Des einen Leid, des anderen Freud
Tanken günstig wie nie... Ölpreis-Krieg beschert Einsparungen in Milliardenhöhe
95 Cent für einen Liter Diesel! Was zu Beginn des Jahres noch des Autofahrers Traumvorstellung war, ist heute freudvolle Realität. So wie heute in Berlin Neukölln gibt es den Kraftstoff in vielen Städten Deutschlands bereits für weniger als einen Euro. Doch mit den für unsere Geldbörse erfreulichen Auswirkungen des Ölpreis-Krieges scheinen die gerade erst in Paris verabschiedeten Klimaziele schlichtweg zu verpuffen.
Verbindliche Fördermengen? Nö, erstmal nicht. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) bleibt vorerst bei ihrer Last-Man-Standing-Strategie. Man will den Ölpreis so lange fallen lassen, bis die Konkurrenten, die von der künstlichen Verknappung profitieren würden, einknicken. Eine Entscheidung soll demnach erst im nächsten Jahr fallen, bis dahin lautet die Devise: „Jeder macht, was er will“ (Bijan Namdar Zanganeh, iranischer Ölminister; lesen Sie mehr dazu hier).
Jubel bei Autofahrern und Rohstoffhändlern
So weit, so gut. Zumindest für die Autofahrer. Mit einem aktuellen Barrelpreis von rund 38 Dollar (Brent und WTI) beschert Saudi Arabien uns damit ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk in Form von 10,5 Milliarden Euro an Einsparungen bei den Tankkosten. Dabei sind es beim Benzin 2,9 Milliarden Euro und beim Diesel 7,6 Milliarden Euro, die uns entlasten. Zu diesem Ergebnis kam der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) in einer Aufstellung für die "Welt".
Auch die 600 Mitarbeiter des niederländischen Rohstoffhändlers Trafigura dürfen sich über festtägliche Gewinnausschüttungen in Höhe von 775 Millionen US-Dollar freuen, dem saftigen Ölgeschäft sei Dank. Mit einer Gewinnmarge von 69 Prozent feierte Geschäftsführer Jeremy Weir das beste Trading-Jahr in der 22-jährigen Geschichte des Unternehmens (wallstreet:online berichtete).
Mit dem Preisverfall an den Energiemärkten ist Öl also wieder en vogue. So wird für 2015 ein Anstieg des Kraftstoffverbrauchs von 54,1 Millionen Tonnen (2014) auf 55,2 Millionen Tonnen prognostiziert. Seit den 90er-Jahren hat sich der Spritverbrauch kaum reduziert, am Ende wird heutzutage sogar mehr getankt, als noch in den 90er-Jahren, wie aus einer Studie der Energie-Informationsagentur "EnergyComment" im Auftrag der Grünen-Fraktion hervorgeht. Bis zum Jahr 2040 erwarten die Experten einen weiteren weltweiten Anstieg der Nachfrage von knapp einem Drittel.
Billiges Öl versus Klimaziele
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Die negativen externen Effekte bekommt letztlich wieder die Umwelt zu spüren. Noch vor drei Tagen einigte man sich in Paris auf eine Marke von deutlich unter zwei Prozent in Sachen Erderwärmung, die Treibhausgasemissionen sollen nicht höher sein, als wie sie von der Natur wieder aufgenommen werden können. Die einschlägige Prämisse lautet: Abkehr von den fossilen Energien, wie Kohle, Gas und eben auch Öl.
In Anbetracht der steigenden Nachfrage erscheint dieses Ziel zunächst jedoch noch in weiter Ferne. „Der steigende Kraftstoffabsatz in Deutschland ist klimapolitisch ein Alarmsignal“, verkündete der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn gegenüber der "Welt". Mit Effizienzvorschriften und Initiativen zur Elektromobilität beim Auto allein könne man ihm zufolge die Klimaziele nicht erreichen.
In welche Richtung sich der Zielkonflikt zwischen den Wünschen des internationalen Ölkartells und den Hoffnungen der Klimakonferenz entwickeln wird, ist also noch ungewiss. Eines ist jedoch sicher: Die OPEC-Mitglieder haben sich mittlerweile ein ganzes Jahr lang Kampferfahrung antrainiert und sind hart im Nehmen. Vor diesem Hintergrund braucht es einen starken und überzeugten Gegner, um für die Klimaziele einzustehen.