Aktien Europa
Analystenerwartungen verstärken das Risiko
Die Aktienmärkte werden mal wieder von einem Aufreger zum nächsten gejagt. Die einen rufen ein Kalifat aus, über der Ukraine wird ein Passagierflugzeug abgeschossen, in Portugal wollen die Sorgen um die zweitgrößte Bank des Landes nicht nachlassen - und in Deutschland echauffiert man sich über die Siegesfeier unserer Weltmeister.
Doch noch zeigen sich die Aktienmärkte relativ unbeeindruckt, allen voran der DAX und der S&P 500. Sicherlich mag das Argument gelten, dass die mit der Notenbankpolitik von Draghi & Co geschaffene Liquidität ein zu Hause sucht. Auch das niedrige Zinsniveau mag eine höhere Bewertung der Märkte rechtfertigen. Allerdings gleicht die gestiegen Geldmenge auch mit einem niedrigerem Geldumlauf einher, wodurch die Fisher-Gleichung wieder ausgeglichen ist (Bruttosozialprodukt = Geldmenge x Geldumlaufgeschwindigkeit).
Dass die Aktienmärkte dennoch anfällig für Rücksetzer sind zeigt sich derzeit bei den Werten aus der zweiten Reihe. Analysten unterstellen bei ihren Bewertungen grundsätzlich zukünftige Erträge, die natürlich meistens höher sind als die aktuellen und somit weitere Kursteigerungen in Aussicht stellen. Werden diese Erwartungen revidiert, so gibt es oft schmerzhafte Korrekturen. Dies war in letzter Zeit auffällig häufig der Fall. Jüngste Beispiele waren in Deutschland Bilfinger, Lufthansa, Vossloh, die Software AG oder Drägerwerk. Die beiden Letzteren überraschten mit kurzfristigen Revisionen ihres Jahresausblicks, den sie noch vor wenigen Wochen bekräftigt hatten. Wir suchen auch hier wie immer den Dialog mit dem Management, dessen Qualität für uns wesentlich ist - und dessen Qualität mit solchen Aktionen natürlich stark in Frage gestellt wird! Schließlich ist es neben dem „Business-Owner“ und dem „Economic Moat“ eines unserer wichtigsten qualitativen Kriterien bei der Aktienauswahl.
Bei Betrachtung des Rentenmarktes bleibt nicht viel mehr als festzustellen, dass es immer noch keine wirkliche Alternativen zu Aktien gibt. Schon der schwedische Nationalökonom Knut Wicksell stellte bereits vor 100 Jahren fest, dass die Wachstumsrate des Bruttosozialproduktes dem langfristigen Zinsniveau entsprechen sollte. Dieser Theorie zufolge wären 30-jährige Bonds in den USA sogar überbewertet, während wir von einem anhaltend niedrigen Wachstum in Europa auch länger von niedrigen Zinsen ausgehen müssen. Alles andere als ein solches Zinsniveau wäre bei dem immensen Schuldendienst der Staaten auch gar nicht denkbar. Und US-Anleihen zahlen inzwischen deutlich höhere Zinsen als europäische, auch in den Olivenstaaten.
Damit sollte sich die grundsätzliche Frage nach der Aktienquote, egal ob als Privatanleger, Stiftung oder Pensionskasse, eigentlich so nicht stellen. Vielmehr könnte einzig die Frage zu diskutieren sein, welche Quote und Qualität Aktien im Portfolio haben. Unsere Ampel steht zwar weiterhin auf Grün, wobei am Horizont wieder erste Wolken aufkommen.