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    Meinung  2871  10 Kommentare Frankreich - das nächste Krisenland?

    In der Eurokrise beschäftigt viele Menschen eine Frage: Who´s next? Welches Land könnte als nächstes dran sein mit einem Hilfsantrag an den ESM, einem Schuldenschnitt oder sogar – wie in Zypern – einer Verstaatlichung von Sparergeldern. Der Ökonom Thomas Mayer, ehemals Chefvolkswirt der Deutschen Bank, zeigt in seinem gerade erschienen Buch „Europas unvollendete Währung“ einen interessanten Weg auf, um die Verwundbarkeit der Eurostaaten zu bestimmen. (Das Buch bei Amazon:Europas unvollendete Währung: Wie geht es weiter mit dem Euro? von Thomas Mayer)

    Er nennt dabei vier Faktoren, anhand derer sich ermitteln lässt, wie anfällig ein Land für eine Finanzkrise ist: Erstens die Abhängigkeit von ausländischem Kapital zur Finanzierung heimischer privater Investitionen und Staatsdefizite (gemessen am Leistungsbilanzüberschuss oder -defizit), zweitens das strukturelle Haushaltsdefizit, drittens die Verschuldung des Staates und viertens der Größe des Finanzsektors. Anhand dieser drei Punkte erstellt Mayer eine Rangliste. Auf den ersten Blick wirkt die Berechnung arg simpel. Denn Mayer macht nichts anderes, als die Position eines Landes innerhalb der 17 Euro-Staaten bei den vier Kriterien zu addieren. Beispiel: Deutschland hat den zweitgrößten Leistungsbilanzüberschuss, liegt bei den Staatsschulden auf Rang neun, beim Haushaltsdefizit auf Platz eins und beim relativen Gewicht des Finanzsektors auf sieben. Also 2+9+1+7 macht 19 Punkte und damit das zweitniedrigste Ergebnis nach Estland mit 16 Punkten.
     
    Schaut man sich diese Tabelle näher an, dann spricht einiges dafür, dass die ausgewählten Kriterien tatsächlich eine hohe Relevanz aufweisen. Denn fünf der sechs ersten Länder in dieser Rangliste mussten bereits unter die EU-Rettungsschirme schlüpfen – entweder mit einem Hilferuf für die Staatsfinanzen wie Zypern, Irland, Griechenland und Portugal. Oder mit einem entsprechenden Antrag für den Bankensektor wie Spanien. Welches Land könnte also das nächste sein? Folgt man Mayers Analyse, dann lautet die Antwort ganz klar: Frankreich. 
     
    Unser westlicher Nachbar belegt in der Rangliste Platz vier und liegt damit gleichauf mit Spanien und sogar noch vor Griechenland. Laut dieser Rangliste könnte es also an der Seine demnächst hoch hergehen. Diese Einschätzung deckt sich mit der Meinung vieler Finanzexperten, die Frankreich als verwundbar bezeichnen. Zudem habe die Politik von Präsident Hollande nicht dazu beigetragen, die Lage zu verbessern. Ganz im Gegenteil: Maßnahmen wie die neue Millionärssteuer verscheucht Unternehmer aus dem Land, die Schaffung neuer Arbeitsplätze wird damit nicht gerade gefördert. Und auch die Herabsetzung des Rentenalters, das Hollande als eine seiner ersten Amtshandlungen vorgenommen hat, weist angesichts der schwierigen demografischen Verhältnisse in die falsche Richtung. Dazu kommt ein verkrusteter Arbeitsmarkt mit starken Gewerkschaften, die erst dann zu Zugeständnissen bereit sind, wenn es in einem Unternehmen oder einer Branche lichterloh brennt – siehe die Beispiele aus der französischen Automobilindustrie. 
     
    Schaut man allerdings auf die Zinsen der französischen Staatsanleihen, so ist von einer Zuspitzung der Lage in Frankreich bislang nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil: In den vergangenen Tagen ist die Rendite der zehnjährigen Papiere mit 1,7 Prozent auf ein Rekordtief gefallen. Sie liegen damit nur rund 50 Basispunkte über den Bundesanleihen. Irgendwas stimmt da also nicht. Entweder zeigen die Anleger eine fahrlässige Sorglosigkeit, die sich böse rächen wird. Oder das ganze Geschrei über Frankreich als nächstes Krisenland ist übertrieben. 
     

