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    Marktkommentar  1375  0 Kommentare Christophe Bernard (Vontobel): Japan oder von der Quadratur des Kreises

    Bislang vermochten die von Japans Premierminister Shinzo Abe eingesetzten «drei Pfeile» die japanische Wirtschaft noch nicht wiederzubeleben. Obwohl die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt durchaus Fortschritte erzielt hat, geht im Land wirtschaftlich die Sonne noch immer nicht auf. Ob Japans Ökonomie auf einen Wachstumskurs einschwenken kann, hängt unter anderem davon ab, ob die Bank of Japan, die den Großteil der «Abenomics» umgesetzt hat, die ökonomischen Wolken vertreiben kann.

    Gäbe es eine Auszeichnung für die weltweit aggressivste Geldpolitik: die Bank of Japan (BoJ) würde sie erhalten. Die kühnen Maßnahmen der Notenbank in den vergangenen Jahren spiegeln sich in der beispiellosen Ausweitung ihrer Bilanz unter Notenbankgouverneur Haruhiko Kuroda wider (siehe Grafik 1). Die drei Pfeile des Premierministers Shinzo Abe bestehen aus einer aggressiven Geldpolitik, einer expansiven Fiskalpolitik und Strukturreformen. Das Programm sollte Japan aus seiner 20-jährigen deflationären Erstarrung lösen und die Wachstumsaussichten verbessern.

    Wenig Erfolg bei der Belebung der Inflation

    Seit Shinzo Abe im Dezember 2012 zum zweiten Mal ins höchste politische Amt gewählt wurde, kann er einige Erfolge vorweisen. Dazu gehören die deutliche Schwächung des japanischen Yen und eine verbesserte Corporate Governance der Unternehmen. Sein Hauptziel, die Inflationserwartungen in Richtung 2 Prozent zu treiben, hat er jedoch bislang verfehlt. Ersichtlich ist dies an der deutlichen Verlangsamung des Lohnwachstums in wichtigen Wirtschaftszweigen wie der Automobil- und Elektronikindustrie. Zudem halten sich die Bankangestellten mit Lohnforderungen zurück, was für die Abenomics einen schweren Schlag bedeutet. Darüber hinaus geriet das japanische Wachstum nach der unglücklichen Entscheidung der Regierung, die Mehrwertsteuer im April 2014 anzuheben, und der Konjunkturabkühlung in China ins Stocken.

    Es stellt sich die Frage, ob die Währungshüter die Inflation anheizen und den zuletzt erstarkten Yen wieder schwächen können. Die Zinsen noch deutlicher in den negativen Bereich zu drücken, wäre eine Möglichkeit. Die Einführung des Negativzinses von 0.10 Prozent auf einem kleinen Teil der Bankreserven durch die Notenbank im Januar 2016 hat sich jedoch als kontraproduktiv erwiesen. So verzeichneten japanische Bankaktien kräftige Verluste, derweil die japanische Währung erheblich aufwertete. Mittlerweile steht die Glaubwürdigkeit der BoJ auf dem Spiel. Zwar stellen auch andere Notenbanken fest, dass die Wirkung ihrer Geldpolitik nachlässt, doch in Japan ist die Lage infolge der Verschuldung (Verschuldungsquote von 250 Prozent) und des Haushaltsdefizits (6.7 Prozent des BIPs) vergleichsweise akut. Weitere fiskalpolitische Maßnahmen scheinen wenig sinnvoll, ausgenommen die Verschiebung der für 2017 geplanten Mehrwertsteuererhöhung. Schließlich bremsen auch der negative demografische Trend und die Akzeptanz der Deflation durch einen Großteil der Bevölkerung (z.B. Rentner) die Reflationierungsbemühungen.

    Japan bereits abzuschreiben, wäre verfrüht

    Den Untergang der japanischen Wirtschaft zu verkünden, wäre verfrüht. Japan weist einen strukturellen Leistungsbilanzüberschuss auf, der weiter wächst, da die Kernkraftwerke allmählich wieder ans Netz gehen. Die Regierung kann zudem das immense Vermögen anzapfen, das die japanischen Privathaushalte angehäuft haben. Des Weiteren finanziert die BoJ im Wesentlichen das Haushaltsdefizit des Staates, indem sie einen Großteil der emittierten Staatsanleihen aufkauft und die Zinsen extrem niedrig hält. Es ist jedoch angebracht zu sagen, dass die Aussichten für eine Outperformance japanischer Aktien zunehmend von den Währungsbewegungen abhängen. Die Marktteilnehmer dürfen ferner auf dem aktuellen Niveau keine scharfe Abwertung des Yen erwarten, denn die Währung ist selbst nach den Gewinnen seit Jahresbeginn relativ günstig. Aus diesem Grund haben wir unsere «Übergewichtung» in japanischen Aktien, die seit langer Zeit besteht, geschlossen.

    Haruhiko Kuroda, der Notenbankgouverneur der BoJ, steht mit seinen Problemen bis zu einem gewissem Grad nicht allein da. Die US-Notenbank beispielsweise bekundet Mühe, die Zinsen anzuheben, obwohl Vollbeschäftigung herrscht und sich die Kerninflation dem Zielwert angenähert hat. Die Europäische Zentralbank (EZB) wiederum hat möglicherweise ihr Lockerungspotenzial ausgeschöpft, als sie den Einlagensatz auf -0.4 Prozent senkte und die Käufe von Unternehmens- und Staatsanleihen auf 80 Milliarden Euro ausweitete. Dies zeigt klar, dass die hohe Verschuldung und die Produktivitätsverlangsamung dem Weltwirtschaftswachstum zusetzen. Die Inflationserwartungen des Konsensus auf Sicht von 12 bis 18 Monaten könnten sich mittlerweile als zu pessimistisch erweisen. Die Marktteilnehmer könnten zudem die Fähigkeit der Notenbanken unterschätzen, zu einer «normalen» Geldpolitik zurückzukehren.

    Fokus auf Unternehmensanleihen

    Nach dem kräftigen Kursanstieg, der auf die Tiefs Mitte Februar folgte, haben die globalen Aktienmärkte in den letzten Wochen konsolidiert. Die Verunsicherung bezüglich der Geldpolitik der Notenbanken und das Referendum im Juni über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union («Brexit») belasten die Anlegerstimmung. In einem Umfeld mit schleppendem Wachstum aber keiner Rezession favorisieren wir nach wie vor risikobehaftete Anleihen gegenüber Aktien, wobei wir unter risikobehafteten Anleihen Unternehmens- und Schwellenländeranleihen verstehen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass erstklassige Staatsanleihen gegenwärtig kaum Wertpotenzial bieten (ausgenommen wir schlittern in eine Rezession), da sich die Gesamtinflation in den kommenden zehn bis zwölf Monaten infolge der Stabilisierung der Energiepreise in Richtung 2 Prozent bewegen dürfte.

    Wir stellen fest, dass die Prognosen der Analysten für die Unternehmensgewinne von niedrigen Niveaus nach oben korrigiert werden. Zudem sind die Märkte für Unternehmensanleihen kerngesund, nicht zuletzt wegen des Wertpapierkaufprogramms der EZB. Diese Faktoren sollten das Abwärtsrisiko begrenzen. Ein weiterer Schwächeanfall könnte sich als taktische Kaufgelegenheit erweisen, vorausgesetzt, es kommt nicht zum Brexit.

    Zum vollständigen Marktkommentar / Video:

    https://www.vontobel.com/CH/DE/News/Marktkommentar-Juni-2016




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