Schwieriger Seiltanz
Großbanken droht Strafanzeige - Fatale Folgen für Finanzsystem?
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US-Ermittler stehen vor einer schwierigen Frage. Zwar wollen sie eine harte Linie gegen Banken fahren, doch nicht dem Finanzsystem als solchem schaden. Der Spagat gestaltet sich schwierig.
Aktuell geht es vor allem um die französische BNP Paribas und die Schweizer Credit Suisse Group.
Im Fall der BNP Paribas geht es um den Vorwurf, die Bank habe im großen Stil US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran, Kuba und den Sudan verletzt, berichtet die Nachrichtenagentur „dpa-AFX“. Seit 2009 bereits laufen die Ermittlungen der Bezirksstaatsanwaltschaft in
Manhattan gegen die Bank. 2010 stiegen auch Ermittler der Bundesstaatsanwaltschaft ein. Seit Anfang dieses Jahres prüfen beiden Behörden die Möglichkeit einer Strafanzeige gegen BNP, berichtet das
"Wall Street Journal Deutschland". Im Fall der Credit
Suisse Group ist der Vorwurf ein anderer: Ihr wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Doch die Ermittler stehen vor einem großen Problem. Sie müssen einen Spagat bewältigen: Auf der einen Seite der Versuch der Abschreckung durch eine harte Linie. Auf der anderen Seite die Sorge um
das Finanzsystem. Dabei müssen die Ermittler vor allem zu jederzeit mindestens ein Auge auf die Aufsichtsbehörden haben. Denn diese entscheiden, was sie mit den Banken im Fall einer Verurteilung
machen. Insbesondere der Entzug einer Geschäftslizenz wäre fatal.
Welche Möglichkeiten stehen den Ermittlern nun offen?
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Variante eins:
Die Strafermittler eröffnen Strafverfahren gegen die Banken. Dies hätte eine große öffentliche Wirkung – und könnte so eventuell abschreckend wirken. Die Nachrichtenagentur „dpa-AFX“ berichtet mit
Verweis auf die „New York Times“, dass die Ermittlungsbehörden diese Variante befürworten. Eventuell könnten sie sogar einen Schritt weiter gehen und auf ein Schuldeingeständnis der französischen
Bank pochen. Das besondere an diesem Szenario: Seit 1989 wurde laut „dpa“ keine Großbank mehr strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
Dass die Ermittler die Variante in der Vergangenheit gescheut haben, liegt an den möglichen Folgen: Denn die Eröffnung von Strafverfahren gegen gleich zwei Großbanken könnte fatale Folgen haben für
das Finanzsystem. Es ist fraglich, ob die Banken im Falle eines öffentlichen Verfahrens ihre Geschäftslizenzen behalten dürften. „Es ist ein komplett unbekanntes Terrain“, zitiert das "Wall Street
Journal Deutschland" Andrew Sandler von der Kanzlei Buckley Sandler. Er sehe viele möglich katastrophale Folgen, „die wahrscheinlich noch gar nicht vollständig durchdacht sind“.
Und auch ein Schuldeingeständnis könnte in der Folge gleiche Konsequenzen für die Bank haben, wie eine Verurteilung, berichtet „WSJ“. Für den Ruf der Bank jedenfalls wäre ein Schuldeingeständnis
vermutlich ein ähnlicher Nackenschlag.
Variante zwei:
Bisher sind Großbanken immer mehr oder weniger mit einem blauen Auge davon gekommen. Möglich, dass es dabei bleibt. Aus Sorge vor den Folgen für das Finanzsystem haben die Ermittler laut „dpa“ in
der Vergangenheit auf eine harte Linie verzichtet. Statt einer Verurteilung einigten sie sich in Kooperation mit den Finanzaufsehern auf Vergleichszahlungen, um die Verfahren einzustellen. Doch
insbesondere der US-Justizminister Eric Holder scheint von einem Festhalten an der weichen Linie nicht begeistert zu sein. Er soll die Ermittler drängen, eine Lösung zu finden, wie den Banken ein
Schuldeingeständnis entlockt werden könnte, so das „WSJ“ weiter.
Variante drei:
Diese könnte wie so oft irgendwo zwischen harter und weicher Linie liegen. Eine Art Kompromiss aus Abschreckung und Sorge vor Konsequenzen für das gesamte Finanzsystem. Dafür müssten die Ermittler
mit den Finanzaufsehern aushandeln, im Fall einer Strafanzeige auf den Entzug der Geschäftslizenzen zu verzichten. Nach Informationen des „Wall Street Journal Deutschland“, habe zumindest die
Finanzaufsichtsbehörde des Bundesstaates New York zu verstehen gegeben, dass sie die New Yorker Geschäftslizenz der BNP Paribas nicht antasten würde, solange die Bank auf anderem Wege bestraft
würde. Ähnliche Informationen von der US-Notenbank Federal Reserve lägen allerdings noch nicht vor. Es ist ein schwieriger Seiltanz, den die Ermittlungsbehörden und Aufsichtsbehörden vollziehen.
Doch die Aufsichtsbehörden haben sich laut „WSJ“ noch zu keinem klaren Statement durchgerungen. Die Verhandlungen laufen.
Welche Variante letzten Endes gewählt wird, die BNP Paribas jedenfalls warnt ihre Aktionäre bereits, die Rückstellung von 1,1 Milliarden US-Dollar könnte nicht ausreichen für die Strafe. Laut „WSJ“
drohen bis zu 2 Milliarden US-Dollar.
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