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    Schulden-Kehrtwende  3291  5 Kommentare Griechische Regierung - "Schuldenschnitt" heißt jetzt "Umschuldung"

    Der Ton macht bekanntlich die Musik. Aber nicht nur der, auch die Wortwahl ist entscheidend. Das dürfte so ziemlich jedem klar sein, der schon den einen oder anderen Beziehungsstress hinter sich hat. Offenbar hat man sich bei der neuen griechischen Regierung jetzt diese alte Beziehungsweisheit zu Herzen genommen und spricht nicht mehr länger von „Schuldenschnitt“, sondern von „Umschuldung“. Aber reicht ein Wortspiel, um die Wogen wieder zu glätten?

    Im Interview mit der „Financial Times“ vollzog Griechenlands neuer Finanzminister Gianis Varoufakis eine Schulden-Kehrtwende. Statt eines Schuldenschnitts, bisher von Syriza im Wahlkampf stets als alternativlos deklariert (siehe hier und hier), sei nun auch „eine Liste von Umschuldungsmaßnahmen“ möglich, um die Schuldenlast Griechenlands zu erleichtern, so Varoufakis.

    Ein "intelligenter Schuldenkniff"

    Zu diesem Zweck brachte er zwei neue Anleihen ins Gespräch: Die eine, gekoppelt an das nominale Wirtschaftswachstum, würde europäische Rettungskredite ablösen, die andere, von Varoufakis als „perpetual bonds“ („unbefristete Anleihen“) bezeichnet, solle an die Stelle von griechischen Staatsanleihen treten, die die Europäische Zentralbank (EZB) halte.

    Seinen Vorschlag für neue Umschuldungsmaßnahmen nannte der griechische Finanzminister eine Form des „smart debt engineering“ (in etwa: „intelligenter Schuldenkniff“), die den Begriff „Schuldenschnitt“ vermeide, da dieser in Deutschland und anderen Schuldnerländern politisch nicht akzeptabel sei.

    Syriza will Oligarchen zur Kasse bitten

    Laut Varoufakis sehe ein solcher Umschuldungsplan aber nicht nur ein Anleihentausch vor. Auch eine schärfere Politik gegenüber jenen reichen Griechen, die bislang keine oder nur wenig Steuern gezahlt haben, gehöre dazu. „Wir wollen zuerst am Kopf des Fisches ansetzen und uns dann zur Flosse vorarbeiten“, so Varoufakis in der „FT“. An die Adresse der griechischen Oligarchen richtete er das Versprechen, man werde nicht nachlassen ehe dieses Ziel erreicht ist. „Sollten wir von den Kapitalinteressen vernichtet werden, so ist es eine Ehre im Kampf für das Gute gefallen zu sein.“

    Die Ausgangslage für die neue griechische Regierung fasst er so zusammen: Man habe zwar den Nachteil der Unerfahrenheit und eine „breite Kirche“ zu sein, so der Finanzminister unter Anspielung auf die Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen. Allerdings habe die neue Regierung den Vorteil, ihre Seele noch nicht an den Teufel verkauft zu haben. „Und das haben wir auch nicht vor“, bekräftigte Varoufakis.

    Griechenland auf Werbetour - aber reicht ein Wortspiel?

    Gianis Varoufakis wirbt derzeit ebenso wie der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras für einen veränderten Umgang mit der griechischen Schuldenproblematik. Zu diesem Zweck reisen sie durch Europas Hauptstädte um die dortigen Politiker zu einer Abkehr von der strikten Sparpolitik und hin zu einer neuen Schuldenregelung zu bewegen (wallstreet:online berichtete). Doch dabei sehen sie sich immer wieder mit dem Vorurteil konfrontiert, einem linksradikalen Lager anzugehören. Varoufakis kontert: „Was auch immer unsere Partner über uns als Teil der linksradikalen Strömung denken, uns ist es ernst mit Reformen, uns ist es ernst damit gute Europäer zu sein und uns ist es ernst damit zuzuhören.“

    Aber wird ein Wortspiel allein tatsächlich reichen, um die Wogen zwischen der neuen griechischen Regierung und Europa zu glätten? Europa bleibt skeptisch. Vor allem in Berlin beißt die neue griechische Regierung mit ihrem Frontalkurs bislang auf Granit. Zudem wächst einem Bericht der „Welt“ zufolge unter Investoren die Besorgnis, dass sich die Unsicherheit im Zuge der Griechenland-Debatte auf andere Staaten des südlichen Europas übertragen könnte.




    wallstreetONLINE Redaktion
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