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    Negativzinsen und Co.  5507  3 Kommentare Sparen – Lebensphilosophie oder ökonomisch törichter Akt?

    Deutschland ist Vizeweltmeister! Nein, nicht im Fußball, sondern beim Sparen. Aber ist das in Zeiten von Niedrig- und Negativzinsen tatsächlich ein wünschenswerter Titel?

    1,88 Billionen Euro – Das ist die Summe, die die Deutschen auf Girokonten, Tages- und Festgeldkonten fleißig angespart haben. Das bringt ihnen in der Weltrangliste des Sparens Platz zwei, mit einer durchschnittlichen langjährigen Sparquote von rund zehn Prozent, so die "Welt". Überboten wird das Sparland Deutschland demnach nur noch von China. Kein Wunder also, dass die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) gerade den Deutschen sauer aufstoßen, wollen sie sich doch so gar nicht mit der urdeutschen Spar-Mentalität in Einklang bringen.

    Negativzinsen treffen vor allem Sparer

    In der vergangen Woche senkte die EZB den Leitzins auf ein historisches Tief von 0,15 Prozent (wallstreet:online berichtete). Mehr noch: erstmals gibt es einen negativen Einlagenzins für Banken. Diese müssen damit künftig eine Strafgebühr zahlen, wenn sie Geld bei der EZB lagern. Viele Experten sind sich sicher: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Banken den Negativzins an ihre Kunden weitergeben. Die Leidtragenden wären in erster Linie die Sparer.

    Sparen sei jetzt nur noch eine „ökonomische Dummheit“, schreibt deshalb die „Welt“. Denn ein Blick auf die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank zeige: Geld zur Seite legen lohne sich nicht mehr. Wer trotzdem spare, sei dann endgültig der Dumme. (siehe auch: EZB-Negativzinsen: Schwundgeld - Anheizen der Kreditvergabe auf Kosten der Sparer?)

    Sparmentalität hat Ursprung in deutscher Kulturgeschichte

    Nun ist der Mensch aber von Natur aus eher ein Gewohnheitstier. Dementsprechend schwer ist es, seine gewohnten Verhaltensmuster zu durchbrechen, zumal, wenn sie scheinbar kulturell so tief verwurzelt sind wie die deutsche Sparmentalität. Für die „Welt“ liegt der Ursprung dieser Verwurzelung in der finanziellen Kulturgeschichte der Deutsche. In einem der sensibelsten Momente, nämlich zu Zeiten der Hyperinflation der 20er Jahre, wurde mit Maßnahmen wie der Einführung des Weltspartags den Menschen beigebracht, dass sparen etwas tugendhaftes sei. In Momenten der Schwäche ließe man sich besonders nachhaltig überzeugen, so die Zeitung.

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    Aber die Zeiten haben sich geändert und Sparen ist längst kein Renditemodell mehr. Im Gegenteil, wer heute Geld zur Seite legt um für schlechtere Zeiten vorzusorgen, der läuft Gefahr am Ende weniger Vermögen zu haben – die Inflation lässt grüßen. Und dennoch horten die Deutschen weiterhin ihr Geld auf Giro- und Tagesgeldkonten, obwohl der Tagesgeld-Index des Finanzportals biallo.de, in der vergangenen Woche erneut einen Satz nach unten gemacht hat und nun bei 0,54 Prozent liegt.

    Sparen ist eine Lebensphilosphie

    Doch Sparen ist eben weit mehr als eine Anlageform. Es sei eben auch eine Denkweise, so Reinhard Blomert, Finanzhistoriker am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin, gegenüber der „Welt“. Nicht umsonst genießt das Sparen in so vielen Bereichen einen hohen Stellenwert: Zeit sparen, Benzin sparen, Platz sparen… und eben auch Geld sparen.

    Sparen werde somit zunehmend zum Selbstzweck. Doch das muss nicht zwangsläufig schlecht sein. Vielmehr werde das Sparen auf seine ganz ursprüngliche Bedeutung zurückgeworfen, sagt auch Reinhard Blomert. Dazu passt die Anlagementalität vieler Kunden, von denen Banker in diesem Zusammenhang berichten. Es gehe seinen Kunden gar nicht um Rendite, sagt beispielsweise Roland Boekhout, Vorstandschef der ING Diba, gegenüber der „Welt“. Auch Frank Kohler, Vorstandssprecher der Sparda-Bank Berlin, pflichtet bei: Kunden agierten nach dem Motto. nichts zu verlieren, sei schon fast gewonnen.

    Aktien als Sparschwein?

    Insofern mag es vielleicht ein wenig zu vorschnell sein, das Sparen als ökonomische Dummheit abzutun. Aber vielleicht bedarf einer anderen Spar-Strategie. Anlageberater buhlen daher seit geraumer Zeit um die Gunst der emsigen Sparer und versuchen ihnen Aktien als neue Sparschweine schmackhaft zu machen. Ob’s gelingen wird? Die Europäische Zentralbank dürfte jedenfalls derzeit kräftig mithelfen, die Sparer zu überzeugen.





    wallstreetONLINE Redaktion
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