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    Warum die Indizes fallen sollten u. weitere int. Berichte - 500 Beiträge pro Seite (Seite 3)

    eröffnet am 03.09.03 20:04:43 von
    neuester Beitrag 02.03.09 23:23:28 von
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      schrieb am 03.12.03 20:54:23
      Beitrag Nr. 1.001 ()
      eu-stabilitätspakt

      Was ist Stabilität?

      Warum holländische Löhne und spanische Immobilienpreise für den Euro wichtiger sind als das deutsche Budgetdefizit


      Von Robert von Heusinger

      Nicht einmal auf die Devisenhändler ist noch Verlass. Da führen der französische und der deutsche Finanzminister den Stabilitätspakt ad absurdum – und kein panisches „Verkaufen!“ hallt durch die Handelsräume der großen Banken. Im Gegenteil, der Euro notiert auf dem höchsten Niveau seit seiner Einführung im Januar 1999.

      Können die Verwalter von Abermilliarden Dollar, Euro und Yen die Schlagzeilen nicht lesen? Oder irren all jene Politiker und Ökonomen, die nun aufgeregt behaupten, das Vertrauen in den Euro hänge an der Einhaltung des Stabilitätspaktes?

      Die Antwort: Die Stabilität der Währung hat mit den Haushaltsdefiziten in Europa so gut wie nichts zu tun. Trotz hoher Defizite in Deutschland und Frankreich ist der Euro bei den drei wichtigsten Kriterien der Währungsstabilität, dem Außenwert, der Inflationsrate und den Kapitalmarktzinsen so stabil wie selten zuvor.


      Aussenwert: Seit seiner Einführung im Jahr 1999 hat der Euro leicht an Wert zugelegt. Nach Kursverlusten von rund 17 Prozent gegenüber den wichtigsten Handelspartnern in den ersten Jahren, hat die Gemeinschaftswährung Anfang 2002 eine Klettertour begonnen und liegt seit Mitte dieses Jahres ein paar Prozentpunkte höher als 1999. Das Gezerre um den Stabilitätspakt konnte die Aufwertung nicht stoppen, da der Pakt in der angelsächsisch geprägten Investmentwelt sowieso nie als so wichtig angesehen worden ist. „Er verlangt von den Finanzministern, im Extremfall päpstlicher als der Papst zu sein“, spottet Dirk Schumacher, Euroland-Volkswirt bei der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs. Die willkürlich gesetzten drei Prozent Neuverschuldung pro Jahr hätten von Beginn der Währungsunion an nicht überzeugt. Wichtiger sei es, auf den Schuldenstand zu schauen, meint Schumacher.

      Und hier sieht es für die Eurozone insgesamt nicht schlecht aus. Seit 1999 verringerte sich die Staatsschuld aller Länder, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), um mehr als vier Prozentpunkte auf 69 Prozent Ende 2002. Erst seit diesem Jahr steigt sie wieder, weil ganz Euroland die Rezession zu spüren bekommt. Aber Deutschland und Frankreich liegen mit ihren Schulden, gemessen am BIP, noch immer weit unter dem Durchschnitt.


      Inflation: „Höhere Haushaltsdefizite gleich höhere Inflation“ lautet ein in der Debatte um den Stabilitätspakt häufig gebrauchtes Argument. Tatsache ist: Die Länder mit den höchsten Defiziten weisen die geringsten Inflationsraten auf (siehe Grafik). Das sei auch nicht weiter verwunderlich, denn für die preistreibende Wirkung hoher Neuverschuldung gebe es keine Belege, so der Würzburger Ökonom Peter Bofinger, „solange die Notenbank nicht gezwungen ist, für die Staaten Geld zu drucken“.

      Entscheidender für die Inflationsrate ist deshalb ein anderer Faktor: die Veränderung der Löhne. Wenn sie stark steigen, geben viele Unternehmen die höheren Kosten an die Kunden weiter. Die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten pro Produkteinheit, sind jedoch in den ersten fünf Jahren der Währungsunion nur moderat gestiegen: pro Jahr um rund zwei Prozent und seit dem Start um zehn Prozent. Allerdings kam es zwischen den Ländern zu erheblichen Unterschieden. Während die deutschen Lohnstückkosten nur um 3,7 Prozent stiegen, legten die spanischen um 16 Prozent, die holländischen gar um 20 Prozent zu. Beide Länder verzeichneten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich starkes Wachstum – und daher auch die stärksten Lohnerhöhungen.

      Die Holländer haben darauf bereits reagiert und ein Lohnmoratorium für zwei Jahre verhängt. Die Spanier profitierten noch von der guten inländischen Konjunktur und der „vorausschauenden, antizyklischen Fiskalpolitik“, sagt Thomas Mayer, Euroland-Chefvolkswirt bei der Deutschen Bank. Sprich, als die Wirtschaft kräftig wuchs, reduzierte die spanische Regierung ihre Ausgaben. „Aber auch sie werden die höheren Lohnstückkosten zu spüren bekommen“, so Mayer. Der wesentliche Unterschied zu den Niederlanden: Die Holländer sind die Mechanismen der Währungsunion seit Jahrzehnten gewohnt, da sie den Gulden lange vor der Währungsunion an die D-Mark gekoppelt haben. Die Spanier dagegen haben in der Vergangenheit ihre zu hohen Lohnstückkosten über die Abwertung der Peseta reduziert. Dieser Weg ist nun versperrt. Für die Stabilität des Euro viel spannender als alle Diskussionen über Haushaltsdefizite ist deshalb die Frage: Werden die spanischen Gewerkschaften im Fall einer Rezession sich ähnliche Lohnzurückhaltung verordnen lassen wie die holländischen oder deutschen? Wenn nicht, droht der Musterknabe schon recht bald zum echten Sorgenkind der Währungsunion zu verkommen.


      Kapitalmarktzinsen: Nimmt ein Staat massiv neue Schulden auf, anstatt seine hohen Ausgaben zu kürzen, treibt die zusätzliche Kreditnachfrage die Zinsen auf den Kapitalmärkten in die Höhe – weshalb dann private Investoren Schwierigkeiten haben, sich Geld zu leihen. So weit die Theorie. In der Praxis haben die beiden größten Länder der Eurozone, Deutschland und Frankreich, schon im vergangenen Jahr die Budgethürde von drei Prozent gerissen, und trotzdem sind die langfristigen Zinsen in der Währungsunion so niedrig wie nie zuvor. Von fünf Prozent im Jahr 2001 sanken sie auf derzeit vier Prozent. Von einem Verdrängen privater Investitionen kann also kaum die Rede sein.

      Viel kritischer für die Kreditaufnahme privater Investoren sind ohnehin andere Faktoren, zum Beispiel die Immobilienpreise. Eine Blase am Immobilienmarkt ist der Albtraum eines jeden Ökonomen. Denn sobald die Blase platzt und die Preise schlagartig fallen, stürzen nicht nur viele private Haushalte in den Bankrott, sondern die Stabilität des gesamten Bankensystems gerät in Gefahr – und damit die Kreditversorgung der Volkswirtschaft. So wie in Japan in den neunziger Jahren. Wenn es aber in Euroland irgendwo Anzeichen eines Immobilienbooms gibt, dann in Spanien, wo sich die Preise seit 1998 nahezu verdoppelt haben, wie Goldman Sachs berechnet hat.


      Wachstum: Der Stabilitätspakt ist in aller Munde, und trotzdem ist sein Name irgendwie in Vergessenheit geraten. Eigentlich heißt er nämlich Stabilititäts- und Wachstumspakt. Nicht von ungefähr, denn der Sinn allen Wirtschaftens ist Wohlstandsmehrung und nicht erdrückende Stabilität. Die Bilanz aber fällt zwiespältig aus: Zwar sind die Inflationsraten und Defizite in Euroland niedriger als zu Beginn der neunziger Jahre, aber die Wachstumsraten sind es ebenfalls. Wuchs die Euro-Wirtschaft zwischen 1960 und 1990 im Schnitt um 3,6 Prozent, waren es in den neunziger Jahren nur noch rund zwei Prozent, seit Beginn des neuen Jahrtausends gar nur noch ein Prozent. (logisch. irgendwann ist die Fahnenstange erreicht. Nichts wächst unendlich in den Himmel.)

      Könnte es sein, dass das eine mit dem anderen zu tun hat, dass die erreichte Stabilität des Guten zu viel ist?


      (c) DIE ZEIT 27.11.2003 Nr.49

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2003/49/Theorie_Stabi_

      Die Bezugsgröße (BSP) hat sich auch vervielfacht, damit ist es auch schwieriger %ual das gleiche Wachstum zu haben.
      logisch. Das Wachstum in Beträgen ist aber vielleicht genau so hoch oder höher.
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 21:20:27
      Beitrag Nr. 1.002 ()
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 21:25:08
      Beitrag Nr. 1.003 ()
      Ich will dabeisein!
      ++ Greater Fool-Prinzip ++

      Von Claus Vogt
      In den Sentiment-Indikatoren der US-Aktienmärkte wird eine in dieser Ausprägung selbst im Jahr 2000 nicht gesehene, überschäumend optimistische Haltung sichtbar. Die Bullen bilden nicht nur seit Monaten eine sehr deutliche Mehrheit, sie sind auch wieder außerordentlich selbstsicher und lautstark geworden. Es darf endlich wieder gelacht werden über vorsichtige Anleger, die ein fundamental begründbares Investment suchen und nicht bereit sind, nach der „Greater Fool Theory“ zu agieren. Diese beschreibt einen Käufer, der sich des absurden Preises der von ihm getätigten Spekulation durchaus bewußt ist, sich also wie ein Narr verhält. Aber er hegt die Erwartung, die viel zu teuer erstandene Aktie später zu einem noch absurderen Preis wieder veräußern zu können. Er verläßt sich also darauf, einen noch größeren Narren zu finden als sich selbst. Bärenwitze sind wieder en vogue, selbst auf der Titelseite des renommierten US-amerikanischen Börsenmagazins Barron’s. Natürlich hat es sich seit März dieses Jahres ausgezahlt, Aktien zu kaufen, deren fundamentale Bewertung absurd ist. Sie sind deutlich gestiegen, und es war jeden Tag möglich, am Markt jemanden zu finden, der einem diese Papiere zu einem noch höheren Preis abzukaufen gewillt war, den Greater Fool eben. Je schlechter die fundamentalen Kennzahlen waren, desto höher fielen übrigens die anschließenden Kursgewinne aus. Die Bubble ist zurück, sichtbar für jeden, der es sehen möchte, und das mit beeindruckender Vehemenz. In einer für Spekulationsblasen typischen Manier möchte aber auch dieses Mal fast niemand das Offensichtliche zur Kenntnis nehmen. Ganz im Gegenteil. Im Anschluß an die gestiegenen Kurse verstärkt sich der Wunsch, ebenfalls dabei zu sein, ganz erheblich. Unterstützt wird dieser psychologische Druck zum Mitmachen von nahezu allen Seiten, so beispielsweise von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW). Einer ihrer Sprecher ging kürzlich mit folgender Prognose an die Öffentlichkeit: „Wir sehen weiter Potential nach oben und raten Anlegern, über einen Einstieg in Aktien nachzudenken.“ Die Börse ist und bleibt ein Phänomen. Steigende Kurse führen üblicherweise nicht zu rational begründeter Zurückhaltung und Vorsicht, sondern zu emotional motivierten Käufen um jeden Preis. Je höher die Kurse, desto mehr Kaufwillige finden den Weg an den Markt.

      ++ Vergessene Edelmetalle ++

      Mit unserer Analysemethode können wir leider auch weiterhin nicht bullish werden. Wir können uns dem massenpsychologischen Kaufdruck zwar entziehen und finden uns damit in erlesen guter Gesellschaft. Warren Buffett, Richard Russell, John Templeton und Jimmy Rogers lauten einige der ganz großen Namen erfolgreicher Börsenstrategen, die in den vergangenen Wochen und Monaten auf die hohen Risiken und die aus ihrer Sicht irrationalen Kurssteigerungen hingewiesen haben. Aber Freude bereiten uns diese Zeiten natürlich nicht. Es tröstet auch wenig, daß unsere sehr bullishen Prognosen für Gold und Goldminenaktien auch in diesem Jahr bisher zumindest klare Treffer waren. Das Interesse an diesem Marktsegment ist im Vergleich zu den allgemeinen Aktienmärkten noch immer verschwindend gering. Der von uns regelmäßig besprochene Goldminenindex HUI hat sich seit März dieses Jahres fast verdoppelt und gehört damit zu den am besten performenden Sektoren. Allein, es interessiert fast niemanden.

      Psychologisch ist es immer dasselbe Spiel: Sobald die Kurse populärer Sektoren, Märkte oder Indizes steigen, haben die meisten Anleger das Gefühl, zu wenig investiert zu sein. Fallen sie hingegen, dann empfinden sie ihre Aktienquote als zu hoch. Unpopuläre Investments, wie derzeit beispielsweise der Edelmetallsektor, rufen diese Reaktionen jedoch nicht hervor. Deren Entwicklung wird weitgehend ignoriert oder als Kuriosum abgetan, mit dem man sich nicht auseinandersetzen muß. Ganz offensichtlich gibt es große Unterschiede in der Wahrnehmung entgangener Gewinne. So schlagen die Emotionen den allgemeinen Aktienmarkt betreffend derzeit jedenfalls riesige Wellen, während im Edelmetallsektor geradezu klammheimlich ein phantastischer und vermutlich langfristiger Bullenmarkt begonnen hat, der mehr oder weniger unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattzufinden scheint. Hand aufs Herz: Wer ärgert sich schon, weil er den atemberaubenden Aufwärtstrend bei Goldminenaktien verpaßt hat? Wahrscheinlich läßt der Unmut über den als versäumte Gelegenheit empfundenen steigenden Dax dafür keine Zeit.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.


      ++ Greater Fool-Prinzip ++
      ++ Vergessene Edelmetalle ++
      [ Dienstag, 02.12.2003, 15:50 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10136501/pos/2
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 21:27:35
      Beitrag Nr. 1.004 ()
      Zitate (von wegen heute ist alles anders):

      .....
      "Politische Ruhe, Entfernung des Krieges ist das Ziel des Strebens der Politik aller europäischen Staaten. Sie hält die Volkswuth und den Absolutismus gefesselt, daß sie sich beide nicht zerfleischen. Nicht Ludwig Philipp, nicht Perrier, Soult, Dupin, Wellington, Grey oder Brougham ist Ministerpräsident in Frankreich oder England. Nicht Lord Palmerston leitet die Geschäfte der Londoner Conferenz.

      Nein, die Staatsschuld ist der Präsident aller Präsidenten, die Staatsschuld der Gesandte aller Gesandten, sie ist der absolute Monarch, der ganz Europa in Furcht und Zaum hält."
      .....
      http://www.miprox.de/News.html
      "Eine ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung [ist auf der einen Seite] für den Staatskredit zuträglich..."

      [Auf der anderen Seite aber haben die mit den Staatsschulden untrennbar verbundenen Steuern] "die unausbleibliche Folge zu hoher Belastung, daß sich das Vermögen aus den Händen der mittleren und unteren Classe immer mehr in jene der Reichsten hinüberspielt..."
      .....

      Aus: "Staatswissenschaftliche Versuche über Staatskredit, Staatsschulden und Staatspapiere" von Eduard Baumstark; Heidelberg, Georg Reichard, 1833.
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 21:31:35
      Beitrag Nr. 1.005 ()
      Erb-Gruppe: Ein Schuldenberg von gigantischem Ausmass

      Über zwei Milliarden Franken gross ist das Finanzloch bei der Erb-Gruppe. Dutzende von Banken bangen um ihr Geld.


      Den Gläubigern des Mischkonzerns Erb droht ein Finanzdebakel, das die Pleite von Werner K. Reys Omni in den Schatten stellen könnte. Wie aus verschiedenen, zuverlässigen Quellen zu erfahren ist, steht das breit diversifizierte Winterthurer Unternehmen bei Banken und Lieferanten mit deutlich über 2 Milliarden Franken in der Kreide. Das ist mehr als in anderen prominenten Schweizer Konkursfällen.

      http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/wirtschaft/329334.html

      ---------------------



      02.12.03
      Neueste Zahlen "Kreditvergabe an Nichtbanken"

      Zur Orientierung erst mal die Zahlenreihe seit Anfang des Jahres:

      1. Zahl (abgesehen vom Datum) = Vergabe in Mrd. €; 2. Zahl = Veränderung gegenüber Vorquartal

      2003Okt 3569,47 0,13
      2003Sep 3565,00 0,47
      2003Aug 3548,20 -0,43
      2003Jul 3563,40 -0,20
      2003Jun 3570,52 -0,32
      2003Mai 3582,15 -0,24
      2003Apr 3590,95 0,30
      2003Mrz 3580,32 0,05
      2003Feb 3578,50 0,38
      2003Jan 3565,03 -0,68

      http://www.bundesbank.de/stat/download/bankenstatistik/S131A…



      KLICK !!)

      Wenn ich das richtig sehe, läßt die "Dynamik" schon wieder nach ! Im Übrigen sehen wir sehr schön, daß der "Aufschwung" der allerorten ausgerufen wird, durch den kleinen >Buckel< nach oben im Sept. 03 "ausgelößt" wurde. Sieht man sehr schön am "anziehenden" Quartals-BIP das im Sept. 03 dargestellt ist.

      Legen wir die letzten 50 Jahre zu Grunde, MUSS sich erst hier dran was ändern (natürlich nach oben), damit der große Aufschwung kommt. Und das nicht nur mit Steigerungen von 0,eppes %. Platt gesagt und zum tausendsten mal wiederholend: Keine neue Schulden, kein Aufschwung !

      Für weiteres, bitte Bild anklicken ! Selbstverständlich ist das nur MEINE Meinung/Interpretation !!

      ----

      In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder folgende ?einfache? Frage ein:

      >Warum steht Bargeld/Banknoten bei der Bundesbank (jetzt EZB) auf der Passivseite, und nicht wie bei jedem anderen auch auf der Aktivseite der Bilanz ?<

      Wenn doch gilt:

      Passiva

      "Die Verbindlichkeiten und das Eigenkapital des Kaufmanns oder der Handelsgesellschaft werden in der Bilanz auf der rechten Seite dargestellt, welche traditionell die Überschrift "Passiva" aufweist." (http://www.justiz.nrw.de/BS/RechtAbisZ/glossar/P/Passiva.htm…

      Verbindlichkeiten ?? Ts, ts, ts. Ist das nicht das, was man wieder haben will ?

      Fragt mal in eurem Freundes- und Bekanntenkreis nach, ob mit dieser Frage jemand was anfangen kann. Und wenn ja, was dann die Konsequenzen davon sind ?!!

      ------------------------------

      USA



      M1: Currency + demand deposits + traveler`s checks + other checkable deposits

      M2: M1 + savings deposits + small time deposits + money market deposit accounts + money market mutual shares + overnight repurchase agreements + overnight Eurodollars

      M3: M2 + large-denomination time deposits + money market mutual shares (institutional) + term repurchase agreements + term eurodollars

      http://www.miprox.de/News.html

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      Avatar
      schrieb am 03.12.03 21:47:37
      Beitrag Nr. 1.006 ()
      Fortssetzung von "Die Schatten der Globalisierung" von Joseph Stiglitz.



      WER HAT RUSSLAND ZUGRUNDE GERICHTET ?

      WER HAT RUSSLAND ZUGRUNDE GERICHTET ?

      Mit dem Fall der Berliner Mauer Ende 1989 begann eine der bedeutendsten wirtschaftlichen Transformationen aller Zeiten. Es war das zweite kühne wirtschaftliche und soziale Experiment des 2,0. Jahrhunderts. Das erste war der kommunistische Systemwechsel siebzig Jahre zuvor gewesen.
      .....
      Der zweite ökonomische Systemübergang in Russland sowie in Ost- und Südosteuropa ist keineswegs abgeschlossen, aber so viel steht fest: Er ist in Russland weit hinter den Versprechungen beziehungsweise Hoffnungen der Befürworter der Marktwirtschaft zurückgeblieben. Für die meisten Menschen, die in den Nachfolgestaaten der einstigen Sowjetunion leben, sind die Existenzbedingungen im Kapitalismus noch schlechter, als es die altkommunistischen Kader vorhersagten. Und die Zukunftsaussichten sind düster. Die Mittelschicht wurde zerstört, ein System von Nepotismus und Mafia-Kapitalismus geschaffen, und die einzige Errungenschaft, die Errichtung einer Demokratie mit effektiven Freiheitsrechten wie etwa Pressefreiheit, steht auf überaus tönernen Füßen, wie man insbesondere daran ersieht, dass vormals unabhängige Fernsehsender nacheinander geschlossen werden. Auch wenn die Entscheidungsträger in Russland erheblichen Anteil an den Ereignissen haben, trifft die westlichen Berater, allen voran die aus den Vereinigten Staaten und des IWF, die schon bald zur Stelle waren, um das Evangelium der Marktwirtschaft zu predigen, eine Mitschuld.
      .....
      So viel ist klar: Die Einkommen sind heute deutlich niedriger als vor zehn Jahren, und die Armut ist viel größer. Die Pessimisten sehen eine Atommacht, die von politischer und sozialer Instabilität bedroht ist. Die Optimisten (!) sehen ein halb autoritäres Regime, das die innere Ordnung gewährleistet, aber um den Preis des Verlusts demokratischer Freiheiten.
      .....
      Einige der Protagonisten der zweiten Revolution in den neunziger Jahren glaubten zunächst, dass die Russen, befreit von den Fesseln des Kommunismus, rasch die Vorteile des Marktes erkennen würden. Doch einige der marktwirtschaftlichen Reformer in Russland (sowie ihre westlichen Unterstützer und Berater) hatten sehr wenig Vertrauen oder Interesse an der Demokratie; sie befürchteten, dass das russische Volk, wenn es frei wählen könnte, sich nicht für das "richtige" (das heißt ihr) ökonomische Modell entscheiden würde.
      .....
      Es ist nicht verwunderlich, dass die marktwirtschaftlichen Reformer in ähnlicher Weise agierten wie die früheren Kommunisten: In Russland fühlte sich Präsident Jelzin, der über eine sehr viel größere Machtfülle gebot als all seine Amtskollegen in westlichen Demokratien, dazu ermutigt, die demokratisch gewählte Duma (das Parlament) zu umgehen und marktwirtschaftliche Reformen per Dekret durchzusetzen. Es ist, als würden die marktwirtschaftlichen Bolschewiken, die einheimischen "Rechtgläubigen", und die westlichen Experten und Prediger der neuen Wirtschaftsreligion, die in die postsozialistischen Länder drängten, eine milde Version der Leninschen Methoden benutzen, um den Übergang in die postkommunistische, "demokratische" Ära zu vollziehen.


      Herausforderungen und Chancen der Transformation

      .....
      Dies lag nicht etwa daran, dass sie geglaubt hätten, diese Lehren seien in Anbetracht der russischen Geschichte (oder der Geschichte der anderen Transformationsländer) irrelevant. Vielmehr ignorierten sie aus einem einfachen Grund den Rat russischer Experten auf den Gebieten Geschichte, Wirtschaft und Gesellschaft: Sie glaubten, dass die bevorstehende marktwirtschaftliche Revolution das gesamte Wissen der Geschichtswissenschaft, der Soziologie und anderer Disziplinen zu Makulatur erklären würde. Die marktwirtschaftlichen Fundamentalisten predigten die reine Volkswirt- schaftstheorie der Lehrbücher - ein grob vereinfachtes Modell der Marktwirtschaft, das der Dynamik des Wandels kaum Beachtung schenkte.
      .....
      Die Ansichten der nachdrücklich vom US-Finanzministerium
      und vom IWF unterstützten Schocktherapeuten setzten sich in den meisten Ländern durch. Die sanften Reformer dagegen waren der Ansicht, die Umstellung auf ein marktwirtschaftliches System lasse sich besser bewältigen, wenn man allmählich und der Reihe nach vorginge. Man brauchte keine vollkommenen In- stitutionen, aber, um nur ein Beispiel zu nennen, wenn man ein Monopol privatisierte, bevor ein funktionsfähiger Wettbewerb herrschte oder eine Aufsichtsbehörde eingerichtet war, würde man womöglich ein staatliches Monopol nur durch ein privates Monopol ersetzen, das den Verbraucher vielleicht noch schamlo- ser ausbeutete.
      .....

      Chronik der »Reform«

      .....
      Vor lauter marktwirtschaftlichem Überschwang wurden die meisten Preise 1992 über Nacht freigegeben; dies löste eine Inflation aus, die die Ersparnisse vernichtete und das Problem der makroökonomischen Stabilität ganz oben auf die Tagesordnung setzte. Allen war klar, dass bei einer Hyperinflation (einer zweistelligen monatlichen Inflationsrate) der Erfolg der Transformation stark gefährdet war. Daher erforderte die erste schocktherapeutische Maßnahme - die sofortige Freigabe der Preise - eine zweite schocktherapeutische Intervention zur Eindämmung der Inflation. Hierzu bedurfte es einer restriktiven Geldpolitik, also wurden die Zinssätze heraufgesetzt. Die meisten Preise wurden vollständig freigegeben, einige der wichtigsten Preise (die für Bodenschätze) dagegen niedrig gehalten. Angesichts der jüngst proklamierten "Marktwirtschaft" kam dies einer offenen Einladung gleich: Wer etwa Erdöl kaufen und in den Westen weiterverkaufen könnte, würde Millionen oder gar Milliarden von Dollar verdienen.
      .....
      Liberalisierung und Stabilisierung waren zwei Eckpfeiler der radikalen Reformstrategie des IWF. Zügige Privatisierung war der dritte. Aber die ersten beiden Eckpfeiler standen dem dritten im Weg. Die anfängliche hohe Inflation hatte die Ersparnisse der meisten Russen vernichtet, so dass es im Land nur wenige Menschen gab, die das Geld hatten, um die zu privatisierenden Unternehmen zu kaufen.
      .....
      Die Strategie des IWF ging nicht auf: Nach 1989 fiel das russische Bruttoinlandsprodukt Jahr für Jahr. Aus der erwartet kurzen Rezession in der Ubergangsphase wurde eine Rezession, die über zehn Jahre dauerte. Der Boden schien nie in Sicht zu kommen. Russland erlitt größere volkswirtschaftliche Verluste - gemessen am Rückgang des BIP - als während des Zweiten Weltkriegs. In dem Zeitraum 1940-46 fiel die Industrieproduktion der Sowjetunion um 24 Prozent. Im Zeitraum 1990-99 sank die russische Industrieproduktion um fast sechzig Prozent - was sogar den Rückgang des BIP (54%) noch übertraf. Diejenigen, die Kenntnisse über den früheren, kommunistischen Systemwechsel in der russischen Revolution besaßen, zogen sogar Vergleiche zwischen diesem sozioökonomischen Trauma und der Transformation nach 1989: Der Viehbestand ging um die Hälfte zurück, die Investitionstätigkeit in der verarbeitenden Industrie kam fast völlig zum Erliegen. Russland konnte bescheidene ausländische Investitionen für seine Bodenschätze erlangen; Afrika hatte schon vor langer Zeit gezeigt, dass es leicht ist, ausländische Investoren anzulocken, wenn man den Preis für Bodenschätze nur stark genug senkt.

      Das Stabilisierungs-, Liberalisierungs- und Privatisierungsprogramm war natürlich kein Wachstumsprogramm. Es sollte die Voraussetzungen für Wachstum schaffen. Stattdessen schuf es die Voraussetzungen für den Niedergang. Nicht nur die Investitionen kamen zum Erliegen, sondern das vorhandene Kapital wurde auch rasch aufgezehrt - die Ersparnisse lösten sich aufgrund der hohen Inflation in Luft auf, die Privatisierungserlöse und die ausländischen Kredite wurden größtenteils veruntreut. Die Privatisierung, die mit der Öffnung der Kapitalmärkte einherging, führte nicht zur Hebung des Wohlstands, sondern zur Zerschlagung von Unternehmen. Das war an sich vollkommen logisch. Ein Oligarch, der dank seines politischen Einflusses zum Schleuderpreis erstandene Vermögenswerte für Milliardenbeträge verschachert, möchte seinen Profit verständlicherweise außer Landes schaffen. Geld in Russland zu belassen bedeutet, in ein Land zu investieren, das sich in einer schweren Depression befindet, und das Risiko nicht nur magerer Renditen, sondern auch der Beschlagnahme der Vermögenswerte durch die nächste Regierung einzugehen, die völlig zu Recht beanstanden könnte, der Privatisierungsprozess sei »unrechtmäßig« gewesen. Jeder, der so gewieft war, um als Gewinner aus der Privatisierungslotterie hervorzugehen, war auch so klug, sein Geld in den boomenden US-Aktienmarkt oder in den sicheren Hafen verschwiegener ausländischer Bankkonten zu stecken. Er musste sich nicht einmal besonders anstrengen; da verwundert es nicht, dass Milliarden aus dem Land flossen. Der IWF versprach weiterhin, die Trendwende stehe unmittelbar bevor. 1997 hatte er Grund zum Optimismus.
      .....
      Aber natürlich ist es leicht, zügig zu privatisieren, wenn man nicht darauf achtet, wie privatisiert wird: Man verscherbelt wertvolles Staatseigentum an seine Freunde. Tatsächlich kann es für Regierungen sehr einträglich sein, so vorzugehen - gleich ob die Rückflüsse in Form von Barzahlungen oder in Form von Wahlkampfspenden (oder beidem) eingehen. Aber die zarten Anzeichen der Erholung, die sich 1997 zeigten, sollten nicht von Dauer sein.
      .....
      Das rückläufige Bruttoinlandsprodukt und die sinkenden Investitionen hinterließen auch in den Staatsfinanzen ihre Spuren: Der russische Staat hatte sich hoch verschuldet. Obgleich es der Regierung schwer fiel, mit den knappen Mitteln über die Runden zu kommen, hatte sie unter dem Druck der Vereinigten Staaten, der Weltbank und des IWF, die auf eine rasche Privatisierung drängten, staatliche Vermögenswerte zu Schleuderpreisen veräußert, und zwar bevor ein leistungsfähiges Steuersystem vorhanden war. Die Regierung schuf eine mächtige Klasse an Oligarchen und Geschäftsleuten, die nur einen Bruchteil ihrer Steuerschulden bezahlten, sehr viel weniger jedenfalls als das, was sie in praktisch jedem anderen Land bezahlt hätten. Daher war Russland zur Zeit der Ostasien-Krise in einer merkwürdigen Lage. Es besaß riesige Rohstoffvorkommen, aber der Staat war verarmt. Die Regierung verscherbelte praktisch das gesamte wertvolle Tafelsilber, und gleichzeitig war sie nicht in der Lage, die Renten und die Sozialhilfe zu bezahlen. Die Regierung nahm Kredite in .Milliardenhöhe beim IWF auf, wodurch sie sich immer höher verschuldete, während die Oligarchen, die von der Regierung so großzügig beschenkt worden waren, Milliarden aus dem Land abzogen. Der IWF hatte die Regierung ermuntert, den Kapitalmarkt zu öffnen und die freie Kapitalbewegung zu ermöglichen. Diese Politik sollte das Land für ausländische Investoren attraktiver machen; aber sie war praktisch eine Einbahnstraße, die die Kapitalflucht aus dem Land erleichterte.


      Die Krise von 1998

      .....
      Es war auch klar, dass der Rubel überbewertet war. Russland wurde von Importen förmlich überschwemmt, und die inländischen Erzeuger waren kaum konkurrenzfähig. Die Umstellung auf eine Marktwirtschaft mit deutlich geringeren Verteidigungs- ausgaben sollte eine Umschichtung von Ressourcen in die Produktion von Konsumgütern beziehungsweise von Maschinen zur Herstellung von Konsumgütern bewirken. Doch die Investitionen waren zum Erliegen gekommen, und es wurden keine Konsumgüter hergestellt. Die überbewertete Währung hatte - zusammen mit den anderen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die der IWF dem Land aufgezwungen hatte - die Wirtschaft abgewürgt, und obgleich die amtliche Arbeitslosenquote vergleichsweise niedrig blieb, gab es eine massive versteckte Arbeitslosigkeit.
      .....
      Obgleich es den meisten Russen also deutlich schlechter ging, schreckten die Reformer und ihre Berater beim IWF vor einer Abwertung zurück, da sie glaubten, dies würde eine weitere Runde der Hyperinflation auslösen. Sie widersetzten sich nachdrücklich jeder Veränderung des Wechselkurses, und sie waren bereit, Milliarden von Dollar ins Land zu pumpen, um dies zu verhindern.
      .....
      Als die New Yorker Investmentbanken Kredite an Russland vergaben, sprachen sie hinter vorgehaltener Hand darüber, dass das Stützungspaket des IWF diesmal besonders üppig ausfallen musste. Die Krise spitzte sich in der gleichen Weise zu wie so viele Krisen. Die Spekulanten wissen, wie hoch die noch vorhandenen Währungsreserven sind, und als die Reserven schwanden, wurde die Spekulation auf eine Abwertung immer mehr zu einer sicheren Wette. Sie riskierten praktisch nichts, als sie auf den Verfall des Rubels setzten. Wie erwartet, schnürte der IWF im Juli 1998 ein Beistandspaket von 11,2, Milliarden Dollar.
      In den Wochen vor Ausbruch der Krise drängte der IWF auf wirtschaftspolitische Maßnahmen, die die Krise noch verschärfen sollten. So forderte der Fonds Russland auf, mehr Kredite in Fremdwährungen und weniger Kredite in Rubel aufzunehmen. Das Argument war einfach: Der Zinssatz für Verbindlichkeiten in Rubel war sehr viel höher als der Zinssatz für Verbindlichkeiten in Dollar. Durch Aufnahme von Krediten in Dollar konnte die Regierung Geld sparen.
      .....
      Diese Fehleinschätzung setzte das Land einem enormen Risiko aus: Wenn der Rubel an Wert verlor, würde es Russland sehr viel schwerer fallen, seine auf Dollar lautenden Anleihen zurückzuzahlen. Doch der IWF steckte lieber den Kopf in den Sand. Indem er Russland zu einer größeren Kreditaufnahme im Ausland ermunterte, war er mitverantwortlich dafür, dass Russland die Tilgung seiner Schulden schließlich aussetzen musste.

      Die Rettung
      http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/Stiglitz-Die_Schat…
      .....
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 21:58:06
      Beitrag Nr. 1.007 ()
      04.12.2003

      Titel
      Arnold Schölzel

      Die Axt an der Rente

      Kabinett beschließt Renten»reform«. Sozialverbände protestieren


      Und wieder eine Jahrhundert»reform«: Zwei Jahre nach der Übergabe eines Teils der deutschen Rentenversicherung an die Finanzspekulation, mit der bereits eine generelle Rentenkürzung verbunden war, legten am Mittwoch Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) und Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) auf einer Pressekonferenz in Berlin die Beschlüsse des Kabinetts vom selben Tag zum weiteren Abbau der Rentenversicherung vor. Die Sozialverbände kritisierten die Gesetzentwürfe scharf.

      Kern der Entscheidungen zur weiteren Kürzung der Renten ist die Einführung eines sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors in die Rentenformel. Er bewirkt, daß die Renten ab dem Jahr 2005 langsamer steigen werden. Außerdem wird das Renteneintrittsalter von 60 auf 63 Jahre erhöht – angesichts von Millionen Arbeitslosen ein zusätzlicher Schritt zur Rentensenkung.

      Darüber hinaus stimmte das Kabinett einem Gesetzentwurf Eichels zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften zu. Demzufolge sollen Vorsorgeaufwendungen für das Alter künftig steuerfrei sein und im Gegenzug die Renten besteuert werden. Eichel behauptete, das Vorhaben bedeute »unter dem Strich« eine Entlastung der Bürger. Damit biete sich die Chance, mehr privat für das Alter vorzusorgen. Zugleich räumte er ein, daß sich durch die neuen Regelungen die Zahl der Rentner, die Steuern zu zahlen haben, von jetzt zwei Millionen auf 3,3 Millionen erhöht. Der Finanzminister erklärte, drei Viertel aller Rentner würden auch in Zukunft nicht steuerlich belastet. 18 900 Euro im Jahr bzw. 1 575 Euro im Monat blieben auch weiterhin von der Steuer unberührt, wenn keine anderen Einkünfte vorhanden seien.

      Schmidt wiederholte in der Pressekonferenz stereotyp die Formel, mit der »Reform« mache die Regierung »die Rentenversicherung für die Jüngeren bezahlbar und für die Älteren verläßlicher«. Gegen den Hinweis eines Journalisten, in dem von ihrem Ministerium verteilten Material werde für 2004 prognostiziert, daß die Zahl der Beschäftigten in Westdeutschland um 0,3 Prozent zurückgehen werde, in Ostdeutschland sogar um 0,9 Prozent, erwies sie sich als resistent. Die Frage, ob die Annahmen über die Einnahmenentwicklung der Rentenversicherung damit nicht in Frage stünden, wurde mit der Hoffnung auf den nächsten Aufschwung beschieden.

      Der geplante Nachhaltigkeitsfaktor setzt die steigende Zahl von Rentnern und die abnehmende Zahl von Beitragszahlern ins Verhältnis und führt damit automatisch zu einer Drosselung der Rentensteigerungen. Die Erhöhung der Altersgrenze, bei der Versicherte ohne Abschläge in Rente gehen können, soll zwischen 2006 und 2008 erfolgen. Außerdem werden Schul-, Fachschul- und Hochschulzeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres bei der Ermittlung der Rentenhöhe nicht mehr angerechnet. Auf die Frage, warum anders als bei der Riester-»Reform« keine »Niveausicherungsklausel« mehr eingebaut sei, kam die Antwort: »Das ist nicht mehr berechenbar, da zukünftig jede Rente individuell ist.«

      Der Sozialverband VdK hat die Rentenpläne in der vorliegenden Form scharf kritisiert. Wenn das Kabinett die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors beschließe, ohne die im Zuge der Riester-Rente vorgenommenen Abstriche bei der gesetzlichen Rente zurückzunehmen, sei dies eine »Doppelabkassiererei der Rentner«, erklärte Verbandspräsident Walter Hirrlinger am Mittwoch im Inforadio Berlin-Brandenburg. Hirrlinger verwies darauf, daß bisher lediglich rund 15 Prozent der Erwerbstätigen eine Riester-Rente abgeschlossen hätten. Bei der Renten»reform« 2001 sei aber erklärt worden, weil alle Erwerbstätigen eine solche Rente abschließen würden, hätten sie 0,5 Prozent weniger Rente im Geldbeutel, daher sollte auch die Rente um 0,5 Prozent gekürzt werden. Nun sollten die Abstriche bei den Renten zurückgenommen werden.

      Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sieht durch die Rentenbeschlüsse die Generationengerechtigkeit »praktisch aufgekündigt« und damit auch das System der sozialen Rentenversicherung »existentiell gefährdet«. Die Bundesregierung konsolidiere allein auf Kosten der Rentner und der rentennahen Jahrgänge. Langfristig werde das Rentenniveau soweit heruntergefahren, daß sich die Frage stelle, ob das überhaupt noch eine Pflichtversicherung rechtfertige.

      Das dürfte die Frage sein, die von der privaten Versicherungswirtschaft längst zu ihren Gunsten beantwortet sein dürfte. Schmidt und Eichel treiben ihr die nächsten »Kunden« zu.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-04/001.php
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      schrieb am 03.12.03 21:59:53
      Beitrag Nr. 1.008 ()
      Inland
      Thomas Klein

      »Hände weg vom Tarifvertrag!«

      Protestaktion bei DaimlerChrysler in Stuttgart


      Unter dem Motto »Hände weg vom Tarifvertrag!« haben die Beschäftigten von DaimlerChrysler am Mittwoch in Stuttgart gegen geplante Eingriffe in die Tarifautonomie protestiert. Die IG Metall hatte zu der Protestaktion aufgerufen.

      Nach Angaben der Gewerkschaft haben die 12 000 Arbeiter aus der Früh- und der Normalschicht gegen einen drohenden »faulen Kompromiß im Vermittlungsausschuß« von Bundesrat und Bundestag demonstriert. Dort machte die Union bisher ihre Zustimmung zum Vorziehen der Steuerreform von einer Lockerung der Tarifautonomie abhängig.

      Im größten inländischen Pkw-Werk des deutsch-amerikanischen Autobauers stand die Produktion rund eine Stunde still. IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann sagte, die Beschäftigten bräuchten die Sicherheit der Tarifverträge; ohne sie würden die Betriebsräte erpreßbar.

      »Ohne einheitliche Regelungen für alle Standorte würden die Belegschaften gnadenlos gegeneinander ausgespielt«, hieß es in dem Aufruf zu der Kundgebung. Tarife mit den Arbeitgebern auszuhandeln sei ausschließlich Aufgabe der IG Metall. Hofmann sprach sich erneut gegen eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich aus. Angesichts der vielen Arbeitslosen wäre das verantwortungslos, sagte er den Angaben eines Sprechers der Verwaltungsstelle Stuttgart zufolge.

      Bereits am Dienstag hatten Mitarbeiter des Neckarsulmer Audi-Werks für den Erhalt der Tarifautonomie demonstiert. Nach Informationen der IG Metall beteiligten sich rund 5 000 Beschäftigte an der Protestaktion. Die Produktionsbänder standen knapp eine Stunde lang still. In der bevorstehenden Tarifrunde für die etwa 800 000 Metall-Beschäftigten in Baden-Württemberg ist eine Hauptforderung der Unternehmerseite, betriebliche Vereinbarungen abweichend vom Tarifvertrag zu schließen. Die Gespräche zur neuen Tarifrunde beginnen am 15. Dezember in Böblingen.

      Nach einem Zeitungsbericht ist die Bundesregierung im Ringen um Änderungen in der Sozial- und Steuerpolitik bereit, gegenüber der Union Zugeständnisse bei der Lockerung des Kündigungsschutzes zu machen. Derzeit gilt der Kündigungsschutz für alle Unternehmen mit mehr als fünf Beschäftigten. Dieser Schwellenwert soll bei Neueinstellungen deutlich erhöht werden. Im Gespräch sei nun ein Schwellenwert von mindestens zehn Beschäftigten. Im Gegenzug soll die Union auf Änderungen bei der Tarifautonomie verzichten.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-04/009.php
      Avatar
      schrieb am 03.12.03 22:03:55
      Beitrag Nr. 1.009 ()
      Inland
      Helga Schönwald

      Die Kassen sammeln ein

      Nichtrezeptpflichtige Arzneimittel müssen ab kommendem Jahr von Patienten selbst bezahlt werden

      (ne richtige Schweinerei:mad: :mad: )

      Es sollte Antworten auf die Frage »Arzneimittelmarkt 2004 – Was ändert sich wirklich?« geben beim Pressegespräch der Gmünder Ersatzkasse (GEK) am Dienstag abend in Berlin. Um etwa viereinhalb Milliarden Euro, das entspräche 0,45 Beitragssatzpunkten, könnten im kommenden Jahr die Ausgaben aller gesetzlichen Krankenkassen allein für Medikamente sinken. Diesen Schätzwert gab Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen bei der Veranstaltung an.

      Drei Wege zu dieser Ausgabensenkung eröffnet die »Gesundheitsreform« von Regierung und Unionsopposition, die diesmal »Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitswesens« heißt: Nichtrezeptpflichtige Arzneimittel dürfen, von Ausnahmen etwa für Kinder bis zwölf Jahre abgesehen, ab 2004 nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) verordnet werden. Wer sie braucht, muß sie selbst zahlen – das bringt den Kassen schätzungsweise eine Milliarde Euro. Weitere zweieinhalb Milliarden Entlastung kann sich die gKV durch die Belastung ausschließlich der Kranken (also nicht einmal aller Versicherten, geschweige denn der Unternehmen) ausrechnen – allein durch höhere Zuzahlungen zu verordneten Medikamenten. Eine Milliarde Euro schließlich soll die Erhöhung des Herstellerrabatts von der Pharmaindustrie einbringen.

      Deren Lobbyisten drohten mit Arbeitsplatzabbau insbesondere angesichts der ersten genannten Regelung, nichtrezeptpflichtige Arzneimittel ausschließlich dem Kauf durch die Patienten zu überlassen. Prof. Glaeske polemisierte gegen die Kampagne des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie – die Ausgliederung sei ein gewisser Ersatz für die von der Arzneimittelbranche in der Vergangenheit zu Fall gebrachte Negativliste. Schließlich seien etwa 40 Prozent dieser sogenannten OTC-Präparate (OTC – Over The Counter, freiverkäuflich) auch laut Stiftung Warentest als nicht sinnvoll einzuschätzen, so der Professor. Er selbst brachte übrigens mit Warentest das »Handbuch Medikamente« heraus. Der Arzneimittelexperte rechnet »lediglich« mit einer Belastungssteigerung »von 20 Prozent für die Patienten im Bereich der Befindlichkeitsstörungen – das halte ich für gerechtfertigt«.

      Die Herausnahme nichtverschreibungspflichtiger Mittel aus den Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte betrachtete Professor Glaeske auch deshalb als »ausreichend abgefedert«, da noch eine Ausnahmeliste solcher Präparate erarbeitet werde, die weiter verordnet werden können. Diese Liste allerdings wird es zum 1. Januar noch nicht geben, sie soll bis 31. Mai erarbeitet sein.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-04/014.php
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      schrieb am 03.12.03 22:20:36
      Beitrag Nr. 1.010 ()
      Dow über 9900


      von Jochen Steffens

      Sollte sich der Dow heute über der 9900 stabilisieren, ist die 10.000 Punkte Marke nahezu sicher. Wer will angesichts dieser Marke noch bezweifeln, das irgendetwas schief läuft – auch wenn die letzten US-Konjunkturdaten extrem optimistisch waren. Man braucht sich nur zu fragen, wie es zusammen passen soll, dass der Dollar angesichts dieser Konjunkturdaten und der Indexstände so schwach ist.

      Inflation. Das ist die "Lösung" dieses Debakels und die Gefahr der nächsten Jahre in den USA. Es mag sein, das viele schon vergessen haben, was Inflation eigentlich bedeutet – dass eine Inflation wesentlich schlimmere Folgen haben kann, als eine Deflation, scheint keinen zu kümmern. Deflation haben wir vor kurzem in Japan erlebt, Inflation ist nur etwas, das in "Bananenrepubliken" passiert. Eine falsche Sicherheit? Ich habe letztens gelesen, dass die USA auch inflationsgesicherte Staatsanleihen herausgibt. Solche Schulden kann man nicht einmal mehr mit einer Inflation verringern. Solche Schulden können theoretisch ins Gigantische wachsen. Aber das nur nebenbei.

      Ich kann diesem Treiben nur zuschauen und mich wundern. Dabei weiß ich, dass ich beim Gold auch und gerade bei einer Inflation im sicheren Hafen bin. Wie Sie wissen, ich hatte damit gerechnet, dass die Märke in den Bereich dieser Marken vorstoßen werden. Im Bereich 10.000 wird auch die Wolfe Wave aktiv.

      Etwas fällt jedoch auf: Der Nasdaq100 will nicht so recht über die Marke von 1448/1453 Punkten. Es ist heute das sechste Mal in Folge, dass er an dieser Marke scheitert. Ich bin sehr gespannt, ob er es doch noch nachhaltig schafft.

      Gestern ist mir was eigenartiges aufgefallen. Während des gestrigen Handelstages in Amerika, kam es zu ruckartigen Verkäufen. Das heißt, die Indizes fielen ruckartig, als ob jemand große Verkäufe in den Markt drückt. Nachrichten habe ich keine gefunden. Interessant war auch, dass sich jedes Mal nach so einem Rutsch der Markt zunächst etwas beruhigte – etwas seitwärts lief, dann jedoch wieder weiter durchrutschte. Ich werde einfach den Eindruck nicht los, das etwas nicht stimmt, dass es im Bereich Dow 9000–10.000 Punkten und Nasdaq100 1450/1460 Punkte verdammt eng für die Bullen wird.

      Noch ist es zu früh, aufgrund eines "Gefühls" sein ganzes Geld in Puts zu werfen. Aber ich kann mir denken, dass sich die ersten großen Adressen, die starken Hände sagen: Kurse unter 10.000 werden wir in den nächsten Jahren immer wieder sehe, deswegen ist es kein großes Risiko jetzt short zu gehen. Es reicht ein Anschlag, um den Markt zumindest kurzzeitig in die Knie zu zwingen. Aber ob wir Kurse über 11.000 sehen werden, ist mehr als fraglich. Deswegen gewichten wir unsere Short-Postionen mehr und mehr über.

      Was viele vielleicht nicht wissen. Institutionelle haben hin und wieder die Angewohnheit, ihre Positionen in einem Trend nach und nach abzubauen, nicht aufzubauen. Eben weil diese Wahrscheinlichkeit, so höher ein Trend geht, immer "ungünstiger" wird. Gleichzeitig könnten die ersten auf die Idee kommen Short-Positionen aufzubauen. Aber – das sind alles Spekulationen.

      Ich bin gespannt, ob wenigstens der ISM-Index den Nasdaq100 über die 1448/53 drückt. Dazu gleich mehr.

      Nach Deutschland: Das Bundeskabinett hat heute das Ende des Steuerprivilegs für Kapitallebensversicherungen beschlossen. Jetzt müssen Sparer, die nach dem 1. Januar 2005 eine Kapitallebensversicherung abschließen, die Erträge nach Ablauf der Laufzeit versteuern. Das wird natürlich nachhaltige Folgen für die Versicherungskonzerne haben, die nun ihre Strategien an die neuen Gesetzte anpassen müssen. Die Versicherungsaktien reagierten auf diesen Beschluss jedoch nur moderat.

      Und zum Schluss etwas zum schmunzeln:

      Köstlich! Auch wenn es ein wenig hart ist, wenn die ARD diesen Preis als "Schwafel Preis" bezeichnet, so hat Rumsfeld mit seiner Rede sicherlich den Preis, der die unsinnigste oder verdrehteste Aussage des Jahres kürt, verdient. Verliehen wird dieser Preis von "Plain English Campaign" einer britischen Interessengruppe zur Reinhaltung der Sprache.

      Der Preis hat den bezaubernden Titel "Foot in Mouth"-Preis (Fuß im Mund) und es gibt kaum etwas, dass diese Aussage Rumsfeld besser beschreibt. Hier nun die preisgekrönte Aussage von Rumsfeld: "Berichte, wonach etwas nicht passiert ist, finde ich immer interessant, denn wie wir wissen, gibt es bekannte Wahrheiten, also es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekannte Unbekannte gibt, das heißt wir wissen, dass es Dinge gibt, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekannte Unbekannte – also Sachen, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen." Aha ...!
      ----------------

      Frau vor Wal-Mart tot getrampelt
      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Die Idioten stürmen los ... passen Sie auf. Lache ich, liebe(r) Leser(in)? Oder weine ich?

      Heute Morgen habe ich gelesen, dass eine Frau in Orange City, Florida, zu Tode getrampelt wurde, als sie vor einem Wal-Mart auf einen 5stündigen "Blitz-Sale" wartete. Das ist vergleichbar mit dem früheren deutschen Sommer- oder Winterschlussverkauf. Es gibt so viele Idioten, die in so viele Fallen stürmen ... dass man riskiert, von diesen Leuten zerstampft zu werden.

      Auch die Investoren stürmen los, um Aktien zu kaufen, mit kaum einen Gebet auf den Lippen, dass sie ihr Geld auch wieder sehen mögen.

      Die ausländischen Zentralbanken stürmen los, um US-Anleihen zu kaufen – obwohl der Dollar selbst fast jeden Tag weiter an Wert verliert.

      Und die US-Konsumenten halten die Illusion von Reichtum am Leben ... indem sie Dinge kaufen, die sie nicht brauchen, mit Geld, das sie nicht haben ... und sie setzen auf die Freundlichkeit der Ausländer, die bei der Bezahlung einspringen sollen.

      Ich sage weiterhin, dass es für alles Grenzen gibt ... auch für die Freundlichkeit dieser Ausländer. Aber wer hört mir schon zu? Und wer kümmert sich schon darum?

      Natürlich lache ich herzhaft, wenn ich sehe, wie sich Zentralbanker selbst in die Luft sprengen ... und ich habe eine gewisse Schadenfreude gegenüber den Investoren allgemein. (Geht es bei der Idee des Aktienmarktes denn nicht überhaupt darum, die Idioten von ihrem Geld zu trennen?) Aber die US-Konsumenten? Ah ... die sind arme kleine Idioten, kein Zweifel daran. Aber sie sind so liebenswerte Idioten ... die müssen einem einfach ein bisschen leid tun.

      "Es geht nicht um Leute, die nach ihrer Kündigung in den Kaufhäusern Kauforgien feiern", erklärt Elizabeth Arden. "Es geht um Leute, die kurzfristige, hochverzinsliche Schulden nutzen, um ihre Hypothekenzahlungen und die allgemeine Lebenshaltung finanzieren zu können."

      "Das bedeutet, dass die Zahl der persönlichen Pleiten weiter steigen wird, auch die Zwangsversteigerungen werden zunehmen. Die Zeichen von wirtschaftlichem Kummer sind überall in den USA zu sehen. Das bricht mein Herz und macht mich wütend."

      Raten Sie mal, welche Gruppe von Amerikaner am schnellsten Pleite geht? Leute über 65, so sagt Elizabeth Arden. Und am zweitschnellsten die zwischen 55 und 65.

      Das sind keine unerfahrenen Kinder, die es nicht besser wissen. Das sind Leute, die von Volkswirten und der Kreditindustrie verleitet worden sind. "Gehen Sie und kaufen Sie sich einen neuen Geländewagen", so ermunterte der Fed-Gouverneur Robert McTeer die Konsumenten. Und warum auch nicht? Wenn man seine Finanzen schon in die Luft sprengen will, dann kann man doch auch wenigstens den Luxus eines Geländewagens genießen.

      Wer fühlt nicht ein bisschen Sympathie für diese Leute? Die kleinen Lämmern, die von ihren eigenen Hirten der Zentralbank zum Schlachter geführt worden sind.

      Niemals zuvor waren die Umstände so perfekt, um Konsumenten in Schlachtfleisch zu verwandeln. Als die Zinsen fielen, konnten die Konsumenten die Hypotheken auf ihre Häuser erhöhen. Die Autoverkäufer boten bessere Autos zu höheren Preisen – gleichzeitig konnten sie die monatliche Rate senken, wegen der gesunkenen Zinsen.

      Und dann kam die Bush-Administration mit ihrem eigenen Beitrag zur Insolvenz der Konsumenten: Kriege und Steuersenkungen. Die Kriege haben die konservativen Kritiker ruhig gestellt, sie haben die Öffentlichkeit von den Staatsfinanzen abgelenkt und der Nation einen Sinn des kollektiven Zweckes gegeben. Zu den Steuersenkungen: Nun, ich habe noch nie eine Steuersenkung gesehen, die mir persönlich nicht gefallen hätte, aber ich habe meine Zweifel über die derzeitige. Die jüngsten Daten zeigen, dass die Konsumenten das Geld, das sie durch die Steuersenkungen erhielten, so nahmen, als ob es ein Geschenk des Himmels war. Sie haben dieses Geld komplett ausgegeben ... und sich sogar noch mehr geliehen! Wenn man den Effekt der Steuersenkungen und der außergewöhnlichen Kaufanreize im Auto-Sektor herausrechnet, dann ist das US-BIP im dritten Quartal nur um 2,2 % gewachsen, so kam es vorgestern über die Ticker. Aber die Konsumentenschulden sind um ungefähr 10 % gewachsen – oder 4 Mal so schnell.

      Warum müssen die Amerikaner immer mehr Geld ausgeben? Weil Sie immer mehr Dinge haben wollen. Und weil die Wirtschaft von ihnen abhängt.

      "Die Leute in der Hölle wollen Eiswasser", sagte mein Vater öfters. "Aber das bedeutet nicht, dass sie das auch bekommen werden."

      Jetzt zu Eric, mit mehr News:

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      Gold, quo vadis?
      von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York

      Offensichtlich befinden wir uns wieder in der guten alten Zeit ... die Wirtschaft boomt ... die Börsen boomen und der Goldmarkt boomt. Laut den jüngsten Regierungsstatistiken werden die Amerikaner mit jedem Tag reicher. Leider wird dieser Reichtum in Dollar gemessen, also in einer Währung, die jeden Tag an den Devisenmärkten fällt. Die Käufer am Aktienmarkt erhielten neue Zuversicht durch neue Zeichen für den wirtschaftlichen Aufschwung. Der ISM-Index für November (factory activity) stieg auf 62,8 %, nach 57 % im Oktober. So einen starken monatlichen Zuwachs hatte der ISM-Index seit 20 Jahren nicht mehr vorzuweisen.

      Kurioserweise inspirieren weder die angeblich boomende US-Wirtschaft noch der boomende US-Aktienmarkt den Dollar. Der Greenback ist gegenüber dem Euro auf ein neues Allzeit-Tief gefallen.

      Und der Goldpreis ist jetzt endlich über die Marke von 400 Dollar gestiegen – das erste Mal seit über 7 Jahren hat er über dieser Marke geschlossen!

      Nachdem der Goldpreis 1980 seinen Höchststand bei über 800 Dollar pro Feinunze erreicht hatte, verbrachten die Goldinvestoren die nächsten 20 Jahre mit einem Bärenmarkt und gescheiterten Erholungen. Dann – endlich – kam der fallende Dollar dem Goldpreis zu Hilfe, um ihn in das Geheiligte Land von über 400 Dollar pro Unze zu hieven. Ein Land, in dem die Gewinne der Goldminenaktien wie Milch und Honig fließen.

      Es würde mich übrigens nicht überraschen, wenn der Goldpreis eine Zeitlang noch mal unter 400 Dollar fallen würde. 4 Mal in den letzten 15 Jahren war der Goldpreis in der Range 400 bis 425 Dollar "gefangen". 1989, 1990, 1993 und 1996 durchbrach der Goldpreis die Marke von 400 Dollar, nur um kurz danach wieder zu fallen. Die Geschichte könnte sich wiederholen – aber Peter Munk bezweifelt das.

      Peter Munk ist der Boss von Barrick Gold. Und er denkt, dass der Goldpreis noch deutlich höher steigen wird. Sollten wir uns darum kümmern, was Munk denkt? Nun, wir sollten seine Meinung wahrscheinlich nicht direkt verwerfen. Munk hat sich selbst ein großes Vermögen und einen gewissen Ruf erworben, indem er den Goldpreis öfter korrekt vorausgesagt hat. Für mehr als ein Jahrzehnt lang hat Munk die Goldproduktion mittels Forward-Verkäufen bereits vor der eigentlichen Produktion im Voraus verkauft. Dank dieser aggressiven Hedging-Strategie kam Barrick gut durch den Bärenmarkt beim Goldpreis.

      Und jetzt gibt Barrick Gold diese Forward-Verkäufe auf – was bedeutet, dass die Gesellschaft für die kommenden Jahre zumindest nicht mit fallenden Goldpreisen rechnet.

      "Das passt zu der Prognose von Pierre Lassonde, dem Präsidenten der weltgrößten Goldminengesellschaft, Newmont Mining aus Denver", so die Financial Post. "Ein Goldpreis von 400 Dollar pro Unze ist derzeit wahrscheinlich ein relativ fairer Preis. Es ist laut Lassonde sehr wahrscheinlich, dass der Goldpreis um diese Marke eine Zeitlang pendeln wird, mit 50 Dollar Schwankungsbreite in beide Richtungen. Aber, so fügte er hinzu, das sei erst der Anfang."

      Lassonde prognostiziert einen epischen Bullenmarkt beim Gold. Es ist schon mehr als 3 Jahrzehnte her, als der Goldpreis von 35 Dollar im Jahr 1971 auf über 800 Dollar Anfang der 1980er stieg – ein Zuwachs von 2.200 %. Lassonde meint: "Seitdem der Goldpreis 2001 die Marke von 250 Dollar berührt hatte, ist er um 55 % gestiegen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wir sind im zweiten Kapitel eines Buches mit 20 Kapiteln."

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      Die USA folgen Japan – mit 10 Jahren Verzögerung


      von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris

      *** "Die USA folgen Japan, mehr oder weniger mit einem Zeitunterschied von 10 Jahren."

      Diese Idee hatte mich hier im Investor`s Daily so überzeugt, dass ich sie nicht nur in meinem neuen Buch intensiv behandelte, sondern auch Leser und Herausgeber fast zu Tode langweilte. Und dennoch bin ich davon nicht abgekommen. Die USA antworten auf ihre Krise schneller und aggressiver als die Japaner. Die Rezession war in den USA sehr leicht, und die Erholung ist nur marginal stärker als die in Japan. Die wirklich ernsthaften Probleme begannen in Japan erst ein paar Jahre nach dem Erreichen der Höchstkurse am Aktienmarkt, was im Januar 1990 der Fall war. Die wirklichen Probleme der USA liegen noch vor uns – und sie folgen denen Japans mit 10 Jahren Abstand.

      Aber ab einem bestimmten Punkt müssen sich die Wege Japans und der USA trennen. Die USA sind der größte Schuldner der Welt. Japan war immer einer der größten Gläubiger der Welt. Japan hat Berge von Ersparnissen und eine positive Leistungsbilanz. Amerika hat zwei riesige Defizite (Handelsbilanz und Staatshaushalt), die jeweils rund 500 Milliarden Dollar betragen.

      Irgendwann, vielleicht bald, werden die Ausländer aufhören, US-Staatsanleihen zu kaufen, und der Dollar wird fallen ... und die US-Zinsen werden steigen. Plötzlich wird sich das Umfeld für die US-Konsumenten stark verschlechtern. Deren Schulden werden spürbarer werden, da die Zinsen steigen ... und ihnen weniger Geld zum Ausgeben bleibt. Die Umsätze werden einbrechen. Jobs werden verloren gehen ... und die Wirtschaftslage wird ein Desaster sein.

      Sie werden ärmer sein ... und das letztlich realisieren. Sie werden älter sein. Sie werden weiser sein, wütender, aber nicht notwendigerweise weniger glücklich.

      Ich schaue nach Argentinien, um die amerikanische Zukunft zu sehen. In Argentinien ist die Mittelschicht durch Inflation, Arbeitslosigkeit und Depression fast zerstört worden. Mein Freund Paul Terhorst, der viele Jahre in Argentinien lebte, hat mir diese Nachricht gesendet:

      "Ein Freund hier hat mir eine Grafik gezeigt, die den Fortschritt Argentiniens während der letzten 100 Jahre zeigt. Diese Grafik vergleich das Pro-Kopf-Einkommen Argentiniens, um die Preissteigerungen bereinigt, mit dem Durchschnitt von 10 anderen Ländern, darunter so Ländern wie Brasilien."

      "1910 und 1925 näherte sich der durchschnittliche Lebensstandard Argentiniens dem dieser 10 Länder. Allerdings muss Argentinien in diesen Jahren deutlich ärmer als die reichen Länder, wie Großbritannien und die USA, gewesen sein."

      "Sieh Dir auch an, dass es in Argentinien seit den letzten 75 Jahren relativ bergab geht. Wenn man 2001 bis 2003 noch hinzufügen würde, dann sähe es noch schlimmer aus."

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 22:39:38
      Beitrag Nr. 1.011 ()
      "Gnadenlose Hetze"

      Beißende Kritik an Aldi, Lidl und Schlecker

      Etliche Mitarbeiter von Lidl, Schlecker und Aldi Süd erleben nach Darstellung der Gewerkschaft ver.di täglich die Schattenseiten der Discounter-Erfolgsgeschichte.







      Soll Druck auf Mitarbeiter ausüben: Aldi Süd.
      Foto: dpa


      Sie sind Legenden des deutschen Handels, lenken milliardenschwere Unternehmen und pflegen den Ruf verschrobener Geheimniskrämer: Lidl-Gründer Dieter Schwarz, Drogerie-Betreiber Anton Schlecker und die Aldi-Brüder Theo und Karl Albrecht.

      Sich selbst präsentieren die Manager in internen Publikationen gerne als demütig, allein dem Wohl von Beschäftigten und Kundschaft verpflichtet. Doch etliche Mitarbeiter der Discounter haben nach Angaben von Verdi keinen angenehmen Arbeitsalltag.



      "Testkäufer inszenieren Kündigungsgründe"
      In den Konzernzentralen und Filialen der Handelsriesen werden aufmüpfige Beschäftigte sowie Betriebsräte angeblich systematisch schikaniert. Mit der Umsetzung rigider Sparprogramme hätten sich die - bereits länger bekannten - schlechten innerbetrieblichen Verhältnisse in diesem Jahr nochmals verschärft.



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      „Die Unternehmen wollen ihre eigene Suppe kochen und sich nicht an demokratische Spielregeln halten“, kritisiert ver.di-Handelsexperte Hans-Martin Poschmann. Aldi Süd, Lidl und Schlecker wollten sich zu den Vorwürfen auf Anfrage nicht äußern.

      Die scheuen Unternehmerpersönlichkeiten Schwarz, Schlecker und Albrecht stehen in dem Ruf, jeden Cent zwei Mal umzudrehen. Lidl (Umsatz 8,5 Milliarden Euro) hat es in diesem Jahr geschafft, stärker als Discountprimus Aldi (Umsatz Nord/Süd 25 Milliarden Euro) zu wachsen.

      Lidl kalkuliere nicht nur bei Lieferanten und Pachtverträgen knallhart, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern, erzählen Betriebsräte.

      Unbezahlte Überstunden seien die Regel. „Vor Ort beruht das Erfolgsrezept Billig auf Personalnotstand und gnadenloser Hetze. Wo sich Unmut regt, geben sich Testkäufer die Klinke in die Hand und inszenieren Kündigungsgründe“, heißt es in einem ver.di-Bericht.

      Die Gewerkschaft setzt nun verstärkt auf Kampagnen zur „Demokratisierung von Lidl“, um öffentlich Druck auf die Konzernspitze um Dieter Schwarz auszuüben. Bei Aldi Nord hat ver.di damit in der Vergangenheit einiges erreicht. Zentrallager und Filialen haben gewählte Interessenvertreter, auf Betriebsversammlungen schauen auch Manager aus der Essener Chefetage vorbei.

      „Bei Aldi Nord sind die Strukturen nicht mehr ganz so geheimnisvoll. Aldi Süd hat sich dagegen ähnlich eingeigelt wie Lidl und greift auf vergleichbar rüde Methoden zurück“, sagt Poschmann.



      "Abmahnungen, Kontrollen, Überwachung, Druck und Angst"
      Beim Blockieren von Betriebsräten sei jedoch Deutschlands zweitgrößter Discounter Lidl führend: Immer wieder seien Unternehmensteile in kleine rechtliche Einheiten umgewandelt worden, um den Aufbau von Betriebsräten zu untergraben.

      Heute ist die zur Schwarz-Gruppe (Kaufland) gehörende Lidl-Stiftung in Neckarsulm ein Geflecht aus Hunderten Beteiligungen. Es ist unheimlich schwer, die Konzernstruktur aufzudröseln. Dieter Schwarz verstecke sich hinter der Stiftung, aber er halte die Fäden zusammen, meint Poschmann.

      Ähnlich nebulös gehe es bei Schlecker zu. Anton Schlecker hat in vier Jahrzehnten Europas größte Drogerie- Kette mit 12.500 Filialen, 48.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 6,2 Mrd Euro aufgebaut.

      Die innerbetriebliche Mitbestimmung scheint dabei in vielen Fällen auf der Strecke geblieben zu sein. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten ohne Betriebsrat. Wegen Lohndumpings wurden Anton und Christa Schlecker vor fünf Jahren vom Stuttgarter Landgericht zu hohen Geldstrafen und Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

      Danach unterschrieb der Unternehmer zwar Tarifverträge, doch die Kritik seitens der Arbeitnehmer reißt nicht ab.

      Allein in München sind ver.di so viele Klagen zu Ohren gekommen, dass die Gewerkschaft gerade eine Anti-Mobbing-Kampagne gestartet hat. Abmahnungen, Kontrollen, Überwachung, Druck und Angst: Zahlreiche Schlecker-Kassiererinnen sähen sich unerhörten Schikanen von Vorgesetzten ausgesetzt.

      Betroffen seien kranke, ältere oder schwangere Frauen, die nicht mehr die volle Leistung bringen könnten, sagt ver.di-Sprecherin Agnes Schreieder. Dabei gehe es nicht um Einzelfälle, sondern um ein Phänomen mit System.

      (sueddeutsche.de/dpa)


      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/944/22922/
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 22:57:06
      Beitrag Nr. 1.012 ()
      04.12.03
      Fast 100.000 Gesamtinsolvenzen

      Bei den Unternehmen mussten 39.700 Betriebe einen Insolvenzantrag stellen, das entspricht im Vergleich zum Vorjahr (2002: 37.620) einer Steigerung von 5,5 Prozent. Die Zahl der Insolvenzen von Privatpersonen liegt zum zweiten Mal in Folge über denen der Unternehmensinsolvenzen: 60.100 Verbraucher und ehemals selbstständig Tätige möchten sich mit dem Insolvenzverfahren entschulden, 28,7 Prozent mehr als letztes Jahr.



      Neben den Privatinsolvenzen steigen auch die Unternehmensinsolvenzen weiter an, gleichwohl sich die Zunahme in diesem Jahr abgeschwächt hat. Doch innerhalb der letzen zehn Jahre hat sich die Zahl der Unternehmenspleiten von knapp 15.000 in 1993 auf aktuell rund 40.000 mehr als verdoppelt. Allein im Jahr 1999 verringerte sich die Zahl der Konkurse von 27.828 auf 26.620. Die Gründe für den Negativtrend liegen in der schwachen Konjunktur und der schlechten finanziellen Verfassung vieler mittelständischer Betriebe.

      Komplett hier lang:

      http://www.creditreform.de/presse/0079.php

      -------------------

      Könnte u.a. was hiermit zu tun haben:



      Aber, auch das will ich nicht verschweigen:

      .....
      Zu dem starken Anstieg der Insolvenzen hat vor allem die schon seit längerem anhaltende Konjunkturund Wachstumsschwäche in Deutschland beigetragen, die bei vielen Unternehmen zu einer Erosion der Erträge und zu einer Aufzehrung der finanziellen Reserven geführt hat. Darüber hinaus ist hier die seit dem 1. Dezember 2001 bestehende Möglichkeit der Stundung von Kosten für ein Insolvenzverfahren, wenn der Schuldner diese nicht aufbringen kann, zu berücksichtigen. Infolge dessen sind im Jahr 2002 nicht nur die Insolvenzen von Verbrauchern, sondern auch die von Einzel- und Kleinunternehmen stark gestiegen.
      .....
      Aus diesem Grund häufen sich die Insolvenzen bei den jungen und eher kleinen Firmen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nach einer vorangegangenen Gründungswelle eine gewisse Bestandsbereinigung in einer wirtschaftlichen Schwächephase folgt. So waren von den fast 29 000 im Jahr 2002 zahlungsunfähig gewordenen Firmen, deren Alter erfasst wurde, gut 60% weniger als acht Jahre alt. Außerdem hatten von den betroffenen Unternehmen, deren Personalstand bekannt war, nur gut 1% mehr als 100 und lediglich 15% mehr als zehn Beschäftigte.
      .....
      BuBa Monatsbericht 10/03

      -----------------

      Papiergeldzauber und die Verirrungen der "Gesellschaftsingenieure"

      Bonn - Die Zauberlehrlinge, mit deren Hilfe Staat und Banken ihren faulen Papiergeldzauber veranstalten, sind die Zentralbanken. Erst seit der Gründung von Zentralbanken ist in der industrialisierten Welt das Auftreten von boom and bust-Zyklen zu beobachten, also von übertriebenen Hochkonjunkturen und anschließenden Zusammenbrüchen oder Depressionen. Auch vorher hat es gelegentlich leichte konjunkturelle Wellen gegeben, vor allem im Zusammenhang mit umwälzenden technischen Erfindungen, aber die verrückten Ausschläge, siedende Hochkonjunktur und Depression, waren immer und überall Ausgeburten des Zentralbanksystems und seiner Kreditexpansion. Nur mit ihrer Hilfe und Rückendeckung kann das fractional reserve banking, das Mindestreserve-Bankwesen Kredit- und Verschuldungs-Ballons von astronomischen Ausmaßen mit heißer Papiergeldluft aufblasen.

      Komplett hier lang:

      http://www.neuenachricht.de/A556D3/NENA/NENA_NEU.nsf/0/19D62…

      :confused:
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      Initiative: 1,3 Millionen Arbeitslose aus Statistik verschwunden

      Bielefeld/Nürnberg (dpa) Bis zu 1,3 Millionen Arbeitslose sind nach Angaben einer gewerkschaftsnahen Initiative seit Jahresbeginn aus der Arbeitsmarkt-Statistik verschwunden, ohne eine neue Stelle zu haben. «Die Arbeitsämter betreiben keine Vermittlungsoffensive, sondern drängen Erwerbslose verstärkt aus der Statistik und dem Leistungsbezug», sagte Martin Künkler, Sprecher der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen, am Dienstag in Bielefeld.

      Allein 826.000 Erwerbslose seien aus der offiziellen Zählung herausgefallen, weil sie ihr Arbeitsgesuch nicht nach drei Monaten erneuert hätten. Weitere 476.000 Arbeitssuchende würden nicht mehr in der Statistik geführt, weil sie angeblich nicht aktiv einen neuen Job suchten oder dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung ständen. Manche Arbeitsämter provozierten solche Pflichtverletzungen auch «mutwillig durch fragwürdige Praktiken bis hin zur Schikane».

      Eine Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit (BA) bestätigte am Dienstag die Zahlen. Dabei verwies sie auf gesetzliche Regelungen, die nun mal verlangten, dass Arbeitslosen jederzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssten. Auch fordere das Gesetz von den Arbeitslosen «Mitwirkungspflichten». Wer sich nach drei Monaten nicht mehr bei seinem Arbeitsamt melde und keine Leistung mehr beziehe, werde nicht mehr länger als arbeitslos geführt.

      http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_art…

      Falls noch nicht gelesen: US-Arbeitslosenzahlen "Alternative" Berechnung (incl. Detail zur BRD)
      http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/US-Arbeitslosenzah…

      -----------------
      Abschlussbericht über Kongo

      Im Oktober 2003 legte die Expertenkommission dem UN-Sicherheitsrat ihren Abschlussbericht zur Plünderung der Ressourcen der Demokratischen Republik Kongo vor. Dieser Bericht wird allerdings nur zum Teil veröffentlicht; wesentliche Teile werden nur dem Sicherheitsrat zugänglich bleiben. Offenbar sollen Schwierigkeiten vermieden werden, wie sie bei den früheren Berichten regelmäßig vorkamen. Zahlreiche Organisationen und kritische Presse-Veröffentlichungen kritisieren dieses Vorgehen; sie fürchten, dass dies jedes wirksame Vorgehen gegen Firmen und Kriegsparteien, die an den Plünderungen maßgeblich beteiligt waren, verhindert.

      Mehr Information finden Sie auf der Website von Human Rights Watch

      http://www.berggorilla.com/aktuell/un-ende.html

      Ist es nicht schön zu sehen, wie umfassend und frei wir informiert werden/uns informieren können ? Aber wir müssen ja auch nicht alles wissen !

      Siehe auch:

      Die Bodenschätze des Kongo werden illegal ausgebeutet
      http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_111c/T02.HTM

      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 22:59:49
      Beitrag Nr. 1.013 ()

      Ihr Einsatz, bitte!


      Von Dirk Harbecke
      Nirgends erlebt man so viele Déjà-vus wie an den Börsen. Derzeit erinnere ich mich häufig an die späten 90er Jahre, als man Aktien zu noch so hohen Preisen kaufen konnte, weil man sie später noch teurer wieder los wurde. Wie 1999 glauben die Anleger auch heute an einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung – die Börsen haussieren, die Kurse an den Bondmärkten leiden.

      Trotzdem sind die Unterschiede groß. Ende der 90er wurden die Aktien noch von Ideen und Visionen getrieben. Von den Prognosen der goldenen Zukunft des Internets und den Verlockungen der Biotechnologie. Heute zählen die phantasielosen Rohstoff- und Goldminenwerte zu den größten Gewinnern, an die Stelle von Visionen sind triste Hoffnungen auf einen wie auch immer gearteten Aufschwung getreten. Niemand kann erklären, wie ein Aufschwung zustande kommen soll, wenn sich die Konsumenten immer weiter verschulden und die Arbeitslosigkeit (unter Ausklammerung statistischer Tricks) zu- anstatt abnimmt.

      In den wirtschaftlich kritischen Phasen, die über einen Aufschwung oder Abschwung entscheiden – und in einer solchen Phase sind wir derzeit – nutze ich eine schlichte, aber zuverlässige Methode, um mir einen Eindruck zu verschaffen: Ich rede mit anderen Menschen und tausche Erfahrungen und Stimmungen aus. Fragen Sie mal Ihren nächsten Taxifahrer, ob seine Umsätze steigen. Oder den Ladenbesitzer um die Ecke. Reden Sie mit Programmierern oder Facharbeitern, die Sie kennen. Mein persönliches Fazit ist bedrückend: Überall ist die Auftragslage schlecht, noch nie waren so viele motivierte und gut ausgebildete Menschen arbeitslos, und der Pessimismus wird durch die Ängste vor Rentenkürzungen und höheren Gesundheitskosten genährt. Nicht auszudenken, welchen psychologischen Schaden ein Scheitern oder Verschieben der geplanten Steuerkürzungen der Regierung anrichten würde.

