Rating Deutschland - Update
Deutschland droht Verlust des Spitzenratings
LONDON/BERLIN (dpa-AFX) - In der Euro-Schuldenkrise gerät jetzt auch Deutschland unter Druck: Europas größte Volkswirtschaft droht ihr Spitzenrating zu verlieren. Die Top-Bonität der Niederlande und Luxemburgs sind ebenfalls gefährdet. Die Ratingagentur Moody's senkte am späten Montagabend den Ausblick für die drei Länder von stabil auf negativ.
Dies kann der erste Schritt auf dem Weg zu einer Abstufung der Kreditwürdigkeit sein. Zugleich hielt die Krise in Griechenland die Euroländer weiter in Atem. Die Troika-Kontrolleure trafen in Athen zu ihren entscheidenden Prüfungen der Sparfortschritte ein.
MERKEL DEMONSTRIERT GELASSENHEIT
Eine schlechtere Note der Ratingagenturen kann zu steigenden Zinsen bei der Schuldenaufnahme führen. Denn Investoren müssen von einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen. Bislang besitzen alle drei Länder die Bestnote von 'Aaa'.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte demonstrativ gelassen auf die Zweifel der Ratingagentur. 'Die Bundesregierung nimmt das zur Kenntnis. Die Einschätzung betrifft ein Land, von dem man sich Hilfe erhofft', sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. 'Die Bundeskanzlerin hat mehrfach betont, dass die Kraft Deutschlands nicht unbegrenzt ist.'
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TROIKA NIMMT ARBEIT IN ATHEN AUF
Unterdessen nahmen die Experten von Internationalen Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission ihre Arbeit in Athen auf. Athen muss für die Rettungsmilliarden harte Spar- und Reformauflagen erfüllen. Vom Urteil der Troika hängt es letztlich ab, ob weitere Milliarden nach Athen fließen oder das Land bankrott geht.
Ministerpräsident Antonis Samaras wehrte sich heftig gegen Äußerungen einiger europäischer Politiker, wonach ein Euro-Austritt seines Landes verkraftet werden könne. 'Wir tun, was wir können, damit das Land wieder auf eigenen Beinen stehen kann, und sie tun alles, was in ihrer Macht steht, damit wir scheitern', sagte Samaras. Diese Kritik zielte vor allem auf Bundeswirtschaftsministers Philipp Rösler (FDP), der gesagt hatte, ein Austritt Griechenlands aus dem Euroland sei kein Schreckensszenario mehr.
SCHÄUBLE UND DE GUINDOS TREFFEN SICH BERLIN
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird am Donnerstag Samaras treffen. Laut EU-Kommission handelt es sich um einen Routinebesuch.
Auch die Lage in Spanien wird immer prekärer. Madrid muss immer höhere Zinsen zahlen, um sich Geld an den Finanzmärkten zu leihen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte sich am Abend mit dem spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos in Berlin treffen. Thema dürften die Milliardenhilfen für marode Banken des Landes sein.
MOODY'S WARNT VOR ÜBERLASTUNG DURCH SCHULDENKRISE
Als Grund für die Überprüfung der drei Ratings nannte Moody's die steigende Unsicherheit über den Ausgang der Schuldenkrise. Es sei immer wahrscheinlicher, dass Griechenland die Eurozone verlassen müsse. Selbst wenn dies nicht passiere, sei davon auszugehen, dass Länder wie Spanien und Italien weitere Hilfen bräuchten. Deutschland und die anderen wirtschaftlich starken Länder der Eurozone haben den schwächeren Partnern bereits unter die Arme gegriffen.
Im Falle Deutschland verwies Moody's auch auf die 'Verwundbarkeit des Bankensystems'. Deutsche Kreditinstitute seien stark in den Problemstaaten engagiert und könnten Rückschläge angesichts ihrer mauen Gewinne nur schlecht abfedern.
DEUTSCHE BANKEN STARK IN KRISENLÄNDERN ENGAGIERT
Die Kapitalisierung des Bankensektors habe sich deutlich verbessert, erklärte dagegen das Finanzministerium. 'Auch an den internationalen Finanzmärkten ist das Vertrauen in Deutschland hoch; dies spiegelt sich in den niedrigen Refinanzierungskosten deutscher Anleihen wider'.
Moody's habe vor allem die kurzfristigen Risiken in den Vordergrund gestellt, 'während längerfristige Stabilisierungsaussichten unerwähnt bleiben', kritisierte das Ministerium noch in der Nacht. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker betonte den Einsatz für die Stabilität der Eurozone 'als Ganzes'.
VERLUST DES SPITZENRATINGS WÜRDE ERHEBLICHEN IMAGESCHADEN BEDEUTEN
Bei Deutschland und den anderen Ländern dürfte ein Verlust des Spitzenratings in erster Linie einen erheblichen Imageschaden bedeuten. Moody's ist neben Standard & Poor's und Fitch eine der drei großen Ratingagenturen. Investoren reagieren in der Regel erst, wenn zwei der Agenturen ihre Bewertung zurückgenommen haben - und selbst dann müssen die Refinanzierungskosten nicht zwingend steigen.
Innerhalb Europas gilt Deutschland als sicherer Hafen, entsprechend niedrig sind die Kreditzinsen. Zuletzt hatten Investoren dem Bund das Geld quasi hinterher geworfen. Auch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hatte Deutschlands Topbonität auf den Prüfstand gestellt, die Note letztlich aber nicht angetastet.
EUROLÄNDER NACH MOODY'S-WARNSCHUSS AN DEN ANLEIHEMÄRKTEN UNTER DRUCK
Dagegen haben die USA ihre Bestnote bei S&P bereits verloren - und können sich dennoch zu sehr niedrigen Zinsen frisches Geld leihen. Ein Grund dafür ist, dass viele Investoren angesichts der Schuldenkrise in Europa nicht wissen, wohin mit ihren Milliarden.
Mehrere Euroländer gerieten nach der Drohung von Moody's an den Anleihemärkten unter Druck. Am Dienstag lagen nicht nur die Kurse von Staatsanleihen finanzschwacher Länder wie Spanien und Italien abermals im roten Bereich. Auch bei Schuldtiteln von Ländern wie Deutschland und Frankreich machte sich die Moody's-Drohung negativ bemerkbar.
Steigende Sorgen um eine Verschlimmerung der Schuldenkrise hatten zu Wochenbeginn für Kursrutsche an den internationalen Finanzmärkten gesorgt. Auf die drohende Herabstufung von Deutschland, Niederlande und Luxemburg reagierten die Märkte am Dienstag vergleichsweise gelassen. Der Euro sackte dagegen wieder unter die Marke von 1,21 US-Dollar./mar/DP/hbr