checkAd

    Die Geschichte des LTCM-Hedgefonds - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 28.03.06 21:39:20 von
    neuester Beitrag 28.03.06 21:40:59 von
    Beiträge: 2
    ID: 1.050.449
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 4.501
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 28.03.06 21:39:20
      Beitrag Nr. 1 ()
      Die Geschichte des LTCM-Hedgefonds, Teil 1

      von Bill Bonner, Trader's Daily 27.3.2006

      Wenn es um Hedgefonds geht, dann wird oft die Katastrophe des "LTCM-Hedgefonds" angeführt. Was hat es damit eigentlich auf sich? Hier der Hintergrund:

      Im August 1998 waren Bill Krasker, John Meriwether und zwei Männer, die gerade den Wirtschafts-Nobelpreis gewonnen hatte, Myron Scholes und Robert Merton, tief besorgt über sogenannte "swap spreads". Ihre Computermodelle hatten ihnen gesagt, dass diese spreads an aktiven Handelstagen um vielleicht einen Punkt schwanken könnten. Aber an diesem Freitag sprangen die spreads sehr stark.

      Das waren schlechte Nachrichten für diese Männer, die den Long Term Capital Management (LTCM) Hedgefonds managten. Sie hatten ungefähr eine Milliarde US$ in verschiedenen Positionen investiert. Die meisten ihrer Positionen waren Wetten, dass sich die spreads bei den Futures wieder ihren historischen Durchschnittswerten annähern würden. Diese spreads würden früher oder später wieder auf ein vertrautes Niveau zurückkommen, so die Überlegungen der Genies bei LTCM.

      Dieses LTCM-Team machte Geschichte. Sie waren die smartesten Leute auf dem Planeten, und jeder wusste es. Das Geld, das sie machten – ungefähr 40 % Plus pro Jahr, seit Auflegung ihres Hedgefonds – bewies das. Das wurde von der Business Week als "Computer-Zeitalter" gelobt, und diese Professoren waren die Meister dieses Zeitalters. Scholes und Merton fuhren extravagante neue Wagen. "Merton hatte sein Haar rot gefärbt, seine Frau verlassen und er war in eine superschicke Wohnung in Boston gezogen", berichtet Roger Lowenstein in seinem Buch "When Genius Failed". Die gesamte Welt – und das Geld der Welt – schienen zu ihren Füßen zu liegen.

      Die Erkenntnis der Professoren war so nützlich wie offensichtlich: Ein Investment, das ungewöhnlich billig ist – oder ungewöhnlich teuer – repräsentiert eine Form von potenzieller finanzieller Energie. Früher oder später wird dieses Investment weniger ungewöhnlich sein. Ihr Fehler war aber auch offensichtlich; sie dachten, dass die Welt vernünftiger sei, als sie es wirklich ist, und sie nahmen an, dass das Zurückkommen auf den Durchschnittswert nur für Märkte gelten würde. Die Anleihenkurse würden zwar auf ihren fairen Wert zurückkommen können – aber das könnte auch für den Ruf der Professoren und das Vermögen ihrer Investoren gelten. Das Zurückkommen auf den Durchschnittswert prognostiziert moderat, dass die Dinge normalerweise dahin zurückkehren, wo sie normalerweise hingehören. Wenige Dinge sind ausgenommen. Die Professoren nahmen an, dass auch die spreads, zum Beispiel zwischen langfristigen und kurzfristigen Anleihen oder zwischen deutschen und italienischen Anleihen wie der Wurf mit einem Würfel seien. Würden sich die spreads vergrößern oder verkleinern? Sie glaubten, dass man sich die historischen Daten ansehen und dann die Wahrscheinlichkeiten berechnen könne. Wenn die aktuellen Kurse den Wahrscheinlichkeiten zuwiderlaufen würden, dann sahen sie diese aktuellen Kurse als Absurdität an und setzten darauf, dass diese Kurse in der Zukunft weniger absurd sein würden.

      Und vielleicht würden sie das auch sein. Aber wie Keynes einmal festgestellt hat, können die Märkte länger irrational bleiben, als ein Investor oder ein Unternehmen solvent bleiben kann.