      Bleibt die Hoffnung auf die USA, den "Mund der Welt", der mit Kleidung, Autos, Fernsehern und Stahl gefüttert werden will. Das Rezept ist einfach: Die Amerikaner müssen sich immer weiter verschulden und kaufen, kaufen, kaufen – bis sich die Schulden auf ihren Kreditkonten in Hunderttausende neue Jobs verwandeln. Das haben die US-Konsumenten seit dem 2. Weltkrieg immer wieder geschafft, warum nicht auch diesmal?

      Einen Grund liefern die jüngsten Konjunkturzahlen: Die Produktivität der US-Unternehmen steigt sprunghaft, weil die Arbeitskosten sinken, die Konsumenten also weniger Geld bekommen oder ihre Jobs gleich ganz verlieren. Irgendwann können auch die Niedrig-Zinsen der amerikanischen Notenbank und die Steuergeschenke der Regierung nicht verhindern, dass das System Risse bekommt und die Anleger ihre bis dahin verbliebenen Gewinne mitnehmen.

      Bis dahin könnte der Aufschwung der Aktienmärkte ungebremst weiter gehen. Doch auch 1999 rechnete niemand mit einem abrupten Ende der Kursrallye. Im Gegenteil: Die Euphorie stieg bis zum Ende des ersten Quartals 2000. Es gab keine Ängste vor Terror-Anschlägen, keinen kollabierenden US-Dollar, und der Wettbewerb aus Asien schien beherrschbar. Die ersten Rückschläge wurden sofort zum Aufstocken von Positionen genutzt – die viele heute noch zu einem Bruchteil des damaligen Wertes im Depot haben. Halten Sie kurz inne und verwahren Sie diese Erinnerungen im Hinterkopf, wenn das Frühjahr 2004 naht.


      Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.


      [ Donnerstag, 04.12.2003, 15:44 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10136573.html
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 23:04:36
      Beitrag Nr. 1.014 ()
      Barbies hässliche Seite

      Spielwaren, die Renner im Weihnachtsgeschäft, werden oft unter unerträglichen Bedingungen hergestellt

      Für Käufer von Spielzeug ist es meist nur schwer nachzuvollziehen, wie die Kinderträume hergestellt worden sind.


      VON SVEN ASTHEIMER



      Frankfurt a. M. · 4. Dezember · Barbie ist schön - und schön macht erfolgreich. In den vergangenen 40 Jahren wanderte die berühmteste Spielzeugpuppe der Welt über eine Milliarde Mal über die Ladentheke und direkt in Kinderhände. Auch zum diesjährigen Weihnachtsfest wird die alterslose Blondine wohl rund um den Globus wieder unter Millionen von Christbäumen ihr Plätzchen finden. Dem Hersteller Mattel spült sein Dauerbrenner so in guten Jahren rund zwei Milliarden Dollar Umsatz in die Kassen.

      Barbie hat aber auch eine hässliche Seite. Immer wieder beklagen sich Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften über brutale Arbeitsbedingungen in asiatischen Firmen, wo Mattel produzieren lässt. Der weltweite Branchenführer aus Kalifornien reagierte früh auf die Vorwürfe und finanziert seit 1997 so genannte Audit-Verfahren, bei denen die Zulieferbetriebe regelmäßig kontrolliert werden.


      109-Stunden-Woche

      Also ist die Welt von Barbie und Ken doch heil und schön? Zweifel scheinen angebracht. So listen Klaus Werner und Hans Weiss in ihrem "Schwarzbuch der Markenfirmen" zahlreiche Verstöße auf, unter anderem bei einem chinesischen Lieferanten von Mattel, Disney, Mc Donalds und Wal-Mart, wo Arbeiter fünf Monate lang ohne einen freien Tag durchgeschuftet haben sollen, bis zu 16 Stunden am Tag, 109 in der Woche. In Jakarta sollen Angestellte 50 Stunden im Monat mehr gearbeitet haben als vertraglich zugesichert..........

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 23:43:46
      Beitrag Nr. 1.015 ()

      Die heimliche Wiederkehr des Keynesianismus

      Nicht in zu hohen Sozialleistungen, sondern in den unrealistischen Renditeansprüchen der Finanzinvestoren liegt die eigentliche Ursache der gegenwärtigen Krise

      VON CHRISTOPH DEUTSCHMANN




      Wiederkehr des Keynesianismus (Illustration: Stefan Fritsch)


      1936 veröffentlichte John Maynard Keynes seine Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Er widersprach darin der Ansicht seiner orthodoxen Fachkollegen, dass Arbeitslosigkeit auf die hartnäckige Weigerung der Arbeiter zurückgehe, einen der Produktivität der Wirtschaft entsprechenden Reallohn zu akzeptieren und in diesem Sinn " freiwillig" sei. Vorausgegangen war die größte Wirtschaftskrise in der Geschichte des Kapitalismus, die zeitweilig 20 - 40 Prozent der Erwerbsbevölkerung der Industrieländer arbeitslos machte. Diese Krise war durch die von den ökonomischen Experten empfohlene rigorose Sparpolitik der Regierungen beträchtlich verschärft worden. Als schließlich eine Regierung nach der anderen darauf verzichtete, die zurückgehenden Steuereinnahmen durch immer neue Ausgabenkürzungen auszugleichen und die Haushaltslöcher statt dessen durch Kredit finanzierte, war das nicht der Wissenschaft, sondern dem gesunden Menschenverstand der politischen Akteure zu verdanken. Erst später rang sich auch die akademische Ökonomie unter dem Einfluss von Keynes zu der Erkenntnis durch, dass Ausgabenkürzungen nicht das richtige Mittel zur Bewältigung der Krise seien.

      Die heutige Krise ist mit der Katastrophe von 1929 - 33 nicht vergleichbar. Die Regierungen haben die keynesianische Lektion gelernt und bekämpfen die Rezession mit einer massiven Ausweitung der Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte. Von dem " Stabilitätspakt" der Euro-Länder ist deshalb schon heute nicht einmal mehr die schöne Fassade stehen geblieben. Der Keynesianismus ist nicht tot, sondern quicklebendig.

      Seltsamer Weise scheinen Regierung, Parteien, Wirtschaft und Medien gleichwohl kein dringenderes Anliegen zu haben, als ihn für tot zu erklären. Während die öffentliche Verschuldung neue Rekordhöhen erreicht, hält die rot-grüne Regierung demonstrativ an ihrem Ziel fest, die Steuern weiter zu senken, die geplante Steuerreform sogar vorzuziehen und obendrein die Neuverschuldung zu reduzieren. Keynes` Konzept unfreiwilliger Arbeitslosigkeit im Kapitalismus ist nicht länger salonfähig: Wie in alten vorkeynesianischen Zeiten sollen die Arbeitslosen mit dem Hartz-Programm und der Agenda 2010 selbst für ihr Schicksal verantwortlich gemacht werden. Politiker aller Lager, Journalisten, Wirtschaftsführer und C 4-Professoren überbieten sich in der Forderung nach immer neuen Ausgabenkürzungen. So hat sich ein öffentlicher Diskurs entwickelt, der in seiner zirkulären Zwanghaftigkeit fatal an primitive Regenzauber-Rituale erinnert: Woran liegt es, dass der Regen nicht kommt? Es kann nur daran liegen, dass die Götter zornig sind. Um die Götter zu besänftigen, muss eine Ziege geopfert werden. Was aber, wenn der Regen trotzdem nicht fällt? Es kann nur daran liegen, dass die Götter noch immer zornig sind, deshalb müssen zehn Ziegen geopfert werden. Und dann?

      Der eingeschlagene Weg sei " alternativlos" , wird behauptet - welcher Weg: der faktisch verfolgte keynesianische oder der politisch in Szene gesetzte anti-keynesianische? Keynes ging es keineswegs darum, einer Haushaltspolitik des geringsten Widerstandes den Weg zu ebnen, wie ihm heute oft fälschlich unterstellt wird. Er sah den Staat vielmehr in der Rolle eines Nothelfers in einem Dilemma, das als Folge des zunehmenden gesellschaftlichen Reichtums entsteht. Mit dem Wachstum des Volkseinkommens sinkt der Anteil der Konsumausgaben und wächst der gesparte Teil des Einkommens. Soll ein Rückgang der effektiven Nachfrage verhindert werden, müssen diese Ersparnisse investiert werden. Da aber alle Investitionen durch künftigen Konsum motiviert sind, wird es immer schwieriger, gewinnträchtige Investitionsgelegenheiten zu finden. Die Profitrate sinkt und tendiert schließlich gegen Null. In einer Gesellschaft, die im Überfluss lebt und spielend alles Lebensnotwendige erzeugen kann, verliert Kapital seinen Knappheitswert. Produktionsmittel werden zwar weiterhin gebraucht, aber sie erwirtschaften in der Regel nicht mehr als ihre Wiederbeschaffungskosten.

      Geld als öffentliches Gut
      Das Problem besteht nun darin, dass die Vermögensbesitzer sich mit dieser Sachlage nicht abfinden und die Konsequenzen einer abnehmenden Knappheit des Kapitals nicht akzeptieren wollen. Sie glauben, ein Naturrecht auf Rendite zu haben und entziehen ihre Ersparnisse dem Markt, sobald die erwartete Verzinsung unter ein bestimmtes Niveau fällt. Geldvermögen wird dann nicht mehr investiert, sondern gehortet oder in kurzfristigen Anlagen geparkt. Das führt zu einem Rückgang der effektiven Nachfrage und der Beschäftigung. Nicht das hartnäckige Bestehen der Arbeiter auf zu hohen Löhnen und Sozialleistungen ist in dem Modell von Keynes die Ursache der Krise, sondern die hartnäckige Weigerung der Kapitalbesitzer, die ökonomischen Folgen einer objektiv abnehmenden Knappheit des Kapitals zu akzeptieren.

      So entsteht die Notwendigkeit, die überschüssigen Ersparnisse abzuschöpfen und wieder in den ökonomischen Kreislauf zurückzulenken. Da aber die Vermögensbesitzer dies selbst nicht tun, kann nur der Staat diese Aufgabe übernehmen. Er kann, wie Keynes vorschlug, die Einkommen progressiv besteuern. Falls dieses Mittel nicht ausreicht, bleibt nur die Möglichkeit, die fehlenden Privatinvestitionen durch defizitfinanzierte Staatsausgaben auszugleichen und die effektive Nachfrage mit fiskalpolitischen Mitteln zu stabilisieren. Keynes sah einen langfristigen Prozess der " Sozialisierung der Investition" voraus. Das bedeutet nichts anderes als die schrittweise Verwandlung des Geldes in ein öffentliches Gut, über dessen Produktion und Verteilung nicht länger allein nach privaten, sondern zunehmend nach politischen Gesichtspunkten entschieden wird.


      Aus heutiger Sicht muss Keynes eine fatale Fehleinschätzung der politischen Machtverhältnisse vorgehalten werden: Aufgeschreckt durch die Krisen der siebziger Jahre machten die Vermögensbesitzer gegen den keynesianischen Wohlfahrtsstaat Front und bündelten ihre Macht in weltweit operierenden Pensions- und Investmentfonds. Es gelang ihnen, ein hegemoniales Regime zu errichten, von dem Keynes sich nicht hätte träumen lassen. Die nationalen Kapital- und Devisenmärkte wurden dereguliert, und die zunehmende internationale Mobilität des Kapitals eröffnete den Investoren ein Dorado von Spekulations- und Anlagemöglichkeiten rund um den Globus. Das setzte die nationalen Geld- und Fiskalpolitiken unter Druck. Unter der Drohung unfreundlicher Reaktionen der Investoren ließen die Nationalstaaten sich in einen Steuer- und Ausgabensenkungswettlauf hineintreiben. Zusätzlich gerieten die öffentlichen Haushalte durch die Hinterziehung von Kapital- und Unternehmenssteuern - allein in Deutschland rund 70 Milliarden Euro jährlich - in Bedrängnis. Die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen nahm zu.

      So sehr Keynes die Macht der Vermögensbesitzer unterschätzte - seine Krisendiagnose ist genau deshalb aktueller denn je. Denn die wachsenden Finanzvermögen verlangen weiterhin nach Rendite; diese aber wächst nicht aus dem Kapital wie der Zweig aus dem Baum. Um die Ansprüche der Eigentümer zu befriedigen, müssen profitable Investitionsmöglichkeiten gefunden werden, aber wo? In den neunziger Jahren glaubte man noch, im Internet und der " Informationsgesellschaft" eine neue technologische Großvision ausmachen zu können. Man hoffte auf einen Aufschwung, der die riesigen Vermögen absorbieren würde. Aber die Vision entpuppte sich zum großen Teil als Täuschung. Die Milliardeninvestitionen flossen vielfach gar nicht in reale Projekte, sondern pumpten nur eine Spekulationsblase auf, die schließlich platzte. Neue technologische Großvisionen sind, so verzweifelt nach ihnen gesucht wird, weit und breit nicht in Sicht.

      Weil die Unternehmer selbst nicht mehr weiter wissen, müssen alle sich auf die Suche nach neuen Geschäftsideen machen. Arbeitnehmer sollen als " Arbeitskraftunternehmer" und Scheinselbstständige ihrem Arbeitgeber den Gewinn möglichst frei Haus mitliefern. Gewinn kann nur durch die Vermarktung neuer Techniken, Produkte, Dienstleistungen erzielt werden. Aber in einer mit innovativen Angeboten schon überfluteten Wohlstandsgesellschaft ist es schwer, dafür Aufmerksamkeit zu finden. Mehr und mehr Drückerkolonnen werden in die längst übersättigten Märkte geschickt. Der Kampf um Marktanteile nimmt teilweise groteske Formen an.

      Ausweitung der Kreditfinanzierung
      Den Finanzinvestoren bleiben diese Probleme nicht verborgen. Sie parken ihr Geld in kurzfristigen und liquiden Anlagen. Aber wenn Finanzvermögen nicht investiert werden, macht sich das alsbald in Form sinkender Nachfrage und sinkender Einkommen bemerkbar. (=Deflationstendenz Anm: 0,007)
      Die politischen Akteure nehmen dies freilich nicht direkt wahr, sondern nur im Spiegelbild der steigenden Kosten. In der irrigen Annahme, sich diese nicht mehr " leisten" zu können, versuchen sie, zu kürzen und zu sparen. Die wirkliche Krisenursache - die unrealistisch gewordenen Renditeansprüche der Finanzinvestoren - wird tabuisiert oder bleibt gänzlich unerkannt. Es ist wie bei einem Schiff, das wegen Ebbe auf Grund läuft, dessen Insassen aber in der falschen Annahme, die zu schwere Ladung sei schuld, all ihren Besitz über Bord werfen.

      Worte und Taten der Regierungen - sozialdemokratischer wie konservativer - klaffen heute weit auseinander. Sie schwören Sparsamkeit und veranstalten mit der einen Hand Streich- und Sparprogramme; mit der anderen Hand aber geben sie das Geld wieder aus. Sie sind Keynesianer geblieben und können - auch dies ist eine bleibende Lehre aus der Weltwirtschaftkrise - als Demokraten kaum anders handeln. Keine demokratisch gewählte Regierung wird die von den neoliberalen Beratern geforderten immer neuen Kürzungs- und Streichungsprogramme aushalten. Und je mehr die Regierungen den marktradikalen Einflüsterungen folgen, desto mehr werden sie die kreditfinanzierten Ausgaben ausweiten müssen, um einen völligen Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Der Keynesianismus ist nicht tot, er ist geradezu zu einem politischen Sachzwang geworden.

      Praktisch laufen die marktradikalen Angriffe auf den Sozialstaat darauf hinaus, den Film der kapitalistischen Entwicklung zurückzuspulen, die Bevölkerung künstlich arm zu machen, um sie danach wieder von vorn anfangen zu lassen. Mitten in einer Welt nie erreichten Massenwohlstandes sollen die Individuen in einen mit Floskeln wie " Individualisierung" , " Unternehmertum" usw. verbrämten sozialdarwinistischen Existenzkampf hineingetrieben werden. Doch die Ursache der Krise liegt nicht in einem zu großzügigen Sozialstaat, sondern in der Überakkumulation von Finanzvermögen, für die sich profitable Investitionsgelegenheiten beim besten Willen nicht mehr finden lassen.

      In einer Gesellschaft, die sich nicht länger für neue große technologische Projekte mobilisieren lässt, entfällt die ökonomische Rechtfertigung für eine stark ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen. Am besten wäre es natürlich, die Reichen sähen dies ein und zögen freiwillig die Konsequenzen. Da damit nicht zu rechnen ist, bleibt nur die Notlösung einer kompensierenden Ausweitung der kreditfinanzierten Staatsausgaben. Wachstum lässt sich so nicht erzielen, nur der Absturz kann so - um den Preis einer Zunahme der Inflationsgefahr - verhindert werden. Aber die Gesellschaft gewinnt Zeit, über eine neue Wirtschaftsverfassung nachzudenken, in der sie nicht mehr wachsen und dem Goldenen Kalb nachjagen muss - eine zwar schmerzhafte und sozial höchst konfliktträchtige, aber für alle reifen Industrieländer wohl unvermeidliche Umstellung.
      (kopiert aus dem Goldforum)
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 23:47:39
      Beitrag Nr. 1.016 ()
      Ausland
      Karl Unger

      Offenbarungseid

      Ungarische Nationalbank will Kapitalabfluß und Inflation mittels Hochzinspolitik eindämmen


      In einer Sondersitzung hat die ungarische Nationalbank den mit 9,5 Prozent ohnehin sehr hohen Leitzins dieser Tage auf 12,5 Prozent angehoben. Für das Publikum wurde dieser drastische Schritt mit der Schwäche der Landeswährung Forint begründet: »Eine Abwertung würde nur die Inflation anheizen, was wiederum das Wachstum dämpfen und eine Verzögerung der Euro-Einführung um mehrere Jahre bedeuten würde.« De facto ist diese Verschärfung der Hochzinspolitik die wirtschaftspolitische Bankrotterklärung der seit 2002 regierenden Sozialisten. Die ausländischen Spekulanten, die mangels internen Sparvolumens das Haushaltsdefizit von inzwischen fünf Prozent finanzieren sollten, sind wegen dessen Größe und des dadurch verursachten Defizits in der Leistungsbilanz mißtrauisch geworden und nicht gekommen.

      Um dem nun zudem befürchteten Kapitalabfluß zu begegnen, wurde das an Deutlichkeit nicht zu überbietende Zinssignal gesetzt. Doch geholfen hat es vorerst nicht. An der Währungsfront ist keine Ruhe eingekehrt, und eine neue 30-Billionen-Forint-Staatsanleihe mußte am Dienstag mangels Nachfrage wieder vom Markt genommen werden. Die ungarische Nationalbank kann im Prinzip nichts anderes tun als sich den Wünschen des Marktes, also der internationalen Finanzspekulation, zu beugen. Ihre »Waffen« und die der Regierung sind stumpf. Das ist das Ergebnis der völligen Deformation der ungarischen Wirtschaft nach 1989. Ein Großteil der staatlichen Betriebe wurde damals mit dem Etikett unwirtschaftlich versehen und konsequent in den Konkurs getrieben. Was Profit versprach, wurde privatisiert. Heute befinden sich 40 Prozent dieser Unternehmen in ausländischer Hand.

      Der zweite radikale Schnitt, von dem sich die ungarische Gesellschaft bis heute nicht erholt hat, erfolgte während der ersten Regierungsperiode der Sozialisten (1994 bis 1998) im März 1995. Das nach ihm benannte Paket des Finanzministers Lajos Bokros war der Höhepunkt der magyarischen Version des Thatcherismus: Eine radikale Forint-Abwertung führte zusammen mit einschneidenden Kürzungen bei Renten und Sozialversicherungsleistungen zu einem Sinken der Reallöhne um zehn Prozent. Sie liegen heute im Durchschnitt deutlich unter 300 Euro im Monat. Damit war und ist der Binnenmarkt für das Wachstum der ungarischen Wirtschaft relativ bedeutungslos. Daran änderte auch Viktor Orbans Plan nichts, eine »nationale Mittelklasse« zu schaffen. Der im vergangenen Jahr abgewählte konservative Regierungschef wollte durch Familienförderung nicht mehr die »unproduktiven« Armen unterstützen, die »verantwortungslos« Kinder in die Welt setzen, sondern jene Besserverdiener mit Steuersparmodellen zu Kindern animieren, die eine solche Belastung ökonomisch genau abwägen.

      Unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Peter Medgyessy, einem Siebenbürger Adelssproß und Banker, ist dieses Projekt stillschweigend begraben worden. Aber nicht in erster Linie wegen der verquasten, tiefreaktionären Ideologie, mit der es befrachtet war, sondern weil die Sozialisten kein Interesse daran haben, die Entwicklung einer nationalen Bourgeoisie zu fördern. Ideologisch Blairs und Schröders »drittem Weg« verbunden, setzen sie auf ausländisches Kapital für Investitionen und Exporte, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Dem liegt ein einfacher, aber jeder sozialdemokratischen Vorstellung Hohn sprechender Gedanke zugrunde: Billige magyarische Arbeiter setzen importierte Maschinenteile zusammen, die anschließend wieder exportiert werden. Das hat in der Vergangenheit mehr oder weniger funktioniert und zum Ergebnis gehabt, daß 70 Prozent der Exporte von nur 35 ausländischen Firmen getätigt werden. Die agieren in sogenannten Zollfreigebieten und sind auch von der Körperschaftssteuer befreit. Der freie Gewinntransfer ist ihnen garantiert.

      Nach der Bekanntgabe des Datums von Ungarns Beitritt zur EU erwarteten die Sozialisten eine neue Investitionswelle. Doch die blieb aus. Das Land hat, wie Jürgen Illing, Geschäftsführer der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer, feststellt, »seine Attraktivität als Niedriglohnland und verlängerte Werkbank verloren«. Die auf die Löhne bezogenen »total factory costs« machen pro Arbeitsstunde zwar keine zehn Euro aus – in der Ukraine jedoch noch weniger als einen. Das Ergebnis des »dritten Weges« ist zunehmende Arbeitslosigkeit (offiziell sechs Prozent), steigende Inflation und eben die Hochzinspolitik.

      Deren Preis wird über den konjunkturellen Würgegriff die Bevölkerung bezahlen. Als Trost hat die Nationalbank für die Werktätigen die Hoffnung auf eine globale Konjunkturverbesserung. In deren Windschatten könne es dann doch zu größeren Direktinvestitionen, heißt es. Sollten sich diese Hoffnungen indes nicht erfüllen, wird die Nationalbank wie von ihr angekündigt kompromißlos mit ihrer brutalen Hochzinspolitik weitermachen.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-05/009.php
      Avatar
      schrieb am 04.12.03 23:49:45
      Beitrag Nr. 1.017 ()
      Inland
      Daniel Behruzi

      Tarifrecht soll fallen

      CDU und BDA fordern gesetzliche Zerschlagung der Tarifautonomie. Gewerkschaften protestieren


      Nach dem Scheitern der Gespräche zwischen DGB und Unternehmerverband BDA zur Tarifautonomie hat dessen Präsident Dieter Hundt am Donnerstag eine gesetzliche Regelung gefordert. Darauf besteht nach Aussagen führender Unionspolitiker auch die CDU/ CSU bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat. Die Gewerkschaften setzen indes ihre betrieblichen Protestaktionen unvermindert fort.

      Wochenlang hatten DGB-Chef Michael Sommer und Hundt in Geheimgesprächen um eine gemeinsame Erklärung zur Tarifautonomie gerungen. Vor allem die Gewerkschaftsseite betonte dabei immer wieder die bestehende Flexibilität tariflicher Regelungen. Nach ihren Angaben besteht in jedem dritten tarifgebundenen Betrieb ein betriebliches »Bündnis für Arbeit«, bei dem vom Flächentarif nach unten abgewichen wird. Die Unternehmer wollen solche Regelungen aber nicht wie bisher auf Betriebe beschränken, die sich in einer wirtschaftlichen Krisensituation befinden. Gescheitert sind die Gespräche zwischen Sommer und Hundt letztlich daran, daß der BDA die Verhinderung gesetzlicher Öffnungsklauseln an die Bedingung knüpfen wollte, daß entsprechende Regelungen tariflich vereinbart werden.

      Bei der Eröffnung des »Deutschen Arbeitgebertages« in Berlin forderte Hundt am Donnerstag gesetzliche Eingriffe in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie. »Weil die Gewerkschaften ihre Blockade aufrechterhalten, muß der Gesetzgeber handeln«, sagte er und unterstützte damit die Position von CDU/ CSU und FDP bei den Verhandlungen mit der Koalition im Vermittlungsausschuß. Schließlich könne man nicht darauf warten, »bis sich der letzte Gewerkschaftsblockierer bewegt«, so Hundt. Entsprechend dieser Diktion erklärten führende Politiker der Union die Änderung des Tarifrechts zur Voraussetzung für eine Verständigung im Vermittlungsausschuß, in dem derzeit über das Vorziehen der Steuer»reform« und weitere von der Regierung eingebrachte »Sozial- und Arbeitsmarktreformen« verhandelt wird.

      Gewerkschafter befürchten indes, daß die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß letztlich »an vielen Stellen zu noch schlimmeren Regelungen als ohnehin in der Agenda 2010 enthalten führen werden«, meinte Jörg Köther, Pressesprecher der IG Metall in Niedersachsen, im Gespräch mit junge Welt. Der zentrale Fokus gewerkschaftlicher Kritik richte sich verständlicherweise gegen die Zerschlagung der Tarifautonomie. »Der gesamte Sozialabbau fällt dabei aber leider ein Stück weit unter den Tisch«, beklagte er. Köther warnte die Regierung vor einer erheblichen Zunahme gewerkschaftlicher Proteste, sollten die Sozialkürzungen weiter verschärft werden.

      Die Protestaktionen für die Tarifautonomie und gegen Sozialabbau werden unterdessen fortgesetzt. Mehr als 800 Metaller demonstrierten im niedersächsischen Stadthagen. Damit haben sich allein in Niedersachsen seit Beginn der Aktionen insgesamt über 45 000 Beschäftigte an Protestveranstaltungen beteiligt. In Nordhessen werden am 9. Dezember Beschäftigte der großen Metallbetriebe während der Arbeitszeit gemeinsam mit Teilen des öffentlichen Dienstes auf die Straße gehen.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-05/012.php
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      schrieb am 05.12.03 22:37:15
      Beitrag Nr. 1.018 ()
      Skizzen für den Umbau




      Es gibt sie - die Alternative (dpa)



      Seit März tönt Kanzlers Reform-Oper in der Melodie der Alternativlosigkeit: "Es gibt gelegentlich Maßnahmen, die ergriffen werden müssen und die keine Begeisterung auslösen", sagte Gerhard Schröder in seiner berühmten Agenda-Rede. "Trotzdem müssen sie sein." Nichts zu machen also außer dem, was die Regierung tut? Kein Kontrastprogramm in Sicht außer dem der Opposition, die beim Sozialabbau auf der Überholspur rast?

      Dass der Sozialstaat umgebaut werden muss, wird kaum jemand bezweifeln. Aber so klein ist die Welt nicht, dass nur die Ideen von Schröder oder Merkel Platz in ihr hätten.

      In vielen Studierstuben sind Alternativen längst erdacht, in vielen Ländern werden sie praktiziert. Das niederländische "Poldermodell", das Schweizer System der Sozialversicherung, der schwedische Wohlfahrtsstaat, die dänischen Arbeitsgesetze - niemand wird behaupten, dass all das perfekt funktioniert oder frei von sozialen Härten ist. Aber manches könnte in Deutschland besser laufen, wenn man Ideen für einen mutigen und zugleich möglichst gerechten Umbau des Sozialstaats wenigstens intensiv zur Kenntnis nähme, statt sie zu ignorieren, vorschnell zu verwerfen oder ins Reich der Utopie zu verweisen.

      Die Frankfurter Rundschau versucht ein wenig Nachhilfe für Kanzler & Co.: In dieser Ausgabe - und in den kommenden zwei Wochen jeden Tag - präsentieren wir Ideen und Beispiele für vorbildliche, aber auch fragwürdige Alternativen zu den deutschen Reparaturversuchen, vom Schweizer Modell bis zum kostenlosen Kindergarten, vom australischen Gesundheitswesen bis zum anderen Wirtschaften mit alternativer Software. In der kommenden Woche geht es um Modelle sozialer Sicherung, vom 15. Dezember an um Arbeitsmarktpolitik. Nicht alles, was gedacht und gemacht wird, besteht eine kritische Prüfung auf soziale Gerechtigkeit. Aber alles wäre es wert, überhaupt geprüft zu werden. Schröders Agenda könnte das nur gut tun. Stephan Hebel
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/de…
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      schrieb am 05.12.03 22:41:37
      Beitrag Nr. 1.019 ()


      Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit ist ausgezeichnet

      Die Lohnstückkosten haben sich seit Mitte der neunziger Jahre im internationalen Vergleich außerordentlich moderat entwickelt /Teil VIII


      VON ECKHARD HEIN UND ACHIM TRUGER


      Lohnstückkosten (FR-Infografik)


      Eine weit verbreitete Klage lautet: "Die Löhne und damit die Produktionskosten sind zu hoch und gefährden in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft den Standort Deutschland". Um die Bundesrepublik für den internationalen Wettbewerb wieder fit zu machen, fordern vor allem die Unternehmer, die Löhne zu senken. Weil die Tarifautonomie und der Flächentarifvertrag dabei nur im Weg stünden, sollen sie eingeschränkt, am besten gleich ganz abgeschafft werden.

      Die Kritiker übersehen allerdings: Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit ist ausgezeichnet. Die Lohnstückkosten als wichtigster Indikator haben sich seit 1995 im internationalen Vergleich sehr moderat entwickelt. Von 1995 bis 2002 stiegen die deutschen Lohnstückkosten - trotz Tarifautonomie und Flächentarif - nur um etwa drei Prozent und damit - mit Ausnahme Japans - deutlich weniger als in den meisten anderen Industrieländern. Im Euroland-Durchschnitt legten sie dagegen um 14 Prozent zu. In den USA und Großbritannien, die keine Flächentarifverträge, sondern lediglich betriebliche Regelungen kennen, stiegen die Lohnstückkosten um 13 beziehungsweise sogar 26 Prozent.

      Die Lohnstückkosten sind ein Maßstab für die kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Sie geben für die gesamte Wirtschaft den Anteil der Arbeitskosten an, der auf eine Sozialproduktseinheit entfällt. Berechnet werden sie, indem man die Arbeitskosten je Arbeitnehmer durch die Produktivität je Erwerbstätigen teilt.

      Wie wettbewerbsfähig die deutsche Wirtschaft tatsächlich ist, zeigt die Entwicklung des Außenhandels: Während die hiesige Wirtschaft regelmäßig Außenhandelsüberschüsse erwirtschaftet, die sich in den vergangenen drei Jahren fast verdreifacht haben, fahren die britische und die US-Wirtschaft chronische und steigende Außenhandelsdefizite ein. In August wurde die deutsche Wirtschaft zum ersten Mal seit elf Jahren wieder "Exportweltmeister" und führte mehr aus als jedes andere Land auf der Welt, sogar mehr als die über vier Mal so große US-Wirtschaft. Das deutsche Lohnfindungssystem beschädigt also weder unsere Wettbewerbsfähigkeit noch ziehen die angloamerikanischen Länder aus ihrer dezentralen Lohnfindung Wettbewerbsvorteile.

      Grund zur Freude sollte dies aber nur eingeschränkt sein, denn eigentlich übertreibt Deutschland es mit seiner Wettbewerbsfähigkeit sogar. Basis für das geringe Wachstum der Lohnstückkosten ist die seit Mitte der 90-er Jahre praktizierte Lohnzurückhaltung, also das Zurückbleiben der Löhne hinter dem Spielraum, den Produktivitätswachstum und Inflationsrate zulassen würden. Die geringeren Lohnstückkosten sorgen dafür, dass die Inflationsrate sinkt und sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Allerdings sinkt die Inflationsrate nicht so stark wie die Lohnstückkosten zurückgehen. Dadurch steigen die Unternehmergewinne, gleichzeitig aber vermindert sich der Anteil der Löhne am Volkseinkommen. Das schwächt den privaten Konsum und die inländische Nachfrage.

      Da diese in Deutschland ungefähr zwei Drittel der Gesamtnachfrage ausmacht, wird das deutsche Wirtschaftswachstum per saldo gemindert. Die niedrigere Inflation hat noch einen weiteren unerwünschten Effekt: Bei einheitlichen nominalen Zinsen in Euroland führt eine geringere deutsche Inflationsrate zu höheren Realzinsen. Dann müssen Investoren in Deutschland für die Bedienung ihrer Kredite real mehr bezahlen, das heißt mehr Güter erwirtschaften als die Konkurrenz im europäischen Ausland. Es gibt also gute Gründe, es mit der Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnzurückhaltung nicht zu übertreiben.


      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 05.12.03 22:43:11
      Beitrag Nr. 1.020 ()
      STEUERSPARMODELL

      Neues US-Gesetz gegen Cross-Border-Leasing

      (zum Glück)


      Frankfurt a.M. · 5. Dezember · job ·Die umstrittene Geldquelle deutscher Kommunen, das so genannte Cross-Border-Leasing, wird womöglich bald versiegen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der republikanische US-Senator Charles Grassley in den US-Senat eingebracht. Grassley ist Vorsitzender des einflussreichen Finanzausschusses.

      Nach dem Entwurf sollen "Geschäfte ohne realen wirtschaftlichen Hintergrund", die von in den USA steuerpflichtigen Unternehmen ausschließlich abgeschlossen werden, um Steuern zu sparen, künftig nicht mehr vom Fiskus begünstigt werden. Dieses schon jetzt geltende Prinzip soll das neue Gesetz wirkungsvoller durchsetzen. Grassley reagiert damit auf eine Anhörung im Senat, bei der ein Zeuge sinngemäß aussagte, der Leasing-Branche sei bewusst, dass sie mit den "Lease-to-Service-Contracts" gegen geltendes Recht verstoße. Er selber habe solche Verträge wider besseres Wissen vorbereiten müssen. Der Zeuge durfte anonym aussagen - wegen vermuteter Lebensgefahr.

      In Deutschland hat die neue Sachlage Folgen: Allein in Köln wurden nach Insider-Angaben drei geplante Leasings über U-Bahn-Trassen, U-Bahn-Züge und das Trinkwassernetz auf Eis gelegt: Mit einem Abschluss sei derzeit nicht zu rechnen. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) warnte die Kommunen aufgrund der Gesetzesinitiative "eindringlich" vor dem Abschluss weiterer Verträge.
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 05.12.03 23:37:22
      Beitrag Nr. 1.021 ()
      Kommentare von Henry Littig

      02.12.2003 - 12:27 Uhr
      Neues Kursziel 2004 für den Goldpreis = 460.-$

      Wie angekündigt, beschäftigen wir uns heute mit der Frage: Ist doch alles Gold, was glänzt?


      Wie Sie vielleicht wissen, hat der Goldpreis vor zwei Wochen unsere 2004er Zielrange von 400-450$ erreicht. Auch der Philadelphia Stock Exchange Gold and Silver Index (XAU auf der Webcam-Seite) notiert mit derzeit um 110 über unserer Jahresmindestvorgabe von 108. Seitdem wir uns mit dem potentiellen Goldtrend beschäftigen (seit ca. Mitte 2001) sind meine Zielmarken somit (bislang) alle erreicht worden.
      Auch unser eigens zur Trendausnutzung aufgelegter Gold- und Rohstofffonds (HPM Invest Sicav RV Golden Dynamic Plus, WKN 779333) notiert aktuell mehr als 70% über dem Ausgabepreis und konnte in 2003 bisher als einer von wenigen Goldfonds sogar den Leitindex leicht outperformen.
      Fazit: Mit den bis zur Stunde erreichten Ergebnissen sind wir überwiegend zufrieden.

      Normalerweise ein Grund zum Feiern, jedoch: Bei Erreichen eines Ziel ergeben sich zwangsläufig neue, manchmal auch unangenehme Fragen: Sollen Anleger jetzt verkaufen? Ist der Trend vorbei? - Soll ich Halten? Ist der Trend noch intakt? - Oder soll zugekauft werden, da sich der Trend möglicherweise noch verstärkt? Gar nicht so einfach, oder?
      Also: Kaufen, Halten oder Verkaufen? Unter Berücksichtigung der gegebenen aktuellen Datenlage sowie verschiedener vorherrschender Trends, gibt es für mich nur eine Antwort: Kaufen!

      Der Trend hin zu Real Value, Echten Werten, dürfte international gerade erst begonnen haben. Und zu höheren Goldpreisen gibt es m.M.n. kaum eine Alternative – nicht zwangsläufig kurzfristig, aber in jedem Fall mittel- und langfristig. Die meisten Argumente, die für steigende Goldpreise sprechen sind nicht neu – aber noch immer intakt. In gewohnt grober Auflistung wären zu nennen:

      Es besteht schon jetzt ein Nachfrageüberhang, der nur von z.B. Notenbanken ausgeglichen werden kann - aktuell niedrige Zinsen sind gut fürs Gold, da sie es relativ attraktiver machen – potentiell steigende Zinsen wären gut fürs Gold, da sie an den Anleihen- und Aktienmärkten für Verstimmung sorgen würden – die Hedgeprogramme der großen Produzenten laufen aus – Wirtschaftswachstum in Asien ist riesig fürs Gold, da vor allem Chinesen traditionell Goldkäufer sind; die Mrd. Inder (der nächste Top-Wachstumsmarkt) werden ebenfalls in der Schlange der potentiellen Käufer stehen (dürfte eine ziemlich lange Schlange werden...bei ca. 1 Mrd. Inder x ca. 50 cm ...macht das...ähh... ca. 12.5 x um die Erde!!! Wer hätte das gedacht! Da braucht man allein Jahre um sich hinten anzustellen...) – das weltweite ungebremste bzw. sogar geförderte Geldmengenwachstum ist ebenso ein klares Kaufargument – der Vertrauensverlust der Anleger gegenüber den herkömmlichen Kapitalmärkten seit 2000 ist ein Plus – die durchschnittliche Investitionsquote weltweiter Anleger im Goldbereich ist noch immer extrem niedrig und stellt somit ein gigantisches Kaufpotential dar – der $-Kurs natürlich - ....usw. usw. usw...diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wer sich hier genauer informieren möchte, der sollte im Internet bzw. auch in Finanzzeitschriften fündig werden, die sich jüngst fast alle zumindest einmal mit dem Thema Gold beschäftigt haben und oft eine umfassende Besprechung der Argumente geliefert haben.
      Als Gründe, die gegen einen weiteren Anstieg des Metalls sprechen werden i.d.R. mögliche massive Notenbankverkäufe genannt, sowie eine potentielle neue Superaktienhausse ins Feld geführt.
      Ein evtl. stärker zu gewichtendes Negativargument ist: Eine Goldhausse ist politisch (noch) nicht gewollt. Traditionell wird eine Goldhausse gerne in Zusammenhang mit wirtschaftlich unsicheren Zeiten, diversen Krisenszenarien etc. gesehen – in Zeiten, in denen alles daran gesetzt wird, einen Wirtschaftsaufschwung „herbeizupolitisieren“, passt eine ausgeprägte Goldhausse als eine Art „rauchender Vulkan“ nur schlecht ins schönzuredende Bild.


      Ich schon einmal angedeutet, dass ich persönlich das Notenbankgold langfristig keineswegs für problematisch halte, da es in globalen Maßstäben kaum Bedeutung hat. So addieren sich z.B. die Goldreserven des blanken Hans auf mickrige 30 Mrd. $. Außerdem: Wenn gleich Politiker nicht unbedingt dafür bekannt sind, über den nächsten Wahltermin hinaus zu denken, so müssen/werden jedoch auch diese sehr schnell erkennen, dass die Goldreserven bei steigenden Unzenpreisen beständig an Wert und somit auch an politischem Einfluss gewinnen. Also: Ist es logisch, sein Tafelsilber ohne Not (Schuldenmachen geht immer) bei derartig positiven Rahmenbedingungen zu Schleuderpreisen zu verscherbeln? Politik und wirtschaftliche Logik – gut – aber selbst wenn verkauft wird: Auf diesem Niveau wird es ausreichend Käufer geben, die froh sind ihre Bestände mit billigen Blocks aufzustocken. Denn: Die Finanzindustrie ist schon seit ein Paar Jahren sehr aufmerksam, was den Gold/Goldaktienmarkt angeht. Wer sich die Umsatzentwicklung der letzten 1-2 Jahre in den großen Minengesellschaften ansieht, könnte durchaus annehmen, dass hier bedeutende Positionsverschiebungen stattgefunden haben – und das zu durchaus akzeptablen Preisen, denn der XAU ist noch immer ca. 50% von seinem Hoch im Jahr 1996 entfernt und auch das aktuelle KGV ist historisch eher als niedrig einzustufen. Die Kapitalerhöhungen der jüngsten Zeit (z.B. auch NEM) wurden von Institutionellen geradezu verschlungen...
      Die in letzter Woche an dieser Stelle geäußerte Meinung, dass Goldaktien evtl. ihren Aufwärtstrend beschleunigen werden, auch ohne weiteren Anstieg des Kassagoldmarktes, hat sich zumindest bis jetzt schon bestätigt – der XAU stieg daraufhin bereits um ca. 7 % !!! an. Für mich derweil keine unlogische Entwicklung: So wie ich es sehe, hat sich die Finanzindustrie in den letzten Jahren schon gut bis sehr gut im XAU eingekauft – und das wie üblich still und leise...oder hätten Sie auf Anhieb gewusst, dass Goldaktien auch in 2003 zu den absoluten Topperformern gehören? Jedoch: Allmählich beginnen die Medien das Thema aufzugreifen, Goldwerte rücken vermehrt in den Anlegerfokus und könnten m.M.n. eine schnelle Flucht nach vorn antreten – um sich sozusagen „vor übereifrigen Seiteneinsteigern zu schützen“. Oder anders: In der Frühphase einer Hausse zählt jede billig erstandene Aktie doppelt und sollte nicht „den Anderen“ überlassen werden – Timing bzw. das Warten auf eine Korrektur ist nicht ratsam. Also erwarte ich, dass das XAU-Niveau bis Ende April 2004 auf min. 125, evtl. bzw. wahrscheinlich auch erheblich darüber „gezogen“ wird – bei möglicherweise nur stagnierenden Goldpreisen - im Extremfall sogar bei vorrübergehend sinkenden Goldnotierungen! Wir alle kennen den Effekt: Steigt der Goldpreis nachhaltig und öffentlichkeitswirksam an, steigt parallel dazu das Interesse an Goldaktien. Sollte jedoch, wovon ich ausgehe, auch ein XAU-Niveau von 150 in den nächsten Jahren als absolute Kaufgelegenheit angesehen werden, so müssten diejenigen, die eben davon überzeugt sind, schon jetzt kaufen was sie bekommen können und gleichzeitig versuchen, den Goldpreis an der 400er Marke festzunageln, um somit, ebenso vorübergehend, das aktuell aufkeimende Goldinteresse in Keim zu ersticken bzw. zumindest nicht durch massive Goldkäufe zu fördern, was wiederum einen messbar negativen Effekt auf den Durchschnittspreis der zugekauften Goldaktien hätte. Anschließend, so ab Mitte 2004, evtl. auch ein Paar Monate früher könnte dann der Goldpreis quasi im Nachhinein die zu diesem Zeitpunkt schon vollzogene XAU-Neubewertung rechtfertigen – anschließend können Goldpreis und selbige Aktien in etwa im Gleichschritt laufen.
      Möglichkeiten den Goldpreis noch für eine Weile um 400$ zu stabilisieren gibt es zu Hauf. Außerdem droht dem Goldpreis ohnehin ein kurzfristiger, zeitlich kaum zu bestimmender starker Einbruch – genau an den Tag, wenn es zu massiven Pro-$-Interventionen (die können jederzeit kommen – früher oder später) an den Devisenmärkten kommt bzw. der $ von selbst stark nach oben tendiert. In einem Interventionsszenario könnte der $ innerhalb von Stunden um ca. 4-5% aufgewertet werden und das Gold schnell wieder die 370er Marke „sehen“ – für das Gold sicherlich nur vorübergehend (bis zu 6 Monate), aber: Für die meisten aktuellen Goldanleger ein Fiasko, denn die Mehrheit geht aktuell von höheren Goldnotierungen vor allem des schwachen $`s wegen aus; sollte dieses Bild beschädigt werden, so würde ein mittelfristiger Ausverkauf in goldsensitiven Bereichen erfolgen – und somit einigen zu einer unverhofften Kaufgelegenheit verhelfen.
      Selbstverständlich könnte das Gold auch auf direktem Weg in Richtung 500$ marschieren und unsere Goldanlagen würden sich ohne Risiko prächtig entwickeln – aber auf einen derart „einfachen Weg“ sollte sich ein Anleger niemals begeben! Börsengewinne sind selten einfach – sie müssen unter Schmerzen entstehen, wenn sie nachhaltig sein sollen. Dies bedeutet: Auch wir, die wir mit unserer Goldanlage bislang richtig liegen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach nochmals auf eine harte Probe gestellt. Wird diese jedoch erfolgreich bestanden, so winken in den nächsten Jahren m.M.n. erfreuliche Profite.
      Also...was ist noch zu holen im Goldmarkt?

      Das Risiko für den Goldpreis sehe ich bis Ende 2004 bei ca. 340-350$...mit viel gutem Willen auch 325$. Hier müssten jedoch eine starke $-Hausse, weltweite Börsenhaussen, Weltfrieden etc. zusammen kommen. Bewertung: Nicht sooo unwahrscheinlich, wie es die bereits investierten Goldanleger gerne hätten, aber auch nicht sooo wahrscheinlich, dass es als Masterversion in Betracht gezogen werden sollte. Zumal: Nach 2004 kommen noch weitere Jahre...
      Sollte es dagegen keine massiven Störfaktoren im Goldmarkt geben, so erwarte ich schon 2004 Werte von bis zu 550$ die Unze. Aber, wie schon gesagt, ein $-initiierter Einbruch von 30$/pro Unze und mehr ist aktuell jederzeit möglich – 550$ wären dann in 2004 nur schwer zu „sehen“....
      Fazit: Erstes Kursziel 2004 = ca. 460$! Dies erscheint mir auch nach einem Absacker im späteren Jahresverlauf machbar zu sein.
      Für den XAU-Index sehen wir in 2004 Chancen für zunächst 125-150 Punkte. 2005 nochmals erheblich mehr.

      Kleines Rechenbeispiel, dass Ihnen zeigt, warum der XAU noch immer spottbillig ist am Beispiel der Aktie NEM. Es wird prognostiziert, dass der Gewinn im Hause NEM pro 10$ Anstieg im Goldpreis um min. 12 Cent pro Aktie zunehmen wird – nicht mehr und nicht weniger. Gegenwärtig liegen die Gewinntaxen bei ca. 1.36 $ pro Aktie für 2004. Das aktuelle 50er KGV ist für NEM mittelfristig eher die Untergrenze. Nehmen wir an, der Goldpreis steigt in den nächsten 2-4 Jahren – dies entspricht exakt meiner Planung – auf sein altes Hoch um 800 $. Dies bedeutet, dass sich der Gewinn pro Aktie auf ca. 6.16 $ erhöhen müsste. Folgerichtig hätte der Kurs bei einem KGV von 50 ein Potential bis ca. 300$ (derzeit um die 50$). Wenn man es sich weiter schönrechnet, könnte man sagen: Wenn der Goldpreis in der Tat bei 800 $ steht, befinden wir uns in einer euphorischen Goldhausse und die KGV`s wären bedeutend höher (ca. 150 - 250 im Euphoriefall) – vor allem, da dann Kurstaxen für das gelbe Metall von einigen Tausend $ die Runde machen und die Gewinnschätzungen somit explodieren. Und – bei dann „echten“ 800 $ muss es nicht bleiben...wäre ohnehin „nur“ eine blasse Verdopplung und daher als Kursziel für eine neue Spekulationsblase eher ein wenig zu lasch. Sie sehen: Mit nur wenig Phantasie können Sie zu den 300 mit Leichtigkeit eine weitere Null addieren! Wie gesagt – das sind nur Chancen – aber wo sonst bekommen Sie derzeit solche Werte geboten?

      Fazit: Goldaktien sind mittel- und langfristig ein klarer Kauf und könnten auch kurzfristig weiter an Boden gewinnen – unabhängig davon, wie der $ notiert bzw. das Gold selber in naher Zukunft abschneidet. Den Goldpreis sehen wir in 2004 bei min. 460$ und den XAU zunächst bei 125-150, später gerne höher.

      Jetzt fehlt nur noch eine kurze Bestätigung, die Sache mit dem 300er Ziel für NEM sei nicht ernst gemeint, richtig?

      Hierzu ein kleiner firmeninterner Running-Gag: Alle Paar Wochen schaue ich ins Backoffice und sage: Pss...pss...übrigens...NEM geht auf 300.....
      Das mache ich in der Tat seit dem 01.05.03 (Kurs damals um 27,50$)...und wissen Sie...ich glaube es wirklich!

      ....ok...280 wären auch i.O....
      http://www.hpm-online.de/HPM/index.html
      Avatar
      schrieb am 05.12.03 23:42:30
      Beitrag Nr. 1.022 ()
      Wochenendbeilage
      Gerhard Branstner

      Nicht der Terrorist, der Terrorisierte ist schuld

      Mit den Kosten der Kriege könnten Wüsten fruchtbar gemacht werden


      Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Nur ist Bush kein Don Quichote, denn er hat die Mühle selber hingestellt. Das ist Irrsinn, doch er hat Methode. Gehen wir den Irrsinn der Reihe nach durch.

      Das Ende des Kapitalismus hat drei Kriterien. 1. Die soziale und sittliche Verelendung, 2. Der Krieg als generelles Mittel der Globalisierung und 3. Der Klimatod. Nehmen wir als erstes den Krieg. Die USA haben seit dem 2. Weltkrieg mehr Kriege geführt als jedes andere Land auf dieser Erde. Und nicht einer war ein Verteidigungskrieg. Sie alle waren Terrorkriege. Sogar der 2. Weltkrieg war von seiten der Westmächte a u c h ein Terrorkrieg. Dresden und Hiroshima wurden zerstört, als der Faschismus längst am Boden war. Und die Zivilbevölkerung war das Opfer. Das sind Geiselkriege, die schlimmste Form des Terrorismus. Und was kosten die Kriege und ihre Folgen? In Deutschland, in Japan, in Vietnam, in Jugoslawien, in Afghanistan, im Irak? Mit diesen Kosten könnten alle Wüsten fruchtbar gemacht werden, alle Menschen hätten sinnvolle Arbeit und nicht ein Mensch in der Dritten Welt müßte Hungers sterben. Und nicht ein Mensch auf dieser Welt käme auf die Idee, Terror zu machen. Das ist nur eine schwache, unvollständige Beschreibung des Irrsinns des imperialistischen Terrorismus und seiner unmenschlichen Folgen.

      Zur sozialen Verelendung: Die soziale Verelendung in der Dritten Welt kann als bekannt vorausgesetzt werden. Neu ist die soziale Verelendung in der Ersten Welt, in den führenden Industrieländern. Da ist zunächst die Überproduktion von Geldkapital, das als vagabundierendes Kapital sein Unwesen treibt. Nachdem es die kleinen Tigerstaaten aufgeblasen hatte und sich ohne reelle Deckung zu einer riesigen Blase aufbläht, muß es eines Tages platzen, was verheerende Auswirkungen haben wird. Bis dahin tritt das überproduzierte Geldkapital an die Stelle der Überproduktion von Waren, an die Stelle der klassischen zyklischen Krise. Und sie hat andere Folgen. Da das überschüssige Geldkapital nicht mehr als Investition oder als Kaufkraft fungiert, produziert es Arbeitslosigkeit und Einkommensverlust der kleinen Leute, einerseits durch die ständigen Preiserhöhungen (vermittels der Euro-Einführung und anderen) und andrerseits durch die endlosen »Einsparungen« (Renten, Gesundheitswesen, Arbeitslosenunterstützung etc.) Wenn ein Operntheater geschlossen wird, kommt das in die Zeitung. Schlimmer ist der Abbau, der nicht in die Zeitung kommt, die Auswirkungen an der Basis, in den Bibliotheken, den Kulturhäusern und in den Institutionen, wo etwas für die einfachen Leute getan wird. Verheerend ist die Auswirkung der Einkommensverluste, wodurch die kleinen Leute sich keine Kultur mehr leisten können. Hier findet ein Kulturabbau statt, der bereits zum Notstand geworden ist. Dieser Kulturnotstand ist aber nicht nur Zeichen des Niedergangs einer Kulturnation, der sittlichen Verelendung, er ist auch Zeichen des sittlichen und kulturellen Niedergangs des Kapitalismus.

      Mit einem Wort: Der militärische Terrorismus wird von dem sozialen/kulturellen Terrorismus begleitet. Um endlich das richtige Wort in Anwendung zu bringen. Der imperialistische Terror ist die Ursache des Gegenterrors (speziell aus der Dritten Welt). Seit dem US-amerikanischen Kampf gegen den Terror hat der Terror enorm zugenommen. Die Anschläge der Iraker gegen die amerikanische Besatzung und ihre Kollaborateure sind kein Terror, sondern der legitime Kampf gegen eine feindliche Macht.

      Die Profitgier hat keine Grenzen. Doch, eine: Die Revolution. Die Zeit der Reformen ist längst vorbei. Reformisten sind die Madenhacker der Kapitalismus.

      An dieser Stelle muß endlich gesagt werden, daß der »reale Sozialismus«, so jämmerlich er war und gerade weil er so jämmerlich war, das Beste war, was es für den Kapitalismus geben konnte. Ein wirklicher, echter Sozialismus hätte den Kapitalismus ad absurdum geführt, und ohne allen Sozialismus ist der Kapitalismus ohne Herausforderung und fällt auf sich zurück, das heißt auf seine Blödheit. In Folge dieser Blödheit soll der Terrorismus für den »realen Sozialismus« sein, was er aber nicht sein kann. Die Wirkung des »realen Sozialismus« war faktisch konterrevolutionär: Einerseits war er statt anziehend eher abschreckend, andrerseits zwang er den Kapitalismus zu sozialen, ihn erhaltenen Maßnahmen. Der auf sich selber zurückgefallene pure Kapitalismus begeht faktisch Selbstmord. Daher ist die Revolution näher als vorher. Aber, bitte, historische Geduld. Das Römische Reich brauchte 300 Jahre, um unterzugehen, die Große Französische Revolution brauchte 200 Jahre, angefangen mit den Bauernaufständen, den Hungerrevolten und der schleichenden Entwicklung kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Die sozialistische Revolution, die Herstellung des wirklichen Sozialismus braucht ebenfalls Jahrhunderte. Die Pariser Kommune, die Oktoberrevolution, der »reale Sozialismus« waren nur Anläufe. Auch Bewegungen wie Attac, das internationale Sozialforum, die gewaltigen Demonstrationen gegen den Irak-Krieg, die Demonstration der Hunderttausend auf dem Gendarmenmarkt sind Schritte auf dem Wege zur Revolution. Aber der Weg ist lang, er hat Rückschläge, auch wenn die USA, wenn Bush unermüdlich nachhelfen.

      Der Imperialismus hat im Zuge der Globalisierung zwei Tendenzen. Die eine ist die Zentralisierung. Mit den USA als Führungsmacht. Dem diente der »reale Sozialismus« und nach dessen Ausfall der Terrorismus. Der 11. September war den USA willkommener Vorwand, die eigene Führungsmacht zu stärken, die anderen Länder zu erpressen und die Demokratie zu reduzieren. Die andere Tendenz ist die Abwehr einzelner kapitalistischer Länder gegen den übermächtigen Führungsanspruch der USA. Diese Tendenz wird durch das existentielle Bedürfnis nach Zusammenhalt der kapitalistischen Länder gebändigt.

      Die Kriege der USA haben eine merkwürdige Kausalität. Überstiegen beim Vietnamkrieg und beim Jugoslawien-Krieg die Rüstungsgewinne noch bei weitem die Kriegskosten, sind beim Afghanistan-Krieg und noch mehr beim Irak-Krieg die Nachfolgekosten bedeutend höher als die Rüstungsgewinne. Die USA verbrauchen sich. Daher sind sie gezwungen, betteln zu gehen. Das verstärkt die zweite Tendenz. Was ein typisch kapitalistisches Tauziehen zur Folge hat. Jetzt zum Klimatod: In Indien und Afrika sterben jährlich sechs Millionen Menschen an umweltvergiftetem Wasser. Die nachweislich von der kapitalistischen Produktion verursachten Überschwemmungen, Feuersbrünste und Dürrekatastrophen nehmen stärker zu als befürchtet. Das nur zum Exempel. Nach dem militärischen Terror, dem sozial/kulturellen Terror folgt der Terror gegen die Natur: Drei Selbstmordattacken des Kapitalismus. Wie will und kann er das überleben?
      http://www.jungewelt.de/2003/12-06/021.php
      Avatar
      schrieb am 05.12.03 23:43:54
      Beitrag Nr. 1.023 ()
      Kommentar
      asc

      Fünf Jahre Gerster

      Ein Exklusivpapier enthüllt, was sie kosten


      Das bißchen Haushaltsgeld, das die höheren Stände für ihre Bemühungen ums Vaterland einstreichen, ist schwer verdient. Dennoch blüht Undank. Wer z. B. wie Klaus Landowsky Berlin in die Pleite geritten hat, wird mit wenigen hunderttausend Euro in den Ruhestand geschickt. Wer die LKW-Maut als Doku-Soap für »Pleiten, Pech und Pannen« inszeniert, erhält Regreßforderungen. Und wer wie Florian Gerster die neuesten Arbeitslosenzahlen Monat für Monat mit derselben Miene mitteilt, mit der das Umfallen von Reissäcken in China verkündet wird, ist zu recht angefressen, wenn da eine böswillige »Generalkritik« an ihm, seinem Salär und dem Sponsoring für andere notleidende Spitzen der Gesellschaft aus der Arbeitslosenversicherung geübt wird. Am Freitag wurde er in der Financial Times Deutschland zitiert: »Ich würde mich nicht für fahnenflüchtig halten, wenn ich sagen würde, fünf Lebensjahre an dieser Stelle kosten Nerven.«

      Fünf Jahre Gerster als Arbeitslosenstatistiker kosten mehr. Bild hat sich den siebenseitigen Vertrag zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Berliner Firma WMP besorgt und zitierte am Freitag: »WMP wird dazu in enger Abstimmung mit der BA positionierende, additive und kreative Kommunikationsdienstleistungen durchführen.« PR-Berater Bernd Schiphorst sollte zwei Tage pro Woche in Nürnberg präsent sein. Honorar für WMP inklusive Spesen: »60 000 Euro/Monat plus Mehrwertsteuer.« Zwei Zeilen auf sieben Seiten reichen. In einer richtigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme muß man sich das Geld nämlich schwer verdienen.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-06/004.php
      Avatar
      schrieb am 05.12.03 23:51:54
      Beitrag Nr. 1.024 ()
      Ausland
      Mumia Abu-Jamal

      Schatten des alten Rom

      Die Geschichte erzählt immer mehr über die Gegenwart als über die Vergangenheit


      Der Krieg, so wurde uns erzählt, wurde schon vor Monaten in der Gluthitze der irakischen Wüste beendet. George W. Bush war derjenige, der dies Anfang Mai 2003 verkündete, als er in seinem maßgeschneiderten Fliegerdreß herumstolzierte und tönte: »Mission erfüllt!« Wenn man aber Kriege an der Zahl der Toten mißt, an Kampf und Zerstörung, dann ist das Irak-Abenteuer noch lange nicht beendet.

      Die Zahl der toten US-Soldaten (ganz zu schweigen von der der getöteten Irakis!) hat längst die Zahl derer überschritten, die während des offiziellen Krieges umkamen. Eine andere Zahl, die jetzt ansteigt, ist die der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger, die von der Besetzung Iraks zunehmend desillusioniert werden. Einige hinterfragen jetzt die Gründe für Krieg und Besatzung, denn es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß die vorgeblichen Massenvernichtungswaffen existieren oder in den vergangenen Jahren existiert haben.

      Der eloquente schwarze Nationalist Malcolm X hat es einmal so ausgedrückt: »Die Geschichte belohnt am besten unseren Forscherdrang.«

      Wenn wir uns den Aufstieg des US-Imperiums ansehen, dann sind wir versucht, uns historische Vorläufer wie das alte Rom anzuschauen. Tacitus, der als der größte Historiker des Römischen Reiches angesehen wird, beschrieb die römischen Raubkriege gegen die Britannier, Gallier und Kaledonier (Schotten). Unter seinen Berichten finden wir auch jenen über Calgacus, den Kaledonier, der die Britannier zum Widerstand gegen die römischen Eindringlinge aufrief. Seine Rede zeigt, wie ein unter der Besatzung leidendes Volk die Römer sah: »So oft ich die Gründe für diesen Krieg und unsere Notlage betrachte, erfüllt mich große Hoffnung, daß der heutige Tag durch eure Einigkeit der Beginn der Freiheit für ganz Britannien sein wird. Denn ihr seid alle gekommen, kennt keine Sklaverei, und hinter uns gibt es kein Land mehr; nicht einmal das Meer bietet Sicherheit, da die römische Flotte uns bedroht. Und so sind Kampf und Waffen, die für Tapfere ehrenvoll sind, auch für die Feigen das Sicherste. Jetzt stehen die Grenzen Britanniens offen, jetzt gibt es kein Volk mehr nach uns, nur noch Wasserwogen und Felsen ... Und noch gefährlicher sind die Römer, wenn man ihrem Übermut vergeblich durch Gehorsam und Unterwürfigkeit zu entgehen versucht. Diese Plünderer der Welt! Seitdem sie alles in Schutt und Asche gelegt haben und ihnen das Festland ausgegangen ist, durchsuchen sie das Meer. Wenn der Feind reich ist, sind sie habgierig, wenn er arm ist, ruhmsüchtig, sie, die nicht der Orient, nicht der Okzident sättigen kann; als einzige von allen Völkern begehren sie Reichtum und Armut der anderen mit gleicher Gier. Rauben, niedermetzeln, vergewaltigen nennen sie euphemistisch ›herrschen‹, und wo sie eine Öde schaffen, nennen sie es ›Frieden‹.« (Tacitus, P. C., Univ. of Oklahoma Press, Norman/London 1967, S. 44–45)

      Was werden die Menschen Jahre später, vielleicht Jahrhunderte nach uns, über das US-Imperium denken? Werden die Rechtfertigungen des Krieges, die Bush vorgeschoben hat, noch Bestand haben? Oder werden die Stimmen derer, denen der US-amerikanische Springerstiefel im Nacken sitzt, gehört?

      Weil wir alle auf die Presse angewiesen sind, die den Konzernherren und Herrschern das Wort reden, werden es solche Stimmen noch eine ganze Weile schwer haben, sich Gehör zu verschaffen.

      Aber wenn Tacitus uns eine Sache gelehrt hat, dann die, daß diese Stimmen eines Tages zu hören sein werden. Die Geschichte erzählt uns immer mehr über die Gegenwart als über die Vergangenheit. Sie vermittelt uns nicht nur eine Vorstellung davon, was vor uns war, sondern was in der Gegenwart passiert und warum.

      (Übersetzung: Jürgen Heiser)

      http://www.jungewelt.de/2003/12-06/008.php
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      schrieb am 05.12.03 23:55:58
      Beitrag Nr. 1.025 ()
      Inland
      Sahra Wagenknecht

      Steuerwirrwarr

      Neue Konzepte vereinfachen nicht das Steuerrecht, sondern die Steuerflucht am oberen Ende der Einkommenspyramide


      Wer eine Vereinfachung des Steuerrechts in der Bundesrepublik fordert, hat zunächst einmal das öffentliche Lob auf seiner Seite. Die Steuergesetze mit ihren unzähligen Abschreibungen und Sonderabschreibungen, Ausnahmeregelungen und Ausnahmen von der Ausnahme sind Herrschaftswissen der Zunft der Steuerberater, und selbst die haben meist nicht mehr den totalen Überblick, sondern kennen sich eben in dem Bereich aus, auf den sie sich spezialisiert haben. Für Normalsterbliche ist das Ganze ein Buch mit sieben Siegeln, und selbst ein wenig verdienender Scheinselbständiger braucht oft genug professionelle Beratung, um seine Kröten dem Finanzamt auf korrekte und den eigenen Geldbeutel möglichst schonende Weise anzuzeigen. Wer abhängig beschäftigt ist, der muß sich um den ganzen Kram zwar nicht unbedingt kümmern, da der Fiskus ohnehin zulangt, bevor das Geld überhaupt auf dem privaten Konto erscheint, aber in der Regel kann bei kundiger Beratung selbst hier am Ende noch mehr zurückgeholt werden, als der Berater kostet.

      Eine der Konsequenzen dieser Situation ist, daß Einkommen gleicher Höhe in der Bundesrepublik auf völlig unterschiedliche Weise besteuert werden, je nachdem, welche Energie der Bezieher darauf verwendet, anstelle des Fiskus lieber eine Steuerberatungskanzlei und am Ende vor allem sich selbst zu nähren. Und je größer die Summe, die es vorm Fiskus unsichtbar zu machen gilt, desto eher rentiert sich natürlich auch ein überdurchschnittlich versierter und entsprechend überdurchschnittlich teurer Steuermagier. Studien diverser Wirtschaftsforschungsinstitute belegen, daß die sogenannte Grenzsteuerbelastung – das heißt die Steuerbelastung eines zusätzlich verdienten Euro – in der Realität des bundesdeutschen Steuerrechts nur im unteren bis mittleren Einkommensbereich tatsächlich progressiv wächst. Überschreitet das Einkommen eine gewisse Schwelle, sinken Grenz- wie Durchschnittsbelastung wieder, und zwar so rapide, daß jene vom Fiskus gänzlich unbelästigten Einkommensmillionäre längst alles andere als exotische Ausnahmen sind.

      Insofern hat die Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit der Steuerparagraphen und die konkrete Ausgestaltung der Abschreibungsmöglichkeiten ihre von den diversen Lobbys mit Bedacht erkämpfte Umverteilungswirkung – und gerade Linke haben wenig Anlaß, diese Situation verteidigenswert zu finden. Noch weniger Grund freilich haben sie, deshalb jedem Konzept, daß sich Vereinfachung auf die Fahnen schreibt, auf den Leim zu gehen. Zwei solche Konzepte wurden in jüngster Zeit mit erheblicher Öffentlichkeitsarbeit in den Ring geworfen: das Steuerkonzept von Friedrich Merz, das auf Ideen zurückgeht, die 1995 von dem CDU-Wirtschaftspolitiker Gunnar Uldall entwickelt wurden, und das Konzept einer integrierten Einkommens- und Körperschaftssteuer, das die »Forschungsgruppe Bundessteuergesetz« um den Exverfassungsrichter Paul Kirchhof vorgelegt hat, und das mit der Behauptung für sich wirbt, künftig eine Steuererklärung in zehn Minuten möglich zu machen.

      Beide Konzepte fordern eine rapide Absenkung der Steuersätze, die Schröders fürs nächste Jahr geplante Steuergeschenke nochmals unterbieten. Und beide wollen einen erheblichen Teil des so verschenkten Geldes über die Streichung von »Steuervergünstigungen« wieder reinholen, was das Steuerrecht vereinfachen und außerdem einen höheren Grad an steuerlicher Gleichbehandlung gewährleisten soll. Konkret sieht Merz einen Grundfreibetrag von 8000 Euro vor, der sich mit jedem Kind um weitere 8000 erhöht. Während gegenwärtig für jeweils knapp 40 Euro zusätzlichen Einkommen der Steuersatz leicht angehoben wird bis zu einem Jahreseinkommen von 52151 Euro, ab dem der Spitzensteuersatz gilt, gibt es bei Merz drei große Stufen: Der Eingangssteuersatz beträgt zwölf Prozent – drei Prozentpunkte weniger als im SPD-Konzept –, ab 16000 Euro Jahreseinkommen werden 24 Prozent und ab 40000 Euro 36 Prozent Steuern fällig. Letzteres ist also der Spitzensteuersatz, der die SPD-Steuerreform damit um noch mal sechs Prozentpunkte unterbietet.

      Scheinbar werden durch die sinkenden Tarife zunächst alle Einkommensgruppen entlastet. Auf 45 Milliarden Euro beziffert Merz die zu erwartenden Mindereinnahmen, die sich konkret folgendermaßen verteilen: Während ein Bezieher von 20000 Euro Jahreseinkommen von der SPD-Steuerreform mit 1170 Euro und von Merz mit rund 1400 Euro profitiert, würde einem Einkommensmillionär, den Schröder mit gut 100000 Euro pro Jahr beglückt, von Merz noch einmal ein Scheck von etwa 50000 Euro dazugereicht. Allerdings existiert der Steuernachlaß im letzten Fall natürlich nur, wenn der Einkommensmillionär bisher den Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent tatsächlich gezahlt hat. Da das für kaum einen gilt, könnte eine radikale Reduzierung der Abschreibungsmöglichkeiten theoretisch tatsächlich Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten, selbst wenn die Tarife sinken. Voraussetzung wäre, genau jene speziellen Scheunentore im Steuerrecht zu schließen, durch die die Upper class derzeit ihre Schäfchen ins trockene bringt.

      Merz’ Gegenfinanzierungsvorschläge, durch die mindestens 35 der 45 Milliarden wieder in die öffentlichen Kassen zurückfließen sollen, belasten dagegen vor allem die breite Masse der abhängig Beschäftigten, während kaum ein Drittel Besserverdienende, Selbständige und Unternehmer überhaupt betrifft. Allein die Aufhebung der Steuerbefreiung von Nacht-, Sonntags-, und Feiertagszuschlägen beispielsweise soll 10,5 Milliarden bringen, die Streichung der Entfernungspauschale fünf Milliarden. Abfindungen bei Arbeitsplatzverlust sollen voll versteuert werden. Das gleiche gilt für Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten in Vereinen und Verbänden. Faktisch dürfte ein großer Teil der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen damit sogar noch mehr Steuern zahlen als heute. Ähnliches ließe sich auch über den Vorschlag von Kirchhof sagen, der einen Spitzensteuersatz von nur noch 25 Prozent vorsieht. Auch bei ihm soll die Finanzierung der Tarifsenkungen über den Abbau sogenannter Steuervergünstigungen laufen, und auch bei ihm bleiben die heiligen Kühe des großen Steuerbetrugs ausgeklammert. Was beide Konzepte tatsächlich vereinfachen, ist also nicht das Steuerrecht, sondern vor allem die Steuerflucht am oberen Ende der Einkommenspyramide.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-06/010.php
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      schrieb am 08.12.03 22:52:14
      Beitrag Nr. 1.026 ()
      Avatar
      schrieb am 08.12.03 22:52:32
      Beitrag Nr. 1.027 ()
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      schrieb am 08.12.03 22:55:20
      Beitrag Nr. 1.028 ()
      Avatar
      schrieb am 08.12.03 23:03:58
      Beitrag Nr. 1.029 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de



      "Wertegemeinschaft": 07.12.2003

      DIESE WOCHE
      Diese Woche macht sich der Spatz Gedanken über die sogenannte westliche Wertegemeinschaft, und die Anwendung dieser Werte hier und z.B. im Irak. Er überlegt, welche Barbarei und Betrug unter dem Vorwand der Demokratie begangen werden, und wie wenig zivilisiert die "Befreier" des Iraks eigentlich sind. Denken Sie mal drüber nach, besonders vor der nächsten "Wahl"!


      Wird der Wähler wiederentdeckt?


      Falls Sie zufällig einen Waffenschein haben, und auch eine Waffe besitzen, und falls Sie merken, daß jemand Bewaffnetes ohne anzuklopfen durch das Fenster bei Ihnen einsteigt und ihnen die Wohnungseinrichtung zerschlägt, und sie sich schließlich aufraffen, Ihre Waffe hervorkramen und auf den Eindringling schießen - halten Sie sich dann für einen Terroristen. Nein? Warum halten Sie dann Irakis für Terroristen? Warum hält Ihr Fernsehen, ihre Medien, die Sie bezahlen, um "richtig" informiert zu sein, warum halten die diese Leute für Terroristen? Haben Irakis eine andere Wahl? Oh ja, sie können klein beigeben sich dem Großen Bruder fügen und sich mit den Brotsamen zufrieden geben, die von der Herren Tisch fallen. Man entscheidet sich eben, ob man ein Mensch oder ein Pimp sein will.

      Heißen die Widerständler Terroristen, weil derjenige, der eingestiegen ist, vorgibt, ein Demokrat zu sein, weil er übermäßig stark ist (so daß jeder Widerstand "unvernünftig" ist, weil er vorgibt, der gleichen "Wertegemeinschaft" anzuhören wie Sie? Ist der Einstieg im Falle der Irakis gerechtfertigt, weil die den Wert dieser Wertegemeinschaft nicht zu schätzen wissen, und sich daher als zivilisierte Menschen "geoutet" haben. Vielleicht wäre es sinnvoll, über die verbliebenen "Werte" dieser unserer westlichen Wertegemeinschaft nachzudenken und sich zu fragen, ob man selbst mit denen noch etwas gemein hat, haben will oder ob man ihnen nur zustimmt, um sich entsprechende Besuche zu ersparen. Die Irakis hätten sich Scherereien sparen können, wenn sie den eindringenden Amerikanern, die immer nur "das Beste" der besetzten Länder, nämlich "Freiheit und Demokratie" wollen, mit Fähnchen zugewinkt hätten. Vielleicht wäre dabei für sie der eine oder andere Kaugummi abgesprungen. Wer wollte sich schon den sozialen und kulturellen Errungenschaften des überlegenen Westens querstellen?

      Errungenschaften? Es schwer fällt (mir jedenfalls) noch "Werte" der westlichen Wertegemeinschaft zu entdecken. Aus dem Grund will ich darauf nicht weiter eingehen und mich auf den einen beschränken, um den so viel Aufhebens gemacht wird: "Demokratische Wahlen", (man könnte natürlich auch über Wahrheit und Wahrhaftigkeit in einer von Werbung getragenen Gesellschaft reden. Dafür wird seid neuestem ein moderner Begriff vorgeschlagen "Mentaler Kapitalismus"). Doch werden wir konkreter!

      In den USA sieht es mit der Wiederwahl des Präsidenten schlecht aus. Die Gründe sind offensichtlich. Dem Hurrah-Patriotismus geht es wie dem Siegestaumel beim schnellen Siegen in Kriegen mit haushoher Überlegenheit und kaum eigenen Toten. Läuft etwas schief, kommen Zweifel auf, zumal wenn sich Widerstand regt, und sich zeigt, daß die angebliche Befreiung doch eher als Raubzug gedacht war. Auch läßt sich nicht beliebig lange ein Wirtschaftsaufschwung in Statistiken herbeifeiern, von dem praktisch niemand wirklich etwas merkt: "No Jobs, no money, just talk". Wenn der Aufschwung - wie überall behauptet - anklopft und immer wieder anklopft, fragt sich der Wähler, warum niemand die Türe aufmacht und ihn hereinläßt. Was also spricht für den bisherigen Präsidenten? Die Innere Sicherheit, die das durchgreifende Patriot-Gesetz bieten soll. Da es unter anderem vorsieht, Leute aufzuschreiben, die sich bestimmte Bücher aus der Bibliothek ausleihen (oder gar kaufen!), begeistert auch das die Amerikaner wenig, die noch Bücher kaufen oder sich welche ausleihen. Für die anderen bietet das Gesetz andere, verwandte Überraschungen. Nur die in der "Auf sie mit Gebrüll"- oder "Gott strafe die anderen" - Stimmung könnten dem etwas abgewinnen. Doch wie lange lassen sich solche Stimmungen wachhalten?

      Was tun? PR-Spezialisten und Meinungsmacher an die Front! Doch auch die wissen wenig Hoffnungsvolles zu berichten. Meinungen sind zwar machbar, doch auch nicht ganz ohne Voraussetzungen. Eine davon wäre ein sogenannter "Mythos". Gib den Leuten ein hehres Ziel vor, tolle Ideale, an die zu glauben (oder wenigstens so zu tun) einen gut aussehen lassen, und sie werden dir folgen - sogar in den Krieg. Auch das Umgekehrte ist richtig. Die Demontage, Enttabuisierung, das Niederreißen der gleichen Ideale löst auch Lustgegröhle der damit genasführten Massen aus und eignet sich hervorragend als Werbegag. Doch wo wäre noch ein Ideal, das nicht lächerlich gemacht worden ist, das noch nicht zu Werbezwecken mißbraucht wurde? Sie alle sind wie ihre Demontage nach zu häufigem Mißbrauch zerschlissen und kaum noch mehr wert als gebrauchtes Klopapier. Damit wären wir wieder bei dem verbindenden Wert der "Werte der Wertegemeinschaft".