    Roland Klaus
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    Roland Klaus arbeitet als freier Journalist und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerrufsjoker informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen, Kfz-Krediten und Lebensversicherungen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buches Wirtschaftliche Selbstverteidigung.

    Sie erreichen Ihn unter www.widerruf.info
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    Verfasst von Roland Klaus
    Meinung Frankreich - das nächste Krisenland? In der Eurokrise beschäftigt viele Menschen eine Frage: Who´s next? Welches Land könnte als nächstes dran sein mit einem Hilfsantrag an den ESM, einem Schuldenschnitt oder sogar - wie in Zypern - einer Verstaatlichung von Sparergeldern.

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    Kommentare

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    12.08.13 09:48:34
    richtig, aber du siehst, die Börsen ignorieren sämtliche negative Aspekte, die Börsen steigen weltweit.
    Ich bin mal gespannt wie das weiter geht...:confused:
    Avatar
    12.08.13 07:21:33
    11.08.2013
    Frankreich schmiert ab
    von Frank Doll

    http://www.wiwo.de/politik/europa/wirtschaftsleistung-frankr…

    Die politische Führung in Paris übt sich in reformpolitischer Untätigkeit. Ohne Stütze aus Berlin werden sich die Franzosen ihren opulenten Wohlfahrtsstaat nicht mehr lange leisten können.

    [...]

    Nach Daten der Arbeitsverwaltung Pôle emploi erreicht die versteckte Arbeitslosigkeit gar 4,6 Millionen. Frankreich entwickelt sich immer mehr zu einem bankrotten Wohlfahrtsstaat. Untrügliches Zeichen: Bestenfalls 13 von 66 Millionen Franzosen lassen sich noch zu den produktiven Steuerzahlern rechnen. Rund acht Millionen von insgesamt 28 Millionen erwerbsfähigen Franzosen arbeiten für den Staat und stellen somit Nettoverbindlichkeiten für den Staat dar. 3,28 Millionen sind offiziell arbeitslos, 3,7 bis 4,6 Millionen haben resigniert und sich aus dem offiziellen Arbeitsmarkt verabschiedet.

    Würde man noch jenen Teil der Beschäftigen abziehen, der in verstaatlichten, teilverstaatlichten oder staatlich geschützten Unternehmen und Branchen beschäftigt ist, dann läge die Zahl der echten Steuerzahler gar noch weit unterhalb der genannten 13 Millionen. Nur mit ihnen lässt sich der opulente französische Wohlfahrtsstaat aber nicht finanzieren. Berlin wird sich nach der Wahl an der Finanzierung beteiligen müssen.


    ------------------------


    Das ist noch wesentlich schlimmer als von mir in #3 geschätzt.
    :(
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    28.05.13 11:18:18
    http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2013-05/26948802…

    http://de.reuters.com/article/economicsNews/idDEBEE94R009201…

    Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Frankreich für den Fall eines Verfehlens seiner Spar- und Reformziele vor einer weiteren Herabstufung gewarnt.

    na dann schaun wir mal wie die Sache ausgeht. Mit Reformen hat man es ja nicht so....
    Avatar
    13.05.13 10:38:05
    Ich schätze, dieser Ritter von der traurigen Gestalt wird die Wahl in D abwarten.
    Zusammen mit Rot-Grün in D könnte mit Druck auf die EZB eine Vollgas-Inflationierungs-, Abwertungs- und Enteignungspolitik versucht werden,
    klappt es nicht, tritt er zurück und es gibt Neuwahlen in F.


    10.05.2013
    Frankreich wird zum Albtraum für Europa
    http://www.wiwo.de/politik/europa/europaeische-union-frankre…

    05.05.2013
    Präsident Hollande regiert im Zickzack-Kurs
    http://www.wiwo.de/politik/europa/frankreich-praesident-holl…

    08.01.2013
    Frankreichs Bürger verweigern jede Reform
    http://www.wiwo.de/politik/europa/frankreich-frankreichs-bue…

    10.12.2012
    Frankreich droht eine Flaute von einem Jahrzehnt
    http://www.wiwo.de/politik/europa/denkfabrik-frankreich-droh…
    Avatar
    12.05.13 08:00:55

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