Nachhaltigkeit versus Wählergunst
Die Länder der Eurozone könnten längst schuldenfrei sein. KÖNNTEN, wohl bemerkt.
Bei der Währungsumstellung zum Euro ergab sich für viele Länder Europas ein einmaliger Zinsvorteil. Dieser hätte locker zum raschen Schuldenabbau genutzt werden können. Stattdessen wurden aber noch mehr Verbindlichkeiten angehäuft. Ziel: politischer Machterhalt.
In Sachen Haushaltsführung lässt sich das Schicksal so mancher Politiker durchaus mit dem einiger Bankenmanager während der Finanzkrise vergleichen. Der Reiz zum unvernünftigen, weil kurzfristigen Handeln ist allgegenwärtig, dem nachhaltigen Finanzmanagement stehen zu hohe und kaum ignorierbare Opportunitätskosten entgegen. Im Falle der Politiker manifestieren sich diese jedoch nicht in Form exzessiver Gehälter oder Boni, sondern in Form von Wählerstimmen.
Wie eine Studie nun zeigt, haben sich viele Regierungen nach der Errichtung der europäischen Währungsunion eindeutig für die kurzfristigen Machtgewinne entschieden und eine nachhaltige Hauhshaltspolitik erst einmal auf Wiedervorlage bis zur nächsten Legislaturperiode gelegt. Einem Bericht der "Welt" zufolge, habe keines der elf Euro-Gründungsländer seine Schulden zwischen 1995 und 2005 reduzieren können, obwohl sie die einmalige Chance dazu gehabt hätten. Denn mit der Währungsumstellung ergab sich für jedes Land ein unterschiedlich hoher Zinsvorteil.
Am größten war dieser für den Krisenstaat Italien. Wo Rom vor dem Euro noch 12,60 Euro für eine Verbindlichkeit von 100 Euro zahlen musste, waren es nach der Umstellung nur noch 3,60 Euro. Mit einem Entlastungseffekt von 8,6 Prozentpunkten hätte sich das Land bis heute locker entschulden können, wären diese Einsparungen in sofortige Tilgungszahlen geflossen.
Passiert ist jedoch das Gegenteil. Innerhalb von 11 Jahren hat sich der Schuldenberg nochmal um 800 Milliarden Euro auf 2,25 Billionen Euro vergrößert. Auch in Spanien sowie in Portugal hätte der jähe Zinsrutsch für einen zügigen Schuldenabbau sorgen können. Doch ist die Pro-Kopf-Verschuldung dortzulande seit 1995 um das Dreifache, bzw. um das Vierfache angestiegen.
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"Der Eintritt in die Währungsunion eröffnete vor allem für die strukturschwachen Staaten Südeuropas eine historische Chance", sagt der Ökonom Thomas Straubhaar der "Welt". Die Länder hätten über Nacht die deutsche Stabilität erben können.