      Ohne meist im Verborgenen aber um so nachhaltiger unterliegende Ideale wirkt die teure Fernsehwerbung nicht. Beim Güterverkauf mögen es gewisse optische Idealisierungen oder Wunschphantasien tun, bei der Politik in Krisenzeiten reicht so etwas nicht. Denn was halten Sie von einem Friseur, der einem nach einem Verkehrsunfall verblutenden, die dabei zersausten Haare schön kämmt? Warum beurteilen Sie Politiker, die entsprechend handeln, anders? Warum werden bunte Broschüren gedruckt, wenn die neben schönen bunten Bildern gedruckten, aufwendig formulierten Sprüche und Verheißungen "Wenn ihr uns wählt, dann..." nicht mehr lesen, sondern als das übliche Blabla übergehen? Weil das schon so lange so geht, kommt beim einen oder anderen die trotzige Frage auf: Ihr seid doch gewählt worden, was hat es gebracht?

      Bei uns gibt bekanntlich noch die Hälfte der Wähler ihre Stimme ab, weil das Fernsehen sagt, daß das anständig sei und ein guter Bürger so etwas tun solle. Einige glauben, weil es schon der Großvater so hielt, daß sie sich damit für ein geringeres Übel entschieden. Aber niemand hat sich die Mühe gemacht, die Übel tatsächlich abzuwägen - wohl, weil ein Maßstab fehlte und man bei allem schicken Pragmatismus doch einem "Mythos", wie es in der Werbesprache heißt, aufsitzt: progressiv, konservativ, liberal und dergleichen.

      Dabei kommt mir eine Idee: Wie wäre es, wenn beim nächsten Wahlkrampf ein Bildchen der Herren Trittin und Josef "Joschka" umliefe und darunter eine Liste, was diese Herrn und die rotgrüne Politik den Deutschen alles gekostet hat? Das sind sicher mehr als die schlappen 750 Mio. € Investitionen der Firma Siemens für die MOX-Anlage in Hanau, die gegen ihren Widerstand vielleicht für noch 50 Mio. an China verkauft werden kann, nachdem man einen Verkauf an Rußland verhindert hatte. Das ist nicht nur Siemens-Geld; es wird über Preise, Steuern die Schließung unrentabler Betriebe u.a.) bezahlt. (Vielleicht kennen Sie andere Kosten, die der Spatz gerne zusammentragen würde? Leider kommen die US-hörigen schwarz-gelben in punkto Kosten kaum besser weg)

      In den USA geht nur noch rund ein Viertel der Wahlberechtigten wählen (Die Hälfte trägt sich in die Wahllisten ein, von den Eingetragenen geht schließlich noch die Hälfte im Vertrauen darauf, daß die Wahlmaschine ihre Stimme auch dort einträgt, wo sie drücken, tatsächlich zur Wahl). 25%, soviele leben dort wahrscheinlich noch relativ gut, von der Staatsknete oder den außenpolitischen Stützmaßnahmen für ihre Geschäfte. Der Rest sieht keine Alternative, zwischen der sich eine Wahl lohnte. Ja, wer die verlorenen Wähler wieder gewinnen könnte, der hätte seinen Polit-Job und natürlich das entsprechende Einkommen jedenfalls für 4 weitere Jahre sicher. Aus diesem Grund wurde das oft versucht, wahrscheinlich viel zu oft. Doch wie heute bei den Wählern wieder Hoffnung wecken? Sie haben die Schnauze von Werbebroschüren und TV-Gebrabbel voll, und das um so mehr, als es mit ihrer Wirklichkeit nicht übereinstimmt.

      In den USA entdecken gerade beide Parteien, verrät uns die Washington Post (vom 30.11.2003), wieder den menschlichen Faktor, nachdem sie Jahrelang auf Fernsehwerbung und Broschüren gesetzt hatten. Verlorenes Vertrauen können nur noch vertrauenswürdige Menschen zurückgewinnen. Daher versuchen beide Parteien wieder mit den Menschen persönlich Kontakt aufzunehmen. Und so hat die Bush-Clique eine Kampagne gestartet, um "Millionen von Freiwilligen" zu mobilisieren, die von Haus zu Haus gehen und möglichen Wählern die Hände schütteln, um sie mit ihrem ehrlichen Gesicht zu überzeugen, demnächst den Präsidenten in seinem Amt zu bestätigen. Seine Standfestigkeit in Sachen Kyoto-Betrug, wird ihm Sympathie einbringen, so lange sie von allem anderen abzulenken vermag.

      Wo aber die Mitarbeiter hernehmen? Dafür eignet sich nicht jeder. Denn die Kandidaten müssen sich beim Klinkenputzen anhören, was mögliche Wähler zu sagen haben, und sie müssen sich danach wieder aufraffen, um beim nächsten Haus zu klingeln. "Auf Trainingssitzungen werden hauptberufliche Kampagnenmitarbeiter gedrängt (urged), Teilnehmer zu rekrutieren, die sich für spezielle Kampagnen unter Lehrern, Farmern, Amerikanern spanischer oder afrikanischer Abstammung, Behinderten, Ordnungskräften und Sportlern zur Verfügung stellen." Was die Stimmenwerber bei solchen Begegnungen erzählen sollen, wird natürlich nicht vorher verraten, es soll ja "von Herzen" kommen und nach "eigener Überzeugung" klingen. Ohne auf die Frage, einzugehen, was bei unseren "eigenen Überzeugungen" wirklich "eigen" und was nur eingetrichtert und nachgeplappert ist, läßt sich erschließen, was dabei zur Sprache kommt: "ein kleineres Übel auf diesem oder jenem Gebiet".

      Wenn sich in den USA nun doch eine Alternative zeigen sollte? Da stehen Kübel voll Dreck bereit, um sie darüber für den Fall auszukippen, daß Menschen ernsthaft darauf aufmerksam gemacht würden. Sie kennen das, bei uns hieße das Nazi, Antisemit, früher war noch "Kommunist" und ähnliches dabei. In den USA hat man dafür ein anderes Arsenal und im Zweifelsfall ist alles, was nicht von oben kommt einfach "Spinnerei" und wer wollte schon einen Spinner wählen. Dabei könnte uns nur eine Alternative in den USA vor dem schlüpfrigen Weg in einen neuen 30-jährigen Krieg, einen Krieg der Zivilisationen bewahren.

      Im Irak machen die Leute dazu ihre Erfahrungen, zugegeben sind sie drastischere als unsere. Ein städtischer Beamter des Ortes Samarra spricht sie einem US-Journalisten so ins Mikrophon: "Warum nimmt der Widerstand zu? Einfach, weil die Amerikaner die Leute falsch behandeln. Alles, was sie tun, motiviert die jungen Menschen dazu. Die lieben nicht Saddam, sie lieben ihr Land". Sie lieben ihr Land? Was soll man im Westen darunter verstehen, etwa "alles Nazis oder was"? Oder die 22-jährige, die gerade ihre verwundete Cousine versorgt: "Jeder hier ist für den Widerstand. Saddam Hussein ist vorbei. Wir schützen unsere Ehre und unser Land". Ihre Ehre, ihr Land? zahlt sich das denn aus? Es hängt davon ab, wie weit Kultur, Gesellschaft und das persönliche Selbstverständnis auf das heruntergebracht wurde und wird, was einzig noch zählen soll, "die nackte Zahlung".

      Schließlich machte sich dort ein Haushaltswarenhändler Luft: "Das sind die übelsten Leute. Sie sind ungebildet, das sind Barbaren. Sie sagen, sie wollen uns Demokratie bringen, doch sie schrecken Frauen und Kinder. Wir werden ihnen bis in den letzten Winkel unserer Seele widerstehen". Meinen die gar die Verfechter der westlichen Wertegemeinschaft? Nein, nein, die verwechseln das und meinen natürlich Saddam und all die anderen Bösewichter und "Tyrannen", die Lumumbas, Allendes usw.

      Die Iraker sollen - wahrscheinlich wie es die Versammlung auf Herrenchiemsee mit dem US-Vorschlag gemacht hat, eine neue Verfassung beschließen. Warum nehmen sie nicht die Irakische Verfassung von 1958? Was gibt es daran auszusetzen? Sie ist erstaunlich ausgewogen und politisch weise, nur leider verbietet sie das Verhökern der nationalen Rohstoffe.
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      schrieb am 08.12.03 23:08:22
      Beitrag Nr. 1.030 ()
      Inland
      Dago Langhans

      Raubritter

      Die Personal-Service-Agenturen fungieren als Vorreiter für flächendeckendes Lohndumping

      (schöne heile Welt und der Aufschwung kommt bestimmt!)

      Eine Erfolgsstory hört sich anders an. Bis August diesen Jahres hatten die 671 vertraglich an die Arbeitsämter gebundenen Personal-Service-Agenturen (PSA) gerademal 6100 Personen in Zeitarbeitsverhältnissen beschäftigt, und das bei einer Kapazität von 30000 Plätzen. In einen »festen« Arbeitsplatz wurden bis dahin lediglich 117 Erwerbslose vermittelt. Auch wenn Wirtschaftsexperten, Gewerkschafter und Zeitarbeitsunternehmen übereinstimmend einen arbeitsmarktpolitischen Flop konstatieren, drängen immer mehr Unternehmen in diesen hochsubventionierten und profitablen Arbeitsmarktsektor.

      So auch die WISAG Service Holding, mit 17000 Beschäftigten und 120 Niederlassungen eine der ganz großen der Branche. Die Konzernaktivitäten umfassen die ganze Bandbreite von untertariflicher, prekärer Arbeit: Von Gebäudereinigung über Sicherheitsdienste, Garten- und Landschaftsbau. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen eine Umsatzsteigerung von 18 Prozent auf 393 Millionen Euro. Da liegt es nahe, in weitere Geschäftssparten zu expandieren. Im August 2003 vermeldete die WISAG auf ihrer Website die Eröffnung einer PSA in Berlin-Mitte, deren »Schwerpunkt in der Vermittlung in von Arbeitslosen in kleinere und mittelständische Unternehmen liegt, die qualifizierte Mitarbeiter in den Berufsgruppen Lager und Transport, Reinigung, Sicherheit sowie Hotel und Gaststätten suchen.« Auf der Website meldet sich auch Klaus Enners, der Geschäftsführer der PSA, die unter dem Namen BIWAG GmbH firmiert, zu Wort. Man werde im Gegensatz zu traditionellen Weiterbildungsmaßnahmen die PSA-Beschäftigten »direkt in den Betrieben auf die speziellen Anforderungen des Unternehmens während einer befristeten Mitarbeiterüberlassung vorbereiten.«

      Hans Forst*, arbeitsloser Handwerksmeister, hat seine persönlichen Erfahrungen mit dieser PSA gemacht, nachdem ihn das Arbeitsamt mangels eigener Stellenangebote dorthin abschob. Mit seinen umfangreichen beruflichen Erfahrungen wäre Forst eigentlich der geeignete Kandidat für das, was neusprachlich als Facility Management bezeichnet wird. Nach einer ersten Sammelvorstellung mit anderen Arbeitslosen versicherte ihm BIWAG-Chef Enners persönlich, daß in seinem Fall die ausgehandelten Stundenlöhne zwar unter dem Tarif lägen, aber bei einer Vermittlung immerhin zwischen 10,30 und 11,20 Euro für eine Beschäftigung im Ostteil und zwischen 11,90 Euro und 13 Euro für einen Job im Westteil der Stadt angesiedelt seien. Die BIWAG-Arbeitsverhältnisse seien auf maximal neun Monate befristet, denn man gehe davon aus, daß eine Vermittlung in »feste Arbeitsverhältnisse« innerhalb der ersten sechs Monate zuwege gebracht werde.

      Bei einem zweiten Termin, zu dem Forst kurzfristig telefonisch zitiert wurde, erklärte ihm ein BIWAG-Mitarbeiter, daß es zwar keine Arbeit gäbe, »aber ich möchte die Klienten kennenlernen und mir ein persönliches Bild verschaffen. Sie kennen das ja, wie es nicht funktioniert: Leute, die mit ’ner Fahne zur Arbeit kommen und solche Sachen.« Dem verblüfften Forst wurde dann noch mitgeteilt, daß seine Bewerbungsunterlagen an eine Entleihfirma namens GeBe Gebäude- und Betriebstechnik weitergegeben werden sollen. Forst wußte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß die GeBe auch zur WISAG Service gehört.

      Der nächste Anruf folgte zwei Wochen später. Diesmal wurde Forst von der GeBe Gebäude- und Betriebstechnik aufgefordert, sich am nächsten Tag in den Geschäftsräumen der GeBe zu melden. Auch dort erklärte ihm Geschäftsstellenleiter Hanjo Fengler, daß es mit einer direkten Vermittlung schlecht aussehe. Man habe gerade ein Leiharbeiterteam zusammengestellt. »Falls aber einer ausfällt, weil er ne spitze Nase hat oder einen Bart trägt«, käme Forst zum Zuge. Denn bei Kunden wie beispielsweise Hotels käme es schon auf das Äußere an. Eine 24stündige Servicebereitschaft erfordere zudem die Bereitschaft zu Schicht- und Wochenenddiensten.

      Bei der Frage der Entlohnung erlebte Forst allerdings eine böse Überraschung. Es gäbe zwar prinzipiell Vermittlungschancen für einen Steuerungstechniker im Facility Management für 10,90 Euro pro Stunde. Forst jedoch könne nur mit einem am Gesellenlohn orientierten Tarif von 8,50 Euro rechnen. »Mehr gibt der Markt zur Zeit nicht her.« Die aus einer Tabelle ersichtliche Tarifstruktur, einschließlich der Grundlöhne und Zulagen wollte Gebe-Geschäftsstellenleiter Hanjo Fengler seinem Gegenüber nicht aushändigen.

      Noch kann Forst derartige »Angebote« für Leiharbeit zu Dumpinglöhnen ablehnen. Doch für die Zukunft sieht er schwarz: »Wenn die Zumutbarkeitsschwellen im nächsten Jahr per Gesetz vollständig fallen, haben die Unternehmen ein wunderbares Reservoir für qualifizierte Arbeit zu Niedrigstlöhnen.«

      * Name von der Redaktion geändert
      http://www.jungewelt.de/2003/12-09/012.php
      Avatar
      schrieb am 08.12.03 23:11:51
      Beitrag Nr. 1.031 ()
      Inland
      Harald Mühle

      »Hilfeschrei am falschen Ort«

      Die Mühlen der Justiz: Sachbearbeiter eines Berliner Sozialamtes genehmigte sich selbst die größten Beihilfen


      Viele Jahre lang saß Hans-Joachim W. im Bezirksamt Neukölln, Abteilung Soziales, Hilfebedürftigen gegenüber. Der Sachbearbeiter hatte insbesondere über einmalige Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu befinden. Dazu gehören Arztkosten, Beihilfen für Möbel oder für Bekleidung. Der Beamte verdiente in diesem Job rund 2 400 Euro netto, seine Frau, die als Angestellte bei einer Krankenkasse arbeitet, wird auch nicht nur mit einem Taschengeld nach Hause kommen.

      Hans-Joachim W. reichte das offenbar nicht. Nachweislich seit Mai 2000 befand er auf eigene Bedürftigkeit und überwies sich selbst fast jeden Monat eine »Beihilfe« zwischen knapp 50 bis reichlich 2 500 Euro. Beinahe zwei Jahre lang. Dazu benutzte er Namen seiner Klienten, darunter auch jugoslawischer Kriegsflüchtlinge, die teilweise bereits nicht mehr in Deutschland lebten. Erst als der heute 48jährige im Februar 2002 krank wurde, entdeckte ein Kollege, der ihn vertrat, die Unterschlagungen. Rund 23 500 Euro waren bis dahin auf zwei Konten des bis dahin unter Kollegen beliebten Mitarbeiters geflossen.

      Am Freitag vergangener Woche stand der Mann vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten. Zerknirscht gestand er seine Taten ein. Er habe in der fraglichen Zeit zu Hause Probleme gehabt, begründete der Angeklagte seine Unterschlagungen. Sein Verteidiger präsentierte flugs ein Papier, in dem eine Psychotherapeutin von einem »Hilfeschrei am falschen Ort zur falschen Zeit« fabulierte.

      Den Richter beeindruckte das wenig. Er verwies auf die rund 90 000 DM Schulden, die der Angeklagte zum Zeitpunkt der Unterschlagungen angehäuft hatte und entlockte ihm das Eingeständnis, daß er und seine Frau über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Und als Hans-Joachim W. mit beinahe weinerlicher Stimme davon erzählte, daß er jetzt zusehen müsse, wie er über die Runden kommt, denn Gehalt erhalte er seit seiner Suspendierung nicht mehr, da hatte der Richter nur einen Kommentar übrig: »Sozialhilfeempfänger müssen auch sehen, wie sie über die Runden kommen.«

      Die Staatsanwältin plädierte auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, der Verteidiger auf vier Monate, denn andernfalls würden seinem Mandanten der Beamtenstatus und die Pensionsberechtigung aberkannt. Das, so der Anwalt, käme einer Doppelbestrafung gleich.

      Der Richter ließ das kalt. Es sei nicht die Aufgabe des Gerichts, Privilegien für den Angeklagten zu erhalten. Er verurteilte Hans-Joachim W. zu einer 20monatigen Freiheitsstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Falls das Urteil rechtskräftig wird, lernt Hans-Joachim W. seine frühere Arbeitsstelle womöglich aus der Sicht des Antragstellers kennen. Wenigstens weiß er in dem Fall genau, was ihm gesetzlich alles zusteht.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-09/011.php
      Avatar
      schrieb am 08.12.03 23:47:12
      Beitrag Nr. 1.032 ()
      Russland, Amerika und die dritte Amtszeit

      von Jochen Steffens

      Bei der Wahl in Russland wurde die Position Wladimir Putins nachhaltig gestärkt (obwohl er nicht zur Wahl stand). Die Kreml-treuen Parteien haben wahrscheinlich die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ein wichtiger Schritt. Hier im Westen sieht man Putin als Garant für Stabilität und Zuverlässigkeit an. Gerade für die westliche Politik ist ein sicheres Russland ein unabdingbares Muss. Denn wenige wollen sich vorstellen, was im "worst case" Szenario passieren könnte, wenn Russland innenpolitisch instabil werden würde.

      Da nimmt man es auch hin, dass Putin aller Voraussicht nach seine dritte Amtszeit über eine Verfassungsänderung durchsetzten wird. Putin selbst bemüht sich dabei den Eindruck der Demokratie zu wahren. Die Medien sehen nach dieser Wahl aufgrund einer fehlenden Opposition die demokratische Entwicklung hingegen gefährdet. Andererseits wird im Fall Russland gerne über einige Dinge hinweggesehen, die zu beanstanden wären. Denn man ist beruhigt, dass dieses riesige Land im Moment von jemanden regiert wird, dem man zutraut Russland aus der Krise zu holen. Für die Investoren hingegen ist diese Wahl ein deutliches Zeichen gewesen, ihre Investitionen sind nun auf Jahre relativ sicher, somit heißt die Devise: "weitermachen".

      An den europäischen Börsen war das Wahlergebnis ein Non Event. Alles ist so gelaufen wie erwartet. Die deutschen Indizes fallen heute eher aufgrund der schlechten Vorgaben vom Freitag aus Amerika. Der Euro bei 1,22 Euro. Selbst Gold stieg zwischenzeitlich auf über 409 Dollar, ohne nachhaltig zu konsolidieren. Ein Zeichen der Stärke. Mehr dazu von Bill Bonner.

      Ich werde immer wieder gefragt, wie ich die Entwicklung im nächsten Jahr sehe. Ich weiß, dass Ende dieses Jahres überall Meetings stattfinden werden, in denen genau diese Frage kontrovers diskutiert wird. Überall werden Trader, Analysten, Investoren und Vermögensverwalter zusammensitzen und sich fragen: Quo vadis 2004?

      Dabei geht es nicht um den richtigen Einstiegspunkt, sondern um eine generelle Marktrichtung. Vielen dürfte klar sein, dass das Wachstum in Amerika nicht weiter derart explosiv, wie im dritten Quartal, weiterlaufen wird. Selbst wenn es der Anfang eines Bullenmarktes wäre, wird sich die Geschwindigkeit des Wachstums verringern. Mit anderen Worten, die nächsten US-Konjunkturdaten werden nicht mehr wesentlich besser, sondern eher sogar schlechter sein. Damit werden sie nicht mehr die Kraft haben, die Märkte zu ziehen. Selbst der Arbeitsmarkt zeigte gerade wieder Schwäche, ein Störfeuer für die Bullen. Generell sollte sich der Arbeitsmarkt Anfang nächsten Jahres eher mäßig entwickeln, die Weihnachtssaison ist vorbei.

      Aber auch das Zinsthema wird immer aktueller. Viele Analysten rechnen bereits Mitte nächsten Jahres mit einer Zinssteigerung. Sehr gespannt wird deswegen morgen auf die Aussagen der Fed geachtet. Dass die Fed morgen die Zinsen unverändert lässt, bezweifelt kaum jemand. Alles andere wäre eine Überraschung. Aber einige erwarten, dass die Fed vielleicht durchblicken lässt, ihre starre Haltung der Niedrigzinspolitik aufzugeben. Mal sehen. Eins scheint jedoch sicher, die Zinsen werden im nächsten Jahr steigen. Nur wann ...

      Mit anderen Worten, die Gefahren sind höher, als die Chancen. Oder kurz: Es ist wahrscheinlicher, dass wir im Laufe des Jahres noch einmal Werte im Dow bei 8000 Punkten sehen, als dass der Dow bei 12.000 landet. Das ist alles. Dieser Satz sagt jedoch nichts darüber aus, was wirklich passieren wird. Aber es sagt vielleicht etwas darüber aus, wie sich einige Marktteilnehmer positionieren werden. Ganz deutlich wird man es zum Jahresanfang hin erkennen. Sollte der Markt unter hohem Umsatz einbrechen, dann ist das ein schlechtes Zeichen für das erste Quartal.

      Dann habe ich mich noch gefragt, welcher Börsenverlauf denn für eine Wiederwahl Bushs der beste wäre. Nicht, dass ich glaube, dass Bush darauf wirklich Einfluss hätte, sondern einfach aus Interesse: Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl 2004 in den USA wäre der folgende Verlauf sicherlich der günstigste: Die Märkte sollten in den ersten 6 Monaten etwas schwächeln, ohne wirklich abzustürzen. So im July/ August sollten sie dann begleitet von sich immer deutlicher verbessernden Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten eine neue Rallye hinlegen – bis zur Wahl. Es wäre dabei völlig in Ordnung, wenn die Kurse nach der Wahl senkrecht zu Boden fallen. Denn eine dritte Amtszeit, wie Putin, wird Bush nicht durchkriegen.

      Von Unternehmensseite ist heute nichts Interessantes zu vermelden, ebenso fehlen US-Konjunkturdaten – deswegen gebe ich direkt weiter an meinen Kollegen Martin Weiss
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      Verdeckte Gefahren ...

      von Martin Weiss

      In der ersten Handelswoche im Dezember konnte sich der deutsche Leitindex gut behaupten. Letztlich schaffte es aber der Dax nicht, die starke Widerstandszone im Bereich von 3850 Punkten signifikant zu überwinden. Eigentlich wäre für die Bullen am Vorabend des Nikolaustages alles bestens "bereitet" gewesen.

      Neue Jahreshöchststände, vielleicht sogar die 10000 beim Dow Jones Index, bzw. die 2000 beim Nasdaq Composite im Bereich des Möglichen. Die Indizes fielen aber auf den harten Boden der Realität zurück, als bekannt wurde, daß trotz wundersamen Rekordwachstums in den USA keinesfalls ein goldenes Zeitalter ausgebrochen ist.

      Richtig, die Arbeitsmarktdaten für den November blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Anders formuliert, sie waren enttäuschend schwach. Nur 57000 Stellen neue Stellen, erwartet wurden hingegen knapp 150000. Die "Superbullen" unter den Volkswirten hatten gar 200000 neugeschaffene Jobs vorausgesagt.

      Extrem enttäuschend ist auch die Tatsache, daß erneut 17000 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe verloren gingen. Der Jobabbau in der Industrie scheint kein Ende zu finden. Mehr denn je wird Industriearbeit gen Asien verlagert. Sicherlich, auch nicht verwunderlich, zumal in China die industriellen Arbeitskosten im Vergleich verschwindend gering sind. Es ist insofern auch nicht überraschend, daß bereits jetzt China mehr Stahl produziert als die USA! Aber, zurück zu den aktuellen Arbeismarkzahlen. Weiterhin schwach bleibt auch die geleistete Wochenarbeitszeit. Die amerikanischen Arbeitnehmer arbeiten auf Wochenbasis betrachtet durchschnittlich nur 33,9 Stunden. Und dies, vor dem Hintergrund einer scheinbaren Konjunkturerholung mit Rekordwachstum. Auch angesichts der in der Form historisch noch nie dagewesenen Stimulierungsbemühungen seitens der Autoritäten, sind diese Zahlen sicherlich Anlaß zu größter Besorgnis. Was, wenn im Laufe des Jahres 2004 die Stützungsmaßnahmen der Regierung und Notenbank auslaufen?

      Was, wenn eine externer, geopolitischer Schock, ähnlich dem 11.9.2001, eintritt? Gewiß, die US-Regierung und die FED haben bisher fast alles in die Waagschale geworfen, um die eigene Wirtschaft am Laufen zu halten.

      Extrem niedrige kurzfristige Zinssätze, gigantische Haushaltsdefizite, und eine mehr oder minder billigend in Kauf genommene Abwertung der Weltleitwährung, des $! Die strukturellen Ungleichgewichte und die sich daraus ergebenden Gefahren für das Weltfinanzsystem sind dadurch nicht geringer geworden. Das Gegenteil ist der Fall. Nur als Beispiel seien die sog. Zwillingsdefizite erwähnt, die nunmehr das gewaltige Ausmaß von elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten erreicht haben. Noch fällt der US-Dollar relativ "kontrolliert", noch werden US-Assets von Ausländern gezeichnet. Was, wenn deren Appetit danach allmählich geringer wird? Achten Sie auch in den kommenden Wochen sehr genau auf die Entwicklung des $ im Verhältnis zum Yen bzw. zum Euro!

      In Europa hingegen geht das Firmensterben mit gewaltigen volkswirtschaftlichen Schäden von gut 40 Millarden Euro allein in Deutschland weiter. Über 800000 mittelständische Betriebe der Bundesrepublik sind latent insolvenzgefährdet. 30 Prozent des deutschen Mittelstands sind gefährdet. Experten behaupten, daß die Situation vor allem für kleine und mittlere Betriebe nie elender war als heute. Ja, hier ereignet sich – von den Massenmedien weitgehend unbeachtet – bereits jetzt ein realer "crash".

      Stellen Sie sicher, daß sie nicht von der möglicherweise schon relativ bald einsetzenden "crash-Welle" an den Aktienmärkten überrollt werden ...

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      Drei interessante Zeitungsartikel

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Unsere Wirtschaft war stark und sie wird noch stärker. Die Produktivität ist hoch; die Unternehmensinvestitionen sind stark; die Hausbauten sind stark. Die Steuererleichterung, die wir durchgebracht haben, funktioniert."

      Präsident George W. Bush sprach in Dearborn, Michigan. Auf einer Veranstaltung, um Unterstützungsgelder für den kommenden Wahlkampf zu sammeln. Die Menge der Amateur-Volkswirte – wie Nixon bereits vor Jahren gesagt hat, sind wir jetzt alle Keynesianer – schaute so, als ob sie Ahnung hätte.

      In der New York Times stand:

      "Die positiven News werden durch das Haushaltsdefizit etwas geschmälert, von dem erwartet wird, dass es im nächsten Jahr 500 Milliarden erreichen wird, da das Wachstum zum großen Teil mit geliehenem Geld finanziert wird, und durch ein hohes Handelsbilanzdefizit."

      Die Steuersenkung hat den amerikanischen Reichtum nicht erhöht. Denn weder die Steuerzahler noch die Steuereinnehmer haben irgendetwas von diesem Geld beiseite gelegt. Jeder Penny dieser Steuersenkung ist bereits ausgegeben. Geld, das normalerweise der Staat ausgegeben hätte, wurde den Leuten zurückgegeben, die es zuvor verdient hatten, und die gaben es dann prompt aus.

      Die Regierung hat währenddessen ihre Ausgaben nicht um den Betrag, den sie den Steuerzahlern zurückgegeben hat, gesenkt. Nein, sie hat ihre Ausgaben auch erhöht. Die Ausgaben haben sich erhöht, aber auch der Schuldenberg, der eines Tages für jemanden ein Problem sein wird (mehr dazu weiter unten ...).

      Aber wir schreiben ja noch das Jahr 2003 ... und nicht 2004 ... oder 2005 ... oder noch später.

      Wir achten nur aufs Hier und Jetzt. Nächsten Monat, nächstes Jahr, die nächste Generation – die sollen sich um sich selbst kümmern!

      Mir sind außerdem zwei Artikel im Wall Street Journal aufgefallen. Einer teilt uns mit, dass die Unternehmenslenker die Aktien ihrer eigenen Unternehmen doppelt so stark wie im Durchschnitt der letzten 5 Jahre verkaufen. Diese Kapitäne geben nicht mit ihren Schiffen unter; diese Kapitäne nutzen die Rettungsboote. Und sie werden sicher an Land sein, bevor die Passagiere überhaupt den Alarm hören.

      "Die Unternehmen beeilen sich, neue Anleihen auszugeben", so ein anderer Artikel. Ich brauche das nicht zu lesen. Ich kann mir das vorstellen. Wenn sich Idioten von ihrem Geld trennen wollen, dann muss jemand das Geld nehmen. Das Cleverste, was man in den späten 1990ern machen konnte war das: Man musste ein paar Kids, die ihre Baseball-Mützen verkehrt herum trugen, zusammentrommeln, ein "dot.com"-Unternehmen gründen, einen Publizisten einstellen, einen Deal mit Jack Grubman oder Henry Blodget (damals sogenannte "Star-Analysten") abschließen, damit diese die Aktie des neuen Unternehmens loben würden ... und dann musste man seine Aktien an diesem Unternehmen verkaufen. Und dieses Geld in sicheren Staatsanleihen anlegen. Nach dem Crash 2001 konnte man dieses Geld dann zum Beispiel dafür nutzen, ein reales Unternehmen zu kaufen.

      Jetzt haben die Steuer- und Zinssenkungen eine neue Spekulationsblase geschaffen. Und dieses Mal gibt es zahlreiche Idioten – im Inland wie im Ausland – die bereit sind, dem amerikanischen Staat und den amerikanischen Unternehmen Geld zu leihen. Zu Zinssätzen, die kaum die aktuelle Inflationsrate übertreffen. Das ist so, als ob sie nicht bemerkt hätten, dass der Dollar fällt ... und dass das US-Haushaltsdefizit eine halbe Billion Dollar erreicht hat ... und dass die Konsumentenschulden größer als je zuvor sind ... und dass die Schulden 6 Mal so schnell wie das BIP wachsen ... und dass die Konsumenten bereits mit Rekordraten Pleite gehen.

      Geliehenes Geld mag heute für die Schuldner noch nicht billig sein. Aber es wird wahrscheinlich sehr billig werden, bevor es zurückgezahlt wird. Mit anderen Worten: Die Dollar, die zurückgezahlt werden, werden nicht mehr die Kaufkraft haben, die sie zum Zeitpunkt des Erhaltens hatten. Mein Rat an die Schuldner: Halten Sie einfach ihre Schulden.

      Jetzt zu Addison ... mit mehr News:

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      Zentralbanken kaufen Dollar – und dennoch fällt der Dollarkurs

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin, derzeit in London

      "Die ausländischen Zentralbanken hielten letzten Mittwoch US-Vermögensanlagen im Volumen von massiven 1,045 Billionen Dollar", berichtet unser Londoner Korrespondent Sean Corrigan (kurioserweise aus Texas, wo er sich gerade aufhält). "Diese Non-Dollar-Zentralbanken haben in den letzten 4 Wochen 40 Milliarden Dollar gekauft ... das sind 2 Milliarden Dollar pro Handelstag."

      Man sollte denken, dass diese Dollarkäufe zu einem Anstieg des Dollarkurses geführt hätten, oder? Stattdessen haben diese Käufe nur dazu geführt, dass der Kursverlust des Dollar noch in Grenzen gehalten wurde. "Stellen Sie sich vor, was passiert würde, wenn die ausländischen Zentralbanken nicht jeden Handelstag 2 Milliarden Dollar gekauft hätten", fragt sich Sean Corrigan laut. "Wenn 40 Milliarden keine kleine Rally bringen können, wie schwach und verschmäht ist dann der einst allmächtige Dollar?" Ich stellte Ende November fest, dass die Bank of Japan ihre eigene Währung verkaufte und dafür Dollar kaufte, mit einem Volumen von 1 Milliarde Dollar pro Tag. Damals hörte ich, dass die Reserven der Bank of Japan nach 79,9 weiteren Tagen aufgebraucht wären, wenn sie in dem Tempo weitergemacht hätte.

      Mir ist auch aufgefallen, dass die Bank of Japan dieses Jahr keinen Gewinn, sondern einen Verlust erwirtschaften wird. Und das bedeutet, dass das die japanische Regierung ungefähr 1 % ihrer Steuereinnahmen kosten wird. Und der Dollar fällt weiter.

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      Fallender Doller – ist es zu spät, jetzt noch einzusteigen?

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Der Goldpreis steht immer noch über 400 Dollar pro Feinunze. Auch die Aktienkurse sind etwas gestiegen, was das Verhältnis Dow Jones/Gold unverändert bei 25 zu 1 lässt. Ich erinnere Sie daran, dass mein Vorschlag für den "Trade der Dekade" weiterhin lautet, die Aktien des Dow Jones zu verkaufen und Gold zu kaufen. Ich erwarte, dass sich das Verhältnis in den nächsten Jahren auf ungefähr 1 annähern wird. Dann wird man mit einer Feinunze Gold alle 30 Aktien des Dow Jones kaufen können. Wenige Leute werden diesen von mir vorgeschlagenen Trade machen wollen. Aber das wird wahrscheinlich eine goldene Idee sein.

      *** Gold befindet sich in einem größeren Bullenmarkt. Das sagen alle meine Freunde. Aber wenn man als europäischer Investor direkt in Gold investiert hat, dann hat man kaum etwas verdient. Denn der fallende Dollarkurs hat diese Gewinne aufgefressen (deshalb sollten Sie nicht direkt in Gold investieren, sondern z.B. auf währungsgesicherte Gold-Zertifikate setzen, die den Goldpreis 1 zu 1 abbilden, aber den Währungseffekt ignorieren; solche Zertifikate werden u.a. im Börsenbrief Optionsschein-Profits empfohlen). Also sollte ich besser sagen, dass sich nicht Gold in einem Bullenmarkt befindet. Sondern dass es der Dollar ist, der sich bewegt – nach unten. Der Dollar befindet sich in einem größeren Bärenmarkt, so meine Schlussfolgerung.

      "Ich habe Put-Optionsscheine auf den Dollar gekauft", sagte mir Dr. Kurt Richebächer gestern, der mich im Investor`s Daily-Büro in Paris besuchen kam. "Ich trade nicht, sondern ich mache großes Geld jedes Mal dann, wenn ich in diese großen Trends investiere", erklärte er mir, nachdem er mit seinem Broker telefoniert hatte.

      "Weißt Du", erklärte mir der über 80jährige Dr., "die Amerikaner haben so verrückte Ideen. Ihnen macht es nichts aus, ihr ganzes Geld auszugeben – und ihren Kindern nichts übrig zu lassen. Da machen sie sogar eine Tugend draus ... als ob es gut wäre, mit Nichts zu beginnen ... oder sogar weniger als Nichts. Ich verabscheue diese Mentalität. Ich sehe den Kollaps des Dollar als den Weg, wie ich eine Menge Geld verdienen kann, dass ich dann meinen Kindern und Enkelkindern hinterlassen will."

      Der österreichische Volkswirt erwartet, dass der Dollar gegenüber dem Euro auf 1,50 fallen wird. Aktuell sehen wir Kurse von leicht über 1,20.

      *** Gestern Abend wurde ich von zwei Frauen am selben Abend versetzt. Zumindest dachte ich das. Als ich allein an einem Tisch im "Les Editeurs" saß, vor einer Spiegelwand, hatte ich Gelegenheit, nachzudenken. Jeder, den ich kenne, setzt auf einen fallenden Dollar. Man sagt, dass das auch Buffett und Soros tun. Und das, wo Warren Buffet bis jetzt noch nie in seinem Leben eine ausländische Währung gekauft hatte. Jetzt sagt er, dass er das nicht mehr vermeiden kann; denn er hat Aktionäre, an die er denken muss. Volkswirte werden in fast allen Zeitungen zitiert; alle sagen, dass man mit einem weiteren Rückgang des Dollarkurses rechnen sollte. Wenn man Dr. Richebächer darüber reden hört, dann ist man sicher, dass der Rückgang des Dollarkurses seit dem Platzen der Spekulationsblase bei den Hightech-Aktien im Frühjahr 2000 die sicherste Sache ist. Selbst das TIME-Magazine rät seinen Lesern, sich vor einem fallenden Dollarkurs abzusichern, ohne ihnen zu sagen, wie.

      Ist es jetzt zu spät, fragte ich mich? Ist der Rückgang des Dollarkurses vorbei – jetzt, wo wirklich jeder damit rechnet?

      Wahrscheinlich nicht. Die meisten Dollar-Besitzer können sich einen wirklichen Kollaps des Dollars nicht vorstellen. Die meisten Amerikaner halten ihr gesamtes Vermögen in Dollar, und sei wüssten nicht, wie sie sich "absichern" sollten. Der Wert dieser Dollar-Vermögensanlagen liegt bei über 50 Billionen Dollar, und könnte auch bei 100 Billionen Dollar liegen. Im Gegensatz dazu betragen der Marktwert aller Goldvorräte weltweit und der Marktwert der Goldminengesellschaften zusammengenommen kaum 2 Billionen Dollar. Gold ist der Anti-Dollar ... das Gegenstück zu Papiervermögen, Schulden, Derivativen ... es ist real. Die meisten Amerikaner besitzen kein Gold. Die meisten wüssten nicht, wie oder wo sie es kaufen könnten.

      Das organisierte Verbrechen und die Zentralbanken sind fast exklusiv vom Dollar abhängig, um ihre Reserven zu halten. Und die Drogenhändler in den USA berechnen ihre Preise in Dollar.

      Nein, liebe(r) Leser(in), der Kollaps des Dollar hat noch einen langen, langen Weg vor sich. Sehr wahrscheinlich wird er uns alle überraschen – indem er mehr und schneller fallen wird, als jeder erwarten wird.

      *** Von meinem Freund Byron King:

      "Ich habe Deinen Artikel im Investor`s Daily gelesen, darüber, dass laut Mr. Friedman das wahre Ziel der US-Armee im Irak die `Erziehung` sei, und dass es dort das größte amerikanische Demokratisierungsprojekt seit dem Marshall Plan stattfinde."

      "Bill, Du weißt, dass ich bei der US-Marine war. Jetzt bin ich Reservist, und mein Job als Reservist ist es, nach anderen Marine-Angehörigen zu sehen, die alle der Sohn, Ehemann, Vater, Bruder, Onkel oder Freund von jemandem sind. Im Oktober war ich mehrer Tage bei der Ausbildung beteiligt, und die Frischlinge lernten das Schießen mit M–16 Gewehren, M–9 Pistolen und anderen schwereren Waffen. Und das zur Vorbereitung darauf, dass einige dieser feinen Seelen in entfernte Ecken gesendet werden, wo sie solche martialischen Fähigkeiten brauchen. Ich versichere Dir, und das kannst Du an diesen Mister Friedman weiterleiten, dass `democracy-building` und besonders das `Erziehen`, besonders im Irak, jedem Mitglied der bewaffneten Truppe absolut fern liegt, zumindest denen, die ich kenne."

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      Georgien – Teil des "großen Spiels"

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin

      "Während die USA weniger als 2 % der weltweiten Erdölreserven im eigenen Land haben", beobachtet ein britischer Online-Dienst mit dem Namen schNEWS.org.uk, "verschlingen sie ein Viertel des weltweiten Angebots. Ohne Importe würden die gesamten Reserven im eigenen Land nach drei Jahren verbraucht sein. Und wenn sich Großbritannien nur auf seine eigenen Erdölreserven verlassen müsste, dann wären diese nach 7,5 Jahren aufgebraucht."

      "Das größte Interesse (von politischen Strategen in London und Washington) werden Orte auf sich ziehen, die besonders reiche Angebote an vitalen Rohstoffen besitzen", zitiert schNEWS einen amerikanischen Professor für Frieden- und Sicherheitsstudien mit Namen Michael Klare. Ich weise darauf hin, dass der chinesische Volkswirt Wang Jian gegenüber seinen Vorgesetzten im Zhongnanhai – das ist das chinesische Pendant zum Weißen Haus und zum Kreml – gemeldet hat, "dass die amerikanischen Kriege immer ein klares Ziel hatten; allerdings wurden solche Ziele niemals der Öffentlichkeit offenbart." Und um "hinter den Schleier zu sehen" müssten die Chinesen "herausfinden, was die fundamentalen wirtschaftlichen Interessen Amerikas sind."

      Nun, die Autoren von schNEWS denken, dass sie die angloamerikanische Strategie entschlüsselt haben. Sie denken, dass die Region des persischen Golfs – darunter der Irak, Iran, Saudi Arabien und Kuwait, die zwei Drittel der bekannten Erdölreserven besitzen, und die Länder ums kaspische Meer – darunter die zentralasiatischen Staaten Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan, die ein Fünftel der weltweiten Reserven beherbergen – die nächsten Ziele der "ölabhängigen USA" sind.

      Als Beweis weist schNEWS vor: "Im letzten Jahr erhielt Georgien, ein Land mit 5 Millionen Einwohnern, 64 Millionen Dollar an amerikanischer Hilfe, was pro Kopf der zweitgrößte Betrag ist, den die USA an Unterstützung vergeben, nach Israel. Der Grund? Georgien steht an der Front im "Krieg gegen den Terror". Russland sagt, dass die Pankisi-Bergregion in Georgien ein Versteck für tschetschenische Rebellen ist, während die USA schätzen, das unter diesen Kämpfern auch ein Dutzend Al-Quaeda Mitglieder sein könnten, die ihnen also 5 Millionen Dollar pro Kopf wert sind!"

      SchNEws gibt vor, zwischen den Zeilen zu lesen, und sieht auch eine alternative Erklärung dahinter: " ... in den letzten 10 Jahren haben die USA und Großbritannien in die zentralasiatischen Erdölfelder investiert, aber sie haben Probleme damit gehabt, einen Weg zu finden, auf dem sie das Öl in den Westen bringen können, ohne die Pipelines durch den Iran oder Russland verlegen zu müssen. Bingo! Erst vor ein paar Wochen haben sowohl die Weltbank als auch die Europäische Entwicklungsbank jeder 300 Millionen Pfund Unterstützung für ein massives Pipeline-Projekt von BP zugesagt, das von Baku nach Ceyhan gehen soll. Also vom kaspischen Meer über Aserbaidschan, Georgien und die Türkei ins Mittelmeer."

      "Laut dem Direktor des `Freiheits-Instituts` in Georgien", so schNEWS weiter, "hat das westliche Ölgeld einen Teil zum Sturz des Regimes von Schewardnadse beigetragen. 60 % der georgischen Bevölkerung leben deutlich unter der Armutsgrenze, und die Leute hatten offensichtlich genug von Schewardnadse. Aber er hatte auch seine westlichen `Freunde` verstört, als er argumentierte, dass die Pipeline von Baku nach Ceyhan die Ökologie Georgiens schädigen könnte und – noch wichtiger: Er hatte größere Energieabkommen mit Russland abgeschlossen."

      "Innerhalb von Wochen schickte US-Präsident Bush einen Berater, Stephen Mann, nach Tiflis, die georgische Hauptstadt. Mit einer Warnung: `Georgien sollte nicht irgendetwas unternehmen, das das kraftvolle Versprechen eines Ost-West Energie-Korridors unterminieren würde.` Als die Energieabkommen mit Russland trotzdem weitergingen, flog der ehemalige Minister James Baker nach Georgien und ermahnte Schewardnadse zu fairen Wahlen. Die Wahl wurde gefälscht, das Volk rebellierte, und in einem unblutigen Staatsstreich wurde Schewardnadse Geschichte. Der neue Präsident Mikhail Saakashvili ist ein in den USA ausgebildeter Rechtsanwalt, der laut der Business Week eine Zeitlang Washington damit umworben hatte, dass er versprach, Schewardnadses Plan zu verhindern, der es den russischen Ölinteressen erlaubt hätte, im Land Fuß zu fassen."

      In was für interessanten Zeiten wir leben, oder?

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 09.12.03 00:05:41
      Beitrag Nr. 1.033 ()
      Berater - Die heimliche Macht

      Unternehmen, Verbände und Agenturen verpflichten gern aktive oder ehemalige Politiker wie den CDU-Abgeordneten Reinhard Göhner, der zugleich Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände ist. Für wen handelt er zurzeit im Vermittlungsausschuss die Reformen am Arbeitsmarkt aus? FDP-Haushaltsexperte Günter Rexrodt ist zugleich Vorstand der WMP. Ist er aus persönlicher Überzeugung für den EU-Beitritt der Türkei oder weil die türkische Regierung ein WMP-Kunde ist?
      .....

      Problem für die Bürokratie

      Wie hilflos die klassische Bürokratie manchmal vor neuen Problemen steht, zeigt folgender Fall: Mitarbeiter der Deutschen Börse und des Bundesverbandes Deutscher Banken wirkten an der Gesetzgebung zu den in Deutschland lange nicht zugelassenen, hochriskanten Hedge-Fonds mit. Die Bankleute wechselten für einige Zeit ins Bundesfinanzministerium, wurden aber weiter von ihren bisherigen Arbeitgebern bezahlt. Wurde hier der Bock zum Gärtner gemacht? Der CDU-Abgeordnete Dietrich Austermann fürchtet "denkbar schlimmste Tendenzen".
      .....

      Komplett hier lang:

      http://www.stern.de/campus-karriere/karriere/index.html?id=5…

      :( :confused: :confused:
      -------------------


      Dazu auch ein interessanter Gedankengang:

      .....
      Dieses Geldsystem, das zwar von Menschen geschaffen, aber nicht geplant wurde, hat maßgeblichen Anteil an der Entwicklung unserer hocharbeitsteiligen Wirtschaft. Es brachte in ihrer Startphase den notwendigen Schub hervor. Dort war ein Wachstum des Produktionsausstoßes zur Bedürfnisbefriedigung notwendig. Heute jedoch ist Wachstum ein notwendiges Übel, um das Funktionieren der Wirtschaft und die Finanzierung des Sozialstaates mit Mühe aufrecht zu erhalten. Aus ökologischen Gründen sollte das System nun aber vom Steigflug in die Phase eines Gleitfluges übergehen. Es müsste einen anderen Weg geben, den Absatz aller Produkte und Dienstleistungen bei konstantem Preisniveau zu ermöglichen, wenn die Erwartungen der Investoren das nicht mehr sicherstellen.
      Bisher bestand die Antwort im so genannten „Deficit Spending“ des Staates, der durch erhöhte Ausgaben die fehlende Nachfrage ersetzt. Doch der Staat ist in die Finanzierungsfalle geraten, wie derzeit unschwer zu erkennen ist. Er kann sich, abgesehen vom Verkauf des „Familiensilbers“, in diesem Geldsystem nur auf zwei Arten finanzieren: Indem er selbst auch Kredite aufnimmt, sich also verschuldet (was sich nun wegen der hohen Schulden und Zinslasten verbietet), oder durch das Einheben von Steuern in Geld. Damit aber wird die Verschuldung nicht beseitigt, sondern „nur“ auf die Unternehmen übertragen. Für diese bringt das eine Vergrößerung der Schulden, die samt Zinsen wiederverdient werden müssen, und gleichermaßen eine Vergrößerung des Risikos, dieses Ziel zu verfehlen.

      Aber so wird der Staatshaushalt total abhängig von der Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen. Der Einfluss, den die steuerlichen Maßnahmen auf die unternehmerischen Entscheidungen haben, zwingt zu einer pragmatischen Sicht – auch dann, wenn man die Position der Unternehmen und deren EigentümerInnen ideologisch nicht unterstützt. Bei diesen geht ja nicht so sehr um das Können, sondern das Wollen. Denn unter welchem Titel die Steuern und Abgaben auch erhoben werden, vorfinanzieren müssen sie die Unternehmen. Dies gilt neben anderen Steuern auch für die Lohnsteuer und die Mehrwertsteuer. Es gilt aber nicht nur für dieses „durchfließende“ Geld. Die vorhandenen Gewinne und Vermögen bestehen in der Regel nicht in liquiden Ansprüchen, auf die „einfach“ zugegriffen werden kann. Sie müssen durch Verkauf oder verzinsliche Kredite erst zu Geld gemacht werden. Da aber Kredite buchhalterisch den Gewinn kürzen und zugleich die Verschuldung des Unternehmens erhöhen, hat das wieder Einfluss auf das gesamte Verschulden-Wollen.
      Ohne Möglichkeit der Kreditaufnahme durch den Staat – und ihre negativen Folgen – gibt es daher derzeit beim Übergang in eine nicht mehr weiter wachsende Wirtschaft keine komplementäre Finanzierung des Staates. Die Politik ist zu schierer Machtlosigkeit verurteilt, alles politische Tun ist Spiegelfechterei.
      .....

      Komplett hier lang:


      http://www.oneworld.at/suedwind.magazin/magazin/inhalt.asp?I…
      Vor allem, wenn man daran denkt, wer wohl zum größten Teil die gegebenen Staatsanleihen usw. aufkauft. Das ist jetzt zugegebenermaßen eine nicht bewiesene Behauptung meinerseits. Aber im Gros liegen die wohl bei den einschlägigen "Instituten". Und erst dann, indirekt -nämlich über den "Umweg" über Banken und Versicherungen- auch bei Frau "Lieschen Müller" und Herr "Walter Schmidt". Der Staat wird durch seine Verschuldung "erpressbar". Nicht durch Herrn/Frau "Hinz und Kunz-Steuerzahler", sondern durch "Frau Dresdner" und "Herrn Allianz" (etwas plakativ gesagt).





      Die Sichtweise von http://www.staatsverschuldung.de/

      Umverteilung

      Staatsverschuldung ist Umverteilung von unten nach oben.
      Denn bezahlt werden die Zinsen von den Steuerzahlern. Die beiden Steuern mit dem größten Aufkommen sind die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, die von den Arbeitnehmern bzw. Verbrauchern erhoben werden, also von der breiten Masse der Bevölkerung.

      Die Empfänger der Zinsen sind dagegen die Wohlhabenden, die ihr Vermögen in Staatsanleihen investiert haben. Die geschieht entweder direkt, oder indirekt durch von ihnen beherrschte Unternehmen, durch Investmentfonds oder durch Lebensversicherungen.

      Das ist ein paradoxes Ergebnis! Denn als die Schulden in den 70er, 80er und 90er Jahren aufgehäuft wurden, sollte gerade den wirtschaftlich Schwachen geholfen werden, zunächst den Arbeitslosen, später den neuen Bundesländern.


      Und fasst passend zu "Aber so wird der Staatshaushalt total abhängig von der Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen." habe ich noch eine kleine Graphik gebastelt:



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      Aus den NEWS vom 10.10.03

      US-Investor steigt bei Springer ein

      Die US-Beteiligungsgesellschaft Hellman & Friedman wird mit 19,4 Prozent neuer Großaktionär der Axel Springer AG. Die Deutsche Bank verkaufte den Anteil für 350 Millionen Euro.

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…

      Hellman & Friedman: Investor und Saban-Geldgeber

      Die US-Beteiligungsgesellschaft Hellman & Friedman LLC mit Sitz in San Francisco wurde 1984 gegründet. Der Finanzinvestor sammelt große Summen von privaten und institutionellen Anlegern ein und investiert sie in aussichtsreiche Unternehmen.

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…

      Na super, Deutschland wird auf Kurs gebracht ! Objektive, allumfassende, hintergründliche Berichterstattung gewährleistet ?? *WÜRG*
      Dazu noch mal der Link: "Die fünf Grundsätze" des Axel-Springer-Verlages. Noch Fragen ??

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      Und nun aktuell das:

      Vorläufiges Aus für «Harald Schmidt Show»
      http://www.rundschau-online.de/kr/page.jsp?ksArtikel.id=1070…

      Wie wir wissen, ist Saban kürzlich der neue Chef bei der Sat1-ProSieben Media AG geworden. Geht`s schon los ? Vielleicht bin ich auch schon paranoid -nicht auszuschließen -, aber der Zeitpunkt ist schon komisch. Jedenfalls sollten wir die Entwicklung im Auge behalten -verschärft im Auge behalten. Das alles riecht mir doch sehr nach seichtem "Kritik-nicht-erwünscht-Programm !!"


      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 09.12.03 00:08:31
      Beitrag Nr. 1.034 ()
      Avatar
      schrieb am 10.12.03 14:30:37
      Beitrag Nr. 1.035 ()
      Verzockt
      Warum private Krankenkassen teurer werden

      Autor: Herbert Stelz

      Nicht nur die 70 Millionen gesetzlich Versicherten müssen wegen der Gesundheitsreform ab Januar 2004 draufzahlen. Wer sich privat krankenversichert hat, muss mit noch viel kräftigeren regelmäßigen Beitragserhöhungen leben. Und das liegt nicht nur an den steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Denn einige Krankenversicherungen haben in den vergangenen Jahren viel Geld an der Börse verzockt – 5,7 Milliarden Euro. So hat es die bekannte Londoner Agentur FitchRatings ausgerechnet. Fitch unterzog die privaten Krankenversicherungen einem rechnerischen Stress-Test. Das erschreckende Ergebnis - Zahlenbasis Ende 2002: Zahlreiche Gesellschaften wirtschaften mit sehr geringem Kapital, was für die einzelnen Versicherten bedeutet, daß sie über kurz oder lang dafür zahlen werden. Fitch rechnete die stillen Verluste, welche in den Bilanzen verschleiert werden, um als Last pro Kopf. Die Spitzenreiter: Jeder einzelne Versicherte bei der Freien Arzt- und Medizinkasse muss 249 Euro tragen, bei der Mannheimer 299 €, der ARAG 331 €, der DKV 400 €, der Hanse-Merkur 470 €, der Axa 506 €, bei der Hallesche 547 €, bei der Victoria 555 € und bei der Inter-Versicherung sogar 1.179 €. Insgesamt betragen die stillen Lasten bei der Inter 170 Mio. €. Der Inter-Vorstand gibt zu, daß das Geld zum Stopfen der Börsenlöcher nun aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen genommen werden wird. Eigentlich gehört das aber den Versicherten. Jetzt bekommen die weniger Rückerstattung, wenn sie die Versicherung nicht in Anspruch genommen haben. Indirekt ist das also doch eine Beitragserhöhung.

      Um die undurchsichtigen Erhöhungen der Beiträge bei den privaten Krankenversicherungen einzudämmen, müsste mehr Transparenz und Konkurrenz in den Markt einziehen. Eine EU-Richtlinie sieht vor, daß die Versicherten bereits bei Vertragsabschluss besser aufgeklärt werden, vor allem über die zukünftige Beitragsentwicklung und über die sehr eingeschränkten Wechselmöglichkeiten zwischen den privaten Krankenversicherern.

      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 09.12.2003 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      Informationen:
      Die genauen Angaben zur Kapitalausstattung der deutschen privaten Krankenversicherungen sind in der Studie der englischen Agentur FitchRatings enthalten. Diese finden Sie unter
      www.fitch-studie.de

      Adressen:

      FitchRatings Ltd
      Eldon House, 2 Eldon Street
      London, EC2M 7UA
      Großbritannien
      Tel.: 0044-207/4174293
      Fax: 0044-207/4174363
      E-Mail: insurance-germany@fitchratings.com
      Internet: www.fitchratings.com

      Bund der Versicherten e.V. (BdV)
      Postfach 1153
      24547 Henstedt-Ulzburg
      Tel.: 04193/94222
      Fax.: 04193/94221
      E-Mail: info@bundderversicherten.de
      Internet: www.bundderversicherten.de

      Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
      Graurheindorfer Str. 108
      53117 Bonn
      Fon: 0228/4108-0
      Fax: 0228/4108-1550
      E-Mail: poststelle@bafin.de
      Internet: www.bafin.de

      vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
      Kochstraße 22
      10969 Berlin
      Tel.: 030/25800-0
      Fax: 030/25800-518
      E-Mail: info@vzbv.de
      Internet: www.vzbv.de

      Ombudsmann für die private Krankenversicherung
      Arno Surminski
      Leipziger Str. 104
      10117 Berlin
      Tel.: 0180/2550444
      Internet: pkv.net/ombudsmann-f.html

      Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV)
      Bayenthalgürtel 26
      50968 Köln
      Tel.: 0221/37662-0
      Internet: www.pkv.de


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      schrieb am 10.12.03 14:36:01
      Beitrag Nr. 1.036 ()
      Verschlafen
      Warum die Banken EC-Karten nicht sicherer machen

      Autor: Sven Herold

      Das Ehepaar Röder aus Frankfurt war im Urlaub in Spanien. Plötzlich die böse Überraschung: Der Geldautomat spuckt kein Bares mehr aus. Der Grund: Massenweise Abhebungen an verschiedenen Orten in Spanien und Frankreich. Gesamtschaden: Über 10.000 Euro!

      Das Kuriose dabei: Die EC-Karte wurde den Röders gar nicht geklaut! Stattdessen hatten die Täter beim Abheben an einem Automaten den Magnetstreifen von Röders EC-Karte kopiert. Möglich ist das mit relativ simplen Lesegeräten, die es im Elektronikgeschäft schon ab 200 € gibt. Hat der Täter die Daten des Magnetstreifens kann er eine eigene EC-Karte problemlos herstellen. Diese Dublette ist dann eine 1:1-Kopie der Originalkarte. Die zum Geldabheben erforderliche PIN-Nummer erhalten die Täter durch Ausspähen. Das geschieht durch einfaches über die Schulter schauen z. B. am Geldautomaten oder aber auch mit Minikameras, die am präparierten Geldautomaten angebracht sind.

      Plusminus hatte darüber wiederholt berichtet:
      www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=20

      Die Banken und Sparkassen kennen das Dubletten-Problem zwar, aber wenn es zu Schadensfällen kommt, steht der Kunde oft im Regen. Denn er muß nachweisen, daß er alle Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten eingehalten hat. Bedeutet, er muß beweisen, daß er sowohl die PIN-Nummer sorgfältig aufbewahrt und niemandem zugänglich gemacht hat und darüber hinaus auch seine Karte nicht aus der Hand gegeben hat. Genau das kann er aber in der Regel nicht.

      Aus dem Problem kommen betroffene Kunden nur dann heraus, wenn sie der Bank den missbräuchlichen Einsatz der Karte nachweisen. Es gilt dann eine Beweislastumkehr, die Bank muss dann beweisen, daß der Kunde mit seiner PIN grob fahrlässig umgegangen ist. Einen mißbräuchlichen Einsatz der Karte nachzuweisen hört sich aber einfacher an, als es ist. Denn wie will man beweisen, daß man das Geld nicht selbst abgehoben oder einem Freund seine Karte gegeben hat. Ein möglicher Beweis wäre ein Foto, viele Geldautomaten sind aber nicht kameraüberwacht.

      Die Lösung des Dubletten-Problems ist die neue EC-Karte mit EMV-Chip. EMV steht für EurocardMastercardVisa, denn das System haben die Kreditkartenunternehmen entwickelt. Für den Laien ist der Unterschied zum Geldkartenchip nicht zu erkennen, aber die technischen Unterschiede dieser beiden Systeme sind gewaltig. Im neuen Chip können wesentlich mehr Daten verarbeitet werden als im Geldkartenchip. Somit sind mit diesem neuen Chip auch Abhebungen am Geldautomaten möglich. Da der Chip nach heutigem Stand der Technik nicht kopiert werden kann, wäre damit auch das Dubletten-Problem gelöst.

      Bislang haben aber nur die Volks- und Raiffeisenbanken sowie einige Privatbanken das Chip-System flächendeckend eingeführt. Die Sparkassen haben im August begonnen und die ersten 8 Millionen Kunden mit der neuen Karte versorgt. Weitere Kunden werden sukzessive – je nach Ablaufdatum – mit der neuen EMV-Karte versorgt. Hypo-Vereinsbank und Citibank beginnen ab Mitte 2004 mit dem neuen System.

      Ganz anders die Situation bei den großen Geschäftsbanken, Dresdner-, Commerz- und Deutsche Bank. Auf Nachfrage von [plusminus hieß es, man sei noch am nachdenken, ob und wann man EMV den Kunden anbieten werde. Bei der Postbank ist man sogar der Meinung, dass der neue EMV-Chip nicht zu einer zusätzlichen Sicherheit beiträgt. Deutsche Ignoranz! Denn in vielen Nachbarländern wie Frankreich, England und Tschechien ist das neue Chip-System längst eingeführt. Fazit: Die deutschen Banken kümmern sich kaum, wenn es darum geht, grobe Sicherheitslücken im Interesse ihrer Kunden zu schließen.

      Hintergrund: Warum ist EMV sicherer?
      Sowohl die EMV-Karte als auch die normale EC-Karte haben noch einen Magnetstreifen. Das ist nötig, da nicht alle Länder ihr System verändern werden. Hätte die EMV-Karte keinen Magnetstreifen mehr, könnte man z. B. in Neuseeland kein Geld mehr abheben. Das heißt zugleich, der Magnetstreifen kann weiter kopiert werden, auch wenn die Karte einen Chip hat. Da viele europäische Nachbarländer aber bereits auch ihre Geldautomaten umgerüstet haben und EMV-fähig sind, wären Dubletten-Abhebungen dort nicht mehr möglich. Denn der Automat stellt fest, die Karte soll eigentlich einen Chip haben, findet diesen aber nicht, also zahlt er entweder kein Geld aus oder zieht die Karte sofort ein. Je mehr Geldautomaten EMV also beherrschen, umso geringer ist die Chance für Ganoven, mit einer Dublette abzuheben. Die Banken sind daher gefordert, möglichst schnell nicht nur das Kartensystem umzustellen, sondern auch alle Geldautomaten EMV-fähig zu machen. Und wenn dann doch mal mit einer gefälschten Karte in Neuseeland Geld abgehoben wird, kann der Kunde den Kartenmißbrauch sicher besser nachweisen, als wenn das um die Ecke im europäischen Ausland passiert. Und bei nachgewiesenem Kartenmissbrauch ist es relativ einfach, wieder an sein Geld zu kommen.


      [plusminus hat nachfolgend die wichtigsten Vorsichtsmaßnahmen beim Einsatz der EC-Karte aufgeführt:
      Behandeln Sie Ihre EC-Karte und auch die PIN-Nummer wie Bargeld!
      Merken Sie sich Ihre persönliche Geheimzahl (PIN-Nummer). Schreiben Sie sie niemals auf - weder auf der Karte, noch getarnt als Telefonnummer.
      Verraten Sie niemandem Ihre Geheimnummer - auch nicht engen Freunden oder Verwandten.
      Sollten Sie sich die Zahl wirklich nicht merken können, verwahren Sie sie an einem sicheren Ort zu Hause. Achten Sie aber unbedingt darauf, dass Sie Karte und PIN-Nummer auch zu Hause niemals am selben Ort aufbewahren.
      Achten Sie bei Verwendung der PIN-Nummer unbedingt darauf, dass Sie nicht ausspioniert werden. Das gilt für EC-Kartenautomaten genauso wie für Eingabegeräte im Handel, an Tankstellen, im Bahnhof oder bei der Post. Bestehen Sie bei hinter Ihnen stehenden Menschen auf Sicherheitsabstand! Haben Sie den Mut, diese auch darauf aufmerksam zu machen und gegebenenfalls wegzuschicken.
      Decken Sie bei Eingabe der PIN-Nummer das Zahlenfeld zusätzlich mit der Hand ab. Besonders wichtig ist der linke Bereich.
      Wenn Sie auf „Nummer sicher“ gehen wollen, zahlen Sie entweder bar oder nur an Geräten mit Lastschriftverfahren. Hier genügt die Unterschrift, Sie erkennen diese Geräte an einem im Eingangsbereich aufgeklebten Schild auf dem ein Kugelschreiber neben dem EC-Symbol abgebildet ist.
      Wenn Sie unbedingt mit Karte zahlen wollen, nutzen Sie besser die Kreditkarte, z. B. an Tankstellen. Eine Eingabe der PIN-Nummer ist dort nicht nötig, es reicht die Unterschrift.
      Sollte Ihre Karte nicht mehr aus dem EC-Automaten kommen, bleiben Sie unbedingt im Foyer und rufen Sie sofort die Polizei, direkt mit dem Handy. In vielen Schalterhallen gibt es aber auch angebrachte Telefone mit einer Notrufnummer. Melden Sie auch andere Unregelmäßigkeiten, wie beispielsweise Schilder, die zum mehrmaligen Eingeben der PIN-Nummer auffordern. Auch bei Verdachtsmomenten sollte die Polizei unbedingt verständigt werden.
      Geben Sie am Türöffnungsgerät zu einem Geldautomatenraum niemals eine PIN-Nummer ein. Es reicht immer das Durchziehen der Karte. Das gilt auch, wenn das PIN Eingabe-Gerät noch so offiziell und amtlich aussieht!
      Lassen Sie sich am Geldautomaten nie nach Ihrer Geheimnummer ausfragen, diese geht keinen etwas an. Hintergrund: Täter verwickeln derzeit Kunden am Geldautomaten gerne in Gespräche und wollen bei der Eingabe der PIN-Nummer helfen.
      Handtaschen sollte man an belebten Plätzen immer im Brustbereich tragen.
      EC-Karten niemals im Fahrzeug zurücklassen, da Sie dann bei Diebstahl und Missbrauch voll haften.
      Geben Sie Ihre EC-Karte niemals aus der Hand, das gilt auch in Cafés, Bars oder Restaurants. Zahlen Sie dort nur per Lastschrift, wenn der Kellner die Karte vor Ihren Augen durch die Registrierkasse zieht!
      Melden Sie Verlust oder Diebstahl der EC-Karte sofort an die zentrale Nummer 0180/ 5 021 021 (0,12 € pro Minute) Vergessen Sie dabei nicht, auch die Kreditkarten zu sperren, dafür müssen Sie meist noch weitere Sperrnummern abtelefonieren.

      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 09.12.2003 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



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      Informationen:
      Hintergründe zu EMV:
      www.eurokartensysteme.de
      www.sbs.co.at

      Was tun wenn die EC-Karte geklaut wurde?
      www.daserste.de/plusminus/ beitrag.asp?iid=45

      Problem Lastschriftverfahren:
      www3.mdr.de/plusminus/ 2_130503.html


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      http://www.hr-online.de/fs/plusminus/2003120932.html
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      schrieb am 11.12.03 00:22:26
      Beitrag Nr. 1.037 ()
      ZUR ÜBERSICHT


      "Erpressung wächst täglich"

      Federal Mogul will mehr Arbeit für weniger Geld trotz Auftragsflut

      (Arbeiter sind ja zum "schuften" da. Auf der ganzen Welt wird versucht auf Kosten der Arbeiter mehr Gewinn (Rendite)
      zu erwirtschaften. Wer soll zum Schluss noch die produzierten Sachen kaufen? Ah ,ja die Leute sollen sich bis zum Halse verschulden, damit anderen das Vermögen wächst.)

      VON MARIO MÜLLER



      Das Leitmotiv ist interpretationsbedürftig, wenn nicht gar irreführend. "Nur der Kunde kann unsere Arbeitsplätze sichern", steht dick am Schwarzen Brett in der Werkshalle von Federal Mogul Nürnberg. Gemeint ist dies wohl als Appell an die Belegschaft, auf hohe Qualität in der Produktion zu achten und sich überhaupt ordentlich ins Zeug zu legen.

      Als wenn es damit getan wäre. An Aufträgen herrscht derzeit jedenfalls kein Mangel in der Nopitschstraße 97. Die Tochtergesellschaft des US-Konzerns, eines Zulieferers der Automobil-Industrie mit weltweit mehr als 46 000 Beschäftigten, stellt Kolben aus Aluminium her für Diesel- sowie Ottomotoren, und ist so gut ausgelastet, dass selbst der Weihnachtsurlaub gestrichen wurde. Die 1115 Arbeitsplätze am Standort sind damit aber mitnichten gesichert. Ihre Zukunft hängt zwar auch von Großkunden wie VW in Wolfsburg und deren Bestellverhalten ab. Die letzte Entscheidung fällt aber, da gibt es kein Vertun, in Southfield, Michigan, der Zentrale von Federal Mogul.

      Für Walter Reifenröther, den Geschäftsführer in Nürnberg, haben die Arbeitnehmern ihr Schicksal selbst in der Hand. Nur wenn sie auf Lohn und Gehalt verzichten und gleichzeitig den Wünschen des Managements nach noch stärkerer Flexibilisierung der Arbeitszeiten folgen, gibt er dem Standort auch längerfristig eine Überlebenschance. Andernfalls, so lässt Reifenröther unmissverständlich erkennen, droht die Verlagerung der Produktion ins polnische Gorzyce.

      Es ist das bei Multis inzwischen übliche Monopoly. Standorte werden gegeneinander ausgespielt. Nürnberg hat als "Lead-Plant", als Kompetenzzentrum für alle 22 Kolbenfabriken von Federal Mogul noch relativ gute Karten. Die gleiche Funktion rettete aber ein Werk in England nicht vor dem Aus. Also müssen sich die Franken vor allem mit der konzerninternen Konkurrenz einige hundert Kilometer weiter östlich messen lassen. Bei diesem Vergleich ziehen sie, folgt man Reifenröther, eindeutig den Kürzeren. Mit 30 Euro die Stunde lägen die Lohnkosten in Nürnberg gut sechs Mal so hoch wie in Polen, bei den Lohnstückkosten betrage das Verhältnis 1,90 Euro zu 38 Cent. Dass die Produktion hier zu Lande überhaupt noch aufrecht erhalten wird, erklärt der Manager im Wesentlichen mit den hohen Kosten einer Verlagerung.

      Armin Ditze, den Vorsitzenden des Betriebsrats, können solche kaum verhüllten Drohungen nicht mehr groß erschüttern. "Die Erpressungsversuche werden von Tag zu Tag stärker", sagt er. Und meist muss er sich ihnen zähneknirschend beugen, um zu retten, was an Beschäftigung zu retten ist. Der Geschäftsplan sieht bis 2008 ohnehin schon eine Reduzierung auf 844 Stellen vor. Den Abbau dürfen sich übrigens getrost die Kunden zurechnen lassen. Denn die Automobilhersteller verlangen von ihren Zulieferern im Voraus festgelegte jährliche Preisabschläge, die sich bei Federal Mogul Nürnberg in den nächsten vier Jahren auf immerhin 29,1 Millionen Euro summieren. Entsprechend versucht das Unternehmen seine Kosten zu drücken.

      Um noch höhere Stellenverluste zu vermeiden, hat die Belegschaft bereits erhebliche Zugeständnisse gemacht. Die Möglichkeiten der Flexibilisierung, die der Tarifvertrag bietet, wurden Ditze zufolge voll ausgenutzt. Die Maschinen laufen mit mehreren Schichtvarianten mehr oder weniger rund um die Uhr, auch am Wochenende. Und der Betriebsratsvorsitzende wäre auch bereit, die Forderung der Geschäftsleitung nach Kürzung übertariflicher Zulagen zu akzeptieren, wenn er denn im Gegenzug die Zusicherung erhielte, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.

      Auf keinen Fall will Ditze, der sich unter dem doppelten Druck des Managements und der Belegschaft ohnehin "wie ein Sandwich" fühlt, die von Reifenröther geforderte 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich hinnehmen: "Der Tarif ist für uns tabu". Für die Geschäftsleitung allerdings nicht. Sie würde unter Umständen sogar aus dem Arbeitgeberverband austreten, um die hohen Renditevorgaben aus Michigan zu erfüllen.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 16:06:44
      Beitrag Nr. 1.038 ()
      Der Dollar geht seinen Weg - Steht am Ende des Chaos ? – Die Regierung Bush lässt keinen Fehler aus
      (11.12.2003)

      Der amerikanische Dollar läuft in die Richtung, in die er gehen muss. Er wertet ab. Dies ist der wohl einzige Erfolg versprechende Weg, um die chronisch hohen und womöglich noch wachsenden Leistungsbilanzdefizite der USA wieder auf ein akzeptables Niveau schrumpfen zu lassen.

      Klarer ausgedrückt: Ein abwertender Dollar muss die Importe verringern und die Exporte fördern. So gesehen, ist ein immer schwächer werdender Dollar eine Form des Protektionismus. Allerdings eine passive, im relativ freien Spiel der Marktkräfte entstehende und somit akzeptierte Variante.

      Da aber angenommen werden kann, dass die Regierung Bush die Schwäche des Greenback wohlwollend verfolgt und in nicht öffentlich werdenden Verhandlungen besonders mit asiatischen Ländern sogar propagiert, ist diese Form des Protektionismus doch nicht ganz so passiv, wie es erscheinen mag.

      Wir werden zu dem Thema Protektionismus noch einiges erleben, bis die derzeit nackte Furcht der Regierung in Washington vor einem neuerlichen Absturz der Konjunktur schwindet. Sie hat es mit europäischem Stahl versucht und ist gescheitert. Sie hat es mit chinesischen BH’s versucht und wird scheitern, weil es in den USA gar keine nennenswerten BH-Produzenten gibt, die Schutz verdienten. Und sie haben es zuletzt mit einer Reihe von Gegnern des Irak-Feldzuges versucht, indem sie diese von der direkten Teilnahme am Wiederaufbau dieses Landes ausschließen wollen.

      Try and Error. Learning by Doing. Multiple Choice. So gut das in einigen Bereichen funktionieren mag, es geht in den großen Fragen vor allem dann selten gut aus für die amerikanische Führung, wenn nicht alles am Kapitaleinsatz hängt. Doch nun geht ihr auch noch das Kapital und damit ein guter Teil ihrer Macht aus.

      Nichts anderes verrät die Abwertung des Dollar. Es fließt einfach nicht mehr ausreichend „Stoff“ in die USA, um den Greenback stabil zu halten. Dass dies im Augenblick erwünscht ist, kann nicht über einen tief sitzenden Vertrauensverlust in die Regierung Bush hinwegtäuschen. Sie lässt Obsessionen erkennen, wo perspektivisches Denken am Platze wäre. Sie hat Pläne, aber keine Konzepte. Und sie lebt weit über ihre materiellen Verhältnisse, wo wenigstens der Wille zur Sparsamkeit wünschenswerte wäre.

      Wenn sich da nicht bald etwas ändert, schmilzt das Vertrauen auf einen Punkt, der eine nicht nur ungeordnete, sondern chaotische Abwertung des Dollar wahrscheinlich macht. Und dann gnade uns allen, wer auch immer die Dinge lenkt.

      Man muss sich fragen, was dieser Regierung noch alles einfällt, um Vertrauen zu vernichten, bis im November nächsten Jahres der Vorhang zur Präsidentenwahl heruntergeht. Jedenfalls ist das, was sie bis jetzt geboten hat, nicht gut für Amerika und auch nicht gut für den Rest der Welt.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      -----------------

      Wussten Sie schon, dass...?
      (11.12.2003)

      Asien steht im laufenden Jahr für 55 Prozent des gesamten Wachstums im Welthandel. Davon entfällt wiederum der größte Teil auf China. Die Importe dieses Landes dürften um 40 Prozent zunehmen.


      (Quelle: Morgan Stanley)

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 17:54:52
      Beitrag Nr. 1.039 ()
      Buchkritik P.C. Martin: Der Kapitalismus







      Geschrieben von XXX am 10. Dezember 2003 13:06:23:

      Quelle: Schule für Lebenskunst

      Paul C. Martin: DER KAPITALISMUS - Ein System, das funktioniert.
      Hans-Joachim Heyer: Buchbesprechung

      gekürzt von XXX

      Paul C. Martin meint, daß alle toten und lebenden Wirtschaftswissenschaftler, beispielsweise Marx, Keynes, Friedman, bei der Definition des Kapitalismus‘ geirrt haben. Und da sich die kapitalistische Praxis an diesen falschen, nicht funktionierenden Modellen orientiert hat, hat es in der Vergangenheit in fast regelmäßigen Zyklen Wirtschaftszusammenbrüche gegeben und wird es in Zukunft wieder geben.

