woche. 
     




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