Tabubruch Negativzinsen
Sparer entsetzt - Strafzinsen auf Spareinlagen!
Experten haben es erwartet, Sparer haben es befürchtet und nun ist es Wirklichkeit: Zum ersten Mal erhebt eine deutsche Bank einen Strafzins aufs Tagesgeldkonto.
Am Anfang jeder gesellschaftlichen Veränderung steht der Tabubruch. Die Missachtung der bis dahin praktizierten sozialen Regeln ebnet den Weg für einen Neuanfang, indem alte Normen infrage gestellt werden und sich langsam aber sicher ein neues überarbeitetes Regelwerk entwickelt. Das kann, das muss aber nicht immer gut sein.
Im Juni dieses Jahres beging die Europäische Zentralbank einen solchen Tabubruch und brachte damit einen Stein ins Rollen, der Sparen womöglich endgültig zur Bankrotterklärung macht. Um die Banken dazu zu bewegen, doch endlich mehr Kredite zu vergeben und so die Wirtschaft anzukurbeln, betrat die EZB im Juni absolutes Neuland und führte erstmals einen Negativzins von minus 0,1 Prozent für Banken ein. Mittlerweile wurde er sogar verdoppelt. Damit scheint die Politik der Negativzinsen nachhaltig manifestiert.
Ein Tabubruch jagt den nächsten
Im September dann der nächste Tabubruch: Zum ersten Mal rutschte auch der Zinssatz am Interbankenmarkt (EONIA) ins Negative. Seither müssen Banken nicht nur zahlen, wenn sie ihr Geld bei der EZB parken wollen, sondern auch, wenn sie das Geld einer anderen Bank leihen wollen (Lesen Sie hierzu: Interbankensatz rutscht ins Negative – Banken erteilen sich Strafzinsen).
Erst die EZB, dann die Banken untereinander – es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Banken die Negativzinsen auch in ihre Kunden weitergeben würden. Die Institute wiegelten zunächst ab. Solche Strafzinsen seien weder geplant, noch seien sie den Kunden überhaupt vermittelbar, hieß es in der Branche. Doch es dauerte nur wenige Wochen bis zum nächsten Tabubruch.
„Banken fordern von Lufthansa und Eon Strafzinsen auf Guthaben“, meldete Anfang Oktober die Nachrichtenagentur dpa-AFX und tatsächlich: Einige Unternehmen müssen laut dem Vergleichsportal Verivox seit einigen Wochen Negativzinsen für Bankeinlagen zahlen.
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Wie die „Welt“ berichtet, müssen Kunden der Deutschen Skatbank, die mehr als 500.000 Euro auf ihrem Tagesgeldkonto angelegt haben, ab dem 1. November einen Negativzins in Höhe von 0,25 Prozent zahlen. Damit trifft es zwar (noch) nicht den durchschnittlichen Sparer, dennoch ist es das nächste Novum in der langen Kette der Tabubrüche.
Fakt ist: Für die Finanzhäuser wird es immer unattraktiver, Kundengelder anzunehmen. Im Gegenteil, das Geld, dass die Sparer emsig auf ihren Konten beiseitelegen, wird für die Banken mehr und mehr zur Bürde. Und so beschwichtigen die Branchenvertreter zwar weiterhin, ein Negativzins sei derzeit nicht vermittelbar - aber die Einführung eines Negativzinses ganz ausschließen will trotzdem keiner von ihnen. Angesichts der Zinspolitik der EZB könne man Strafzinsen im Kundengeschäft seriöserweise für die Zukunft nicht ausschließen, sagte der Vorstand der Sparda-Bank Berlin, Frank Kohler, gegenüber der „Welt“.
Es trifft die Falschen
Ziel der EZB ist es, das gehortete Geld in Umlauf zu bringen und so die Wirtschaft anzukurbeln. Doch es ist bittere Ironie des Schicksals, dass sie mit ihrer Zinspolitik ausgerechnet diejenigen abstraft, die am wenigsten etwas für die jetzige Schieflage können. Das trifft in erster Linie auf die Sparer zu, aber auch auf einen Teil der Bankenbranche.
Denn nicht unbedingt die Banken, die mit ihrer hohen Risikobereitschaft die Wirtschafts- und Finanzkrise ausgelöst haben, sind es, die jetzt unter den Negativzinsen leiden. Nein, stattdessen treffe es laut Kohler vor allem jene Banken am meisten, die aufgrund ihres Geschäftsmodells des reinen Kundengeschäfts noch nie das Finanzsystem gefährdet hätten. Denn anders als die Investmentbanken können Finanzhäuser, die sich ausschließlich aufs Kundengeschäft konzentrieren, ihre Verluste infolge der Minuszinsen nicht durch Investmentbanking abfedern.
Und so bleibt die bittere Erkenntnis: Die Zeche zahlen kleinere Banken, vor allem aber die Sparer. Denn diese müssen sich über kurz oder lang darauf einstellen, für ihr Sparen nicht mehr belohnt, sondern vielmehr zur Kasse gebeten zu werden. Dann wären wir endgültig im Zeitalter der Negativzinsen angekommen und Sparen ist mehr als nur ein „ökonomisch törichter Akt“: Es ist eine Bankrotterklärung. Was für eine nette Erkenntnis - und wie passend zum heutigen Weltspartag.