Sell in May and go away? - Seite 2
Bei näherer Betrachtung spricht wenig dafür. Denn die Volatilität des US-Aktienindex S&P 500 als Gradmesser der Unsicherheit ist auf ein Mehrjahrestief gefallen. Zudem ist das Volumen an Krediten zum Kauf von Wertpapieren an der New York Stock Exchange auf ein neues Allzeithoch gestiegen.
Für Aktienmärkte entspannend wirkt auch die Fed. Sie schürt keine wirkliche geldpolitische Restriktion. Nachdem sie zuletzt ihren US-Leitzins unverändert belassen hat, hält sie sich auch mit konkreten Hinweisen über den genauen Zeitpunkt zukünftiger Zinserhöhungen oder gar der Abschmelzung ihrer Billionen schweren Notenbankbilanz zurück. Mit Blick auf die aktuelle US-Konjunkturschwäche im I. Quartal – dem schwächsten Wachstum seit drei Jahren – und der wirtschaftspolitischen Ladehemmung der Trump-Administration besteht in der Tat kein Grund zur zinspolitischen Eile.
Die Fed wird zunächst abwarten, ob die US-Konjunktur die jahresanfängliche Delle im II. Quartal wie in den Vorjahren ausgleichen kann. Eine Zinserhöhung auf der nächsten Notenbanksitzung am 14. Juni 2017 ist zwar möglich, zumal dann auch wieder eine Pressekonferenz zur näheren Erläuterung des Zinserhöhungsschrittes stattfindet. Allerdings hat die Fed auch die bislang ausbleibende Wachstumsoffensive der Trump-Administration fest im Blick. Je weniger sich die Trumponomics offenbaren, desto expansiver kann die Fed bleiben.
Doch selbst wenn sich die Fed zu zwei weiteren Zinserhöhungen in diesem Jahr entschließen sollte, sind diese eingepreist und keine Überraschungen mehr.
Europa entkommt der (wirtschafts-)politischen Grauzone
Der US-Handelsprotektionismus hat zuletzt an Drohpotenzial für die Weltwirtschaft verloren. Er stößt im Kongress, der negative Rückwirkungen auf die US-Handelsbilanz befürchtet, auf Widerstand. Überhaupt zeugt Trumps Bekenntnis zum Freihandelsabkommen NAFTA mit Mexiko und Kanada sowie eine ausbleibende Grenzsteuer für positive handelspolitische Signalwirkung auch auf die exportsensitiven europäischen Volkswirtschaften. In der Eurozone stabilisiert sich die Konjunkturstimmung laut ifo Institut weiter: Setzt man die Einschätzung der Geschäftslage und -erwartungen für das II. Quartal 2017 zueinander in Beziehung, befindet sich die Euro-Wirtschaft vor allem angesichts aufgehellter Erwartungen sogar in der konjunkturellen Zyklusphase „Boom“.