Die Arbeitnehmer sind schuld
In den USA könnten mehr Stellen geschaffen werden. Es gibt mehr Jobs als derzeit besetzt werden können. Die Unternehmen finden aber einfach keine qualifizierten Arbeitskräfte. Stagnierende Produktivität und Löhne geben der Politik Rätsel auf. Das Rätsel ist zwar noch nicht gelöst, aber die Schuldigen sind gefunden: die Arbeitnehmer.
In den USA stehen die Präsidentschaftswahlen an. Die Wahlprogramme sind dabei nur mäßig inspirierend und gehen an einem der Kernprobleme vorbei. Der US-Arbeitsmarkt läuft zwar grundsätzlich rund, doch hinter den Kulissen kracht es und es zeigt sich ein marodes System.
Viele Marktteilnehmer waren enttäuscht, dass im August nur 150.000 neue Jobs geschaffen wurden. Die Höhe dieser Zahl ist meiner persönlichen Einschätzung nicht das Problem. Sie ist absolut
ausreichend und gesund. Das Problem liegt vielmehr darin, dass mehr Stellen geschaffen werden könnten. Grafik 1 zeigt die Anzahl offener Stellen und die Anzahl an Neueinstellungen. Seit zwei Jahren
erreicht die Zahl offener Stellen regelmäßig neue Rekorde, doch die Zahl an Neueinstellungen stagniert.
Die Situation lässt sich also so zusammenfassen: es gibt mehr Jobs als derzeit gefüllt werden können. Die Arbeitslosigkeit könnte sehr viel schneller
zurückgehen als es aktuell der Fall ist. Das funktioniert jedoch nicht, weil Unternehmen keine Arbeitskräfte finden. Das ist kein Paradoxon, sondern die Folge jahrelang verfehlter Politik.
Grafik 2 zeigt die Anzahl offener Stellen (wie in Grafik 1) und die Aufteilung dieser stellen nach Sektoren. Sektoren, die nur geringe Qualifikationen erfordern (Bau, Handel, Freizeit,
Gastgewerbe), verlieren an Boden. Machten sie einmal über 40 % aller offenen Stellen aus, sind es derzeit nur noch um die 35 %.
In den meisten Volkswirtschaften ist es eine willkommene Neuigkeit, dass mehr hochqualifizierte Arbeitnehmer benötigt werden. Mehr Qualifikation
bedeutet im Normalfall auch höhere Löhne. Nicht so in den USA. Bildung ist teuer und für die meisten nicht leistbar. Bildung wird zudem seit Jahren immer teurer. Die „Bildungsinflation“ ist enorm
hoch. Immer weniger Menschen können sich also Bildung leisten.
Als Folge gibt es nicht ausreichend qualifizierte Arbeitnehmer. Hinzu kommt eine sinkende Mobilität der Arbeitnehmer. Weil sie zu wenig Geld haben, ist es ihnen nicht möglich dorthin zu gehen, wo die Jobs sind. Beides wird mit als Grund für das stagnierende Produktivitätswachstum gesehen.
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In den USA wird viel Wert darauf gelegt, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Es ist also quasi die Schuld der Arbeitnehmer, dass sie nicht ausreichend qualifiziert und mobil sind. Kulturell wird das akzeptiert, doch das macht die Lage in der Praxis nun wirklich nicht besser.