"Helft der neuen Ukraine!"
George Soros - "EU steht unter Angriff von Russland"
George Soros, der Meisterspekulant – das war einmal! Soros ist das Image des gewieften und mitunter auch rücksichtslosen Investors leid. Viel lieber sieht er sich neuerdings als Euro-Retter. Und als solcher richtet er in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einen eindringlichen Appell an die EU: „Helft der neuen Ukraine!“ Andernfalls drohe ein „irreparabler Schaden“, so Soros.
Seine Liebe zum Euro schien Soros, der in den 90ern durch eine erfolgreiche Wette gegen das britische Pfund zum Meister seines Fachs avancierte, Anfang des vergangenen Jahres entdeckt zu haben, als er in einem Interviewband ein „leidenschaftliches Plädoyer für die europäische Einigung“ hielt. Darin wollte Soros, der Meisterspekulant, die EU ausgerechnet vor Spekulanten schützen. Wallstreet:online verwies in diesem Zusammenhang auf das womöglich nicht ganz unwichtige Detail, wonach Soros verstärkt in europäische Banken investieren wollte (Lesen sie hierzu: George Soros als Euro-Retter? Oder was steckt dahinter?).
Doch Soros ließ sich nicht beirren, gab sich weiterhin als glühender Europa-Anhänger. Im „Guardian“ bezeichnete er Russlands Präsident Wladimir Putin zuletzt als „existenzielle Bedrohung für die EU“. Schon damals forderte er deshalb, die Europäische Union müsse die Ukraine finanziell unterstützen, um sich selbst zu schützen (wallstreet:online berichtete).
"EU steht unter Angriff von Russland"
In seinem Gastbeitrag, der in der Zeitschrift „The New York Review of Books“ in Englisch und in der „FAZ“ auf Deutsch erschien, erneuert Soros jetzt die Forderung nach Finanzhilfen für die Ukraine. Eindringlicher als je zuvor spricht er von den Gefahren, die von Russland ausgehen: „Europa muss aufwachen und begreifen, dass es unter Angriff von Russland steht“, schreibt Soros, der eine Unterstützung für die Ukraine daher als „Verteidigungsausgaben“ sieht.
Nach Ansicht des Meisterspekulanten tue die EU bislang zu wenig, um der Ukraine zu helfen. Die Geburt einer neuen Ukraine sei ein historisches Ereignis, doch ohne Unterstützung könne die neue Führung die radikalen Reformen, die das Land jetzt brauche, nicht umsetzen.
EU schadet sich mit Sanktionen gegen Russland selbst
Lesen Sie auch
Anstatt die finanzielle Hilfe auszuweiten, hätten die Europäer die Ukrainer an der kurzen Leine gehalten und sich vor allem auf die Sanktionen gegen Russland konzentriert. Diese hätten zwar eine deutlich schnellere Wirkung gezeigt und seien insofern ein „notwendiges Übel“. Allerdings würden Sanktionen nicht nur dem Land schaden, gegen das sie verhängt werden, sondern eben auch den Ländern, die sie verhängen, mahnt Soros. Seiner Meinung nach könnte eine russische Staatspleite zu beträchtlichen Rissen im globalen Finanzsystem führen. Auf diese Weise würde sich die EU durch die Sanktionen selbst schaden. Im Gegensatz dazu wären alle Folgen der Hilfen für die Ukraine ausschließlich positiver Natur, so Soros.
Er hält es deshalb für „dringend notwendig, die aktuelle Politik der Europäischen Union in Bezug auf Russland und die Ukraine zu überdenken und neu zu justieren.“ Sanktionen gegen Russland müssten in ein Gleichgewicht zu einer Unterstützung der Ukraine gebracht werden.
Mehr Finanzhilfen für Ukraine gefordert
Konkret fordert Soros ein neues Finanzpaket in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar, bestehend aus Mitteln der ungenutzten Kreditfähigkeit der EU selbst und aus „anderen unorthodoxen Quellen“. „Das wäre bahnbrechend“, schreibt der Altmeister und fügt hinzu: „Die Ukraine könnte radikale Reformen angehen und würde sich, statt an der Grenze zum Bankrott zu agieren, zu einem viel versprechenden Land wandeln, attraktiv für privates Investment.“
Soros selbst hat sechs mögliche Finanzquellen ermittelt:
- Die Einrichtung zur Zahlungsbilanzhilfe („Balance-of-Payments Assistance“) und der Europäische Finanzstabilitätsmechanismus haben ungenützte Geldmittel in Höhe von 48 Milliarden bzw. rund 15
Milliarden US-Dollar. Beide Mechanismen sind jedoch derzeit auf EU-Mitgliedsstaaten begrenzt. Soros fordert jedoch, die Mittel auf die Ukraine auszuweiten.
- Höhere Erstattungsfonds aus der EU würden es dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ermöglichen, seine Kredite für die Ukraine um 13 Milliarden US-Dollar zu erhöhen.
- Projektbezogene Anleihen der Europäischen Investmentbank könnten laut Soros 10 Milliarden Euro oder mehr freisetzen.
- Weitere 5 Milliarden US-Dollar könnten die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Form von langfristigen Finanzierungen beisteuern.
- Eine Restrukturierung der Staatsverschuldung der Ukraine sollte mehr als 4 Milliarden US-Dollar Devisenreserven erbringen.
- Russland könnte Soros‘ zufolge die Zahlungen einer 2015 fälligen Anleihe von der Ukraine freiwillig umschulden, um so Pluspunkte für eine spätere Lockerung der Sanktionen zu sammeln. Die
Anleihe beläuft sich auf 3 Milliarden US-Dollar.
Wie realistisch die Erschließung dieser Geldquellen ist, dahinter muss selbst Soros ein Fragezeichen setzen, indem er einräumt, dass vielleicht nicht alle diese Quellen vollständig mobilisiert werden können. Aber, so Soros: „Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg.“ Den Schlüssel zu diesem Weg, sieht der Meisterspekulant indes bei Angela Merkel, die sich als „wahrhaft führende Europapolitikerin“ bewiesen habe.