Hüfners Wochenkommentar
"Deutschland im Risk-off-Modus"
9. Mai 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder über den Konjunkturoptimismus in Deutschland gewundert. Wohin man schaut: Überall wird
gesagt, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr (das fängt in zwei Monaten an!) Fahrt aufnimmt und wieder mit ordentlichen Wachstumsraten expandiert. 2014 soll es dann mit dem Aufschwung im
ganzen Jahr weitergehen. Wenn es im Augenblick mit der Konjunktur etwas hapern sollte – im März und im April ist der ifo-Geschäftsklimaindex zurückgegangen – dann liege das, so heißt es, nur an
kurzfristigen Belastungsfaktoren. Das sei aber schnell vergessen.
Ich bin skeptischer. Natürlich geht es Deutschland nicht schlecht. Die Situation ist besser als in anderen Ländern Europas. Beim Arbeitsmarkt steht die Bundesrepublik sogar günstiger da als die
USA. Es wird in diesem Jahr keine Rezession geben. Aber es gibt eben auch keinen Aufschwung, wie uns die Konjunkturoptimisten weismachen wollen. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr
kaum wachsen (vielleicht 0,1 oder 0,2 Prozent) und auch im nächsten Jahr werden die Zuwächse mager bleiben.
Ich fühle mich in dieser Einschätzung von der Europäischen Zentralbank bestätigt. Sie hat in der vorigen Woche ein unerwartet umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, um die Konjunktur wieder in
Schwung zu bringen. Sie senkte nicht nur die Zinsen. Sie versprach darüber hinaus, die Liquiditätszuteilung bis Mitte nächsten Jahres nicht zu kürzen. Ferner stellte sie Sonderhilfen für Klein-
und Mittelbetriebe vor allem in Peripherieländern in Aussicht. Präsident Draghi machte klar, dass die EZB weitere Maßnahmen ergreifen werde, wenn es erforderlich sei.
So ein Programm bringt man nicht auf den Weg, wenn man der Meinung ist, dass die Konjunktur schon in den nächsten Monaten wieder besser wird.
Warum tut sich die deutsche Wirtschaft mit dem Wachstum so schwer? Es sind nicht kurzfristig wirkende Stolpersteine wie das immer wieder zitierte harte Winterwetter. Das geht vorüber. Es sind
vielmehr die Hypotheken der Finanz- und Währungskrise der letzten fünf Jahre, die sich hier zeigen. Die Wirtschaft baut Risikopositionen ab. Sie zögert, neue Risiken einzugehen. Sie macht sich
krisenfester. Das ist nichts Schlechtes. Aber es kostet natürlich Wachstum.