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    „Keine monetäre Finanzierung“  3850  2 Kommentare Das hat gedauert: EZB veröffentlicht Geheimabkommen zu Anleihekäufen

    Ende November wurde das gigantische Ausmaß der Anleihekäufe europäischer Notenbanken bekannt. Ein geheimes Abkommen fungierte dabei als Regelwerk, bis zur Offenlegung dessen dauerte es ganze zwei Monate. Die EZB gibt sich nun transparenz-bewusst und erklärt: Hierbei handelt es sich nicht um monetäre Staatsfinanzierung. 

    "ANFA wurde zunächst vertraulich behandelt. Die Zentralbanken des Eurosystems beschlossen dann jedoch einstimmig, dass die Veröffentlichung des Textes und entsprechender Erläuterungen ihrer Verpflichtung zu mehr Transparenz besser gerecht wird."

    Diese Begründung der EZB-Mitteilung über die Offenlegung des Anfa-Abkommens ("Agreement on Net Financial Assets") mutet vorbildlich an. So stellt man sich die Arbeit der wahrscheinlich wichtigsten Akteure in der Krisenbewältigung - der Geldpolitiker - vor.  Doch ganz so transparenz-bewusst ist diese Aktion bei Weitem nicht, führt man sich vor Augen, dass die Offenlegung des seit über einem Jahr existierenden und im Dezember 2015 bekannt gewordenen Regelwerks ganze zwei Monate gedauert hat und erst auf Druck zahlreicher Kritiker aus Politik und Wirtschaft erfolgte. 

    Gesamtbestand an Wertpapierkäufen systematisch gestiegen

    Mit dem 39-seitigen Abkommen werden die Spielräume geregelt, die die Notenbanken der Euro-Zone für Wertpapierkäufe auf eigene Rechnung haben. Von 2006 bis Ende 2014 sei der Wert solcher Kaufprogramme auf mehr als 720 Milliarden Euro gestiegen, ohne dass die Öffentlichkeit viel davon mitbekam (lesen Sie mehr dazu hier).

    Nachdem ein Berliner Finanzwissenschaftler diese Zahlen in seiner Dissertation aufgedeckt hatte, hagelte es Kritik: Nicht nur, dass die Glaubwürdigkeit der EZB hiermit untergraben sei, vielmehr sei nun davon auszugehen, dass das Verbot der monetären Staatsfinanzierung klar umgangen wurde. Vor allem Italien, Frankreich, Irland, Belgien und Griechenland sollen mittels dieser Käufe am meisten Geld in ihre Märkte gepumpt haben.

    Zwar lässt die EZB gerade diesen interessanten Teil ihrer Erklärung aus und verweist indes auf die nationalen Zentralbanken, die ihre jeweiligen Zahlen zu den Anfa-Finanzanlagen demnächst selbst in ihren Jahresabschlüssen veröffentlichen werden. Anstelle dessen legte sie lediglich den Gesamtbestand der Netto-Finanzanlagen im Eurosystem offen, der Ende 2015 bei 490 Milliarden Euro gelegen habe und seit der Euro-Einführung durchschnittlich um fünf Prozent jährlich gewachsen sei. 

    Keine monetäre Staatsfinanzierung, Rest ungeklärt. 

    Damit liege der Anstieg klar unter dem Wachstum des Banknotenumlaufs, der im Schnitt um neun Prozent jährlich gestiegen sei. Die Kritik einer monetären Staatsfinanzierung wies die EZB klar zurück: Es sei sicherstellt, dass die Anlagegeschäfte der nationalen Zentralbanken mit dem Verbot der monetären Finanzierung im Einklang stünden. 

    Die Möglichkeit des Aufkaufs nationaler Wertpapiere soll die finanzielle Autonomie der einzelnen Notenbanken - laut dem Abkommen eines der wichtigsten Ziele für den Euro-Raum - aufrecht erhalten. Das Instrument der Liquiditätsspritze bleibt daher bestehen, über die jeweiligen Obergrenzen wird aber Stillschweigen bewahrt. Laut "Handelsblatt" glauben Experten, dass die Notenbanken mit deren Bekanntwerden Gefahr liefen, Spekulationsobjekt zu werden. 

    Die Aufklärungsarbeit der EZB über das Abkommen dürfte von vielen Ökonomen und Politikern bisweilen eher das Prädikat "halbherzig" erlangen. Viele elementare Fragen (zum Beispiel ob neben Staatsanleihen auch Aktien gekauft wurden) werden nicht beantwortet. Auch bleibt die Erklärung aus, "warum die Banque de France und die Banca d'Italia ihre Wertpapierbestände in den Jahren 2007 bis 2009 so rapide ausgeweitet haben", wie Finanzwissenschaftler Daniel Hoffmann, der den Skandal mit seiner Dissertation im letzten Jahr publik machte, der "Welt" mitteilte. 

     




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    „Keine monetäre Finanzierung“ Das hat gedauert: EZB veröffentlicht Geheimabkommen zu Anleihekäufen Ende November wurde das Ausmaß der Anleihekäufe nationaler Notenbanken bekannt. Ein geheimes Abkommen fungierte dabei als Regelwerk, bis zur Offenlegung dauerte es ganze zwei Monate. Laut EZB habe es keine monetäre Staatsfinanzierung gegeben.

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