Aktienkultur
Was selbst die Schweden uns Deutschen voraus haben
Die Aktienkultur in Deutschland hat es bekanntlich sehr schwer. Egal ob T-Aktie, Neuer Markt oder Finanzkrise: Für Bedenkenträger und Aktienkritiker gab es in den letzten Jahrzehnten genügend Gründe NICHT in Aktien zu investieren. In Zeiten der Niedrigzinsen rächt sich das nun. Andere Europäer, wie etwa die Schweden, stehen dieser Situation ganz anders entgegen.
In Schweden sind Wertpapiere ein selbstverständlicher Baustein der Geldanlage. Das zeigt eine Umfrage der Börse Stuttgart in Zusammenarbeit mit finanzen.net unter Privatanlegern in Deutschland und Schweden. So waren im Jahr 2014 in Schweden 35 Prozent des Haushaltsvermögens in Aktien angelegt, in Deutschland dagegen nur 9,9 Prozent. Zudem betrug das Investmentfondsvermögen pro Kopf in Schweden zum Jahresende 2014 knapp 26.000 Euro, in Deutschland rund 10.000 Euro. Damit ist klar: Die Schweden engagieren sich stärker an den Wertpapiermärkten als die Deutschen.
Wenn es um die Zielsetzung geht, sind die Deutschen allerdings etwas fokussierter. 79 Prozent der befragten deutschen Anleger investieren in Wertpapiere wie Aktien, Fonds, Anleihen und verbriefte Derivate mit dem Ziel, Vermögen aufzubauen und für das Alter vorzusorgen. Diese Ziele stehen bei über 44 Prozent der befragten schwedischen Anleger nicht im Fokus ihrer Wertpapierinvestments. Kein Wunder, gilt doch das schwedische Rentensystem in vielen europäischen Ländern als Vorbild, während die staatliche Rente in Deutschland immer mehr an Bedeutung verliert. In Schweden ist Geldanlage mit Aktien also in etwa so selbstverständlich, wie bei uns das Tagesgeldkonto oder die Festgeldanlage.
Interessant ist auch: Schwedische Anleger setzen verhältnismäßig oft auf strukturierte Produkte. 10 Prozent der Befragten haben verbriefte Derivate im Depot – dagegen investieren nur 8 Prozent in Exchange Traded Funds (ETFs) und 6 Prozent in Anleihen. Deutsche Anleger dagegen setzen deutlich stärker auf ETFs und Anleihen als auf verbriefte Derivate. Auch mit Blick auf Informationskanäle sind die schwedischen Anleger weniger konservativ: Sie nutzen öfters Apps und soziale Netzwerke bei ihren Investmententscheidungen als die Deutschen.
Große Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden zeigt die Studie darüber hinaus bei der Frage, welche politischen oder wirtschaftlichen Themen Einfluss auf die Anlageentscheidungen haben: Während etwa eine große Mehrheit der deutschen Befragten die Geldpolitik der EZB und der Fed als wichtigen Einflussfaktor empfindet, spielen die Zentralbanken für schwedische Investoren eine weitaus kleinere Rolle. Andererseits erachten die Schweden politische Entwicklungen wie den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf für ihre Anlageentscheidungen als relevanter – sie richten ihr Augenmerk also auch verstärkt nach außen.
In einem Punkt sind sich Deutsche und Schweden jedoch einig: Regulierte Börsen sind vertrauenswürdiger als außerbörsliche Handelsplattformen. 93 Prozent der deutschen Befragten geben an, regulierten Börsen zu vertrauen. Im Gegensatz dazu halten lediglich 55 Prozent außerbörsliche Handelsplätze für vertrauenswürdig. Ähnlich sehen es die schwedischen Privatanleger.
Was also bleibt? Wir brauchen mehr Normalität im Umgang mit Aktien und ein Rentensystem, das zukunftssicher ist. Dann kommt die Aktienkultur vielleicht von ganz alleine.
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In diesem Sinne,
weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage
Ihre dieboersenblogger.de-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt
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Bildquelle: dieboersenblogger.de