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    Bericht aus Argentinien  1245  0 Kommentare Vor Javier Milei steht eine Herkulesaufgabe - Seite 2

    In den Gesprächen mit den Vertretern von Mileis Partei wurden als Hauptgegner immer wieder die Gewerkschaften genannt. Die Gewerkschaften sind extrem stark in Argentinien, sehr politisch und fest in der Hand der Peronisten. Mit besonders starkem Widerstand rechnen Mileis Leute wegen seiner Pläne, das staatliche Fernsehen zu privatisieren. Auch für Margaret Thatcher in Großbritannien in den 80er Jahren war die Auseinandersetzung mit den linken Gewerkschaften die größte Herausforderung – sie überzogen das Land mit teilweise monatelangen Streiks.

    Mileis Leute sagen, dass es Hunderttausende „Beschäftigte“ im Staatsdienst gibt, die wortwörtlich nichts tun, außer ihre Gehaltsschecks zu beziehen und jederzeit für die Peronisten einzustehen. Wenn deren Jobs gefährdet werden, ist mit massivem Widerstand zu rechnen.

    Die zentrale Frage, die ich immer wieder stellte: Werden die Argentinier genug Geduld haben für die Reformen, auch wenn sich die Situation zuerst verschlechtern sollte? Die Erfahrungen aus anderen Ländern (z.B. Thatchers Reformen in Großbritannien in den 80er Jahren, Leszek Balcerowiczs Reformen in Polen in den 90er Jahren) zeigen, dass marktwirtschaftliche Reformen stets zunächst dazu führen, dass sich manches verschlechtert. Subventionen werden gestrichen, aus versteckter Arbeitslosigkeit wird offene Arbeitslosigkeit. Erst nach einer solchen Durststrecke, die im besten Fall zwei Jahre dauert, wird es besser. Die Antwort von Mileis Leuten: Er habe im Wahlkampf schon immer wieder darauf hingewiesen, dass es mindestens drei Wahlperioden brauchen werde, um seine Reformen durchzuziehen und Argentinien wieder erfolgreich zu machen.

    Das Hauptthema für die Argentinier ist, wie alle Umfragen zeigen, der Kampf gegen die Inflation. Augustin Etchebarne von dem Thinktank Libertad y progreso meint, dass die von Milei versprochene Dollarisierung der Währung zumindest in den ersten zwei Jahren nicht stattfinden werde, zumal die Banken großen Widerstand dagegen leisteten und der Wirtschaftsminister sowie der Zentralbank-Chef vermutlich von Macri-Anhängern gestellt werde. Was bleibe, sei also nur der radikale Abbau von Subventionen, um den Haushalt zu sanieren.

    Eine weitere Frage; Wie loyal werden sich die Anhänger von Maurico Macri verhalten, mit denen Milei ein Bündnis eingegangen ist, um die Stichwahl zu gewinnen? Und wie stark ist der Einfluss von rechten Nationalisten in Mileis libertärer Partei?

    Zudem muss Milei erst eine richtige, nationale Partei aufbauen. Derzeit gibt es verschiedene unabhängig agierende Gliederungen der Partei in den einzelnen Regionen. Ich traf die Leute, die sich in Buenos Aires damit befassen, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, diese zu einer Partei zusammenzuführen.

    Um es auf den Punkt zu bringen: Selbst wenn es Milei trotz der Mehrheitsverhältnisse in Parlament und Senat gelingt, die Reformen durchzuführen (die erste Hürde), wird alles davon abhängen, ob die Argentinier der Geduld haben, die bei marktwirtschaftlichen Reformen notwendige Durststrecke durchzustehen (zweite Hürde).

    Rainer Zitelmann ist Autor des Buches "Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten" 


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann

    Bericht aus Argentinien Vor Javier Milei steht eine Herkulesaufgabe - Seite 2 Mit 55,7 Prozent wurde der libertäre Javier Milei am 19. November zum neuen Präsidenten Argentiniens gewählt.

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