      Martin erklärt, wie der Kapitalismus NICHT funktioniert: Er ist KEINE Tauschwirtschaft; das Geld ist KEIN Tauschmittel usw, wie alle bisherigen Wirtschaftsstrategen glaubten, sondern: Der Kapitalismus ist kein Kapitalismus, sondern ein DEBITISMUS (von ›debitum‹, das Geschuldete), bei dem das Geld Wechsel, Schuldscheine, also Forderungen von Gläubigern an Schuldnern, ist, die in Umlauf gebracht werden.

      Jener Geldkreislauf ist aber nicht geschlossen, sondern weist eine Lücke auf, weil ein systembedingter Geldmangel entsteht, der nur solange beglichen werden kann, wie es dem System gelingt, neue Schuldner zu finden. Die alten Schuldner können nämlich ihren unabwendbaren Bankrott nur solange aufschieben, wie sie ihre Schulden an andere, neue Schuldner, weiterreichen können. Ergo ist der Debitismus notwendigerweise imperialistisch (was Martin jedoch leugnet, S. 36). Und wenn sich keine neuen Schuldner mehr finden lassen, kommt die Rezession und Deflation und dann kommt: „Bingo!“ - wie Martin sich auszudrücken pflegt.

      Eine Staatsverschuldung als letzte Rettung hält Martin für untauglich, da sie den unvermeidlichen Untergang zwar eine Zeit lang aufhält, ihn dann aber umso umfassender und vernichtender stattfinden läßt.

      Die Geldlücke, die den Kapitalismus oder Debitismus immer wieder scheitern läßt, erklärt Martin so: Ein Unternehmer baut sich eine Fabrik auf. Er muß investieren, also vorfinanzieren, also Schulden machen, und zwar über den gesamten Zeitraum von der ersten Investition bis zur Einstreichung des Gewinnes. Mit dem Verkauf der Produkte soll alles vorfinanzierte Kapital wieder hereinkommen. Das aber ist laut Martin nicht möglich! Es kommt alles wieder herein, nur die Zinsen nicht (S. 41, 48). Zins sei der „Preis für Zeit“!

      Warum kostet Zeit Geld? Des Verfalls wegen: Der Mensch muß ständig Geld ausgeben, um zu leben. Das ist die sog. ‚Urschuld‘ (S. 93). Und alle Güter nützen sich ab - außer Gold. Der Debitismus würde reibungslos funktionieren, wenn er zeitlos ablaufen könnte.

      Und hier setzt Martin bei seinem Versuch, sein geliebtes System zu retten, an: Er meint, man müsse den Zeitverbrauch bloß gegen Null führen, und schon sei die sonst zwangsläufige Katastrophe zu vermeiden.

      Wie schmiert man die debitistische Maschine? Indem man den bremsenden Staat ausschaltet. Der Staat mit seinen Gesetzen, Steuern, Subventionen, Staatsschulden und vor allem mit seinen Beamten kostet dem Debitismus viel Zeit, ergo viele Zinsen.

      Martin will den Kapitalismus retten, indem er ihn beschleunigt! Dies genau ist sein Denkfehler, der ihn in die gleiche Ecke verweist, in die er alle anderen Wirtschaftswissenschaftler gestellt hat: in die Ecke der Irrenden! Eine Beschleunigung des Systems bringt nämlich nichts anderes als einen beschleunigten Zwang, neue Schuldner finden zu müssen. Solange dieses Problem nicht dahingehend gelöst wird, daß der Kapitalismus nicht mehr neue Schuldner finden muß, ist jede Beschleunigung des Kapitalismus/Debitismus nichts als eine Beschleunigung seines Untergangs!

      Möglicherweise irrt Martin auch noch an einer anderen Stelle. Deutlich hat er das Problem und das Scheitern Marx‘ herausgearbeitet. Marx konnte die Frage nicht beantworten, wo das Geld für den Gewinn - Mehrwert - und für die Zinsen herkommt. Martins Antwort lautet, der erwartete Gewinn werde wie das Kapital vorfinanziert. Auf Seite 41 lesen wir: „Das Kapital ist vorfinanziert, das Geld dafür in der Zirkulation, auch die Löhne sind im Umlauf und selbst der Mehrwert. Aber der Zins? Der Zins für den vorfinanzierten Mehrwert ist nun wirklich nicht mehr vorfinanziert.“

      Falls ich Martin richtig verstanden habe, verhält es sich dann so: Der erwartete Gewinn ließe sich prinzipiell in beliebiger Höhe vorfinanzieren. Wollte der Unternehmer einen sehr hohen Gewinn einstreichen, bräuchte er nur sehr viel Geld unter die Leute zu bringen, indem er sehr hohe Schulden machte. Allerdings müßte er dann auch mehr Zinsen bezahlen, was ihn ungeachtet seines Gewinnes in eine höhere Verschuldung treiben würde. Die Gewinnkalkulation des Unternehmers muß sich also danach richten, wieviel Schulden er an Dritte Personen weitergeben kann.

      Die Banken spielen in Martins Buch nur eine untergeordnete Rolle. Aber ich stelle fest: Die Banken werden in diesem Prozeß immer reicher und reicher. Anfang 1991 hatte die Bundesrepublik schon über 1 Billion DM Schulden bei den Banken. Das sind die Schulden, die die Unternehmer hätten, wenn sich der Staat nicht verschuldet hätte, indem dieser den ewig gesuchten neuen Schuldner gespielt hatte.

      Die Staatsverschuldung hat Martin mit wenigen Sätzen als Fehlgriff der Finanzexperten, die den Kapitalismus nicht verstanden haben, abgehakt. Nach dem, was ich nun zu wissen glaube, denke ich, daß diese Experten doch nicht so dumm sind. Sie sichern sich mit der Staatsverschuldung ihren liquiden Reichtum. Was nämlich passiert, wenn das Volk keine Lust hat, sich zu verschulden, um den Reichen ihren Gewinn zu sichern? Dann muß das Volk eben entmündigt werden, indem der Staat für es das Schuldenmachen übernimmt. Zusätzlich zu den Staatsschulden, die die Steuern hochtreiben, treibt der Staat die Nachfrage und damit die Preise hoch. So entsteht ein zusätzlicher Gewinn für die Unternehmer.

      Martins Buch weist einen weiteren Mangel auf: Er schreibt, daß der Kapitalist gar nicht die Arbeiter ausbeuten könne, da zu geringe Löhne die Kaufkraft schwächen und Umsatz und Gewinn des Unternehmers schmälern würden. Der Unternehmer könne eben nur das Geld einnehmen, das er selbst vorher unter die Leute gebracht habe. Aus diesem Grund sei er an möglichst hohen Löhnen interessiert - in meinen Ohren klingt das wie Hohn!

      Martin argumentiert so, als ob der Arbeiter freiwillig diesen Vertrag eingegangen wäre. In Wahrheit wird jedoch der Arbeiter gezwungen, für einen Hungerlohn zu arbeiten, indem die Industriegesellschaft ihm jede Alternative raubt. Der Kapitalismus toleriert keine anderen und autonomen Systeme.

      Völlig richtig hat Martin nachgewiesen, daß eine Tauschwirtschaft ein geschlossener Kreislauf ist, in dem nicht wie im Kapitalismus/Debitismus Kasse gemacht wird. Könnte es sein, daß die von Martin bravourös herausgearbeitet Geldlücke im Kapitalismus nichts anderes ist, als die Folge des Aufbrechens des (mit geschlossenem Geldkreislauf funktionierenden) Tauschhandels?

      Hat da etwa jemand den Kreislauf des guten alten Tauschhandels aufgebrochen, um sich an der Bruchstelle festzusetzen und den Geldfluß nach und nach in seine eigene Taschen zu leiten, wobei er, damit den Diebstahl keiner merkt, leere Versprechungen - inflationäres Geld, Geld ohne Gegenwert - in den Kreislauf zurückleitet?

      Der Kapitalismus scheint ein System zu sein, mit dessen Hilfe man auf Kosten Anderer leben kann, ohne daß diese es merken. Ich frage mich, warum der Kapitalist Martin verschleiert, daß der Kapitalismus nicht funktioniert, indem er im Untertitel seines Buches beschreibt: ›Ein System, das funktioniert‹. Will er sich ebenfalls auf Kosten anderer Menschen ein feines Leben machen? Dafür spricht, daß er auf den Wahnsinn des Glaubens der Leute an das GOLD baut, ohne preiszugeben, daß der Wert des Goldes in Wahrheit ein psychologischer, ein geglaubter Wert ist. Er schreibt fälschlicherweise, daß den Crash nur das EWIGE GOLD überleben wird - neben den Besitzern des Goldes. Martin möge bitte in der Bibel die Geschichte vom Goldenen Kalb lesen!

      Der Kapitalismus - eine teuflische Verschwörung? Ich fürchte, ich bin einem kapitalen Schwindel auf die Spur gekommen! Zwar hat mir Paul C. Martins Buch die Augen über den Kapitalismus geöffnet, aber jetzt merke ich, daß Martin entweder Opfer eines Schwindels ist oder diesen bewußt mitmacht. Dazu lesen wir auf Seite 19: „Warum hat es niemand früher geschafft, den Kapitalismus, das menschliche Wirtschaften in der Zeit zu enträtseln? Sinnlose Bibliotheken sind entstanden, Hunderttausende von Ökonomen und Wirtschaftsexperten haben immer wieder den gleichen Denkfehler gemacht. ... Warum? ... Wir wissen es nicht. Vermutungen, daß es tatsächlich schon früher Menschen gegeben hat, die genau gewußt haben, wie Wirtschaften wirklich funktioniert, die aber dieses Wissen als herrschaftlich für sich behalten haben ..., solchen Mutmaßungen wird nachgegangen.“

      Offensichtlich ist Martin bei seinen Recherchen fündig geworden und konnte es sich nicht verkneifen, sein erworbenes herrschaftliches Wissen ebenfalls - wenigstens teilweise - für sich zu behalten. Deswegen macht er sich unsinnigerweise öffentlich Gedanken darüber, wie die Idee der Staatsverschuldung in das debitistische System Einzug halten konnte, obwohl klar hätte sein müssen, daß sie es ist, die das System zerstört.

      Das Buch beginnt mit einem Zitat, in dem es heißt, daß es den Finanzexperten Hong Kongs beim Versuch, sich eine Verfassung zu geben, nicht gelungen sei, ihren Kapitalismus zu definieren. Dann schreibt Martin: „Das Buch, das Sie jetzt in Händen halten, definiert ›Kapitalismus‹. Ein für allemal. Und zum ersten Mal.“

      Nachdem ich nun das Buch gelesen und festgestellt habe, daß Martin sein Versprechen nicht eingelöst hat, kommt mir der Verdacht, daß weder die Hong Kong-Finanzexperten noch Martin den Kapitalismus erklären bzw. definieren WOLLTEN!

      Auf Seite 16 schreibt Martin: „Denn wir wollen weder Partei ergreifen noch Angriffskriege starten. Was in diesem Buch erklärt wird, ist Wirtschaft schlechthin. Ganz einfach Wirtschaft.“ Diese Behauptungen nehme ich Martin nicht ab. Denn er ergreift Partei für den von ihm ‚definierten‘ Debitismus/Kapitalismus, der nur funktioniert, wenn Angriffskriege gestartet werden. Darum will auch er einen Angriffskrieg starten. Und vor allem will er nicht ›Wirtschaft‹ schlechthin erklären, sondern das Wesen der Machtpolitik verschleiern. Ist es Absicht oder Freudsche Fehlleistung, wenn Martin in der Einleitung das Gegenteil von dem schreibt, was er im weiteren Verlauf des Buches zum Besten gibt? Dort schreibt er nämlich, daß der Kapitalismus das beste sei, was es geben könne und behauptet, er sei „ein System, das funktioniert“. Hier schreibt Martin jedoch: „Kapitalismus ist etwas, das es gar nicht geben dürfte. Denn jemand, der seine Produktion vorfinanziert hat, kann zwar vom Markt die Kosten seiner Produktion zurück erwarten. Aber niemals die Kosten der Vorfinanzierung selbst und auch niemals die Prämie für das Risiko, daß er sich überhaupt aufs Produzieren eingelassen hat, an dessen Ende - allein durch Zeitablauf - immer und ehern eines wartet: der Bankrott.“

      Martin wird uns deutlich machen, daß der Kapitalismus scheitern muß, weil er nicht ständig neue Schuldner finden kann - es sei denn, er startet Angriffskriege, um die Forderungen der Schuldner und die bezahlten Güter zu vernichten. Da dies so grausam ist, wagt es Martin nur indirekt auszusprechen (s.o.). Und auch die Hong Kong-Kapitalisten hatten es offensichtlich nicht gewagt!

      Auf Seite 31 (unter vielen anderen) wird Martin polemisch. Es geht um die Frage, was die Reichen denn mit ihrem Geld so alles anfangen können. „Der ganze Zweck der kapitalistischen Übung war es, ein Jahr lang auf Kosten der Arbeiter zu leben, und zwar sagenhaft zu leben. Denn er hat für sich allein so viel verkonsumiert, wie die Arbeiter insgesamt zum Leben hatten. Welche Leber, welches Herz hält so ein Leben aus?“ Hier will Martin die neidischen Arbeiter der Lächerlichkeit preisgeben. Natürlich stimmt es, daß die Kapitalisten auf Kosten der Arbeiter sagenhaft leben, aber sie können mit ihrem Geld noch andere Sachen machen, zum Beispiel ein Ferienhaus auf den Bahamas und teure Antiquitäten kaufen, zum Skifahren nach Alaska jetten, Politiker bestechen und Killer kaufen...

      Martin will uns aber vielmehr weismachen, die Kapitalisten seien allesamt arme, streßgeplagte Schweine, die hinter ihrem eigenen Geld herjagen, um den unvermeidlichen Bankrott aufzuschieben!

      Ich setze entgegen, daß sie ja gerade deswegen so reich sind, WEIL sie die Schuldenlawine in Gang gesetzt haben!

      Auf Seite 36 zieht Martin die Ökonomen Rosa Luxemburg und John Maynard Keynes über den Tisch. Dabei behaupten diese nichts anderes als Martin selbst. Nur benutzen sie andere Worte. Luxemburg sagt, daß der Kapitalismus nur funktionieren kann, wenn es „außer den Kapitalisten und den Lohnarbeitern noch ›dritte Personen‹ (gibt), die, in aller Welt verstreut lebend, den Ausbeutern bei der Realisierung des Mehrwertes (Gewinnes) helfen.“ Jene ›dritte Personen‹ sind just Martins gesuchte ›neue Schuldner‹. Keynes bezeichnet den Zweck, für den die neuen Schuldner gesucht werden, indem er schreibt, der Kapitalismus brauche, um funktionieren zu können, „eine Erweiterung der zahlungsfähigen Nachfrage.“

      Luxemburg und Keynes haben aber nicht geirrt, sondern Martin will etwas verschleiern. An anderer Stelle seines Buches gibt Martin die wahre Antwort, nämlich daß die Wilden das Geld bekommen, indem sie ganz einfach Schulden machen. Sie beleihen Land, das sie zu diesem Zweck in ihren Besitz nehmen, sie roden ihre Urwälder, plündern ihre Meere, Flüsse, Seen und Bodenschätze. Sie sind Martins gesuchte neuen Schuldner!

      Auch Marx bekommt sein Fett weg: „Die von Marx vorhergesagte Verelendung (der Massen) ist nicht eingetreten.“ Später stoßen wir allerdings auf die Kapitelüberschrift „Die Katastrophe,“ worunter ebendiese Verelendung in den schillerndsten Farben beschrieben wird. Wieder frage ich mich: Was will Martin bloß? Will er mich, den Leser, verarschen?

      Warum verschweigt Martin, daß Kapitalismus dies ist: Ich mache Schulden, gebe diese durch Tausch (gegen Sachen) an andere Leute weiter, senke den Gesamtwert des Geldes durch Zinsanhäufung (Inflation). Dadurch steigen die Sachwerte, die in meinem Besitz sind, relativ zum Geldwert. Die Differenz zwischen altem und neuem Sachwert ist mein Gewinn und die Schulden der Andern. Den Gewinn setze ich in Geld um und kaufe mir dann Gold, Grundstücke und Waffen und vernichte, wenn ich keine neuen Schuldner mehr finde, die bezahlten Güter und Forderungen, indem ich einen Krieg lanciere. Dann starte ich eine neue Runde des Kapitalismus, was mir leicht gelingt, da alle Leute, die mich bis dahin durchschaut haben könnten, dann tot oder meine Freunde sind, und ich im Besitz von Gold und Boden bin.

      Der Kapitalismus ist die moderne Form des Raubes und der Sklaverei. Kein Wunder, daß die Hong Kong-Finanzexperten den Kapitalismus nicht definieren ›konnten‹! Das erinnert mich an eine Textstelle in Dagobert Lindlaus Buch „Der Mob“, wo Lindlau beschreibt, daß es den Kriminalexperten nicht gelingen wollte, das ‚organisierte Verbrechen‘ zu definieren. Und warum gelang es ihnen nicht? Weil die Regierungen der Bundesrepublik und der USA Zweigstellen der Mafia sind!

      Der Kapitalismus ist ein System, das vom Staat getragen wird und ihn trägt. Beide sind Komplizen. Das meine nicht ich, das meint Kapitalist/Debitist und Wirtschaftsexperte Paul C. Martin. Er selbst setzt den Kapitalismus mit einem Kettenbriefsystem (S. 42) gleich. Und Kettenbriefsysteme haben den Effekt, daß sie diejenigen, die sie starten, also die Staatsgründer, Regierungen und Industrielle, auf Kosten aller anderen Menschen reich machen. Und aus diesem Grund sind Kettenbriefsysteme für den Otto-Normalverbraucher auch gesetzlich verboten!

      Der Kapitalismus ist ein lebensfeindliches Prinzip. Er stellt ein Pseudoleben dar, dem der Tod schon mit dem Akt der Zeugung einprogrammiert worden ist. Er dient dem Herrn der Systeme bei der Ausübung seiner Weltherrschaft. Er ist der Tanz der Juden um das Goldene Kalb, eine Aufsummierung von Schuld und Verweigerung der Sühne.

      Paul C. Martin zeigt in seinem Buch deutlich, wie es kommt, daß der Kapitalismus NICHT funktioniert. Martin hat herausgearbeitet, daß Geld kein Tauschmittel ist, sondern Forderungen sind, also Schuldscheine, die in Umlauf gebracht werden. Die Frage, was denn genau Zinsen sind, hat er meiner Meinung nach nicht befriedigend beantwortet. Martin meint, Zinsen entstünden durch den Zeitfaktor im Geschäftsablauf; sie seien zudem als Motor des Kapitalismus unerläßlich, denn der unabwendbare Schuldendruck zwänge alle am Kapitalismus Beteiligten zu ständigen Höchstleistungen, denen wir ja auch die Bezwingung des Kommunismus verdanken.

      Ich werde im nun Folgenden versuchen, Geld und Zinsen von einem anderen Standpunkt aus zu verstehen, um herauszufinden, ob oder wie der Kapitalismus noch zu retten ist.

      Das Geld ist tot! Das haben die Finanzexperten nicht begriffen. Sie behandeln das Geld wie ein diesseitiges Gut: Geld als Ware! Produkt dieses Irrtums: die Zinsen. Geld muß ZEITLOS sein, im Gegensatz zur Zeitlichkeit der Waren. Geld darf folglich nicht „arbeiten“! Die Zinsen müssen also abgeschafft werden.

      Martins Behauptung, mit der Abschaffung der Zinsen würde der Marktwirtschaft quasi der Motor ausgebaut werden, sticht meiner Auffassung nach nicht. In der Tat würde der Schulden- und Expansionsdruck nachlassen, aber einen Investitionszwang würde es auch ohne Zinsen geben, denn schließlich muß jeder Geld verdienen.

      Die Weltwirtschaft könnte sich nach dem Zusammenbruch des konkurrierenden Systems des Kommunismus und nach Erschließung aller Marktlücken nun tatsächlich ihre Raubtierzähne ziehen lassen und die Zinsen abschaffen, ohne Gefahr zu laufen, überrannt zu werden. Den Wirtschaftsexperten muß jetzt endlich klar werden, daß unsere Erde begrenzt ist und daß folglich die Wirtschaft nicht unbegrenzt wachsen darf.

      Um es noch einmal klar zu sagen: Der Kapitalismus scheitert aus zweierlei Gründen:
      1. Weil er quantitativ nicht unbegrenzt wachsen kann, und
      2. Weil die Zinsforderungen in unermeßliche Höhen steigen.

      Nach den Worten des Finanzexperten Paul C. Martin in „Kapitalismus - Ein System, das funktioniert“ leidet das Finanzsystem der Weltwirtschaft an einer tödlichen Krankheit: der Zinslücke. Diese Wunde des Kapitalismus tut sich auf, weil Geschäfte nicht in Nullzeit getätigt werden können. Das Geld für die Zinsen kann der Fabrikant nur hereinbekommen, wenn er seine Schulden auf die Kunden abwälzen kann. Schulden wachsen Jahr für Jahr an und führen den zwangsläufigen Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems herbei. Wie Martin dann noch von einem System sprechen kann, das funktioniert, ist mir schleierhaft. Er selbst schlägt weltweite Entschuldung an einem geheim gehaltenen Stichtag als Lösung vor, scheint aber selber nicht an die Durchführbarkeit dieser Idee zu glauben. Der Kapitalismus ist nur deshalb noch nicht zusammengebrochen, weil er es bisher immer wieder geschafft hat, neue Schuldner zu finden bzw ins qualitative Wachstum auszuweichen.

      http://f7.parsimony.net/forum9673/messages/35051.htm
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      schrieb am 11.12.03 17:57:17
      Beitrag Nr. 1.040 ()
      Enronitis in Italien

      (Instock) Der italienische Nahrungsmittelkonzern Parmalat steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Das Unternehmen, das immerhin auf einen Jahresumsatz von rund 7,6 Milliarden Euro kommt und 36.000 Mitarbeiter beschäftigt, konnte bislang eine am 8. Dezember fällige Anleihe über 150 Millionen Euro nicht zurückzahlen, obwohl in den Bilanzen milliardenschwere Finanzpolster ausgewiesen werden. Allein die bilanzierten Barreserven sollen annähernd 1 Milliarde Euro betragen.

      Die Ratingagentur Standard & Poor`s reagierte bereits und stufte das Parmalat-Rating auf das Niveau von Junk-Bonds ab, denn die Gesamtverbindlichkeiten belaufen sich auf bis zu 9 Milliarden Euro. Hauptproblem des verschachtelten Familienimperiums sind unübersichtliche Finanzbeteiligungen und waghalsige Finanzgeschäfte. Unter anderem wurden 497 Millionen Euro in einen Hedge-Fonds mit Sitz auf den Cayman-Inseln investiert, deren Verbleib bislang ungewiss ist.

      Als Konsequenz trat der erst seit 14. November amtierende Finanzchef Luciano Del Soldato zurück. Derweil sind die Parmalat-Aktien den dritten Tag in Folge vom Börsenhandel in Mailand ausgesetzt. Marktbeobachter fürchten den Zusammenbruch des Konzerns.
      http://www.instock.de/Nachrichten/10136780.html
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 17:59:59
      Beitrag Nr. 1.041 ()
      Inszenierter Skandal

      Florida-Rolf, Kindergeld-Klaus


      Die Nachricht sorgte landesweit für Erregung: Betrug beim Kindergeld! Mitarbeitern des Finanzministeriums war aufgefallen dass trotz sinkender Geburtenzahlen die Ausgaben für das Kindergeld stetig steigen.
      Von Ralf Hertel



      (SZ vom 12.12.03) — Selbst wenn man die Erhöhung der Zahlungen unter der rot-grünen Regierung berücksichtige, bleibe ein immenser Fehlbetrag. Der Bundesrechnungshof sei bei der Überprüfung der Auszahlungen zu „einem alarmierenden Ergebnis“ gekommen und habe eine „Fehlerquote von bis zu 20 Prozent“ bemerkt.

      Ominös sprach der Spiegel von „verschwundenen Milliarden“ und deutete an, dass Bürger, die für ihre Kinder an mehreren Orten kassierten, den Staat um zehnstellige Beträge prellen würden.



      Kriminelle Energie?
      Deutschland, ein Land der Betrüger und Abzocker? Kommt nach Florida-Rolf nun Kindergeld-Klaus? Sicherlich mag es vereinzelte Betrugsfälle geben, aber ob die kriminelle Energie, die unterschwellig einer ganzen Nation unterstellt wird, wirklich existiert, ist fraglich.

      Beim Rechnungshof fühlt man sich falsch wiedergegeben, die Fehlerquote enthalte auch reine Formfehler, eine große Anzahl an Betrugsfällen könne man nicht erkennen. Auch beim Familienministerium kennt man andere Gründe für den Zuwachs der landesweiten Kindergeldsumme: So erhalten seit 1995 auch Ausländer unter bestimmten Auflagen Kindergeld. Dazu kommt, dass die Zahl der Studenten und Doktoranden seit 1998 deutlich gestiegen ist – und damit auch der Kreis derer, für die potenziell Kindergeld beantragt werden kann.



      Hysterie
      Ob der angebliche Skandal eine Nachrichtenente ist, werden erst die jetzt einsetzenden Untersuchungen beantworten. Jedenfalls kam noch im April die Zeitschrift Finanztest zu dem Ergebnis, dass die Familienkassen wegen Überlastung oft berechtigte Anträge ablehnen, also zu wenig Kindergeld auszahlen. Aber der vermeintliche Skandal passt zu der um sich greifenden, vom Sozialneid befeuerten Hysterie ums ständig weniger werdende Geld.

      Die Meldung folgt der Logik der Empörung, die durch den Nachsatz, es könne statt Betrug womöglich auch andere Erklärungen geben, kaum abgefedert wird.

      Es ist die Nachricht, die wir hören wollen, um rechtmäßig empört auf der richtigen Seite zu stehen. Sie untermauert eine Verdrängungsstrategie in Zeiten ständiger Gehaltskürzungen und drohenden Jobverlusts: Die Ehrlichen sind die Dummen.



      Die Wahrheit liegt woanders
      Wem es finanziell schlechter geht als anderen, der kann sich einbilden, dass das nur von einem geraden Rückgrat zeuge. So wird die eigene Misere umgedeutet in charakterliche Tugend.

      In der Meldung vom Kindergeldbetrug gehen die Sorge um das Ende des Sozialstaats und persönliche Verdrängungsmechanismen eine alarmistische Melange ein. Wahr muss sie deshalb nicht sein.
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/400/23377/
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:13:17
      Beitrag Nr. 1.042 ()
      "Was ist Wahrheit? Drei Wochen Pressearbeit und alle Welt hat die Wahrheit erkannt; ihre Gründe sind solange unwiderlegbar, als Geld vorhanden ist, sie ununterbrochen zu wiederholen."
      Oswald Spengler, deutscher Kultur- und Geschichtsphilosoph, 1880-1936


      *
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:17:31
      Beitrag Nr. 1.043 ()
      Satire des Monats






      Schöne Bescherung
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:20:48
      Beitrag Nr. 1.044 ()
      Ausland
      Karl Unger

      Zwecklegenden

      Die Aufwertung des Euro führt nicht zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit (I)


      Seit Jahresbeginn hat der Euro gut 15 Prozent gegenüber dem Dollar an Wert gewonnen. Ein solcher Höhenflug der Währung löst bei der Exportwirtschaft reflexartig Heulen und Zähneklappern aus. Dem Trio Schröder-Clement-Eichel ist er hingegen recht. Haben sie doch so ein zusätzliches und auf den ersten Blick einleuchtendes Argument für die Notwendigkeit weiterer einschneidender »Strukturreformen«. Doch im Gegensatz zu allen Behauptungen führt die Aufwertung des Euro nicht zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Die Direktexporte der Euro-Länder in die USA machen ohnehin weniger als zehn Prozent der Gesamtausfuhren aus. Zudem hat eine starke Währung auch positive Auswirkungen. So sorgt sie tendenziell für eine niedrige Inflation. Sie würde der Europäischen Zentralbank erlauben, die Zinsen weiter zu senken und so den zyklischen Aufschwung zu unterstützen. Und nicht zuletzt verbilligen sich Öl- und zahlreiche Rohstoffimporte, weil sie in Dollar gehandelt werden.

      Im übrigen waren es die G-7-Finanzminister selbst, die Ende September für den beschleunigten Abwärtstrend des Dollar gesorgt haben. Ihre Forderung nach mehr Wechselkursflexibilität, mit der sie das Treffen in Dubai beendeten, war nur die verklausulierte Feststellung, daß die Bush-Administration eine Politik des billigen Dollar will. Die Abwertung des Dollar ist aber auch Ausdruck der gravierenden wirtschaftlichen Probleme der USA. Selbst die positiven Konjunkturdaten der letzten Wochen haben keine Dollarnachfrage bzw. Kurssteigerung ausgelöst. Das internationale Finanzkapital ist sich darüber im klaren, daß der jetzige Aufschwung noch kein selbsttragender ist, sondern im wesentlichen vom Staat finanziert wird: durch Militärausgaben und die Kosten der Besetzung des Irak.

      Zudem fürchten Anleger weitere Terroranschläge. Die Bereitschaft, Geld in die USA zu pumpen, nimmt auch deshalb ab. Die Spekulanten suchen sichere Häfen: Gefragt sind europäische Staatsanleihen und Gold. Und es gibt auch einen handfesten ökonomischen Grund für ihr Verhalten: das Leistungsbilanzdefizit der USA. Zwar schreibt die größte Volkswirtschaft der Welt seit gut zwanzig Jahren rote Zahlen, weil die Warenimporte regelmäßig die Exporte übersteigen, aber in den letzten Jahren hat sich der Negativsaldo sukzessive auf über 4,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erhöht. Die Nettoauslandsverschuldung ist dadurch bis Ende 2002 auf 2,4 Billionen Dollar angestiegen, was fast einem Viertel des jährlichen BIP entspricht. Dieses Problem löst sich mit der konjunkturellen Erholung nicht, sondern verschärft sich vielmehr. Erfahrungsgemäß erhöht sich nämlich das Ungleichgewicht der Leistungsbilanz bei einem Aufschwung, da die Nachfrage nach ausländischen Gütern in den USA stärker steigt als die nach »Made in USA« im Rest der Welt. Bereits jetzt übersteigen die Fehlbeträge der Handelsbilanz, die die wichtigste Komponente des Leistungsbilanzdefizits bildet, mit 45 Milliarden Dollar pro Monat diejenigen in der Phase der letzten Hochkonjunktur deutlich.

      Damit lautet die zentralen Frage für die weitere Konjunkturentwicklung: Bis zu welchem Punkt ist das internationale Kapital bereit, durch den Kauf von US-Vermögenswerten die laufenden Fehlbeträge zu finanzieren? In den letzten beiden Jahren haben sich die Zuflüsse langsam, aber stetig vermindert. Nachdem jüngste Statistiken zeigen, daß derzeit deutlich weniger US-Anleihen und -Aktien von Ausländern gekauft werden, sieht man bei der Investmentbank Goldman Sachs bereits Anzeichen für Kapitalflucht.

      Dieses Problem will die Bush-Regierung durch die Abwertung des Dollar gegenüber Euro und Yen lösen. Wenn sich dadurch das Defizit in der Handelsbilanz verringert, ist die US-Ökonomie nicht mehr so stark von Kapitalzuflüssen aus dem Ausland abhängig. Das klingt zwar theoretisch einleuchtend, ist aber völlig realitätsfern. Die US-Konzerne haben sich schon vor langer Zeit mehrheitlich für eine Investitionsstrategie entschieden, nach der man in aller Welt Produktionsstätten errichtet und von dort aus die internationalen Märkte beliefert. Sie produzieren also gar nicht in den USA, um ihre Produkte ins Ausland zu verkaufen. Das Defizit in der Handelsbilanz erklärt sich also zu einem erheblichen Teil daraus, daß die US-Konzerne die in anderen Ländern gefertigten Produkte in den USA verkaufen. Ein Vorgang, der in der Handelsbilanz als Import ausgewiesen werden muß. Nach verläßlichen Schätzungen machen diese Waren 45 Prozent aller Einfuhren aus.

      Die transnationalen Konzerne sind auf diese Strategie festgelegt und werden sie nicht ändern. Kurzfristig können sie das auch gar nicht, weshalb sich das Handelsbilanzdefizit trotz Dollarabwertung nicht nennenswert verringern wird. Andererseits kann US-Präsident Bush nicht zur Politik des starken Dollar zurückkehren. Der würde zwar ausländisches Kapital anziehen, hat aber Zinserhöhungen durch die Zentralbank zur Voraussetzung, und die würden das schnelle Ende aller Konjunkturhoffnungen bedeuten.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-12/009.php
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:23:02
      Beitrag Nr. 1.045 ()
      Inland
      Till Meyer

      Ein Hauch von Rebellion

      Streikende Studenten suchen das Bündnis mit allen anderen vom Sozialkahlschlag Betroffenen


      Der nun seit Wochen anhaltende Streik der Studierenden in Berlin und acht weiteren Bundesländern war von Beginn an kein Streik der Elite von morgen, der es ausschließlich um bessere Studienbedingungen geht. Bei keiner Forderung oder Diskussion, auf keinem Flugblatt, bei keiner Demonstration oder Besetzung, bei keiner der Aktionen der Studierenden fehlte der Bezug zur Politik des sozialen Kahlschlags, von der gegenwärtig Millionen Menschen betroffen sind. 75 Millionen Euro sollen an den drei Berliner Universitäten eingespart werden, gleichzeitig werden durch die Agenda 2010 den Rentnern und Arbeitslosen, den Sozialhilfeempfängern und abhängig Beschäftigten Milliarden aus der Tasche gezogen. Die asoziale Politik der Deregulierung, die von der Bundesregierung als »Jahrhundertreform« gepriesen wird, ist die bittere Kehrseite der Globalisierungsstrategien des deutschen Großkapitals. Die Exporte boomen, und es gibt weitere Steuergeschenke für die Reichen. Bezahlt wird das mit Massenverarmung. Mehrheitlich haben die streikenden Studierenden diesen Zusammenhang offenbar erkannt.

      Seit Wochen gibt es in Berlin Gespräche und Diskussionsrunden von Studierenden mit Betriebsräten und mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, die von Sozialkahlschlag betroffen sind. Studierende treffen sich mit den Betriebsräten von Siemens oder Osram, Hunderte Studierende haben die Mahnwache der Gewerkschafter vor der Zentrale der SPD besucht, die dort tagelang gegen die Zerschlagung der Tarifautomie demonstriert haben, und die Forderungen unterstützt. Seit Wochen ist das erst unlängst gegründete Sozialforum Berlin bemüht, alle Kräfte, die sich gegen die asoziale Regierungspolitik zu wehren beginnen, zu bündeln und zu einer politischen Kraft in der Stadt werden zu lassen. Das ist im Ansatz gelungen: Inzwischen gibt es das »Bündnis gegen Bildungs-und Sozialabbau«, das sowohl vom DGB Berlin/Brandenburg als auch von zahlreichen sozialen Initiativen und Gruppen unterstützt wird.

      »Wir wollen eine neue außerparlamentarische Opposition. Und wir versprechen der rot-roten Regierung in Berlin einen heißen Winter«, verkündete ein Mitglied des Bündnisses bei einer Veranstaltung am Mittwoch abend in der Humboldt-Universität (HU). Ein erster Erfolg sei auch die gemeinsame Großdemonstration am kommenden Sonnabend. Durch das Audimax der HU wehte ein Hauch von Rebellion. Auf dem Podium der Betriebsratsvorsitzende der Krankenhausgesellschaft Vivantes, Volker Gernhardt. Er verlas eine Grußadresse des Gesamtbetriebsrats, mit der sich dieser für die Solidarität der streikenden Studierenden bedankte. Neben ihm der Betriebsrat Rainer Döring von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG).

      Die Arbeitervertreter waren sich einig: Der Streik der Studierenden und aller anderen von Sozialabbau Betroffenen muß in gemeinsame Aktionen gegen die Regierung münden. »Wir müssen den Senat zwingen, die Kürzungen zurück zu nehmen.« Das fand den donnernden Applaus der 200 Zuhörer. Der Vivantes-Betriebsrat erläuterte, wie die Situation in den zehn Krankenhäusern inzwischen ist, seit sie vor zwei Jahren privatisiert wurden. 4 000 Kollegen wurden seither entlassen. Geplant sei, die Arbeit um zehn Prozent zu steigern bei zehn Prozent weniger Gehalt. Eine korrekte Patientenversorgung sei so nicht mehr möglich. Die Politik des Berliner Senats führe in eine soziale Katastrophe.

      Ähnliches hatte auch Rainer Döring von der BVG zu verkünden: Von 28 000 Mitarbeitern gebe es heute nur noch 12 500 bei fast gleicher Leistung. »Und jetzt wollen sie uns auch noch 30 Prozent weniger Lohn zahlen.«

      »Auf dem Landesparteitag der PDS wurde jetzt beschlossen, mit uns Studierenden solidarisch zu sein. Beschlossen wurde aber nicht, die geplanten Studiengebühren zurückzunehmen. Deshalb mißtrauen wir der PDS ebenso wie der SPD«, erklärte Geraldine Hohn vom Aktionsrat der HU. Auch Sie unterstrich noch einmal, daß die Mehrheit der Studierenden das Bündnis mit allen anderen gesellschaftlichen Gruppen wollen, um der Politik der asozialen Kürzungen Widerstand entgegensetzen zu können. Im übrigen sei sie ganz sicher, daß der Streik keineswegs im neuen Jahr beendet sei. »Wir haben gemeinsam noch viel vor. Der Senat wird sich noch wundern.«

      http://www.jungewelt.de/2003/12-12/010.php
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:32:35
      Beitrag Nr. 1.046 ()
      Gerrymandering - Wahlbezirke mit Tentakeln

      Craig Morris 11.12.2003
      Wie US-Politiker am Sessel kleben und die Demokratie aus den Angeln heben


      (da herrscht doch die Plutokratie)


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16306/1.html
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:44:53
      Beitrag Nr. 1.047 ()
      Fortssetzung von "Die Schatten der Globalisierung" von Joseph Stiglitz.

      WER HAT RUSSLAND ZUGRUNDE GERICHTET ?

      Die Rettung

      Als die Krise ausbrach, leitete der IWF die Rettungsbemühungen, aber er wollte, dass die Weltbank sechs Milliarden Dollar zu dem Beistandspaket beisteuerte. Das Rettungspaket belief sich insgsamt auf 22,6 Milliarden Dollar. Der IWF sollte davon, wie bereits erwähnt, 11,2, Milliarden Dollar tragen, die Weltbank sechs Milliarden Dollar, und den Rest würde die japanische Regierung bereitstellen.
      .....
      Die Beweise für die grassierende Korruption in Russland waren eindeutig. In der Korruptionsstudie der Weltbank wurde die Region als eine der korruptesten weltweit bewertet. Der Westen wusste, dass ein Großteil dieser Milliarden veruntreut und den Familien und Geschäftsfreunden korrupter Beamter zugeschanzt würde. Obwohl Weltbank und IWF scheinbar entschieden gegen die Kreditvergabe an solche Regierungen waren, schienen sie zwei verschiedene Maßstäbe anzulegen. Kleinen Ländern ohne strategische Bedeutung wie Kenia wurden wegen Korruption Kredite verweigert, während Länder wie Russland, wo die Korruption ein viel größeres Ausmaß erreichte, beständig neue Kredite erhielten. Neben diesen moralischen Bedenken gab es auch schlicht volkswirtschaftliche Einwände. Die Hilfsgelder des IWF sollten den Wechselkurs stützen. Doch wenn die Währung eines Landes überbewertet ist und dadurch die Volkswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, ist es sinnlos, den Wechselkurs zu stützen. Wenn die Stützung des Wechselkurses funktionierte, würde dies die Wirtschaft belasten. Doch in dem wahrscheinlicheren Fall, dass die Stützung nicht funktionierte, wäre das Geld vergeudet, und das Land noch höher verschuldet. Unsere Berechnungen bei der Weltbank (vor der Kreditzusage), die sich auf die geschätzte Entwicklung der Staatseinnahmen und -ausgaben im Zeitablauf stützte, deuteten nachdrücklich darauf hin, dass der Kredit vom Juli 1998 nicht den gewünschten Erfolg bringen würde. Sofern die Zinssätze nicht durch ein Wunder drastisch sinken würden, steckte Russland schon im Herbst wieder in der Krise.
      .....
      Trotz des energischen Widerstandes ihrer eigenen Mitarbeiter setzte die Clinton-Administration die Weltbank massiv unter Druck, Russland Kredite zu gewähren.
      .....
      Bemerkenswerterweise ignorierte der IWF einfach die Korruption und die damit verbundenen Risiken über die Mittelverwendung. Er glaubte tatsächlich, es sei sinnvoll, den Wechselkurs auf einem überbewerteten Niveau zu halten, und das Geld würde dies Russland für mehr als nur ein paar Monate ermöglichen. Er stellte dem Land einen Milliardenkredit zur Verfügung.
      .....
      Drei Wochen nach der Gewährung des Kredits verkündete Russland eine einseitige Zahlungseinstellung und die Abwertung des Rubels. Der Rubel stürzte ab. Im Januar 1999 hatte er gegenüber seinem Stand vom Juli 1998 real 45 Prozent an Wert verloren. Die Ankündigung vom 17. August löste eine weltweite Finanzkrise aus.
      .....
      Die Federal Reserve Bank von New York fädelte einen privaten bail-out für einen der größten US-Hedge-Fonds, Long Term Capital Management, ein, weil die Fed befürchtete, sein Konkurs könne eine globale Finanzkrise auslösen. Das Erstaunliche an dem Währungsabsturz war nicht der Zusammenbruch als solcher, sondern die Tatsache, dass er wirklich für einige der IWF-Bediensteten darunter einige der höchstrangigen überraschend kam. Sie hatten ernsthaft geglaubt, ihr Programm würde funktionieren. Unsere eigenen Prognosen erwiesen sich als nur teilweise richtig: Wir hatten geglaubt, das Geld würde den Wechselkurs für drei Monate stützen, tatsächlich reichte es nur für drei Wochen. Wir waren der Ansicht, die Oligarchen würden Tage oder gar Wochen brauchen, um das Geld außer Landes zu schaffen, tatsächlich brauchten sie nur Stunden oder höchstens Tage. Die russische Regierung "erlaubte" sogar die Aufwertung des Rubel. Die Oligarchen brauchten so weniger Rubel, um sich mit Dollar einzudecken. Ein lächelnder Viktor Geraschenko, der Präsident der russischen Zentralbank, der anschließend von dem Volkswirt Jeffrey Sachs als der schlechteste Zentralbankpräsident der Welt tituliert wurde, sagte dem Präsidenten der Weltbank und mir, es handele sich lediglich um das "Wirken von Marktkräften". Als der IWF mit den Tatsachen konfrontiert wurde die Milliarden von Dollar, die er Russland als Kredit gewährt hatte, tauchten nur wenige Tage später auf zypriotischen und schweizerischen Bankkonten auf -, behauptete er, es seien nicht seine Dollar. Dieses Argument zeugte entweder von einem bemerkenswerten Mangel an ökonomischem Sachverstand oder einem Ausmaß an Unaufrichtigkeit, das der Verlogenheit Geraschenkos kaum nachstand, oder auch beidem.
      .....

      Natürlich profitierten nicht nur die Oligarchen von dem Hilfspaket. Die Investmentbanker an der Wall Street und die anderer westlicher Finanzinstitute, die sich besonders nachdrücklich für ein Hilfspaket eingesetzt hatten, wussten, dass seine Wirkung bald verpuffen würde: Sie nutzten die kurze Verschnaufpause, die ihnen das Beistandspaket verschaffte, um so viel wie möglich zu »retten« und außer Landes zu fliehen. Indem der IWF Russland Kredite für eine verlorene Sache gewährte, trieb er das Land noch tiefer in die Verschuldung, ohne dass dies irgendeinen positiven Effekt gehabt hätte. Die Zeche für diesen Fehler hatten weder die IWF-Bediensteten zu zahlen, die den Kredit vergaben, noch die USA, die darauf gedrängt hatten, noch die westlichen Banken und die Oligarchen, die von dem Kredit profitierten, sondern der russische Steuerzahler.
      .....
      Laut den Daten der Weltbank belief sich das Russlands im Jahr 2000 auf 63,9 Prozent des Niveaus von 1989Am drastischsten ist der Einbruch in Moldawien, das es auf ganze 31,8 Prozent des Produktionsniveaus von 1990 bringt. Und das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine betrug im Jahr 2,000 nur 33,5 Prozent des BIP vor zehn Jahren.
      .....

      Zunahme von Armut und Ungleichheit

      Die Statistiken erzählen nicht die ganze Geschichte der Umwälzung in Russland. Sie übersehen einen der wichtigsten Erfolge: Wie bewertet man den Nutzen der neuen Demokratie, so unvollkommen diese auch sein mag? Aber sie lassen auch einen der größten Misserfolge außer Betracht: die wachsende Armut und Ungleichheit. Nicht nur die Größe des Kuchens der nationalen Volkswirtschaft schrumpfte, sondern er wurde auch immer ungleicher verteilt, so dass der durchschnittliche Russe ein immer kleineres Stück abbekam. Im Jahr 1989 lebten nur zwei Prozent der Russen in Armut. Bis Ende 1998 war diese Zahl auf 2,3,8 Prozent in die Höhe geschnellt, wobei zwei Dollar pro Tag die Armutsgrenze definierten. Über vierzig Prozent der Bevölkerung mussten laut einer Erhebung der Weltbank mit weniger als vier Dollar pro Tag auskommen. Die Statistik für Kinder enthüllte sogar ein noch gravierenderes Problem: Über fünfzig Prozent der Kinder leben in armen Familien. In anderen postkommunistischen Ländern kam es zu einer vergleichbaren, wenn nicht schlimmeren Zunahme der Armut.
      .....
      Russland findet sich heute in der schlechtesten aller Welten wieder ein gigantischer Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion und eine enorme Zunahme der Ungleichheit. Und die Aussichten für die Zukunft sind düster: Extreme Ungleichheiten hemmen das Wachstum, besonders wenn sie zu sozialer und politischer Instabilität führen.

      Wir haben bereitsgesehen, wie die wirtschaftspolitischen Leitlinien des "Washington Consensus" zu den Fehlschlägen beitrugen: Eine falsch umgesetzte Privatisierung hatte nicht zu Effizienz und Wachstumsschüben, sondern zu zerschlagenen Betrieben geführt.
      .....

      Inflation

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      Der IWF forderte Russland auf, so schnell wie möglich zu privatisieren: Wie die Privatisierung umgesetzt wurde, galt als zweitrangig. Die negativen Auswirkungen die sinkenden Einkommen wie die wachsende Ungleichheit lassen sich direkt mit diesem Fehler in Verbindung bringen. In einer Studie der Weltbank zur zehnjährigen Geschichte der Transformationsländer zeigte sich, dass sich die Privatisierung nicht positiv auf das Wachstum auswirkte, wenn sie nicht von einer institutionellen Infrastruktur (wie corporate governance) flankiert wird.
      .....
      Die Privatisierung, so wie sie Russland (und vielen der ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion) auferlegt wurde, hat nicht nur der russischen Volkswirtschaft geschadet, sondern auch das Vertrauen in den Staat, die Demokratie und in die Reformen untergraben. Ich erwähnte bereits, dass die russische Regierung die wertvollsten Vermögenswerte des Landes, seine Bodenschätze, faktisch verschenkte, bevor sie ein System zur Erhebung von Steuern auf Bodenschätze eingeführt hatte. Das Ergebnis: ein reiches Land, das Milliarden von Dollar an ein paar Freunde und Vertraute von Jelzin verschenkte und nicht in der Lage ist, seinen Alten eine monatliche Rente in Höhe von i $ Dollar zu bezahlen. Das ungeheuerlichste Beispiel einer misslungenen Privatisierung war das Programm zur Vergabe von Krediten gegen Unternehmensanteile {loans-for-share). Im Jahr 1995 wandte sich die Regierung statt an die Zentralbank an die Privatbanken, um sich benötigte Finanzmittel zu beschaffen. Viele dieser Privatbanken gehörten Freunden von Regierungsmitgliedern, die Bankenkonzessionen erhalten hatten. In einem Umfeld, in dem die Banken keiner effizienten Aufsicht unterlagen, waren die Konzessionen praktisch eine Lizenz zum Gelddrucken, zur Vergabe von Krediten entweder an sich selbst. Freunde oder an die Regierung. Die Regierung bot dabei Beteiligungen an Staatsbetrieben als Kreditsicherheit an. Anschließend welche Überraschung! konnte die Regierung ihre Kredite nicht zurückzahlen, die Privatbanken übernahmen die Firmen in einer Art Scheinverkauf (obgleich die Regierung fadenscheinige »Auktionen« abhielt), und ein paar Leute wurden über Nacht Milliardäre. Diese Privatisierungen waren nicht politisch legitimiert. Und die Tatsache, dass sie nicht legitim waren, machte es für diese Leute noch dringlicher, ihr Kapital schnellstens außer Landes zu schaffen bevor eine neue Regierung möglicherweise auf die Idee kam, die Privatisierungen rückgängig zu machen oder ihre Position zu untergraben.
      .....
      Das loans-for-share-Progiamm stellte die letzte Phase der Bereicherung der Oligarchen dar, jenes kleinen Kreises von Personen (darunter einige, denen Verbindungen zur Mafia nachgesagt werden), die schließlich nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das politische Leben des Landes beherrschten. Sie behaupteten sogar einmal, fünfzig Prozent des gesamten Vermögens des Landes zu besitzen!
      .....
      Die Unternehmen, die Beresowskij der oft als der mächtigste der Oligarchen beschrieben wird kontrollierte, wurden alle bis zur Konkursreife heruntergewirtschaftet. Nachdem er die russische Fluggesellschaft Aeroflot übernommen hatte, bemühte er sich nicht etwa darum, ihre langfristige Rentabilität zu maximieren oder sie für den Weltmarkt fit zu machen, sondern ausschließlich darum, den Betrag zu maximieren, den er auf sein Konto und die Konten seiner Kumpane abzweigen konnte.

      Der soziale Kontext

      .....
      Die Art und Weise, wie der marktwirtschaftliche Systemwechsel in Russland umgesetzt wurde, unterhöhlte dieses Sozialkapital. Man brachte es nicht durch harte Arbeit oder Investitionen zu Vermögen, sondern, indem man politische Beziehungen spielen ließ, um sich bei Privatisierungen Staatseigentum zum Schnäppchenpreis unter den Nagel zu reißen. Der Gesellschaftsvertrag zwischen den Bürgern und ihrer Regierung wurde gebrochen, als Rentner mit ansehen mussten, wie die Regierung wertvolles Staatsvermögen verschleuderte, aber gleichzeitig behauptete, sie habe nicht das Geld, um deren Renten zu bezahlen. Die Konzentration des IWF auf makroökonomische Größen -insbesondere die Inflation- ließ ihn Belange wie Armut, Ungleichheit und Sozialkapital aus dem Blick verlieren.
      .....
      So gibt es beispielsweise wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Privatisierung in großem Stil, und es dauert, bis die Voraussetzungen erfüllt sind" Der konkrete Verlauf der Reformen in Russland beweist, dass Anreize wichtig sind, aber dass Russlands Form von »Ersatzkapitalismus« keine Anreize für Vermögensbildung und wirtschaftliches Wachstum lieferte, sondern Anreize für die Zerschlagung von Unternehmen. Die zügige Systemumstellung führte nicht zu einer reibungslos funktionierenden Marktwirtschaft, sondern zu einem anarchischen "Wilden Osten".

      Marktwirtschaftliche Reformen nach bolschewistischem Muster

      .....
      Die radikalen Reformer in Russland dagegen bemühten sich um eine revolutionäre Umwälzung der ökonomischen und gesellschaftlichen Ordnung. Leider scheiterten sie letztlich in beidem: Das Ergebnis war eine Marktwirtschaft, in der viele ehemalige Partei-Apparatschiks einfach mit erweiterten Vollmachten zur Leitung und Ausschlachtung von Betrieben ausgestattet wurden, die sie schon in der kommunistischen Ära geleitet hatten, und in der frühere KGB-Offiziere noch immer die Hebel der Macht in den Händen hielten. Es gab eine neue Dimension: Ein paar neue Herrscher übten enorme politische und wirtschaftliche Macht aus.
      .....
      Den Superreichen geht es in der Regel hinter verschlossenen Türen besser, wo sie ungestört über spezielle Vergünstigungen und Vorrechte feilschen können. Zweifellos verdanken wir unser strenges Wettbewerbsrecht nicht den Rockefellers und Bill Gates dieser Welt! Und heute hören wir von den russischen Oligarchen, den neuen Monopolisten, keine Forderung nach einer strengen Wettbewerbspolitik. Diese Herrscher, die ihren Reichtum Mauscheleien mit dem Kreml verdanken, haben auch noch nicht die Einführung rechtsstaatlicher Prinzipien verlangt. Die Forderung nach freien Medien kam von Leuten, die die Kontrolle über die Medien erlangen wollten, um ihre Macht zu sichern, und sie erhoben diese Forderung immer nur dann, wenn die Regierung sich anschickte, ihre Macht zu beschneiden.
      .....
      Dennoch haben hochrangige amerikanische und IWF-Bedienstete den Gefahren, die diese Konzentration von Medienmacht mit sich bringt, wenig Beachtung geschenkt; statt dessen konzentrierten sie sich auf die zügige Durchführung der Privatisierung. Und es freute sie ja, es erfüllte sie mit Stolz -, dass die konzentrierte Macht der Privatmedien erfolgreich dazu eingesetzt wurde, ihre Freunde, Boris Jelzin und die so genannten »Reformer«, an der Macht zu halten.
      .....
      Doch selbst im Westen wurden die wichtigsten Entscheidungen in der Russlandpolitik sowohl bei den internationalen Wirtschaftsinstitutionen als auch im US-Finanzministerium weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen. Weder die Steuerzahler im Westen, denen diese Institutionen doch eigentlich rechenschaftspflichtig waren, noch das russische Volk, das letztlich die Zeche zahlte, waren damals über die Vorgänge genauer im Bilde. Erst jetzt ringen wir mit der Frage: »Wer hat Russland zugrunde gerichtet? Und weshalb ?«

      Wird fortgesetzt (so nach und nach, in unregelmäßigen Abständen). Immer mal in den "NEWS" vorbeischauen ! Dort gibt`s die Ankündigung !!


      UNFAIRE HANDELSGESETZE UND ANDERE MISSSTÄNDE

      ......

      http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/Stiglitz-Die_Schat…
      Avatar
      schrieb am 11.12.03 23:54:10
      Beitrag Nr. 1.048 ()
      Dazu muß ich einfach noch mal wiederholen:

      .....
      Aber auch die 168 Mrd. Dollar sind geschwindelt. Denn der bedeutendste Faktor sind hier die Computerkäufe, die angeblich von 354,9 auf 390,3 Mrd. Dollar anstiegen. Der Bericht der US-Regierung gibt zugleich unumwunden zu, daß die real stattgefundenen Computerkäufe lediglich von 82,4 auf 88,3 Mrd. Dollar angestiegen sind. Wie erklärt sich der Unterschied? Nun, die Statistiker meinen, daß ein heutiger Computer im Wert von tausend Dollar im Jahre 1996 wohl über 4000 Dollar gekostet hätte, wenn er theoretisch dann schon vorhanden gewesen wäre. Bei der Berechnung des "realen" BIP will man aber alles, um die Preisinflation herauszunehmen, "in Preisen von 1996" ausdrücken. Also geht man hin und multipliziert den ganzen Umsatz im Computersektor mit einem Faktor, der ständig größer wird und sich momentan auf 4,42 beläuft. Mit anderen Worten: Wenn ein US-Unternehmen heute für tausend Dollar einen Computer kauft, dann steigt allein durch diesen Kauf das US-Bruttoinlandsprodukt rechnerisch um 4420 Dollar an. Eine tolle Sache: Auf diese Weise wird ein Anstieg um 5,9 Mrd. Dollar in einen Anstieg um 35,4 Mrd. Dollar verwandelt, eine glatte Versechsfachung mittels statistischer Tricks. (Für das ganze Verfahren, genannt "hedonische" Preisanpassung, gibt es natürlich höchst "wissenschaftliche" Begründungen.)
      .....
      http://www.bueso.de/seiten/aktuell/an.htm#3

      Wie schön das "sie" uns vor der Wirklichkeit schützen. Tricksen, tarnen, täuschen !!!!!!! Potemkin war ein Waisenknabe dagegen. Wen interessiert das in einem halben Jahr noch ? Unfassbar !!!! Was kann man überhaupt noch glauben ???



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      Nur kurz:

      Wachsendes Defizit im britischen Haushalt

      .....
      Das Schatzkanzleramt hat die Prognose für die Neuverschuldung im laufenden Finanzjahr von 27 Mrd. £ auf 37 Mrd. £ erhöht. Auch im kommenden Jahr wird das Defizit mit geschätzten 31 Mrd. £ rund 7 Mrd. £ höher ausfallen, als man noch im April erwartet hatte.
      .....
      http://www.nzz.ch/2003/12/11/wi/page-article9AB7L

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      .....
      Schätzungen des im Jahr 2000 von der Bundesregierung vorgelegten ersten Armuts- und Reichtumsberichts zufolge waren 1999 in Deutschland 2,77 Millionen Haushalte überschuldet. Diese könnten mit ihrem laufenden Einkommen (nach Auflösung ihrer Reserven) den Zahlungsverpflichtungen nicht mehr vollständig nachkommen, selbst wenn sie ihre Lebenshaltung einschränkten. In 1989 hat Schätzungen zufolge die Zahl der überschuldeten Haushalte noch bei 1,2 Millionen gelegen. Mittlerweile wird die Zahl der überschuldeten Haushalte auf drei Millionen beziffert, während im ersten Halbjahr 2003 rund 32.000 Privatinsolvenzen gemeldet worden sind.
      .....

      Aus: Schulden-Kompass 2003

      http://www.schulden-kompass.de/images/downloads/sk03-zusamme…

      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 00:08:13
      Beitrag Nr. 1.049 ()
      US-Arbeitsmarkt enttäuscht

      von Jochen Steffens

      US-Arbeitsmarkt enttäuscht

      Erst einmal Folgendes: Mir fällt auf, dass der Nasdaq sich wesentlich schwächer zeigt, als der Dow. Offenbar kommt es zu Umschichtungen. Weg von den Technologie-Titeln rein in die Standardwerte. Ebenso auffällig ist, dass sich im Dax die Versorger so überaus stark zeigen. Kommt es auch hier zu Umschichtungen? Soll Geld in sicherere Häfen geparkt werden, um einen drohenden Absturz abzufedern? Sollte der Bär jetzt vor der Türe stehen?

      Da fällt mir ein Vergleich ein. Die Börse ist so, als ob man in einer dunklen Höhle sitzt, mit dem Rücken zur Öffnung. Hinter dieser Öffnung ist Licht und der Blick ist starr auf die Schatten, die dieses Licht an der Wand wirft, gerichtet. Man sitzt in dieser Höhle und wartet darauf, wer nun hereintritt, Bulle oder Bär. Zuerst sind die Schatten dieser Tiere sehr unförmig. Doch so näher der Bär oder der Bulle an die Öffnung kommt, so deutlicher werden die Konturen. Manchmal wird dann noch im letzten Moment aus einem vermeintlichen Bärenschatten doch noch ein Bulle. Wirklich weiß man es erst, wenn er an einem vorbei gegangen ist und er damit aus dem Schattendasein hervortritt. Dann ist es jedoch zu spät, um darauf zu reagieren.

      Die Kunst besteht demnach darin, möglichst früh den Schatten zu enttarnen. Dafür muss man seinen Blick schärfen, viel Erfahrung sammeln und auf jedes kleinste Detail achten. Aber Sie kennen Schatten und Sie wissen, was man nicht alles aus Schatten herauslesen, beziehungsweise in sie hineinsehen kann. So setzen diese Schatten selbst dem Erfahrensten hin und wieder Hörner auf.

      Im Moment sieht der Schatten ziemlich bearish aus. Ich weiß nicht, ob sich nicht doch noch ein Bulle daraus entwickelt, aber ich weiß, dass die Chancen dafür Tag für Tag sinken ... Sollte der Dow unter die 9850 fallen, wird es düster, sollte er jedoch nachhaltig die 10.000 nach oben brechen, dann könnte es auch ein Bulle gewesen sein ...

      Hoppla, was war das? Es gilt die alte Devise, vor wichtigen Zahlen die Finger aus dem Futures zu lassen. Zumindest wenn man kurzfristig tradet. Ein sehr schönes Beispiel dafür lieferte heute der Dax Future. Um 14.30 Uhr wurden wichtigen US-Konjunkturdaten veröffentlicht und wirklich: Senkrecht sackte der Dax um 16 Punkte nach unten. Ein Punkt sind 25 Euro je Kontrakt (Ein Future-Kontrakt ist sehr vereinfacht so etwas wie ein Optionsschein). Das sind je Kontrakt 400 Euro theoretischer Verlust. Wenn man jedoch richtig gelegen hätte, wären es 400 Euro Gewinn je Kontrakt. Bei 10 Kontrakten sind das also 4000 Euro, in einer Sekunde ... Doch wer handelt schon 10 Kontrakte im Dax? Im weiteren Verlauf rutschte der Dax noch weiter weg. Insgesamt vom Hoch verlor der Dax Future damit vor und nach den Zahlen 24 Punkte 600 Euro, bei 10 Kontrakten 6000 Euro in 30 Minuten.

      Theoretisch können Sie demnach im Future mal eben 6000 Euro in 30 min, oder (4000 Euro in einer Sekunde) verdienen. Man fragt sich also, warum noch arbeiten gehen? Gut, um 10 Kontrakte handeln zu können, brauchen Sie auch einen Einsatz von ca. 110.000 Euro (sie müssen, um Futures zu handeln, Geld hinterlegen (Margin)), beim Dax Future sind das ca. 11000 Euro / Kontrakt.) Aber 600 Euro in 30 Min. sind doch für den Anfang auch nicht schlecht ...

      Also – im Future lacht das wahre Geld – Reichtum, das Haus, das Schiff und der Traumwagen. Alles auf einmal. Man muss nur (!) richtig liegen.

      Wenn es doch so einfach wäre ... Offensichtlich ist die Chance im Future "schnell" reich zu werden, kleiner als im Lotto zu gewinnen. Ich habe letztens mit einem Broker geredet, der sagte, dass über 90 % aller Konten, die im Future-Bereich aufgemacht werden, bereits nach 3–5 Monaten wieder geschlossen werden (müssen). Und dann meinte er zynisch, es wäre jedes Mal empfindlich weniger, wenn nicht gar kein Geld mehr vorhanden gewesen. Denn natürlich gilt auch: Nirgendwo kann man schneller Geld verlieren als im Future. Also bleiben Sie doch lieber bei Aktien und Optionsscheinen.

      Doch bevor ich noch ganz vom Thema abkomme, sollte ich Ihnen noch den Grund dafür mitteilen, warum der Future derart deutlich in sich zusammenbrach
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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Es waren die enttäuschenden Arbeitsmarktdaten. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind wiederum um 13.000 angestiegen und notieren damit wieder bei 378.000! Damit nähern wir uns wieder der konjunkturkritischen Marke von 400.000.

      Ich hatte Sie darauf hingewiesen, dass die Arbeitsmarktdaten sich aufgrund des Weihnachtsgeschäfts verbessert hatten. Jetzt bin ich gespannt, wie die Werte im Januar ausfallen werden ... Offenbar war es also letzte Woche kein Ausrutscher. Sollte der Wert sogar noch weiter ansteigen, dann dürfte es der erste deutliche Beweis sein, dass etwas in den USA verdammt schief läuft.

      Etwas Balsam auf die Wunden der Bullen: Der Umsatz im Einzelhandel stieg um 0,9 %. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,7 bis 0,8 % nach einem zuvor unveränderten Wert. Ohne Autoverkäufe stieg der Einzelhandelsumsatz um 0,4 %. Hier wurde ein Umsatzanstieg von 0,3 bis 0,4 % erwartet, nach zuletzt 0,4 %. Mit anderen Worten, der Autoverkauf hat hier den Wert bewegt. Hm ...

      Dann stiegen noch die Einfuhrpreise um +0,3 %, während die Ausfuhrpreise um 0,2 % gestiegen sind.

      Die US-Lagerbestände nehmen (trotz Weihnachtsgeschäft) weiter zu. Sie steigen um 0,4 % auf 1178,3 Mrd. Dollar. Lediglich im Einzelhandel sanken sie (wegen des Weihnachtsgeschäft) von 453,2 auf 450,3 Mrd. Dollar.

      Warum die amerikanischen Börsen trotz dieser Nachrichten so deutlich ansteigen? Ich denke, das hat einen einfachen Grund. Mit diesen schlechten Arbeitsmarkt-Zahlen sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssteigerung der Fed. Das ist jedoch nur sehr kurzfristig gedacht.

      Die Fed wird bald mit Inflation konfrontiert werden. Dann wird der Arbeitsmarkt zweitrangig. Zudem sagen die Arbeitsmarktdaten eigentlich etwas ganz anderes aus: Die wirtschaftliche Erholung in Amerika trohnt auf tönernen Füßen ...

      Mal schauen, ob sich im weiteren Verlauf der Indizes, diese nachhaltigere Erkenntnis durchsetzt.

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      Der erste Wunsch wird erfüllt

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Die, die die Götter zerstören wollen, bekommen ihren ersten Wunsch erfüllt ...

      Und es scheint so, als ob vor 32 Jahren ein Wunsch erfüllt wurde, als das gesamte monetäre System der Welt plötzlich auf dem Dollar beruhte ... und nur noch auf dem Dollar allein. Es war keine Hilfe des realen Geldes (Gold) mehr notwendig, die Amerikaner konnten alles kaufen, was sie wollten – ohne jemals dafür bezahlen zu müssen. Oder so sah es zumindest aus.

      Und so begannen sie einen Ausgabenboom, der bis heute andauert ... und jetzt droht, die Amerikaner zu zerstören. Zunächst einmal geben sie ihr Einkommen aus, ... dann ihre Ersparnisse ... und dann erhöhen sie die Hypotheken auf ihre Häuser und überziehen ihre Kreditkarten. Das sah wie ein gutes Geschäft aus: Je mehr sie ausgaben, desto reicher fühlten sie sich. Die Aktienkurse und Immobilienpreise stiegen – als die Ausländer ihr Geld, das sie aus den USA erhielten, dort wieder anlegten. Die Amerikaner schienen nicht zu realisieren, dass sie ihre eigenen Jobs exportierten ... und das Besitzrecht an ihren Häusern ... und dass sie dafür Güter erhielten, die sie nicht wirklich brauchten.

      Und jetzt lese ich im Wall Street Journal, dass die Chinesen US-Staatsanleihen verkaufen. Das tun sie, um den fallenden Dollar zu vermeiden ... und in Antizipation einer Neubewertung bei der chinesischen Währung Yuan.

      Wieder einmal könnten die Amerikaner einen Wunsch erfüllt bekommen: Ihren Wunsch, dass die Chinesen ihre Währung gegenüber dem Dollar aufwerten. Aber die Amerikaner könnten das danach bedauern.

      Die Chinesen sind sturköpfig. Sonst hätten sie dieses Geschäft mit Amerika nicht so lange gemacht. Waren zu verkaufen an Leute, die dafür nicht bezahlen können, ist kein verlässlicher Weg, um eine Wirtschaft aufzubauen. Und früher oder später werden die Sturköpfe das realisieren müssen.

      Das Bemerkenswerte daran ist, dass sie dafür so lange gebraucht haben. Aber diese aktuelle Entwicklung dauert schon so lange an ... und mit so beeindruckenden Ergebnissen ... dass sich kaum jemand vorstellen kann, dass sie jemals enden wird.

      Zum Beispiel am Aktienmarkt. Da hätte man denken können, dass die Investoren ihre Lektion gelernt hätten, nachdem im Jahr 2000 der Bärenmarkt begonnen hatte. Aber nein. Sie blieben zuversichtlich ... und sie litten weiter unter Halluzinationen. Immerhin beteten sie: "Bitte lass die Aktienkurse noch einmal steigen, ich verspreche, dass ich diesmal verkaufen werde."

      Und die Götter der Märkte erfüllten diesen Wunsch ...

      Jetzt aber zu Addison in unserem Pariser Büro, mit mehr News:

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      Chinesische Aktien: KGV 12 bis 14

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Paris

      "Ich hasse es, der Überbringer von schlechten Nachrichten zu sein", sagte der Volkswirt Gary Shilling vorgestern im Forbes-Magazin. "Aber wenn man erwartet, dass die Wirtschaft und der Aktienmarkt nächstes Jahr steigen werden, dann werden sie komplett enttäuscht werden." Shillings Zweifel an der "Erholung" lassen sich mit einem Wort begründen: Jobs.

      "Die reine Wahrheit ist", erklärt Shilling, "dass Kostensenkungsmaßnahmen in diesen Tagen der einzige Weg zur Verbesserung der Gewinne sind. Und der größte Kostenblock ist, direkt oder indirekt, die menschliche Arbeitskraft. Und das bedeutet weitere Entlassungen." Am Montag habe ich mir die Arbeitsmarktstatistiken der USA auf der Internetseite der zuständigen Behörde angesehen. Und wenn man alle Arbeitslosen, die entmutigt die Suche aufgegeben haben und deshalb aus der Statistik gefallen sind, hinzunimmt, dann ist die Arbeitslosenquote im November auf 9,7 % gestiegen – und nicht auf 5,9 % gefallen, wie die Finanzpresse so bereitwillig berichtet hat.

      Shilling erwähnt außerdem noch, dass die durchschnittliche Zeit, die jemand in den USA nach seiner Kündigung bis zum Antritt der nächsten Stelle arbeitslos ist, auf 19,4 Wochen für den Zeitraum Mai-Oktober gestiegen ist. Nach 17 Wochen in der gleichen Vorjahresperiode.

      Shilling wörtlich: "Tut mir leid, diese Party kann nicht weitergehen. Die Entlassungen aus Kostensenkungsgründen werden die Einkommen der Konsumenten unter Druck setzen. Fiskalische und monetäre Stimulierungen (die derzeit so groß sind, wie sie die Welt noch nie gesehen hat) haben die verheerenden Effekte der Entlassungen übertüncht – aber jetzt verblassen sie."

      Ohne steigende Einkommen der Konsumenten werden die Einzelhändler während der Weihnachtssaison wahrscheinlich unter zurückgehenden Umsätzen leiden. Und jetzt haben sie auch noch einen Schneesturm, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben können. "Ich denke, dass wir letztes Wochenende ziemlich viel verloren haben", so Bill Cheney, Chef-Volkswirt bei John Hancock First Boston gegenüber Reuters. Nach dem Schneesturm fielen die Einzelhandelsumsätze unter den "5-Jahres-Durchschnitt", und es drohen schwache Umsätze für das Weihnachtsgeschäft.

      Die Finanzmedien haben die Tatsache, dass der Dow Jones am Dienstag die Marke von 10.000 nicht halten konnte, übrigens der Fed zugeschrieben. Wie Sie wissen, hat die Fed nicht nur die Leitzinsen bei 1,0 % unverändert gelassen, sondern auch die Phrase "für einen längeren Zeitraum" bei der Bekräftigung dieses Zinssatzes weggelassen. Analysten rechnen damit, dass die Fed vor März 2004 die Zinsen nicht erhöhen wird.

      Aber selbst wenn die Fed die Zinsen erhöhen wollte –2004 ist ein Wahljahr, und da sind ihr die Hände gebunden. Gleichzeitig würde jedes Anzeichen dafür, dass die Fed ihren Kampf gegen die Deflation (bzw. "Disinflation") aufgegeben hat, der spektakulären Rally an der Wall Street ein schnelles Ende setzen. Das ist kein ideales Umfeld.

      Und dennoch geht die Spekulationsblase derzeit weiter. Auch mit chinesischen Aktien: Die Financial Times berichtet, dass es diese Woche die beste 1-Tages-Performance seit 3 Jahren von einer chinesischen Internet-Gesellschaft hingelegt wurde. Ctrip.com stieg am ersten Handelstag um 88 % von 16 auf fast 34 Dollar. Der nächste Wert? China Life, die größte Versicherungsgesellschaft des chinesischen Festlands. "Dieses Angebot ist das größte der Welt in diesem Jahr, und es ist 10fach überzeichnet", so die Financial Times.

      Die Popularität chinesischer Aktien hat seit dem letzten Sommer stetig zugenommen. "Nach einem solchen Anstieg", sagt Richard Gao, Co-Fondsmanager des Matthews China Fund, "sind wir vorsichtig, da die Bewertungen kurzfristig den Fundamentals davonlaufen könnten. Aber absolut gesehen sind diese Gesellschaften immer noch nicht teuer." Selbst nach den jüngsten großen Gewinnen haben viele chinesische Aktien immer noch ein KGV von 12–14.

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      Ein bisschen Euro-Snobismus

      vo unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in Baltimore

      *** Sowohl der Euro als auch das Gold haben gegenüber dem Dollar eine schöne Performance hingelegt; seien Sie nicht überrascht, wenn es einen Rückschlag geben sollte.

      Aber es gibt zwei Gründe, warum diese Trends wahrscheinlich trotz eines temporären Rückschlags nicht so bald enden dürften: Das US-Handelsbilanzdefizit ... und das US-Haushaltsdefizit. Das Handelsbilanzdefizit erfordert nun, dass 1,5 Milliarden aus dem Ausland an die USA geliehen werden – jeden Tag. Ohne genug Geld aus dem Ausland fällt der Dollar. Und wenn er fällt, sehen immer weniger Ausländer in US-Vermögensanlagen einen Vorteil. Im Gegenteil – sie werden diese verkaufen ... was den Dollar weiter fallen lässt, und vielleicht schneller, als die Leute das erwarten. Bis jetzt hat der Dollar gegenüber dem Euro rund 25 % verloren – und dennoch hat sich das US-Handelsbilanzdefizit nicht verbessert. Das bedeutet, dass der Dollar noch deutlich tiefer fallen muss.

      "Die Rechnung für die spekulativen Exzesse und die globalen Ungleichgewichte ist noch nicht bezahlt worden", warnt Stephen Roach von Morgan Stanley. Diese Rechnung wird größer durch die Ausgabenerhöhungen und Defizite der US-Regierung. Kein Demokrat schaffte es, ein so hohes Defizit wie die Administration zu George II. zu fabrizieren. Die Ausgaben wachsen derzeit doppelt so schnell wie unter Clinton ... und fast doppelt so schnell wie das BIP. In diesem Jahr werden die Staatsausgaben pro privatem Haushalt 20.000 Dollar übertreffen.

      Jeder will etwas umsonst haben. Vorgestern unterschrieb George Bush eine Gesetzesvorlage, die alten Leuten notwendige Medikamente zusichert. "Wir halten unser den Senioren gegebenes Versprechen", war die Aussage. "Auf der Jagd nach Stimmen", wäre eine bessere gewesen. "Zur Hölle mit den Jungen, die dafür die Rechnung zahlen müssen."

      Die Amerikaner müssen denken, dass sie die Gesetzesvorlagen der Regierung niemals bezahlen müssen ... genauso wenig wie ihre eigenen. Irgendwie wird das alles schon klappen ... sagen sie sich. Und das wird es auch irgendwie. Aber nicht ohne Bedauern.

      Die kurzfristigen Zinssätze werden auf dem tiefsten Niveau seit den 1950ern bleiben, hat die Fed mitgeteilt. Aber wir leben heute in einer sehr anderen Welt, als wir sie in den 1950ern sahen, wie Dr. Richebächer betont. 1959 stiegen die gesamten amerikanischen Schulden (ohne Finanzinstitute) 1,4 Mal so schnell wie das BIP-Wachstum dieses Jahres. 2002 lag dieser Faktor bei 7. Und 1959 liehen sich die Amerikaner "von sich selbst" Geld. Die nationale Sparrate lag bei 12 % des BIP. 2002 lag die Sparrate bei 0,6 % des BIP. Jetzt hängen die USA von der Freundlichkeit der Ausländer ab.

      Ich prognostiziere, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis man mit einem Dollar nur noch 60 % eines Euros kaufen kann. Die Ausländer werden Dollar nur noch widerwillig annehmen. Jeder Dollar wird ein Emblem für Unbesonnenheit sein. Im Ausland reisenden Amerikanern wird es peinlich sein, wenn sie ihre Portemonnaies öffnen. *** Gestern fand ich mich nachdenklich. Ich erlaubte mir ein bisschen Euro-Snobismus. Warum scheinen in Europa selbst niedrig bezahlte Arbeiter – wie Taxifahrer oder Fluglinien-Angestellte – so fähig und vorzeigbar zu sein ... während in Amerika diese Jobs von Leuten verrichtet werden, die – im besten Fall – als freundliche faule Säcke beschrieben werden können?

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      Was hoch steigt ...

