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    Ein Referendum, viele Fragezeichen  2374  1 Kommentar Grexit, Staatspleite, Zerfall der Euro-Zone - Welche Folgen hat das griechische "Nein"?

    Griechenland sagt mit aller Deutlichkeit „NEIN!“ – Nein zu einem Vorschlag der Geldgeber, der ohnehin längst vom Tisch ist. Trotzdem hallt seit Sonntag das griechische „OXI!“ wie ein Paukenschlag durch Europa, denn in Wahrheit geht es um mehr als diesen einen Vorschlag. Es ist ein Nein zur Politik der Geldgeber, ein Nein zu weiteren Sparmaßnahmen und möglicherweise auch ein Nein zum Euro.

    So jedenfalls deuten es viele Finanzexperten. Laut „Welt“ rechnen JP Morgan und Barclays fest mit einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Ein Grexit gilt für sie als Basisszenario. Das Analysehaus Oxford Economics beziffert die Grexit-Wahrscheinlichkeit mit 85 Prozent. Und auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, gibt zu Protokoll: „Wenn die Griechen gegen einen Kompromiss mit der Staatengemeinschaft stimmen, dann ist es das wahrscheinlichste Szenario, dass Griechenland am Ende aus der Währungsunion austritt.“

    Euro-Zone ringt um eine Haltung

    Doch so wahrscheinlich ein Grexit für die Finanzmärkte auch sein mag, aus politischer Sicht ist der Austritt Griechenlands alles andere als eine klare Sache. In einer Telefonkonferenz haben EU-Spitzenvertreter über das weitere Vorgehen beraten. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach mit EU-Gipfelchef Donald Tusk, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hieß es am Montag in EU-Kreisen. Bei einem für Dienstag einberufenen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs wird es vor allem um die Frage gehen, ob nach dem „Nein" über ein drittes Rettungsprogramm für Griechenland gesprochen werden kann. 

    Die Bundesregierung sieht derzeit jedenfalls keine Grundlage für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm. "Zur Zeit" seien die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert auf einer Regierungspressekonferenz am Vormittag. Die Bundesregierung bleibe aber gesprächsbereit, fügte er hinzu.

    Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras betonte indes am Sonntag in einer Fernsehansprache: "Das Mandat, das Sie (die griechischen Bürger) mir erteilt haben, ruft nicht nach einem Bruch mit Europa, sondern verleiht mir eine größere Verhandlungsmacht." Stattdessen forderte er Zugeständnisse der internationalen Geldgeber. Sein Land sei weiter zu Reformen bereit, dringend notwendig seien aber Investitionen sowie die Umstrukturierung der Schulden, so Tsipras.

    Wie hoch wäre der Preis eines Grexits?

    Die Frage ist jedoch: Wie hoch wäre der Preis, den die Geldgeber für solche Zugeständnisse zahlen müssten? Und wie hoch ist der Preis, den sie zu zahlen bereit sind? In der einen Waagschale liegt der vielfach beschworene Dominoeffekt, der von einem Grexit ausgehen könnte. Martin Armstrong warnte im Interview mit wallstreet:online: „Die Investoren werden sich nach den nächsten Kandidaten umschauen und Portugal, Spanien und Italien attackieren. Das System ist nicht tragfähig.“

    In der anderen Waagschale liegt ebenfalls ein drohender Dominoeffekt. Was nämlich passiert, wenn die Geldgeber ihre Forderungen gegenüber Griechenland lockern? Wie wäre es dann gegenüber Spanien und Co. zu rechtfertigen, dass sie die harten Sparmaßnahmen weiterhin umsetzen müssen, Athen nun aber nicht mehr? (siehe: Wenn der Protest zur Gefahr wird – Regiert in Europa bald das Chaos?)

    Grexit oder nicht - EZB hat es in der Hand

    Die wohl größte Macht im Grexit-Spiel dürfte allerdings EZB-Chef Mario Draghi besitzen (siehe: Mario Draghi hat es in der Hand – Stürzt er Griechenland ins Verderben?). Das Schicksal Griechenlands und möglicherweise der gesamten Euro-Zone liegt in den Händen der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn letztlich könnte sie es sein, die den Grexit besiegelt. Zur Stunde berät der EZB-Rat über die Lage in Griechenland und wird entscheiden müssen, ob er die Ela-Kredite an die griechischen Banken stoppt. Die meisten Beobachter rechnen jedoch damit, dass die EZB die Notkredite aufrechterhalten wird, solange auf politischer Ebene weiter verhandelt wird.

    Ela-Notkredite (Emergency Liquidity Assistance/Ela) sind seit Monaten die einzige Geldquelle der griechischen Banken. Dreht die EZB diesen Geldhahn nun zu, gehen Griechenland im wahrsten Sinne des Wortes die Euros aus. Auf diese Weise könnte die EZB das durchsetzen, was die EU-Verträge nicht hergeben – einen Grexit durch die Hintertür. Ohne frisches Geld wäre die griechische Regierung gezwungen, eine Parallelwährung einzuführen. Das könnte sie aber streng genommen nur, wenn sie gleichzeitig aus der Währungsunion austritt (Lesen Sie hierzu den w:o-Faktencheck: Austritt oder Rauswurf – Welcher Grexit wäre juristisch machbar?).

    Das sind die nächsten Termine im Griechenland-Drama

    7. Juli: Die Banken Griechenlands und die Börse in Athen können frühestens am Dienstag wieder öffnen.

    10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von 2 Milliarden Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen über die Zahlungsfähigkeit Griechenlands wichtig.

    13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen.

    17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.

    20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten spätestens dann kaum noch möglich sein, weiter Ela-Kredite (Notkredite) an griechische Banken zu vergeben.
     




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    Ein Referendum, viele Fragezeichen Grexit, Staatspleite, Zerfall der Euro-Zone - Welche Folgen hat das griechische "Nein"? Das griechische „OXI!“ hallt wie ein Paukenschlag durch Europa. Es ist ein Nein zur Politik der Geldgeber, ein Nein zu weiteren Sparmaßnahmen und möglicherweise auch ein Nein zum Euro. Wird die EZB dieses Nein nun in die Tat umsetzen?

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