      Und Solvenz wurde ein großes Problem für LTCM, denn die Genies hatten sich stark verschuldet. "Wenn man nicht verschuldet ist", schrieb Lowenstein, "dann kann man nicht pleite gehen und man kann nicht zum Verkaufen gezwungen werden, weshalb in diesem Fall 'Liquidität' irrelevant ist. Aber beim Investieren am Terminmarkt kann man sehr wohl zum Verkauf gezwungen werden, bevor sich die schnell akkumulierenden Verluste zu stark anhäufen. Die Hebelwirkung gilt natürlich auch nach oben, mit derselben brutalen Dynamik, und ihre Gefahren können gar nicht oft genug betont werden."

      Am 23. September 1998 ließ William J. McDonough, Präsident der New Yorker Fed, die Köpfe der amerikanischen größten Banken und Repräsentanten von 7 großen ausländischen Banken zusammenkommen. Das war eine unübliche Sache. So etwas hatte in der Tat noch niemals vorher stattgefunden. Aber die Fed fürchtete, dass der Kollaps von LTCM die Banken einem sehr hohen, niemals zuvor gesehenen Niveau von "systemischen Risiko" aussetzen würde. Der LTCM-Hedgefonds wusste, dass er seine Positionen reduzieren musste, aber das konnte er nicht – nicht, wo der Markt so unter Spannung stand. Trotz dem explosionsartigen Wachstum bei den Derivativen hatten die Kreditmärkte keine Liquidität. Das ist nicht überraschend, wenn jeder zur gleichen Zeit aussteigen will.

      "Im September 1998", so geht Roger Lowensteins Bericht über den Zusammenbruch von LTCM weiter, "wurde den Tradern das Risiko akut bewusst. Die spreads zwischen 'sicheren' Staatsanleihen und den weniger sicheren Unternehmensanleihen und ausländischen Anleihen weiteten sich aus. Am von Akteuren überfüllten Anleihenmarkt schienen alle Spieler zur gleichen Zeit zur gleichen Schlussfolgerung zu kommen. Sie rannten zu den Ausgängen ... sie waren nicht nur für sich selbst eine Gefahr, sondern für das gesamte Finanzsystem der Welt."

      Lowenstein erklärt, was passiert, wenn der Markt unvernünftig wird: "Wenn die Verluste immer größer werden, dann werden Investoren, die wie LTCM auf Terminmarktprodukte gesetzt haben, zum Verkauf gezwungen, wenn sie nicht von ihren Verlusten überwältigt werden wollen. Und wenn ein Fonds in einem Markt ohne Käufer verkaufen will, dann werden die Kurse extrem.

      Um nur ein Beispiel zu nehmen: Die Rendite der Anleihen des Unternehmens News Corporation, die normalerweise 110 Basispunkte über der Rendite von US-Staatsanleihen lag, stieg bizarrerweise mehr als 180 Basispunkte über diesen Wert. Dabei hatten sich die fundamentalen Aussichten dieses Unternehmens nicht das kleinste bisschen verändert. Langfristig mag ein solcher spread absurd erschienen sein. Aber langfristiges Denken ist ein Luxus, der für diejenigen, die sich dem Traden mit Terminmarktkontrakten verschrieben haben, nicht immer verfügbar ist; sie würden nicht so lange überleben." Lowenstein beschrieb das, was die Statistiker in der Fachliteratur "fat tail" nennen. Die Märkte sind aber im mathematischen oder logischen Sinne nicht perfekt. Sie sind nur im moralischen Sinne perfekt; sie geben den Leuten mehr oder weniger das, was sie verdienen.

      An den Extrempunkten folgen die Kurse nicht länger einem logischen Muster. Die Investoren werden irrational überschwänglich, wenn die Kurse ihren Extrempunkt am oberen Ende der Kurve erreicht haben, und sie werden verzweifelt ängstlich am anderen Ende. Ein Beispiel: So sollten normalerweise nur sehr wenige Aktien jemals extrem teuer oder extrem billig sein, und normalerweise sind das auch nur wenige.

      Aber an den dunklen Extremen der Kurve bestimmen Furcht und Gier die Märkte, und die Kurse gehen unprognostizierbare Wege. Die Investoren kaufen die Aktien am Topp zu lächerlich hohen Kursen, und sie verkaufen sie zu lächerlich niedrigen Kursen am Boden. Die Leute können alles glauben, was sie wollen. Und von Zeit zu Zeit glauben sie fast alle gleichzeitig dasselbe. Mitte der 1990er gewannen Professoren den Nobelpreis dafür, dass sie zeigten, dass die Märkte perfekt seien, und dass das Chance/Risiko-Verhältnis quantifiziert werden könnte, so als ob ein Investment wie ein Wurf mit einem Würfel oder wie eine versicherungsmathematische Tabelle wäre.

