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    EZB-Zinsentscheid  4316  1 Kommentar Draghi rettet Banken und Staaten - Zeche zahlen Sparer! Oder doch Ende des Kapitalismus?

    Die gestrige Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt für viele und teils auch emotionale Diskussionen. Schaden die erneut gesenkten – und im Falle des Einlagezinses nun sogar negativen – Zinsen den Sparern? Oder helfen sie ihnen gar? Droht das Ende des herrschenden Marktsystems? Wie stark sollte Brüssel sein? Und was will die EZB mit ihren Maßnahmen eigentlich erreichen: Kreditvergabe anheizen? Banken retten? Den Euro-Kurs drücken? 
     
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    Um den Überblick über die verschiedenen Thesen zu behalten, haben wir einige Positionen zusammengefasst. 
     
    Das sagen die Medien: 
     
    EZB-Entscheidung einschneidendes Signal an die Märkte
     
    Der "Spiegel Online"-Kolumnist Jakob Augstein kommentierte: „Nicht Europa ist am Ende - sondern der Kapitalismus, so wie wir ihn kennen.“ Dass auf mittlere Sicht auch der bestraft werde, der Geld spart, sei entlarvend für den Kapitalismus. „Er ist mit all seinen Sicherheiten am Ende angekommen. Die unsichtbare Hand des Markts ist nur deshalb unsichtbar, weil sie nicht existiert“, so Augstein. Deswegen müssten Forderungen nach weniger Regulierung aus Brüssel zwangsläufig ins Leere laufen. „Der Markt klärt gar nichts. Nur Institutionen und Gesetze klären den Abgleich der Interessen.“ Genau in dieser Notwendigkeit von Regulierung sieht Augstein eine einmalige Chance für Europa, für die EU und wohl auch für den Euro. 
     
    Die Sparer als Opfer der EZB-Politik 
     
    Besonders für Sparer seien die getroffenen Entscheidungen – allen voran die weitere Senkung der Zinsen – einschneidend, kommentiert Anja Ettel in der „Welt“: „In einer Welt des Schwundgeldes Bares auf Konten zu parken kommt mehr denn je einer aktiven Wertvernichtung gleich.“ Und fährt fort: „Belohnt wird in Draghis neuer Geldwelt derjenige, der sein Sparschwein gegen Aktien eintauscht.“  Doch nicht nur das. Auch die Wirksamkeit der Maßnahmen stellt die Zeitung in Frage: „Minuszinsen allein werden Länder, denen ein gesunder Mittelstand und ein tragfähiges Konzept auf dem Weltmarkt fehlen, nicht zu Wachstumsträgern Europas machen können.“ 
     
    Während die „Welt“ sich also um die deutschen Sparer sorgt, stellt Jan Mallien im „Handelsblatt“ eine gegenteilige These auf: Trotz möglicher anfänglicher Einbußen, seien Sparer vor allem Profiteure des Zins-Entscheides. Denn, wenn die Wirtschaft erst einmal wieder am Laufen sei, stiegen auch die Zinsen – und somit die Sparguthaben. Und sowieso: Ein Eingriff der EZB in die geldpolitische Entwicklung sei unumgänglich gewesen. „Wenn die EZB untätig geblieben wäre, hätte sie gegen ihr eigenes Mandat verstoßen“, so Mallien. Zu weit sei das Ziel der Preisstabilität entfernt, zu drastisch sei die Gefahr einer fortgehenden Abwärtsspirale.
     
    In die gleiche Richtung geht ein Kommentar von Kira Frenk in der "Frankfurter Rundschau": „Wer spinnt, das sind die deutschen Ökonomen und Verbandspräsidenten, die von der Enteignung der Sparer schwafeln, die vor Inflation warnen, obwohl das Gegenteil passiert.“ Die Zentralbank müsse schließlich konsequent daran arbeiten, ihr Ziel der Preisstabilität zu erreichen.
     
    Welches Ziel verfolgt die EZB wirklich?
     
    Offiziell verfolgt die EZB mit der neuerlichen Zinssenkung das Ziel, ihrem Mandat der Preisstabilität gerecht zu werden. Als Preisstabilität hat die EZB eine Inflationsrate von „zwei Prozent oder knapp darunter“ definiert. Doch die aktuelle Teuerungsrate weicht davon drastisch ab. Im Euro-Raum liegt sie bei 0,5 Prozent. Der niedrige Leitzins soll deswegen genau wie der negative Einlagenzins dazu beitragen, dass die Kreditvergabe der Banken zugunsten von mehr Investitionen angeheizt wird. So soll die Konjunktur auf Trapp und die Inflationsrate ins Steigen gebracht werden. 
     
