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    Griechenland  5510  6 Kommentare Sinn im griechischen Schlaraffenland - Drachme einführen und alles wird gut

    Es soll ja schon des Öfteren vorgekommen sein, dass Menschen mit zunehmendem Alter plötzlich ihren zweiten Frühling erleben. Bei Hans-Werner Sinn ist das nicht anders. Kurz vor seinem Ruhestand gibt er noch einmal mächtig Vollgas.

    Auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise scheint auch der scheidende ifo-Präsident auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen. Selten war Sinn so präsent wie in diesen Tagen. Kein Wunder, immerhin ist der Ökonom nicht nur für seinen markanten Bart, sondern vor allem für seine nicht weniger markanten Zitate bekannt. In einem Gastbeitrag für die „WirtschaftsWoche“ nimmt sich Sinn nun etwas zurück. Statt Sprüche zu klopfen, versucht er verhältnismäßig ausführlich seine Sichtweise darzulegen. Das macht sie aber nicht weniger umstritten.

    Er beginnt mit einer Bestandsaufnahme: Der Konkurs Griechenlands sei fünf Jahre lang verschleppt worden und das mit Absicht. Öffentliche Gläubiger hätten die Schulden der privaten übernommen und ihnen so die Möglichkeit gegeben, „sich aus dem Staube zu machen“. Seither seien die Schulden von 50 Milliarden (1. Quartal 2010) auf nunmehr 330 Milliarden Euro gestiegen. Doch trotz dieser Hilfsgelder in Milliardenhöhe liege die griechische Wirtschaft noch immer am Boden, trotzdem leide das Land unter einer humanitären Katastrophe. Sinn: „Europas Politiker stehen vor einem großen Scherbenhaufen.“ Für diesen Scherbenhaufen gelte es nun gerade zu stehen. Laut Sinn müssten alle drei Mitglieder der Troika ihren Teil der Verluste tragen – denn dass das Geld unwiderruflich verloren ist, steht für ihn gar nicht mehr zur Diskussion. Aber „dass nun allein die Euro-Staaten die Rechnungen der anderen beiden Troika-Partner mit übernehmen sollen, wie es scheint, ist nicht einzusehen. Ihre Parlamente würden sich damit zu bloßen Erfüllungsgehilfen technokratischer und nicht unmittelbar demokratisch kontrollierter Gremien machen, die die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht tragen müssen.“

    Eine Staatspleite als Basis für den Aufschwung

    Was Griechenland braucht ist nach Ansicht Sinns eine Insolvenz. Die Staatspleite würde nämlich nicht zur Verarmung führen, so der ifo-Präsident, sondern Griechenland von seinen Schulden befreien und damit einen Neustart ermöglichen. Wichtigster Bestandteil eines Neuanfangs wäre es dann, den Kern aller griechischen Probleme anzugehen – die nicht vorhandene Wettbewerbsfähigkeit. „Importüberhang und Massenarbeitslosigkeit zeigen, dass Griechenland meilenweit vom Zustand der Wettbewerbsfähigkeit entfernt ist.“ Sinn hält die Rückkehr zu Drachme und die damit verbundene Abwertung deshalb für unerlässlich. Dabei würde es zunächst ausreichen, die Drachme als virtuelle Verrechnungseinheit einzuführen und den Euro weiterhin für die tatsächliche Zahlung zu akzeptieren. „Der Euro wird so zur Parallelwährung.“ Kommen die neuen alten Drachmen-Scheine schließlich druckfrisch aus der Notenpresse, können sie den Euro langsam aber sicher ersetzen (Lesen Sie hierzu auch: Sinn fordert den Weekend-Grexit – Zurück zur Drachme in nur einem Wochenende).

    Auf die Abwertung folgt der Wirtschaftsboom

    Was dann folgt ist das Sinn’sche Credo eines Wirtschaftsbooms durch Abwertung. Es ist zugleich der umstrittenste Teil seiner Argumentation. Diese geht so: Eine Abwertung führt zu einem wahren Wirtschaftswunder, …

    … weil ausländische Produkte so teuer werden, dass die Griechen gezwungenermaßen auf ihre eigenen zurückgreifen müssen. Die Folge: die inländische Nachfrage boomt.

    … weil auch das ausländische Obst und Gemüse zu teuer wird und die griechische Bevölkerung die eigenen Tomaten und Oliven essen müssen. Die Folge: die Landwirtschaft boomt.

    … weil die vielen reichen Griechen, die ihr Geld zuvor im Ausland in Sicherheit gebracht haben, zurückkommen und die ganzen billigen Villen aufkaufen werden, die dann natürlich allesamt aufwändig restauriert werden müssen. Die Folge: der Bausektor boomt.

    … weil nicht nur die griechischen Produkte, sondern quasi das griechische Gesamtpaket aus Boden und Arbeitskräften billiger werden würde. Das lockt ausländische Investoren an, die sich mit ihrer Fabrik oder ihrem Start-Up wieder in Griechenland niederlassen wollen. Die Folge: die Industrie boomt.

    Wenn die Logik zum Problem wird …

    Es klingt alles fast zu schön um wahr zu sein. Natürlich könnten all die Dinge, die Sinn verspricht, tatsächlich eintreten. Wohlgemerkt „könnten“. Denn der Konjunktiv ist durchaus angebracht. Die weltweiten Strukturen, seien es die politischen, die wirtschaftlichen oder die finanziellen, sind in Zeiten der Globalisierung so komplex geworden, dass es fast unmöglich ist, sie auf eine einfache Kausalkette herunter zu brechen: Wenn a, dann b, wenn b, dann c, usw. Leider tendiert die Wirtschaftswissenschaft dazu, genau das zu tun. Die Welt wird in ein mathematisches Modell gepresst und was nicht passt, wird passend gemacht. Aber ist die Welt wirklich immer so logisch, wie die Ökonomen sie so gerne darstellen?

    Auch Sinn setzt voll und ganz auf die Macht der Kausalketten, indem argumentiert: Auf a (Insolvenz) folgt b (Parallelwährung), dann c (Abwertung) und schließlich d (Wirtschaftsboom). Nochmal: Diese Kausalkette könnte tatsächlich so eintreten. Es kann aber genauso gut sein, dass die Vielzahl an anderen Faktoren die Kette an irgendeiner Stelle sprengt und a dann eben doch nicht zu dem gewünschten Ergebnis d führt.

    Der ifo-Präsident glaubt trotzdem fest an sein Schlaraffenland: Ein, zwei harte Jahre, danach erstrahle Griechenlands Wirtschaft wieder in neuem Glanz. Bis es soweit ist, sollte die Euro-Zone allerdings Medikamente und Energie subventionieren, fordert Sinn. Denn: „Die Abwertung geht unweigerlich mit einer Senkung des Lebensstandards einher.“ Dennoch sei sie der „sozial verträglichste Weg“, so Sinn, weil auch die Löhne, die heimischen Produkte, die Mieten und die Schulden ebenfalls gesenkt würden. Logisch … natürlich.




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