In meinem Beitrag von Mitte Februar hatte ich ja geschrieben, ich rechne in den nächsten drei bis vier Wochen mit einer Lösung. Nun ja, jetzt waren es sieben Wochen. Aber die Zeit drängte.
Die Veröffentlichung damals sprach Bände, wenn man die Nachricht richtig interpretieren kann. Da wollte jemand die Bilanz sauber haben. Ich gehe davon aus, dass man die versteckten Verbindlichkeiten, die sich aus Forderungsverkauf, längere Zahlungsziele in Verb aus LuL, etc. ergeben haben, sauber in echte Verbindlichkeiten sehen wollte. Daher auch der ominöse Satz: Wertberichtigung der Refinanzierung im dreistelligen Mill. Bereich, der bis zu 750 Mill gehen kann". Und das bei einer Schuldenlast von schon 1,6 Mrd. EUR.
Jetzt kommt auch raus, dass nicht nur der Freistaat Bayern, sondern auch noch andere Bundesländer Bürgschaften übernommen haben.
Das Konstrukt, das man hier gewählt hat, ist sehr gut für das Unternehmen. Weniger für den Aktionär. Das hätte aber hier nach der Meldung jeder, der sich etwas intensiver mit der Materie Aktie beschäftigt, kapieren müssen. 1,6 Mrd. Schulden plus bis zu 750 Mio ergibt 2,35 Mrd. Schulden. Die 1,6 Mrd. waren schon zu viel bei den Bilanzrelationen und dem Ertrag!
Wenn ich dann Sätze hier lese, wie "hier wird ein Unternehmen einfach nach Österreich verscherbelt" glänzen diese Schreiber dann mit Inkompetenz. Einmal kann man froh sein, dass Leoni gerettet worden ist. Auf der anderen Seite, wie viele ausländische Unternehmen haben die Deutschen in den letzten 20 Jahren im Ausland übernommen. Hier waren die Beteiligten häufig ebenfalls nicht glücklich. Und das waren keine kleinen Unternehmen, sondern richtig große Unternehmen.
Aber zurück zum eigentlichen Thema:
In einer Pressemitteilung von dpa-APX heißt es, Pierer übernimmt mit 708 Mill. Schulden fast die Hälfte der Schulden. Der Rest verbleibt bei Leoni. Der Presseartikel geht aber noch von den alten Zahlen aus, denn der Schuldenberg ist inzwischen höher und dürfte bei 2 Mrd. EUR oder darüber liegen. Gehen wir einmal von 2 Mrd aus, dann hätte Leoni immer noch 1,3 Mrd. Verbindlichkeiten. Damit kommen sie nicht weit. Folglich muss hier ein Gläubigerverzicht stattgefunden haben. Dass Pierer die 708 Mill. Schulden in seine Bilanz aufnimmt sehe ich als sehr mutig an. Ein Indiz für mich, dass die Verhandlungen sehr hart geführt worden sind. Ich gehe von einem Gläubigerverzicht zwischen 20% und 30% aus. Davon waren sicherlich auch die durch die Regierungen verbürgten Darlehen betroffen. Gehen wir einmal von einem Gläubigerverzicht von 20% aus, dann bleiben Restschulden in Höhe von 1,6 Mrd. EUR übrig. Pierer übernimmt davon 700 Mill EUR, verblieben bei Leoni 900 Mio. EUR. Damit könnte Leoni ganz gut leben. Nun stehen aber Restrukturierungen an, die Pierer vornehmen wird, bspw. Abfindungen, Spezialisten, die das Unternehmen völlig neu aufstellen werden, etc.. Hier kommen mit Sicherheit Kosten in Höhe von 300 Mill EUR auf Leoni zu. Man stünde dann wieder bei 1,2 Mrd EUR Verschuldung. Daher gehe ich von einem Gläubigerverzicht von eher 30% evtl. mit Besserungsrechten aus.
Die Meldung, für Leoni ist eine Lösung gefunden, ist hervorragend. Leoni bleibt also bestehen. Pierer hat es mit anderen Unternehmen und Marken geschafft, diese zu etablieren, obwohl sie schon tot geglaubt wurden.
Für die Gläubiger und die Aktionäre ist die Sache weniger schön, aber nichts gegen das, was in den kommenden Monaten viele Leoni-Mitarbeiter erwartet. Da kommt dann die Kündigung und für viele wird erst einmal eine Welt zusammen brechen.
Aber das ist die Wirtschaft: Unternehmen wie AEG, die 1982 immerhin noch 150.000 Beschäftigte - fast alle in Deutschland - hatten, eine Philipp Holzmann AG, Praktiker, Air Berlin, Karstad-Quelle sind alle Geschichte.
Dafür kommen neue Unternehmen, die vor fünfzehn Jahren kein Mensch kannte wie Teamviewer, Delivery Hero, Zalando oder Hello Fresh, um nur einige zu nennen. Nicht zu vergessen, das neue deutsche Flaggschiff Biotech.
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