      Wenn man würfelt, dann kann man die Wahrscheinlichkeit für jeden möglichen Wurf berechnen. Und diese Wahrscheinlichkeiten sind für alle Möglichkeiten gleich. Ob man einmal oder 100 Mal die 6 würfelt – die Wahrscheinlichkeit dafür, beim nächsten Mal eine 6 zu würfen, bleibt unverändert. Würfel haben kein Gedächtnis. Die Investoren haben ein Gedächtnis, aber nicht viel Vorstellungskraft. Sie ändern die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse dauernd, und zwar entsprechend ihren jüngsten Erlebnissen. So war zum Beispiel die Periode von 1982 bis 2000 von so großzügigen Gewinnen am Aktienmarkt gekennzeichnet, dass die Investoren dazu kamen, dass auch für die Zukunft zu erwarten.

      Die Kurse sind eine Funktion der Zuversicht. Wenn die Investoren zuversichtlich sind, dann steigen die Kurse. Wenn sie es nicht sind, dann fallen die Kurse. Aber auch die Zuversicht tendiert dazu, sich auf den fairen Wert hin zu bewegen. Es brauchte 18 Jahre steigender Aktienkurs, um die Zuversicht der Investoren auf ein absolutes Hoch steigen zu lassen. Es würde mehrere Jahre brauchen, um diese Zuversicht auf den langfristigen Durchschnittswert fallen zu lassen. Weder die meisten Investoren noch die meisten Nobelpreisträger konnten sich das vorstellen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die nächsten 20 Jahre die vorigen 20 Jahre genau kopieren würden, war extrem klein.

      Lowenstein erklärt: Wenn die Investoren Angst haben, dann strömt das Kapital von riskanteren Anlageformen in weniger riskante, egal, wie hoch der zugrunde liegende faire Wert ist. In einer wirklichen Krise will keiner die riskantesten Investments haben. Fortsetzung folgt!
      Avatar
      schrieb am 28.03.06 21:40:59
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die Geschichte des LTCM-Hedgefonds, Teil 2

      von Bill Bonner, Trader's Daily

      Dienstag, 28.3.2006

      Der LTCM-Hedgefonds war sich seiner Computermodelle so sicher außerdem so eifrig gewesen, jedes bisschen möglichen Gewinn aus dem Markt ziehen zu wollen, dass dieser Fonds die riskantesten Wetten des Marktes hielt. Aber das waren nicht nur billige Aktien. Die hätte der Fonds ja halten können, bis der Markt wieder zur Vernunft gekommen wäre. Stattdessen hielt der LTCM-Hedgefonds Terminmarktkontrakte und andere Investments, die weder Dividenden zahlten noch einen intrinsischen, d.h. inneren, Wert hatten. Und dank des beeindruckenden Rufs konnte LTCM Positionen fast ohne eigenen Einsatz eingehen. Um eine Position im Volumen von 100 US$ einzugehen, musste der Fonds nur 1 US$ Eigenkapital vorweisen. Wenn sich der Marktpreis dieser Position damit nur 1 % in die falsche Richtung bewegte, würde dieses Eigenkapital ausgelöscht sein.

      Und im Herbst 1998 bewegte sich der Markt fast jeden Tag in die falsche Richtung. Ein Extrempunkt war erreicht: Alle Trader schienen gleichzeitig aus den gleichen Positionen herauskommen zu wollen. Die Professoren wussten nicht, was sie machen sollten. Das war eine Volatilität, die sie nicht verstanden.

      Im Namen des Hedgefonds war zwar "Long Term" – also langfristig – enthalten, aber bereits 4 Jahre nach der Gründung standen die Besitzer mit dem Rücken zur Wand, wegen Kursen, die nach ihrer Aussage nicht in einer Milliarde Jahren wahrscheinlich wären. Ihre mathematischen Modelle zeigten laut Lowenstein, dass die Chance für so einen Markt " so unwahrscheinlich sei, dass sie wahrscheinlich nicht einmal während des gesamten Lebens des Universums eintreten würde."

