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     1698  0 Kommentare Der Brexit - Ein Experiment mit völlig ungewissem Ausgang - Seite 2



    Selbstverständlich kann man an der Qualität seines Wirtschaftsstandorts arbeiten, was jedoch viel Zeit und Geld kostet. So könnte man die Unternehmenssteuern dramatisch senken. Doch das würde das britische Haushaltsdefizit explodieren lassen. Und bei Senkung der Löhne, also der Arbeitskosten, wüssten die Briten, dass sie im Juni 2016 ihr Kreuzchen falsch gesetzt haben. Sie wären not amused. Selbst ein schwaches britisches Pfund verspricht keinen Erfolg. Denn alle Länder wollen über schwache Währungen ihren Export stimulieren.  

    Selbst die britische Strategie, in der EU verbrannte Erde zu hinterlassen, ginge nicht auf

    Ein starker Schulterschluss mit den USA, um der EU die kalte Handels-Schulter zu zeigen, klingt zunächst für britische Ohren verlockend. Aber der Wert Großbritanniens besteht für Trump hauptsächlich darin, das Land als Hebel zum Aufbrechen der EU-Tür zu benutzen.  

    Auch die strategische Hoffnung, dass die europäischen Nationalwahlen EU-unfreundlich ausfallen, was Großbritannien indirekt politisch aufwertete, wird sich zumindest auf absehbare Zeit nicht erfüllen. Eher wackelt Großbritannien selbst. Denn in Wales, Nordirland und Schottland ist die Sympathie für den Brexit ähnlich hoch wie Fish & Chips für Feinschmecker.

    Selbst die Kosten der Scheidung sind nicht unbedingt ein Druckmittel. Großbritannien könnte zwar drohen, seine EU-Schulden in Höhe von 60 Milliarden Euro nur dann zu bezahlen, wenn man dem Land handelspolitisch weit entgegenkommt. Doch zur Not würde die EU-Zeche von Mario Draghi über Ankäufe von Staatsanleihen finanziert. Es gäbe der EZB sogar ein Alibi für geldpolitische Zugaben.

    Auch die deutsche Wirtschaft leidet unter dem Status Scheidungskind

    Grundsätzlich kann die EU den großen Briten in Handelsfragen keinen guten Deal anbieten. Das wäre eine Austrittseinladung an andere EU-Länder, sich ebenso von den Pflichten der EU zu befreien, ihre Rechte aber weiter gerne in Anspruch zu nehmen. Schnell würde aus der EU ein Flickenteppich egoistischer Länder.   

    Mit einem schlechten Handels-Deal schneidet sich jedoch vor allem Deutschland ins eigene Fleisch. Großbritannien ist Deutschlands drittgrößtes Ausfuhrland. Überhaupt zahlen sich die fehlenden EU-Beiträge der Briten auch nicht aus der Portkasse. Der größte Batzen bleibt wieder einmal an Deutschland hängen.

    Hinter vorgehaltener Hand sind britische und kontinentale Politiker bestimmt nicht glücklich über den Brexit. Deutschland verliert einen Blutsbruder, der sich immer für Marktwirtschaft, Reformeifer, Wettbewerbsfähigkeit und Finanzstabilität ausgesprochen hat. Nach einem britischen Good Bye sind wir mit den Anhängern von Staatsschulden und geldpolitischer Finanzierung allein. Die EU wird dann noch mehr unter stabilitätspolitischer Amnesie leiden.
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    Robert Halver
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    Robert Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernsehsendern und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie Fachpublikationen und als Kolumnist einem breiten Anlegerpublikum bekannt. Seine Markenzeichen, die unterhaltsame, bildhafte Sprache, kommen bei keinem seiner Auftritte zu kurz.

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    Verfasst von Robert Halver
    Der Brexit - Ein Experiment mit völlig ungewissem Ausgang - Seite 2 Bislang war es nur eine unverbindliche Dampfplauderei im englischen Pub oder beim Five O’Clock Tea. Doch nun ist der Antrag auf Scheidung Großbritanniens von der EU in Brüssel eingegangen. Jetzt beginnen die Trennungszeit und harte Verhandlungen. …