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     2994  0 Kommentare Widerrufsjoker: BGH verneint Verwirkung und Rechtsmißbrauch beim Widerruf eines Darlehens

    Lange haben Verbraucher und Banken auf die Begründung des BGH-Urteils (XI ZR 564/15) vom 12. Juli 2016 zum Widerruf einer Baufinanzierung (sogenannter Widerrufsjoker) gewartet. Jetzt sind Details da – und geben einige Aufschlüsse. Dennoch bleiben auch Unklarheiten.

    Mit dem Urteil hatte der Bundesgerichtshof eine weit verbreitete Widerrufsbelehrung der Sparkassen aus den Jahren 2003 bis 2008 für ungültig erklärt. Doch neben dem konkreten Spruch im Einzelfall finden sich in der Begründung auch einige Aussagen, die auf zahlreiche andere Widerrufsfälle übertragbar sind.

    Wichtigste Punkte aus Sicht von Verbrauchern: Der BGH erteilt den beiden wichtigsten Argumenten, mit denen viele Kreditinstitute sich gegen den Widerruf von Baufinanzierungen wehren, eine deutliche Absage. Sowohl Verwirkung (der Widerruf kommt zu spät) als auch Rechtsmißbrauch (das Widerrufsrecht wird ausgenutzt, weil sich der Kunde damit lediglich einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen will) sind nach Aussage des BGH beim Widerrufsjoker nur in seltenen Fällen anzunehmen.

    So verweisen die obersten Richter beispielsweise darauf, dass Verwirkung bei einem noch laufenden Darlehen allein schon deshalb nicht vorliegen kann, weil das Kreditinstitut den Kunden jederzeit eine korrigierte Widerrufsbelehrung zukommen lassen könnte. Dies passiert jedoch in der Praxis nicht, weil eine solche Nachbelehrung ein sofortiges Widerrufsrecht für den Verbraucher nach sich ziehen würde. Das erhöht die Chancen für den Widerrufsjoker bei noch laufenden Baufinanzierungen deutlich.

    Im Umkehrschluss bedeutet das aber nicht, dass der Widerruf von bereits beendeten Krediten automatisch der Verwirkung unterliegt. Stattdessen sagt der BGH, dass es sowohl für Verwirkung als auch für Rechtsmißbrauch besonderer Umstände im Einzelfall bedarf – leider allerdings ohne diese zu konkretisieren. Es ist jedoch anzunehmen, dass alleine die Tatsache, dass der Kunde sich durch den Widerrufsjoker eine Zinsersparnis verspricht (was in der Praxis der häufigste Grund für den Widerruf sein dürfte) keine rechtsmißbräuchliche Handlung darstellt.

    An dieser Stelle versäumt es der BGH leider, Ross und Reiter klar zu benennen. So hätte er beispielsweise eine Richtschnur bieten können, indem er gesagt hätte, dass der Widerruf eines Darlehens z.B. ab fünf Jahre nach Beendigung des Kredits als verwirkt anzusehen ist. So aber fürchten wir bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info), dass bei beendeten Darlehen die Richter in den unteren Instanzen nach Lust und Laune auf Verwirkung entscheiden können – oder eben nicht. Der Widerruf von noch laufenden Darlehen dürften aber nun nicht mehr mit dem Argument der Verwirkung auszuhebeln sein – und nur in sehr seltenen Fällen mit der Rechtsmißbräuchlichkeit.

    Unter dem Strich versäumt es der BGH zwar, ganz klare Leitlinien zu setzen. Das Urteil ist dennoch ein Sieg für Verbraucher. Direkte Auswirkungen hat es allerdings in erster Linie für Darlehen aus der Zeit vor 2010. Um hier eine Rückabwicklung zu erzielen, mussten Verbraucher den Widerruf vor dem 22. Juni 2010 ausgesprochen haben. Aber auch für jüngere Darlehen ab Juni 2010, die derzeit noch uneingeschränkt widerrufbar sind, zeigen etliche Gerichtsurteile der vergangenen Wochen, dass der Widerrufsjoker greift. Verbraucher sollten daher mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf unter www.widerruf.info kostenlos und unverbindlich prüfen lassen, ob ihre Baufinanzierung angreifbar ist und damit widerrufen werden kann. 


    Roland Klaus
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    Roland Klaus arbeitet als freier Journalist und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerrufsjoker informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen, Kfz-Krediten und Lebensversicherungen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buches Wirtschaftliche Selbstverteidigung.

    Sie erreichen Ihn unter www.widerruf.info
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    Verfasst von Roland Klaus
    Widerrufsjoker: BGH verneint Verwirkung und Rechtsmißbrauch beim Widerruf eines Darlehens Lange haben Verbraucher und Banken auf die Begründung des BGH-Urteils (XI ZR 564/15) vom 12. Juli 2016 zum Widerruf einer Baufinanzierung (sogenannter Widerrufsjoker) gewartet. Jetzt sind Details da – und geben einige Aufschlüsse. Dennoch bleiben auch Unklarheiten.