    Es gibt aber durchaus berechtigte Zweifel, ob die EZB mit ihrem Präsidenten Mario Draghi nicht doch auch andere Ziele verfolgt.
     
    1. Die EZB will mit ihrer Geldpolitik vor allem Banken und Staaten retten
     
    Für Malte Fischer fußt die EZB-Entscheidung nicht auf dem Ziel, die Kreditvergabe anzuheizen, sondern primär in dem Ziel von Mario Draghi, Banken zu retten. In einem Kommentar in der „Wirtschaftswoche“ schreibt er: „Von weitaus größerer Bedeutung [als die sinkenden Zinsen] aber sind die Liquiditätsspritzen, mit denen die EZB die Banken ermuntern will, mehr Kredite zu vergeben.“ Diese Spritzen gibt die EZB im September und Dezember als Kredit an die Banken. Die Laufzeit beträgt vier Jahre, der Zins soll 0,1 Prozent über dem dann herrschenden Leitzins liegen. Das Kreditvolumen, das jede Bank zur Verfügung bekommt, richte sich nach dem Umfang an Krediten, den die Bank an Unternehmen gibt, so Fischer. Werde die Vorgabe an zu vergebenen Krediten nicht erreicht, seien die Banken verpflichtet, den Kredit bereits zwei Jahre früher zurückzuzahlen. Da eine weitere Strafe bei ausbleibender Kreditvergabe der Banken aber nicht drohe, seien die Spritzen lediglich eine Maßnahme, damit schwächelnde Banken „durch den Kauf von Staatsanleihen sichere Gewinne einzufahren, mit denen sie ihr Eigenkapital aufpolstern können.“ Mögliche zusätzliche Wirkung: „Da der Kauf von Staatsanleihen zudem deren Renditen nach unten drückt, sinken die Finanzierungskosten für die überschuldeten Regierungen“, so Fischer.
     
    2. Die EZB will den Euro-Kurs drücken
     
    Vergleichsweise nüchtern stellt Allen Mattich im „Wall Street Journal Deutschland“ die Frage, ob die Kreditvergabe der Banken durch die negativen Zinsen angekurbelt wird. „Wenn Banken mit der Kreditvergabe zögern, obwohl sie für ihre Einlagen bei der EZB keinerlei Zinsen bekommen – warum sollte ihre Bereitschaft zur Kreditvergabe steigen, wenn der Zins noch etwas weiter auf minus 0,1 Prozent sinkt?“ Stattdessen verfolge die EZB mit der Niedrigzinspolitik primär ein anderes Ziel: „Den Außenwert des Euro zu drücken.“ Durch negative Einlagezinsen sollten auch die Kapitalmarktzinsen gesenkt werden und so „ausländische Investoren davon abhalten, noch mehr Geld in die Eurozone zu tragen und sie im Gegenteil dazu ermutigen, andernorts auf Renditejagd zu gehen.“ 
     
    Natürlich kommentierten nicht nur die verschiedenen Medien die EZB-Entscheidung, sondern auch Verbände und Institutionen:
     
    „EZB-Entscheidung ist ein Alarmsignal“
     
    Äußerst kritisch kommentierte beispielsweise der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, die EZB-Entscheidung. Gegenüber der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe) sagte er: "Die EZB-Entscheidung ist ein Alarmsignal an die Politik: Die Geldpolitik kann die Versäumnisse der Regierungen nicht auf Dauer ausgleichen.“ Außerdem pochte er auf mehr Strukturreformen statt immer neuer geldpolitischer Maßnahmen: "Die Regierungen müssen Strukturreformen schneller umsetzen, damit die Länder wettbewerbsfähiger werden. Die Geldpolitik hat ihre Rolle erfüllt, jetzt ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa am Zuge", zitiert die Zeitung Grillo. "Ich glaube nicht, dass wir momentan Angst vor Deflation haben müssen", sagte der BDI-Präsident. Was Europa dringend brauche, sei Wachstum. "Die neuerliche Zinssenkung wird ohne eine investitionsfreundliche Fiskal- und Wirtschaftspolitik nur wenig bewirken", sagte er. Die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe in Südeuropa hänge mehr mit den handfesten Problemen der dortigen Banken zusammen. "Mit der Bankenunion sind wir auf dem richtigen Weg", sagte Grillo.
     
