Halvers Woche
"Lügen, lügen, lügen" - Seite 3
Und was besprechen dann die Damen und Herren Verhandlungsführer auf der Gläubiger- und Schuldnerseite stundenlang? Könnte man nicht ruckzuck neue Finanzmittel für Athen bewilligen? Nein, das geht
nicht, das schadete der Glaubwürdigkeit. Es muss Marathon ähnlich lang und ausgiebig verhandelt werden, damit beide Seiten ihrem jeweils zugeneigten Publikum beweisen können, man habe sich massiv
für ihre Interessen eingesetzt. Bei dieser langatmigen Zickzack-Politik spielt der IWF die Rolle des kompromisslosen Bad Cop. Dagegen spielt die EU-Kommission den Good Cop, der gutmütig und
kompromissfähig ist. Die Griechen wiederum sind an einem Tag reformkonziliant und am nächsten wieder reformverweigernd. Zur Dramaturgie passt auch, dass man sich – ähnlich wie
bei Tarifauseinandersetzungen – zwischendurch verbal gegenseitig ins Schienbein tritt. Und ebenso gehören unterschiedliche Einschätzungen in punkto Verhandlungsfortschritt dazu.
Während Athen sich einbildet, bereits fast am Ziel eines Einigungsprozesses zu sein, lässt Brüssel verlautbaren, gerade einmal die Startblöcke verlassen zu haben.
Wie auch immer, am Ende steht ein zusammengeschusterter, zum Himmel stinkender Reformkompromiss, der Athen neues Geld in die klammen Kassen spült. So kann wahrscheinlich im Juni die griechische
Regierung stolz vor ihre Wähler treten, sie habe sich nicht verbiegen lassen, der starke griechische Herkules habe es den Ungeheuern in Brüssel und Berlin einmal so richtig gezeigt. Und die
Gläubigerstaaten können verkünden, dass Griechenland auf dem richtigen Weg ist, vom Reform-Saulus zum Reform-Paulus zu werden. Die stabilitätsmoralische Rechtfertigung für den Verbleib
Griechenlands in der Eurozone ist damit erbracht. Zum Schluss hat man dem toten griechischen Finanzgaul wieder finanzpolitisches Leben eingeflößt. Soll doch bitte niemand an der
Wiederauferstehung zweifeln.