Michail Chodorkowski

Putin-Gegner warnt vor russischem Bürgerkrieg - "Das Regime ist bereit zu schießen"

Der frühere Oligarch Michail Chodorkowski gilt als erbitterter Gegner Wladimir Putins. Im Interview kritisiert er den autoritären Führungsstill des russischen Präsidenten und warnt vor einem drohenden Bürgerkrieg: Es werde „keinen unblutigen Regimewechsel geben“.

Zehn Jahre lang saß der ehemalige Vorstandsvorsitzende des heute insolventen Ölkonzerns Yukos wegen Steuerhinterziehung und Betrugs in Haft. Nicht wenige, darunter auch Amnesty International, vermuteten eine politisch motivierte Verurteilung, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte widersprach jedoch einer solchen Einstufung. Im Dezember 2013 wurde Chodorkowski von Putin begnadigt und lebt seither im Exil in der Schweiz.

Freunde werden die beiden trotzdem nicht. Im Gegenteil, im Interview mit der „Welt“ beschreibt Chodorkowski den Führungsstil Putin als autoritärer denn je. Putin habe die staatlichen Institutionen zerstört, sodass es weder eine gegenseitige Kontrolle der Verfassungsorgane, noch eine Gewaltenteilung per se mehr gebe. Selbst zu Sowjetzeiten sei das Regime einigermaßen berechenbar gewesen. „Putin dagegen ist stolz auf seine Unberechenbarkeit.“

„Das Regime ist bereit zu schießen“

Trotzdem glaubt Chodorkowski die Absichten Putins zu kennen. Dieser sei zwar „bereit, die Repressionen zu verstärken“, aber: „Er ist kein Monster. Er weiß, dass zu starke Unterdrückung negative Konsequenzen für ihn selbst. Dazu müsste er auch zu Säuberungen in den Eliten bereit sein.“ Der Opposition räumt Chodorkowski dennoch nur geringe Chancen ein. Das System Putin werde länger existieren, als manche Oppositionelle meinen, glaubt er. Warum? „Das Regime ist bereit zu schießen, die demokratische Opposition ist es nicht.“ Aus diesem Grund rechnet Chodorkowski fest damit, dass ein Sturz Putins wohl nicht ohne Gewalt vonstattengehen wird: „Es wird keinen unblutigen Regimewechsel geben.“

Sollte es tatsächlich zu einem Machtwechsel kommen, so könne dies nur unter Beteiligung der Sicherheitsstrukturen funktionieren. Andere Akteure seien dazu nicht fähig, so der Regime-Gegner. In der Vergangenheit wurde bereits über einen bevorstehenden Sturz Putins durch die Eliten spekuliert (siehe: Die russische Elite lässt Wladimir Putin fallen – doch da lauern die Gefahren). Auch Chodorkowski sieht diese Gefahren und warnt vor einem drohenden Bürgerkrieg infolge des entstehenden Machtvakuums.

Es drohe ein Bürgerkrieg

So könnte ein Konflikt zwischen nationalistischen Tendenzen auf der einen und autonome Bestrebungen auf der anderen Seite entstehen. Konkret warnt Chodorkowski vor einer Auseinandersetzung einer in der Ostukraine entstehenden „Armee von National-Chauvinisten“ und den Anhängern des Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow. „Wenn diese Kräfte in Russland aufeinanderprallen, wird es gefährlich, weil das zu einem Bürgerkrieg führen kann“, prophezeit der Putin-Gegner.

Aus diesem Grund sei der russische Präsident auch daran interessiert, den Ukraine-Konflikt am Leben zu erhalten. Laut Chodorkowski befürchte Putin, dass die bewaffneten Kämpfer aus prorussischen Separatisten und russischen Staatsbürgern aus der Ostukraine abziehen und nach Russland zurückkehren könnten. „Aber genau das ist gefährlich für das Regime in Russland. Die Rückkehr der Kämpfer würde die Lage dort explosiv machen.“ Putin werde deshalb alles tun, um sie so lange wie möglich in der Ostukraine zu halten. Und das, so Chodorkowski, ginge am besten, wenn man den Konflikt in der Ukraine „einfriere“.