Stelters Sicht
Die Geldflut kommt – dann halt später - Seite 2
Munition für den nächsten Abschwung
Kein Wunder, dass die Finanzmärkte so darauf gesetzt haben, dass die EZB einspringt und den Geldhahn so richtig aufdreht. Kein Wunder auch, dass die Märkte so enttäuscht reagieren. Droht doch das Szenario des „Quantitative Tightenings“ damit immer wahrscheinlicher zu werden.
Keine Sorge! So kommt es sicherlich nicht. Vielmehr sieht es so aus, als ob die EZB der Fed helfen möchte, eine Zinserhöhung zu beschließen. Auf den ersten Blick wirkt auch das wie eine Verknappung der Liquidität, ich denke aber es geht um was anderes. Die Fed wird nur deshalb in einen sich abzeichnenden Abschwung hinein die Zinsen erhöhen, damit sie sie wieder senken kann.
Bekanntlich war die Geld- und Fiskalpolitik am Ende eines mehrjährigen Wirtschaftsaufschwungs noch nie so expansiv wie heute. Kommt es zu einer neuen Rezession – und Anzeichen gibt es genug – ist das Munitionslager leer. Es bleiben dann nur noch die bis jetzt noch nicht breit akzeptierten Instrumente der Geldpolitik: die direkte Staatsfinanzierung und das Helikopter-Geld. Da diese der politischen Vorbereitung bedürfen – man denke nur an den Widerstand in Deutschland bei diesen Themen – brauchen die Notenbanken wieder etwas konventionelle Munition. Nur darum geht es bei dem anstehenden Mini-Entscheid zu den Zinsen in den USA: Kann man erstmal die Zinsen senken, gewinnt man Zeit, um die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten.
Ausrede für die Finanzmärkte
All das wissen die Akteure an den Finanzmärkten natürlich auch. So kam der EZB-Rat als willkommener Anlass, an einigen Stellen Risiken heraus zu nehmen. Schon vorher war deutlich, dass die Märkte zu weit gelaufen waren. Die völlig überzogene Reaktion auf die kleine Prognosekorrektur bei Linde in dieser Woche war so ein Indikator. Schon in der Woche zuvor gab es nur noch wenige Euro-Optimisten. Fast alle erwarteten rasch die Parität zum Dollar. Doch immer wenn alle das gleiche denken, kommt es nicht. Trotz der technischen Gegenreaktion Ende letzter Woche und heute wird der Euro unter einen US-Dollar fallen – nur nicht auf direktem Wege.
Keine Panik also. Die Notenbanken bereiten sich auf die nächste Runde im Kampf gegen die unweigerlichen Folgen von Überschuldung, Überkapazitäten und Fehlinvestitionen vor. Lösen können sie diese Probleme zwar nicht, nur Zeit kaufen. Doch aus Sicht der Politik ist das die beste Lösung und die Finanzmärkte wird es freuen.
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Dumm für uns alle nur, dass so die wirtschaftliche Eiszeit länger andauert und der Schaden der unumgänglichen Bereinigung umso größer wird.