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    Griechenland  1378  0 Kommentare Griechenland, Merkel und der "Scheißegal-Effekt"

    Noch mal sechs Milliarden mehr für Griechenland? Oder vielleicht auch 20 Milliarden mehr? Was soll's? Jetzt haben wir schon so viel gezahlt, dann ist das auch egal…

    Der renommierte Psychologe Professor Roy F. Baumeister (Florida State University) hat für eine solche Haltung den Begriff "Scheißegal-Effekt" geprägt. Der Begriff kommt aus der Diätforschung. Vornehmer spricht man von "gegenregulierender Nahrungsaufnahme". In Experimenten wurde gezeigt, dass Personen, die ihren Diätgrundsatz gebrochen haben, das Gefühl entwickeln, sie hätten die Diät jetzt sowieso in den Sand gesetzt, haken die Sache ab und essen nach der ersten Sünde ungehemmt weiter: "Scheißegal, dann kann ich mir ja heute den Bauch vollschlagen". Mit der folgenden Fressorgie legen sie mehr Kalorien zu als mit dem ursprünglichen Ausrutscher.

    Inzwischen haben wir uns alle an Vieles gewöhnt:

    1. Das Geld für Griechenland langt nie - die heute genannte Summe ist immer zu niedrig, und morgen wird eine neue Summe genannt, die noch mal viele Milliarden höher ist. Darüber regt sich ernsthaft niemand mehr auf.
    2. Versprechen und Verträge gelten nichts. Darin sind sich die Griechen und die anderen Europäer einig. Die Griechen werden irgendwann wieder eine neue Regierung wählen, die sich auf den Standpunkt stellen wird, dass die von der jetzigen Regierung ausgehandelten Verträge keine Gültigkeit mehr haben. Und die Europäer haben selbst alle Verträge gebrochen - den Maastrichter Vertrag mit seiner No-Bailout-Klausel und die erst vor wenigen Jahren ausgehandelten Verträge der diversen Rettungsschirme. Auch daran haben sich inzwischen fast alle gewöhnt.
    3. Wir haben uns auch daran gewöhnt, die Wirklichkeit zu verdrängen. Es ist fast wie in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Alle wissen, der Kaiser ist nackt. Genauso wissen alle: die Griechen werden nie und nimmer ihre Schulden zurückzahlen. Aber Frau Merkel will das nicht eingestehen, weil dann auf einmal die Schulden haushaltswirksam wären. Man nennt einen Schuldenerlass jetzt einfach anders, spricht von Streckung der Zins- und Tilgungszahlungen - auf 30, 40 oder vielleicht bald 60 Jahre. Faktisch jedoch weiß jeder: Die Schulden werden am St. Nimmerleinstag zurückgezahlt, also niemals. Nur, damit Frau Merkel das Scheitern ihrer Griechenland-Rettung nicht eingestehen muss, wird ein formeller Hair-Cut abgelehnt. Und dafür wird sogar in Kauf genommen, dass der IWF sagt: "Dann machen wir nicht mehr mit." Denn der IWF darf gar kein Geld geben, wenn die Schuldentragfähigkeit offenbar nicht gegeben ist. Bislang war die Beteiligung des IWF für die CDU/CSU die conditio sine qua non. Aber auch das ist vergessen.
    4. Wir belügen uns permanent selbst: Vor einigen Jahren haben die Griechen versprochen, für 50 Mrd. Euro Assets zu privatisieren. Das Ziel wurde um 95 Prozent verfehlt. Nicht einmal fünf Prozent davon wurden umgesetzt. Jetzt glaubt man wieder den neuen Versprechungen. Die Wahrheit ist: Eine Regierung, die selbst nicht innerlich von dem Segen der Privatisierungen und der Marktwirtschaft überzeugt ist, wird ein solches Programm nicht umsetzen. Das konnte eine Margaret Thatcher, die eine 100% überzeugte Marktwirtschaftlerin war und die ihr Land deshalb vor dem Niedergang retten konnte, weil sie selbst innerlich an das glaubte, was sie tat. Sie wusste, dass nur knallharte marktwirtschaftliche Reformen zu einer Gesundung führen würden. Und hatte damit Erfolg. Die Griechen vertreten jedoch genau die entgegengesetzte Weltanschauung. Und wer nicht glaubt, dass das, was er tut, sinnvoll ist, wird es allenfalls halbherzig tun und bei erster Gelegenheit seine Versprechen brechen. So war das bisher. Und so wird es künftig sein. Wir alle wissen es. Und wir alle wissen auch, dass Merkels Griechenland-Rettung gescheitert ist. Im Unterschied zu dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, wo nur ein Kind die Wahrheit aussprach, sagen das heute immerhin eine Menge Leute auch in der Union. Respekt vor diesen "Abweichlern"!

    Hier finden Sie 22 Rezensionen zu Rainer Zitelmanns Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Griechenland Griechenland, Merkel und der "Scheißegal-Effekt" Noch mal sechs Milliarden mehr für Griechenland? Oder vielleicht auch 20 Milliarden mehr? Was soll's? Jetzt haben wir schon so viel gezahlt, dann ist das auch egal…

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