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    Die großen Crashs 1929 und 2008. Warum sich Geschichte wiederholt

    Heute erscheint das Buch von Barry Eichengren “Die großen Crashs 1929 und 2008. Warum sich Geschichte wiederholt” auf deutsch (englisches Original: “Hall of Mirrors”). Barry Eichengreen ist der Nestor der Crash-Forschung, in seinem Werk analysiert er die Gründe, die zu den Crashs der Jahre 1929 und 2008 führten. Wir haben zu diesem Thema am Freitag ein Interview mit dem Autor veröffentlicht unter dem Titel “Eichengreen: Ein deutscher Marshallplan für Griechenland“.

    Hier nun, mit freundlicher Genehmigung des FinanzBuch Verlags, ein Auszug aus der Einleitung des Buches:

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    Barry Eichengrenn Crash 1929 und 2008

    Dies ist ein Buch über Finanzkrisen. Es beschreibt die Ereignisse, die
    solche Krisen verursachen. Es handelt auch davon, warum Regierungen
    und Märkte so reagieren, wie sie es tun. Und es handelt von den
    Konsequenzen.
    Es schildert die große Rezession von 2008 und 2009 und die große
    Depression von 1929 bis 1933 – die beiden großen Finanzkrisen unseres
    Zeitalters. Nicht nur in politischen Kreisen weiß man, dass es Parallelen
    zwischen diesen beiden Episoden gibt. Viele Kommentatoren haben
    beschrieben, wie das Wissen über das frühere Ereignis – die »Lektionen
    aus der Großen Depression« – die Reaktionen auf die Ereignisse 2008
    und 2009 beeinflusst hat. Weil diese Ereignisse so auffällig denen der
    1930er-Jahren ähnelten, lieferte diese Erinnerung an die Vergangenheit
    eine Art Objektiv, durch das man sie betrachten konnte. Die Tendenz, die
    Krise aus der Perspektive der 1930er-Jahre zu sehen, wurde noch dadurch
    verstärkt, dass Politiker von Ben Bernanke – Vorsitzender des Board of
    Governors der Federal Reserve – bis Christina Romer – Vorsitzende des
    ökonomischen Beratungskomitees des Präsidenten Barack Obama – diese
    Geschichte in ihren früheren Karrieren als Akademiker studiert hatten.
    Infolge dieser Lektionen verhinderten die Politiker das Schlimmste.
    Nachdem die Pleite von Lehman Brothers das globale Finanzsystem an
    den Rand des Abgrunds geführt hatte, versicherten sie, dass sie keine
    weitere Pleite einer für das System äußerst wichtigen Finanzinstitution
    mehr zulassen würden, und sie hielten dieses Versprechen. Sie widerstanden
    einer Politik unter dem Motto: »Bettle deinen Nachbarn an«, die in
    den 1930er-Jahren den Zusammenbruch der internationalen Transaktionen
    verursacht hatte. Die Regierungen erhöhten ihre öffentlichen Investitionen
    und senkten die Steuern. Die Zentralbanken fluteten die Finanzmärkte
    mit Liquidität und gewährten einander solidarisch Kredite in einer
    Weise, die es so noch nie gegeben hatte.

    Diese Entscheidungen waren vor allem vom Wissen über die Fehler der
    Vorgänger beeinflusst. In den 1930er-Jahren unterlagen die Regierungen
    der Verführung des Protektionismus. Sie ließen sich von einem veralteten
    ökonomischen Dogma leiten, kürzten ihre öffentlichen Ausgaben
    zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt und versuchten, ihre Budgets ins
    Gleichgewicht zu bringen, als stimulierende Investitionen notwendig gewesen
    wären. Es machte keinen Unterschied, ob die betreffenden Politiker
    Englisch sprachen, wie Herbert Hoover, oder Deutsch, wie Heinrich
    Brüning. Ihre Maßnahmen verschlimmerten nicht nur den Niedergang,
    sondern sie scheiterten sogar an der Aufgabe, das Vertrauen in die öffentlichen
    Finanzen wiederherzustellen.
    Die Zentralbanker hielten an der Idee fest, dass sie nur so viele Kredite
    bereitstellen müssten, wie es für die legitimen Bedürfnisse der Unternehmen
    erforderlich war. Sie gewährten mehr Kredite, wenn die Wirtschaft
    expandierte, und weniger, wenn es einen Rückgang gab, womit sie Booms
    und Krisen noch verstärkten. Sie vernachlässigten ihre Verantwortung für
    finanzielle Stabilität und schritten nicht als Kreditgeber in Notfällen ein.
    Das Ergebnis war ein sprunghaftes Ansteigen von Bankenpleiten und ein
    verkümmerndes Kreditgeschäft. Man ließ zu, dass die Preise kollabierten
    und Schulden nicht mehr zu managen waren. Milton Friedman und
    Anna Schwartz geben in ihrem einflussreichen Werk über die Geschichte
    der Geldpolitik den Zentralbanken die Schuld an diesem Desaster. Sie
    kommen zu dem Fazit, die unfähige Politik der Zentralbanken sei mehr
    als jeder andere Faktor für die ökonomische Katastrophe der 1930er-Jahre
    verantwortlich gewesen.


