Der Nebel des britischen Grauens lichtet sich
Aktuell scheinen die Finanzmärkte das Referendum zum Brexit erstaunlich gut zu verdauen. Tatsächlich wird die internationale Bruderschaft des billigen Geldes eine Übertragung der Krisensymptome auf Anleihemärkte und Banken eindämmen. Wiederholungseffekte wie nach der Lehman-Pleite 2008 oder während der Euro-Krise bleiben aus. Außerdem wird der Brexit noch auf sich warten lassen bzw. ist es noch nicht ausgemacht, dass Großbritannien wirklich die EU verlässt. Dennoch, politische Börsen haben diesmal wohl keine kurzen Beine.
Brexit getreu dem Motto „Aufgeschoben ist aufgehoben“?
Gemäß dem europäischen Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ ist das letzte Wort in puncto Brexit noch lange nicht gesprochen. Sogar ein europäisches Happy End kann nicht ausgeschlossen werden. Erste zaghafte Entspannungseffekte sind an den britischen Finanzmärkten bereits erkennbar. Das britische Pfund hat seinen freien Fall eingegrenzt und auch die Volatilität britischer Aktien normalisiert sich zunehmend.
Neue Finanzkrisen werden die Notenbanken nicht zulassen
Bis sich die grundsätzliche Unsicherheit über die weitere Entwicklung in der Brexit-Frage lichtet, sollten Anleger allerdings einen großen Bogen um die ohnehin angeschlagenen Banken- und Finanztitel machen. Das Schicksal des Londoner Finanzplatzes als Hauptsitz vieler Banken für ihr Europa-Geschäft ist unklar, so dass Analysten bereits die Gewinnerwartungen für große Investmenthäuser gesenkt haben. Die gestiegene Risikowahrnehmung gegenüber europäischen Banken kommt in einer seither sprunghaften Ausweitung des Risikoaufschlags fünfjähriger Euro-Bankanleihen mit A-Bonität zu deutschen Staatstiteln zum Ausdruck. Spiegelbildlich werden europäische Banken an den Aktienmärkten abgestraft, was in einer spürbaren Underperformance des Stoxx 600 Europe Banks Index gegenüber dem Leitindex Stoxx 600 Europe zum Ausdruck kommt.
Eine europäische Banken-Krise mit dann massiven Negativeffekten für die ohnehin angeschlagene Realwirtschaft wird die (Geld-)Politik allerdings nicht zulassen. So hat die Bank of England bereits 3,1 Mrd. Pfund Sonderliquidität in den britischen Bankensektor gepumpt. Unterdessen hat sich EZB-Chef Draghi für eine Koordination der internationalen Geldpolitik ausgesprochen.
Die zwischenzeitliche Flucht in Sicherheit hat inzwischen die Rendite deutscher Staatsanleihen sogar bis einschließlich der Laufzeit von 15 Jahren auf Negativniveau gedrückt. Und da die EZB weiterhin im Rahmen der „technischen“ Durchführung ihres monatlichen Aufkaufprogramms gezwungen ist, deutsche Staatstitel aufzukaufen, müssen sich Anleger auch zukünftig an dieses „New Interest Normal“ gewöhnen.