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    Marktkommentar  1222  0 Kommentare Didier Saint-Georges (Carmignac): Sniper-Taktik

    Seit das Vertrauen auf die bedingungslose Unterstützung durch die Zentralbanken nachzulassen begonnen hat (s. Carmignac's Note vom Juli 2015 "Der große Übergang hat begonnen"), fahren die Märkte auf Sicht. Aufgrund mangelnder Transparenz schwankt die Risikoneigung entsprechend den Wachstums- und Inflationszahlen, die oft die vorherigen widerlegen, sowie der jeweiligen Haltung der Fed. Wegen dieser Instabilität lagen die Aktienindizes S&P 500 und MSCI World Ende Mai ungefähr auf dem gleichen Stand wie einen Monat zuvor, während der Euro Stoxx 50 etwas zulegte und der chinesische Index weiter an Boden verlor. Die langfristigen Zinsen geben in den USA und Europa trotz der erwarteten Zinserhöhung der Fed weiter nach.

    Eine Prognose, wann dieses Hin und Her endet, wäre vermessen (s. Carmignac's Note vom April dieses Jahres "Tanz auf dem Vulkan"). Doch bis der Tanz vorbei ist, bleibt es von wesentlicher Bedeutung, dass man sich der instabilen Marktlage aufgrund der asymmetrischen Verteilung der vorhandenen Risiken bewusst ist. Vor allem in den USA werden Anleger früher oder später zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Margen sinken, die Produktivität schwächelt und die Verschuldung der Unternehmen steigt. Angesichts einer Bewertung, die derzeit beim 18-Fachen der erwarteten Ergebnisse in diesem Jahr liegt, ist der US-Markt anfällig. Trotz guter Zahlen im Mai steigt die Tendenz beim Konsum seit mehr als einem Jahr nicht mehr an und könnte sich aufgrund steigender Energiepreise und Mieten sogar abschwächen. In China scheint die Verbesserung der Wirtschaftsleistung im Zusammenhang mit dem im ersten Quartal angekündigten Konjunkturplan die weltweiten Anleger zu beruhigen (die chinesischen Anleger jedoch nicht). Allerdings geht sie mit einem starken Anstieg des mittelfristigen wirtschaftlichen und finanziellen Risikos einher. Die Anleger könnten aufwachen, wenn sich entweder Enttäuschung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Konjunkturankurbelung breitmacht oder sie sich bewusst werden, wie groß die Anfälligkeit ist, die die zunehmende Verschuldung der Unternehmen nach sich zieht. Die Europäische Union wiederum fügt diesen wirtschaftlichen Unsicherheiten mehrere nicht zu vernachlässigende politische und geopolitische Risiken hinzu. In diesem Umfeld sollte man bei Anlagen sehr aufmerksam vorgehen. Die große Zurückhaltung, die die Märkte von Mitte 2012 bis Mitte 2015 an den Tag legten, ist dank des vorbehaltlosen Vertrauens in die Zentralbanken inzwischen vorüber. Der Hoffnung, dass fiskalpolitische Maßnahmen an die Stelle der geldpolitischen Unterstützung treten, stehen hohe Verschuldungsniveaus der Staaten gegenüber, die den Spielraum einschränken. Inzwischen sind angesichts der wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten robuste "Allwetter"-Portfolios notwendig,. Zudem sollte man - ähnlich wie ein Sniper - einen sehr aktiven Umgang mit allen Gelegenheiten auf den Märkten verfolgen.