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Das Leben ist ein Wettkampf. Die Leute stehen alleine oder in Gruppen im Wettbewerb – im Sport, in der Politik, der Mode, beim Sex, im Business und in der Wirtschaft. In den 1940ern hatte der Wettbewerb unter Nationen/Staaten einen Höhepunkt erreicht. Deutschland tat das. Russland tat das. Griechenland tat das und das. Großbritannien tat irgendetwas anderes. Für ein paar Jahre lang wurde fast jeder in Europa ins Spiel gebracht. Eine Person konnte zu einem Arbeits-Bataillon eingezogen, zum Kampf an die Front geschickt oder in einen Viehwagen gepfercht und in ein Vernichtungslager transportiert werden. Politik war ein Spiel der Macht, gespielt mit sterblichem Einsatz.

      In nur wenigen Monaten hatte Hitler ein Imperium errichtet, das Europa dominierte. Die Deutschen hatten die Hälfte Frankreichs besetzt. Von der Mitte Frankreichs angefangen kontrollierten die Deutschen Europa bis zur Mitte Polens im Osten, und von Norwegen im Norden bis hin zum südlichsten Griechenland, der Insel Kreta im Mittelmeer (hinzu kamen auch große Gebiete in Afrika).

      Aber Imperien, die schnell steigen – wie Bullenmärkte –, tendieren dazu, auch schnell zu kollabieren.

      Napoleons Imperium hatte nur 16 Jahre gedauert. Das Tausendjährige Reich wurde innerhalb von nur 4 Jahren zerstört, nachdem Hitler die Sowjetunion angegriffen hatte.

      Die Natur liebt Symmetrie und Balance. Wenn man zum Beispiel ein Brot durchschneidet, dann sieht es auf beiden Seiten gleich aus. Und der Meeresspiegel ist in San Francisco genau der gleiche wie in Odessa, obwohl beide auf gegenüberliegenden Seiten der Welt liegen.

      Charts von Verrücktheiten eines Marktes tendieren dazu, symmetrisch zu sein. Starke Aufwärtsbewegungen auf der linken Seite finden ihr Spiegelbild in starken Abwärtsbewegungen auf der rechten Seite. Auf lange, sanfte Anstiege auf der linken Seite folgen gewöhnlich lange, sanfte Rückgänge auf der rechten.

      Diese Tendenz in zu Balance und Symmetrie spiegelt sich auch in der politischen Welt wider. Das Römische Reich, das für seinen Aufbau Jahrhunderte brauchte, brauchte auch Jahrhunderte für seinen Untergang. Und das Dritte Reich wurde in nur ein paar Jahren errichtet – und es wurde auch in ein paar Jahren zerstört. Mehr dazu demnächst hier im Investor`s Daily.

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 00:14:34
      Beitrag Nr. 1.050 ()
      "Luft zum Atmen wird genommen"




      Wunschzettel für die Politiker konnten die Passanten auf dem Erfurter Anger bei einer PDS-Aktion an den Weihnachtsbaum hängen. Foto: tlz/ Peter Michaelis

      Weimar. (tlz) "Am 27. Dezember ist traditionell der Tag, an dem man Geschenke, die einem nicht gefallen, umtauschen kann." Aber das Geschenkpaket, das die Politiker derzeit im Vermittlungsausschuss in Berlin schnüren, kann auch am Weihnachten nicht wieder zurückgegeben werden. "Es geht nach dem Motto Vogel friss oder stirb", so Udo Schlitt, der wortgewaltige Vorsitzende des Landesverbandes Hessen-Thüringen der Sozialorganisation VdK.

      Wenn er an das Reformpaket denkt, das derzeit in Berlin verhandelt wird, dann macht er ganz schnell eine Reihe fauler Geschenke aus, die die Politiker dort mit hineinlegen. "Man kann ja über Sparmaßnahmen reden. Aber derzeit ist es doch so, dass den kleinen Leuten die Luft zum Atmen genommen wird," schimpft er und spricht von "sozialen Attentatsversuchen", die in Berlin entweder schon vollzogen seien oder zumindest in der vorbereitung sein.

      "Die Luft wird sehr dünn", umschreibt er die Lage für diejenigen, die schon jetzt mit ihren Einkünften kaum auskommen. Das sind die Langzeitarbeitslosen und auch die Rentner in Deutschland. Diejenigen, die über längere Strecken arbeitslos sind trifft das Reformpaket aus Berlin besonders hart. Denn sie werden vom kommenden Jahr an wesentlich weniger Geld zur Verfügung haben, wenn Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengeführt worden sind. Schlitt schüttelt den Kopf, wenn er sich die Folgen beispielsweise für einen 55-Jährigen ausmalt, der sein ganzes Leben lang gearbeitet hat. "Nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit wird der dann plötzlich zum Empfänger von Sozialhilfe."

      Gerade Ostdeutschland ist besonders betroffen. Denn hier gibt es mehr Empfänger von Arbeitslosenhilfe als von Sozialhilfe. Zehntausende Thüringer werden nach dem Jahreswechsel über weniger Geld verfügen. In allen neuen Ländern sind es nach Berechnungen der Ministerpräsidenten etwa eine Milliarde Euro, die so an Kaufkraft verloren gehen.

      Rentner zur Kasse gebeten

      Die zweite Gruppe, die richtig zur Kasse gebeten wird, sind die Rentner. Nullrunde, voller Beitrag zur Pflegeversicherung, Riester-Faktor und Nachhaltigkeitsfaktor werden die Rente in den kommenden Jahren gewaltig schmälern. Und Schlitt räumt auf mit dem Vorurteil, die Rentner könnten das verkraften, weil sie doch angeblich so reich seien. Für etwa 60 Prozent der Rentner sind die Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung die einzige Einnahmequelle. Betriebsrenten haben die wenigsten und vor allem in den neuen Ländern ist auch das Wohneigentum kaum vorhanden. "Das heißt 60 Prozent der Rentner sind alles andere als reich." Schlitt rechnet vor, dass die durchschnittliche Rente bei Männern in Deutschland derzeit bei 978 Euro und bei Frauen bei 479 Euro liegt. Besonders hart betroffen sind die Witwen, von denen etwa 1,7 Millionen mit einer Rente, die unter 500 Euro liegt, auskommen müssen. "Hier bahnt sich ein Armutsproblem an", warnt Schlitt vor verheerenden Konsequenzen.

      Aber auch mit den neuen Rentenplänen der Union geht der Sozialverbands-Landeschef hart ins Gericht. Denn danach soll jemand, der 45 Jahre gearbeitet hat, bei durchschnittlicher Beitragsleistung Anspruch auf eine Rente haben, die nur 15 Prozent über dem Sozialhilfeniveau liegt. Schlitt fragt: "Wer erreicht überhaupt 45 Arbeitsjahre?" und weist darauf hin, dass derzeit die Männer vor Renteneintritt im Schnitt 39 Jahre und die Frauen zwischen 25 und 26 Jahre gearbeitet hätten. "Und was ist das für eine Perspektive für die jungen Menschen?", fügt er noch hinzu. Das gelte auch für die neuen Länder. 53 Menschen verlassen Thüringen nach neuesten Berechnungen Tag für Tag. "Wenn das so weitergeht, muss man sich doch die Fragen nach der Zukunft stellen müssen", fordert Schlitt die Politiker zum Nachdenken auf. Die Politik müsse wieder glaubwürdiger werden und den wahren Ursachen der Armut auf den Grund gehen, fordert er.

      10.12.2003 Von Hartmut Kaczmarek

      http://www.tlz.de/tlz/tlz.politik.volltext.php?id=960859&zul…
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 00:17:48
      Beitrag Nr. 1.051 ()
      Unternehmer: Lohndumping rettet Arbeitsplätze

      Leben in einer Industrienation, aber verdienen wie in einem "Entwicklungsland"? So lautet die kreative Antwort einer kleinen Programmiererbude in den USA. Nach einem Bericht der Businessweek konnte der Geschäftsführer der Firma cMarket seinen Programmierern keine US-üblichen Gehälter mehr zahlen. So einer koste im Jahr 80.000 US-Dollar plus 5000 bis 10.000 Dollar Lohnnebenkosten, rechnete das Magazin vor. Ein Programmierer in Indien koste ihn hingegen nicht mehr als 40.000 Dollar.

      Weil es sich bei dem Unternehmer aber um einen mit sozialem Gewissen handele, habe er nach einer Alternative zu einer Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland gesucht. Und schon war die Idee geboren: Per Anzeige suchte der Firmenchef Programmierer, die in Boston zu einem Gehalt, das mit 45.000 Dollar im Jahr etwas über dem indischen Standard liegt, arbeiten wollen. Er soll auch Grund zum Freuen gehabt haben: Die Bewerber hätten Schlange gestanden, berichtet Businessweek -- und darunter seien auch "richtig gute" gewesen. (tol/c`t)

      http://www.heise.de/newsticker/data/tol-10.12.03-008/
      (sind die Lebenshaltungskosten auch wie in Indien?)
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 00:23:16
      Beitrag Nr. 1.052 ()
      Deutsche haben kaum noch Hoffnung
      auf eine dauerhafte Festanstellung


      09. Dez 13:46

      Die überwiegende Mehrheit der Deutschen rechnet damit, in Zukunft häufiger den Arbeitsplatz wechseln zu müssen und dabei flexibler zu arbeiten. Die Unternehmen setzen ihrerseits auf lebenslanges Lernen der Mitarbeiter.




      Die überwiegende Mehrheit der Deutschen geht nicht mehr davon aus, künftig einen «Arbeitsplatz fürs Leben» zu haben. Das geht aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage hervor, die die Auftrag gebende Initiative «Zukunftsvertrag Zeitarbeit» am Dienstag in Berlin vorstellte. Demnach rechnen 80 Prozent der Befragten damit, dass eine dauerhafte Vollzeitstelle am deutschen Arbeitsmarkt künftig die Ausnahme und wechselnde Beschäftigungen mit flexiblem Arbeitszeitmodellen die Regel sein werden. Unter den befragten Unternehmen seien sogar 87 Prozent dieser Meinung, hieß es weiter.

      Mitarbeiter finden Arbeitszeitkonten attraktiv



      Dabei habe mit 44 Prozent der größte Teil der befragten Arbeitszeitkonten als attraktivste Form der flexiblen Beschäftigung genannt, hieß es weiter. Als zweithäufigste Nennung folgten demnach mit 29 Prozent bezahlte Überstunden. Telearbeit sei von 24 Prozent, Teilzeitarbeit von 23 Prozent der Befragten als attraktiv eingestuft worden.

      Das deckt sich nicht ganz mit den Modellen, auf die die Unternehmen setzen: Hier nannte die Befragten Entscheider in den Firmen mit 79 Prozent befristete Arbeitsverträge, die in ihren Firmen eingesetzt würden. Allerdings folgten mit 78 Prozent der Einsatz von Teilzeitarbeit und mit 70 Prozent Arbeitszeitkonten nur mit knappen Abstand. In 66 Prozent der befragten Unternehmen werden bezahlte Überstunden zur Flexibilisierung der Arbeitszeit eingesetzt, wie es weiter hieß.


      Kaum noch einfache Tätigkeiten

      Den Entscheidern fällt der Umfrage zufolge als Assoziation für die künftige Arbeit vor allem die Notwendigkeit seitens der Arbeitnehmer zur ständigen Weiterbildung, zum so genannten lebenslangen Lernen ein. Dabei rechnen die Firmen damit, dass die Ausübung einfacher Tätigkeiten in der deutschen Arbeitswelt immer mehr zurückgehen wird.

      Unter den befragten Menschen überwiegt indes die Vorstellung, dass künftig immer mehr Informationstechnologien (IT) am Arbeitsplatz eingesetzt werden. Sie rechnen demnach mit einem steigenden Einsatz des Internets und am Arbeitsplatz. Damit geht aber eng die Befürchtung einher, dass durch den verstärkten IT-Einsatz immer mehr Jobs verloren gehen werden.


      Einkommen steigt nicht mehr mit dem Alter

      Das mag sich auch hinter der Befürchtung verbergen, dass 79 Prozent der Bevölkerung nicht mehr damit rechnen, dass das Einkommen künftig selbstverständlich mit dem Lebensalter ansteigen wird. Unter den befragten Unternehmen ist diese Antwort mit 87 Prozent sogar noch stärker verbreitet.

      Forsa hat nach Angaben der Initiative, hinter der mehrere große Zeitarbeitsfirmen stehen, Mitte Oktober 1005 Deutsche im Alter ab 14 Jahren befragt und kam so zu repräsentativen Ergebnissen über Assoziationen, Erwartungen und Befürchtungen, aber auch Erfahrung mit zukunftsfähigen Arbeitsmodellen. Kurz zuvor seien 500 so genannte Entscheider zum Thema befragt worden, die in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern für Strategie, Weiterentwicklung der Arbeitsorganisation und des Personalmanagements verantwortlich sind. (nz)

      http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/derneuearbeitsmarkt/…
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 00:26:30
      Beitrag Nr. 1.053 ()
      Wissenschaft



      Essen wir uns dumm?
      Ernährung: Das Gehirn braucht Energie. Doch der Treibstoff ist oft von schlechter Qualität. Schlägt uns die Nahrung auf den Geist?


      Von Hans-Ulrich Grimm


      http://www.abendblatt.de/daten/2003/12/10/239840.html
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 00:31:43
      Beitrag Nr. 1.054 ()
      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme


      Teil 10

      Irrtümer und Täuschungen im Umgang mit dem Geld
      Der natürliche Zins
      und das Notenbankgeld
      - Ikonen volkswirtschaftlichen Aberglaubens -

      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 8. Dezember 2003


      1. Der natürliche Zins


      Seit langem hält sich an den volkswirtschaftlichen Fakultäten die aus Empirie und Hypothetik gleichermaßen abgeleitete Idee, es gäbe so etwas, wie einen natürlichen Zins. Die Idee ist so alt, dass sie unter einer dicken Staubschicht zur Gewissheit geronnen ist.

      Der natürliche Zins, so heißt es, repräsentiert einen der "Liquidität innewohnenden" Wert und der wiederum soll - so ungefähr, ziemlich genau, circa - einem Zinssatz von drei Prozent pro Jahr entsprechen. Die Nationalökonomie hat weite Teile ihres Theorie-Gebäudes auf dem schmalen Fundament dieses natürlichen Zinses errichtet und fällt darauf letztinstanzlich immer dann zurück, wenn es darum geht die Phänome überschießender oder unzureichender Geldversorgung zu erklären und das kurzsichtig-egoistische Handeln der Verursacher als verantwortungsbewusste Reaktion im Rahmen naturgesetzlich ablaufender Prozesse zu rechtfertigen.

      Mit Hilfe von vielen, oft seitenlangen, dem Laien unverständlichen, mathematisch jedoch zumeist vollkommen korrekt aufgestellten Formeln wird eine angebliche Wahrheit über Zins und Kapital begründet, die da heißt:

      Immer dann, wenn der auf dem Kapitalmarkt angebotene Zinssatz unter den Satz des natürlichen Zinses sinkt, braucht der Kapitalist sein Geld nicht mehr zu verleihen, weil ihm der natürliche Zins durch den "Wert der Liquidität" eine ebenso große, oder gar noch höhere Rendite bringt, als durch Verleihen zu erwirtschaften wäre.

      Diese angebliche Wahrheit ist völliger Quatsch.......




      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen10.html
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 17:28:34
      Beitrag Nr. 1.055 ()
      Wussten Sie schon, dass...?
      (12.12.2003)

      Die Geschichte wiederholt sich. Aber nicht, weil die Umstände die gleichen sind, sondern weil sich die Menschen nicht verändern und weil sie so angelegt sind, dass sie eher auf Emotionen wie Angst und Gier reagieren als rational.


      Robert J. Farrell

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 17:32:27
      Beitrag Nr. 1.056 ()
      Eine glänzende Alternative
      ++ Sicherer Hafen ++


      Von Dirk Harbecke
      Die Besitzer von Minen-Aktien waren in den vergangenen Wochen nicht zu beneiden. Obwohl die Edelmetalle wie Gold, Platin und Silber immer neue Höchststände erklommen, fielen die Wertpapiere der Schürfer um bis zu 40 Prozent. Der Goldminen-Index HUI droht nun sogar, den seit Mitte Juli bestehenden charttechnischen Aufwärtstrend nach unten zu durchbrechen, was weitere Verkäufe nach sich ziehen würde. Unsichere Zeiten also für die Fans von Edelmetallen. Ebenso unsichere Zeiten stehen aber auch den Aktienbesitzern an den großen Weltbörsen bevor, nachdem unter anderem der US-Technologie-Index Nasdaq seit einem kurzen Schnuppern an der 2.000er-Marke wieder den Weg nach unten eingeschlagen hat. Dieses Umfeld erzwingt den Versuch, ein rational vertretbares Investment zu suchen und zu finden: Silber.

      Auf den ersten Blick ist Silber wieder nur ein Metall mit ähnlichen Attributen wie Gold: Es ist schürfbar, glänzt, wird zur Schmuckproduktion verwendet und ist bei einem derzeitigen Wert von 5,50 Dollar pro Unze billig – zumindest verglichen mit den Höchstständen von gut 50 Dollar 1980, als die Brüder Hunt in einer legendären Fehlspekulation den Preis trieben. Auch Silber gilt als "sicherer Hafen" für Anleger, die Angst vor einer aufkeimenden Inflation und einer dauerhaften Entwertung des US-Dollar haben. So mancher hat inzwischen gelernt, dass die US-Notenbank so viele Dollar drucken kann, wie sie will, und die Notenpressen seit dem Aufkommen des Geredes über eine drohende Deflation heiß laufen.

      ++ Angebotsdefizit ++

      Silber ist aber viel mehr. Im Gegensatz zu Gold wird es in der Wirtschaft gebraucht, zum Beispiel als elektrischer Leiter in der Industrie, in der Medizintechnik und vor allem in der Photografie. Aus diesem Bereich kamen auch die jüngsten Hiobsbotschaften: Eastman Kodak kündigte vor wenigen Wochen an, zukünftig stärker auf die digitale Photografie zu setzen und versetzte dem Silberpreis damit einen herben Dämpfer. Digitale Photos müssen nicht auf Papier entwickelt werden, so die Spekulation, und deshalb werde weniger Silber benötigt. Doch die Märkte beruhigten sich wieder. Der Silberpreis steht heute höher als vor der Kodak-Ankündigung – obwohl mit rund 200 Millionen Unzen etwa ein Viertel des jährlichen Silberverbrauchs auf die Photo-Industrie entfällt. Papier-Abzüge von Bildern wird es noch lange geben, und ich persönlich photografiere – seitdem ich eine Digitalkamera habe – mehr als früher und lasse dadurch im Endeffekt mehr Papierabzüge machen.

      Selbst wenn der Verbrauch in der Photobranche nachließe – das Angebot-Nachfrage-Verhältnis bei Silber ist einmalig. Seit mehr als 13 Jahren besteht ein jährliches Angebotsdefizit – zusammengerechnet etwa 1 Milliarde Unzen – das bisher nur durch Verkäufe aus Beständen der Zentralbanken gefüllt wurde. Mit Ausnahme Chinas verfügt heute aber keine Zentralbank mehr über Silber-Bestände. Silber ist eines der knappsten Edelmetalle der Welt. Nach Schätzungen von Branchenexperten stehen dem Markt zu den derzeitigen Preisen nur etwa 400 bis 900 Millionen Unzen zur Verfügung, was einem Gegenwert von lediglich 5 Milliarden Dollar entspricht. Wenn die Minen nicht rechtzeitig für Nachschub sorgen, reicht das nicht einmal für zwölf Monate. Kein Wunder, dass potente Investoren wie Warren Buffett und Bill Gates sich mit großen Silber-Positionen eingedeckt haben.

      Trotz dieser Fundamentaldaten wird sich Silber nicht vom Kurs-Trend der anderen Edelmetalle abkoppeln können. Wenn die Aktienmärkte haussieren, werden die Metalle leiden. Doch das "weiße Gold" bietet aufgrund des Angebotsdefizits und des Nutzens in der Industrie beste Chancen, eines Tages von den Spekulanten wiederentdeckt zu werden.


      Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.
      http://www.instock.de/Nachrichten/10136829/pos/2
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 23:25:49
      Beitrag Nr. 1.057 ()
      Titel
      jW-Bericht

      Last-Minute-Hilfe

      Anzeichen für Einknicken der Gewerkschaften bei Verhandlungen zur Tariföffnung


      Offenbar retten die Gewerkschaften der Bundesregierung die »Agenda 2010«. In den Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeit»gebern« um Öffnungsklauseln in Tarifverträgen gab es am Freitag Anzeichen für eine Einigung. Die Verhandlungen fanden, wie am selben Tag bekannt wurde, unter Vermittlung des Kanzleramtes statt. Die Spitzen der Metall-Tarifparteien, IG-Metall-Chef Jürgen Peters und Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser, signalisierten eine deutliche Annäherung. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hieß es daraufhin, dies könne Grundlage für eine Lösung des Streits mit dem Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA) sein. Damit könnte eine gesetzliche Regelung überflüssig werden, die von der CDU/CSU zur Vorbedingung für einen Kompromiß im Vermittlungsausschuß erklärt worden war.

      Vergangene Woche war ein Spitzengespräch zwischen BDA und Gewerkschaften zu dem Thema gescheitert. Regierungssprecher Thomas Steg erklärte am Freitag in Berlin, der Gesprächsfaden sei jedoch nicht abgerissen. Beide Parteien »sitzen jetzt zusammen« und bemühten sich um eine freiwillige Vereinbarung zu den Öffnungsklauseln. DGB-Sprecher Hilmar Höhn betonte allerdings, daß es seit Abbruch der Verhandlungen mit der Unternehmerseite kein Spitzentreffen mehr gegeben habe. Auf der Basis der Metall-Erklärungen sei man aber gesprächsbereit.

      Peters und Kannegiesser hatten in nahezu zeitgleichen Erklärungen ihre Verhandlungsbereitschaft deutlich gemacht. Die IG Metall ist danach »bereit – wenn es erforderlich ist –, den Spielraum für weitere betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten in den Tarifverträgen zu vergrößern«, erklärte der Vorsitzende der IG Metall in Frankfurt/Main. Die IG Metall habe sich nie geweigert, die in Tarifverträgen gesetzten Rahmenbedingungen ständig weiterzuentwickeln; das gelte auch für die Zukunft. Schließlich seien Tarifverträge keine statischen Größen, sondern dynamische Instrumente der sozialen Beziehungen. »Welche Ausformungen, welchen Umfang, zu welchem Problemkreis und mit welchem Verfahren betriebliche Gestaltungsräume eröffnet werden, ist aber ausschließlich Sache der Tarifparteien«, betonte Peters. Wer jedoch generelle gesetzliche Öffnungsklauseln wolle, verstehe entweder nichts von der Sache oder wolle die Tarifautonomie aushebeln.

      Peters betonte, daß die Basis für solche Spielräume der uneingeschränkte Erhalt der Tarifautonomie sei. Er erinnerte daran, daß es sich um ein verfassungsrechtlich geschütztes Freiheitsrecht handelt, wenn Arbeitsbedingungen ohne Eingriff des Staates vereinbart werden. »Es ist verantwortungslos, wenn einige Politiker der Unionsfraktionen und der FDP mit Grundrechten in dieser Republik schachern wollen wie auf einem orientalischen Basar«. Die IG Metall werde im Falle gesetzlicher Eingriffe in die Tarifautonomie auf jeden Fall Verfassungsklage einreichen. Die grundsätzlichen Funktionen von Tarifautonomie und Betriebspartnerschaft dürften nicht verändert werden. Diese Arbeitsteilung sei ein Garant für sozialen Ausgleich und ökonomische Prosperität in der Bundesrepublik. Peters forderte die Unternehmer auf, ihrerseits ein eindeutiges Bekenntnis zur Tarifautonomie in Deutschland abzugeben.

      Kannegiesser erklärte, man werde das Thema Öffnungsklauseln in die bevorstehende Tarifrunde einbringen. »Ich bin zuversichtlich, daß sich beide Seiten in dieser wichtigen Frage aufeinander zu bewegen werden und sich niemand bei den Anliegen und Argumenten des anderen die Ohren zuhalten wird«, fügte er hinzu.

      Zuvor hatte auch der 2. Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, Einschnitten in die Tarifautonomie eine strikte Absage erteilt. Er kritisierte zugleich scharf die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß, bei denen die Tarifautonomie zum Tauschobjekt degradiert werde.

      Der Forderung des Unternehmerverbands Gesamtmetall in der am kommenden Montag beginnenden Tarifrunde nach Öffnungsklauseln für Arbeitszeitverlängerungen bis zu 40 Stunden pro Woche erteilte Huber eine Absage. Die Arbeitgeber wollten die Entscheidung über das Ausmaß der Verlängerung und die Bezahlung den Betriebsparteien überlassen. Damit wollten sie, so Huber, das »Gleichgewicht der Kräfte« verändern. Der Kern dieser Forderung sei zudem Mehrarbeit ohne Bezahlung und bedeute »von Anfang an eine Verschärfung der Tarifrunde«. Dies werde die Gewerkschaft nicht mitmachen. Die IG Metall sei aber bereit, über eine Flexibilisierung der Arbeitszeit beispielsweise über Arbeitszeitkonten zu verhandeln, aber nicht in einer Entgelt-Tarifrunde. Zudem könne im begründeten Einzelfall über Arbeitszeitverlängerung auf Betriebsebene bereits heute jederzeit verhandelt werden, die IG Metall habe dem in zahlreichen Fällen zugestimmt.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-13/001.php
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 23:37:32
      Beitrag Nr. 1.058 ()
      Neuordnung der Welt

      Der Krieg der USA um globale Hegemonie (Teil 1)


      Wir befinden uns am Wendepunkt der ernsthaftesten Krise in der jüngeren Geschichte. Die Bush-Administration hat sich auf ein militärisches Abenteuer eingelassen, das die Zukunft der Menschheit bedroht. Die Kriege in Afghanistan und Irak sind Teil einer umfassenderen militärischen Agenda, die mit dem Ende des Kalten Krieges auf den Plan trat. Die gegenwärtig stattfindenden Kriege stellen die Fortsetzung des Golfkrieges von 1991 und der NATO-Aggression gegen Jugoslawien dar.

      Die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges ist darüber hinaus durch zahlreiche US-amerikanische Geheimdienstoperationen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gekennzeichnet, welche dem Ziel dienten, Bürgerkriege in mehreren früheren Sowjetrepubliken zu provozieren bzw. eskalieren zu lassen, wie dies in Tschetschenien (innerhalb der russischen Föderation), Georgien und Aserbaidschan geschehen ist. In letztgenannten Ländern wurden diese geheimen Operationen mit dem Ziel der strategischen Kontrolle über Korridore für Öl- und Gasleitungen durchgeführt.

      US-amerikanische Militär- und Geheimdienstoperationen wurden seit dem Ende des Kalten Krieges in Osteuropa, der früheren Sowjetunion und auf dem Balkan in enger Abstimmung mit den vom IWF diktierten »Reformen zur Etablierung eines freien Marktes« durchgeführt, welche die Destabilisierung der nationalen Wirtschaftssysteme und die Verarmung von Millionen Menschen zur Folge haben. Die von der Weltbank finanzierten Privatisierungsprogramme in diesen Ländern ermöglichten es dem westlichen Kapital, die Kontrolle über einen Großteil der Ökonomien der Länder des ehemaligen Ostblocks zu gewinnen. Dieser Entwicklung liegen auch Fusionen und Übernahmen strategisch wichtiger Teile der Ölindustrie der ehemaligen Sowjetunion durch große westliche Konzerne zugrunde, die durch Manipulation und korrupte Geschäftspraktiken zustande kamen. In dem von den USA geführten Krieg geht es mit anderen Worten quasi um die Rekolonialisierung eines Gebietes, das sich vom Balkan bis nach Zentralasien erstreckt.

      Die Entwicklung der US-amerikanischen Kriegsmaschinerie dient dazu, das ökonomische Einflußgebiet der USA zu vergrößern. Die Vereinigten Staaten haben nicht nur eine dauerhafte Militärpräsenz im Irak und in Afghanistan durchgesetzt, sie verfügen auch über Militärstützpunkte in mehreren ehemaligen Sowjetrepubliken entlang der chinesischen Westgrenze. Krieg und Globalisierung gehen Hand in Hand. Die Militarisierung flankiert, unterstützt und sichert die Eroberung neuer ökonomischer Grenzen und der weltweiten Durchsetzung des Systems des freien Marktes.


      Die nächste Phase des Krieges

      Die Bush-Administration hat Syrien als nächste Etappe auf der »Karte zum Krieg« benannt. Die Bombardierung von vermeintlichen Terroristenlagern durch die israelische Luftwaffe im vergangenen Oktober sollte als Rechtfertigung für künftige militärische Präventivschläge und Interventionen dienen. Ariel Scharon führte die Angriffe mit der Zustimmung Donald Rumsfelds aus (vgl. Gordon Thomas, Global Outlook, 6/2003). Die geplante Ausweitung des Krieges auf Syrien hat ernstzunehmende Konsequenzen. Sie bedeutet, daß Israel zu einem Hauptakteur in dem Krieg der USA und zu einem »offiziellen« Mitglied der angloamerikanischen Koalition aufsteigt.

      Das Pentagon plant die Kontrolle des syrischen Territoriums, um auf diese Weise eine Verbindung zwischen Israel und dem besetzten Irak herzustellen, was militärisch wie auch ökonomisch von großer strategischer Bedeutung ist. Dieser Schritt würde die Kontrolle der irakischen Grenze ermöglichen. So könnte die Zahl der Freiwilligen eingedämmt werden, die in den Irak einreisen, um sich der irakischen Widerstandsbewegung anzuschließen.

      Diese Erweiterung des Kriegsschauplatzes deckt sich mit Ariel Scharons Plan, ein »Großisrael« »auf den Trümmern des palästinensischen Nationalismus« zu errichten. Während Israel darum bemüht ist, seine territoriale Einflußzone in Richtung Euphrat auszuweiten und Siedlungen auf syrischem Territorium zu errichten, werden die Palästinenser in Gaza und der Westbank hinter einer »Apartheidsmauer« eingesperrt.

      Unterdessen hat der US-Kongreß die Wirtschaftssanktionen gegen Libyen und Iran verschärft. Darüber hinaus deutet Washington die Notwendigkeit eines »Regimewechsels« in Saudi-Arabien an. Der politische Druck auf die Türkei nimmt zu. Der Krieg könnte sich also auf ein weit größeres Gebiet ausdehnen, das sich vom östlichen Mittelmeer bis zum indischen Subkontinent und der Westgrenze Chinas erstreckt.


      Präventiver Atomwaffeneinsatz:O :mad: :mad:

      Washington hat eine Politik des präventiven nuklearen Erstschlags beschlossen, die nun auch die Zustimmung des Kongresses erhalten hat. Die Zeiten, in denen der Einsatz von Atomwaffen nur als allerletztes Mittel in Frage kam, scheinen vorüber.

      Die USA, Großbritannien und Israel haben ihre Atomwaffenpolitik miteinander abgestimmt. Israels atomare Sprengköpfe sind auf Hauptstädte im mittleren Osten gerichtet. Die Regierungen aller drei Länder haben schon vor dem Krieg gegen den Irak recht offen zugegeben, daß sie darauf vorbereitet sind, Atomwaffen einzusetzen, sollten sie sich einem Angriff mit Massenvernichtungswaffen ausgesetzt sehen. Israel ist die fünftgrößte Atommacht der Welt. Sein Atomwaffenarsenal ist besser ausgestattet als das Großbritanniens.

      Nur wenige Wochen nach der Einnahme Bagdads durch US-Marines gab der Militärausschuß des US-Senats dem Pentagon grünes Licht für die Entwicklung einer neuen taktischen Atombombe, die auf konventionellen Kriegsschauplätzen eingesetzt werden soll. Sie soll eine Zerstörungskraft besitzen, welche die der auf Hiroshima abgeworfenen Bombe um das Sechsfache übersteigt.

      Dem Senatsbeschluß Folge leistend, traf sich das Pentagon heimlich mit Führungspersonen der Atomindustrie und des militärisch-industriellen Komplexes im zentralen Befehlshauptquartier auf dem »Offutt«-Luftwaffenstützpunkt in Nebraska. Das Treffen fand am 6. August statt – dem Tag, an dem 58 Jahre zuvor die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde.

      Die neue Atompolitik schließt explizit die Atom- und Waffenindustrie in die Kriegsplanung mit ein, was der »Privatisierung« des Atomkriegs gleichkommt. Die Firmen verdienen nicht nur Milliarden mit der Atomwaffenproduktion, sie haben auch direktes Mitspracherecht bei der Frage nach der Anwendung dieser Waffen.

      Unterdessen hat das Pentagon eine große Werbe- und Public-Relations-Kampagne gestartet, um in der Bevölkerung um Zustimmung für den Einsatz von Atomwaffen für die »Verteidigung des Vaterlandes« zu werben. Mit ausdrücklicher Billigung des Kongresses werden die »Miniatur-Atombomben« (»mini-nukes«) als »für Zivilisten ungefährlich« deklariert. Diese neue Generation von Atomwaffen ist in der nächsten Phase des Krieges für den Einsatz auf »konventionellen Kriegsschauplätzen«(d. h. im Mittleren Osten und Zentralasien) zusammen mit konventionellen Waffen vorgesehen. Im Dezember 2003 hat der Kongreß allein für das Jahr 2004 die Bereitstellung von 6,3 Milliarden Dollar für die Entwicklung dieser neuen Generation »defensiver« Nuklearwaffen bewilligt. Der gesamte Verteidigungsetat der Vereinigten Staaten hat mit 400 Milliarden Dollar ungefähr den gleichen Umfang wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Russischen Föderation.

      Während es keinen sicheren Beweis für den Einsatz von »Mini-Atombomben« im Irak und in Afghanistan gibt, haben Tests des kanadischen »Uranium Medical Research Center« (UMRC) ergeben, daß die in Afghanistan festgestellte radioaktive Verstrahlung nicht auf die mit abgereichertem Uran ummantelten Geschosse (»depleted uranium ammunition«, DU), sondern auf eine andere Form radioaktiver Verseuchung zurückzuführen ist: »Irgendeine Art radioaktiver Waffe wurde eingesetzt (…) Die Ergebnisse waren verblüffend: Die Proben ergaben Konzentrationen giftiger radioaktiver Uranisotope, die 100 bis 400 mal höher waren als die, welche bei den Golfkriegsveteranen 1999 festgestellt worden waren.« (www.umrc.de):mad: :mad:


      Die Kriegsplanung

      Der Krieg gegen den Irak befand sich spätestens seit Mitte der 90er Jahre im Stadium der Planung. Ein Dokument der Clinton-Administration über Fragen der nationalen Sicherheit aus dem Jahr 1995 nennt als Kriegsziel ganz offen »den ununterbrochenen und sicheren Zugang der USA zu Öl«. Im September 2000, ein paar Monate, bevor George W. Bush ins Weiße Haus einzog, veröffentlichte das »Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert« (»Project for a New American Century«, PNAC) seinen Entwurf zur Erlangung weltweiter Hegemonie unter dem Titel: »Amerikas Verteidigung neu aufbauen«.

      Das PNAC ist eine neokonservative Denkfabrik, die in enger Verbindung zu den Geheimdiensten, der Republikanischen Partei und dem einflußreichen »Amt für internationale Beziehungen« (»Council on Foreign Relations«, CFR) steht, das bei der Formulierung der US-amerikanischen Außenpolitik hinter den Kulissen agiert. Das erklärte Ziel des PNAC besteht darin, »auf verschiedenen Kriegsschauplätzen gleichzeitig zu kämpfen und zu siegen«. Dieses Statement macht deutlich, daß die USA vorhaben, gleichzeitig an verschiedenen Orten auf dem Globus Kriege zu führen.

      Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney hatten den Entwurf des PNAC schon vor den Präsidentschaftswahlen in Auftrag gegeben. Das PNAC entwirft einen Eroberungsplan. Es fordert »die Einrichtung amerikanischer Stützpunkte (»forward bases«) in ganz Zentralasien und dem Mittleren Osten« mit dem Ziel der Absicherung der weltweiten ökonomischen Vormachtstellung und der Unterdrückung eines jeden möglichen Rivalen und jeglicher in Erscheinung tretender Alternative zu der US-amerikanischen Vision der freien Marktwirtschaft. (vgl. Chris Ford: Bush’s Crusade for Empire, Global Outlook, 6/2003)

      Der PNAC-Entwurf stellt auch für die Kriegspropaganda ein ausgearbeitetes System bereit. Ein Jahr vor dem 11. September sprach das PNAC von der Notwendigkeit »eines katastrophalen und klärenden Ereignisses, einem neuen Pearl Harbor«, welches die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten für die Unterstützung eines Kriegsplanes mobilisieren könnte. (vgl.http://www.globalsearch.ca/articles//NAC304A.html) Die Ideologen des PNAC scheinen mit zynischer Präzision die Instrumentalisierung des elften September als »Vorwand für einen Krieg« vorweggenommen zu haben.

      Die Rede des PNAC von einem »katastrophalen und klärenden Ereignis« erinnert an eine ähnliche Bemerkung David Rockefellers vor dem Wirtschaftsausschuß der Vereinten Nationen (»UN Business Council«) aus dem Jahr 1994: »Wir stehen am Beginn eines weltweiten Umbruchs. Alles, was wir brauchen, ist die eine richtig große Krise und die Nationen werden die Neue Weltordnung akzeptieren.«


      Ähnlich Zbigniew Brzezinski in seinem Buch »The Grand Chessboard«: »Es scheint schwieriger, (in den USA) eine Übereinstimmung in der Außenpolitik erreichen zu können, es sei denn für den Fall einer riesigen und weitreichend wahrgenommenen direkten Bedrohung.« Brzezinski, Sicherheitsberater von James Carter, war eine der Schlüsselfiguren beim Aufbau des Al-Qaida-Netzwerks durch die CIA anläßlich des Krieges zwischen der Sowjetunion und Afghanistan (1979–1989).

      Das »katastrophale und klärende Ereignis«, von dem beim PNAC die Rede ist, stellt einen integralen Bestandteil der US-amerikanischen Militärplanung dar. General Tommy Franks, der den Angriff gegen den Irak leitete, stellte erst vor kurzem (Oktober 2003) die Bedeutung eines »zivile Opfer in großer Menge fordernden Anschlags« für die Errichtung einer Militärherrschaft in den USA heraus. (Vgl.: General Tommy Franks fordert die Außerkraftsetzung der US-amerikanischen Verfassung, November 2003, http://www.globalsearch.ca/articles/EDW311A. html)

      Franks beschreibt das Szenario: »Ein zivile Opfer in großer Menge fordernder terroristischer Anschlag wird irgendwo in der westlichen Welt eintreten – es könnte in den USA sein. Dies wird die Bevölkerung dazu veranlassen, unsere eigene Verfassung in Frage zu stellen und der Militarisierung unserer Gesellschaft zuzustimmen, um ein weiteres solches Ereignis zu verhindern.« Diese Äußerung eines Mannes, der aktiv an militärischen und geheimdienstlichen Planungen auf höchster Ebene beteiligt war, läßt vermuten, daß es sich bei der »Militarisierung unseres Landes« um eine sich bereits vollziehende operationale Voraussetzung handelt. Sie ist Teil des weiterreichenden »Washington consensus«. Sie charakterisiert die »Roadmap« der Bush-Administration in Sachen Krieg und »Heimatverteidigung«. Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, daß sie auch integraler Bestandteil der neoliberalen Agenda ist.


      Der »massenhaft zivile Opfer fordernde terroristische Anschlag« wird von General Franks als entscheidender politischer Wendepunkt dargestellt. Die hieraus resultierende Krise und gesellschaftliche Unruhe sollen die politischen, gesellschaftlichen und institutionellen Strukturen der USA nachhaltig verändern. General Franks Äußerung spiegelt den innerhalb des US-Militärs herrschenden Konsens darüber wider, wie die Dinge sich entwickeln sollten. Der »Krieg gegen den Terrorismus« biete die Rechtfertigung dafür, die rechtsstaatlichen Prinzipien außer Kraft zu setzen, um auf lange Sicht »die bürgerlichen Freiheiten zu schützen«.


      Franks’ Ausführungen legen einen Automatismus nahe, nach dem ein von Al Qaida organisierter terroristischer Anschlag in den USA einen Staatsstreich der militärischen Hardliner nach sich ziehen wird. Das »mit Pearl Harbour vergleichbare Ereignis« würde als Vorwand benutzt werden, den Ausnahmezustand auszurufen und zur Einsetzung einer Militärregierung führen.

      In vielerlei Hinsicht hat sich diese Militarisierung zivilstaatlicher Institutionen unter dem Deckmantel der bürgerlichen Demokratie bereits vollzogen.


      Kriegspropaganda


      Unter dem Eindruck der Angriffe auf das World Trade Center schuf Verteidigungsminister Donald Rumsfeld das »Amt für strategische Einflußnahme« (»Office for Strategic Influence, OSI) oder auch »Ministerium für Desinformation«, wie Kritiker es zu nennen pflegen: »Das Verteidigungsministerium sagte, sie müßten das machen, und sie erfanden tatsächlich irgendwelche Geschichten in der Hoffnung, so die öffentliche Meinung in der ganzen Welt beeinflussen zu können. (Interview mit Steve Adubato, Fox News, 26. Dezember 2002)

      Urplötzlich wurde das OSI auf politischen Druck hin wieder aufgelöst, nachdem in den Medien davon die Rede gewesen war, seine Aufgabe bestehe darin, »im Dienste amerikanischer Interessen bewußt Lügen zu verbreiten«. (Air Force Magazine, Januar 2003) »Rumsfeld machte einen Rückzieher und bezeichnete die Berichte als peinlich.« (Adubato) Aber trotz dieser offensichtlichen Kurskorrektur änderte sich an der Desinformationskampagne des Pentagon nichts, sie läuft nach wie vor nach altem Muster: »Der Verteidigungsminister ist in dieser Hinsicht nicht besonders aufrichtig. Gezielte Fehlinformationen im Zusammenhang mit militärstrategischen Verlautbarungen sind Teil eines jeden Krieges.« (ebenda)

      Rumsfeld bestätigte später in einem Interview, daß, obschon das OSI dem Namen nach nicht länger existiere, die Aufgaben, welche ihm zugedacht waren, nach wie vor erfüllt würden. (zitiert nach den »Geheimen Nachrichten« des »Zusammenschlusses amerikanischer Wissenschaftler«, FAS), http://www.fas.org/sgp/news/ secrecy/2002/11/112702.html) Nach wie vor arbeitet eine ganze Anzahl von Abteilungen und Gruppen an der Fortführung der Kampagne. Sie sind entweder der Regierung oder den Geheimdiensten unterstellt und stehen natürlich alle in enger Verbindung mit dem Pentagon.

      Die Dinge werden auf den Kopf gestellt. Kriegerische Handlungen werden zu »humanitären Interventionen« mit dem Ziel eines »Regimewechsels« und der »Einführung der Demokratie« umgelogen. Militärische Besatzung und die Ermordung von Zivilisten werden als »friedenssichernde Maßnahmen« verkauft. Die Abschaffung bürgerlicher Rechte und Freiheiten in Zusammenhang mit den »Antiterrorgesetzen« wird als Mittel zur Bewahrung der inneren Sicherheit und der Verteidigung zivilgesellschaftlicher Errungenschaften dargestellt.


      Al Qaida und das Pentagon

      Der Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS) zufolge stellen die Doktrin des »präventiven Verteidigungskrieges« und der »Krieg gegen den Terrorismus« bzw. gegen das Terrornetzwerk Al Qaida die beiden Hauptpfeiler der Propagandakampagne des Pentagon dar. Das Ziel besteht in der Vermittlung »präventiver Militärschläge« – d. h. Krieg als Mittel der Selbstverteidigung – gegen zwei Arten von Feinden, »Schurkenstaaten« und »islamistische Terroristen«:

      »Der weltweite Krieg gegen den Terrorismus ist ein globales Unternehmen von unabsehbarer Dauer. (…) Die Vereinigten Staaten werden gegen derlei Bedrohungen vorgehen, noch bevor sie sich vollständig ausgebildet haben. (…) Schurkenstaaten und Terroristen werden nicht versuchen, uns mit herkömmlichen Mitteln anzugreifen, da sie wissen, daß derlei Versuche scheitern würden. Statt dessen setzen sie auf terroristische Anschläge und die Anwendung von Massenvernichtungswaffen (…)

      Die Ziele dieser Angriffe sind sowohl unsere Streitkräfte wie auch unsere Zivilbevölkerung, was eine der wichtigsten Grundsätze der Gesetze der Kriegführung verletzt. Wie der 11. September 2001 gezeigt hat, geht es diesen Terroristen darum, möglichst viele Zivilisten zu treffen und diese Verluste unter der Zivilbevölkerung wären noch um ein vielfaches höher, kämen Terroristen in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und sähen sich in die Lage versetzt, diese zur Anwendung bringen.

      Schon seit langem behalten sich die USA die Möglichkeit präventiver Maßnahmen vor, um Bedrohungen der nationalen Sicherheit zu begegnen. Je größer die Bedrohung, desto gefährlicher ist es, sich passiv und abwartend zu verhalten und desto zwingender ist es, vorbeugende Maßnahmen zu unserer Verteidigung zu ergreifen (…). Um derartigen Aggressionen unsere Gegner zuvorzukommen und sie zu verhindern, werden die Vereinigten Staaten, falls notwendig, präventive Maßnahmen ergreifen.« (Nationale Sicherheitsstrategie, Weißes Haus )

      Um vorbeugende Militärschläge rechtfertigen zu können, muß die Nationale Sicherheitsdoktrin eine terroristische Bedrohung, einen »äußeren Feind« heraufbeschwören und gleichsam die Behauptung aufstellen, die terroristische Bedrohung gehe von den sogenannten Schurkenstaaten aus, die Terroristen finanziell und logistisch unterstützten. Das bedeutet aber auch, daß die möglichen »massenhaft zivile Opfer fordernden Anschläge«, die mit Al Qaida (dem äußeren Feind) argumentieren, Teil des nationalen Sicherheitskonzepts sind.

      * Montag: Feindbestimmung

      http://www.jungewelt.de/2003/12-13/004.php
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 23:42:21
      Beitrag Nr. 1.059 ()
      Ausland
      Gerhard Klas

      Rechte unter Vorbehalt

      EU-Verfassung: Soziale Sicherung auch künftig nicht einklagbar. Priorität für Unternehmen

      (was anderes war auch nicht zu erwarten! )

      Während auf dem Brüsseler EU-Gipfel noch um das Abstimmungsverfahren im Ministerrat gestritten wird, stehen andere Punkte auf dem Treffen nicht mehr zur Debatte. Dazu gehört auch der Umfang garantierter und einklagbarer sozialer Rechte (siehe auch jW vom 25. Oktober: »EU sozial verfaßt?«). Als Fortschritt gegenüber den EU-Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza betrachten Sprecher der EU-Organe und Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten, daß die in Nizza im Dezember 2000 verabschiedete EU-Grundrechtecharta nun integraler Bestandteil eines Verfassungstextes ist und damit der Weg zu einer politischen Union geebnet sei.

      Die integrierte Grundrechtecharta erscheint auf den ersten Blick umfassend und erwähnt auch soziale Rechte. So ist vage vom »Recht auf Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes« die Rede. Es gibt aber kein direktes »Recht auf ärztliche Versorgung« oder »auf die Leistungen der sozialen Sicherheit«.

      Teil III des Verfassungsentwurfs und die Kommentare des Verfassungskonvents werden dann schon präziser: Soziale Rechte dürfen nicht die »Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union« untergraben, sie dürfen »das finanzielle Gleichgewicht nicht beschädigen«, »Leistungen der Daseinsvorsorge sollen mit den Vorschriften des Binnenmarkts vereinbar sein«. Mit anderen Worten: Soziale Rechte stehen unter Finanzierungsvorbehalt.

      Verbindliche Rechte hingegen genießt das »freie Unternehmertum«. Sie sind präzise formuliert und haben oberste Priorität. »Die Mitgliedstaaten und die Union handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird«, heißt es im Verfassungsentwurf zur EU-Wirtschaftspolitik. Das erlaubt unter anderem freie Fahrt für die weitere Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Rente, der Wasserversorgung, des Bildungs- und Gesundheitswesen und anderer wichtiger Bereiche. In einigen EU-Mitgliedsländern wurden bereits die Energieversorgung, die Verkehrssysteme und Teile der Altersvorsorge in die Hände von privaten Konzernen und Versicherungsgesellschaften gelegt, die gut daran verdient haben.

      Der Verfassungstext mahnt zwar eine qualitativ gute Versorgung an, aber die bisher mit den Privatisierungen gemachten Erfahrungen sprechen eine andere Sprache: Private Stromversorgung und Müllentsorgung führen zu höheren Verbraucherpreisen. Auch die private oder teilprivate Altersvorsorge hat sich jetzt als Mogelpackung erwiesen: Fallende Renditen bei Lebensversicherungen und sinkende Dividenden und Kursverluste bei Anlagen auf dem Aktienmarkt haben schon manch einem ein bitteres Erwachen beschert, nicht nur in Ländern wie Großbritannien, wo im Schnitt 85 Prozent der individuellen Altersversorgung aus »privater Vorsorge« stammt. Dort sind heute viele Rentner auf die spärliche Sozialhilfe angewiesen.

      Im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz kennt die künftige EU-Verfassung auch keine soziale »Verpflichtung des Eigentums« mehr. Das »Recht auf Eigentum« wird sogar durch ein weiteres Grundrecht, das ein juristisches Novum darstellt, ergänzt: Die »unternehmerische Freiheit« erhält Verfassungsrang.

      Fazit: Soziale Rechte und öffentliche Daseinsvorsorge werden der Wettbewerbsfähigkeit des EU-Binnenmarktes untergeordnet. Während in Deutschland kaum kritische Stimmen zur EU-Verfassung zu hören sind,
      artikuliert sich vor allem in den Mittelmeerländern, in Dänemark und in Belgien lautstarker Protest von großen Gewerkschaftsverbänden, Menschenrechtsorganisationen und linken Parteien. Der Verfassungsentwurf entspreche, erklärt Bernard Cassen, internationaler Sprecher des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC in Frankreich, einer »neoliberalen Staatsreligion«. Auf dem zweiten Europäischen Sozialforum in Paris hatten die Gegner dieser Verfassung ihr weiteres Vorgehen beraten. Sie seien, so betonte Luciano Muhlbauer, Sekretär der Cobas-Gewerkschaftskomitees aus Italien, keine Gegner einer europäischen Einigung. Als Globalisierungskritiker wollten sie vielmehr ein grundsätzlich anderes Europa, ein Europa, »das sich überall auf der Welt für mehr soziale Rechte und Demokratie einsetzt. 400 Millionen Europäer sind gefragt, darüber zu diskutieren und
      zu entscheiden, nicht nur 15 Regierungen der Europäischen Union.«

      http://www.jungewelt.de/2003/12-13/008.php
      Avatar
      schrieb am 12.12.03 23:57:07
      Beitrag Nr. 1.060 ()
      Inland
      Hans Peter

      Billiglohn und Zwangsarbeit

      Der Vermittlungsausschuß streitet weiter – eine Übersicht über den Stand der Dinge
      :mad: :mad: :confused:

      Der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat streitet weiter über das Sozialkahlschlagsprogramm der Regierung. Nach letzten Berichten zeichnet sich ab, daß ab Sonntag die Partei- und Fraktionschefs direkt eingreifen. Spätestens bis Dienstag muß eine Entscheidung fallen, wenn die Gesetze Anfang 2004 in Kraft treten sollen.

      Inzwischen hat SPD-Verhandlungsführer Henning Scherf eine »echte Annäherung« beim Thema Niedriglohn ausgemacht. Daß sich Regierung, Opposition und Unternehmer einig sind bei dem Ziel, den Niedriglohnsektor massiv auszuweiten, macht deutlich, wohin der Hase läuft.

      Bei der Steuerreform will die Regierung die letzte Stufe ihres schon vor Jahren vorgelegten Steuersenkungsprogramms von 2005 auf 2004 vorziehen. Das bedeutet: Ab 1.1.2004 würde das steuerfreie Existenzminimum bei der Lohn- und Einkommenssteuer geringfügig steigen und der Eingangssteuersatz von 19,9 auf 15 Prozent sinken. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Der Spitzensteuersatz soll ebenfalls sinken, von 48,5 auf 42 Prozent, und diese Steuersenkung macht den größten Teil der gesamten »Entlastung« aus. Also drängen vor allem Unternehmen und Großverdiener massiv auf diese Reform – unterstützt vom Einzelhandel, der sich mehr Umsatz erhofft. Die Union ist im Grundsatz dafür, blockiert aber aus Parteitaktik. Zudem verschärft die Steuersenkung die Finanznot von Ländern und Gemeinden, vor allem im Osten. Daher fordern CDU/CSU eine »Gegenfinanzierung« – sprich: Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen. Vor allem Sozialausgaben und die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sollen noch weiter sinken.

      Zur »Gegenfinanzierung« rechnet die Union auch ihre Forderungen auf den Gebieten Kündigungsschutz und Tarifvertragsrecht. Worum es beim Kündigungsschutz geht, zeigt ein Blick ins Gesetz. Laut § 1 Kündigungsschutzgesetz ist eine Kündigung »rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.« Sozial ungerechtfertigt ist sie, wenn sie nicht »verhaltensbedingt« (betrunken im Dienst oder ähnliches) oder durch »dringende betriebliche Erfordernisse«, also z.B. massiver Absatzrückgang oder ähnliches begründet ist. Damit sollen Kündigungen nach Laune und Willkür des Unternehmers (»hire and fire«) unterbunden werden. Diese elementare Kündigungsschutzregel gilt bisher für Unternehmen ab fünf unbefristet Beschäftigten. Die Regierung will künftig auch Unternehmen, die fünf unbefristet Beschäftigte plus fünf befristet Beschäftigte haben, von jedem Kündigungsschutz ausnehmen. Das ist CDU/CSU, FDP und Wirtschaft viel zu wenig. Sie fordern, Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten den Kündigungsschutz zu streichen. Die Zahl der Beschäftigten, die damit in Zukunft ohne jeden Kündigungsschutz den Zumutungen ihrer Chefs ausgesetzt sind, würde so um mehrere Millionen steigen.

      Beim Tarifvertragsrecht will die Union angeblich »betriebliche Bündnisse« erleichtern. Tatsächlich geht es darum, Löhne noch mehr zu senken und Arbeitszeiten noch mehr erhöhen zu können, als bisher schon in Tarifverträgen erlaubt. Die Schranken bei der Arbeitszeit sollen noch weiter nach unten und oben gelockert werden dürfen. Kampagnenartiges Arbeiten, je nach Auftragslage, mit allen damit verbundenen negativen Folgen für die Gesundheit und das Privatleben der Beschäftigten, wäre die eine Folge, noch weniger Überstundenzuschläge die zweite.

      Gestritten wird auch noch über die Gesetze »Hartz 3 und 4« der Regierung bzw. die Entwürfe der Unionsparteien – vor allem das berüchtigte »Existenzgrundlagengesetz« von CDU-Ministerpräsident Roland Koch aus Hessen. Kern von Hartz 4 ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe und die Übernahme aller »erwerbsfähigen« Sozialhilfebezieher in die Verwaltung der Bundesanstalt für Arbeit. Hier gibt es im Augenblick begründete Hoffnung, daß Hartz 4 scheitert, zumindest aber nicht zum 1.1.2004 in Kraft tritt, wie von der Regierung eigentlich beabsichtigt. Denn die Bundesanstalt für Arbeit hatte schon vor einiger Zeit deutlich gemacht, daß sie die mit dem Gesetz geplante Übernahme von ein bis zwei Millionen Sozialhilfeempfängern in ihre Verwaltung und Betreuung aus Personal- und Ressourcengründen nicht schaffen wird.

      Die Union ist für die Zusammenlegung, will aber den Kommunen die Verwaltung der »Langzeitarbeitslosen« übertragen, verbunden mit der Pflicht zu massiver Anordnung von Zwangsarbeit für diese Arbeitslosen. Parkfegen, Straßenfegen, Müllabfuhr, aber auch Tütenabfüllen beim Supermarkt oder ähnliche Jobs bei Privatfirmen sollen in großem Stil aufleben.

      Vorbild ist das »Wisconsin-Modell«, verbreitet Koch. In diesem US-Staat ist die Hilfe für Arme vor ein paar Jahren rigoros gekürzt worden, verbunden mit dem Zwang, ab sofort jeden behördlich verordneten Job anzunehmen.

      Der Städte- und Gemeindebund hatte kürzlich darauf hingewiesen, daß dieses angebliche »Modell« in der Wirklichkeit furchtbare Folgen zeitigt und zudem praktisch gescheitert ist. Jeder vierte auf diese Weise in Billigjobs vermittelte Arme sei in Wisconsin 18 Monate später wieder arbeitslos bei den Behörden aufgetaucht. Gleichzeitig sei die Zahl derer, die bei den Gemeinden um Lebensmittel betteln, um 135 Prozent, die Teilnehmerzahl bei Suppenküchen um 49 Prozent und die Nutzung von Obdachlosenheimen sogar um 200 Prozent gestiegen.

      Mit anderen Worten: Das »Modell Wisconsin« ist arbeitsmarktpolitisch gescheitert, die damit verbundene soziale Not dagegen explodierte.

      Trotzdem hält die Union an diesen Plänen fest und will davon so viel wie möglich durchsetzen. Daß auch die Regierung nicht weit weg von solchen Absichten liegt, machte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dieser Tage deutlich. Bei einem Scheitern von Hartz 4 werde die Regierung notfalls mit einem neuen Gesetz aufwarten, um mindestens die Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe abzusenken.


      Das »Aufbruchsignal für den Arbeitsmarkt«, das Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff am Donnerstag im Vermittlungsausschuß forderte und bei dem sich Regierung und Opposition trotz allen Streits um die gesetzlichen Instrumente im Grunde einig sind, ist damit leicht erkennbar: Es geht um einen Aufbruch in Richtung Billiglohn und Zwangsarbeit.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-13/010.php

      Soll etwa so ein Aufschwung erzwungen werden ?, das kann dem Volk ruhig gestohlen bleiben.Solche Politiker haben
      einen unendlichen Zwangsurlaub verdient und zwar auf der Antarktis. Aber ohne irgendeinen Schnick-Schnack .Da können sie solche Gesetze mit den Eisbären verhandeln.
      Avatar
      schrieb am 13.12.03 00:12:52
      Beitrag Nr. 1.061 ()
      Wo sind die guten Nachrichten?

      Folgende Thesen haben den Markt bewegt:

      These 1: Conference Board (vergleichbar den "Wirtschaftsweisen") sagt: Es kommt zu einem US Wirtschaftswachstum nächstes Jahr von 5,7 % (bisher erwartet 4 %).

      These 2: (ebenfalls dieses Board): Es werden im nächsten Jahr über eine Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen (hört sich zunächst beeindrucken an, sind aber lediglich pro Monat 84.000 neue Arbeitsplätze, eher wenig.)

      These 3: (Fed): In den nächsten zwei Jahren wird die Inflation niedrig bleiben.

      These 4: (Fed) Wir werden die Niedrigzinspolitik so weiter beibehalten.

      These 5: (Fed) Wir sind zufrieden mit der Entwicklung der Wirtschaft

      These 6: (wieder das Board) Die Firmeninvestitionen sollen um über 11 % zulegen.

      Hört sich doch alles sehr gut an, oder?

      Hm, wie war das noch? Wenn eine Konjunktur anzieht, wächst die Gefahr der Inflation. Bei einer Niedrigzinspolitik wächst die Inflationsgefahr ebenfalls. Ganz besonders wächst die Gefahr der Inflation jedoch, wenn eine Währung immer mehr an Wert verliert, so wie der Dollar (ich glaube sogar, das könnte man fast als Inflation bezeichnen). Warum will die Fed also die Zinsen niedrig halten, wenn es der Wirtschaft gut geht? Dazu muss ich etwas ausholen:

      Der Dollar verliert gerade immer mehr an Wert. Deswegen hat die OPEC just mitgeteilt, der Ölpreis sei nicht zu hoch. Wenn man den Verfall des Dollars einrechnet, sei der Ölpreis angemessen. Folglich bleiben die Förderquoten niedrig. Eine kurz, knappe aber völlig richtige Einschätzung der Lage. Das bedeutet jedoch, Amerika muss nun langfristig mehr Geld für Öl bezahlen.

      Die Folge davon: Die Energiekosten und die ölabhängigen Produktionskosten steigen in den USA. Kein unbedeutender Faktor für die Inflation. Aber auch die anderen Rohstoffe werden für die USA teurer. Damit wird die amerikanische Produktion grundsätzlich durch hohe Rohstoffkosten belastet. Zudem werden auch Produkte aus dem Ausland für Amerikaner "teurer". (Außer die Billigprodukte aus China, da die chinesische Währung an den Dollar gekoppelt ist.) Zusammengefasst: Die Energiekosten in Amerika steigen deutlich, Produktionskosten steigen, um das abzufangen müssten eigentlich die Preise deutlich zulegen (=Inflation). Die Fed sagt aber: Das wird nicht geschehen.

      Steigen die Preise nicht, müssen die Unternehmen die höheren Kosten irgendwo einsparen. Deswegen belastet nicht nur der enorme Konkurrenzkampf (weswegen die Preise nicht steigen können), sondern auch noch steigende Produktionskosten die Firmen. Einzige Lösung: Wenn die Rohstoffkosten und damit die Produktionskosten steigen, der Konkurrenzkampf aber nicht abnimmt und damit die Preise nicht zulegen können, müssen die Firmen "wirtschaftlicher" arbeiten. Der größte Kostenfaktor ist der Mensch. Die Firmen müssen demnach noch mehr Arbeitsplätze abbauen.

      Sollten die Firmen im nächsten Jahr tatsächlich 11 % mehr investieren, dann werden sie das Geld also wohl oder übel in Rationalisierungsmaßnahmen investieren müssen, um den teuren Faktor "Mensch" zu verringern. Oder besser ausgedrückt, sie müssen so viel (11 %) in Rationalisierungsmaßnahmen investieren, um überleben zu können. Auf jeden Fall werden Sie das Geld nicht in neue Arbeitsstellen investieren, wie es bei einer Erholung nach einer Rezession der Fall ist.

      Nach einer Rezession ist der Konkurrenzkampf bereinigt. Im Moment gibt es noch zu viele Firmen, die sich um die weniger werdenden Konsumenten streiten (Preiskampf). Nach einer Rezession gibt es zu viele Konsumenten, die sich um wenige Produkte streiten. Und GENAU DAS ist der gravierende Unterschied. In dem letzten Fall kommt es auch zu einer Inflation (die Preise werden aufgrund der Nachfrage teurer, die Firmen können mehr Leute einstellen, es verdienen immer mehr Menschen, die mehr konsumieren können, das treibt wiederum die Preise etc.).

      Die Aussagen der Fed sind also eigentlich ein Eingeständnis darin, dass es der Wirtschaft immer noch sehr schlecht geht. Sie besagen auch, dass der Markt noch nicht durch eine Rezession bereinigt wurde. Ebenfalls bedeuten sie, dass in den nächsten 2 Jahren mit großen Schwierigkeiten beim Arbeitsmarkt zu rechnen ist.

      Ach noch eins: Bisher haben lediglich die Steuergeschenke den Konsumanstieg verursacht. Wie gesagt, eigentlich sind zu wenig Konsumenten vorhanden, da immer weniger Arbeit haben. Damit die weniger werdenden Konsumenten, mehr konsumieren können, musste sich der Staat verschulden. Die langlaufenden Staatsanleihen leiden aber nach neusten Zahlen unter Nachfrageschwäche. Das ist bedenklich. Was wir passieren? Die Zinsen werden steigen ... nicht die kurzfristigen ... die am langen Ende.

      Ich frage mich also, wo sind die guten Nachrichten, die den Markt am Donnerstag bewegt haben? Eigentlich waren es doch eher schlechte Nachrichten, die sich nur gut anhörten ...

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      US Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Ich weiß, wo die Märkte stehen würden, wenn die Fed und das Conference Board sich nicht so deutlich in Optimismus geübt hätten. Denn die Konjunkturdaten von gestern waren nicht sonderlich erbaulich. Heute wartete der Verbraucherstimmungsindex der Uni Michigan mit einer neuen Negativüberraschung auf. Er notiert bei 89,6 Punkten. Erwartet wurde der Index jedoch bei 96,0 bis 97,5 nach zuvor 93,7.

      Die US-Verbraucher sehen offensichtlich nach der Steuererleichterung wieder pessimistischer in die amerikanische Zukunft. Das meinte ich, als ich sagte, viele Werte stehen bereits so hoch, dass sie wahrscheinlich erst einmal etwas zurückkommen müssen.

      Die Erzeugerpreise sind um 0,3 % zurückgegangen. Erwartet wurden 0,0 bis 0,2 % nach zuvor 0,8 %.

      Die Handelsbilanz weist ein Defizit in Höhe von 41,8 Mrd. US-Dollar aus. Erwartet wurde ein Defizit in Höhe von 41,0 bis 41,8 Mrd. US-Dollar nach zuvor 41,3 Mrd. US-Dollar.

      Auch keine guten Nachrichten ...

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      Die US-Geldmenge fällt derzeit

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Die Steuersenkungen und die Zinssenkungen haben in den USA ihre Wirkung gezeigt. Die Amerikaner haben sich weiter verschuldet ... während sie denken, dass sie reicher werden.

      Seit des Beginns der Ära des Dollarstandards im Jahr 1971 sind die amerikanischen Schulden doppelt so schnell wie das amerikanische BIP gewachsen. Also kamen auf jeden Dollar mehr an Output ... zwei Dollar neue Schulden. Aber wenn sich die Schulden erhöhen, dann braucht man noch mehr Schulden, um das Wirtschaftswachstum zu beflügeln, da ja auch die Zinsen auf die früheren Schulden gezahlt werden müssen. Und deshalb haben sich im letzten Jahr die Schulden 7 Mal so schnell wie das BIP erhöht.

      Aber jetzt scheint die Schuldenmaschine zu zögern ...

      Die Nachfrage nach Hypotheken steht auf einem 18-Monats-Tief, so CNN.

      Die Geldmenge M3 fällt derzeit – was ein bisschen mysteriös ist.

      Der Dollar fällt; Die Ausländer, die Dollar halten, sind es leid, jede Woche zu verlieren. Aber trotz des deutlichen Rückgangs des Dollarkurses bleibt das US-Handelsbilanzdefizit weiter hoch. Die Ausländer sind kaum bereitwilliger, amerikanische Waren zu kaufen, als sie es vor einem Jahr waren. Und der amerikanische Appetit für ausländische Güter hat nicht abgenommen. Der chinesische Yuan ist fest an den Dollarkurs gebunden. Das bedeutet: Wenn der Dollarkurs fällt, dann fällt auch der Yuan, und die chinesischen Waren werden dadurch noch billiger.

      Wenn die US-Wirtschaft eine reale Erholung hinlegen würde ... dann könnte sich auch der Dollar erholen. Aber wovon sollte sich die US-Wirtschaft erholen? Es gab ja vorher gar keine richtige Rezession ... ist es da ein Wunder, dass da auch die "Erholung" so merkwürdig ist? Eigentlich sollte die Zahl der Arbeitslosen in einer Wirtschaftserholung doch zurückgehen ... aber letzte Woche wurden die Erwartungen an die jüngsten Arbeitsmarktdaten bei weitem nicht erfüllt. Arbeitslose Amerikaner brauchen immer länger, um neue Jobs zu finden – jetzt fast 20 Wochen. Und während die Entlassungen weitergehen, beschränken sich die neuen Jobs zum großen Teil auf "Einstellungen von Restaurants", wie die NY Times schreibt. Wenn jemand erklären kann, wie Kellner und Kellnerinnen die größte und am stärksten verschuldete Volkswirtschaft der Welt anführen sollen ... dann ist mir das nicht erklärt worden.

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      Japanische Zentralbank kauft 10 Milliarden Dollar

      von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York

      Die Japaner haben dem Dollar eine kleine Atempause verschafft. Die japanische Zentralbank hat am Mittwoch laut Londoner Händlerkreisen rund 10 Milliarden Dollar am offenen Markt gekauft. Diese Dollarkäufe waren zwar groß, aber für die japanische Zentralbank nichts Außergewöhnliches. Die Bank of Japan hat dieses Jahr schon umgerechnet 164 Milliarden Dollar gekauft, um ihre eigene Währung gegenüber dem Dollar abzuwerten. Ich könnte mir vorstellen, dass diese massiven Dollarkäufe das schlimmste japanische Investment seit der Immobilienblase in den 1980ern sein werden.

      "Es wird spekuliert, dass die japanische Zentralbank ihre gekauften Dollar in US-Staatsanleihen anlagen wird, was deren Kurse im frühen Donnerstaghandel hat steigen lassen", so Bloomberg News. Wie viele US-Staatsanleihen kann die Bank of Japan kaufen, frage ich mich? Und was würde passieren, wenn sie ihre Käufe reduzieren würde?

      Übrigens – während der Goldpreis sehr minimal zurückkam, kollabierte der AMEX Gold Bugs Index, der Index der Goldminenaktien, um mehr als 6 %.

      Ein Grund, warum die Goldminenaktien so überdurchschnittlich stark gelitten haben ist die Tatsache, dass es ein "neues Kind" gibt. In London hat eine neue Goldbörse eröffnet, an der man Gold in der Form von Papier handeln kann. Aber als deutscher Anleger braucht Sie das nicht zu kümmern – schließlich gibt es am deutschen Markt 1:1 Goldzertifikate, die obendrein noch währungsgesichert sind (und deshalb NICHT unter einem Rückgang des Dollarkurses leiden; besonders wichtig, da der Dollar unserer Ansicht nach weiter fallen wird).

      Da jetzt in Großbritannien der Kauf von Gold über diese neue Börse viel einfacher geworden ist, könnte das zu einem kleinen Boom für physisches Gold führen. Jetzt, wo es so einfach ist, Gold zu kaufen, wird die Nachfrage nach Gold steigen, so die Gold-Bullen. Damit könnten sie Recht haben.

      Es war also nie einfacher, auf einen steigenden Goldpreis zu setzen. Aber warum sollte man das tun, sagt das Wall Street Journal. "Die Ohnmacht des Aktienmarkts ist beendet", verkündete diese Zeitung letzten Mittwoch, "was den Investoren attraktive Alternativen zur Anlage in Gold bietet."

      Hmmm ... das Wall Street Journal mag also immer noch kein Gold. Vielleicht ist der Bullenmarkt beim Gold noch nicht vorüber.

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      Unberechtigte Beleidigungen?

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in Baltimore

      *** Das Kreditrating von Kalifornien ist gerade von der Rating-Agentur Moody`s herabgesetzt werden.

      *** Wenn die US-Konsumenten weniger konsumieren werden – wie können Sie davon profitieren?

      Es bieten sich Put-Optionsscheine an: "Neben Wal-Mart halte ich es für eine gute Idee, jetzt auch CountryWide Financial zu shorten (auf fallende Kurse setzen)", schlägt Dan Ferris vor. "Die stehen für 13 % des US-Hypothekenmarktes. Und das Geschäft mit den Hypotheken ist in jedem der letzten drei Monate um Werte im zweistelligen Prozentbereich zurückgegangen."

      "Und gestern hat Washington Mutual, eine weitere große US-Hypothekenbank, ihren Ausblick wegen der Schwäche des Hypothekenmarktes gesenkt."

      "Wo wird das alles enden? Und wie?"

      "Ich kenne die Antworten nicht, aber ich werde bei Wal-Mart und CountryWide Financial auf fallende Kurse setzen. Und Gold, Rohstoffe und verdammt günstige, inflationssichere Unternehmen kaufen, die ich bekommen kann."

      *** "Unbegründete Beleidigungen."

      Das haben mir einige Leser wegen meinen Kommentaren über die Amerikaner geschrieben.

      Meine Antwort darauf: Der Investor`s Daily ist ein kostenloser Service. Ich fühle mich dazu berechtigt, jeden zu beleidigen, den ich beleidigen will, kostenlos. Aber – wie ich schon dem Priester und Religionslehrer meines Sohnes Henry erklärt habe – der Investor`s Daily ist auch eine neue Form des Journalismus. Ihre Autoren geben Ihnen ihre Meinungen, ihre Beobachtungen, ihre Gedanken – ohne Bosheit, aber auch ohne sich darüber Sorgen zu machen, wessen Gefühle verletzt werden könnten. Ein Leser warf mir vor, "anti-amerikanisch" zu sein. Ich verneine diesen Vorwurf. Aber ich gebe zu, dass ich auch nicht "pro-amerikanisch" bin. Meiner Ansicht nach sind Idioten, Schurken, Genies und Heilige ziemlich gleichmäßig über die nationalen Grenzen verteilt.

      Aber ich mache mir Sorgen über die Amerikaner. Vielleicht hatten die es zu lange zu leicht? Die Amerikaner sind dazu gekommen, Dinge zu glauben, die nicht wahr sein können ... aber sie sind zu komfortabel und zu faul, um darüber zu sehr nachzudenken. Die Amerikaner hassen Kritik – dabei ist wahrscheinlich Kritik das, was sie brauchen. Oder ein Tritt in den Hintern. Die Amerikaner scheinen so relaxed ... so sicher, dass alles immer irgendwie besser werden wird.

      Vielleicht wird es das auch. Aber ich denke, ich sehe die Götter, wie sie sich ihre Schuhe mit den Stahlkappen anziehen.

      ------------------

      Das smarte Geld

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Im August 1998 waren Bill Krasker, John Meriwether und zwei Männer, die gerade den Wirtschafts-Nobelpreis gewonnen hatte, Myron Scholes und Robert Merton, tief besorgt über sogenannte "swap spreads". Ihre Computermodelle hatten ihnen gesagt, dass diese spreads an aktiven Handelstagen um vielleicht einen Punkt schwanken könnten. Aber an diesem Freitag sprangen die spreads sehr stark.

      Das waren schlechte Nachrichten für diese Männer, die den Long Term Capital Management (LTCM) Hedgefonds managten. Sie hatten ungefähr eine Milliarde US$ in verschiedenen Positionen investiert. Die meisten ihrer Positionen waren Wetten, dass sich die spreads bei den Futures wieder ihren historischen Durchschnittswerten annähern würden. Diese spreads würden früher oder später wieder auf ein vertrautes Niveau zurückkommen, so die Überlegungen der Genies bei LTCM.

      Dieses LTCM-Team machte Geschichte. Sie waren die smartesten Leute auf dem Planeten, und jeder wusste es. Das Geld, das sie machten – ungefähr 40 % Plus pro Jahr, seit Auflegung ihres Hedgefonds – bewies das. Das wurde von der Business Week als "Computer-Zeitalter" gelobt, und diese Professoren waren die Meister dieses Zeitalters. Scholes und Merton fuhren extravagante neue Wagen. "Merton hatte sein Haar rot gefärbt, seine Frau verlassen und er war in eine superschicke Wohnung in Boston gezogen", berichtet Roger Lowenstein in seinem Buch "When Genius Failed". Die gesamte Welt – und das Geld der Welt – schienen zu ihren Füßen zu liegen.

      Die Erkenntnis der Professoren war so nützlich wie offensichtlich: Ein Investment, das ungewöhnlich billig ist – oder ungewöhnlich teuer – repräsentiert eine Form von potenzieller finanzieller Energie. Früher oder später wird dieses Investment weniger ungewöhnlich sein.

      Ihr Fehler war aber auch offensichtlich; sie dachten, dass die Welt vernünftiger sei, als sie es wirklich ist, und sie nahmen an, dass das Zurückkommen auf den Durchschnittswert nur für Märkte gelten würde. Die Anleihenkurse würden zwar auf ihren fairen Wert zurückkommen können – aber das könnte auch für den Ruf der Professoren und das Vermögen ihrer Investoren gelten. Das Zurückkommen auf den Durchschnittswert prognostiziert moderat, dass die Dinge normalerweise dahin zurückkehren, wo sie normalerweise hingehören. Wenige Dinge sind ausgenommen.

      Die Professoren nahmen an, dass auch die spreads, zum Beispiel zwischen langfristigen und kurzfristigen Anleihen oder zwischen deutschen und italienischen Anleihen wie der Wurf mit einem Würfel seien. Würden sich die spreads vergrößern oder verkleinern? Sie glaubten, dass man sich die historischen Daten ansehen und dann die Wahrscheinlichkeiten berechnen könne. Wenn die aktuellen Kurse den Wahrscheinlichkeiten zuwiderlaufen würden, dann sahen sie diese aktuellen Kurse als Absurdität an und setzten darauf, dass diese Kurse in der Zukunft weniger absurd sein würden. Und vielleicht würden sie das auch sein. Aber wie Keynes einmal festgestellt hat, können die Märkte länger irrational bleiben, als ein Investor oder ein Unternehmen solvent bleiben kann.


