Euro-Roundtable
„Emerging Markets haben sich emanzipiert“ - Seite 2
Froschauer: Diese Reaktion der Märkte ist durchaus rational. Dass die weltweiten Schulden jemals vollständig zurückbezahlt werden, glaubt heute sowieso niemand mehr. Es geht ja nur mehr um die Revolvierung. Und die ist bei den niedrigen Zinsen aktuell nicht das Problem: Die Ausgaben der Staaten für ihre Zinsrückzahlungen sind heute deutlich niedriger als noch vor Jahren, obwohl die nominalen Schulden in der Regel deutlich höher sind.
Brodnik: Gut argumentiert. Doch beunruhigend ist die absolute Höhe der Staatsverschuldungen weltweit schon, wobei man sich die Zahl kaum vorstellen kann. Zwischenfrage: Weiß jemand, wie viele Länder in Europa die Maastricht-Kriterien in puncto Schulden heute erfüllen?Schneiders: So viel ich weiß, nur Luxemburg … das ist nicht viel …
Hüfner: Unsere Message für den Investor lautet also, die Verschuldung in den USA wird steigen, die Märkte lässt das dennoch weitgehend unberührt?
Schneiders: Ja, das klingt ein wenig sonderbar, doch so sehen wir es. Trump investiert ja, um die Infrastruktur des Landes zu verbessern. Solche Investitionen über Anleihen zu finanzieren, ist in Ordnung, denn sie zahlen sich langfristig aus. Zudem suchen ja etwa Versicherungen und Versorgungswerke gerade gut fundierte Infrastrukturbonds und Investitionen. Das könnte also gelingen. Ich sage zudem: Auch Europa könnte im Bereich Infrastruktur sehr gut neue Projekte gebrauchen, auch Leuchtturmprojekte, die das Zusammengehörigkeitsgefühl der europäischen Bevölkerung stärken.
Hüfner: Mehr Wachstum und eine höhere Inflation in den USA ergibt nach den Regeln auch höheres Wachstum und Inflation in Europa. Stimmt das noch?
Dilg: Die Situation Europas und Deutschlands gegenüber den USA ist heute viel besser als noch vor zehn oder 15 Jahren. Ein weitaus größerer Teil der Exporte geht heute nach China und/oder andere Emerging Markets — die Exportabhängigkeit von den USA ist geringer geworden. Nur: Die USA sind nach wie vor Deutschlands Exportmarkt Nummer 1.
Schneiders: Das Schwert eines US-Handelskriegs ist durchaus zweischneidig. Zum einen würden sich die europäischen Exporteure sicher stärker Richtung Osten — Asien und Russland — orientieren. Zum anderen gibt es ja viele Unternehmen, die in den USA produzieren und von solchen Barrieren nicht betroffen wären. Deren Aktien und Bonds würden im Vergleich zu anderen profitieren.
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Froschauer: Auch Europa kann von den Trumpschen Plänen profitieren: Wenn die USA an Wachstum zulegen, sollte Europa ebenfalls nach vorn kommen. Trump hat bislang nur die deutsche Automobilindustrie bedroht. Zudem ganze Länder wie China und Mexiko. Selbst wenn die USA also deutsche Luxusautos höher besteuern sollten, hätte dies auf die gesamteuropäische Industrie relativ wenig Einfluss. Die Impulse auf die europäische Inflation werden auch messbar sein. Nur auch hier: „Problematisch“ wird das nicht sein, denken wir.