    Der Privatverbrauch, letzte Bastion des US-Wachstums

    Trotz der bereits sehr schwachen Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe besitzen die USA dank des robusten Privatverbrauchs nach wie vor ein relativ beneidenswertes Wachstumsprofil. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass das Wachstumstempo seit mehr als einem Jahr nicht mehr steigt. Da die gleichen Ursachen die gleichen Auswirkungen haben, führte die schwächere Entwicklung der Finanz- und Immobilienmärkte dazu, dass der Wohlstandseffekt, der den Privatverbrauch seit 2010 gestützt hat, ausgefallen ist. Diese Dynamik, die sich bereits abgeschwächt hat, gerät nun zusätzlich unter Druck, weil Energiepreise und Mieten steigen, was einer Verbrauchssteuer gleichkommt. In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, dass traditionelle Einzelhändler (von Walmart über Target und Nordstrom bis hin zu Macy's) trotz eines der mildesten Winter der letzten 100 Jahre die schwächsten Ergebnisse seit der Rezession von 2009 erzielten. Andererseits stiegen die Ergebnisse im Onlinehandel deutlich. Dennoch ist das Signal, das die schwachen Ergebnisse der Kaufhäuser (-47,8%) und Supermärkte (-14%) im ersten Quartal aussenden, nicht zu übersehen. Eine Verlangsamung des Privatverbrauchs wäre im Übrigen in zweifacher Hinsicht ein Problem, denn die US-Einzelhändler scheinen darauf nicht vorbereitet zu sein. Ihre Lagerbestände entsprechen zurzeit dem Umsatz von eineinhalb Jahren. Dies ist der höchste Stand seit 2009. Weitere Probleme entstehen dem US-Wachstum dadurch, dass die Fed wieder zu einer geldpolitischen Straffung übergehen will, sobald die Märkte dies zulassen, dass weniger neue Arbeitsplätze geschaffen werden, dass die Kapazitätsauslastung seit einem Jahr zurückgeht, dass seit Jahresanfang deutlich weniger Baugenehmigungen erteilt wurden und dass der Ausgang der Präsidentschaftswahlen immer ungewisser wird, was im zweiten Halbjahr auf die Investitionstätigkeit durchschlagen könnte. Das Vertrauen, das die Märkte nach wie vor in die US-Wachstumslokomotive setzen, erscheint uns selbstgefällig.

    Der Unsicherheitsfaktor China

    Die Erholung der chinesischen Wirtschaft im ersten Quartal ist spektakulär, dennoch sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Denn indem China sich darauf versteift, sein Wachstumstempo um jeden Preis aufrechtzuerhalten, würde das Land sein akutes Schuldenproblem nur weiter verstärken. Wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt, würde der aktuelle Verschuldungsgrad von 240% binnen fünf Jahren auf ein kritisches Niveau von rund 320% steigen. Gleichzeitig würde der Deckungsgrad der Bankkredite durch Einlagen deutlich sinken. Die Ausfallquote von Bankkrediten, die aus unserer Sicht heute schon sehr unterschätzt wird, würde weiter steigen und mit großer Sicherheit zu einer schweren Kreditkrise führen. Folglich gehen die Behörden entweder das Risiko ein, die chinesische Wirtschaft an den Rand dieses Abgrunds zu führen. Oder aber sie nehmen vernünftigerweise die Auswirkung auf das kurzfristige Wachstum in Kauf, die mit der Fortsetzung der grundlegenden Reformen, der Sanierung des Bankensektors und der Gleichgewichtsfindung der Wirtschaft einhergeht. Das optimistischste Szenario ist, dass China ab der zweiten Hälfte dieses Jahres mindestens einen Rückgang des Wachstums in Kauf nimmt.

    Das politische Risiko

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    Die Märkte vernachlässigen gewöhnlich das politische Risiko, das in der Regel tatsächlich kaum Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Dieses Mal sollten sie sich aber vielleicht Sorgen machen. Was vor sechs Monaten noch praktisch unvorstellbar war, erscheint mittlerweile möglich, nämlich die Wahl eines US-Präsidenten in diesem Herbst, der unverhohlen protektionistisch und bereit ist, die US-Staatsschulden neu zu verhandeln. Sollte die Volksabstimmung über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union auf einen Brexit hinauslaufen, was vor allem politische Gründe hätte, gäbe es mindestens ein erhebliches Risiko für Störungen des innereuropäischen Handels und des Wachstums. Es gibt zahlreiche, mehr oder minder mit Argumenten unterlegte und zumeist von den Befürwortern eines Ausstiegs stammende Schätzungen darüber, wie wahrscheinlich solche Ereignisse sind und welche wirtschaftlichen Folgen sie haben. Wie dem auch sei, ist hier wichtig, dass das Risiko asymmetrisch verteilt ist. Die anstehenden Entscheidungen führen bestenfalls zur Beibehaltung des Status quo und schlimmstenfalls zu einer Kettenreaktion. Sollte man sich für einen Ausstieg entscheiden, wäre dies ein bedeutender Präzedenzfall, der weiteren Anti-Establishmentoder europafeindlichen Referenden den Weg bereiten würde.

    Die Märkte richten sich also tatsächlich auf diese neue Tendenz aus, auf die wir am Jahresanfang hingewiesen haben und die wegen der zunehmenden Intervention der Zentralbanken weniger ausgeprägt, aber wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten stärker ausgesetzt ist. Bevor sich Tendenzen ändern, gibt es im Allgemeinen eine Phase der Instabilität, die an den Märkten bereits Realität ist. Dieses Umfeld spricht dafür, sich auf die Lauer zu legen und aus einer sicheren Position heraus sich bietende Schussgelegenheiten möglichst präzise zu nutzen.




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