      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 13.12.03 13:01:06
      Beitrag Nr. 1.062 ()
      bluemoons -dickes lob.;)

      wenn auch die inhalte anlass zu grosser sorge geben.
      aber lieber texte, die -imho der unangenehmen entwicklung
      ins auge sehen- als schönfärbende wirtschaftslügen.

      dein thread: lesezeichen

      cu
      rightnow
      Avatar
      schrieb am 13.12.03 13:28:16
      Beitrag Nr. 1.063 ()
      @ Bluemoons

      Sicherlich sollte jeder wissen was eigentlich langfristig passiert.
      Man muss kein Prophet sein um zu sehen das die Firmen immer produktiver werden.
      Dieses bedeutet immer weniger Jobs und immer mehr Konsum auf Pump.
      Es wird viel schönes produziert was Konsumenten unbedingt haben wollen.

      Wenn man es sich nicht aus der Portokasse kaufen kann dann halt auf Kredit.
      Greenspan wirds schon unten halten.
      Diese Entwicklung ist extrem negativ und ein Paradebeispielist Deutschland, das sich auch noch einen Sozialstaat leistet.

      Wo diese ganze Entwicklung hinführt wage ich nicht zu sagen, aber ich denke 10 Mio Arbeitslose in Deutschland wäre schon eine Hausnummer mit der man leben kann.

      In 10 Jahren ist dieses Land am Ende , gut so, man hat ja nicht die Intelligenz bewiesen frühzeitig zu reagieren.
      Man erschöpft sich in politischen Diskussionen.
      Die führen aber zu nichts.
      Sollten die Politiker mal Existenzangst bekommen würden sie mehr für das Land tun .

      Patrick
      Avatar
      schrieb am 13.12.03 15:33:35
      Beitrag Nr. 1.064 ()
      Glaube auch, daß das ganz dicke Ende erst noch kommt.
      Solche Entwicklungen werden dann meist,wenn nicht schon vorhanden, von Lügen, Korruption und Intrigen in der Politik begleitet.
      Das werden sich viele nicht mehr gefallen lassen.
      Das ist der Nährboden für neue Bewegungen.


      :(
      Avatar
      schrieb am 13.12.03 19:06:58
      Beitrag Nr. 1.065 ()
      Was fundamental begründet ist, tritt auch ihrgendwann ein.

      Ein Lawine in den Alpen, die jeden Tag wächst, stürzt bald ab! Nur der genaue Zietpunkt ist ungewiss.

      Der Kojote Karl, im Zeichentickfilm, konnte auch immer nur ein Stück in der Luft laufen, wenn es über die Klippe ging.

      Es ist wie bei einem aufziehendene Gewitter. Zuerst packen nur ein paar Besonnene die Sachen ein und bewegen sich vom Strand ruhig zu Ihren Autos. Die Masse bekommt später einen nassen Arsch und wird panisch.

      Es ist nicht schwierig vorherzusagen, dass unserer " Kettenbrief" (Wirtschafts)system in absehbarer Zeit vor die Wand fährt. Es ist logisch - genau wie damals der Absturz des neuen Marktes (nachher war dieser Crash auch für die Pusher logisch - Metabox kaufen hahahaha)
      Aber es ist schwierig, dass " Unheil" wirklich für sich zu realisieren - es wird verdrängt! Es wird nämlich nicht lustig, auch nicht für die, die das Unheil kommen sehen.
      Avatar
      schrieb am 14.12.03 02:42:01
      Beitrag Nr. 1.066 ()
      Okomma,


      das mit der Lawine ist blödsinn. Es gibt keine Lawine,
      die jeden Tag wächst. Der Schnee an einem Hang kann täglich
      mehr werden und dann entweder

      1. Irgendwann als Lawine runter gehen

      2. Im Frühjahr friedlich Abschmelzen

      3. auf Jahrtausende wachsen und zum Gletscher werden

      4. Kontroliert von Fachleuten gesprengt werden, damit
      es keine unkontrollierte Lawine wird.


      mfg
      thefarmer
      Avatar
      schrieb am 14.12.03 12:16:11
      Beitrag Nr. 1.067 ()
      Ich hätte sagen müssen "Lawinengefahr" und die steigt kontinuierlich - z.B. durch den Konsum auf Pump bis zum Abwinken, in der gesamten westlichen Welt.

      Dinge kaufen die man nicht braucht, mit Geld das man nicht hat - bis zum Crash!
      Avatar
      schrieb am 14.12.03 16:12:47
      Beitrag Nr. 1.068 ()
      Wenn mal sich mal überlegt das in Deutschland mehr als 10 Mio Haushalte überschuldet sind und der Staat finanziell auch an Krücken geht frage ich mich wirklich
      wo ein gigantischer Aufschwung denn herkommen soll.
      Zudem werden Einschnitte kommen die es auch nicht besser machen.
      In USA wird massiv Geld gepumpt über Zinsen und Steuersenkungen.
      Dort ist es auch zu Defiziten gekommen.
      Dieser Aufschwung ist ein Strohfeuer. Die Märkte werden es bald merken.
      Mal sehen wann.

      Patrick
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 10:24:41
      Beitrag Nr. 1.069 ()
      Der Aufschwung kommt! Wers glaubt wird seelig.
      Woher denn????????

      :laugh:
      --------------
      Warten auf ein Wunder

      Mit einem guten Weihnachtsgeschäft wollte der Handel seine desolate Jahresbilanz aufbessern. Daraus wird wohl nichts: Die Kunden halten sich zurück. Auch massive Preisabschläge können sie nicht locken. Im Gegenteil: Der grassierende Rabattwahn verunsichert viele Verbraucher.

      An guten Vorsätzen mangelte es diesmal nicht. "Wir können nicht ewig die Preise in den Keller rutschen lassen", mahnte Hermann Franzen, Präsident des Branchenverbands HDE die Händler vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts. Walter Deuss, Präsident des Handelsverbands BAG, assistierte: "Ich glaube nicht, dass man mit Rabatten die Konsumlust der Verbraucher ankurbelt." Karstadt-Quelle-Chef Wolfgang Urban drohte gar: "Rabattschlachten sind kollektiver Selbstmord" und versicherte: "Wir werden uns daran nicht beteiligen."

      DER SPIEGEL


      Die Realität sieht anders aus - bei Karstadt und auch in allen anderen Läden. Überall hängen große Schilder mit durchgestrichenen Preisen, knalligen Prozentzeichen und Aufschriften wie "Reduziert", "Sale" oder "Kauf 3 - zahl 2". Die Handelskette Plus hat den "Discount Advent" ausgerufen, und die Deutsche Telekom spornt die Schnäppchenjäger an: "Holen Sie raus, was drin ist."

      Und es ist einiges drin beim Weihnachts-Shopping. Der Hamburger Herrenausstatter Jensen hat Anzüge und Sakkos "Jensationell reduziert", die Textilkette Sinn-Leffers gewährt unter dem Motto "Steuerreform" 16 Prozent Rabatt auf die Herbst- und Winterkollektion. Sport-Scheck senkt die Preise für Skier um mehr als 40 Prozent, Karstadt lockt mit "Super-Spar-Tagen" und Rabatten von bis zu 50 Prozent, Schuhhändler Reno hat gar "eine Million Paar Schuhe bis zu 60 Prozent reduziert". Beim Modehändler Hackbarth`s in Hamburg kosten Wintermäntel statt 300 nur noch 100 Euro, und Online-Händler Amazon lockt mit Elektronik-Schnäppchen, die bis zu 70 Prozent billiger sind.

      Es ist, als fände der Winterschlussverkauf diesmal schon mitten im Dezember statt - noch vor dem kalendarischen Beginn des Winters.

      Früher waren Preisnachlässe kurz vor dem Fest tabu, schließlich sorgt das Weihnachtsgeschäft bei vielen Händlern für den Großteil des gesamten Jahresgewinns. Die ersten Prozente gab es frühestens kurz vor Silvester, und richtig billig wurde es erst Ende Januar.

      Nachdem Mitte 2001 das Rabattgesetz gestrichen worden war, setzte der Handel vergangenes Jahr die traditionellen Regeln erstmals auf breiter Front außer Kraft. Aber diesmal, konstatiert Frank Pietersen von der Unternehmensberatung KPMG, "wird die Rabattitis des vergangenen Jahres sogar noch übertroffen".

      Dabei waren schon 2002 die Ergebnisse der Preisschlacht alles andere als ermutigend. Und nach dem ersten Rabattrausch kam dann auch schnell Ernüchterung auf.

      Denn trotz aller Sonderangebote blieb das Weihnachtsgeschäft - das sind die Einnahmen in den Monaten November und Dezember, die über dem durchschnittlichen Monatsumsatz liegen - im vergangenen Jahr mit 8,2 Milliarden Euro noch einmal um fast 20 Prozent hinter dem Wert von 2001 zurück. Gar nicht zu reden vom Rekordjahr 1999, als die Händler 13,4 Milliarden Euro Weihnachtsgeld verbuchten. "Das war Konsumverweigerung", jammerte Gerd-Kurt Schwieren vom Einzelhandelsverband Köln nach dem Schock des vergangenen Jahres.

      Diesmal hoffen die Händler, wenigstens den schlechten Wert des Vorjahres noch einmal zu erreichen. Ob das bescheidene Ziel erreicht wird, ist jedoch höchst ungewiss. Denn im Laufe des Jahres hat sich die Konsumneigung der Kunden wenig gebessert, und "wenn nicht bald ein Wunder geschieht", wird das Vorjahresniveau sogar noch einmal unterboten, fürchtet BAG-Präsident Deuss.


      DER SPIEGEL


      Die Chancen, dass jetzt noch ein Wunder passiert, stehen schlecht. Nur elf Prozent der Bundesbürger, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die vergangene Woche vom Meinungsforschungsinstitut NFO Infratest im Auftrag des SPIEGEL durchgeführt wurde, wollen in diesem Jahr mehr Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Fast die Hälfte will die Ausgaben für Geschenke gegenüber 2002 reduzieren. Besonders ausgeprägt ist der Sparwille bei den normalerweise einkommensstarken Konsumenten zwischen 30 und 59 Jahren, während immerhin 28 Prozent der Bundesbürger zwischen 18 und 29 Jahren mehr Geld für Geschenke ausgeben wollen.

      Offensichtlich sorgt die quälende Debatte um die Steuerreform noch immer für Verunsicherung. Aber auch steigende Kosten für die Gesundheit, Abstriche bei den Renten oder die Angst um den Arbeitsplatz dämpfen die Lust zum Geldausgeben. Gestiegen ist nur die Sparquote, die den Teil des verfügbaren Einkommens beziffert, den die Bundesbürger auf die hohe Kante legen - und zwar von 10,6 auf 11,2 Prozent in den ersten drei Quartalen 2003.

      Die Folge: Außer dem Lebensmittelhandel lagen in den ersten neun Monaten fast alle Branchen im Minus. Mit insgesamt 367 Milliarden Euro werden die Handelsumsätze deshalb in diesem Jahr voraussichtlich auf den Wert von 1998 zurückfallen.

      Die größten Einbußen verzeichnen die Elektronikmärkte. Zwar haben die Elektronikspezialisten mit Digitalkameras, DVDs und Flachbildschirmen durchaus begehrte Renner im Angebot. Doch alle anderen Sortimentsbereiche dümpeln vor sich hin, bei Musik-CDs sind die Umsätze gar um 20 Prozent eingebrochen. Selbst die Metro-Ableger Media-Markt und Saturn, die mit ihren Werbekampagnen den Geiz zur Tugend hochstilisierten, blieben von der Flaute nicht verschont.

      In den letzten Wochen hat sich die Lage kaum gebessert. Im Textilhandel geht es sogar noch weiter bergab. Die erste Dezember-Woche, ermittelte das Fachblatt "Textilwirtschaft", verlief für die Modehändler mit minus acht Prozent "katastrophal". "Überwiegend schlecht" war auch der zweite Advents-Samstag, sonst einer der umsatzstärksten Tage im Weihnachtsgeschäft. Nun sitzen die Händler vor vollen Lagern und sind, so Hennes & Mauritz-Geschäftsführer Hans Andersson, bereit, "aus Nervosität alles wegzuschenken".

      Schuld an der desolaten Lage haben nicht nur die knauserigen Verbraucher. "Die Misere", räumt selbst HDE-Präsident Franzen ein, "ist auch hausgemacht." Denn trotz beinharter Konkurrenz war Deutschland mit seinem strengen Rabattgesetz, so Franzen, "eine Insel der Glückseligen".

      Außer im Sommer- und im Winterschlussverkauf waren jahrzehntelang Rabatte von mehr als drei Prozent verboten. Nun müsse seine Branche, meint der HDE-Präsident, der im Hauptberuf ein Porzellanwarengeschäft an der Düsseldorfer Kö betreibt, erst "noch lernen, mit den neuen Freiheiten verantwortungsbewusst umzugehen".

      Der Lernprozess ist dringend nötig. Denn immer deutlicher werden die Anzeichen, dass der grassierende Rabattwahn die Verbraucher keineswegs beflügelt, sondern den Konsum eher noch dämpft. "All die Rabatte und Aktionen", konstatiert Handelsexperte Wolfgang Twardawa von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), "führen nicht zu mehr Umsatz, sondern bewirken eher das Gegenteil: Die Leute warten ab, ob es noch billiger wird".

      "Permanente Preisaktionen", glaubt auch Stephan Grünewald von der Kölner Marktforschungsfirma Rheingold, "führen eher zur Konfusion bei den Kunden." Zudem wächst bei Rabatten von 50 Prozent und mehr nur das Misstrauen, dass die Preise vorher gnadenlos überteuert waren. Gefragt ist Transparenz.

      Deshalb profitieren von der Erziehung der Verbraucher zum Schnäppchenjäger, das belegen zahlreiche Studien, fast allein die Handelsfirmen, die schon früher Vertrauen bei den Konsumenten aufgebaut haben - durch konstant gute Qualität zu günstigen Preisen. Allen voran Discounter wie Aldi und Lidl, aber auch Ketten wie Ikea, Tchibo, Bijou Brigitte oder Fielmann. Von Konsumflaute ist bei ihnen kaum etwas zu spüren.

      Für die meisten Mittelständler im Handel dagegen wirkt der Konter mit immer beliebiger wirkenden Rabatten, so Metro-Chef Hans-Joachim Körber, "wie ein Schüttelsieb". Immer mehr fallen durch, weil die ohnehin schmalen Margen im Handel immer dünner werden.

      Die Folge: Allein im zu Ende gehenden Jahr müssen mehr als 9400 Händler wegen Insolvenz zwangsweise aufgeben. Und das sind nach jüngsten Berechnungen des Verbands der Vereine Creditreform noch einmal gut acht Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2002. Rund 30 000 Arbeitsplätze, so schätzt der HDE, gehen dadurch verloren.

      Inzwischen fallen selbst respektable Branchengrößen durch das Sieb. Nachdem im vergangenen Jahr bereits die britische Warenhauskette Marks & Spencer vom deutschen Markt verschwand, schließt im Januar auch Gruppo Coin, der größte italienische Textilhändler, 71 seiner deutschen Filialen.

      Selbst solche spektakulären Rückzüge lösen aber nicht das drängendste Problem des Handels - das massive Überangebot an Läden und Waren, das durch die ungezügelte Expansion nach der Wiedervereinigung entstanden ist.

      Trotz des viel beschworenen Ladensterbens wuchs die Verkaufsfläche in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 25 Prozent auf über 110 Millionen Quadratmeter. Damit verfügen die Deutschen pro Kopf über doppelt so viel Einkaufsfläche wie die Niederländer und dreimal so viel wie die Briten.

      Ein Ende des Größenwahns ist nicht in Sicht. Denn immer noch kommen nach Schätzungen von Handelsverbänden jedes Jahr bis zu eine Million Quadratmeter Verkaufsfläche hinzu - und mit jedem Quadratmeter fallen die Erträge weiter.

      Handelskonzerne, die über das nötige Kapital verfügen, setzen deshalb wie Aldi, Metro oder Bijou Brigitte fast nur noch auf die Expansion im Ausland. In Deutschland, da ist sich Metro-Chef Körber sicher, könne vorerst nur eine Devise gelten: "Gesundschrumpfen." Denn "Jammern", provoziert Körber die Konkurrenz, "ist keine unternehmerische Perspektive".

      KLAUS-PETER KERBUSK
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 15:46:38
      Beitrag Nr. 1.070 ()
      Inland
      "Auf halbem Wege stehen geblieben"

      (sie sind sowieso auf dem falschen Weg)

      Regierung und Opposition haben sich zusammengerauft: Im Vermittlungsausschuss einigten sich die Verhandlungspartner auf das Vorziehen von Steuerentlastungen im Umfang von knapp acht Milliarden Euro. Nach den ursprünglichen Plänen von Rot-Grün wären die Bürger zumindest bei der Lohnsteuer deutlich stärker entlastet worden.



      Steuersenkung fällt geringer aus

      Einigung: Merkel (l.), Schröder (Foto: ddp)
      Der nach zehnstündigen Verhandlungen gefundene Kompromiss sieht ein abgespecktes Vorziehen der ursprünglich für 2005 geplanten dritten Stufe der Steuerreform vor. Demnach sinkt der Eingangssteuersatz 2004 auf 16 und der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent. Von Rot-Grün geplant waren bisher ein Eingangssteuersatz von 15 - heute 19,9 Prozent - und ein Höchststeuersatz von 42 - heute 48,5 Prozent.



      Reformgeschacher Diskutieren Sie mit!
      Video: Rot-Grün und Opposition einig ISDN | T-DSL
      "Das geht in Ordnung" Reaktionen



      Weniger Entlastung nach Konsens
      Zwei Beispiele: Ein lediger Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro zahlt 2004 knapp 630 Euro weniger Steuern als im laufenden Jahr. Wäre die dritte Stufe komplett vorgezogen worden, hätte er 935 Euro weniger an den Fiskus abführen müssen. Verheiratete mit einem Einkommen von 50.000 Euro zahlen kommendes Jahr rund 800 Euro weniger Einkommensteuer - nach ursprünglichen Plänen von Rot-Grün wären es über 970 Euro gewesen.



      Steuerzahler-Lobby: Enttäuschend
      "Regierung und Opposition sind auf halbem Wege stehen geblieben", kritisierte Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Die Entlastung sei nur halb so hoch wie erwartet. Daher werde auch der Impuls für die Konjunktur hinter den Erwartungen zurückbleiben. "Das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens wird viele Steuerzahler enttäuschen."


      Müntefering: Deutlich mehr Entlastung
      Nach Angaben von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering ist die Entlastung allerdings deutlich höher als dargestellt: Bürger und Unternehmen würden 2004 um insgesamt 15 Milliarden Euro entlastet. Der Grund: Im kommenden Jahr startet neben der abgespeckten dritten Stufe auch die wegen der Hochwasserschäden verschobene zweite Stufe der Steuerreform. Der "Rest" der dritten Stufe folgt dann zum 1. Januar 2005 mit weiteren acht Milliarden Euro Entlastung.



      Einbußen für Pendler und Häuslebauer
      Allerdings gibt es auch Einbußen: Um das Vorziehen zu finanzieren, wird die Pendlerpauschale von derzeit bis zu 45 auf 30 Cent pro Kilometer gekürzt. Rot-Grün wollte einen wesentlich stärkeren Abbau auf 15 Cent. Auch bei der Eigenheimzulage wurde die Koalition von der Union gebremst. Die Zulage soll nun um 30 Prozent reduziert werden. Die Regierung hatte zuerst eine Halbierung angepeilt.


      Mehr Privatisierungen
      Knapp ein Viertel der Kosten des Vorziehens sollen mit neuen Schulden beglichen werden. Der Rest wird mit einem deutlich höherem Anteil an Privatisierungen in Höhe von 5,3 Milliarden Euro finanziert - unter anderem durch den Verkauf von Post- und Telekom-Aktien. Urprünglich waren zwei Milliarden Euro geplant.


      "Geht in Ordnung"

      Zugeständnisse gemacht: Schröder (l.), Fischer (Foto: ddp)
      Er habe sich mehr gewünscht, räumte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach dem Verhandlungsmarathon ein. Das Ergebnis gehe aber "in Ordnung". CDU-Chefin Angela Merkel sagte, die Union habe den Reformen ihre Handschrift aufdrücken können. Die rot-grüne Bundesregierung wollte eigentlich zusätzliche Entlastungen für den Steuerzahler von 15,6 Milliarden Euro durchbringen und damit der Wirtschaft einen deutlichen Impuls geben.


      Zugeständnisse an Union
      Auch bei den Reformen auf dem Arbeitsmarkt musste die Regierung erhebliche Zugeständnisse an die Union machen. So wird künftig der Kündigungsschutz erst in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern gelten. Für bereits in den Betrieben angestellte Mitarbeiter gilt indes der Kündigungsschutz weiter, betroffen sind nur Neueinstellungen.



      Jede legale Arbeit zumutbar

      "Handschrift aufgedrückt" - Westerwelle, Merkel, Stoiber (v.l.n.r., Foto: ddp)
      Die von der SPD-Linken in langwierigen Verhandlungen durchgesetzte Regelung, wonach Langzeitarbeitslose nur Stellen annehmen müssen, bei denen ein ortsüblicher Lohn bezahlt wird, wurde wieder gestrichen. FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte: Jede legale Arbeit für Langzeitarbeitslose sei zumutbar.
      Nicht durchsetzen konnte sich die Union damit, gesetzliche Regelungen für Öffnungsklauseln im Tarifrecht zu fixieren. Beschlossen wurde nur eine Protokollerklärung, in denen die Tarifpartner aufgefordert werden, innerhalb eines Jahres freiwillige Regelungen zu finden. Das könnte der Regierung einen scharfen Konflikt mit Linken und Gewerkschaften ersparen.

      (Mit Hungerlöhnen die Wirtschaft gesunden zu wollen, ist genau so albern, wie der Versuch die Hitze der Wüste mit einer Klimaanlage(Kühlschränken) zu kühlen . Die Wirtschaft ist auf den Wohlstand der Bevölkerung angewiesen. Wohlstand erzeugt man nicht in dem man die Reichen reicher und die Armen ärmer macht und der Mittelstand nur noch eine Randerscheinung sein soll. Geld muss da vorhanden sein, wo der Bedarf auch zu Nachfrage werden kann, anders wird es kein wirtschaftlichen Aufschwung geben. Der Anteil am Kuchen wird für die Arbeiter von Jahr zu Jahr niedriger. Die Lohnquote ist beständig am sinken, im Namen der Globalisierung wird der Inlandsmarkt vernachlässigt obwohl es eigentlich die Hauptstützte ist und nur der Überschuss zu marktüblichen Preisen .und nicht zu Dumpingpreisen expotiert werden sollte und wohin das hinführt sehen wir ja an der heutigen Praxis. Die Affen vom Zoo könnten wahrscheinlich eine bessere Poltik anbieten.)


      Faule Kompromissunfähigkeit
      Trotz der Zugeständnisse beim Arbeitsmarkt erwartet Müntefering, dass die SPD-Parlamentarier den Kompromissen zustimmen. "Alle bei uns in der Fraktion wissen das auch, dass man in einer solchen Situation Kompromisse machen muss. Es gibt faule Kompromisse, aber es gibt auch faule Kompromissunfähigkeit."


      Nach der Einigung Wie es jetzt weitergeht


      "Sehr schlechte Einigung"
      Hintergrund: Für SPD-Linke und Gewerkschaften sind die Kompromisse ein heißes Eisen. Schon im Streit um die Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose hatte Schröder im Herbst mit Rücktritt gedroht. DGB-Chef Michael Sommer begrüßte zwar die Einigung zur Steuerreform, kritisierte aber die Lockerung des Kündigungsschutzes: Das sei "für die betroffenen Menschen eine sehr schlechte Einigung". Sie bedeute, dass weitere 2,8 Millionen Menschen nun aus dem Kündigungsschutz fielen und für insgesamt rund 5,3 Millionen Menschen künftig kein Kündigungsschutz gelte.



      Zuständigkeit für Langzeitarbeitslose
      Bei der besonders umstrittenen Frage der Zuständigkeit für Langzeitarbeitslose konnte die Union indes das Modell des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch durchsetzen: Danach haben die Kommunen das Recht, die Kompetenz an sich zu ziehen. Nur, wenn sie ihr Recht nicht wahrnehmen, ist die Bundesanstalt für Arbeit zuständig.


      Erleichterung für Kommunen
      Bei den Gemeindefinanzen wurde vereinbart, dass die Kommunen einen größeren Anteil der Gewerbesteuer behalten dürfen. Die Einbeziehung von Freiberuflern und ertragsunabhängiger Elemente in die Gewerbesteuer konnte die Regierung nicht durchsetzen.
      http://onnachrichten.t-online.de/c/13/67/84/1367846.html
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 15:58:29
      Beitrag Nr. 1.071 ()
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 16:17:27
      Beitrag Nr. 1.072 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de

      Meinungsfreiheit: 14.12.2003

      DIESE WOCHE
      Am Beispiel des totalen Desinteresses der Medien an einer Anklage gegen George W. Bush und seine Regierung wegen möglicher Versäumnisse bei den Attentaten vom 11. September demonstriert der Spatz diese Woche, wie die Medien uns manipulieren: aus dem Steine- und Brandflaschenwerfer Fischer den "besten Politiker" machen, und auch sonst bestimmen, wie wir zu denken haben. Ein Beitrag, den Sie vor der nächsten Propagandasendung im Fernsehen gut durchlesen sollten!
      Vom Steinewerfen und vom Dreck



      Werte sind etwas Tolles, wenn und solange sie einem etwas wert sind. Schaut man sich in unserer Umwelt um, stößt man eigentlich nur noch auf einen verbliebenen Grundwert: Alles ist erlaubt, solange es nicht an die große Glocke gehängt wird. Darüber, daß das nicht geschieht, wachen geeignete Institutionen. Jeder, der etwas Dreck am Stecken hat, ist mit dieser Regelung einverstanden und zitiert vielleicht noch die Bibel: "Wer von Euch ohne Fehl ist, werfe den ersten Stein". Werden deshalb, weil danach keiner ernsthaft mehr in Frage käme, keine Steine mehr geworfen? Im Gegenteil: es werden Steine in Hülle und Fülle geworfen, nur so und in Richtungen, damit es nie den Richtigen trifft. Und wenn dann doch ein Stein in die richtige Richtung flöge: Mal sehen, was geschieht.

      Frau Ellen Mariani, Ehefrau des Louis Neil Mariani, der am 11.09.2001 bei dem Attentat auf das World Trade Center umgekommen war, verzichtete auf die Entschädigungszahlung, welche die Regierung Bush für die Opfer und deren Angehörige ausgesetzt hat. Stattdessen erhob sie, vertreten durch ihren Anwalt Philip J. Berg, dem langjährigen früheren Stellvertretenden Generalanwalt des Staates Pennsylvania unter demokratischen und republikanischen Regierungen (also kein Niemand), am 12.09.2003 gegen George W. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten, Vizepräsident Richard Cheney und eine Reihe anderer führender Funktionäre der Bush-Regierung, vor dem Bezirksgericht für den Östlichen Bezirk Pennsylvaniens Anklage (Case Nr. 03-5273) unter dem Civil Rico Gesetz (gegen eine Art verabredete Korruption) wegen folgender Punkte:


      Die Angeklagten hätten vor dem Anschlag am 11.09.02001 um die geplanten Anschläge gewußt aber versäumt, davor zu warnen und - wie es ihre Pflicht gewesen sei - Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und zwar absichtlich, weil sie sich davon politischen und finanziellen Gewinn erwartet hätten;
      sie hätten die Wahrheit über das Attentat vom 11. September verschleiert und ihre Aufklärung aktiv behindert;
      sie hätten dadurch gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten und verschiedene US-Gesetze verstoßen.

      Es handelt sich um die erste stellvertretende Anklage für eines der Opfer des bekannten Anschlags. Die Anklageschrift umfaßte 62 Seiten, davon enthalten 40 Seiten eine dichte Kette von Beweisen für die Anklagepunkte. Darin wird unter anderem nachgewiesen, daß die Regierung von ausländischen Regierungen und vom FBI vorgewarnt worden war, die Luftabwehr in bisher nicht dagewesener Weise ihre Pflichten versäumt hat, der Präsident als Oberkommandierender über eine halbe Stunde an einer Grundschule vertrödelte, obwohl er bereits erfahren hatte, daß ein tödlicher Angriff auf die Nation ausgeübt worden war. Außerdem würden mit ständiger Berufung auf die nationale Sicherheit und Regierungsvorrechte die Tatsachen über den Anschlag verschleiert und alle Versuche die Katastrophe aufzuklären behindert, und so weiter.

      Frau Mariani und ihr Anwalt wollten nicht, daß diese Sache wie so viele andere - man denke nur an die Kennedy-Ermordung - unter den Tisch gekehrt würde. Daher verständigten sie mit einer Presseerklärung vom 26.11.2003 dreitausend amerikanischen Medien, Zeitungen Funk- und Fernsehanstalten und luden sie zu einer Pressekonferenz ein. Auf ihr wollte der Anwalt nicht nur die Anklage erläutern, sondern Interessenten auch, soweit es der Prozeßverlauf erlauben würde, Kopien der wichtigsten Beweisstücke und der Anklageschrift aushändigen.

      Das sollte, dachten die Verfasser, bei all dem Rummel um diesen Anschlag wie eine Bombe eingeschlagen haben. Aber - erstaunlich oder nicht - auf der Pressekonferenz ließ sich niemand von den Angeschriebenen sehen. Doch halt, um ganz genau zu sein: Ein einziges Medium zeigte Interesse, und zwar keines von den rührigen Randgruppen sondern ein ganz wichtiges, regierungstreues Medium: Fox News erschien und filmte 40 Minuten der Rede des Anwalts, hat aber kein Stück davon je gesendet. Vergleichen Sie diese Aufmerksamkeit für die Ursachen eines bedeutenden Massenmorde in der Geschichte, von dem noch dazu mit Belegen behauptet wird, er sei zur persönlichen Bereicherung aus wirtschaftlichen und politischen Motiven erfolgt, mit dem gewaltigen Medieninteresse, wenn irgendein mißratener Kinderschänder sich bedauerlicherweise betätigt hat oder zur Strecke gebracht worden ist. Nun, vielleicht stehen wir fremden Kindern näher als selbst gewählten Präsidenten.

      Was sagt uns so etwas? Was sagt uns das über unsere eigene, "freie" Meinung, die wir uns von niemandem nehmen lassen. Nehmen, vielleicht aber auch machen? Die Bundesbürger, schreibt der Spiegel und andere, schätzten Josef "Joschka" Fischer als den besten deutschen Politiker, das hätten Meinungsforscher ermittelt. Was haben welche Meinungsforscher wie ermittelt; und hat der Spiegel tatsächlich Meinungsforscher bemüht oder nur Meinungsmacher? Ja, wohin kämen wir, wenn wir an allem zweifelten und in jedem Fall solchen Möglichkeiten nachgehen würden. Höchstwahrscheinlich zu anderen Ergebnissen! Aber wer hat schon die Zeit und die Möglichkeiten dazu?

      Fragen wir andersherum. Wem ist damit gedient, zu wissen, was andere über Josef "Joschka" denken? Warum ist so etwas "newsworthy". Sollte man so etwas wissen, um sich nicht mehr fragen zu müssen, was man selbst über die Person denkt, die einen im Ausland vertritt. Einen? Sie vertritt nicht mich, sondern die Bundesrepublik. Und das hätte nichts mit Ihrem Schicksal zu tun?

      Haben Sie Hohmanns Rede gelesen, als sie anderen beipflichteten, daß das Antisemitismus gewesen sei, oder doch eine so ungeschickte, doofe Rede, von einem der es besser hätte wissen sollen. Was hätte er besser wissen sollen? Daß man in Deutschland nichts das zu sagen hat, was man für wahr hält, sondern das, von dem man gewiß glaubt, daß es die richtige Meinung sei. Was richtig sein soll, kontrollieren zwar noch kein Blockwart, aber für jemanden, der in der Öffentlichkeit steht, sollte das, was richtig ist, selbstverständlich sein. Jetzt wissen Sie vielleicht, warum Der Spiegel solche Informationen ausgibt: Die Deutschen hielten den und den für den besten oder doch anerkannten Dies und Das. Wie anders könnten die Deutschen wissen, wen sie für anerkannt halten und über wen sie Dreck auskippen sollen?

      Und jetzt wissen Sie vielleicht auch, warum die New York Times oder Washington Post oder wen es sonst an anerkannten Meinungsmacher in den USA und weltweit gibt, nicht bei der Pressekonferenz von Philip J. Berg war. Da gab es nichts zu erfahren, woraus sich eine tragfähige, anerkennbare Meinung machen ließ. Warum also dafür Zeit aufwenden? Zeit ist schließlich Geld! Und damit sind wir auch schon bei dem Grund, weshalb wir uns im Spiegel darüber informieren lassen, wen wir für den besten Dies und Das halten sollen: Schließlich haben wir noch etwas anderes zu tun, als uns zu informieren; nämlich uns informieren (in Form bringen) zu lassen. Aber wir verteidigen unsere eigene Meinung als unser ureigenes Eigentum.

      Früher sind Leute wegen einer eigenen Meinung verbrannt worden. Das geschieht heute nicht mehr. Heute genügt es, wenn sie "mundtot" sind, das heißt, niemand ihre "eigentliche" Meinung erfährt, sondern nur die richtige. Deshalb sagen die meisten, wenn man sie "ganz persönlich" zu fassen kriegt - was sehr selten und meistens nur im Suff vorkommt - wie selbstverständlich etwas ganz anderes, als das, was sie den Meinungsforschern erzählen. (Hier liegt der Grund, weshalb Hohmanns bei seiner Rede doof oder besoffen war: Wer wird schon...). Dabei droht bei Meinungsumfragen nicht einmal etwas wie ein Scheiterhaufen, wird man nicht einmal bestochen; allenfalls gibt es eine kleine Erkenntlichkeit für die Zeit, die einem "gestohlen" wurde.

      Deshalb wurde - übrigens - Galileo zum großen Vorbild der Moderne. Auf dem Weg aus dem Gerichtssaal der Inquisition soll er nämlich gemurmelt haben "Und sie bewegt sich doch". Der hoch verehrte Schlauberger der Moderne zeigt damit, daß er nicht einmal die Frage der Inquisition verstanden hat. Denn daß sich die Erde um die Sonne bewegt, hatten sie von einem ihrer Vorgesetzten, Kardinal von Cues, auch schon gehört. Die Frage war aber: Was, das zu wissen, für den Menschen und die Menschheit bedeutet. Nichts, hatte Galilei geantwortet, sie bewegt sich eben. Und mit der Einstellung konnte er im Feudalismus überleben und zugleich Heiliger der schlitzohrigeren Modernen werden.

      Was also ist die eigene Meinung wert? Nichts, im großen und ganzen, ich habe sie eben, weil alle diese oder eine andere haben, jedenfalls eine für die man keine Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muß. Frau Marini hatte auf die verlogene Entschädigung der Regierung verzichtet, nicht weil diese in Dollar erfolgen würde und Dollar nichts mehr wert zu sein scheinen, sondern weil diejenigen, die sie auszahlen nichts wert sind. Schlimm, so was!

      Haben Sie auch mitbekommen, daß der ehemalige Vorsitzende des Ausschusses für Wehrpolitik im Pentagon, Richard Perle, in London kürzlich öffentlich zugegeben hat, daß der Krieg der USA gegen den Irak illegal war? "In diesem Fall stand das Völkerrecht im Weg, das Richtige zu tun. Es hätte von uns verlangt, von Saddam Hussein abzulassen, und das wäre moralisch nicht zu akzeptieren gewesen". Nicht moralisch zu akzeptieren, wo doch der Krieg ein so gutes Geschäft ist - nicht für die USA und ihre Steuerzahler aber für Cheneys Halliburton und die Boeing Flugzeugwerke. Diese haben alleine schon mindestens 20 Mio. US$ an Richard Perles Firma Trireme weitergegeben, und Halliburton darf den US-Streitkräften zum Beispiel für Sprit das Doppelte bis Dreifache dessen in Rechnung stellen, was zivile Firmen für den gleichen Sprit zu zahlen haben. Ihre Zeitung hat das nicht gebracht? Es stand aber in den USA in den Zeitungen. Warum waren die in diesem Fall dabei, im Falle Marinis aber nicht? Sollen Sie, das heißt die Amerikaner in dem Glauben gewiegt werden: "Politik ist ein schmutziges Geschäft", das man, wenn es sich für einen selbst nicht auszahlt, lieber anderen überläßt. Oder funktioniert die Meinungsmache marktwirtschaftlich: Haust Du (kauft man) meinen, hau ich (kauft man) Deinen - mal sehen wer der stärkere ist.

      Kürzlich hat der angeblich favorisierte Bewerber um die Kandidatur der Demokraten in der kommenden US Präsidentschaftswahl, Howard Dean, bei einem Fernsehauftritt das Weiße Haus aufgefordert, die Berichte der Nachrichtendienste vor dem 11.09.2001 die sich auf das Attentat bezogen, endlich zu veröffentlichen und noch gefragt, ob der Präsident nicht von seinen Geschäftspartnern in Saudi Arabien eine recht genaue Vorwarnung erhalten habe. So der favorisierte Kandidat. Aber genauer gesagt, sucht man in der Partei (wie im Falle Gore) einen Kandidaten, der nicht gewählt wird (ähnlich wie in der CDU vor der Wahl von Rot-Grün). Den Grund kennen Sie in diesem Fall: Nur Rot-Grün konnte Deutschland dazu bringen, sich militärisch an internationalen "Friedensmissionen" wie im Präzedenzfall Serbien zu beteiligen. Die CDU wäre an den Roten und Grünen gescheitert, deshalb der regime change.

      Interessanter (weil er weniger Fragen aufwirft und "alles klar" ist) scheint in diesem Zusammenhang der parallele Vorfall zu sein. Am 8.12. tagte in Washington unter Tom Kean die Regierungskommission, welche den Vorwurf, die Regierung sei wie im Fall Pearl Habor vorgewarnt worden, habe aber aus noch ungeklärten Gründen nicht reagiert, ausräumen soll. In dieser Sitzung wird der Sitz von Max Cleland leer bleiben. Ihn hatte der Präsident quasi aus heiterem Himmel zum Direktor der halbstaatlichen Export Importbank gemacht. Cleland hatte mit Amtsvollmacht darauf bestanden, daß die Regierung die von Dean erwähnten Dokumente herausrückt. Cleland hat seiner Beförderung für den Preis zugestimmt, daß er seinen Sitz in der Kommission und damit auch seine dortige Forderung aufgibt. Zu welcher Meinung sollte/könnte ein Vergleich der beiden in den USA spektakulären Fälle führen: Nur zum, wenn zwei das gleiche tun, ist es dies nicht?

      Nehmen Sie es nicht zu tragisch. Die Show must go on - und das ist doch auch Ihre Meinung? Ansonsten müßten Sie Ärger in Kauf nehmen oder, in leider selteneren Fällen, Geld. Bleibt aus dem Gesagten nur noch die Frage offen: Welchen Sitz im Leben hat eigentlich eine Meinung, für die man sich eher verbrennen läßt, als sie aufzugeben? Zu einer Antwort fehlt meistens die Zeit, schließlich muß man ja noch...
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      schrieb am 15.12.03 16:25:06
      Beitrag Nr. 1.073 ()
      Magazin, Heft 10 / 2003, Seite 32
      Thema

      Wider die Ohnmacht der Zentralbanken

      Die Geldschöpfungsfähigkeit der Geschäftsbanken hat sich weltweit zu einem wesentlichen Krisenfaktor entwickelt. Dieses Privileg sollte stattdessen der Zentralbank überantwortet werden, fordern KritikerInnen des Geldsystems: Das wäre besser für die Wirtschaft und lukrativ für den Staat.

      Robert Poth

      Deflation, also ein sinkendes Preisniveau, ist der Gottseibeiuns der Zentralbanken. Spätestens dann wird Geldpolitik „impotent“: Um die Verschuldungsbereitschaft zu fördern, sollten die Leitzinsen notfalls auch real negativ sein können – etwa wie in den USA oder in manchen Ländern der Eurozone, wo sie derzeit unter den jeweiligen Inflationsraten liegen. Weniger als nominell Null geht aber nicht, und wenn der Preisindex etwa um 2% fällt, bedeutet Null Realzinsen in genau dieser Höhe. An diesem Problem laboriert die Bank of Japan seit Jahren. Deflation beschreibt aber nur den höchsten Grad der Ohnmacht der Zentralbanken: „Mächtig“ sind sie allenfalls, wenn es darum geht, einen inflationstreibenden Wirtschaftsboom durch Zinserhöhungen abzuwürgen – das funktioniert, wenn auch nur mit einigem Zeitabstand und nach entstandenem Schaden.
      Ein wesentlicher Grund dieser Ohnmacht ist die Konstruktion des Geldsystems. Eine Zentralbank kontrolliert nur einen Teil der umlaufenden Geldmenge, nämlich das Bargeld („M0“ für Geldmenge Null). Dieses Geld kann (und darf) nur sie „aus dem Nichts“ in die Welt bringen, indem sie es den Geschäftsbanken als verzinslichen Kredit zur Verfügung stellt, falls diese Bedarf daran haben. Da Bargeld aber Zinsen kostet, versuchen die Banken mit Erfolg, ihre Kunden dazu zu bringen, den bargeldlosen Zahlungsverkehr mit ihrem eigenen „Giralgeld“ zu akzeptieren. Der Giralgeldanteil an der Geldmenge M1 (Bargeld plus Giralgeld) nimmt daher laufend zu (siehe Grafik).

      Giralgeld schöpfen die Geschäftsbanken „passiv“ bei der Umwandlung einer Bareinlage in eine Guthabenbuchung und „aktiv“, wenn sie einen gewährten Kredit am Kundenkonto gutschreiben. Die aktive Giralgeldschöpfung ist jedoch nicht durch die Einlagen (Ersparnisse) beschränkt: Eine Geschäftsbank kann Geld auch „aus dem Nichts“, etwa gegen Sicherheiten, schaffen und so die Geldmenge erhöhen. Diese Geldschöpfung ist für die Banken profitabel, weil sie im ersten Fall das Bargeld an die Zentralbank zurückgibt und sich im zweiten Fall die Bargeldzinsen von vornherein erspart. Daraus ergibt sich ein zusätzlicher Anreiz zur Kreditexpansion. Die einzige wesentliche Beschränkung ist heute der Mindestreservesatz (derzeit 2%) für gewisse Verbindlichkeiten, der bei der Zentralbank in Bargeld zu deponieren ist. Bei mehr als 2.000 Mrd. Euro Giralgeld in der Eurozone könnte das „Körberlgeld“ der Banken beim aktuellen Zinsniveau zumindest 40 Mrd. Euro jährlich betragen.
      Mit der Deregulierung des Finanzsektors seit den 80er Jahren wurde diese Geldschöpfungsfähigkeit durch Aufgabe von Kreditkontrollen und Senkung der Mindestreservesätze laufend erweitert. Innovationen wie die Umwandlung von Kreditforderungen in handelbare Wertpapiere haben die Möglichkeiten der Banken, eine Spekulationsblase in Immobilien- oder Aktienmärkten oder Überkapazitäten im Realsektor zu finanzieren, noch weiter gesteigert. Die Folgen sind offensichtlich: Den meisten Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte, angefangen mit der Schuldenkrise der Entwicklungsländer in den 80er Jahren bis zum Platzen der Börsenspekulationsblase in den USA, lag eine riskante Kreditexpansion zugrunde.

      Was wäre zu tun? Während offizielle Ansätze darauf abzielen, die Banken durch striktere Eigenkapitalstandards wieder etwas an die Zügel zu nehmen, befürworten ExpertInnen wie der deutsche Wirtschaftssoziologe Joseph Huber, das Problem gleich an der Wurzel zu packen: Am besten wäre es, den Geschäftsbanken die Geldschöpfung gänzlich aus der Hand zu nehmen. Im Gegensatz zum heutigen Teilreservesystem, in dem nur Zentralbankgeld rechtlich Geld ist, die Giralgeldguthaben jedoch bloß Forderungen auf Geld sind, spricht Huber vom System eines „Vollgeldes“. Geld sollte ausschließlich von der Zentralbank in Form von Banknoten, Münzen und Buchgeld emittiert werden. Dieses Buchgeld wäre im Unterschied zum Giralgeld „vollwertiges“ Geld und würde auf Kundenkonten der Geschäftsbanken analog zu heutigen Wertpapierdepots verwaltet.

      Worin bestehen die Vorteile? Einmal in der Ausschaltung der übermäßigen Kreditexpansion bzw. -verknappung in Aufschwungs- und Abschwungsphasen und ihrer Folgen. Der Zentralbank wird es außerdem möglich, das Preisniveau sowohl gegen Inflation als auch Deflation zu sichern: Der dem Wachstum der Wirtschaft entsprechende jährliche Zuwachs der Geldmenge kann nicht nur in Form von Krediten, sondern auch in Form von Schenkungen für soziale und ökologische Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Diese Schenkung kostet die Zentralbank nichts, da sie ja dieses Geld aus dem Nichts schafft und in Form von Buchgeld nicht einmal drucken lassen muss, während sie umgekehrt bei einer Kreditvergabe das bisherige „Körberlgeld“ der Banken lukrieren kann. Die Schenkung wird nur als Ausgleich getätigt, insoweit zu wenig Kredite aufgenommen werden. Was spricht dagegen? Sicher das Risiko eines politischen Missbrauchs der Zentralbanken. Das wäre aber im Vergleich zu den Risiken des aktuellen Systems vielleicht verkraftbar.

      http://www.oneworld.at/suedwind.magazin/magazin/inhalt.asp?I…
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 16:39:24
      Beitrag Nr. 1.074 ()
      Cross-Border-Leasing: Die Bombe droht zu platzen


      .....
      Die volle Tragweite und das tatsächliche Risiko des Cross-Border-Leasings ist den meisten deutschen Gemeinden jedoch völlig unbekannt, da die entsprechenden Verträge in englisch abgefasst wurden und im Regelfall einen Umfang von bis zu 600 Druckseiten haben. Da war es für die amerikanischen Geldgeber ein leichtes, auch unübliche und gefährliche Vertragsklauseln in diesen Mammutwerken zu verstecken. Diese Verschleierungstaktik gegenüber der Öffentlichkeit wurde zusätzlich dadurch begünstigt, dass den Ratsmitgliedern bei der Abstimmung über derartige Verträge unter dem Vorwand der Geheimhaltung im Regelfall nur eine ins deutsche übersetzte Kurzfassung der Verträge ausgehändigt wurde.

      Wenn jetzt wie erwartet die amerikanischen Finanzbehörden diese Konstruktion nicht mehr anerkennen, müssen die deutschen Gemeinden - soweit sie wie im Regelfall dieses Risiko vertraglich übernommen haben - die erhaltenen Millionen aus den USA wieder zurückzahlen. Und hier stehen dann viele Städte vor einem echten Problem, weil sie das Geld zum Stopfen von Haushaltslöchern verbraucht haben und über keine liquiden Mittel in dieser Höhe mehr verfügen. Außerdem droht den Städten möglicherweise auch noch zusätzlich die Rückzahlung der von den Vermittlern vereinnahmten Provisionen sowie Zinszahlungen, so dass die Erstattungssforderungen insgesamt die ursprünglichen Einnahmen aus dem Cross-Border-Leasing sogar noch deutlich übersteigen könnten.

      Zumindest in Nordrhein-Westfalen haben die Gemeinden die laufenden Verhandlungen über neue Leasinggeschäfte mit us-amerikanischen Investoren unmittelbar nach Bekanntwerden der Gesetzesinitiative im US-Senat gestoppt. Und diejenigen Städte, die bereits derartige Verträge abgeschlossen hatten, zittern jetzt vor dem Gedanken, welche bisher verheimlichten Fallstricke sich für sie in den Verträgen wohl noch verbergen könnten. Denn allein in Nordrhein-Westfalen haben die Kommunen bisher bereits ca. 350 Mio. Euro durch derartige Leasing-Geschäfte eingenommen. Bundesweit dürfte sich der Betrag, der jetzt möglicherweise bald zur Rückzahlung ansteht, im Bereich von mehreren Milliarden Euro bewegen.
      .....
      Denn eines sollte allen Beteiligten bekannt sein, die sich auf internationale Finanzgeschäfte einlassen: "Der Weihnachtsmann wohnt nicht in Amerika und macht deutschen Kommunen keine großzügigen Geschenke!"

      Komplett hier lang:
      http://www.urbs.de/aktuell/change.htm?anlage72.htm

      Ich wette, es war wieder keiner und alle sind auf einmal überrascht ! Wundert euch nicht über steigende Gebühren !

      --------------------

      Kalifornischer Senat billigt Schwarzeneggers Schuldenplan

      Der kalifornische Senat hat am Freitagabend Pläne von Gouverneur Arnold Schwarzenegger gebilligt, das wachsende Haushaltsloch des US-Bundesstaates mit einer Anleihe über eine Rekordhöhe von 15 Milliarden Dollar zu stopfen. Für den Hollywood-Star Schwarzenegger bedeutete dies einen großen politischen Sieg.

      Zuvor hatte bereits das Parlament dem Vorhaben des im Oktober gewählten Gouverneurs zugestimmt. Bevor die Anleihe begeben wird, wird der Plan im März noch den kalifornischen Wählern zur Abstimmung vorgelegt. Der bevölkerungsreichste US-Bundesstaat ist hoch verschuldet. Im kommenden Jahr droht Kalifornien ein Etatdefizit von etwa 17,8 Milliarden Dollar. Schwarzenegger hatte seinen Wählern versprochen, das Defizit ohne Steuererhöhungen auszugleichen. Die Anleihe wäre die größte, die je ein US-Bundesstaat begeben hat.

      http://de.biz.yahoo.com/031213/71/3svm8.html

      Na super. Faszinierend solche Meldungen. Was bitte sind Anleihen ?? Schulden etwa ??? Es wird immer wieder suggeriert, daß mit Anleihen irgendwelche Schulden getilgt werden. Kein müder Dollar wird wirklich effektiv getilgt. Es werden nur alte mit neuen Schulden ersetzt
      --------------------------

      Dazu passt auch halbwegs diese Meldung. Wir verschönern unsere Bilanzen:

      HVB verbrieft zur Bilanzsanierung weitere Kredite

      München, 12. Dez (Reuters) - Im Rahmen ihrer Bilanzsanierung hat die HVB ein Portfolio kurzlaufender Kredite im Umfang von 1,4 Milliarden Euro verbrieft.Die zweitgrößte deutsche Bank teilte am Freitag mit, dadurch senke sie ihre Risikoaktiva um rund eine ANZEIGE

      Milliarde Euro. Das besondere an der Verbriefung der rund 1300 Kredite an mittelständische Firmenkunden sei deren kurze Laufzeiten von 45 bis 55 Tagen.
      Mit einer solchen Transaktion verringert die Bank ihr Kredit-Ausfallrisiko, indem sie die Forderungen an ein Unternehmen verkauft, das sich seinerseits mit der Emission so genannter ABS-Notes am Markt refinanziert.

      Nach den hohen Kreditausfällen des Vorjahres hat es sich Bank zum Ziel gesetzt, durch Verbriefungen und andere Maßnahmen ihre Risikoaktiva in der Bilanz bis zum Jahresende um 100 Milliarden Euro zu verringern.

      http://de.biz.yahoo.com/031212/71/3sv7y.html

      Schulden lösen sich trotzdem nicht in Luft auf. Irgendwo "schwirren" sie noch rum !

      ------------------------------------

      USraelhörigkeit: Rede von Angela Merkel auf dem 5. Europäisch-Israelischen Dialog

      .....
      Ich hoffe, dass der Bau des Trennzauns nicht zu große psychische Verwerfungen mit sich trägt.
      .....

      Komplett hier lang:

      http://www.der-ruf-nach-freiheit.de/www/include.php?path=con…

      Ich will dazu noch mal folgenden Link setzen und die Frage stellen, warum die gute Angie kein Wort darüber verliert ! Ich nenne das -gutwillig wie ich bin- Scheinheiligkeit und Verlogenheit pur ! Mir grauts vor der nächsten Wahl !!


      U N O - R E S O L U T I O N E N ~ U N D ~ I S R A E L .

      Die demaskierenden Resolutionen der Weltorganisation!

      800-mal ist Israel von der UNO verurteilt worden: wegen Verletzung der Menschenrechte, wegen brutaler
      Besatzungspolitik, wegen Angriffshandlungen gegen Nachbarstaaten. Die UNO-Mehrheiten betrugen zwischen 95
      und 99 Prozent. Doch wenn es um konkrete Sanktionen durch den Sicherheitsrat geht, legen die USA stets ihr
      Veto ein.
      .....

      http://333200000069.bei.t-online.de/18wh-uno.htm


      --------------------------

      Joint Task Force Told Face to Face, Blackout was a Military Test

      At an under publicized public comment meeting, which was publicly `announced` by a Department of Energy news release, Michael Kane outlined his report, published at Global Free Press, stating that the August 14th blackout was part and parcel to a multi-faceted military test.

      Komplett hier lang:

      http://www.prisonplanet.com/120803blackout.html

      Wer weiß ?! Nichts ist unm..... !



      --------------------------------------------------------------------------------

      Büro-Leerstand in Hamburg seit 2001 verdreifacht

      In der Hansestadt Hamburg stehen immer mehr Büros leer. Derzeit sind 860000 Quadratmeter Fläche unvermietet. Damit hat sich die Zahl leerstehender Büroflächen seit 2001 von 295000 Quadratmetern rund verdreifacht. Das berichtete die Tageszeitung DIE WELT (Sonnabend- Ausgabe, Hamburg) unter Berufung auf aktuelle Zahlen der drei Hamburger Maklerunternehmer Jones Lang LaSalle, Engel & Völkers und Grossmann und Berger.

      Die Leerstandsrate wird bezogen auf den Gesamtbestand von 12,4 Millionen Quadratmetern mit fast acht Prozent beziffert. Vor einem Jahr waren es nach Maklerangaben nach 6,7 Prozent. Auch die Spitzenmieten sind drastisch gesunken und fielen von 25,56 auf 19,50 Euro pro Quadratmeter. Das nächste Jahr verspricht ebenfalls keine rosigen Aussichten. "Für 2004 sind keine großen Wunder an der Elbe zu erwarten", prognostiziert Michael Fritz, Chef von Jones Lang LaSalle in Hamburg.

      http://www.presseportal.de/story.htx?nr=509280

      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 16:42:22
      Beitrag Nr. 1.075 ()
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 16:58:33
      Beitrag Nr. 1.076 ()
      bundestag

      Drittmittel für Politiker

      Streit in Berlin: Wie viel darf ein Abgeordneter dazuverdienen?

      Die Bevölkerung soll dazu gezwungen werden (oder es wird versucht) zu Hungerlöhnen zu arbeiten, aber für die meisten Abgeordneten reichen nocht nicht einmal die fetten Diäten. Kein Wunder, das sie solche Gesetze ohne Rücksicht auf die kleinen Leute verabschieden können.)

      Von B. Dengel und Götz Hamann

      Deutschland will versorgt sein. Mit Fleisch. Der Abgeordnete Peter-Harry Carstensen (CDU) kümmert sich darum im Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Und kontrolliert nebenher einen der größten Konzerne dieser Branche – als Aufsichtsrat der Hamburger CG Nordfleich AG.

      Deutschland will versorgt sein. Mit Strom. Reinhard Schultz (SPD) geht dafür ganz nah ran. Er überwacht als Mitglied des Aufsichtsrats die Geschäfte der Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) und versucht gleichzeitig als Bundestagsabgeordneter die Haltung seiner Fraktion zum Emissionsrechtehandel oder zur Kohleverstromung zu prägen.

      Carstensen („lässt sich außerordentlich gut vereinbaren“) und Schultz (nicht zu einer Aussage bereit) bekommen für ihre Zusatzjobs Geld. Wie viel, müssen sie nicht öffentlich angeben. Hier setzen Kritiker wie Hans Herbert von Arnim an, Jura-Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer: „Wer einem Abgeordneten Geld gibt, hat womöglich das Ziel, seinen Einfluss zu kaufen.“ Er sieht ihre Unabhängigkeit bedroht, wenn sie bezahlte Posten annehmen und die Einnahmen ihre Abgeordneten-Diäten manchmal sogar übersteigen.

      Aber was sollte ein Volksvertreter neben seinem Mandat noch alles machen dürfen? Wann beeinflusst es seine Arbeit im Bundestag? Mehr als die Hälfte der Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss sitzen in diversen Aufsichts- und Beiräten. Andere arbeiten nebenbei als Landwirt, Manager oder Berater. So viele Posten wie der ehemalige Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) hat allerdings niemand. Er mischt in einem Dutzend Gremien mit, etwa beim Mobilfunkkonzern Vodafone, beim Waschmittelriesen Henkel und beim Chemieunternehmen Altana. Weil er zudem als Beruf „Berater“ angegeben hat, muss er weder veröffentlichen noch beim Bundestagspräsidenten anzeigen, ob er zusätzliche Auftraggeber hat und wer sie sind.

      Gleich mehrere Bundestagsabgeordnete mussten sich in den vergangenen Wochen den Vorwurf gefallen lassen, ihre Nebenjobs seien zu eng mit ihrer politischen Arbeit im Parlament verwoben. Christine Scheel (Grüne), Vorsitzende des Finanzausschusses, hatte ein Aufsichtsratsmandat der Nürnberger Krankenversicherung angenommen, für das sie jährlich 10000 Euro erhalten hätte. Der SPD-Mann Rainer Wend kontrollierte die politische Beratungsfirma WMP Eurocom und war im Wirtschaftsausschuss dafür zuständig, einen Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 1,3 Millionen Euro an ebendiese Firma zu begutachten. Beide haben ihre umstrittenen Nebenjobs inzwischen aufgegeben.

      Dagegen ist der FDP-Abgeordnete Günter Rexrodt weiterhin Finanzvorstand von WMP Eurocom und Mitglied im Haushaltsausschuss. Er kontert jede Kritik: „Es gibt gewichtige Stimmen, die sogar darauf hinweisen, dass ein berufliches Engagement die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit des Abgeordneten prinzipiell stärkt.“ Gleichzeitig sei es „ganz selbstverständlich, dass Interessenkollisionen“ vermieden werden müssen. Dass Rexrodt dies gelingen kann, bezweifelt der langjährige Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer (SPD). „Wie man diese Tätigkeit noch von seiner Funktion als Abgeordneter trennen kann, ist mir schleierhaft. Rexrodt kommerzialisiert sein Mandat. Wer sagt, er könne das trennen, der täuscht.“

      Das Grundgesetz legt in Artikel 38 fest, dass „die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind. Zudem haben sie nach Artikel 48 „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“. Die Intention ist eindeutig: Instrumentalisierung soll es nicht geben. Gleichzeitig war das Bundesverfassungsgericht schon 1975 der Ansicht, dass die „Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abgeordneten … vor allem von einflussreichen Gruppen der Gesellschaft“ droht.

      Die Multifunktionäre unter den Abgeordneten sitzen meistens in mehreren Aufsichts- und Beiräten. Aber von diesen geht – zumindest formell – nicht die vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Gefahr aus. Es sei anzunehmen, dass ein Aufsichtsrat dem Interesse des Unternehmens nur „Vorrang geben muss“, während er seine Funktion ausübt, schreibt der Rechtsprofessor Uwe Hüffer in seinem Kommentar zum Aktiengesetz. Erst „wenn sich eine Interessenkollision zum andauernden Pflichtenwiderstreit verdichtet“, müsse er eines der Ämter niederlegen. Was macht etwa ein Abgeordneter, der nebenher als Berater arbeitet? FDP-Mann und Politikberater Rexrodt sagt, er habe sich im Haushaltsausschuss vertreten lassen, als es um seinen Kunden, die Bundesanstalt für Arbeit, gegangen sei.

      „Es ist schwer, aus der im Gesetz geforderten Unabhängigkeit eine praktische Regel abzuleiten“, sagt Thomas Greven, Politikprofessor an der Universität Hamburg. Politiker, die sich von Unternehmen benutzen lassen, möchte niemand haben. Politiker, die nur im Plenarsaal schmoren, auch nicht. Greven sagt: „Sie sollen sogar in gesellschaftlichen Organisationen präsent sein“ – etwa in Kirchen, bei Sozial- oder Kultureinrichtungen.

      Jurist von Arnim verspricht sich schon eine disziplinierende Wirkung, wenn Abgeordnete ihre Einnahmen angeben würden. „Wenn sie schon das Privileg besitzen, uneingeschränkt und ohne Genehmigung nebenher verdienen zu dürfen, dann sollten sie es zumindest offen legen müssen“, sagt er. In Skandinavien ist dies bereits die Regel. Die Geschäftsordnung des Bundestages verpflichtet die Abgeordneten bislang allerdings lediglich dazu, Einnahmen aus Nebentätigkeiten beim Bundestagspräsidenten anzuzeigen, wenn sie „3000 Euro im Monat oder 18000 Euro im Jahr übersteigen“.

      „Ich möchte, dass wir in der Fraktion in den nächsten Wochen klären, was wir für legitim halten“, sagt die Grüne Scheel. Würden nach einer Klärung alle Volksvertreter ihre Einkünfte veröffentlichen, wüssten die Wähler zumindest den Preis für die außerparlamentarische Arbeit ihrer Abgeordneten.


      (c) DIE ZEIT 11.12.2003 Nr.51

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2003/51/Abgeordnete
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 20:35:49
      Beitrag Nr. 1.077 ()
      Vorstandsbezüge bei Dax-Firmen

      Gehälter trotz Flaute kräftig aufgestockt

      Im Schnitt hat ein Vorstand eines im Aktienindex Dax enthaltenen Unternehmens im vergangenen Jahr 1,25 Millionen Euro verdient — 90.000 Euro mehr als im Vorjahr.

      Von Steffen Uhlmann



      (SZ vom 16.12.2003) — In der Vorstandsetage von DaimlerChrysler wird mit Abstand am meisten verdient. Der Autokonzern zahlte 2002 durchschnittlich 3,7 Millionen Euro an seine Spitzenkräfte.

      Verglichen mit den Zahlungen vom Vorjahr sei das ein Plus von mehr als 130 Prozent, sagte DSW-Geschäftsführerin Jella Benner-Heinacher.

      DaimlerChrysler befinde sich mit diesen Gehältern genauso wie die mit 2,5 Millionen Euro an zweiter Stelle rangierende Deutsche Bank auf „internationalem Niveau”. Die DSW untersuchte in der Studie die Vorstandsbezüge der 30 Dax-Mitglieder.



      Steigerung zwischen sieben und acht Prozent
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/566/23543/

      Avatar
      schrieb am 15.12.03 20:48:29
      Beitrag Nr. 1.078 ()
      14.12.03 Infineon-Chef rügt Deutsche als Faulenzer-Volk

      Aus Sicht von Ulrich Schumacher, dem Chef des Chipkonzerns Infineon, sind die Deutschen nicht mehr fleißig genug. Die normale Arbeitszeit hier zu Lande sei "lächerlich kurz".

      München - Hobby-Rennfahrer Schumacher hat daher ein neues Verhältnis zur Arbeit gefordert. Einiges sei "aus dem Ruder gelaufen", so der Konzernchef im Interview mit dem "Münchner Merkur". Die Nachkriegsgeneration sei sehr fleißig gewesen, dies sei nun "total umgekippt in eine freizeitorientierte Gesellschaft", in der 30 Tage Urlaub plus Feiertage immer noch nicht genug seien.

      Viele hielten sogar die im internationalen Vergleich "lächerlich wirkenden" 37,5 Stunden Wochenarbeitszeit für zu viel. "Da stimmt etwas nicht mehr", konstatiert der Manager. Er fü1rchte sogar, dass sich bei einem Aufschwung alle wieder entspannt zurück lehnen. ... (Spiegel online, 13.12.03)

      Kommentar: Es ist schon eigenartig: In einer zeit, in der noch nie so produktiv gearbeitet wurde wie heute, soll die Arbeitszeit nicht sinken dürfen? Millionen Arbeitslose sind vom Wertschöpfungsprozess ausgeschlossen, während andere ständig mehr Überstunden leisten sollen. Wenn sich da ein manager erlaubt, eine ganze Bevölkerung als „Faulenzer“ zu bezeichnen, dann geht das schon mehr als an der Realität vorbei.
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      10.12.03 Top-Ökonomen warnen vor Reform-Blockade


      Von Mark Schieritz, Berlin

      Vor den entscheidenden Verhandlungen über die Agenda 2010 und die vorgezogene Steuersenkung haben Ökonomen vor dem Scheitern der Gespräche gewarnt. Wichtigste Streitpunkte sind das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und der Lockerungen am Arbeitsmarkt. ... (FTD, 10.12.03)

      Kommentar: An diesem Beispiel wird wieder deutlich, wie wenig die „Experten“ von der eigentlichen Grundproblematik verstehen oder verstehen wollen. Die Ursache der Krise liegt doch nicht in zu hohen Löhnen, sondern darin, daß die explodierenden Kapitalkosten immer mehr der Wirtschaftsleistung aufzehren.
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      Täglich neue Sonderangebote


      Rabattschlacht mit Abschlägen von über 30 Prozent - HDE-Präsident Franzen: Existenzen bedroht
      von Hagen Seidel

      Düsseldorf - Die deutschen Konsumenten bekommen in diesem Jahr für ihr Geld so viele Weihnachtsgeschenke wie lange nicht mehr. Die Konzerne überbieten sich in der wichtigsten Handelszeit des Jahres mit immer neuen Festtags-Rabatten. Sonder-Preisabschläge von 30 Prozent und mehr, etwa für Textilien, sind nichts Besonderes mehr. "Die Rabattitis des vergangenen Jahres wird dieses Mal noch übertroffen", meint Frank Pietersen, Handelsexperte der Unternehmensberatung KPMG.

      Die niedrigen Preise können zwar die Kunden freuen, doch durch die sinkenden Erträge droht die Rabattschlacht, den angeschlagenen Einzelhandel weiter in die Krise zu stürzen. ... (Welt, 9.12.03)

      Kommentar: Fallende preise sind Gift für jede Wirtschaft. Damit wird der Konsum immer weiter stranguliert, weil die Menschen auf immer noch niedrigere Preise warten. Die Folgen zeigen sich in Arbeitslosigkeit und Firmenpleiten und am Ende in sinkender Kaufkraft und noch weiter schrumpfender Nachfrage. Eine deflationäre Abwärtsspirale beginnt sic unaufhaltsam zu drehen. Mehr in der Neuerscheinung „Deflation – die verheimlichte Gefahr“

      Kommentare v. Günter Hannich
      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 20:50:11
      Beitrag Nr. 1.079 ()
      Kolumnen von Günter Hannich

      14.12.03 Die meisten Reformen führen zur Krise

      Kaum zu einer anderen Zeit war so viel von Reformen die Rede wie heute. Da sollen die Löhne gekürzt, die Renten eingefroren, das Renteneintrittsalter erhöht, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt oder Arzthonorare gezahlt werden und manches mehr. Die Experten sind sich anscheinend darin einig, dass nur diese Reformen unsere Wirtschaft von der Lähmung befreien können.
      Doch sind etwa die Löhne überhaupt das Problem? Wohl kaum, denn das Lohnniveau steigt seit Jahren schon nicht mehr bemerkenswert, und die Nettolöhne sinken sogar durch die schnell wachsende Steuer- und Abgabenlast. Das, was den Betrieben über den Kopf wächst, sind nicht so sehr die Arbeitslöhne, wohl aber ist es die Verschuldung mit den damit verbundenen Kapitalkosten. Seit den 60er Jahren sind die Verbindlichkeiten der Unternehmen mehr als doppelt so schnell gewachsen wie das Bruttosozialprodukt. Damit fressen die Kapitalkosten des höchsten deutschen Schuldenbergs – die Schulden der Unternehmen sind ganz ungefähr so groß wie die Schulden von Staat und Privaten zusammen – immer größere Anteile der Unternehmensgewinne auf. Wenn dann noch – so wie heute – die Märkte gesättigt sind, dann wird es für mehr und mehr Betriebe immer brenzliger, und zwangsläufig erreichen die Insolvenzen jedes Jahr neue Rekordstände.
      Wenn in dieser Situation dann noch durch Scheinreformen die Löhne und Sozialleistungen gesenkt werden, dann bricht die angeschlagene Kaufkraft der Bevölkerung noch weiter ein. Zwangsläufig führt dies zu weiteren Umsatzeinbußen bei den Unternehmen und einer Verschärfung der Krise – die deflationäre Abwärtsspirale beginnt sich unaufhaltsam zu drehen. Es ist in diesem Zusammenhang erstaunlich, mit welcher Vehemenz heute die These der „zu hohen Löhne“ vertreten wird. Mit solchen Scheinreformen kann es nur immer weiter nach unten gehen.

      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 21:03:46
      Beitrag Nr. 1.080 ()
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 21:07:32
      Beitrag Nr. 1.081 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Einheitsfront

      Keine Überraschungen beim »Reformgipfel«


      Nach wochenlangem medialen Gezänk und vorauseilenden Schuldzuweisungen für den weiteren wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands scheint es seit Montag früh nur noch ein einig Politikervolk von staatstragenden Siegern zu geben. Ein achtbares Ergebnis sei der Kompromiß zum Vorziehen der Steuerreform hieß es fast unisono aus den Partei- und Verbandszentralen.

      In der Tat wird parteipolitische Profilierung angesichts der offensichtlichen Einheitsfront für Sozialabbau, öffentliche Verarmung und Umverteilung nach oben immer schwieriger. Die Union wird sich die nur moderate Absenkungen bei der Pendlerpauschale und der Eigenheimzulage sowie die Lockerung des Kündigungsschutzes an die Brust heften, die SPD die eigentliche Steuersenkung und das Moratorium für die geforderte offizielle Abschaffung der Tarifautonomie, die aber in vielen Bereichen ohnehin nur noch auf dem Papier steht. Bei den Kernpunkten der »Agenda 2010«, also der Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau und der damit verbundenen Abschaffung von finanziellen Mindeststandards für »zumutbare« Arbeit, war man sich ohnehin einig. Natürlich ließ es sich der Bundeskanzler nicht nehmen, seinen »Parteilinken«, die ihm im Bundestag einige »Zugeständnisse« abgetrotzt hatten, eine schallende Ohrfeige zu verpassen, indem er sämtliche »Abfederungen« der Agenda wieder in den Mülleimer versenkte.

      Noch bevor der Vermittlungsausschuß am heutigen Dienstag die endgültige Fassung des »Kompromisses« beschließen wird, waren sich bereits alle einig, daß all das ein tolles Signal für den kommenden Aufschwung sei. Mit der Realität hat das natürlich wenig zu tun. Selbst ein nominelles Wirtschaftswachstum wird keinen nennenswerten Beschäftigungseffekt haben. Der Druck besonders auf untere Lohngruppen wird sich enorm erhöhen, die Steuerersparnisse werden für Kleinverdiener alleine durch die Segnungen der »Gesundheitsreform« wieder geschluckt. Wenn man das vorläufige Ende des aktuellen Polittheaters rund um die »Reformen« überhaupt als »Signal« verstehen kann, dann als eines für die ungebrochene Bereitschaft der herrschenden Eliten – einschließlich der Beifall klatschenden DGB-
      Spitze – den Weg in die soziale Barbarei gemeinsam weiter zu gehen.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-16/003.php
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 21:17:09
      Beitrag Nr. 1.082 ()
      Inland
      Daniel Behruzi

      Unternehmer machen Druck

      Metall-Tarifrunde eröffnet. Gewerkschaft kompromißbereit, Gesamtmetall nicht


      Am Montag haben die Tarifverhandlungen für die insgesamt 3,5 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie begonnen. Die IG Metall fordert vier Prozent mehr Lohn und Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Das ist deutlich weniger als in der letzten Tarifrunde im Jahr 2002. Damals hatte die IG Metall bei einer 6,5-Prozent-Forderung Lohnsteigerungen in zwei Stufen von vier, bzw. 3,1 Prozent durchgesetzt. Erschwert werden die Verhandlungen dadurch, daß bis zu 1,39 Prozent des Abschlusses für die Finanzierung des im letzten Tarifvertrag vereinbarten Entgelt-Rahmenabkommens (ERA), durch das die Bezahlung von Arbeitern und Angestellten angeglichen werden soll, vorbehalten ist.

      Trotz der niedrigen Lohnforderung der Gewerkschaft wird eine harte Tarifauseinandersetzung erwartet. Geht es nach Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegießer, müssen sich die Beschäftigten auf »sehr bescheidene Lohnzuwächse« unterhalb der Produktivitätssteigerung von 1,4 Prozent einstellen. Diese Forderung, die deutliche Reallohnverluste bedeuten würde, stellte Kannegießer in der Montagausgabe der Bild-Zeitung.

      Für die Unternehmer wird es in dieser Tarifrunde aber nicht vornehmlich um die Lohnfrage gehen. Vermeintlich gestärkt durch die Niederlage der Gewerkschaft im Ost-Metaller-Streik um die 35-Stunden-Woche will Gesamtmetall nun auch in Westdeutschland die Arbeitszeit zum Thema machen. Der Unternehmerverband fordert einen Arbeitszeitkorridor zwischen 35 und 40 Wochenstunden, über dessen Ausgestaltung im Betrieb, also ohne Mitsprache der Tarifparteien, entschieden werden soll. Eine Verlängerung der Arbeitszeit soll sogar ohne Lohnausgleich möglich sein. IG-Metall-Chef Jürgen Peters lehnte einen solchen »Tarifkorridor« gegenüber dem Handelsblatt vom Montag ab, brachte dafür aber Arbeitszeitkonten ins Gespräch, die gegen Konkurs abgesichert werden müßten.

      Im Vorfeld der Tarifrunde hatte die IG Metall erklärt, sie sei bereit, »den Spielraum für weitere betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten in den Tarifverträgen zu vergrößern«. Das bedeute aber nicht, »daß wir die Tarifautonomie per Tarifvertrag abschaffen wollen«, stellte Jörg Köther, Pressesprecher niedersächsischen IG Metall, im jW-Gespräch klar. Man wolle zwar »gucken, wo zusätzliche Öffnungsklauseln möglich sind«, einer generellen Verlängerung der Arbeitszeit will die Gewerkschaft nach Aussage Köthers aber keinesfalls zustimmen.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-16/010.php
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 21:21:31
      Beitrag Nr. 1.083 ()
      Interview
      Interview: Daniel Behruzi

      Ergebnis im Vermittlungsausschuß: Katastrophal für sozial Schwache?

      jW sprach mit Astrid Kraus, Mitglied im Koordinierungskreis von ATTAC


      F: Wie beurteilen Sie die bislang bekanntgewordenen Ergebnisse, die Bundesregierung und Bundesrat im Vermittlungsausschuß erzielt haben?

      Sie sind eine Katastrophe und ein Angriff auf die Armen und sozial Schwachen, insbesondere auf die Erwerbslosen. Besonders kritisch sehen wir den vierten Teil der Hartz-Gesetze mit dem Absenken der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau. Die von den Kritikern in der SPD durchgesetzte Entschärfung der Zumutbarkeitsregelung bei der Annahme von Arbeit wurde wieder zurückgenommen. Künftig muß jeder Job zu jedem Lohn angenommen werden. Damit wird ein Arbeitszwang gesetzlich festgeschrieben. Das ist das Gegenteil von der propagierten Freiheit.

      F: Es war abzusehen, daß diese und andere Vorbedingungen der SPD-Linken für deren Zustimmung zur »Agenda 2010« im Vermittlungsausschuß wieder kassiert würden. War der »Aufstand« in der SPD nichts als eine Theateraufführung?

      Das kann ich im einzelnen nicht beurteilen. Es ist die Gewissensentscheidung jedes einzelnen Abgeordneten, wie er sich zu solchen sozial völlig unzumutbaren Regelungen verhält. Ich kann nur hoffen, daß die Linken bei SPD und Grünen genug Rückgrat haben, sich so einem Beschluß zu verweigern.

      F: Der Kompromiß im Vermittlungsausschuß beinhaltet auch das Vorziehen der »Steuerreform«, wenn auch in etwas geringerem Umfang. Wer wird hiervon profitieren?

      Die gut Verdienenden profitieren deutlich mehr als untere Einkommen. Außerdem sind Geringverdiener stärker von den ebenfalls mit der »Agenda 2010« zusammenhängenden Belastungen betroffen. Die »Steuerreform« ist also nichts, was in irgendeiner Form eine Umverteilung von oben nach unten bewirken würde. Im Gegenteil.

      F: In dieser Frage scheinen sich dennoch alle einig zu sein. Auch der DGB hat sich frühzeitig für ein Vorziehen der »Steuerreform« eingesetzt.

      Wir sind nicht der DGB. Wir treten selbstverständlich auch für eine steuerliche Entlastung niedriger Einkommen ein. Aber auf der anderen Seite wollen wir statt der weiteren Absenkung eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. In diesem Bereich bestehen noch große Möglichkeiten zur Finanzierung des Sozialstaates.

      F: Durch den Verzicht auf Einnahmen wird auch der Druck, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen, weiter zunehmen.

      Selbstverständlich. Es ist eigentlich kaum zu glauben: Auf der einen Seite verzichtet der Staat bei Konzernen und Spitzenverdienern auf Einnahmen, auf der anderen werden die daraus folgenden Haushaltsprobleme als Rechtfertigung für Bildungs- und Sozialkürzungen herangezogen. Auch der in der Gegenfinanzierung vorgesehene Verkauf weiterer Bundesbeteiligungen, also die Verscherbelung des öffentlichen Tafelsilbers, ist keine zukunftsfähige Politik.

