Citizen_Caine schrieb 12.01.24, 03:11
Asien-Geschäft existierte wohl nie
Wirecard: Schlechte Nachrichten für den Hauptangeklagten Braun
Der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun sitzt im Wirecard-Prozess im Gerichtssaal.
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Im Wirecard-Prozess geht es vor allem um eine Frage. Hat angeblich lukratives Geschäft in Asien je existiert oder war es Schwindel? Der Insolvenzverwalter hat eine Antwort – und sieht keine Hinweise, dass es ein solches Geschäft je gegeben haben könnte. Für den Hauptangeklagten Braun wird es damit eng.
Thomas Magenheim
Thomas Magenheim
10.01.2024, 14:37 Uhr
München. Beim Strafprozess um den Skandalkonzern Wirecard ist die Winterpause beendet. Noch bis minimal Jahresende wird nun weiterverhandelt. Eine Schlüsselfrage ist zu klären. Hat Wirecard je Geschäfte mit Drittpartnern (TPA) in Asien betrieben und so Milliarden gescheffelt oder war alles nur vorgetäuscht? Letzteres will die Anklage beweisen. Demnach ist der Ex-Konzernchef und Hauptangeklagte Markus Braun der Kopf einer Betrügerbande. Der dagegen sagt, die TPA-Geschäfte hätten sehr wohl existiert. Deren Erlöse hätten aber der mitangeklagte Kronzeuge Oliver Bellenhaus sowie der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek auf Schattengesellschaften außerhalb Wirecards verschoben. Noch wälzt das Gericht viele Beweise, einer aber glaubt die Wahrheit bereits zu kennen.
Das ist der Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffe. Seit Jahren recherchiert der erfahrene Jurist im größten Wirtschaftsbetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte. Um Gläubiger zu befriedigen, die Milliarden Euro dabei verloren haben, versucht er alle Gelder aufzuspüren, die der Kollaps des früheren Dax-Konzerns hinterlassen hat. Solche auf Konten von Schattengesellschaften würden dazugehören, wenn sie Wirecard zugestanden hätten aber veruntreut wurden. Für Jaffe ist die Sache allerdings klar.
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Der früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun (r.) wird von einem Justizbeamten in den Gerichtssaal begleitet. Seit über einem Jahr versucht das Münchner Landgericht, im Wirecard-Prozess die Wahrheit herauszufinden. (Archivbild)
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Insolvenzverwalter: Asien-Geschäfte oder 1,9 Milliarden Euro gab es nicht
Es stehe fest, dass es weder behauptete TPA-Geschäfte je gegeben hat noch 1,9 Milliarden Euro Treuhandguthaben auf asiatischen Konten, schreibt der Insolvenzverwalter in einem während der Verhandlungspause veröffentlichten sechsten Sachstandsbericht zur Wirecard-Pleite. Dann kommt er auf die von Braun angeführten Schattenstrukturen zu sprechen. „Ebenso gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es ein Schatten-TPA-Reich auch nur ansatzweise in dem Umfang gegeben haben könnte“, betont Jaffe und geht ins Detail.
Die von Braun und seinen Verteidigern als vermeintliche Beweise herangezogenen Zahlungsströme auf Konten solcher Schattengesellschaften beträfen keine Geschäfte von Wirecard, ja nicht einmal solche, die Wirecard überhaupt hätte betreiben können. Es habe nämlich keine Strukturen oder Ressourcen gegeben, mit denen TPA-Geschäft hätte betreut werden können. Darüber spekulieren, welche eventuell strafbaren Hintergründe die angeführten Zahlungen hätten, wolle er nicht, weil das staatlichen Behörden vorbehalten sei, schreibt Jaffe. Die haben die Transaktionen bereits in die Nähe von Geldwäscheverdacht gerückt.
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Die Zeugenaussage von Jaffe dürfte interessant werden
Es dürfte ein wichtiger Prozesstag werden, wenn der Insolvenzverwalter wie geplant in den Zeugenstand tritt. Das genaue Datum dafür steht noch nicht fest. Aber zu sagen hat der Jurist fraglos einiges. So ist er sicher, beweisen zu können, dass es angebliche Treuhandmilliarden auf asiatischen Konten nie gegeben hat. Von der Bank in Singapur, die diese Gelder verwaltet haben soll, hat sich Jaffe mühselig alle Auszüge des angeblichen Treuhandkontos besorgt.
„Die vermeintlichen Treuhandgelder … hat es bei Wirecard nicht gegeben, weder im Jahr 2018 oder 2019 noch in Vorjahren“, ist für den Insolvenzverwalter nach Sichtung der Auszüge glasklar. Angebliche Transaktionen von Drittpartnergeschäften über die Kreditkartenfirmen Mastercard und Visa hätten sich als fingiert und Fälschungen herausgestellt. Das hat auch der Münchner Strafprozess bereits ergeben. Kein einziger früherer Wirecard-Mitarbeiter könne sich an konkrete TPA-Partner erinnern, hat Jaffe in zahlreichen Gesprächen erfahren. Es existiere nicht eine Datenspur dazu.
Kein einziger TPA-Händler habe sich nach dem Wirecard-Kollaps gemeldet, um nach dem Verbleib von Sicherheiten zu fragen oder danach, wie es nach pleitebedingten Kontosperren weitergehe, betont Jaffe. Das sei bei der angeblichen Dimension des Geschäfts undenkbar. 2019 will Wirecard immerhin 51 Milliarden Euro an Transaktionsvolumen bewegt haben. Für den Insolvenzverwalter ist die Sache klar. Er könne „positiv nachweisen, dass die Behauptung, dass Wirecard ein profitables TPA-Geschäft geführt hat, falsch war“.
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