      "Die Professoren hatten dies in ihrem Modell nicht berücksichtigt", bemerkte Lowenstein. "Sie hatten dem Markt eine kalte Prognostizierbarkeit zuprogrammiert, die dieser niemals hatte; sie hatten räuberischen Sammeltrieb vergessen, und die überwältigenden Schutzinstinkte, die die Trader des realen Lebens beherrschen. Sie hatten den menschlichen Faktor vergessen."

      Sie hatten Recht damit, dass die Dinge dazu tendieren, zu ihrem fairen Wert zurückzukommen. Dinge, die extrem aus dem Ruder gelaufen sind, laufen irgendwann zurück ins "Normale". Aber dann laufen sie wieder aus dem Ruder. Manchmal laufen die Kurse vom fairen Wert weg. Manchmal laufen sie auf diesen Wert zu. Wenn man mit Terminmarktkontrakten an die Sache heran geht, dann kann man in beide Richtungen Pleite gehen. Und die Genies von LTCM verloren 4,5 Milliarden US$ – zu einem Geld ihres eigenen Fonds.

      Aber auch die Banken verloren Geld. Sie hätten noch deutlich mehr verloren, wenn sie LTCM nicht zu Hilfe gekommen wären ... und die US-Zentralbank kam jedem zu Hilfe, indem sie die Geldpolitik lockerte. Das wurde von einer neuen Gruppe Genies genutzt – darunter Enron. Verglichen mit Enron war LTCM "wie ein Limonadenstand", so Frank Partnoy einem Komitee des US-Kongresses, als dieses Thema im Frühjahr 2001 spektakulär aufkam. Enron verdiente in einem Jahr mehr mit dem Derivate-Handel als LTCM während seiner gesamten Existenz.

      Die New Yorker Fed half, die Welt vor LTCM zu retten; aber diese Anstrengung der Fed war so ein Erfolg, dass sie die Bühne für Enron vorbereitete ... und die Geschichte mit Enron kostete 16 Mal so viel.

      Bei größeren Topps führen sowohl die Theorie als auch die Erfahrung die Investoren dazu, zu denken, dass der Verkauf von Aktien ein Fehler wäre. Nicht nur, dass die Kurse die letzten zwei Jahrzehnte gestiegen waren, sondern ein paar Wirtschafts-Nobelpreisträger hatten vor kurzem auch bewiesen, dass es nie Sinn machen würde, zu verkaufen. Die Hypothese der effizienten Märkte, die zuerst von Eugene Fama in den 1960ern entwickelt wurde, war eine weitere dieser sagenhaften Theorien, die eines Marx oder eines Freud wert waren – tiefsinnig und zu dieser Zeit völlig absurd.

      Das Wesentliche dieses Konzepts ist, dass die Märkte alle verfügbaren Informationen und Präferenzen widerspiegeln. Sie sind deshalb perfekt: Sie reflektieren die zusammengefasste Einschätzung aller Marktteilnehmer. Im Gegensatz dazu hat ein einzelner Marktteilnehmer – ein einzelner Investor, zum Beispiel – deutlich weniger Informationen. Er mag zwar denken, dass die Kurse steigen oder fallen werden, und sein Geld entsprechend anlegen. Aber seine Einschätzung ist mangelhaft. Er hat Unrecht, der Markt hat Recht. Der Markt kann nicht falsch liegen, denn der Wille der gesamten Investoren kann nicht falsch sein. Die Demokratie lässt keine höhere Autorität als den Willen der Mehrheit zu. Und vergleichbar dazu geben uns die Märkte immer den richtigen Preis. Weder die Märkte noch die Demokratie können verbessert werden; denn sie sind beide perfekt. Wider einmal schien die Geschichte hier zu einem Ende gekommen zu sein.

      Aber wenn eine Menschenmenge zu glauben beginnt, dass sie von der Gnade Gottes berührt worden ist, dann gibt es kein Halten mehr. Das schlimmste, was passieren kann, ist, dass die ersten Bemühungen außerordentlich erfolgreich sind. Dann wird die Blase nämlich immer größer und größer – bis sie schließlich ihre Nadel findet.


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      Die Geschichte des LTCM-Hedgefonds