    Da die Verantwortlichen die Lektionen aus dieser früheren Episode gelernt
    hatten, gelobten sie, es diesmal besser zu machen. Wenn damals die
    Welt in Deflation und Depression gestürzt war, weil ihre Vorgänger weder
    die Zinsen gesenkt noch die Finanzmärkte mit Liquidität geflutet hatten,
    würden sie diesmal mit einer expansiven Geld- und Finanzpolitik reagieren.
    Wenn die Finanzmärkte zusammengebrochen waren, weil ihre Vorgänger
    panische Anstürme auf die Banken nicht verhindert hatten, würden
    sie auf ganz entschiedene Weise mit den Banken umgehen. Wenn
    Bemühungen, den Staatshaushalt auszugleichen, den Niedergang in den
    1930er-Jahren verstärkt hatten, würden sie finanzielle Anreize schaffen.
    Wenn der Zusammenbruch der internationalen Kooperation die Probleme
    der Welt verschlimmert hatte, würden sie persönliche Kontakte und
    multilaterale Institutionen nutzen, um sicherzustellen, dass es diesmal
    eine angemessene Koordination politischer Maßnahmen gab.
    Als Resultat dieser ganz anderen Reaktionen erreichte die Arbeitslosenquote
    in den USA 2010 einen Spitzenwert von 10 Prozent. Das war
    immer noch besorgniserregend hoch, aber die Quote lag doch weit unter
    den katastrophalen 25 Prozent während der großen Depression. Hunderte
    Banken gingen pleite, aber nicht Tausende. Es gab viele Verwerfungen
    an den Finanzmärkten, aber deren völliger und äußerster Kollaps wie in
    den 1930er-Jahren wurde mit Erfolg abgewendet.
    Das war nicht nur in den USA so, sondern auch in anderen Ländern.
    Jedes unglückliche Land ist auf seine eigene Weise unglücklich und ab
    2008 gab es unterschiedliche Grade der wirtschaftlichen Unzufriedenheit.
    Aber abgesehen von einigen fehlgeleiteten europäischen Ländern erreichte
    dieses Unglück nicht das Niveau der 1930er-Jahre. Weil die politischen
    Maßnahmen besser waren, fielen die sozialen Verwerfungen, die
    Schmerzen und das Leid geringer aus.


    So sagt man jedenfalls.
    Diese nette Geschichte ist leider zu einfach.
    Sie lässt sich nicht mit der Tatsache in Einklang bringen, dass man die
    Risiken nicht antizipiert hat. Bei einem Besuch der London School of
    Economics 2008 hat Königin Elisabeth II. eine später berühmt gewordene
    Frage gestellt: »Warum hat das niemand kommen sehen?«, fragte sie
    die versammelten Experten. Sechs Monate später schickte eine Gruppe
    prominenter Wirtschaftswissenschaftler der Königin einen Brief und entschuldigte
    sich für »den Mangel an kollektiver Fantasie«.

    (..)

