Stelters Sicht
Die Geldflut kommt – dann halt später
Die EZB lockert ihre Geldpolitik nicht wie erhofft. Folgt auf das jahrelange "Quantitative Easing" nun das "Quantitative Tightening"? Keine Panik, meint Daniel Stelter. Die Zentralbanken gönnen sich lediglich eine kleine Verschnaufpause.
Draghi hat die Märkte enttäuscht – so what, ist man versucht, zu sagen. Zumindest wenn man den Blickwinkel der Realwirtschaft einnimmt. Für sie war die jüngste Entscheidung so wichtig, wie der sprichwörtliche Sack Reis, der irgendwo in China umfällt. Geld ist schon heute unschlagbar billig zu haben. Doch die einen wollen es nicht haben, weil sie die wirtschaftlichen Aussichten zu schlecht einschätzen. Und die anderen können es nicht nehmen, weil sie schon zu viele Schulden haben.
In einer Situation, in der eine schwache Eurozone auf eine schwächelnde Weltkonjunktur trifft, ist der Einfluss von Geldpolitik erschöpft. Vielleicht haben wir es sogar mit einer Trendwende zu tun? Seit Anfang des Jahrhunderts haben die Notenbanken der Welt nach einer Studie der Deutschen Bank 10 Billionen US-Dollar in die Märkte gepumpt. Neben den Notenbanken des Westens, allen voran die US-Fed, waren es die Schwellenländer und die ölexportierenden Länder, die ihre Überschüsse verlässlich an den Kapitalmärkten des Westens investiert haben.
Diese Geldströme könnten allmählich versiegen. China wird seine Wirtschaft stabilisieren, dazu aber Währungsreserven abbauen. Vom Gipfel, der im ersten Quartal 2014 bei Währungsreserven von 4 Billionen Dollar lag, sind bislang bereits 300 Mrd Dollar abgeschmolzen. Weitere 510 Milliarden Dollar, so schätzen die Analysten von Barclays, könnte die People´s Bank of China noch auf den Markt bringen. Ölexporteure wie Saudi Arabien knabbern ihre Ersparnisse an, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren. Schwellenländer wie die Türkei leiden unter hohen Auslandsschulden und einer beginnenden Kapitalflucht, und Rohstoffexporteure durchlaufen eine schwere Rezession.
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Die Deutsche Bank nennt die vor uns stehende Zeitenwende „Quantitative Tightening“. Das wären schlechte Nachrichten für die Schuldner der Welt und für die Finanzmärkte, die mit dem Schmiermittel des billigen Geldes eine Party gefeiert haben, wie seit 1999 nicht mehr. Nur im Jahr 2000 waren US-Aktien teurer als heute in den letzten 100 Jahren. Das sollte zu denken geben.