    „Placebopolitik auf Kosten der Sparer“
     
    Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kritisiert die Entscheidung des EZB-Rates: "Die Senkung des Leitzinses von 0,25 auf 0,15 Prozent sowie ein negativer Einlagensatz von -0,1 Prozent ist eine Placebopolitik auf Kosten der Sparer", sagte BVR-Präsident Uwe Fröhlich.
     
    Auch Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn kritisiert, dass die Geldpolitik auf Kosten der Sparer gemacht wird. "Das ist der verzweifelte Versuch, mit noch billigerem Geld und Strafzinsen auf Einlagen die Kapitalströme nach Südeuropa umzuleiten und dort die Wirtschaft anzukurbeln", sagte Sinn.

    "Die Zeche zahlen jetzt alle jene, die Geld langfristig anlegen, also die Sparer und die Besitzer von Lebensversicherungen."

     
    Sparkassenverband: Probleme größer als Chancen
     
    Mit ihren Zinsentscheidungen habe sich die Europäische Zentralbank nach Ansicht des Sparkassenverbandes auf einen "gefährlichen Weg" begeben, sagte der Präsident des Deutschen Sparkasse- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon.

    "Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört", so Fahrenschon. Auch würden die Maßnahmen die Finanzmärkte nicht stabiler machen: "im Gegenteil, das überreichliche Geld quillt schon jetzt aus allen Ritzen und sucht sich immer riskantere Anlagemöglichkeiten".

     
    "Die erhofften Chancen für die Problemländer und ihre Wirtschaft sind dabei bei weitem geringer als die negativen Auswirkungen auch auf uns als größte und stärkste Volkswirtschaft in Europa", sagte der Präsident des Sparkassenverbands, Peter Schneider, laut dpa-AFX am Donnerstag in Stuttgart. "Die Nebenwirkungen dieser Geldpolitik werden meines Erachtens unterschätzt, insbesondere die Auswirkungen auf den ganz normalen Sparer und Anleger", sagte Schneider. 
     
    Die „Berliner Zeitung“ konterte: „Es gibt kein Recht auf positive Zinsen, genauso wie es kein Recht auf Vollbeschäftigung oder stetig steigende Aktienkurse gibt. Wer wie der Sparkassenpräsident so etwas fordert, sollte sich fragen, in welchem Wirtschaftssystem er leben möchte.“
     

    Bankenverband kritisiert negativen Einlagenzins: Fehlende Liquidität nicht Kern des Problems

    Skeptisch, ob der negative Zins der schwächelnden Wirtschaft in der Euro-Zone hilft, ist auch der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Michael Kemmer. „Ein negativer Zins auf die Einlagen der Geschäftsbanken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wird kaum zur gewünschten Belebung der Kreditvergabe und des Interbankenmarktes führen“, kritisiert Kemmer die Zinsentscheidung der EZB. Überhaupt seien fehlende liquide Mittel nicht der Kern des Problems: „An Liquidität zur Kreditvergabe mangelt es im Eurosystem nicht. Es sind eher überschuldete Unternehmen bzw. hohe Kreditrisiken, die in den Peripherieländern eine Ausweitung der Kreditvergabe verhindern.“ Geldpolitisch befinde sich der Euro-Raum aber nach wie vor in einer Ausnahmesituation: „Dies müssen wir immer wieder herausstellen. Investoren, Unternehmen, Konsumenten und der Staat dürfen sich nicht zu stark an das extrem billige Geld gewöhnen.“ Klar sei, dass die Geldpolitik auf Dauer kein geeignetes Instrument sei, die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Euro-Länder zu stärken. „Ein geldpolitischer Kurswechsel bleibt deshalb mittelfristig unausweichlich“, so Kemmer.

     
     
    Die von der Bundesbank ins Deutsche übersetzten Einleitenden Bemerkungen von Mario Draghi auf der Pressekonferenz am Donnerstag finden Sie hier
    Außerdem stellt die Bundesbank verschiedene Pressemitteilungen der EZB - ebenfalls in deutscher Sprache - zur Verfügung: 
     
     



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