      F: Die Tarifautonomie wird gesetzlich zunächst nicht angetastet ...

      »Zunächst« ist in dem Kontext das entscheidende Wort.

      F: ... dafür wird der Kündigungsschutz weiter eingeschränkt. Wie beurteilen Sie diese Maßnahme?

      Arbeitsplätze werden damit überhaupt keine geschaffen. Im Gegenteil: Menschen, die noch Arbeit haben, werden zusätzlich verunsichert.

      F: Welche Schlußfolgerung zieht ATTAC aus den Beschlüssen des Vermittlungsausschusses?

      Wir werden unsere Proteste weiter verstärken. Ab sofort bis zum Mittwoch starten wir bei den Bundestagesabgeordneten eine E-Mail-Aktion gegen die »Reformen«. Im Frühjahr ist ein europaweiter Aktionstag gegen neoliberale Politik und Sozialabbau geplant, und selbstverständlich werden in der Zwischenzeit weitere Proteste, Aktionen und Veranstaltungen in kleinerem Maßstab stattfinden.

      Entscheidend ist, daß wir innerhalb der Bevölkerung eine breitere Aufklärung darüber betreiben, was die »Reformen« eigentlich bedeuten. Es ist erschreckend, daß viele Menschen glauben, es gäbe keine Alternativen zu den damit verbundenen Verschlechterungen. Gerade für eine Bildungsbewegung wie ATTAC ist es wesentlich, in Medien und Veranstaltungen Alternativen zu dieser Politik aufzuzeigen.

      * www.attac.de
      http://www.jungewelt.de/2003/12-16/015.php
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 21:30:28
      Beitrag Nr. 1.084 ()
      Thema
      Michel Chossudovsky

      Feindbestimmung

      Der Krieg der USA um globale Hegemonie (Teil 2 und Schluß)

      (Teil 1 siehe jW vom 13./14. Dezember)


      Vor der Invasion im Irak wurden verdeckte Operationen durchgeführt, um falsche Informationen sowohl über die Existenz von Massenvernichtungswaffen als auch über Al Qaida in Umlauf zu bringen. Nach Kriegsbeginn trat die Rede von einer Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen in den Hintergrund. Dagegen wurden die Warnungen vor Anschlägen durch Al Qaida in den USA in jede öffentliche Stellungnahme mit aufgenommen und in allen Nachrichtensendungen wiederholt.

      Neben dieser Beschwörung der Gefahr terroristischer Anschläge werden die Auftritte und Verlautbarungen Osama bin Ladens als Rechtfertigung für die nächste Phase des Krieges ausgegeben. Diese hängt in sehr direkter Weise ab erstens von der Effektivität der Propaganda des Pentagons und der CIA, die durch Einspeisung in die Nachrichtenkette in Umlauf gebracht wird, und zweitens von dem tatsächlichen Eintreten »massenhaft zivile Opfer fordernder Anschläge« wie vom PNAC beschrieben. Das bedeutet, daß tatsächliche »massenhaft Opfer fordernde Anschläge« Bestandteil der militärischen Planung sind.


      Der tatsächliche Terror

      Mit anderen Worten: Um »effektiv« zu sein, kann die Angst- und Desinformationskampagne nicht allein auf »Warnungen« vor zukünftigen Anschlägen setzen, sie braucht auch »wirkliche« Terroristen oder terroristische Anschläge, um den Kriegsplänen Washingtons Glaubwürdigkeit zu verleihen. Mit diesen Terroranschlägen werden sowohl »Notstandsverordnungen« im Inneren als auch militärische Vergeltungsmaßnahmen nach außen gerechtfertigt. Sie werden gegenwärtig gebraucht, um die Vorstellung eines »äußeren Feindes«, der die amerikanische Heimat bedroht, wirkungsmächtig werden zu lassen.

      Überlegungen darüber, wie Ereignisse herbeigeführt werden könnten, die sich als Vorwand für einen Krieg eignen, gehören seit jeher zu den Aufgaben des Pentagon. Sie sind ein fester Bestandteil der US-amerikanischen Militärgeschichte. (Vgl. Richard Sanders: Kriegsvorwände. Wie man einen Krieg beginnt. Global Outlook, in zwei Teilen veröffentlicht, Themen 2 und 3, 2002-2003).

      1962 haben die Verbindungsstabschefs (»Joint Chiefs of Staff«) einen geheimen Plan namens »Operation Northwoods« zur Herbeiführung ziviler Opfer ausgearbeitet, um einen Vorwand für die Invasion auf Kuba zu erhalten: »Wir könnten ein US-Schiff in Guantanamo Bay in die Luft jagen und Kuba beschuldigen.« »Wir könnten eine kommunistische kubanische Terrorkampagne in Miami oder in anderen Städten Floridas oder sogar in Washington inszenieren«, »die Listen mit den Namen der Opfer würden eine Welle nationaler Betroffenheit und Empörung auslösen, die sehr hilfreich wäre.« (siehe das freigegebene Top-Secret-Dokument von 1962 mit dem Titel: »Rechtfertigung für eine militärische Intervention der USA auf Kuba«, vgl. Operation Northwoods auf http://www.globalsearch.ca/articles/NOR111A.html)

      Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß das Pentagon oder die CIA direkt an Terroranschlägen in jüngster Zeit beteiligt waren, einschließlich derjenigen in Indonesien (2002), Indien (2001), der Türkei (2003) und Saudi-Arabien (2003). Berichten zufolge wurden diese Anschläge von Organisationen (oder Zellen dieser Organisationen) unternommen, die weitgehend unabhängig und autonom arbeiten.

      Solche weitgehend unabhängig agierenden Gruppen eignen sich allerdings hervorragend dafür, durch verdeckte Operationen von den Geheimdiensten für ihre Zwecke eingespannt zu werden. Die Terroristen wissen dabei oft gar nicht um ihre geheimen Sponsoren und die Rolle, die sie für diese spielen, da beide nicht in direktem Kontakt miteinander stehen. Die entscheidende Frage lautet: Wer steht hinter ihnen? Wer sind die Mittelsmänner, die sie direkt finanzieren? Wie sieht das Verbindungs- und Kommunikationssystem aus?

      Die mutmaßlich für den Bombenanschlag auf Bali im Jahr 2002 verantwortliche Terrororganisation Jemaah Islamiah beispielsweise hat Verbindungen zum indonesischen Militärgeheimdienst (BIN), der wiederum Verbindungen zur CIA und dem australischen Nachrichtendienst unterhält.

      Die Terroranschläge auf das indische Parlament vom Dezember 2001 – die beinahe einen Krieg zwischen Indien und Pakistan provoziert hätten – wurden angeblich von zwei in Pakistan ansässigen Terrorgruppen, Lashkar-e-Taiba (»Armee der Reinen«) und Jaish-e-Muhammed (»Armee Mohamneds«) ausgeführt, die laut Angaben des Amtes für internationale Verbindungen (Council on Foreign relations, CFR) Verbindungen zum pakistanischen Militärgeheimdienst ISI (Inter-Service-Intelligence) haben. (Council on Foreign Relations, http://www.terrorismanswer.com/groups/harakat2.html, Wahington 2002).

      Was das CFR nicht erwähnt, sind die Verbindungen zwischen ISI und CIA sowie der Umstand, daß ISI auch weiterhin sowohl Lashkar, Jaish und die militanten Jammu und Kashmir Hizbul Mujahideen (JKHM) unterstützt, als auch gleichzeitig mit der CIA zusammenarbeitet. (Für nähere Einzelheiten siehe Michel Chossudovsky, Fabricating an Enemy, März 2003, http://www.globalsearch.ca/articles/CH0301B.html)

      Ein geheimes Gutachten aus dem Jahre 2002 zur Instruktion des Pentagon »fordert die Einrichtung einer sogenannten »Gruppe für vorbeugende Maßnahmen« (P2OG) für die Durchführung geheimer Operationen, die darauf abzielen sollen, Reaktionen von seiten der Terroristen und Staaten, die im Besitz von Massenvernichtungswaffen sind, zu provozieren. Beispielsweise sollen Terrorzellen zu Aktionen angestachelt werden, um sie dadurch dem Zugriff durch US-Streitkräfte auszusetzen.« (William Arkin: Der geheime Krieg, The Los Angeles Times, 27. Oktober 2002)

      Die P2OG-Initiative ist nichts Neues. Im Grunde stellt sie nur eine Ergänzung bereits existierender verdeckter Operationen dar. Die Unterstützung von Terrorgruppen durch die CIA seit Beginn des Kalten Krieges ist ausführlich dokumentiert. Das »Anstacheln der Terrorzellen« durch Geheimdienstoperationen erfordert häufig die Unterwanderung und Ausbildung der mit Al Qaida in Verbindung stehenden Gruppen.

      In dieser Hinsicht wurde die heimliche Unterstützung verschiedener islamischer Terrororganisationen durch den US-amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat durch ein komplexes Netzwerk von Vermittlern und Stellvertretern geleistet. Im Laufe der 90er Jahre haben Organe der US-Regierung in einer Reihe geheimer Operationen mit Al Qaida zusammengearbeitet, wie aus einem Bericht des Ausschusses der Republikanischen Partei im Kongreß der USA aus dem Jahr 1997 hervorgeht. (Siehe US-Kongreß, 19. Januar 1997, http://www.globalsearch.ca/articles/DCH109A.html) Tatsächlich haben US-Waffeninspektoren während des Krieges in Bosnien mit Agenten Al Qaidas zusammengearbeitet, die große Mengen an Waffen für die Armee der bosnischen Moslems ins Land brachten.

      Mit anderen Worten: Die Clinton-Regierung deckte Terroristen.

      Offizielle Verlautbarungen und Berichte von Nachrichtendiensten bestätigen darüber hinaus Verbindungen zwischen Einheiten der amerikanischen Militär- und Nachrichtendienste und Al-Qaida-Agenten in Bosnien (Mitte der 90er), Kosovo (1998-99) und Mazedonien (2001). (Siehe Michel Chossudovsky: Krieg und Globalisierung. Die Wahrheit über den 11. September, Global Outlook, 2003, Kapitel 3, http://globalsearch.ca/globaloutlook/truth911.html)

      Bush-Regierung und NATO hatten Verbindungen zu Al Qaida in Mazedonien. Und nur wenige Wochen vor dem 11. September 2001 verübten US-amerikanische Militärberater in privaten Söldneruniformen auf Geheiß des Pentagon zusammen mit Mudschaheddin terroristische Angriffe auf die mazedonischen Sicherheitskräfte. Dies ist durch die mazedonische Presse sowie Aussagen mazedonischer Regierungsbeamte dokumentiert. Die Regierung der Vereinigten Staaten und das Netzwerk des militanten Islamismus arbeiteten Hand in Hand bei der Unterstützung der Nationalen Befreiungsarmee (NLA), die an den Terroranschlägen in Mazedonien beteiligt war.

      Mit anderen Worten: Das US-Militär arbeitete nur wenige Wochen vor dem 11. September direkt mit Al Qaida zusammen.


      Al Qaida und der ISI

      Es ist in der Tat aufschlußreich, daß praktisch bei allen Terroranschlägen seit dem 11. September den hinter diesen Anschlägen vermuteten Organisationen von Seiten der Presse und den offiziellen Stellen Verbindungen zu Al Qaida nachgesagt worden sind. Dies ist an sich schon eine bedeutsame Information. Natürlich findet die Tatsache, daß es sich bei Al Qaida um ein Ziehkind der CIA handelt, in den Presseberichten keinerlei Erwähnung. Für das Verständnis dieser Anschläge wird ihr keinerlei Bedeutung beigemessen.

      Die Verbindungen dieser Terrororganisationen (besonders in Asien) zum pakistanischen Militärgeheimdienst (ISI) werden in einigen Fällen von offiziellen Quellen und Presseberichten bestätigt. Mit Berufung auf das Ministerium für internationale Verbindungen (CFR) wird über einige dieser Gruppen gesagt, sie hätten Verbindungen zum pakistanischen ISI, ohne daß die nähere Gestalt dieser Verbindungen erläutert werden würde. Selbstredend handelt es sich hierbei aber um die entscheidende Information, um die Geldgeber dieser Terroranschläge zu identifizieren. Mit anderen Worten wird gesagt, der ISI unterstütze diese Terrororganisationen, während er gleichzeitig weiterhin eng mit der CIA zusammenarbeitet.

      Offizielle Quellen bestätigen die Unterstützung Al Qaidas durch den pakistanischen Militärgeheimdienst. Das ISI hat viele Terrororganisationen unterstützt. Es gibt genügend Beweise dafür, daß der ISI von der CIA unterstützt wird und enge Verbindungen zwischen den beiden Diensten bestehen. Die Terroristen des 11. September handelten nicht nach eigenem Willen. Offizielle Dokumente, darunter Kongreßmitschriften, belegen darüber hinaus, daß Al Qaida ein Produkt der CIA ist (wörtlich ist von einem »Aktivposten der Nachrichtendienste«, »intelligence asset«, die Rede).


      Der 11. September

      Während Colin Powell – ohne Beweise zu liefern – in seiner Ansprache vor der UNO auf die Verbindungen zwischen Irak und Al Qaida hingewiesen hat, bestätigen offizielle Dokumente, Presse- und Geheimdienstberichte, daß mehrere (aufeinanderfolgende) US-Regierungen das militante islamistische Netzwerk unterstützt und begünstigt haben. Diese Verbindung ist eine bewiesene Tatsache, die von zahlreichen Untersuchungen bestätigt und von den Denkfabriken Washingtons eingeräumt worden ist.

      Sowohl Collin Powell als auch sein Stellvertreter Richard Armitage, die in den Monaten vor dem Krieg gelegentlich Bagdad und andere Regierungen beschuldigten, Terroristen zu beherbergen, spielten an verschiedenen Punkten in ihrer Karriere eine direkte Rolle bei der Unterstützung von Terrororganisationen.

      Beide waren unter der Reagan-Regierung hinter den Kulissen an der Iran-Contra-Affäre beteiligt, bei der es um illegale Waffenlieferungen an den Iran ging, mit deren Erlösen die Contras in Nikaragua und die afghanischen Mudschaheddin finanziert wurden. (Siehe Michel Chossudovsky: Die Verbindungen zwischen Al Qaida und der Bush-Regierung, http://www.globalsearch.ca/articles/CH0303D.html)

      Darüber hinaus spielten beide bei der Vertuschung der Ereignisse des 11. September eine Rolle. Die Untersuchungen und Recherchen der letzten zwei Jahre (einschließlich offizieller Dokumente, Zeugenaussagen und Berichten von Nachrichtendiensten) legen nahe, daß es sich beim 11. September eher um eine sorgfältig geplante Geheimdienstoperation als um die Tat einer terroristischen Vereinigung handelte.

      Das FBI bestätigte in einem Bericht von Ende September 2001 die Rolle des pakistanischen Militärgeheimdienstes. Dem Bericht zufolge wurde der mutmaßliche Kopf der für die Durchführung des elften September verantwortlichen Gruppe aus pakistanischen Quellen finanziert. Ein nachfolgender Bericht bestätigte, daß der damalige Chef des ISI, General Mahmound Ahmad, Geld an Mohamed Atta überwiesen hatte. (Siehe: Michel Chossudovsky, Krieg und Globalisierung)

      Das ISI arbeitet sehr eng mit seinem amerikanischen Gegenstück, der CIA zusammen.

      Darüber hinaus bestätigen Presseberichte und offizielle Verlautbarungen, daß der Chef des ISI vom vierten bis zum 13. September 2001 offiziell die USA besuchte. Der Mann, der angeblich Geld an die Terroristen weiterleitete, hatte engen Kontakt zu einer ganzen Reihe von Vertretern der Bush-Administration, einschließlich Colin Powell, CIA-Chef George Tenet und Vizestaatssekretär Richard Armitage, mit dem er bei seinem Besuch in Washington zusammentraf.


      Die Antikriegsbewegung

      Eine starke Antikriegsbewegung kann nicht allein auf die Mobilisierung von Antikriegsstimmungen setzen. Sie muß die Kriegsverbrecher schließlich aus ihren Ämtern vertreiben und ihr Recht zu regieren in Frage stellen. Um die Herrschenden zu Fall bringen zu können, muß ihre Propagandakampagne geschwächt und schließlich zerschlagen werden.

      Die Wucht der großen Antikriegsdemonstrationen in den USA, in Europa und auf der ganzen Welt sollte den Grundstein legen für ein dauerhaftes Netzwerk, das sich aus Zehntausenden Antikriegsinitiativen auf lokaler Ebene, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in Kirchengemeinden, Schulen, Universitäten usw. zusammensetzt. Nur durch ein solches Netzwerk wird schließlich die Legitimität derer, die »in unserem Namen regieren« in Frage gestellt werden.

      Um die Kriegspläne der Bush-Administration zunichte und ihre Kriegspropaganda wirkungslos machen zu können, müssen wir uns mit unseren Verbündeten in den USA, in Europa und auf der ganzen Welt zusammentun; mit den Millionen gewöhnlicher Leute, die über die Gründe und Ursachen dieses Krieges getäuscht worden sind.

      Dies bedeutet auch, daß die Lügen über den »Krieg gegen den Terrorismus« und die politische Mitverantwortung der Bush-Regierung für die Ereignisse des 11. September restlos aufgedeckt werden müssen. Der 11. September ist eine Ente. Er ist die größte Lüge in der US-amerikanischen Geschichte.

      Es versteht sich von selbst, daß die Herbeiführung von »eine große Menge ziviler Opfer fordernder Anschläge« als Vorwand für einen Krieg, eine kriminelle Handlung darstellt. Mit den Worten von Andreas von Bülow, dem früheren deutschen Forschungsminister und Autor des Buches »Die CIA und der 11. September«: »Wenn stimmt, was ich sage, müßte die gesamte US-Regierung hinter Gittern landen.«

      Handlanger der Wall Street

      George Bush oder Tony Blair zu beseitigen würde indes nicht ausreichen, da es sich bei ihnen nur um Marionetten handelt. Wir müssen ebenso die Rolle der Banken, Unternehmen und sonstiger Institutionen ansprechen, die unzweifelhaft hinter den politischen und militärischen Agenten stehen. Die amerikanische Politik wird zunehmend mehr vom Establishment der Militär- und Nachrichtendienste bestimmt, als vom State Department, vom Weißen Haus oder vom Kongreß.

      Unterdessen ziehen die großen texanischen Ölkonzerne, die Rüstungsindustrie, die Wall Street und die großen Medienkonzerne die Fäden im Hintergrund. Wenn die Politiker nicht mehr funktionieren, wie sie sollten, können sie von den Medien zu Fall gebracht und durch eine neue Marionettenregierung ersetzt werden.

      In den USA stimmen Republikaner und Demokraten in Bezug auf die Ziele des Krieges vollkommen überein. Kriegsverbrecher finden sich in den Reihen beider Parteien. Beide Parteien sind an der Vertuschung der Ereignisse des elften September und dem darauffolgenden Feldzug zur Durchsetzung weltweiter Hegemonie beteiligt. Alle Beweise deuten auf eine »Kriminalisierung des Staates«, was die Gerichte und beide im US-Kongreß vertretenen Parteien einschließt. Ihr Nutznießer ist allein eine kleine Zahl von Monopolkapitalisten.

      »Kriminalisierung des Staates« bedeutet, daß Kriegsverbrecher legalerweise Führungspositionen einnehmen, die es ihnen gestatten, darüber zu entscheiden, wer an ihrer Statt als Verbrecher bezeichnet und verfolgt werden soll.

      Unter der Agenda des Krieges können hohe Repräsentanten der Bush-Regierung, Angehörige des Militärs, des Kongresses und der Justiz sich nicht nur anmaßen, kriminelle Handlungen zu begehen, sondern darüber hinaus auch noch die, die sich in der Antikriegsbewegung diesen Verbrechen entgegenstellen, als »Staatsfeinde« zu diffamieren.

      Grundsätzlicher formuliert, vertritt und unterstützt der US-amerikanische Militär- und Sicherheitsapparat die herrschenden wirtschaftlichen und finanziellen Interessen. Der Aufbau und die Exekution militärischer Stärke dienen der Durchsetzung des »freien Handels«. Das Pentagon ist der Handlanger der Wall Street; die NATO, Weltbank und IWF stimmen ihre militärischen, finanzpolitischen und sonstigen Operationen gegenseitig ab. Schließlich ist den Sicherheits- und Verteidigungsorganen des westlichen Militärbündnisses und den verschiedenen zivilen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (IWF, Weltbank, WHO) eine gemeinsame Haltung und ideologische Überzeugung eigen, welche sie für die Durchsetzung der neuen Weltordnung eintreten läßt.

      Um die Verheerungen des Krieges rückgängig zu machen, müssen Militärstützpunkte geschlossen, die Produktion immer neuer Waffensysteme gestoppt und der immer weiter um sich greifende Polizeistaat zerschlagen werden. Wir müssen die Repressalien, die im Namen des freien Marktes errichtet wurden, rückgängig machen, die Institutionen des global gewordenen Kapitalismus zerschlagen und die Macht der Finanzmärkte brechen.

      Dieser Kampf braucht eine breite demokratische Basis, die alle Bereiche der Gesellschaft in allen Ländern umfaßt: Arbeiter, Bauern, unabhängige Produzenten, Kleingewerbetreibende, Selbständige, Künstler, Beamte, Kirchenvertreter, Studenten und Intellektuelle. Die Antikriegs- und globalisierungskritischen Bewegungen müssen zu einer großen weltweiten Bewegung vernetzt werden. Die Menschen aus allen Bereichen müssen zusammengebracht werden, einzelne Interessengruppen müssen sich zusammentun und ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, welche Zerstörungen, Not, Hunger und Elend diese neue Weltordnung bedeutet. Die Globalisierung dieses Kampfes ist von entscheidender Bedeutung. Sie benötigt ein Maß an Solidarität und Internationalismus, das es bislang in der Geschichte noch nicht gegeben hat. Das weltweit herrschende Wirtschaftssystem basiert auf sozialer Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften sowie zwischen den Staaten. Eine gemeinsame Zielsetzung und die weltweite Koordination zwischen den verschiedenen Gruppen und sozialen Bewegungen sind daher von entscheidender Bedeutung. Eine riesige Anstrengung ist erforderlich, die soziale Bewegungen aller Weltteile unter dem gemeinsamen Ziel zusammenbringen, die Armut aus der Welt zu schaffen und dauerhaft für Frieden und Stabilität zu sorgen.

      (Übersetzung: Holger Hutt)
      http://www.jungewelt.de/2003/12-15/003.php
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 22:25:09
      Beitrag Nr. 1.085 ()
      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme

      Teil 4

      Manipulationen


      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 5. Mai 2003


      Geld ist nichts als ein Mittel zum Zweck. Es hat keinen eigenen Wert, es kann aus dem Nichts geschaffen werden und es kann spurlos wieder verschwinden. Die Transaktionen, die mit seiner Hilfe durchgeführt wurden, haben jedoch Bestand.

      Dieser Sachverhalt wird sofort deutlich, wenn wir bei der Betrachtung des Geldes den klassischen Sachwert, den Grundbesitz zum Vergleich heranziehen.

      Für ein Grundstück von 1000 m² ist es völlig egal, daß es vor 30 Jahren für 250.000 DM erworben wurde, dann vor 10 Jahren für 750.000 DM weiterverkauft wurde und zuletzt im vorigen Jahr für stolze 500.000 Euro den Besitzer wechselte.

      Das Grundstück bleibt völlig unverändert 1000 m² groß.

      Allerdings hat der Besitzer, der dieses Grundstück vor dreißig Jahren gekauft und vor 10 Jahren wieder verkauft hat, eine erhebliche Veränderung seines Geldvermögens erlebt. Hatte er zuerst 250.000 DM, die er dann gegen ein 1.000 m² Grund eintauschte, so konnte er zwanzig Jahre später, nachdem er sich von dem Grundstück wieder getrennt hatte, 750.000 DM sein eigen nennen.

      Der Witz dabei ist: Für diese 750.000 DM hätte er nach dem Verkauf in einer vergleichbaren Lage auch wieder nur 1000 m² Grund und Boden erwerben können. Er hat zwar mehr Geld, aber gemessen am Grundstückwert hatte die Veränderung des verfügbaren Geldbetrages keine Auswirkung auf seine Fähigkeit, Grund und Boden zu erwerben. Und das ist gut so.
      (Die Wirkung von Steuern und Gebühren wollen wir der Einfachheit halber nicht betrachten.)


      Manipulationen am Geldwert

      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen4.html
      Avatar
      schrieb am 15.12.03 23:18:06
      Beitrag Nr. 1.086 ()
      Dax-Unternehmen stehen mit 1500 Milliarden Euro in der Kreide

      14. Dezember 2003 12:07:31:

      Der Staat wird so oft als Schuldenmacher (1300 Milliarden Euro) in den Medien angeprangert.
      Nur, allein die Dax-Unternehmen stehen mit 1500 Milliarden Euro in der Kreide
      und haben damit einen höheren Schuldenberg als der Staat.

      Steigende Verbindlichkeiten drücken Kurse.
      Zinswende verschärft Schuldensituation
      Verschuldete Unternehmen verursachen Kopfzerbrechen an der Börse


      Von Beatrix Wirth und Holger Zschäpitz

      Berlin - Wenn es um die Schulden geht, fällt den Börsianern als erstes ein Unternehmen ein: die Deutsche Telekom. Die Bonner schieben einen Berg von Verbindlichkeiten in der Höhe von rund 65 Mrd. Euro vor sich her. Doch die gestrige Hauptversammlung von Daimler-Chrysler hat den Aktionären schlagartig klar gemacht, dass der Stuttgarter Autobauer der eigentliche Schuldenkönig im Dax ist. Er steht bei Banken und Bond-Anlegern mit über 90 Mrd. Euro in der Kreide.

      Kein Wunder, dass die Titel von Daimler-Chrysler gestern dem positiven Markttrend nicht recht folgen wollten. Denn in Zeiten spektakulärer Pleiten prüfen Aktionäre die Bilanzen aller Gesellschaften auf Herz und Nieren. " Die Verschuldungs-Problematik gerät jetzt in den Blickpunkt" , sagt Matthias Jörss, Stratege bei Sal. Oppenheim. " In den 90er Jahren war es unproblematisch, zu Gunsten des Wachstums Miese zu machen. Jetzt wird das Rad zurück gedreht." Diese Botschaft dürfte bei den Konzernen schon angekommen sein. Doch beherzigt haben sie bislang die wenigsten. Nicht nur bei Daimler tun sich Abgründe auf - nahezu alle Dax-Unternehmen haben in den letzten Jahren weit über ihre Verhältnisse gelebt und Milliarden von Verbindlichkeiten aufgetürmt. Der Schuldenberg ist im vergangenen Jahr auf 1468 Mrd. Euro angewachsen. Im Klartext: 30 Unternehmen haben Schulden, die zwei Dritteln des Bruttoinlandsprodukts von 82 Millionen Deutschen entsprechen.

      Allein gegenüber dem Jahr 2000 kletterten die Verpflichtungen um fast 50 Prozent. Treiber dieser ungesunden Entwicklung waren neben sämtlichen Autoherstellern vor allem die Technologie-Konzerne. Aber auch bei defensiven Unternehmen wie Fresenius Medical Care lauert die Schuldenfalle. Die Rating-Agentur Moody`s bewertet die Kreditwürdigkeit von FMC nur noch mit " Ba3" . Das ist das schlechteste Rating im gesamten Dax und liegt nur noch knapp vor der Bonität Bulgariens. Bei RWE schlug die Shopping-Tour zu Buche; Moody`s reagierte mit der Androhung einer Herabstufung. Insgesamt schossen - die Banken und Versicherungen wegen ihres die Statistik verzerrenden Kreditgeschäfts ausgenommen - bei zwölf Unternehmen die Schulden zweistellig in die Höhe. Bei zwei Gesellschaften legten sie einstellig zu. Elf Konzerne konnten ihr Schuldenlevel halten oder drücken - den Gesamteindruck damit aber nicht verbessern.

      Zwar rechnet kein Experte mit einer Schieflage eines Dax-Unternehmens. Doch die Performance vieler Aktien dürfte auch in Zukunft unter den exzessiven Schulden leiden. Bestes Beispiel ist die Deutsche Telekom, deren Kurs seit Monaten nicht vom Fleck kommt. Beim Schuldenkönig Daimler-Chrysler ist die Rallye zuletzt ins Stocken geraten. Durch die Chrysler-Restrukturierung haben sich die finanziellen Belastungen massiv erhöht. Die angekündigte Übernahme von Mitsubishi droht die Masse von Verbindlichkeiten um weitere zehn Mrd. Euro anschwellen zu lassen. Nach Ansicht von Experten kann nur der Abbau von Schulden das Vertrauen der Aktionäre wiederherstellen. Positiv hervorgetan haben sich in diesem Zusammenhang bereits BASF und Henkel, die sich für die Entschuldung von Töchtern getrennt haben. Strategen hoffen, dass andere Konzerne bald nachziehen.

      Tatsächlich tut Eile not. Denn mit der erwarteten Zinswende wird sich bei den Unternehmen das Schuldenproblem verstärken. Und bei steigenden Kreditkosten werden die Investoren über das Schuldenloch bei den Gesellschaften noch weniger hinwegsehen.
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 20:04:43
      Beitrag Nr. 1.087 ()
      -----------

      Neues vom Hypothekenrefinanzierungsboom


      Von Claus Vogt

      Nach Angaben der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) wurden mehr als 3/4 aller derzeit ausstehenden Hypotheken auf Einfamilienhäuser in den USA in dem kurzen Zeitraum zwischen Anfang 2001 und Mitte 2003 vergeben. Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Während die Schuldner die niedrigen Zinssätze der vergangenen Jahre in großem Stil genutzt und somit Grund zur Freude haben, müssen die Gläubiger auf riesigen Beständen niedrigverzinster Kredite sitzen. Das drückt natürlich die Gewinnspanne und macht die entsprechenden Portfolios in hohem Maße anfällig für Verluste, sobald die Zinsen steigen sollten. Außerdem wird aus diesen Zahlen klar, daß eine weitere Runde im Refinanzierungskarussell jetzt kaum noch möglich sein wird. Dazu müßten die langfristigen Zinsen sehr deutlich fallen, was aus mehreren Gründen wenig wahrscheinlich ist. Natürlich bestätigen diese Zahlen auch den von uns schon mehrfach beschriebenen ungewöhnlich großen Einfluß des Hypothekenbooms auf die US-Wirtschaft während der vergangenen 2 1/2 Jahre. Er ist offensichtlich der Schlüssel zur Erklärung des überraschend robusten Konsumentenverhaltens im Anschluß an das Platzen der Aktienspekulationsblase.

      Hunderte von Milliarden an Kredit-Dollars flossen aus dieser hochriskanten Quelle in die Taschen der Konsumenten und von dort aus direkt weiter in den Konsum. Der Präsident der US-Notenbank, Alan Greenspan, kommentierte diesen Zusammenhang am 6. November wie folgt: „Fortunately, a vibrant housing market lifted construction activity and, by facilitating home equity extraction, provided extra support to consumer spending.“ (Glücklicherweise hat ein boomender Wohnungsmarkt die Bauaktivitäten belebt und durch die Erleichterung, Kapital aus der Wohnimmobilie zu ziehen, eine extra Stütze für die Konsumausgaben geliefert.). Bezeichnenderweise ist der mächtigste Notenbanker der Welt also höchstzufrieden mit der am US-Immobilienmarkt sichtbar werdenden Inflation und damit, daß Millionen gutgläubiger US-Bürger ihr Häuschen gewissermaßen häppchenweise verkonsumieren. Haben Sie schon mal daran gedacht, für eine nette Fernreise oder einen schicken Sportwagen Ihr Haus aufs Spiel zu setzen? Sieht so das Fundament einer tragfähigen Wirtschaftserholung aus?


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.

      [ Dienstag, 16.12.2003, 16:05 ]

      http://www.instock.de/Nachrichten/10136917.html
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 20:09:47
      Beitrag Nr. 1.088 ()
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      Schamlose Gummipuppen
      jagen täglich eine Sau durchs Dorf



      Schenkelklopfend liegt die Politikerclique unter den Tischen und feixt um die Wette über die Säue, die sie fast täglich durch das Dorf Deutschland jagen. Die von ihnen auf diese Weise veranstalteten Betrugskampagnen gegen ihr alle 4 Jahre an die Wahltröge gelocktes Stimmvieh eignen sich vorzüglich, von ihren wahren Machenschaften abzulenken. Ihre abgefeimte Strategie - lange in Parteienintrigen trainiert - hat klar umrissene Ziele:

      1. Ran an die Steuertöpfe zur Ausplünderung, die den eigenen Luxus und Wohlstand sichert. Der Machterhalt für sich selbst, für die eigene Clique und für die am Machterhalt beteiligten Lobbyisten ist dabei oberstes Gebot, weil es den Nachhaltigkeitsfaktor der eigenen Bereicherung sichert.

      2. Zur Ablenkung von der schamlosen Selbstbedienung, Bereicherung und gezielten Steuergeldverschwendung ist jedes Mittel recht. Bewährt ist der Ruf "Haltet den Dieb!". Dabei wird nicht nur der (angeblich) politische Gegner diffamiert, sondern bevorzugt werden zur eigenen Belustigung gesellschaftliche Gruppen auf einander gehetzt: Jung gegen Alt, Ost gegen West, Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer, Kinderlose gegen Kinderreiche, Gesunde gegen Kranke, Patienten gegen Ärzte, Nichtraucher gegen Raucher etc. Solidarität definieren sie in den Grenzen von virtuellen Aquarien, in die sie die von ihnen ausgegrenzten Gruppen stecken und aufeinander einschlagen lassen.

      3. Demokratie wird so definiert, dass sie dem Stimmvieh grundsätzlich alle vier Jahre nur an einem von ihnen festgelegten Sonntag Zurechnungsfähigkeit attestieren. In der übrigen Zeit ist das Stimmvieh entmündigt und hat das Maul zu halten. "Der Mann auf der Strasse versteht das ja alles gar nicht..."

      4. Das wichtigste Instrument, das der mal pathetisch, mal polternd, kumpelhaft, zynisch oder einfach nur ignorant auftretende Politikerhaufen einsetzt, ist neben der Diffamierung (Faulpelze, Anspruchsdenken, Sozialschmarotzer, Neidkomplex...) die Lüge. Im Vertrauen darauf, dass das missbrauchte Stimmvieh sich nicht an jede durchs Dorf gejagte Sau erinnern wird, nutzen sie dieses Verfahren jenseits aller Schamgrenzen aus, koste es was es wolle, Hauptsache, es kostet sie selbst nichts........

      5.......
      http://www.schamgrenze.info/Scham.htm
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 20:30:40
      Beitrag Nr. 1.089 ()
      Nichts wie weg

      Unternehmen verlagern auch Bürojobs ins Ausland
      (und wenn es da zu (teuer)geheuer)werden sollte , bleibt für ein Umzug noch der Mond und der Mars übrig. Vielleicht gibt es ja die grünen Marsmenschen?:( :D )

      Die Tendenz wird von beiden Seiten angetrieben: Die Unternehmen im Westen schieben, die Schwellen- und Entwicklungsländer ziehen.


      Von Walter Ludsteck



      (SZ vom 17.12.2003) — Fast gleichzeitig trafen dieser Tage drei Nachrichten zusammen: Erstens will Siemens einen großen Teil seiner Software in den neuen EU-Beitrittsländern entwickeln lassen.

      Zweitens wird IBM mehrere tausend Programmierer-Arbeitsplätze von den USA nach Asien verlagern. Drittens hat sich die in Genf abgehaltene UN-Konferenz zur Informationsgesellschaft das Ziel gesetzt, die Ausbreitung von Computer, Internet und Telekommunikation in der Dritten Welt zu beschleunigen.

      Die Informationen haben nichts miteinander zu tun, spiegeln aber dennoch einen gemeinsamen Trend wider: Die mit der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) einhergehende Auswanderung von Beschäftigung aus den Industriestaaten in weniger entwickelte Länder.



      Vorbilder Indien, Korea und Taiwan
      Auf die Verlagerung der Produktion folgt das Outsourcing von Dienstleistungen. Nach dem Personal am Fließband trifft es die Mitarbeiter im Büro. Die Tendenz wird von beiden Seiten angetrieben: Die Unternehmen im Westen schieben, die Schwellen- und Entwicklungsländer ziehen.

      Was die allermeisten von über 150 Länder nach Genf getrieben hatte, war der – berechtigte – Wunsch, stärker an den Vorzügen der IKT teilzuhaben. Viele von ihnen verbinden damit die Hoffnung, sich als Outsourcing-Standort etablieren zu können. Vorbilder sind Indien auf dem Gebiet der Software sowie Korea und Taiwan im Hardware-Sektor.

      Fasziniert beobachten asiatische Länder von Bangladesh bis Malaysia, aber auch Teile der ehemaligen Sowjetunion und andere osteuropäische Regionen den rapiden Aufstieg dieser Staaten in die High-Tech-Welt.

      Indien beschäftigt inzwischen rund 700 000 Menschen in der IKT-Branche und damit etwa gleich viele wie Deutschland. Korea und Taiwan sowie in zunehmendem Maße China zählen zu den wichtigsten Herstellern von PCs und Computerzubehör.

      Wenn nun zahlreiche andere Länder diesen Vorbildern nacheifern, mag dies viel mit Wunschträumen zu tun haben. Es trifft sich aber mit dem erhöhten Interesse der Industriestaaten an einer Auslagerung von Dienstleistungen. Zwar werkeln schon seit über einem Jahrzehnt indische Software-Ingenieure an Computerprogrammen für westliche Firmen, doch das Outsourcing hat in letzter Zeit deutlich zugenommen. Vor allem aus drei Gründen.

      Zum einen machen unter dem Druck der Konjunkturflaute und des damit verbundenen Preiskampfes zusehends auch kleine Firmen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Zum anderen weitet sich der Kreis der Auftraggeber, dessen Kern anfänglich die USA und Großbritannien gebildet hatten, auf immer mehr Länder aus.

      Und schließlich konzentrieren sich Unternehmen verstärkt auf ihre Kernkompetenzen und geben andere Bereiche ab.

      Geschäftsprozess-Outsourcing heißt der letztere Trend im Fachjargon – und er dürfte nach Meinung der Experten die weitgehendsten Auswirkungen haben.

      Ging es in den Anfängen der Dienstleistungs-Auslagerung darum, einzelne und einfache Datenverarbeitungs-Aufgaben kostengünstig in der Dritten Welt erledigen zu lassen, so werden dort inzwischen selbst komplexe Forschungsprojekte abgewickelt. Und in zunehmendem Maße geht das Outsourcing über die Domäne der Computerbranche hinaus.

      Es werden Verwaltungs- und Dienstleistungsprozesse ausgelagert, wie sie in allen Unternehmen existieren – Rechnungswesen, Personalverwaltung oder Materialbeschaffung. Was vor Jahren noch unmöglich erschien, ist durch Internet und standardisierte Prozesse machbar geworden.

      Und es wird gemacht. Die neue Outsourcing-Welle bei Dienstleistungen hat auch in Deutschland begonnen. Sie wird viele Jobs kosten. Und im Gegensatz zur industriellen Auslagerung kann die Bundesrepublik nicht mit einer Kompensation durch begleitende Exporte rechnen.

      Haben die hiesigen Autokonzerne und Zulieferer deutsche Maschinen nach Mexiko und anderswo mitgenommen, um dort zu produzieren oder haben deutsche Anlagenbauer neue Werke in Schwellenländern hochgezogen, wird dieser Effekt im IKT-Sektor weitgehend fehlen.



      Siemens profitiert
      Deutschland kann den Risiken des neuen Auslagerungstrends nicht entgehen, aber von den Chancen wohl nur minimal profitieren. Denn Chancen gibt es auch.

      Die auf der UN-Konferenz verkündete Absicht, bis 2015 weltweit alle Ortschaften zu vernetzen und zumindest der Hälfte der Weltbevölkerung die IKT-Nutzung zu ermöglichen, stellt ein riesiges Beschaffungssprogramm für Computer, Software und Telekommunikationsprodukte dar.

      Doch außer dem Siemens-Konzern dürften kaum andere deutsche Unternehmen davon profitieren. Zwar besitzt Deutschland mit der SAP noch einen zweiten Global Player auf diesem Gebiet, doch der Walldorfer Softwarehersteller kommt für diese Erstausrüstung nicht in Frage.

      Mehr weltweit agierende Unternehmen hat die Bundesrepublik jedoch auf diesem zukunftsträchtigen Sektor – von einigen kleinen Spezialisten abgesehen – nicht. Sie wird deshalb nur eine passive Rolle spielen.
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/683/23660/
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 20:42:51
      Beitrag Nr. 1.090 ()
      Parmalat-Gründer Tanzi

      Tiefer Fall eines Vorzeigeunternehmers

      Calisto Tanzi legte alle Ämter nieder. Mitglied des Verwaltungsrats, Vorstandschef, Präsident – der Parmalat-Gründer räumte sämtliche Posten in dem von ihm geschaffenen Nahrungsmittel-Imperium.

      Von Ulrike Sauer



      (SZ vom 17.12.03) — Auf den schwindelerregenden Aufstieg des Milchzaren aus Parma folgt ein noch bodenloserer Fall. Den Konkurs vor Augen zeigte sich Tanzi einsichtig: Sein Abgang sei ein „notwendiges Opfer, denn Parmalat benötigt jetzt eine Wende“, meinte er.

      Herbeiführen soll diese der erfahrene Sanierer Enrico Bondi, Italiens namhaftester Konzernretter. Dem Toskaner übergab Tanzi die volle Macht über sein Unternehmensreich, dessen Aktienkapital er zu rund 52 Prozent kontrolliert.



      Die Ausnahmeerscheinung
      Tanzi, Sohn eines kleinen Wurst- und Konservenfabrikanten aus dem winzigen Collecchio bei Parma, galt in der an erfolgreichen Großunternehmen armen italienischen Industrielandschaft immer als Ausnahmeerscheinung. Als der Papa 1961 schwer erkrankt, gibt er mit 21 das Wirtschaftsstudium auf und geht in den väterlichen Betrieb. Doch mit den Schinken kann er nicht viel anfangen. Und so gründet der tüchtige Bursche wenige Monate später eine Molkereifirma.

      Fortan stellt der junge Tanzi ein ungewöhnliches Talent und ein großes unternehmerisches Gespür unter Beweis. Er führt in Italien die Abfüllung in Tetrapack-Kartons ein und lanciert die H-Milch. Früh setzt er auf den Aufbau der Marke und die Expansion ins Ausland. Als einer der ersten entdeckt er den Sport als Publicity-Vehikel, sponsert Gustav Thoeni und Niki Lauda und macht schließlich den Provinzklub AC Parma zur Fussball-Weltmarke.



      Größer als Barilla
      Aufgebaut hat Tanzi in Italiens nebelverhangener Schinkenmetropole den größten Nahrungsmittelkonzern des Landes - größer als der ortsansässige Nudelgigant Barilla oder Schokoladen-Multi Ferrero aus dem Piemont. 7,6 Milliarden Umsatz erwirtschaftete Parmalat 2002 und avancierte damit in Europa hinter Nestlé, Unilever und Danone zur Nummer vier.

      Einher ging der industrielle Gipfelsturm mit der Errichtung eines vollkommen undurchsichtigen Finanzlabyrinths. Doch trotz manch unüberlegter Akquisition gilt Parmalat durchaus als wettbewerbsfähig. Zu versinken droht Tanzi mit seinem Lebenswerk in einem Schuldenmeer, dessen Tiefe Nachfolger Bondi nun ausloten muss.

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/677/23654/
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 20:59:25
      Beitrag Nr. 1.091 ()
      Schlechte Noten

      Kritiker werfen Ratingagenturen vor, Krisen zu verschärfen


      VON MARIO MÜLLER






      Unzufriedenheit bei Thyssen-Krupp (dpa)


      Dreht euch nicht um, denn der Rating-Plumpsack geht rum ? Wenn die kommerziellen Agenturen auf den Plan treten, die behaupten, die Kreditwürdigkeit von Unternehmen oder staatlichen Institutionen beurteilen zu können, wurde bislang meist gekuscht. Schließlich hängt von ihrer Notengebung das Wohl und Wehe der Schuldner ab.

      Doch zunehmend geraten die selbstherrlichen Wächter der Kapitalmärkte in die Kritik. So musste sich die neben Moody`s führende US-Ratingagentur Standard & Poor`s (S & P) erst einen Rüffel der Bundesbank gefallen lassen und wurde anschließend in einem Gutachten, das drei deutsche Konzerne in Auftrag gaben, der falschen Einordnung von Pensionsverpflichtungen bezichtigt.

      Längst hat sich herumgesprochen, dass Firmen-Ratings mit Vorsicht zu genießen sind, weil die Agenturen immer wieder schief liegen, wie etwa bei Riesenpleiten à la Enron. Neuere Untersuchungen (siehe Textende) des Ökonomen Roman Kräussl zeigen nun, dass sie auch bei der Einschätzung von Länderrisiken eine dubiose Rolle spielen. Gleichwohl schanzen ihnen staatliche Regulatoren noch mehr Einfluss zu.

      Dabei bildet die Branche nach Ansicht der Bafin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, schon jetzt die "größte unkontrollierte Machtstruktur im Weltfinanzsystem". Moody`s, S&P sowie der wesentlich kleinere Anbieter Fitch entscheiden letztendlich darüber, wohin das internationale Kapital fließt. Viele Großanleger dürfen nur in Anleihen solcher Unternehmen und Staaten investieren, die von den Agenturen ein Gütesiegel erhalten, wie etwa der Bundesrepublik, die soeben von S & P wieder die Bestnote erhielt. Je höher die Einstufung, desto weniger Zinsen muss der Schuldner zahlen.

      Ihre herausgehobene Funktion wäre allenfalls zu akzeptieren, wenn die Agenturen über besondere Informationen verfügten. Doch davon kann keine Rede sein. So werteten Moody`s und S&P die so genannten Tigerstaaten erst ab, als die südostasiatischen Währungsturbulenzen Mitte 1997 bereits offen ausgebrochen waren. Damit trugen sie Kräussl zufolge wiederum dazu bei, die Krise zu verschärfen. Denn die Gläubiger zogen sich, dem Rating-Signal folgend, ausgerechnet in einer Situation zurück, in der die betroffenen Länder auf finanzielle Unterstützung angewiesen waren.

      Dieser prozyklische Effekt wird durch die geplante Eigenkapitalrichtlinie für Kreditinstitute - Basel II genannt - noch verstärkt, meint Kräussl, der derzeit unter anderem beim Center for Financial Studies in Frankfurt arbeitet. Basel II gibt den Banken - sofern sie nicht eigene Methoden entwickeln - auf, ihre Risiken aus Forderungen anhand der Urteile von Ratingagenturen zu bewerten. Für Kredite an zahlungskräftige, "gute" Schuldner müssen sie weniger Eigenkapital vorhalten als für schwächere Geschäftspartner. Dies führt dazu, dass die Geldhäuser, wenn die Wirtschaft brummt, über einen Kapitalspielraum verfügen, der ihnen die Vergabe weiterer Darlehen erlaubt, während sie ausgerechnet in der Rezession den Geldhahn zudrehen müssen und damit die Talfahrt beschleunigen.

      Wäre Basel II bereits Mitte der neunziger Jahre implementiert worden, hätten die Turbulenzen an den Finanzmärkten zwischen Sommer 1997 und Sommer 1999 weitaus dramatischere Dimensionen angenommen, leitet Kräussl aus seinen Studien ab. Deshalb werde das Regelwerk "nicht zu mehr Stabilität in der internationalen Finanzarchitektur, sondern vielmehr zu einer Verschärfung von Finanzkrisen in Emerging Markets beitragen". Kräussl plädiert dafür, stattdessen die bankinterne Risikobeurteilung zu verfeinern. Dies wäre zumindest ein erster Schritt, um den Ratingagenturen das Wasser abzugraben.

      Sovereign Risk, Credit Ratings and the Recent Financial Crises in Emerging Markets: Empirical Analysis and Policy Conclusions, Fritz-Knapp-Verlag, 29,65 Euro, und diverse Veröffentlichungen unter ifk-cfs.de

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 21:10:55
      Beitrag Nr. 1.092 ()
      Eiszeit bei Vaillant

      Heizgerätehersteller will seinen voll ausgelasteten Drei-Schicht-Betrieb in Gelsenkirchen schließen und in Niedriglohnländern produzieren / Bevölkerung entrüstet


      VON MANFRED WIECZOREK



      "Das ist Profitgier, das ist nicht mehr gesund, und dagegen müssen wir uns wehren." Mit deutlichen Worten kritisiert der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) den Heizgeräte-Hersteller Vaillant. In der Ruhrgebietsstadt mit einer Arbeitslosenquote von rund 16 Prozent versteht niemand, warum das Werk im nächsten Jahr dicht gemacht werden soll und 243 Menschen ihren Job verlieren.

      Kurzerhand hat OB-Wittke den Rat der Stadt letzte Woche zu einer Sitzung im Zelt vor dem Vaillant-Stammsitz in Remscheid einberufen: "So wollen wir zeigen, dass die gesamte Stadt mit ihren 273 000 Einwohnern hinter der Belegschaft steht."

      Das Werk sei kerngesund, so Betriebsrat Jochen Bartsch. Zurzeit ist die Nachfrage nach den Gaswandgeräten aus Gelsenkirchen so hoch, dass drei Schichten gefahren werden müssen. Zusätzlich wurden 15 Arbeitsplätze befristet eingerichtet. Alles mit Zustimmung des Betriebsrates. Mit dieser Belegschaft, so das Signal, kann eine Firma erfolgreich arbeiten. "Das Management wartet nur auf unbedachte Aktionen, um kündigen zu können", warnt Bartsch vor Arbeitsniederlegungen.

      Im Jahre 1999 war die Vaillant-Welt in Gelsenkirchen noch in Ordnung, wurde der Betrieb als "bester Serienfertiger" ausgezeichnet. Vaillant heimste den Ludwig-Erhard-Preis für besondere unternehmerische Leistungen ein. Produkte der Sparten Solar- und Brennstoffzellentechnik erhielten Umweltpreise. Nun sollen mit der Werksschließung laut Betriebsrat 1,8 Millionen Euro gespart werden.

      Das Unternehmen mit dem Hasen als Markenzeichen verfolgt schon seit Jahren das Ziel, in Europa die Nummer eins auf dem Heizgerätemarkt zu werden. So wurde 2000 durch Zukauf einer britischen Firma aus Vaillant die Vaillant-Hepworth Group. Im nächsten Jahr solle ein Produktivitätsfortschritt erzielt werden, der dem Unternehmen 30 Millionen Euro bringe, so Vaillant-Sprecher Ebrulf Zuber. Profitables Wachstum, optimierte Kosten und Kapitaleffizienz verbunden mit einer Innovationsoffensive, so lauten die Schlagworte in der Firmenzentrale.

      Wohin die Reise geht, ist für Betriebsrat Bartsch klar: "Nach Osteuropa. Billige Arbeitskräfte und ein Riesenmarkt vor der Haustür." Er wisse, dass langfristig die Wandgeräteproduktion in Osteuropa konzentriert werden solle. Spekulationen, die Firmensprecher Zuber teilweise bestätigt: "Die Wandgeräte-Fertigung wird nach Remscheid verlagert und ein vorhandenes Werk in der Slowakei ausgebaut." Allerdings, räumt er ein, solle die kostenintensive Module-Fertigung nach Osteuropa ausgelagert werden.

      Bei eisigen Temperaturen tagte der Stadtrat im Zelt vor dem Firmensitz in Remscheid und verabschiedete einstimmig eine Resolution gegen die Werksschließung in Gelsenkirchen. Um vor Ort Solidarität zu zeigen, hatte die IG Metall (IGM) Belegschaften weiterer Betriebe mobilisiert. Auch die gegen die Werksschließung gegründete Bürgerinitiative (BI) war dabei. "Man muss am guten Ruf des Unternehmens kratzen", erläutert Dieter Heisig die Strategie der BI. Deshalb werde man vor Baumärkten informieren, aber auch Naturschutzverbände anschreiben. "Vaillant heimst Preise für den Umweltschutz ein und verhält sich sozial verantwortungslos. Auf diesen Widerspruch werden wir hinweisen." Das will auch der grüne Kreisverbandsvorsitzende Matthias Schmitz: "Wir werden unsere Fraktionen in den Räten und im Landtag auffordern, bei Ausschreibungen die Politik der Firma Vaillant zu berücksichtigen." Die Gelsenkirchener Innungen für Elektro- sowie Heizungs- und Sanitärtechnik werden keine Geräte mehr empfehlen, "von einem Hersteller, der moralische Verantwortung außer Acht lässt", heißt es in einem Brief an den OB. Der Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Emscher-Lippe, Josef Hülsdünker, fürchtet, Vaillant könne Schule machen: "Das wäre fatal. Es könnte andere Unternehmen ermutigen, ähnlich dreist vorzugehen." Osteuropa könne künftig nicht nur mit Märkten und billigen Arbeitskräften, sondern auch mit Fördermitteln der Europäischen Union locken.

      Vaillant-Sprecher Zuber hat Verständnis für die Sorgen, betont aber, dass es um die Positionierung des gesamten Unternehmens gehe: "Wir müssen rechtzeitig das Richtige tun." Für Gelsenkirchen werde geprüft, die Ersatzteilfertigung mit 44 Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 21:30:27
      Beitrag Nr. 1.093 ()
      Filmfonds für Reiche
      Steuern sparen mit dem Herrn der Ringe

      :mad: :mad:

      http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/24/0,1872,2089880,00.html

      Wenn an diesem Donnerstag in Deutschland der dritte Teil der Hollywood-Produktion "Der Herr der Ringe" anläuft, können sich auch deutsche Investoren freuen: Dank eines Steuerschlupflochs können deutsche Besserverdienende Millionen Euro an Steuern sparen, wenn sie in Filmfonds investieren. Der Blockbuster "Herr der Ringe" wird vom deutschen Fiskus mit über 100 Millionen Euro subventioniert - fast ohne Risiko für die Abschreibungsprofis. Beim Kampf um Mittelerde gibt es einen klaren Verlierer: den deutschen Steuerzahler. Frontal 21 über einen Kassenschlager und den deutschen Steuerirrsinn.
      IM CHAT: Stefan Loipfinger, Fondsanalyst

      330 Millionen Dollar hat die Hollywoodtrilogie "Herr der Ringe" gekostet. Die Premiere war am vergangenen Mittwoch in Berlin. Die Fans, die dort jubelten, ahnten wohl nicht, wer die Millionengagen der Stars und die teuren Spezialeffekte bezahlt hat. Sie waren es selber: die deutschen Steuerzahler.




      Frodo - Star der Hollywoodtrilogie "Herr der Ringe"






      Und das geht so: Wir sind bei einem deutschen Spitzenverdiener zu Gast, der nicht erkannt werden will. Der Mann verdient viel und möchte weniger Steuern zahlen.


      Filmfonds "Herr der Ringe"
      Er erklärt uns, wie man das machen kann: "Wir hatten eigentlich ein sehr schönes Problem. Wir hatten nämlich sehr viel Geld verdient und mussten aber noch höhere Rücklagen bilden für die Steuer. Da ist unsere Sparkasse auf uns zugekommen und hat gefragt: `Sagt mal, da gibt es einen Filmfonds `Herr der Ringe`, wäre das nicht was für euch?` Der hat unglaubliche Vorteile. Man zahlt jetzt einmal eine ziemlich große Summe, kriegt sie im nächsten Jahr mit einem dicken Aufschlag zurück vom Finanzamt und dann hört man nie wieder davon."


      Der Trick: Hollywood-Filme wie "Der Herr der Ringe" werden mitfinanziert durch ein gewaltiges Steuergeschenk des deutschen Finanzministers. Besserverdienende investieren in Filmfonds, um weniger Steuern zahlen zu müssen.


      Inhaber-Schuldverschreibung
      "Man braucht eigenes Geld, um da Steuern sparen zu können. Wir haben 64.000 gehabt, und damit konnten wir einen Anteil von insgesamt 150.000 an `Lord of the Rings Teil 3` finanzieren", erklärt unser Filmfonds-Anleger.


      Eine so genannte Inhaber-Schuldverschreibung macht es möglich, dass der Investor, ohne selbst gezahlt zu haben, die höhere Summe als Steuerverlust angeben kann. "Das hat dazu geführt, das wir in dem Jahr die ganze Summe, die 150.000, beim Finanzamt ansetzen konnten als Werbungskosten. Und da wir im Spitzensteuersatz waren, haben wir dadurch knapp 79.000 gespart. Wir haben also 64.000 eingesetzt und haben mit der nächsten Steuererklärung 79.000 zurückgekriegt, das sind knapp 24 Prozent Rendite."


      "Der Schatz wird unser sein!"
      Es ist ein Rendite-Schatz aus Steuermitteln, zum Nutzen reicher Anleger und amerikanischer Produzenten - dank Hans Eichels Steuergeschenk.




      Stefan Loipfinger



      Fonds-Analyst Stefan Loipfinger erklärt uns das Prinzip: "In Zahlen ausgedrückt: Zwei Milliarden Euro fließen ungefähr in die USA, nach Hollywood. Eine Milliarde von diesen zwei Milliarden zahlt erst mal Hans Eichel über Einkommenssteuerausfälle."

      Deutsche Filmwirtschaft
      Das Bundesfinanzministerium will eigentlich die deutsche Filmwirtschaft fördern. Doch in Wirklichkeit bezahlen deutsche Steuerzahler ein Fünftel aller Hollywood-Filme. Filme wie Chicago, Terminator, Mission Impossible und Gangs of New York wurden mitfinanziert von Hans Eichel - auf Kosten der Steuerzahler.




      "German Stupid Money" macht Golom glücklich






      Loipfinger kennt die Praxis: "In Hollywood gibt es den Begriff `German Stupid Money`, also dummes deutsches Geld. Dieser Begriff hat sicher auch seine Berechtigung, weil auch in Deutschland viele nicht verstehen, warum der deutsche Fiskus hier amerikanische Produktionen mit deutschen Steuergeldern so stark unterstützt."


      teil 2




      Doch die Fans haben unwissentlich bereits viel mehr gezahlt. Begeistert sind die Fans von dieser Vorstellung nicht: "Das find` ich gar nicht gut, weil ich der Meinung bin, dass sich die drei Filme von alleine tragen, dass die genug Geld einspielen, dass das nicht unbedingt mit Steuern finanziert werden muss."




      Europa-Premiere in Berlin






      Es erscheint absurd: Die Firma, die den Fonds für den "Herrn der Ringe" vertreibt, ist die 50-prozentige Tochter einer Staatsbank, der hessischen Landesbank Helaba. Sie hilft also mit, dass deutsche Steuerzahler Milliarden an Hollywood-Produzenten verlieren. Die Bank verweigert Frontal21 eine Stellungnahme.


      Eichel hilflos
      Das Finanzministerium versuchte mehrfach mit mäßigem Erfolg, die Traumrenditen zu kappen. "Es gab seit 1999 schon verschiedenste Versuche von Seiten der Politik beziehungsweise der Finanzverwaltung, dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben oder das anders zu lenken", berichtet uns Loipfinger. "Nur leider, die Erfolge waren sehr, sehr bescheiden. Denn wenn man sich anschaut, wo heute das Geld hinfließt im Vergleich zu damals, dann hat sich daran nichts geändert. Auch heute, von den neuen Medienfonds, fließt das meiste Geld nach Hollywood."


      Und so sagt prophetisch in "Herr der Ringe Teil 3" Elrond zu Arwen: "Nichts ist gewiss". Und sie antwortet: "Manche Dinge sind gewiss." Und Recht hat sie - nämlich die Steuergeschenke, die immer noch Rendite versprechen.


      Deutsche Staatsbank mischt mit
      Auch die US-Fernsehserie "Law and Order" wird mit deutschem Fonds-Geld produziert. Die Fondsgesellschaften finden weiterhin Schlupflöcher, um Amerikas Filmindustrie mit deutschem Steuergeld zu subventionieren.




      Deutsche Steuergelder in Hollywood






      Und wieder ist es eine deutsche Staatsbank, die Nord/LB, die hinter dem "Law-and-Order"-Fonds steckt - zum Schaden der Staatskasse. Auch von der Nord/LB erhalten wir kein Interview.

      Weiter absahnen
      Zurück zum "Herrn der Ringe": Weil der dritte Filmteil "Die Rückkehr des Königs" 75 Millionen Euro teurer wird als geplant, können die Fondszeichner dem Finanzamt wieder ein Schnippchen schlagen.




      German Stupid Money auch bei Columbia



      Auch der Fonds-Gesellschafter, der unerkannt bleiben will, bekommt das Angebot, noch einmal abzusahnen. Er darf erneut Geld für den "Herrn der Ringe" investieren - mit Gewinngarantie: "Diesen Brief haben wir jetzt bekommen, kurz bevor `Die Rückkehr des Königs` in die Kinos kommt. Der Clou ist natürlich, wie auch schon, als der Fonds aufgelegt wurde: Die Gesellschafter zahlen es gar nicht, sondern die machen immense Werbungskosten geltend und damit finanziert das Finanzamt diese Summe vor."


      Eines der aufwendigsten Filmprojekte aller Zeiten ist ein Abschreibungsprojekt mit freundlicher Unterstützung vom deutschen Steuerzahler.


      von Hans Koberstein, Ulrich Stoll


      :mad: :mad: :mad:
      (ah , wie war das, die Reichen zahlen viel zu viel Steuern
      in Deutschland.Es müsste heißen: Auf Kosten der normalen Steuerzahlern(die "gelackmeierten")verdienen die Reichen sich dumm und dämlich.
      Eichel hilflos
      " Das Finanzministerium versuchte mehrfach mit mäßigem Erfolg, die Traumrenditen zu kappen. "Es gab seit 1999 schon verschiedenste Versuche von Seiten der Politik beziehungsweise der Finanzverwaltung, dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben oder das anders zu lenken", berichtet uns Loipfinger. "Nur leider, die Erfolge waren sehr, sehr bescheiden. Denn wenn man sich anschaut, wo heute das Geld hinfließt im Vergleich zu damals, dann hat sich daran nichts geändert. Auch heute, von den neuen Medienfonds, fließt das meiste Geld nach Hollywood." "

      Gesetze, die Nachteile für die kleinen Leute bringen, schaffen sie auf Anhieb, Gesetze um Steuerschlupflöcher für die Reichen zu schließen, kriegen sie nicht auf die Beine. Wieso ? Vorsatz oder Dummheit? Bestehen Interessenkonflikte?
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 21:47:46
      Beitrag Nr. 1.094 ()
      Ärger wegen amerikanische Auftragsvergabe

      Schuldenerlass für den Irak in Sicht
      (Deutschland hat ja genug Geld zu verschenken, Gott sei dank gibt es den deutschen Steuerzahler)

      Berlin und Paris sind totz der Differenzen wegen des Irak-Kriegs zu einem wesentlichen Erlass der milliardenschweren irakischen Auslandsschulden bereit. Die US-Regierung begrüßte die Bereitschaft beider Länder und versprach, im Gegenzug ihren Teil zu leisten.

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 21:57:25
      Beitrag Nr. 1.095 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Katzenjammer

      Nach »Steuerkompromiß« droht auch Bahndesaster


      Nachdem die ersten Jubelarien auf die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses zum Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform verklungen sind, macht sich nunmehr heftiger Katzenjammer breit. Offenbar ist man vielerorts vor lauter Reformbesoffenheit erst jetzt auf die Idee gekommen, das Kleingedruckte zu lesen – und das hat es in sich. Anscheinend hat die Bundesregierung sich entschlossen, das von »Fachleuten« wie Hartmut Mehdorn bereits weit vorangetriebene Zerstörungswerk im Bereich des schienengebundenen Nah- und Fernverkehrs zu vollenden. Nach Angaben von Verkehrs- und Umweltverbänden sowie der Gewerkschaft Transnet wurde bei der legendären Nachtsitzung auch die Streichung von rund 400 Millionen Euro Investitions- und Regionalisierungsmitteln sowie Pensionszuschüssen für die Bahn beschlossen. Da das LKW-Maut-Chaos ebenfalls mit mindestens 800 Millionen zu Lasten der Bahn gehen wird, steht dem Schienenverkehr ein Desaster bisher unvorstellbaren Ausmaßes bevor. Zu befürchten ist das Ende aller Ausbau- und Modernisierungspläne für das Schienennetz und die komplette Abkopplung weiterer Regionen vom Schienenverkehr.

      Wenigstens bekommt der geneigte Beobachter der »Reformdebatte« somit einen konkreten Eindruck von dem, was gebetsmühlenartig als »Subventionsabbau« gepriesen wird. Dahinter verbirgt sich – wenn man von einigen tatsächlich ökonomisch und sozial absurden Fördertöpfen wie beispielsweise für die Steinkohleförderung absieht – in der Regel der forcierte Rückzug der öffentlichen Haushalte aus der infrastrukturellen und sozialen Grundversorgung. Schließlich ist die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau nebst der damit verbundenen Einführung von Quasizwangsarbeit in der fiskalischen Logik auch nichts anderes als eine Subventionskürzung.

      An einer außergewöhnlich breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag für die mit der Opposition ausgehandelten Gesetzesvorhaben wird auch das geplante Bahndesaster nichts ändern. Sogar das inzwischen fast schon übliche Theater um die Kanzlermehrheit wird entfallen, da Gerhard Schröder diesmal darauf verzichten kann, die Vasallentreue »seiner« Abgeordneten per Rücktrittsdrohung einzufordern. Die Hofnarren dieser Regierung, die immer laut »unsozial« schimpfen, aber natürlich brav den Arm heben, wenn es um die Wurst geht, freuen sich sicherlich schon auf ihren Auftritt. Am Freitag dürfen die paar Ströbeles und Schreiners, die es in den Koalitionsfraktionen noch gibt, ganz offiziell mit nein stimmen. Schließlich macht es sich manchmal beim Wählerstimmenfang ganz gut, die Mär von den »Linken« in der Partei aufrechterhalten zu können.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-17/002.php
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 22:10:02
      Beitrag Nr. 1.096 ()
      Thema
      Winfried Wolf

      »Mehr als erwartet«

      Deutschland, einig Kapitalland. Die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses - eine Bilanz von Rot-Grün


      Die Ergebnisse der Großen neoliberalen Koalition aus SPD, Grünen, CDU, CSU und FDP, die am frühen Morgen des 15. Dezember im Vorgriff auf die formellen Beschlüsse des Vermittlungsausschusses (16.12.), des Bundestags und des Bundesrats (beide 19.12.) verkündet wurden, kommentierte der Chefvolkswirt der Hypovereinsbank, Manfred Hüfner, mit den Worten: »Das ist mehr, als im Vorfeld erwartet werden konnte.« Der Mann, der die Interessen seiner Großbankenklientel fest im Blick hat, fügte süffisant ein »großes Lob« für Bundeskanzler Gerhard Schröder hinzu, weil dieser »seine Zukunft mit dem Gelingen der Reform verbunden hat«.

      Nun ist die SPD seit der Verkündung der »Reformen« auf Umfragewerte abgesunken, die ein »Projekt 18« realistisch machen. Es muß also höheres im Spiel sein als die schnöde Gunst der Wählerinnen und Wähler, wenn ein Top-Banker des Kanzlers »Zukunft« lobpreist. Hören wir in die »Reform«-Regierungserklärung vom 14. März 2003 hinein; Schröder damals: »Wir müssen den Mut aufbringen, in unserem Land die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, um wieder an die Spitze der wirtschaftlichen Entwicklung zu kommen.« Ähnlich klang Stoiber, der nach der langen Kompromißnacht am 15. Dezember um drei Uhr früh verkündete, es habe sich »gelohnt für Deutschland«.

      Seit dem Wahlsieg von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im September 2002 wird die rot-grüne Politik neoliberaler »Reformen« in der zweiten Legislaturperiode fortgesetzt und dabei enorm dynamisiert und brutalisiert. Dies zum Ausdruck zu bringen, war die Essenz der zitierten Regierungserklärung. Auch wenn von der rot-grünen Außenpolitik – sprich: dem Tabubruch einer seit dem Zweiten Weltkrieg erstmaligen Kriegsbeteiligung deutscher Soldaten 1999 (Jugoslawien-Krieg) und unterschiedlicher anderer Bundeswehr-Auslandseinsätze – nicht die Rede sein wird, so ist diese immer mitzudenken: Das Ja zum Krieg nach außen liegt als Folie über dem forcierten Krieg im Inneren: gegen Arbeitslose, Lohnabhängige, sozial Schwache, Studierende, Ältere.

      Vereinfacht kann die neoliberale Offensive, die mit dem Ergebnis vom 15. Dezember eine wichtige Etappe erreicht hat und deren Ergebnisse Millionen Menschen ab dem 1. Januar 2004 schmerzhaft treffen werden, in sechs Strukturelementen zusammengefaßt werden.

      Einkommensverluste

      Das erste ist die Durchlöcherung der sozialstaatlichen Prinzipien von Parität und »Daseinsvorsorge«. Der bundesdeutsche Sozialstaat basiert im wesentlichen darauf, daß die Sozialversicherungen (für Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit) paritätisch von Unternehmen und Lohnabhängigen finanziert werden und der Staat Vorsorge für diejenigen zu treffen hat, die als »sozial Schwache« gelten. Unter Kohl wurde das Prinzip der Parität erstmals mit der Einführung einer »Pflegeversicherung«, die allein von den Lohnabhängigen zu finanzieren ist, unterlaufen, was damals von der SPD heftig kritisiert wurde. Inzwischen wurden unter Rot-Grün die gesetzlich garantierten Rentenhöhen gesenkt und eine privat (also einseitig) zu finanzierende ergänzende Rentenversicherung eingeführt. Die neuen Beschlüsse zur Rente laufen darauf hinaus, daß es 2004 und 2005 reale Einkommensverluste geben wird. 2005 soll auch im Gesundheitsbereich eine private Versicherung (für Zahnersatz) die gesetzliche ergänzen. Auch einzelne Maßnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung verlagern die Kosten der Erwerbslosigkeit auf die Betroffenen. In der gleichen Logik liegt der allgemeine Abbau der Daseinsvorsorge – etwa im Bereich von Erziehung und Bildung, wie er in erster Linie auf der Ebene der Bundesländer umgesetzt wird: Überall steigen die Unterbringungskosten bei Kindertagesstätten, schrittweise werden Studiengebühren eingeführt; die Lernmittelfreiheit an Schulen wird Land für Land abgeschafft. Das neue Klima wurde deutlich, als im August 2003 der Vorsitzende der Jungen Union im Rahmen des Mainstreamdenkens sagen konnte: »Ich halte nichts davon, wenn 85jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen. Früher sind die Leute auch auf Krücken herumgelaufen.«

      Die klassenpolitischen Auswirkungen dieses Maßnahmebündels bedeuten eine Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten. Die damit verbesserten Verwertungsbedingungen des Kapitals benennt der zitierte Hypovereinsbank-Chefvolkswirt mit den Worten: »Langfristig verbessern sich damit die Angebotsbedingungen in Deutschland.« Gemeint ist das Angebot der Ware Arbeitskraft.

      Krieg gegen Arbeitslose

      Ein zweites Element ist der Angriff auf Arbeitslose und Sozialhilfe empfangende Menschen. Anstelle einer staatlichen Politik gegen Arbeitslosigkeit, wie sie in der sozialdemokratischen Tradition verankert ist, kommt es zum Krieg des Staates gegen Arbeitslose. Die »Zumutbarkeitskriterien«, unter denen Arbeitslose Jobs annehmen müssen, wurden seit dem »JobAqtiv-Gesetz« unter Riester systematisch verschärft. Die Bezugsdauer von Arbeitslosenunterstützung und deren Höhe werden ab 2004 weiter reduziert. Vor allem wurde und wird mit den neuen Hartz-Gesetzen ein boomender Sektor mit Millionen Menschen geschaffen, die in unzureichend versicherten »McJobs«, in Leiharbeitsverhältnissen und als Ich-AGs zum kontinuierlichen Lohndumping gezwungen werden. Ab Januar 2004 erfolgt die Zusammenlegung der bisherigen Arbeitslosenhilfe (1,7 Millionen Menschen) mit der Sozialhilfe (2,8 Millionen Bezieher) zum Arbeitslosengeld II (auf dem Niveau der Sozialhilfe von knapp 300 Euro), das im Januar 2005 erstmals ausgezahlt wird. Damit wird ein dramatischer Verarmungsprozeß eingeleitet. Die Präsidentin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Barbara Stolterforth: »Der massivste sozialpolitische Kahlschlag seit Bestehen der Bundesrepublik. Jedes zehnte Kind wird dann ›Leistungsbezieher auf Sozialhilfeniveau‹ sein.«

      Auf Landesebene wird dies ergänzt durch Streichlisten bei Obdachlosenunterkünften, Behinderten, in der Schuldnerberatung, bei Frauenhäusern usw. Damit wird ein roter Faden in der ideologischen Begleitung der neoliberalen Offensive erkennbar – von Kohls Behauptung, Deutschland stelle einen »Freizeitpark« dar, über Schröders erste Beiträge im Rahmen der Faulheitsdebatte 2000 bis zur zitierten Regierungserklärung vom März 2003, als der Kanzler sagte: »Niemand wird es künftig gestattet sein, sich zu Lasten der Gemeinschaft zurückzulehnen.« Der Tenor lautet: Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sind an ihrem Schicksal »selbst schuld« – weil arbeitsunwillig, unflexibel, voller Anspruchsdenken. Oder auch: Das Ich wird marktgängig, ist eine Société Anonyme, eine anonyme Gesellschaft, eine Aktiengesellschaft. Die Auswirkungen des Angriffs auf Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger zeigen sich in der politischen Ökonomie als umfassende Senkung der direkten Lohnkosten: durch Lohndumping, verschärfte Konkurrenz unter Lohnabhängigen, Minijobbern, »working poor« etc.

      Ost-West-Gefälle

      Unter Rot-Grün wurde drittens die fatale Ost-West-Kluft zementiert und zum Teil vergrößert. Die Arbeitslosenquote in den »neuen Ländern« liegt beim 2,2fachen der westdeutschen Quote: im Westen bei 8,0 Prozent, im Osten bei 17,3 Prozent (Oktober 2003). Das Einkommensniveau je Haushalt liegt im Osten bei rund vier Fünfteln des westlichen. Die Ost-West-Abwanderung ist weiter hoch; seit 1998 gab es im Osten einen Bevölkerungsverlust von 500 000 Menschen; seit 1990 von drei Millionen. Weiter pendeln mehr als eine halbe Million Menschen: Wohnsitz Ost, Arbeitsort Westen. Das Lohngefälle wird durch eine staatlich unterstützte Investitionspolitik gezielt genutzt – mit Investitionen in hochproduktive »Inseln«. Netto entstehen dabei keine neuen Jobs. Auf die neu angekündigte Großinvestition in ein Halbleiterwerk in Dresden folgte eine Woche danach das Aus für eine Chip-Fabrik in Frankfurt/Oder. In Gesamtzahlen für Ostdeutschland: 1998 wies die Statistik hier noch 5,982 Millionen Erwerbstätige aus, 2002 waren es 5,740 Millionen; 2003 werden es erstmals seit der Wende weniger als 5,7 Millionen sein (trotz des – eingerechneten – Booms von Neugründern und Ich-AGs).

      Es ist bezeichnend für den eisernen Willen von Regierung und Kapital, diese Drift systematisch auszubeuten, daß selbst noch das neue Arbeitslosengeld II, dessen Niveau schlicht mit Verelendung und massenhafter Armut verbunden ist, noch fein säuberlich differenziert – nach 297 Euro pro Person im Westen bzw. 285 Euro je Person im Osten.

      Die EU-Osterweiterung wird ab 2004 das Ost-West-Gefälle verstärken. Der neue Anschluß, demgegenüber die Auswirkungen des Anschlusses der DDR 1990 wie ein putziges Vorspiel wirken könnten, wird binnen weniger Jahre Millionen Menschen zusätzlich um ihren Broterwerb bringen und diese zum Lohndumping und oftmals zum Pendeln zu Arbeitsstätten im Westen zwingen. Dies wird sich zunächst vor allem in den neuen Bundesländern negativ auswirken.

      Als im Sommer 2003 die IG Metall erstmals seit langer Zeit einen Streik verlor, da war dies ein Streik im Osten – mit der Zielsetzung der Angleichung der Osteinkommen an das westliche Niveau. Die Niederlage ist charakteristisch – für die Gefahr, daß die soziale Spaltung in der politischen Geographie die allgemeine soziale Spaltung zwischen oben und unten überdeckt und in eine Spaltung der Arbeiterbewegung und der antikapitalistischen Gegenkräfte umschlägt. Schon werden im Osten nur noch rund 50 Prozent der lohnabhängigen Beschäftigungsverhältnisse von einem Flächentarifvertrag geregelt. Die »Öffnungsklauseln«, die die Große Koalition in die Tarifverträge hineinschreiben will, sind längst flächendeckend existent. In Deutschland einig Kapitalland ist der Osten eine einzige Öffnungsklausel.

