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    Mittelbayerische Zeitung  284  0 Kommentare Leitartikel zu VW: Goliath gegen Goliath von Christine Hochreiter

    Regensburg (ots) - Der Streit wirkt wie ein Kampf David gegen
    Goliath. Zwei kleine Zulieferer versuchen beherzt, einen Weltkonzern
    in die Knie zu zwingen. Sie beschuldigen Volkswagen, Verträge zu
    Unrecht gekündigt und Entschädigungszahlungen verweigert zu haben.
    Ihre scharfe Waffe: ein Lieferstopp für Getriebeteile und Sitzbezüge,
    die im Zeitalter von Just-in-time dringend für die Produktion von
    Golf- und Passat-Modellen benötigt werden. Aus dem Umfeld der
    Prevent-Gruppe hieß es, dies sei das letzte Mittel gegen "Ausbeutung
    und Machtmissbrauch". Auch wenn man sich in der Sache geeinigt hat,
    kommt die Auseinandersetzung die Wolfsburger teuer zu stehen - nicht
    nur finanziell, sondern auch ideell. Sie ist ein weiteres Puzzlestück
    in der Dauerkrise von Volkswagen. Die Botschaft: Bei diesem
    Management läuft gerade ziemlich viel schief. Mit einem
    Einkaufsvolumen von rund 149 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist
    VW der größte Kunde der Automobilzulieferer. Die Wolfsburger haben
    den Ruf, knallhart zu verhandeln. Der frühere Einkaufschef José
    Ignacio Lopez hatte schon in den 90er Jahren die Zulieferer das
    Fürchten gelehrt. Francisco Garcia Sanz, der aktuelle Chefeinkäufer
    bei VW, hat den Spar- und Kostendruck weiter erhöht - nicht zuletzt
    auch mit Blick auf die Ausgaben im Gefolge des Diesel-Skandals. Zwar
    hätten auch BMW und Daimler die Zügel angezogen, hört man aus der
    Branche, aber mit VW seien die Verhandlungen mit Abstand am
    heftigsten. Strotzend vor Selbstbewusstsein scheint sich die
    Einkaufsabteilung auf die Marktmacht des Konzerns verlassen zu haben
    - eine Fehleinschätzung mit Folgen. In jedem Fall wurde ein
    ungeschriebenes Branchen-Gesetz außer Acht gelassen. Es lautet:
    Verlasse dich als Hersteller niemals auf einen einzigen Zulieferer.
    Diese Grundregel des Wirtschaftens wurde in Wolfsburg schlichtweg
    ignoriert. Darüber hinaus hat sich VW auch noch einem vom
    Firmenkonstrukt her äußerst eigenwilligen Geschäftspartner
    ausgeliefert. Die Rolle der Automobilzulieferer hat sich stark
    gewandelt. Sie sind schon seit Ewigkeiten nicht mehr nur für die
    Teile zuständig, die die Industrie bei ihnen in Auftrag gegeben hat.
    Die ganz Großen wie Bosch, Continental oder die Zahnradfabrik
    Friedrichshafen haben inzwischen auch einen Löwenanteil der
    Forschungs- und Entwicklungsaufgaben übernommen. Sie sind zu
    Spezialisten für Mobilität geworden, und damit auch zu Treibern der
    automobilen Innovation. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf
    Mega-Themen wie die Digitalisierung und Vernetzung der Fahrzeuge
    sowie das autonome Fahren. Der böse Konzern und der gute Zulieferer
    also? Endlich einer, der sich traut gegen übermächtige Hersteller,
    ihr Preisdiktat und die wachsende Verantwortung aufzubegehren? Mit
    vorschnellem Applaus für eine solche Einschätzung würde man es sich
    zu leicht machen. Dennoch dürfte der Fall VW/Prevent die Diskussionen
    neu ankurbeln. Es geht um die Rolle der Zulieferer - heute, morgen
    und übermorgen. Unternehmen, die mit echten Innovationen punkten
    können, tun sich in dem rauen Umfeld zweifelsohne leichter als
    Lieferanten, die relativ austauschbar sind. Fakt ist auch:
    Vermeintliche Zwerge, die nach außen hin zwar selbstständig
    auftreten, aber in einem verschachtelten Geflecht von Unternehmungen
    zusammengefasst sind, können einen enormen Druck ausüben. Solche
    Gebilde haben Investmentbanker im Rücken, die mit international
    agierenden Anwaltskanzleien zusammenarbeiten. In der neuen Autowelt
    reicht es nicht, mit mehr als einem Akteur zusammenzuarbeiten, denn
    oft steht Goliath gegen Goliath.

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    Mittelbayerische Zeitung Leitartikel zu VW: Goliath gegen Goliath von Christine Hochreiter Der Streit wirkt wie ein Kampf David gegen Goliath. Zwei kleine Zulieferer versuchen beherzt, einen Weltkonzern in die Knie zu zwingen. Sie beschuldigen Volkswagen, Verträge zu Unrecht gekündigt und Entschädigungszahlungen verweigert zu haben. …

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