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    Mietrechtsnovelle  1472  0 Kommentare "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!"

    Unternehmer und Investoren sind Optimisten. Und das ist gut so. Der Optimismus hat jedoch eine Kehrseite. Oft werden negative Entwicklungen verdrängt, verharmlost, ignoriert. Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der "Behavioral Economics", und der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann sagte sogar: "Im Hinblick auf ihre Folgen für unsere Entscheidungen mag die Optimismus-Verzerrung durchaus die wichtigste kognitive Verzerrung sein."

    Das habe ich seit 20 Jahren immer wieder beobachtet.

    1. Ich erinnere mich, als 1999 durch die rot-grüne Koalition der Paragraf 2b des Einkommensteuergesetzes beschlossen wurde, der zum "Aus" für Steuersparmodelle führte. Damals war ich Immobilienjournalist bei der WELT und hatte zuerst die Pläne für diesen Paragrafen aufgedeckt. Fast die gesamte Steuersparbranche erklärte mir damals, ein solcher Paragraf "könne ja gar nicht kommen", denn das würde ja das "Aus" der gesamten Branche bedeuten. So etwas "könne" die Politik nicht machen, das sei ja komplett unvernünftig, denn… Etwa ein Jahr später existierten die meisten dieser Anbieter von Steuersparmodellen nicht mehr. Den verbliebenen Initiatoren wurde entweder durch den einige Jahre später beschlossenen §15b EStG die Existenzgrundlage entzogen oder durch die wiederum einige Jahre später beschlossene AIFM.
    2. Als die AIFM-Regulierung diskutiert wurde, vertrat ich die Meinung, diese werde auch auf geschlossene Fonds angewandt werden. Ich erntete heftigen Widerspruch. Nein, das könne gar nicht sein, denn das würde ja bedeuten, dass ein großer Teil der Branche handlungsunfähig würde. Zudem seien viele Bestimmungen der Richtlinie unvernünftig und gar nicht passend für deutsche geschlossene Fonds. So etwas "könne" die Politik gar nicht machen, das sei ja komplett unvernünftig, denn… Heute existieren in der Tat nur noch ganz wenige von früher Hunderten Fondsinitiatoren.
    3. Als die Mietpreisbremse erstmals diskutiert wurde, erklärte man mir in zahlreichen Gesprächen, so etwas sei ja komplett kontraproduktiv und dadurch werde das Problem des Wohnungsmangels keineswegs gelöst, eher noch verschlimmert. Einverstanden! Aber dann kam in den Diskussionen der aus meiner Sicht ganz merkwürdige und für mich keineswegs logische Schluss, dass ein Gesetz wie die Mietpreisbremse gar nicht kommen könne, weil das ja komplett unvernünftig wäre… Ähnliches höre ich derzeit in vielen Diskussionen zum geplanten Mietspiegelmanipulationsgesetz.
       

    Die Argumentationsstruktur derjenigen, die Zweifel daran hegen, dass die Politiker entsprechende Gesetze beschließen, ist stets ähnlich. Man unterstellt den Politikern eine Rationalität und Einsichtsfähigkeit, die dort leider nicht vorhanden ist. Vielleicht macht man den Fehler, die eigene unternehmerische Rationalität auf die Politiker zu projizieren. Zu oft ist, psychologisch gesehen, auch einfach der Wunsch der Vater des Gedankens. Weil man ein Gesetz nicht will, sucht man nach Argumenten dafür, dass das gar nicht kommen könne. Begründung: Die Folgen wären fatal - für den Markt, für die Branche, für das eigene Unternehmen.

    Allen, die so denken, möchte ich folgendes schöne Gedicht von Christian Morgenstern (1871 - 1914) über "die unmögliche Tatsache" mit auf den Weg geben:

    Palmström, etwas schon an Jahren,
    wird an einer Straßenbeuge
    und von einem Kraftfahrzeuge
    überfahren.

    "Wie war" (spricht er, sich erhebend
    und entschlossen weiterlebend)
    "möglich, wie dies Unglück, ja-:
    dass es überhaupt geschah?

    Ist die Staatskunst anzuklagen
    in Bezug auf Kraftfahrwagen?
    Gab die Polizeivorschrift
    hier dem Fahrer freie Trift?

    Oder war vielmehr verboten,
    hier Lebendige zu Toten
    umzuwandeln, - kurz und schlicht:
    Durfte hier der Kutscher nicht -?"

    Eingehüllt in feuchte Tücher,
    prüft er die Gesetzesbücher
    und ist alsobald im klaren:
    Wagen durften dort nicht fahren!

    Und er kommt zu dem Ergebnis:
    "Nur ein Traum war das Erlebnis.
    Weil", so schließt er messerscharf,
    "nicht sein kann, was nicht sein darf!"


    23 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

    Lesen Sie auch Rainer Zitelmanns Buch "Setze dir größere Ziele!", das in 7 Sprachen übersetzt wurde.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Mietrechtsnovelle "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!" Unternehmer und Investoren sind Optimisten. Und das ist gut so. Der Optimismus hat jedoch eine Kehrseite. Oft werden negative Entwicklungen verdrängt, verharmlost, ignoriert. Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der "Behavioral Economics", und der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann sagte sogar: "Im Hinblick auf ihre Folgen für unsere Entscheidungen mag die Optimismus-Verzerrung durchaus die wichtigste kognitive Verzerrung sein."

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