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    "Tag der Befreiung"?  3816  4 Kommentare Der 8. Mai 1945 in der deutschen Geschichte

    In der DDR wurde der 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung vom Faschismus" gefeiert. Auch im wiedervereinten Deutschland gibt es die Tendenz, die Ambivalenz des 8. Mai auszublenden, die Theodor Heuss so beschrieb: "Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind."

    Eine intensive Diskussion über die Einordnung des 8. Mai wurde zum 50. Jahrestag im Jahre 1995 geführt. In meiner heute erschienenen Autobiografie (http://zitelmann-autobiografie.de/) erinnere ich an diese Debatte. Hier ein Auszug aus dem Buch:

    "Im Vorfeld des 50. Jahrestages entwickelte sich, wie der "Spiegel" am 24. April 1995 beobachtete, "eine nicht mehr überschaubare Basisbewegung…: Kirchengemeinden, Geschichtswerkstätten, Schulklassen, Anti-Rassismus-Initiativen oder Schwulengruppen überziehen das Land mit einem dichten Netz von Ausstellungen, Tagungen, Lesungen und Gedenkfeiern. … Auf Initiative Michel Friedmans, Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden, und des Hamburger Intendanten Jürgen Flimm unterzeichneten ZDF-Chef Dieter Stolte, der ARD-Vorsitzende Jobst Plog, aber auch die Chefredaktionen von Brigitte, Focus, Stern oder Max den Aufruf ‚8. Mai 1995: Die Freiheit hat Geburtstag. Engagieren wir uns!' Die Meinungsmacher proklamieren einen ‚Tag der Erinnerung und Hoffnung, den wir nicht allein den Parteien und Politikern überlassen wollen'. Den gern geschmähten Politikern mit ihren erstarrten Kranzabwurf-Ritualen Konkurrenz zu machen reizt so manchen guten Menschen. Und so werden Peter Maffay, die ‚Toten Hosen', Udo Jürgens und viele andere am 7. Mai im Hamburger Thalia Theater die Befreiung besingen. Das ZDF überträgt live."

    128 Worte erregen die Republik
    Das fand ich bedenklich und nicht angemessen, weil es der Komplexität und Ambivalenz dieses Tages in keiner Weise gerecht wurde. Daher formulierte ich einen Aufruf, der als Anzeige in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschien und für den ich - zusammen mit Heimo Schwilk, Ulrich Schacht und Klaus Rainer Röhl - Hunderte Unterschriften sammelte. Das Vorgehen entsprach meiner Meinung, die ich in diesen Jahren immer wieder prononciert vertreten hatte: Wer die öffentliche Meinung beeinflussen und Diskussionen auslösen wolle, müsse von den erfolgreichen Methoden der Linken lernen.

    Der Aufruf begann mit einem Zitat des ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss (FDP). Der Text unter der Überschrift "8. Mai 1945 - gegen das Vergessen" war knappgehalten - und doch haben keine anderen Sätze, die ich in meinem Leben verfasste, so viel Aufregung verursacht wie diese 128 Worte, die erstmals am 7. April 1995 auf Seite 3 der FAZ erschienen:


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    "Tag der Befreiung"? Der 8. Mai 1945 in der deutschen Geschichte In der DDR wurde der 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung vom Faschismus" gefeiert. Auch im wiedervereinten Deutschland gibt es die Tendenz, die Ambivalenz des 8. Mai auszublenden, die Theodor Heuss so beschrieb: "Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind."

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