Schulz und Sinn im Grexit-Streit
„Wollen Sie die sechste Flotte Moskaus im Hafen von Piräus liegen haben?“
Der Eine ist EU-Parlamentspräsident, der Andere Deutschlands Top-Ökonom. Beide eint ihr Anspruch „Tacheles zu reden“. Dass es dabei auch etwas plakativer zugehen kann, demonstrierten Martin Schulz und Hans-Werner Sinn bei einem Streitgespräch zur Eröffnung der „Welt“-Währungskonferenz.
Ring frei für das Duell der Alphamännchen! Einen besseren Auftakt hätten sich die Kollegen der „Welt“ wohl nicht einkaufen können. Auf der einen Seite ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, der ein Füllen des bodenlosen Fasses namens Griechenland für „sinnlos“ hält (siehe hier). Auf der anderen Seite EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der mit Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras gerne „Tacheles“ redet und „kein Bock auf ideologische Debatten“ hat (wallstreet:online berichtete).
Auf eine Debatte mit Sinn hatte Schulz am Mittwoch aber sehr wohl Bock, auch wenn sich die beiden in Sachen Griechenland alles andere als grün waren. Der EU-Parlamentspräsident zeigte sich einmal mehr als erbitterter Gegner eines Grexits. Ein Ausscheiden Griechenlands würde keinerlei Nutzen bringen, aber jede Menge Schaden. „Die Folgen wären fatal für Griechenland“, so Schulz.
Grexit – Risiko oder Chance?
Sinn findet die Folgen eines Nicht-Grexits viel fataler. Fast schon gebetsmühlenartig wiederholte er auch an diesem Abend einmal mehr seine Haltung zu Griechenland: Das Land sei viel zu teuer geworden und könne nur durch eine gezielte Abwertung einer eigenen Währung wieder wettbewerbsfähig gemacht werden. „Griechenland ist pleite, die Insolvenz wird lediglich verschleppt durch Kredite der Europäischen Zentralbank.“ In einem Interview mit n-tv erklärte Sinn zuvor, eine Verlängerung der Finanzhilfen würde die Situation nur verschlimmern. Griechenland sei ein Fass ohne Boden und es sei „Zeit, die Sache zu beenden.“ (Lesen Sie hierzu: ifo-Chef Sinn fordert Grexit)
„Dieses Risiko ist mir zu hoch“, meint Schulz und will einen Grexit unbedingt verhindern. Unter Risiko versteht der SPD-Mann zwei Dinge: Zum Einen sei bei der „zynischen Strategie der Finanzmärkte“ zu befürchten, dass das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro sofort wieder die Spekulanten auf den Plan rufe. Zum Anderen sieht er die Gefahr, Griechenland könne im Fall eines Grexits den Schulterschluss mit Russland suchen. Das, so Schulz, könne nicht in unserem Interesse sein: „Wollen Sie die sechste Flotte Moskaus im Hafen von Piräus liegen haben?“
„So what?!“
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Sein Kontrahent sieht das alles ziemlich entspannt. „Soll Athen doch aussteigen, so what“, fragt Sinn und wiegelt ab. Eine mögliche Ansteckungsgefahr ist seiner Ansicht nach kein Schreckensszenario, sondern sogar wünschenswert: „Wenn der griechische Austritt so vorteilhaft für das Land sein sollte. Dass andere nachfolgen, sollte man nichts dagegen haben – warum denn nicht, wenn das der bessere Weg ist?“
Für Sinn führt der bessere Weg vor allem über Kapitalmarktkontrollen und ein Ende der Euro-Druckerpresse (wallstreet:online berichtete). „Wir leben nicht einem Schlaraffenland, in dem man Geld druckt“, so der ifo-Präsident.
Mario Draghi als Euro-Retter
Martin Schulz widerspricht dieser Ansicht. Er findet das mit dem mit dem Gelddrucken nämlich richtig gut. Mario Draghi und der EZB hätten wir es zu verdanken, dass wir die akute Krise überwinden konnten und der Euro „allen Unkenrufen zum Trotz“ noch lebe. „Die EZB hat mutig und konsequent ein Vakuum gefüllt, weil die politischen Verantwortungsträger keine Entscheidung fällen konnte.“ (Auch der Chefvolkswirt der DZ-Bank, Stefan Bielmeier, lobt ausdrücklich die Rolle der EZB in der Eurokrise: siehe hier)
Mario Draghi als Retter in der Eurokrise? Diese Lesart kann der ifo-Präsident wenig abgewinnen. Im Gegenteil, er ist der Meinung, das billige Geld habe uns die Illusion einer Lösung gegeben, aber die wirklichen Probleme nur vertragt.
Eine Lösung der Probleme wurde auch bei diesem Streitgespräch nicht gefunden. Dafür aber einmal mehr die Erkenntnis, dass es vermutlich ebenso viele Befürworter wie Gegner eines Grexits gibt. Ob das die Sache leichter macht? Wohl kaum. Immerhin waren sich die beiden Kontrahenten dann doch noch einig, dass sich etwas ändern müsse in Europa. Was genau und wie, naja, darüber lässt sich bekanntlich streiten.