    Die Architekten des Euro waren sich dieser Geschichte bewusst. Man erinnerte
    sich sogar noch intensiver an sie, weil 1992 bis 1993 der Wechselkursmechanismus
    zusammenbrach, der die europäischen Währungen
    miteinander verband wie ein Seil eine Gruppe von Bergsteigern. Daher
    bemühten sie sich um ein stärkeres währungspolitisches Arrangement.
    Es sollte auf einer Einheitswährung basieren und nicht von den Wechselkursen
    zwischen einzelnen Landeswährungen abhängig sein. Die Abwertung
    einer Landeswährung sollte nicht mehr möglich sein, weil die einzelnen
    Länder dann keine nationale Währung mehr haben würden, die sie
    abwerten könnten. Dieses Euro-System sollte nicht von nationalen Notenbanken
    reguliert werden, sondern von einer supranationalen Institution,
    der Europäischen Zentralbank.
    Wichtig ist, dass der Vertrag zur Einrichtung der Währungsunion keine
    Möglichkeit zum Ausstieg vorsah. In den 1930er-Jahren konnte ein Land
    durch eine unilaterale Entscheidung seiner nationalen Legislatur oder seines
    Parlaments den Goldstandard abschaffen. Im Gegensatz dazu wäre
    die Abschaffung des Euro in einem Land ein Vertragsbruch und würde
    das gute Verhältnis dieses Landes mit seinen Partnerstaaten innerhalb der
    EU gefährden.
    Die Architekten des Euro vermieden zwar einige Probleme des Goldstandards,
    sorgten dafür aber für andere Probleme. Indem das Euro-System
    ein trügerisches Bild der Stabilität schuf, setzte es große Kapitalströme in
    die südeuropäischen Länder in Gang, welche schlecht dafür gerüstet waren,
    mit ihnen umzugehen – wie schon in den 1920er-Jahren. Als diese
    Ströme die Richtung wechselten, führten die Unfähigkeit der nationalen
    Zentralbanken, Geld zu drucken, und der nationalen Regierungen, sich
    dieses Geld zu leihen, zu tiefen Rezessionen – wie schon in den 1930er-Jahren.
    Der Druck, etwas zu verändern, wurde immer stärker. Die Unterstützung
    von Regierungen, die das nicht taten, wurde schwächer. Es häuften
    sich die Prognosen, der Euro werde ebenso scheitern wie der Goldstandard;
    Regierungen in notleidenden Ländern würden ihn verlassen. Und
    falls sie zögern sollten, dies zu tun, würden sie von anderen Regierungen
    und politischen Führern abgelöst werden, die zum Handeln bereit wären.
    Schlimmstenfalls könnte sogar die Demokratie in Gefahr sein.
    Es stellte sich heraus, dass dies ein falsches Verständnis der Lehren aus
    der Geschichte war. Als Regierungen in den 1930er-Jahren den Goldstandard
    aufgaben, waren der internationale Handel und das Kreditwesen
    schon zusammengebrochen. Diesmal taten die europäischen Länder gerade
    genug, um dieses Schicksal zu vermeiden. Daher musste man den
    Euro verteidigen, um den gemeinsamen Markt, den Handel innerhalb
    Europas und den Zahlungsverkehr zu bewahren. In den 1930er-Jahren
    zählte die politische Solidarität zu den frühen Opfern der Depression.
    Trotz der Belastungen durch die Krise setzten die Regierungen diesmal
    ihre Konsultationen und ihre Zusammenarbeit mithilfe internationaler
    Institutionen fort, die stärker und besser entwickelt waren als die
    in den 1930er-Jahren. Die wirtschaftlich und finanziell starken EU-Länder
    vergaben an ihre schwachen europäischen Partner weiterhin Kredite.
    Diese Kredite hätten zwar höher sein können, aber verglichen mit den
    1930er-Jahren waren sie dennoch umfangreich.


    Und schließlich kam es nicht zu einer Krise der Demokratie, wie sie
    diejenigen prognostiziert hatten, die mit dem Kollaps des Euro rechneten.
    Es gab Demonstrationen, auch solche, bei denen es zu Gewalttaten kam.
    Regierungen stürzten. Aber anders als in den 1930er-Jahren überlebte
    die Demokratie. Die Kassandras des Zusammenbruchs hatten die Wohlfahrtsstaaten
    und die sozialen Sicherheitsnetze übersehen, die infolge der Depression
    aufgebaut worden waren. Sogar dort, wo die Arbeitslosenrate
    bei mehr als 25 Prozent lag, wie es in den am schlimmsten betroffenen
    Teilen Europas der Fall war, kam es nicht zu offenkundiger Verzweiflung.
    Das schwächte die politische Gegenreaktion. Es begrenzte den Druck, das
    bisherige System zu verlassen.


    Es ist allgemein bekannt, dass die Erfahrung der Großen Depression
    die Wahrnehmung und die Reaktionen auf die große Rezession stark
    geprägt hat. Aber um zu verstehen, wie diese Geschichte genutzt – und
    missbraucht – wurde, muss man sich nicht nur die Depression genauer
    ansehen, sondern auch die Entwicklungen, die sie ermöglicht haben. Wir
    müssen also ganz am Anfang beginnen, nämlich im Jahr 1920.

     




    Markus Fugmann
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    Markus Fugmann ist Chefanalyst der actior AG und Redakteur bei www.finanzmarktwelt.de. Die actior AG bietet Selbsthändlern die Möglichkeit, an allen gängigen Märkten der Welt im Bereich CFDs, Futures, Aktien und Devisen zu Top-Konditionen zu handeln. Darüber hinaus erhalten Kunden kostenlose Informationsabende, Seminare, One-to-One Coaching, allgemeine Einführungen in die Handelsplattformen und Märkte.
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    Verfasst von Markus Fugmann
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