Was von Umfragen in Marktturbulenzen zu halten ist
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
die Meldung eines bekannten Online-Portals von gestern Vormittag erschien besorgniserregend: „Schock für die deutsche Wirtschaft“, wurde dort getitelt. Und dann: „ifo-Geschäftsklima bricht ein“. Was war geschehen? Das ifo-Geschäftsklima ging von 108,6 Punkten im Dezember auf 107,3 Punkte im Januar zurück, wobei die Erwartungen der Ökonomen bei 108,4 lagen. Ein Schock sieht anders aus, denn obwohl die Erwartungen doch deutlich verfehlt wurden, ist der aktuelle Rückgang von 1,3 Punkten völlig im Rahmen der üblichen Schwankungen seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991.
Enttäuschende Konjunkturindikatoren?
Abgesehen davon, dass dieses Beispiel wieder einmal zeigt, wie dramatisch manche Nachrichten in den Medien aufgebauscht werden, bietet es einen guten Anlass, sich mit der aktuellen Verlässlichkeit derartiger Frühindikatoren zu beschäftigen.
In der Vorwoche wurden bereits die ZEW-Konjunkturerwartungen veröffentlicht. Auch hier gab einen Rückgang, der vermeintlich noch stärker ausfiel: von 16,1 auf 10,2 Punkte (-5,9). Allerdings ist die Schwankungsbreite der ZEW-Konjunkturerwartungen aufgrund der Konstruktion des Indikators viel höher, so dass dieser Rückgang eher harmlos ist. Zudem waren hier die Erwartungen noch geringer (8,2 Punkte), so dass sogar dieses Ergebnis sogar positiv überrascht hat.
Umfragebasierte Indikatoren sind stets auch stimmungsgetrieben
Allerdings sind sowohl die Daten des ifo-Instituts als auch des ZEW umfragebasiert. Während das ifo-Geschäftsklima die Meinung der Unternehmen selbst repräsentiert, werden die ZEW-Konjunkturerwartungen unter Finanzmarktexperten ermittelt. Sowohl den Unternehmen als auch den Finanzmarktexperten stehen umfangreiche Daten für ihre Einschätzung zur Verfügung, wobei die Daten der Unternehmen (z.B. Auftragslage) sowohl aktueller als auch genauer sein sollten. Dennoch sind auch diese Umfragen zu einem Gutteil stimmungsgetrieben. Dafür sorgen schon die relativ vagen Antwortmöglichkeiten beider Erhebungen.
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Ein Indiz dafür ist beispielsweise die starke Diskrepanz der Analystenerwartungen und des endgültigen Ergebnisses der ZEW-Konjunkturerwartungen im Januar (siehe oben): Der Wert für die Erwartungen wird ja ebenfalls durch Umfragen (der Finanzdatenanbieter, wie Bloomberg und Co.) ermittelt und zwar de facto unter den gleichen Finanzmarktexperten, die vom ZEW befragt werden. Die Abweichung dürfte also nur minimal sein – es sei denn, zwischen beiden Umfragen gab es einen Stimmungsumschwung.