      In diesen Kontext ist die vereinbarte Aufhebung des Kündigungsschutzes für Neueingestellte in Betrieben bis zu zehn Beschäftigten zu sehen. Perspektivisch wird damit bis zu fünf Millionen Beschäftigten elementarer Rechtsschutz verweigert und in diesen Sektor das hire und fire des Manchesterkapitalismus eingeführt.

      Umverteilung von unten nach oben

      Ein viertes Strukturelement ist die Steuerpolitik von Rot-Grün. Sie hat die Umverteilung von Armen und Durchschnittsverdienern hin zu den Reichen und Unternehmen deutlich beschleunigt. Mit der Steuerreform 2000 und einzelnen steuerpolitischen Maßnahmen (Wegfall der Steuer auf Gewinne aus Beteiligungsverkäufen) wurden den Unternehmen rund 40 Milliarden Euro geschenkt – pro Jahr! Allein die Ausfälle aus der Körperschaftssteuer beziffern sich pro Jahr auf 25 bis 30 Milliarden Euro. Ein zusätzliches Steuergeschenk machte Finanzminister Hans Eichel im Herbst den Versicherungen, denen fünf bis zehn Milliarden Euro geschenkt wurden. Ein Ergebnis im aktuellen Vermittlungsausschußverfahren ist das teilweise Vorziehen der Steuersenkungen von 2005 auf den 1.1.2004. Es heißt nun: »Alle zahlen weniger Steuern«. Konkretes Rechenbeispiel: Ein Lediger, der 2003 bei 20 000 Euro zu versteuerndem Einkommen 3 235 Euro Einkommenssteuer zu zahlen hatte, wird 2004 um 340 Euro entlastet werden. Ein Lediger, der 2003 ein Einkommen von 100 000 Euro hatte, dafür 38 623 Euro Steuern zahlte, wird 2004 dann 2 485 Euro weniger abführen. Ähnlich die Ergebnisse bei anderen Einkommenskategorien. Wobei die Normalverdiener durch höhere Abgaben, reduzierte Entfernungspauschale ab 1.1.2004 weit stärker zusätzlich belastet werden, als die formelle Entlastung bei der Einkommenssteuer ausmacht.

      Verkauf von Tafelsilber

      Ein fünftes Element ist die beschleunigte Privatisierung staatlichen Eigentums. Im Vermittlungsausschuß bot Rot-Grün an, »höhere Privatisierungserlöse einzuplanen«. CDU/CSU und FDP winkten großzügig ab. Aus gutem Grund – hier läuft alles nach Ausverkaufsplan: Noch im Dezember berät das Kabinett über die Konzeption der Investmentgesellschaft Morgan Stanley, die Deutsche Bahn AG bis 2005 an die Börse zu bringen – mitsamt Trassen und bei Zusagen des Staates auf jahrelange Milliarden-subventionen an die späteren privaten Eigner. Städte und Kommunen privatisieren die Versorgungsbetriebe für Wasser, Energie, Müllabfuhr. In Stralsund soll erstmals eine Sparkasse privatisiert werden – ein Pilotprojekt, dessen Verallgemeinerung, die Privatisierung aller Sparkassen, ein Geschäft im Wert von mehr als hundert Milliarden Euro darstellt.

      Der öffentliche Ausverkauf ist einerseits Teil des Abbaus von Daseinsvorsorge. Er hat jedoch vor allem gesellschaftspolitische Bedeutung: Der privatkapitalistische Sektor wird massiv vergrößert; damit erhöht sich dessen »spezifisches Gewicht« in der Gesellschaft, und das gesellschaftliche Kräfteverhältnis verschiebt sich weiter zugunsten des Kapitals.

      Ein sechstes Strukturelement ist die Einführung von Elementen des Zwangs in die Beziehungen zwischen Lohnarbeit und Kapital: Die MdB Otmar Schreiner (SPD) und Christian Ströbele (Grüne) haben ihre angekündigte Ablehnung des »Kompromisses« vor allem mit den arbeitsrechtlichen Konsequenzen u. a. von »Hartz IV« begründet. Nach den neuen Regelungen gilt für »arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger« und andere Beziehende von Arbeitslosengeld II (ehemalige Bezieher von Arbeitslosenhilfe), daß »jede legale Arbeit akzeptabel« ist – und diese bei Strafe des Verlustes jeder Unterstützung angenommen werden muß. Gleichzeitig können Kommunen verlangen, die »Zuständigkeit« für Beziehende von Arbeitslosengeld II »von der Bundesanstalt für Arbeit zugeteilt zu bekommen«. Das war ein Ziel des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, mit dem er durch einzelne Kommunen repressive Exempel statuieren lassen will. Zu Recht heißt es dazu in einer Stellungnahme von ATTAC: »Diese Regelung bedeutet Arbeitszwang für die working poor.«

      In diesem Rahmen sind die Eingriffe in die Tarifautonomie von Bedeutung. Diese wird von Rot-Grün seit geraumer Zeit untergraben – siehe die offenen Angriffe von Kanzler und Wirtschaftsminister auf die IG Metall während des Oststreiks im Sommer 2003. Im Vermittlungsausschußkompromiß wird als Protokollnotiz festgehalten, daß in einem Jahr per Gesetz »Öffnungsklauseln« in Tarifverträge hineindiktiert werden , wenn sich »Arbeitnehmer und Arbeitgeber bis dahin nicht auf eine entsprechende tarifvertragliche Regelung einigen«. Das ist glatte Erpressung und die Aushebelung der verfassungsrechtlich garantierten »Koalitionsfreiheit«. Das klassenpolitische Ziel besteht hier darin, die wichtigste organisierte Gegenkraft, die Gewerkschaften, qualitativ zu schwächen, indem sie zunehmend überflüssig gemacht werden. Damit wird das ohnehin gegebene strukturelle Ungleichgewicht zwischen den antagonistischen Klassenkräften Lohnarbeit und Kapital weiter zugunsten des Kapitals – der großen Konzerne und Banken – verschoben.

      Schröders Rekorde

      Die Bilanz des skizzierten rot-grünen Neoliberalismus hat Herbert Schmalstieg, SPD-Oberbürgermeister von Schröders Heimatstadt Hannover, trefflich zusammengefaßt: »Der Kanzler ist erst zufrieden, wenn der Bundesvorstand des (Industriellenverbandes) BDI zu 100 Prozent in die SPD eingetreten ist.« Diese neoliberale »Reformpolitik« zeitigt unterschiedliche Rekorde: Es gibt eine Rekordarbeitslosigkeit: im Februar 2004 von knapp fünf Millionen – trotz geschönter Statistik u. a. durch die neuen McJobs. Es gibt einen Rekordreichtum im Land – die Zahl der Milliardäre und Millionäre war noch nie so hoch. Das Land erlebt eine Rekordverschuldung – 2004 wird das Staatsdefizit zum dritten Mal in Folge auf mehr als drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) ansteigen. Aber auch: Die BRD wurde 2003 Rekordweltmeister. Erstmals seit 1992 liegen die deutschen Exporte wieder auf Platz eins – vor den USA und Japan.

      Rekordverdächtig ist allerdings auch die Desorientierung der »Gegenkräfte«. Das deutsche Modell Rot-Grün mag in der Außensicht als typisch neoliberal erscheinen. Es hat allerdings eine wichtige Besonderheit: Es wird umgesetzt durch die SPD, die eng mit den Gewerkschaften verbunden ist, und die Grünen, die der Umweltbewegung und der Friedensbewegung nahestanden. Dies ermöglichte es bisher, Protestpotential weitgehend einzubinden. Unter diesen Bedingungen kann eine glaubwürdige Antwort auf den neoliberalen Angriff nur darin bestehen, daß die Gewerkschaften sich auf ihre ursprüngliche Aufgabe besinnen: Ohne politische Rücksichtnahme auf die Regierung die Interessen von Lohnabhängigen, Erwerbslosen und sozial Schwachen konsequent zu verteidigen. Auf der politischen Ebene erfordert ein überzeugendes Engagement für Solidarität statt Ellbogengesellschaft einen politischen Neubeginn. Seit drei Jahren weisen die Aktivitäten von vielen zehntausend Globalisierungsgegnern, die zunehmend auch das Thema Krieg und Frieden und soziale Fragen aufgreifen, in die richtige Richtung. Seit einigen Wochen demonstrieren viele Zehntausende Studierende an verschiedenen Unis mit ihren Streiks gegen den Darwinismus in der Bildungspolitik den erforderlichen langen Atem im Widerstand. Am 1. November 2003 wurde bei der Demonstration gegen den neoliberalen Angriff in Berlin deutlich, welche Potenzen eine neue soziale und neue politische Bewegung entwickeln kann: Mehr als hunderttausend waren auf den Straßen von Berlin, obgleich die Gewerkschaftsspitzen eine aktive Beteiligung abgelehnt hatten.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-17/004.php
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 23:09:18
      Beitrag Nr. 1.097 ()
      ---------------


      Alles für den Markt, nichts für die Menschen

      Norbert Rost 01.03.2003
      Das Heiligtum "Markt"



      "Der Markt regelt es schon" - Das Mantra der Marktwirtschaft und ihrer Vertreter. Es wird uns immer wieder und wieder erzählt und wir WISSEN, es ist richtig. Der Markt regelt es schon. Wir wissen ziemlich genau wie er funktioniert und was er ist. Das sollte niemand in Frage stellen. "Der Markt regelt es schon." Was "der Markt" ist, wissen wir genau. Nur was "es" ist, das er regelt, das hat uns niemand gesagt. .....


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/14406/1.html
      Avatar
      schrieb am 16.12.03 23:53:39
      Beitrag Nr. 1.098 ()
      Geldknappheit im Kapital-Ismus

      Norbert Rost 16.12.2003
      Über Widersprüche des herrschenden Wirtschaftssystems und in den Taten seiner Erfüllungsgehilfen

      Widersprüche gibt es nur im Denken, nicht in der Wirklichkeit. Deshalb ist es möglich, dass die in diesem Artikel aufgeführten Widersprüche unseres Wirtschaftssystems nur im Kopf des Autors und nicht in der Realität existieren.





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      Ich will den Kapitalismus lieben, weil so viel für ihn spricht,
      ich will den Kapitalismus lieben, aber ich schaff` es einfach nicht

      Funny van Dannen, "Kapitalismus" auf "Groooveman"




      Für viele Menschen ist das derzeitige Wirtschaftssystem einfach der Urzustand, somit das natürlichste aller Wirtschaftssysteme. Die derzeitige Weltwirtschaftskrise ist demnach nur durch die Unfähigkeit der Lenker der Nationen und unglückliche Umstände zustande gekommen, das System als solches trifft keine Schuld.





      Jedoch gibt es gewisse "Anomalien", welche im Kapitalismus, der oft fälschlicherweise mit Marktwirtschaft gleichgesetzt wird, ihre Blüten treiben. Diese Anomalien äußern sich in scheinbar seltsamen Widersprüchen. Es ist anhand der Widersprüche selbst nicht auszumachen, ob sie auf einer Fehlerhaftigkeit des Wirtschaftssystems oder einfach an der Unfähigkeit seiner Betreiber beruhen.


      Warum opimiert das System Millionen Arbeiter auf die Straße?


      Dass Wirtschaftswachstum etwas extrem Wichtiges ist, ohne das wir nicht mal unseren Wohlstand halten können, wiederholt die Presse gern, wenn es Politiker und Wirtschaftsexperten von sich geben. Doch wenn im Kapitalismus Wirtschaftswachstum so wichtig ist, warum optimiert das System dann Millionen Arbeiter auf die Straße?

      Um wie viel mehr könnten die Volkswirtschaften wohl wachsen, wenn die heutigen Arbeitslosen beim Wachsen helfen dürften? Stellt das System sich an dieser Stelle nicht selbst ein Bein?




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      Es müßte noch mal wie 89 sein
      17 nicht 19, aber weltweit
      Religionen verboten, Politiker enthirnt
      Vernunft und Vertrauen, ach Janie du spinnst
      Fehlfarben, "Die Internationale" auf "Knietief im Dispo"




      Man stelle sich einen Ameisen-Haufen vor, in dem einem Fünftel der wuselnden Bewohner verboten wird, mitzuhelfen. Nicht, dass die Hilfe nicht erwünscht wäre, schließlich schafft jede zusätzlich arbeitende Ameise neuen Wohlstand, indem mehr Nahrung angehäuft und mehr Unterkünfte erbaut werden. Aber "irgendetwas" sorgt dafür, dass ihre Hilfe nicht mehr erwünscht ist. Genau nach diesem Schema läuft die derzeitige Wirtschaft ab: Millionen Menschen sitzen arbeits- und perspektivlos zuhause, haben zwar Bedarf nach Leistungen der Gesellschaft und möchten (meist) auch gern mit ihrer Arbeit etwas für die Gesellschaft leisten, aber sie dürfen nicht. Sind Ameisen etwa doch intelligenter als Menschen?


      Menschen scheinen ein weiterer Widerspruch im System zu sein. Obwohl naive Geister annehmen könnten, das System habe dem Menschen zu dienen, so scheint sich diese Herrscher-Diener-Verbindung umgekehrt zu haben. Nicht mehr der Mensch bestimmt, wie das System sich zu entwickeln hat, sondern das System bestimmt, welche Menschen "gebraucht" werden und welche "überflüssig" sind. Genutzt wird die menschliche Arbeitskraft natürlich trotzdem gern - aufgrund der Notlagen der vielen arbeitslosen aber bedürftigen Familienväter dürfte vor allem billige Arbeitskraft künftig in großen Mengen vorhanden sein.


      Besteuerung von Ressourcen?


      Seltsam ist wiederum, dass "billige Arbeitskraft" zugleich "niedrige Löhne" und damit "geringe Kaufkraft" bedeutet. An wen will das System die entstehenden Produkte zu ordentlichen Preisen absetzen, wenn die potentiellen Käufer mit Billiglöhnen abgespeist werden? Der Kapitalismus hat somit zugleich ein Interesse an hohen Löhnen, da diese hohe Umsätze versprechen aber zugleich an niedrigen Löhnen, da diese geringe Kosten verursachen.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Du rennst herum, mit deiner Wahrheit
      und niemand will sie hören.
      Nicht weil sie falsch ist. Nein!
      Niemand sagt: Das ist falsch!
      Nein, es ist richtig, aber wir wissen das alle
      und wir können es nicht mehr hören.
      Weil, es macht keinen Spass!
      Fehler is King! Halbheit Rules!
      Knarf Rellöm, "Soul Punk" auf "Fehler is King"




      An diesen Löhnen setzen die derzeitigen Vorschläge zu Steuerreformen an, die diesen Namen bislang kaum verdient haben. Diese Pläne setzen wie bisher auf eine Besteuerung der Löhne - und damit der Arbeitskraft. Warum wird nicht darüber nachgedacht, eine reine Besteuerung von Ressourcen und ihrem Verbrauch durchzuführen?

      Dies würde die Verteuerung der Arbeitskraft durch Steuern beenden (Arbeitskraft wird im Vergleich zu Ressourcen billiger) und zugleich Druck auf die Hersteller ausüben, Ressourcen sparend zu produzieren und die Produkte langlebiger zu gestalten. Leider scheint die derzeitige Wirtschaftspolitik von kurzsichtiger und eindimensionaler Sichtweise geprägt sein. Es wird ignoriert, dass die Wirtschaft ein vernetztes Gebilde ist, in dem eine Entscheidung mehrere Auswirkungen hat.


      Besonders deutlich wird die Missachtung der Vernetzung an den Aktivitäten des bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Gequält von der derzeitigen "angespannten Kassenlage der öffentlichen Hand" hat Stoiber beschlossen, 12.600 Angestellte des öffentlichen Dienstes "einzusparen" und die "gesparten" Gelder zur Haushaltssanierung zu nutzen. In der derzeitigen eindimensionalen Wirtschaftspolitik übersieht der bayrische Landesfürst jedoch, dass die Entlassenen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, die Löhne also nicht vollständig als Ersparnis anfallen.

      Weiterhin wirkt die geringere Kaufkraft der neuen Arbeitslosen sich natürlich auf die Unternehmen in Bayern aus, weshalb nicht nur weitere Arbeitsplätze gefährdet werden, sondern auch Steuerausfälle wieder auf den Staat zurückwirken. Die Einsparungen liegen zum Schluss im vernachlässigbaren Bereich, dafür müssen die Arbeit der 12.600 ihre Kollegen zusätzlich tun. Oder saßen die in München bislang etwas sinnlos rum? Willkommen im ehemaligen Land der Dichter und Denker...


      Das Geld der Zukunft


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      Die deutsche Nation oder überhaupt unser Volk war früher mal ein unheimliches - wie man so schön sagte - Volk der Dichter und Denker. Zur Zeit beschäftigt mich die Frage: Wer ist das heute? Wer sind die absoluten Köpfe? Wer?
      Das ist die Frage, die mich im letzten Text beschäftigt. Da geht es um einen Eisberg ohne Spitze, so ein typisches Synonym... [...] Stell dir vor du bist Alfred Nobel und sollst deinen Preis verkünden, jetzt wähle mal, du mußt es aber auch begründen. Wen würdest du wählen oder würdest du ihn vielleicht selber nehmen? Wegen der Kohle oder wegen dem Ruhm, was würdest du tun? [...] Who are the heroes today?
      Kai-Uwe Kohlschmidt, Kopf der DDR-Band Sandow, im Film "Flüstern und Schreien" anno 1987




      Egal wo man hinschaut, überall fehlt das Geld. So vermodern zum Beispiel 14.000 Brücken im Land. Weiterhin muss damit gerechnet werden, dass 30% der Betten in Krankenhäuser und damit über 200 Krankenhäuser selbst "eingespart" werden müssen. Die Kommunen bauen Sozialarbeit ab und demontieren die Kultur und wie an der derzeitigen Protestkultur zu sehen ist, wird auch an der Bildung hemmungslos gespart.


      Was fehlt sind aber nicht die Menschen, welche die nötigen Arbeiten durchführen könnten - davon sitzen hunderttausende enttäuscht zu Hause - es fehlt nur das Geld, sie zu bezahlen. Wie aber kann Geld fehlen? Was ist Geld anderes als bunt bedruckte Papierfetzen? Papier kann nicht fehlen, wir befreien täglich unsere Briefkästen von unerwünschtem Werbemüll. In der modernen Wirtschaft ist Geld sogar nicht einmal mehr an einen Stoff wie Papier gebunden, es ist nur noch in Form von Bits in Computern vorhanden. Geld ist also Information. Wie kann Information knapp sein?

      Vielleicht liegt es ja an der Art der Geldschöpfung, wie die Zentralbanken der Welt sie betreiben und wie sie der ehemalige belgische Zentralbankier und Geburtshelfer des Euro Bernhard A. Lietaer in seinem Buch "Das Geld der Zukunft" in einer Geschichte beschreibt. In dieser Geschichte kommt ein gut gekleideter Fremder in den australischen Busch, in dem 10 Familien bislang ihre Hühner und Ernte direkt tauschten. Da die Menschen Probleme damit haben, geeignete Maßstäbe beim Tauschen ihrer Waren zu finden, macht er einen Vorschlag. Er lässt sich eine Kuhhaut bringen, schneidet sie in 100 Stücke und drückt jedem Lederstück einen Stempel auf. Jeder der Familien erhält 10 Lederstücke und fortan können sie die Waren mit diesem Geld viel einfacher tauschen. Nur einen Haken hat die Erfindung: Der Geldschöpfer verlangt, dass nach einem Jahr als "Wertschätzung für die technische Neuerung" ein elftes Lederstück (Zinsen) an ihn als Unterpfand abgegeben werden muss. Nur: Woher stammt das elfte Stück, wenn nur 10 Stück pro Familie hergestellt wurden?

      Mit dieser Art der Geldschöpfung fehlen somit am Ende des Jahres 10% des Geldes, weshalb die Menschen um das fehlende - aber nie vorhandene - Geldstück konkurrieren, indem sie versuchen besser zu sein als der Nachbar um an dessen Lederstücke zu kommen. Doch selbst wenn sie es schaffen, ihre Produktion zu vervielfachen (Wachstum!), die Anzahl der vorhandenen Geldstücke bleibt immer gleich - und damit ist Geld immer knapp. Das Geldmonopol - in der Geschichte repräsentiert durch den Stempel auf dem Zahlungsmittel, in unserer Realität durch Gesetze etabliert - bewirkt somit eine Konkurrenz allein um das Geld, nicht um eine möglichst optimales Lebenssituation.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Alle Zeit der Welt ist Geld
      Und ich hab keins und keinen
      Zeitraum mehr nicht mal mehr meinen.
      Macht Euch die Erde untertan, heißt, sich zu beeilen
      Heißt kriegt sie klein, macht sie zu Geld und blank.
      Ich denk an keinen Waffenstillstand
      Keine Atempause mehr, Geschichte wird gemacht
      (und macht mich krank)
      Punk
      Blumfeld, "Der Angriff der Gegenwart (auf meine übrige Zeit)"




      Der daraus resultierende, inzwischen von verschiedener Seite kritisierte Wachstumszwang treibt jedoch ebenso widersprüchliche Blüten. So freut sich die breite Presselandschaft leidenschaftlich über den rosaroten Blick der so genannten "5 Wirtschaftsweisen", die für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,7% prognostizieren. Die "Junge Welt" bemerkt verwundert, dass dabei keine neuen Jobs entstehen, obwohl Wachstum doch immer als das Hilfsmittel gegen Arbeitslosigkeit genannt wird. Ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 1,7% entspräche in 2004 einer zusätzlichen Produktion gegenüber 2003 von Gütern und Dienstleistungen im Wert von circa 34 Mrd. Euro. Wohin fließen diese 34 Milliarden, wenn dadurch keine neuen, bezahlten Jobs entstehen?

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16245/1.html
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 00:02:01
      Beitrag Nr. 1.099 ()
      Bittere Pillen

      Ab 1. Januar 2004 werden verschreibungspflichtige, preiswerte Medikamente so teuer, dass die Versicherten immer die neue Mindestzuzahlung von fünf Euro bezahlen müssen.
      :mad: :confused:


      Von Gregor Witt

      Die Idee von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: Die Patienten sollen Arzneimittel künftig kostenbewusster einsetzen. In diese Richtung soll auch die Gesundheitsreform wirken. Deshalb sollen Versicherte ab 1. Januar 2004 Vorteile haben, wenn sie sich preisgünstige Medikamente verschreiben lassen.
      Ein Mittel dazu ist, dass die Zuzahlung bei rezeptpflichtigen Medikamenten künftig grundsätzlich zehn Prozent des Preises betragen soll. Diese Regelung gilt aber nur innerhalb bestimmter Unter- und Obergrenzen: Zugezahlt werden sollen mindestens fünf, höchstens aber zehn Euro. Dadurch hat der Patient aber nur bei einem Arzneimittelpreis zwischen 50 und 100 Euro ein finanzielles Eigeninteresse an einer Kostenkontrolle. Denn ganz gleich, ob das Medikament fünf Euro oder 50 Euro kostet, seine Zuzahlung beträgt fünf Euro. Und ganz gleich, ob das Medikament 100 Euro oder 150 Euro kostet, seine Zuzahlung beträgt zehn Euro.

      Neues Preissystem für preisgünstige Medikamente
      Auf den ersten Blick gelten bei verschreibungspflichtigen, niedrigpreisigen Medikamenten ab 1. Januar 2004 im Prinzip die gleichen Regeln wie bisher. Nur ein Unterschied springt ins Auge: die Mindestzuzahlung beträgt jetzt fünf statt bisher vier Euro.

      Doch es gibt weitere, einschneidende Unterschiede. Mit der Gesundheitsreform wird ein neues Preissystem für die Apotheken eingeführt. Es bewirkt, dass ein Medikament, das in diesem Jahr zum Beispiel noch 2,18 Euro kostet, im neuen Jahr 10,73 Euro kosten wird. Ursache dafür ist, dass die Apotheken völlig neu kalkulieren und künftig für verschreibungspflichtige Medikamente auf ihren Einkaufspreis neben einem preisabhängigen Zuschlag von 3 Prozent einen Festzuschlag von 8,10 Euro plus 16 Prozent Mehrwertsteuer verlangen können. Selbst wenn der Einkaufspreis für den Apotheker bei null liegen würde, ist rezeptpflichtige Arznei künftig also nicht mehr unter 9,40 Euro zu haben (8,10 Euro plus 16% MwSt.). Und damit ist dann für jedes Medikament die Mindestzuzahlung von fünf Euro fällig.

      Kostenkontrolle wird verhindert
      Folge des neuen Systems ist damit, dass im Unterschied zum bisherigen Preis- und Zuzahlungssystem Versicherte in einem wichtigen Preissegment kein finanzielles Eigeninteresse an Kostenkontrolle mehr haben werden.

      Bis Ende 2003 zahlen Patienten niedrigpreisige Medikamente selbst. Die Krankenkasse muss erst dann Kosten mit übernehmen, wenn das Arzneimittel teurer ist als die heute noch gültige Mindestzuzahlung von vier Euro. So macht es in diesem Jahr für den Patienten noch Sinn, darauf zu achten, dass ihm möglichst preisgünstige Medikamente verschrieben werden. Kostet eine Packung zum Beispiel zwei Euro, spart der Versicherte im Vergleich zur heutigen Mindestzuzahlung von vier Euro immerhin noch zwei Euro. Da es ab Januar 2004 jedoch keine verschreibungspflichtigen Medikamente unter rund 10 Euro mehr geben wird (siehe oben), müssen die Patienten immer mindestens fünf Euro aus der eigenen Tasche zahlen.

      Doch wie hoch ist die zusätzliche Belastung für die Versicherten durch die drastischen Kostensteigerungen in diesem niedrigpreisigen Segment für die Versicherten insgesamt? Der Bremer Prof. Gerd Glaeske beziffert sie „mit etwa 200 bis 300 Millionen Euro“. Der Arzneimittelexperte beschäftigt sich schon lange mit den Kostenexplosionen im Gesundheitswesen. Er hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auch bei der Reform 2004 beraten. Seiner Ansicht nach hätte die Mindestzuzahlung deutlich niedriger liegen müssen, bei drei Euro. Doch damit habe sich Ulla Schmidt in der parteiübergreifenden Reformkommission gegenüber CDU und FDP nicht durchsetzen können. Glaeske weiter: „Ich glaube, dass die Apotheker in gewisser Weise die Gewinner sind. Die Großhandlungen und die pharmazeutischen Hersteller sind - jedenfalls im Jahre 2004 - mit den hohen Rabatten diejenigen, die eine sehr hohe Belastung zu tragen haben. Auf einer ähnlichen Belastungsebene stehen sicherlich die Patientinnen und Patienten, die durch die Selbstbeteiligungsregelungen mit herangezogen werden.“

      Wirkung auf Patienten
      Aus Sicht von Ärzten und Gesundheitsexperten ist mit folgenden Wirkungen auf die Patienten zu rechnen:

      Die Patienten greifen verstärkt zu nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten. Solange diese weniger als fünf Euro kosten, wird gespart. Diese „Selbstmedikation“ ist vom Gesetzgeber durchaus gewünscht. Das Risiko dabei ist jedoch, dass ernsthafte Krankheiten zu spät erkannt und gefährliche Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten nicht beachtet werden.


      Die Patienten verlangen häufiger als bisher von ihrem Arzt, er solle Originalpräparate verschreiben. Durch das neue Preissystem verringert sich der Preisunterschied zwischen Original- und Nachahmerpräparat deutlich; gleichzeitig beträgt die Patientenzuzahlung sowieso immer mindestens fünf Euro.


      Die Patienten bitten den Arzt häufiger um eine Großpackung, auch dann, wenn kein entsprechender Bedarf gegeben ist. Folge für die Krankenkassen: Sie zahlen öfter ungerechtfertigt hohe Großpackungspreise.


      WDR
      [plusminus
      Appellhofplatz 1
      50667 Köln
      E-Mail: plusminus@wdr.de


      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 16.12.2003 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=138
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 00:04:48
      Beitrag Nr. 1.100 ()
      Reformkompromiss I

      Was bringt die Steuerentlastung?

      Wie stark sich das teilweise Vorziehen der Entlastungsstufe 2005 im kommenden Jahr auswirken wird, können Sie unseren folgenden Infografiken entnehmen. Bitte berücksichtigen Sie dabei, dass die Spalte „Einkommen“ das zu versteuernde Einkommen darstellt und nicht das Bruttoeinkommen. Wie hoch Ihr zu versteuerndes Einkommen ist, können Sie am einfachsten Ihrem letzten Steuerbescheid entnehmen.
      Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer wurden bei den Berechnungen nicht berücksichtigt. Die Entlastung fällt also unter Umständen etwas höher aus. Ein Beispiel: Bei einem Verheirateten mit einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 50.000 Euro beträgt die Entlastung unter Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (9%) 923 Euro statt der angegebenen 806 Euro.





      Anmerkung: jährliche Werte, zum Teil gerundet, Eingangssteuersatz 16%, Spitzensteuersatz 45%, Grundfreibetrag 7.664 Euro.

      Quelle: Karl-Bräuer-Institut / Bund der Steuerzahler e.V.



      WDR
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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 16.12.2003 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=141
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 00:09:07
      Beitrag Nr. 1.101 ()

      Nein zu Hartz! Nein zur Verarmung von Arbeitslosen! E-Mail-Aktion zum Mitmachen Teil II [/b ]

      http://www.attac.de/hartz/
      Neu: Protest-Mailautomat

      Liebe Freundinnen und Freunde,

      der Vermittlungsausschuss hat in der Nacht auf Montag sich auf das Vorziehen der Steuerreform sowie auf das Agenda 2010-Paket geeinigt. Den tiefsten Einschnitt in die sozialen Sicherungssysteme bringt die Absenkung der Arbeitslosenhilfe aus Sozialhilfeniveau (Hartz IV). Anfang Oktober hat Attac in einer großangelegten Telefon- und E-mail-Aktion gegen diesen Schritt protestiert. Einige Bundestagsabgeordnete wie Ottmar Schreiner, Hans-Christian Ströbele und Sigrid Skarpelis-Sperk lehnten das Gesetz ebenfalls ab und setzten Abschwächungen am Hartz-Konzept durch. Insbesondere verzichtete die Bundesregierung darauf, Langzeitarbeitslose (ab 12 Monate) zur Annahme jeder Arbeit zu beliebigen Bedingungen zu verpflichten. Die skeptischen Abgeordneten stimmten daraufhin der Absenkung der Arbeitslosenhilfe zu.

      Im Vermittlungsausschuss hat die Bundesregierung diese "Verbesserungen" eines ohnehin katastrophalen Gesetzes wieder aufgegeben und kehrte zu ihrem ursprünglichen Konzept zurück. CDU/CSU und FDP hatten dies gefordert.

      Damit soll nun gelten: Jeder, der 12 Monate arbeitslos ist, erhält nur noch 345 € (Ost: 331 €) Arbeitslosenhilfe und muss außerdem jede Arbeit annehmen, egal wie schlecht sie bezahlt wird.

      Volkswirtschaftlich bedeutet dies einen starken Druck auf die unteren Lohngruppen, die oft ohnehin nur schlecht durch Tarifverträge geschützt sind. Außerdem werden damit praktisch alle ArbeitnehmerInnen in soziale Unsicherheit gestürzt. Nach 12 Monaten bleibt nur noch Sozialhilfe oder "working poor", also Arbeit zu Niedriglöhnen. So treibt man die Menschen rechten Parteien in die Hände. Wie gleichzeitig, in einem Klima von Angst vor Abstieg und Ungleichheit ein ökologisch-sozialer Umbau gelingen soll, bleibt das Geheimnis der rot-grünen Bundesregierung.

      Wir bitten Sie deshalb: Rufen Sie Ihren Bundestagsabgeordneten an und fordern Sie ihn auf, Hartz IV abzulehnen. Melden Sie sich auch bei den Abgeordneten, die vorher Hartz IV abgelehnt haben (Liste unten).

      Wir erwarten nicht, dass diese Aktion den Beschluss im Bundestag noch verhindern kann. Aber es ist eine Möglichkeit der eigenen Wut und Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. Außerdem würde die Bundesregierung schon bei wenigen Gegenstimmen ihre eigene Mehrheit im Bundestag verlieren. So würde für die Regierungsführung von SPD & Grünen deutlich, dass sie sich nicht immer darauf verlassen können.

      Die Abgeordneten müssen ihrem Gewissen und nicht dem Kanzler und dem Parteigehorsam folgen. Sie sollen nun wahr machen, was sie angekündigt haben: den Arbeitszwang und die Verarmung von Arbeitslosen unter Hartz ablehnen.

      Wir bitten Sie, die Abgeordneten daran nachdrücklich zu erinnern.

      Mit freundlichen Grüßen Sven Giegold (für die Attac-Kampagne "Genug für Alle")


      P.S.: Leider ist mit diesem Paket die Sozialabbau-Orgie noch nicht vorbei. Im nächsten Jahren sind bereits weitere Umverteilungen bei Rente und Steuern geplant. Da die jetzigen Maßnahmen der Konjunktur eher schaden als nützen, ist zudem mit noch weiter gehenden Einschnitten durch die "große neoliberale Koalition" zu rechnen. Gewerkschaften, Attac und viele andere Gruppen werden daher zu einem europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau am 3.4.2004 mobilisieren. Beteiligen Sie sich nach Kräften daran!


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      Überblick

      1) Aktion "Stimmen Sie mit Nein"
      2) Aktion "Abgeordnete anrufen"
      3) Worum geht es am 17.10. im Bundestag?
      4) Attac unterstützen!

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      1) E-mails "Stimmen Sie mit Nein!"

      Bitte schicken Sie jeweils eine freundliche, aber bestimmte E-mail mit der Aufforderung zumindest bei Hartz IV mit "Nein" zu stimmen, an möglichst viele Abgeordnete. Unten sind alle Abgeordnete aufgelistet, bei denen es besonders wahrscheinlich ist, dass sie "Nein" stimmen. Für den Erfolg der Aktion ist sehr wichtig dass Sie eine Kopie Ihrer Mail schicken an: sozialezukunft@attac.de. So können wir die Massenmedien und auch Sie auch über den Fortgang der Aktion informieren.

      Folgende SPD-Abgeordnete haben bei der Abstimmung über die sozial ungerechte Gesundheitsreform mit "Nein" gestimmt:
      * Klaus Barthel, klaus.barthel@bundestag.de
      * Horst Schmidbauer, horst.schmidbauer@bundestag.de
      * Fritz Schösser, fritz.schoesser@bundestag.de
      * Ottmar Schreiner, ottmar.schreiner@bundestag.de
      * Sigrid Skarpelis-Sperk, sigrid.skarpelis-sperk@bundestag.de
      * Rüdiger Veit, ruediger.veit@bundestag.de

      Folgende SPD-Abgeordnete haben der Gesundheitsreform zwar zugestimmt, aber öffentlich erklärt, dass sie eigentlich dagegen sind:
      * Christine Lucyga, christine.lucyga@bundestag.de
      * Horst Kubatschka, horst.kubatschka@bundestag.de
      * Florian Pronold, florian.pronold@bundestag.de
      * René Röspel, rene.roespel@bundestag.de
      * Waltraud Wolff, waltraud.wolff@bundestag.de

      Eine Reihe von Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne haben eine Erklärung verfasst, in der sie das geplante Hartz IV-Gesetz scharf kritisieren. Sie müssten nun eigentlich mit "Nein" stimmen:
      * Volker Beck, volker.beck@bundestag.de
      * Markus Kurth, markus.kurth@bundestag.de
      * Peter Hettlich, peter.hettlich@bundestag.de
      * Cornelia Behm, cornelia.behm@bundestag.de
      * Jutta Dümpe-Krüger, jutta.duempe-krueger@bundestag.de
      * Winfried Hermann, winfried.hermann@bundestag.de
      * Thilo Hoppe, thilo.hoppe@bundestag.de
      * Kerstin Müller, kerstin.mueller@bundestag.de
      * Winfried Nachtwei, winfried.nachtwei@bundestag.de
      * Friedrich Ostendorff, friedrich.ostendorff@bundestag.de
      * Claudia Roth, claudia.roth@bundestag.de
      * Irmingard Schewe-Gerigk, irmingard.schewe-gerigk@bundestag.de
      * Josef Winkler, josef.winkler@bundestag.de
      * Werner Schulz, werner.schulz@bundestag.de
      * Ursula Sowa, ursula.sowa@bundestag.de
      * Hans-Christian Ströbele, hans-christian.stroebele@bundestag.de

      [Bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform hat sich lediglich Werner Schulz enthalten, alle anderen Grünen haben zugestimmt.].

      Damit es beim Versenden einfacher geht, hier noch mal alle Adressen hintereinander:

      volker.beck@bundestag.de; markus.kurth@bundestag.de; peter.hettlich@bundestag.de; cornelia.behm@bundestag.de; jutta.duempe-krueger@bundestag.de; winfried.hermann@bundestag.de; thilo.hoppe@bundestag.de; kerstin.mueller@bundestag.de; winfried.nachtwei@bundestag.de; friedrich.ostendorff@bundestag.de; claudia.roth@bundestag.de; irmingard.schewe-gerigk@bundestag.de; josef.winkler@bundestag.de; werner.schulz@bundestag.de; ursula.sowa@bundestag.de; hans-christian.stroebele@bundestag.de; klaus.barthel@bundestag.de; horst.schmidbauer@bundestag.de; fritz.schoesser@bundestag.de; ottmar.schreiner@bundestag.de; sigrid.skarpelis-sperk@bundestag.de; ruediger.veit@bundestag.de;christine.lucyga@bundestag.de; horst.kubatschka@bundestag.de; florian.pronold@bundestag.de; rene.roespel@bundestag.de; waltraud.wolff@bundestag.de; sozialezukunft@attac.de

      Protest-Mailautomat



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      2) Telefonanrufe

      Bitte rufen Sie Ihre jeweiligen Wahlkreisabgeordneten an. Ihre Telefonnummern finden Sie unter: www.bundestag.de

      Alternativ können Sie sich auch von der Telefonzentrale des Bundestags durchstellen lassen: Tel. 030/227-0

      Verlangen Sie Ihre/n Abgeordnete/n persönlich oder zumindest seine/n oder ihre/n wissenschaftliche/n Mitarbeiter/in.

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      3) Hintergrund: Worum geht es am 19.12. im Bundestag?

      Am 19.12. wird im Bundestag über die zweite Runde der Hartz-Gesetze (Hartz III & Hartz IV) abgestimmt. Auch weitere Gesetzentwürfe (Steuerreform, Amnestie für Steuerflüchtlinge, Gemeindefinanzreform) stehen zur Abstimmung. Dazu wäre auch viel Kritik anzubringen. Den tiefgreifendsten Schritt bedeutet jedoch das Hartz IV-Paket. Danach soll das Paket in den Bundesrat. Das bedeutet konkret:

      Abschaffung der Arbeitslosenhilfe durch Arbeitslosengeld II: 345 Euro West/331 Euro Ost (+ Wohngeld)
      Jede legale Arbeit für Langzeitarbeitslose ist zumutbar, sonst massive Kürzung der Leistungen
      Kürzung des Bezugs von Arbeitslosengelds auf 12 Monate (18 Monate für Ältere)

      Anrechnung von Vermögen und Einkommen von Verwandten und MitbewohnerInnen
      Daniel Kreutz aus dem wissenschaftlichen Beirat von Attac fasst die Bedeutung so zusammen:

      Die Grundsatzbotschaft des Staates an Erwerbslose und Beschäftigte, die sich mit der Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds und der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zu Gunsten der `Grundsicherung bei Erwerbslosigkeit` (Arbeitslosengeld II) auf Sozialhilfeniveau verbindet, lautet:

      Egal, welchen Beruf und welche Qualifikation Du hast, egal, was Du vorher verdient hast, egal, welchen Lebensstandard Du Dir erarbeitet hast - nach 12 Monaten Erwerbslosigkeit hast Du nur noch Anspruch auf Armut - und den auch nur dann, wenn Du bereit bist, Dein Leben unter amtliche Vormundschaft zu stellen (verbindliche, sanktionsbewehrte `Eingliederungsvereinbarung`) und auch den miesesten Job anzunehmen.

      Nicht nur die Grundrechte auf Selbstbestimmung und Berufswahlfreiheit werden verletzt, sondern auch das Grundrecht auf Menschenwürde - denn Armut verletzt die Menschenwürde.

      Dies trifft besonders eine halbe Million Kinder, die durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zusätzlich in Armut gedrückt werden und denen mit den Regelungen der `Grundsicherung bei Erwerbslosigkeit` Verwahrlosung droht (so der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers).

      Nach Hartz IV kann von einer "Absicherung" des sozialen Lebensrisikos der Erwerbslosigkeit keine Rede mehr sein. Der lohnabhängige Mensch wird wieder zur Ware, nahezu schutzlos den Risiken eines "freien" Arbeitsmarktes ausgesetzt, während der Staat sich von der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit endgültig auf die Bekämpfung der Erwerbslosen verlegt.

      Das ist strukturelle Gewalt gegen Millionen wehrloser Menschen. Das ist nicht "modern", sondern ein Rückfall ins 19. Jahrhundert.

      -------------------------

      4) Attac unterstützen!

      Attac ist ein internationales Netzwerk, das sich für Alternativen zur neoliberalen Globalisierung einsetzt. Wir wollen verhindern, dass soziale Gerechtigkeit, Ökologie und Demokratie im globalen Wettbewerb unter die Räder kommen. Über 100 bundesweite Organisationen und 13.000 Einzelpersonen haben sich in Deutschland inzwischen angeschlossen. Unterstützen Sie Attac durch Ihre Mitgliedschaft!

      Formular zum Mitgliedsbeitritt (verschlüsselte Seite)

      Für unsere Kampagne "Soziale Zukunft" spenden Sie bitte auf das Sonderkonto unserer Mitgliedsorganisation:

      "Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V."
      Konto 200337319
      Frankfurter Sparkasse 1822
      BLZ: 500 502 01

      Das Geld wird vollständig für die Attac-Kampagne verwendet und Sie erhalten am Jahresende eine Spendenquittung.
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:11:39
      Beitrag Nr. 1.102 ()
      sozialgerechtigkeit

      „Am Bürger vorbei“


      Die Agenda 2010 ist ungerecht. Aber Gewerkschaften bieten noch keine Alternative, sagt IG-Metall-Vize Berthold Huber

      DIE ZEIT: Herr Huber, wenn das in drei Sätzen geht: Was ist soziale Gerechtigkeit?

      Berthold HUBER:: Soziale Gerechtigkeit ist der Ausgleich zwischen jenen, die mehr, und jenen, die weniger haben. Die Stärkeren müssen größere Lasten tragen als die Schwächeren. Soziale Gerechtigkeit ist aber auch Beteiligung am Fortschritt und Chance zur Teilhabe.

      ZEIT: Hat sich für Sie diese Definition verändert?

      HUBER:: Ja. Wie man soziale Gerechtigkeit konkret definiert, hat sich in einer Welt, die weniger vom Nationalstaat bestimmt ist, verändert. In einer älter werdenden Gesellschaft muss außerdem der Ausgleich zwischen Alt und Jung neu bedacht werden. Schließlich: Wer heute über Teilhabe nachdenkt, der landet sofort beim Thema Bildung und Weiterbildung.

      ZEIT: Muss sich auch die Politik verändern?

      HUBER:: Selbstverständlich. Wie soziale Gerechtigkeit geschaffen wird, muss man immer wieder neu herausfinden.

      ZEIT: Gerhard Schröder versucht das. Deshalb die Agenda 2010. Was ist daran falsch?

      HUBER:: Die Ausgestaltung ist falsch. Es wird gesagt, man müsse von der Verteilungsgerechtigkeit Abschied nehmen und zur Chancengerechtigkeit kommen. Dieses Entweder-oder ist falsch. Haben nicht die Kinder reicher Eltern größere Chancen auf Bildung?

      ZEIT: Ohne Agenda, sagt der Bundeskanzler, werden wir alle ärmer.

      HUBER:: Die jetzt vereinbarte Agenda sucht keinen fairen Ausgleich zwischen Starken und Schwachen. Und sie schlägt die falsche Richtung ein. Nehmen Sie die Absicht, die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld zu kürzen. Wenn Menschen über 50 arbeitslos werden und nur noch 12 Monate Geld bekommen sollen, bevor sie in die Sozialhilfe fallen, wird Alter zum Lebensrisiko. Dies in einer älter werdenden Gesellschaft, in der Ältere am Arbeitsmarkt wenige Chancen haben.

      ZEIT: Die Agenda kommt. Sie haben es nicht einmal geschafft, Ihre eigene Basis dagegen zu mobilisieren. Ist die Basis dumm?

      HUBER:: Nein, das liegt auch an uns. Wir haben offenbar keine überzeugende Alternative geboten. Wir dürfen nicht nur auf die Sicherung des Bestehenden schauen. Die Leute wollen auch wissen, wie wir ihre Zukunft sichern wollen.

      ZEIT: Sie haben auch den Streik um die 35-Stunden-Woche im Osten verloren. Da muss man sich doch fragen, ob die Funktionäre den Bezug zur Realität verloren haben.

      HUBER:: Die Frage ist berechtigt. Wir hatten ganz offensichtlich nicht das Ohr bei den Leuten. Da gibt es nichts zu beschönigen.

      ZEIT: Was jetzt?

      HUBER:: Die Gewerkschaften haben eine Runde verloren. Das aber setzt wieder Kräfte frei. Der Kreis derer, die meinen, wir müssten konzeptionell mehr leisten, ist viel größer geworden.

      ZEIT: Werden Sie doch einmal konkret.

      HUBER:: Wir haben Kompetenz in der Frage, wie sich der Sozialstaat weiter entwickeln kann. Und wir müssen weiterdenken auf unserem ureigenen Feld der Tarifpolitik.

      ZEIT: Das ist noch immer nicht konkret. Bei der Tarifpolitik hat die IG Metall gerade wieder die Möglichkeit abgelehnt, über Teile von Lohnerhöhungen im Betrieb zu entscheiden. Das ist nicht gerade „Weiterdenken“.

      HUBER:: In Großorganisationen dauert es eben. Wir haben einen Diskussionsprozess verabredet. Es geht ja perspektivisch noch um viel mehr als um die Zweistufigkeit von Tarifverträgen. Der einzelne Beschäftigte sollte zum Beispiel über die Leistungsförderung in seiner vereinbarten Arbeitszeit mitentscheiden können.

      ZEIT: Tarifpolitik für das Individuum?

      HUBER:: Ja, und wissen Sie, was dann geschieht? Dann erschrecken die Arbeitgeber! Flexibilität ist ja keine Einbahnstraße. Nehmen wir an, es gäbe fünf Prozent Lohnerhöhung, und über ein Prozent davon könnte im Betrieb entschieden werden. Warum soll dann nicht der Einzelne sagen, ich nehme das Prozent für meine individuelle Altersvorsorge. Ich habe einem Arbeitgeber ein solches Modell mal vorgestellt. Das wollte er nicht.

      ZEIT: Mehr Eigenverantwortung: Ist das Ihre Zukunftsvision auch für die Sozialpolitik?

      HUBER:: Grundsätzlich ja. Aber wie man das dann ausgestaltet, ist nur am Beispiel zu beantworten. Die staatliche Rente etwa darf nicht auf ein Schrumpfmaß fallen, aber die betriebliche und individuelle Altersvorsorge müssen stärkeres Gewicht bekommen. Dafür müssen wir Konzepte entwerfen. Und wir müssen denen Hilfe leisten, die wegen geringer Einkommen bisher nur geringe Chancen haben, privat vorzusorgen.

      ZEIT: Muss man dem Individuum auch beim Thema Bildung mehr abverlangen?

      HUBER:: Weiterbildung ist auch persönliche Vorsorge. Dazu muss man die Systeme anbieten, die das dem Einzelnen möglich machen.

      ZEIT: Sollten Gewerkschaften auf Lohnprozente verzichten, wenn dafür die Arbeitgeber mehr für die Qualifizierung ihrer Beschäftigten tun?

      HUBER:: Man kann das nicht auf Lohnprozente reduzieren. Von Personalern und Betriebsräten wird schon jetzt sehr viel über die Weiterbildung geredet. Gehandelt wird deutlich weniger. Da müssen wir uns auch an die eigene Nase packen. Unsere Betriebsräte sind sehr fit, wenn es um die Erstausbildung geht. Beim Thema Weiterbildung ist das nicht ausreichend der Fall.

      ZEIT: Könnte Bildung das Thema sein, mit dem Sie auch in Sachen Gerechtigkeit wieder offensiv werden können?

      HUBER:: Nicht so eindimensional, wie Sie das jetzt darstellen. Das Thema Einkommen wird für uns mit das Wichtigste bleiben. Aber andere Themen werden wichtiger. Um Bildung werden wir uns stärker kümmern müssen.

      Die Fragen stellte Christian Tenbrock

      (c) DIE ZEIT 17.12.2003 Nr.52

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2003/52/Interview_Huber
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:13:52
      Beitrag Nr. 1.103 ()
      Arbeit für Preisdrücker

      Bei den Autozulieferern droht größerer Stellenabbau


      VON MARIO MÜLLER



      Jürgen Schrempp im Kreuzverhör: Die Justiz in Wilmington, Delaware, USA, befasst sich mit einer milliardenschweren Schadenersatzklage, die der Investor Kirk Kerkorian gegen Daimler-Chrysler angestrengt hat, und Vorstandschef Jürgen Schrempp ist froh, als er den Zeugenstand verlassen kann. Jetzt sei es "Zeit, dass ich wieder an die Arbeit gehe",meint er.

      Diese Aussage nach Gericht können die Zulieferer von Daimler-Chrysler nur als Drohung empfinden. Denn Schrempp arbeitet, wie seine Kollegen in anderen Autokonzernen, derzeit mit Hochdruck daran, die Teilehersteller zu noch größeren Preisabschlägen zu bewegen. Gewerkschafter fürchten nun eine zweite Welle von Betriebsverlagerungen ins billigere Ausland mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten in der Bundesrepublik.

      Bei diesem Prozess geht es offenbar nicht immer mit rechten Dingen zu. Lieferanten klagen jedenfalls darüber, dass Autohersteller ihnen "einseitig rückwirkende Preissenkungen" zu diktieren und damit bestehende Verträge auszuhebeln versuchten. Die Absender des Briefs haben dabei besonders Daimler-Chrysler im Visier. Die Stuttgarter, so vermuten Branchenkenner, wollen vor allem deshalb auf Teufel komm raus beim Einkauf sparen, weil sie die Kosten des Gerichtsverfahrens in den USA wieder hereinholen und einen Ausgleich für die riesigen Verluste bei Chrysler finden müssen.

      Im konkreten Fall soll der Konzern inzwischen zwar einen Rückzieher gemacht haben. Damit sind die Zulieferer aber nicht aus dem Schneider. Im Gegenteil: Der Druck wächst. Die Geschäftsführung von Federal Mogul in Nürnberg etwa berichtet über das Ansinnen von Daimler-Chrysler, künftig auch hier zu Lande zu Preisen beliefert zu werden, die das Kolbenwerk in Südkorea kalkuliert. Dort kostet das Stück umgerechnet rund 2,50 Euro, hier zu Lande das Vierfache. Ließe sich die Tochter des US-Multis darauf ein, könnte sie den relativ teuren Betrieb in Franken dicht machen.

      Ähnlichen Forderungen sehen sich immer mehr Lieferanten ausgesetzt. Sollten sie Schule machen, wären große Teile der Produktion in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig. Klaus Franz, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Opel, spricht denn auch von einer "dramatischen Entwicklung" mit einem "brutalen Arbeitsplatzabbau" und glaubt eine zweite "López-Welle" erkennen zu können. Jóse Ignacio López, der frühere Einkaufschef von Opel und VW, hatte den Zulieferern die Daumenschrauben angesetzt und sie zu erheblichen Rabatten gezwungen. Seitdem herrschen im Geschäft raue, wenn nicht gar rohe Sitten. So müssen die Teilehersteller im Voraus festgelegte jährliche Preisabschläge von drei bis fünf Prozent hinnehmen oder, wenn sie einen Folgeauftrag ergattern wollen, schon in der laufenden Produktion Nachlässe gewähren. In einem Fall soll Daimler-Chrysler den gesamten Jahresgewinn eines Lieferanten beansprucht haben.

      Der Verband der Automobilindustrie (VDA), unter dessen Dach sowohl die Hersteller als auch die Zulieferer organisiert sind, verweist zwar auf ein Fairness-Abkommen zwischen beiden Parteien. Diese Vereinbarung krankt aber nach Meinung von Siegfried Roth, Autoexperte bei der IG Metall, daran, dass sie keine Sanktionsmöglichkeiten enthält. Der Gewerkschafter hält deshalb eine Schiedsstelle für erforderlich. Dies setzte voraus, dass sich die Zulieferer offenbaren. Doch dies scheuten sie bislang aus Angst vor Repressalien durch die Autokonzerne.

      Für die "Mauer des Schweigens" gibt es aber auch noch eine andere Erklärung. Viele Zulieferer arbeiten mit höheren Umsatzrenditen als das Gros der Hersteller und können sich deshalb gewisse Preiszugeständnisse leisten. Die Zahl der Beschäftigten ist zuletzt sogar noch leicht auf 316 000 gestiegen, unter anderem auch deshalb, weil sie einen wachsenden Teil der Wertschöpfung übernehmen. Doch gleichzeitig wurde immer mehr Produktion ins Ausland verlegt.
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:19:17
      Beitrag Nr. 1.104 ()
      Bilanzen
      Der stagnierende Markt läßt die Vermögen schrumpfen

      Von Brigitte Koch und Georg Giersberg

      17. Dezember 2003 Beobachter reiben sich die Augen. Vermögensvernichter scheinen da am Werk zu sein. Die Commerzbank hat den Wert ihres Vermögens um 2,3 Milliarden Euro nach unten korrigiert, die Degussa mußte den Geschäftsbereich Feinchemie um 500 Millionen Euro wertberichtigen, bei der Westdeutschen Landesbank sind im Verlauf dieses Jahres 1,4 Milliarden Euro an Wertberichtigungen und Risikovorsorge aufgelaufen, und die Deutsche Telekom gar hat ihre übernommenen Unternehmen und die UMTS-Lizenzen um nicht weniger als 22 Milliarden Euro heruntergeschrieben.

      Diese Liste wird sich verlängern, da sind sich Bilanzexperten einig. "Darin spiegelt sich vor allem die schlechte Lage der deutschen Wirtschaft", kommentiert ein erfahrener Wirtschaftsprüfer. Weil die Wirtschaft nicht wächst, sinken die Preise für Vermögensgegenstände wie Wertpapiere oder Immobilien. Die Folge ist, daß für viele Vermögensgegenstände die Marktwerte unter die Buchwerte fallen. Bei der Commerzbank lag sogar der Wert des ganzen Unternehmens (Marktkapitalisierung) unter ihren Buchwerten.

      Verkäufe mit Verlusten

      Das war früher ebenso unvorstellbar wie auch die Tatsache, daß man bei Vermögensverkäufen so hohe Verluste hinnehmen muß. Die Deutsche Bank hat für eine Milliarde Euro Immobilien verkauft - mit 100 Millionen Euro Verlust. Das kann Bayer jetzt eigentlich nicht mehr passieren. Der Chemiekonzern hat schon im Vorfeld seine zu verkaufenden Sparten Chemie und Kunststoffe um 1,7 Milliarden Euro wertberichtigt (F.A.Z. vom 16. Dezember).

      Nach Unternehmensangaben stehen diese Abschreibungen wesentlich im Zusammenhang mit der Neuausrichtung des Portfolios und dem geplanten Börsengang der Newco, in der das Chemiegeschäft und Teile des Kunststoffgeschäftes zusammengefaßt werden. Aus Anlaß der geplanten Abspaltung muß Bayer nach den neuen Rechnungslegungsvorschriften eine marktnahe Bewertung aller Vermögensteile dieses Börsenkandidaten vornehmen. Dabei wird überprüft, ob die in den Büchern stehenden Vermögenswerte noch durch die aktuellen Geschäftsaussichten gerechtfertigt sind, also den realistisch zu erzielenden Marktwerten entsprechen.

      Die Chemie ist eine besonders anlagenintensive Branche, die ständig hohe Investitionen erfordert. Trüben sich die Geschäftsaussichten ein, wie es derzeit der Fall ist, muß deren Werthaltigkeit auf den Prüfstand gestellt werden. Auch hat Bayer in der Vergangenheit gewichtige Beteiligungen erworben, so die amerikanische Lyondell-Gruppe. Auch deren Firmenwerte sind dem sogenannten Impairment-Test zu unterwerfen, einer regelmäßigen Überprüfung auf Werthaltigkeit. Zudem wurde auch auf die Finanzbeteiligung von 35 Prozent an der Textilfarbengruppe Dystar eine Abschreibung vorgenommen. Das Vermögen der beiden Bayer-Segmente Polymere und Chemie stand im Abschluß 2002 mit insgesamt etwas mehr als 14,5 Milliarden Euro in den Büchern, es wurde um 12 Prozent abgeschrieben.

      Marktpreise maßgeblich für Wertansätze

      Auf solche Veränderungen in den Vermögenswerten der Unternehmen muß man sich einstellen, weil heute für die Wertansätze im Jahresabschluß die diskontierten Marktpreise maßgeblich sind. Früher galten die Anschaffungskosten als Maßstab, die waren ein für allemal fest und gaben der Bilanz Stabilität. Beim Verkauf führten sie in der Regel über die Aufdeckung Stiller Reserven zu Buchgewinnen. Stille Reserven läßt der Fair-value-Ansatz kaum noch zu.

      Neben dem wegen der allgemeinen Wirtschaftsschwäche sinkenden Preisniveau gibt es einen zweiten Grund für Sonderabschreibungen. Das ist technischer Fortschritt. Auch er dürfte bei Bayer eine Rolle spielen, und zwar bei den 500 Millionen Euro Sonderbelastungen im Teilkonzern Health Care AG. Neben Restrukturierungsaufwendungen, die im Zusammenhang mit der Konzentration der Pharmaforschung auf im wesentlichen zwei Standorten stehen, betreffen sie unter anderem Vorsorge für die Verwertung des Forschungszentrums im japanischen Kyoto sowie die 6,3 Prozent ausmachende Beteiligung an dem amerikanischen Forschungsunternehmen Curagen.

      Auch das zum Verkauf stehende Plasmageschäft wurde im Wert korrigiert. Erst vor wenigen Tagen hatte der Aventis-Konzern beim Verkauf seines Plasmageschäftes einen Buchverlust erlitten. Technischer Fortschritt erfordert immer dann Wertberichtigungen, wenn Anlagen schneller veralten, als sie - in der Regel über zehn Jahre - abgeschrieben werden dürfen. Das kommt in der Informationstechnologie oder in der Biochemie häufig vor.

      Problem für den Mittelstand

      Eine Gefahr für die Unternehmen wird in den starken Schwankungen des Firmenvermögens im allgemeinen nicht gesehen - solange man genug Eigenkapital hat, um eine mit der Wertberichtigung zwangsläufig verbundene Bilanzkürzung zu verkraften. Sie geht ja immer zu Lasten des Eigenkapitals. Die größte Gefahr besteht daher für unterkapitalisierte Unternehmen, wie sie im Mittelstand häufiger zu finden sind. Nicht zufällig hat Bayer auf seine starke Eigenkapitalposition ("37 Prozent der Bilanzsumme") hingewiesen.

      Aber auch Kandidaten mit geringem Eigenkapital kommen um die Anpassung nach dem "Fair Value" nicht herum. Wer mogelt und erwischt wird, muß eine Korrekturbilanz erstellen. Dieses sogenannte Restatement muß vom Unternehmen dann erstellt werden, wenn sich nachträglich herausstellt, daß Wertansätze falsch waren. In Deutschland ist das bisher noch nicht vorgekommen.

      In den Vereinigten Staaten, wo das Fair-value-Prinzip schon lange gilt, werden nach einer jüngsten Untersuchung zwischen 2,5 und 5 Prozent aller Bilanzen im nachhinein korrigiert. Und das ist viel schlimmer, als sein Vermögen runterschreiben zu müssen - und sei es auch um Milliardenbeträge.

      Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.2003, Nr. 293 / Seite 20
      Bildmaterial: dpa

      www.faznet.de
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:24:36
      Beitrag Nr. 1.105 ()
      Mittelstand sieht noch kein Ende der Krise

      Berlin (ddp). Der deutsche Mittelstand schätzt die wirtschaftliche Lage hierzulande nach wie vor düster ein. 69 Prozent der mittelständischen Unternehmer halten die Situation ihrer eigenen Firma für nicht gut, wie aus der am Mittwoch in Berlin vom "Manager Magazin" vorgestellten Studie "Perspektive Mittelstand" hervor geht.

      Noch schlechter beurteilen die Unternehmer die wirtschaftliche Lage Deutschlands insgesamt, sagte der Autor der Studie, "Manager Magazin"-Redakteur Henrik Müller. Für zwei Drittel der Befragten sei sie "eher schlecht" oder "sehr schlecht". Nur drei Prozent der 512 befragten Unternehmer aus dem Mittelstand hielten die Lage für gut.

      "Die Unternehmer machen zu 61 Prozent die deutsche Politik für die unbefriedigende Situation ihrer Firmen verantwortlich", erklärte Müller. Ärgernisse seien insbesondere die Steuergesetze, zu viel Bürokratie und eine mangelnde Förderung des Mittelstands. Das restriktive Tarif- und Arbeitsrecht scheine für die meisten befragten Mittelständler dagegen kein Problem zu sein, betonte der Autor. Nur 30 Prozent seien der Meinung, dies habe maßgebliche Mitschuld an der Lage ihrer Firma.

      Auf die allgemeine Konjunkturflaute reagieren die Unternehmer überwiegend defensiv, indem sie die Kapazitäten einfrieren, wie aus der Studie weiter hervor geht. Viele sparen bei ihren Beschäftigten. 39 Prozent der Befragten haben den Angaben zufolge einen Einstellungsstopp verhängt, 28 Prozent stellten verstärkt befristet Beschäftigte und 13 Prozent Leiharbeitskräfte ein. 25 Prozent bauten Personal ab und 10 Prozent der befragten Mittelständler senkten das Lohnniveau. Nur eine Minderheit sei dabei, zu expandieren (19 Prozent) oder neue Geschäftsfelder zu erschließen (24 Prozent), erklärte Müller.

      Die repräsentative Umfrage "Perspektive Mittelstand" hat das Frankfurter Institut Media Markt Analysen (MMA) im Auftrag des "Manager Magazin" und des Stromanbieters Watt Deutschland durchgeführt. MMA befragte 512 Inhaber, geschäftsführende Gesellschafter und angestellte Geschäftsführer von Unternehmen mit mindestens einer Million Euro Jahresumsatz und maximal 500 Beschäftigten.
      ddp/mos/hwa
      171145 Dez 03
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:27:16
      Beitrag Nr. 1.106 ()
      Bundesstag: E-Mail-Server von Protest-Mails überschüttet


      Eine Welle von elektronischen Protestbriefen gegen die vom Vermittlungsausschuss beschlossenen Reformen hat am Dienstag den E-Mail-Server des Bundestages für mehrere Stunden lahm gelegt. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung konnten die Bundestagsabgeordneten deshalb weder E-Mails empfangen noch senden.

      Dem Blatt zufolge forderten viele Absender die Bundestagsabgeordneten auf, die verschärften Regelungen für Arbeitslose abzulehnen. Ferner hätten die Verfasser der E-Mails Unmut und Enttäuschung über die ihrer Ansicht nach zu geringen Steuersenkungen geäußert.


      http://f7.parsimony.net/forum9673/messages/35229.htm
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:39:41
      Beitrag Nr. 1.107 ()
      Das Finanzgebaren Parmalats lässt Schlimmes ahnen

      Enron ante portas


      Von Marcello Berni, Handelsblatt

      Mit großer Erleichterung haben die Finanzmärkte gestern auf den Führungswechsel beim italienischen Milchriesen Parmalat reagiert. Die Aktien stiegen um rund ein Drittel; die Anleihen legten ebenfalls zweistellig zu. So stieg der 2006 fällige Parmalat Finance Bond im Volumen von 650 Millionen Euro zeitweise um 13 Prozent und notierte bei 64 Prozent seines Nennwertes.




      HB MAILAND. Keine Frage: Die Ernennung des angesehenen Unternehmenssanierers Enrico Bondi als Präsident und Vorstandschef ist eine gute Nachricht. Ebenso wichtig für die Wiederherstellung des Vertrauens dürfte sein, dass sich gleichzeitig die Gründerfamilie auf Druck der Hausbanken aus nahezu allen Führungspositionen zurückgezogen hat. Sowohl der Hausherr Callisto Tanzi als auch sein Bruder Giovanni haben ihre Posten im Verwaltungsrat geräumt. Lediglich der Sohn Stefano bleibt als Repräsentant des 51-prozentigen Kontrollaktionärs im Verwaltungsrat. Damit ist der Weg zu einer effektiven Sanierung geebnet.

      Dennoch sollten sich die Anleger nicht zu früh freuen. Parmalat könnte sich angesichts einer byzantinischen Schachtelstruktur und milliardenschwerer Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz auftauchen, als eine italienische Version des Enron- Skandals entpuppen. Die komplexe Finanzstruktur, die von der Familie Tanzi mit Hilfe ihres Vertrauten Fausto Tonna im Laufe der letzten zehn Jahre aufgebaut hat, lässt jedenfalls das Schlimmste befürchten. Vereinfacht gesprochen hat sich Parmalat nicht verhalten wie ein Industrieunternehmen, sondern wie ein spekulativer Anleger. Der Konzern hat Anleihen im Volumen von über sieben Milliarden Euro emittiert. Doch anstatt das Geld für Investitionen im Kerngeschäft zu nutzen, hat Parmalat die Mittel in Steuerparadiese transferiert. Dort hat der Milchkonzern auf gut deutsch gezockt. Beispielsweise hat Parmalat knapp 500 Millionen Euro in einen völlig unbekannten und möglicherweise unseriösen Hedge-Fund namens Epicurum mit Sitz auf den Cayman-Inseln gesteckt.







      Mit dieser Strategie haben die Tanzis einen doppelten Zweck verfolgt: zum einen Steuern sparen, zum anderen hohe Gewinne aus Finanzanlagen einstreichen. Dabei hat Parmalat gleich zwei Formen der Arbitrage angewandt. Erstens eine Zinsarbitrage: Mit dem seinerzeit noch guten Rating von Standard & Poor’s, das mittlerweile drastisch heruntergestuft worden ist, konnte sich Parmalat für relativ geringe Kosten Kapital beschaffen. Dieses Kapital hat Parmalat dann in höher verzinsliche Anlagen gesteckt und dadurch Gewinne verbucht. Zweitens Steuerarbitrage: Schulden wurden in Italien gemacht, Erträge in fiskalischen Paradiesen eingestrichen.

      Das System hat so lange reibungslos funktioniert, bis die Wirtschaftsprüfer ernste Zweifel an der Korrektheit des Halbjahresabschlusses angemeldet haben. Denn darin enthalten sind Positionen, wie die Epicurum- Investitionen, deren tatsächlicher Wert nicht einwandfrei nachvollzogen werden konnte. Die Zweifel dürften sich als nur zu berechtigt herausstellen, da Epicurum trotz mehrmaliger Mahnung das Geld bis heute nicht zurückerstatten konnte. Teile der ausgewiesenen Liquidität in Höhe von 4,2 Milliarden Euro dürften also nur auf dem Papier stehen. Jede Spur von flüssigen Mitteln fehlte jedenfalls in der letzte Woche, als Parmalat nur dank vorgezogener Steuerrückzahlungen und Überbrückungskredite einen 150 Millionen- Euro-Bond zurückzahlen konnte.

      Darüber hinaus tauchen nahezu täglich neue außerbilanzielle Verpflichtungen auf. So muss Parmalat für rund 400 Mill. Euro Minderheitsaktionäre einer brasilianischen Tochtergesellschaft abfinden. Rückstellungen dafür sind aber bislang nicht gebildet worden. Insgesamt sollen derlei verdeckte Verbindlichkeiten bis zu drei Milliarden Euro betragen. Das sind Perspektiven, die Anleger erzittern lassen.


      HANDELSBLATT, Mittwoch, 17. Dezember 2003, 07:02 Uhr

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 21:51:36
      Beitrag Nr. 1.108 ()
      Ein amerikanischer Mythos erlischt

      Das stille Ende von 554 M

      Die Gesetze der Globalisierung machen auch vor dem Hersteller der Kult-Jeans nicht halt: In Texas wird die letzte Levi-Strauss-Fabrik in den USA geschlossen.

      Von Stefan Kornelius
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/731/23708/
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 22:13:03
      Beitrag Nr. 1.109 ()
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      Warum die EU-Verfassung Unrecht war

      Staatsrechtliche und demokratierechtliche Bemerkungen zum Verfassungsvertrag


      von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Universität Nürnberg-Erlangen

      zf. Mit dem Abbruch der Regierungskonferenz über den «Vertrag für eine Verfassung Europas» ist dieser Vertrag fürs erste vom Tisch. Zur Dokumentation und im Hinblick auf die für das kommende Frühjahr geplante Wiedervorlage des Themas veröffentlichen wir die folgende grundlegende Analyse. Sie soll auch der grundsätzlichen Diskussion der Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union dienen.

      Existentieller Staat und existentielle Staatlichkeit
      I. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nach den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza noch alleinig existentielle Staaten. Sie sind die «Herren der Verträge». Existentielle Staaten sind die als Staaten verfassten Völker, welche die Staatsgewalt innehaben, und zwar alle Staatsgewalt. Die Völker sind die Bürgerschaften, die zum Staat verfasste Menge von Menschen. Deren gemeinsam organisierte (verfasste) Handlungsmacht ist die Staatsgewalt. Sie gründet auf der Freiheit der Menschen und ist nicht etwa Herrschaft, von wem auch immer. Die Staatsgewalt muss vom Volk, unmittelbar oder mittelbar, ausgeübt werden (Art. 20 Abs. 2, S. 2, GG), also demokratisch legitimiert sein. Weil es im staatsrechtlichen Sinne bisher kein Volk der Europäischen Union gibt, gibt es weder einen Staat Europäische Union im existentiellen Sinne noch originäre Staatsgewalt oder eben Staatlichkeit derselben. Die Union übt vielmehr aufgrund übertragener Hoheitsrechte gemeinschaftlich einen Teil der Hoheit der Unionsvölker aus. Das ist von den Völkern durch deren Zustimmung zu den Gemeinschaftsverträgen nur legitimiert und von den Parlamenten der Völker nur verantwortbar, wenn die Ermächtigung der Gemeinschaftsorgane begrenzt und bestimmt ist, so dass deren Politik voraussehbar ist. Dieses Prinzip der begrenzten Ermächtigung ist die demokratierechtliche Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts im Maastricht-Urteil von 1993, nicht die politische Wirklichkeit der offenen Ermächtigungen.

      II. Schon seit dem Maastricht-Vertrag, erst recht nach dem Konventsentwurf des Verfassungsvertrages, ist die Europäische Union mit Aufgaben betraut und mit Befugnissen ausgestattet, die insgesamt eine existentielle Staatlichkeit ausmachen, nämlich die weitgehende Hoheit über die Wirtschaft (Binnenmarkt der Grundfreiheiten, Wettbewerb, Wirtschaft, Landwirtschaft, Währung, Aussenhandel, zunehmend Beschäftigung und Ausbildung, unmittelbar und mittelbar Soziales und anderes mehr). Hinzu kommen die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik und die justitielle Zusammenarbeit, GASP und Justiz also.

      Die Europäische Union hat weitreichende Rechtsetzungs-, aber noch weitreichendere Rechtsprechungsbefugnisse, erstens durch die Grundfreiheiten, aber auch durch die Wettbewerbsordnung, zweitens durch die praktizierten Grundrechte. Die Ermächtigungen sind nicht begrenzt und bestimmt, sondern weit und offen, ja, umfassend. Die Mitgliedstaaten haben kaum noch eigenständige Politikmöglichkeiten. Mit dem wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff etwa kann der Gerichtshof die deutsche gesetzliche Krankenversicherung revolutionieren, wenn diese nämlich als Unternehmen dem Wettbewerbsrecht unterstellt wird. Der Generalanwalt Jacobs hat dahingehend in einem zur Entscheidung stehenden Verfahren votiert, und der Gerichtshof pflegt den Voten zu folgen.

      Die Europäische Gemeinschaft kann zur Entwicklung des Gemeinsamen Marktes und die Europäische Union nach dem Verfassungsvertrag sogar zur Verwirklichung der Ziele der Verfassung die Befugnisse ohne ratifikationsbedürftigen Vertrag, wenn auch nur durch einstimmigen Ratsbeschluss und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments (Flexibilitätsklausel, Art. I-17 Abs. 1), erweitern.

      III. Der Verfassungsvertrag entwickelt die Europäische Union zum Verfassungsstaat. Die Sprache des Verfassungsvertrages ist die des Staatsrechts, nicht mehr die des Völkerrechts. Es ist fragwürdig, einen völkerrechtlichen Bundesvertrag Verfassungsvertrag zu nennen. Der Begriff Verfassung sollte der Staatsverfassung vorbehalten bleiben.

      Die Europäische Union bleibt ein Mischsystem aus Elementen des echten Bundesstaates und der völkerrechtlichen Organisation, wie im Bereich der GASP und der Justiz, gewinnt aber zunehmend Elemente des unechten Bundesstaates, vor allem im Parlamentarismus. Im Europäischen Parlament «sollen die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar vertreten» sein (Art. I-45 Abs. 2, S. 1).

      Der echte Bundesstaat gründet auf einem Bundesvertrag zwischen existentiellen Staaten, deren Hoheit die Staatsgewalt ihrer Völker ist. Die Hoheit eines solchen Bundesstaates, dessen Staatlichkeit also, beruht auf delegierten Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten, nicht originär auf einem eigenen Volk. Ein Beispiel gibt die gegenwärtige Europäische Union. Der Union die Staatseigenschaft und die Staatlichkeit abzusprechen, verkennt den freiheitlichen, republikanischen Begriff des Staates. «Der Staat ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen» (Kant). Folglich ist die Europäische Union ein Staat, funktional und institutionell. Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft von Bürgern, sei es als Staatenverbund oder sei es als Bundesstaat. Sie ist die Organisation der gemeinschaftlichen Ausübung der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten, ausgestattet mit Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung und Währung.

      Staatseigenschaft und Staatlichkeit müssen unterschieden werden. Existentielle Staatseigenschaft hat nur ein zum Staat durch ein Verfassungsgesetz (geschrieben oder ungeschrieben) verfasstes Volk. Staatlichkeit ist (funktional) die Hoheitlichkeit oder eben die Staatsgewalt, die vom Volk oder in Vertretung des Volkes durch Organe des Staates ausgeübt wird. Diese Organe können auch inter- oder supranational vergemeinschaftet sein. Sie üben dann die Staatsgewalt der verbundenen Staaten gemeinschaftlich aus und sind Teil der staatlichen Organisation der existentiellen Staaten. Als solche sind sie Teil des Staates und gehören institutionell zum Staat.Der unechte Bundesstaat beruht auf einem Verfassungsgesetz eines Volkes, welches den Zentralstaat in Gliedstaaten teilt, denen eigene Staatseigenschaft zukommt und die eigenständige Aufgaben und Befugnisse haben. Ein Beispiel ist die Bundesrepublik Deutschland.

      Nur wenn man den Begriff Bundesstaat auf den unechten Bundesstaat, wie es Deutschland ist, verengt, kann man der Europäischen Union die Bundesstaatseigenschaft absprechen, und nur wenn man den Staatsbegriff auf den eines existentiellen Staates eines Volkes begrenzt, kann man bestreiten, dass die Union (bisher schon) institutionell zum Staat gehört und insoweit Staat ist sowie über Staatlichkeit verfügt. Es gibt aber keine andere Hoheitlichkeit als die Staatlichkeit, zumal «alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht» (Art. 20 Abs. 2, S. 1, GG).

      Die Länder Deutschlands, nach ihrem Selbstverständnis und nach dem Grundgesetz existentielle Staaten, verlieren nach dem Verfassungsvertrag ihre Staatseigenschaft und werden zu «regionalen Selbstverwaltungskörperschaften» (Art. I-5). Das widerspricht dem Verfassungsprinzip des unechten Bundesstaates Deutschland und berechtigt die Länder, den Bund zu verlassen. Den Ländern ist ein Austrittsrecht in existentieller Lage zuzugestehen, wenn ihre Staatseigenschaft nicht ein hohles Wort sein soll.

      Entdemokratisierung der Politik
      I. Existentielle Staatlichkeit setzt den existentiellen Staat voraus, dieser ein verfasstes Volk, das originäre Staatsgewalt hat. Nur ein Volk kann demokratisch legitimieren. Die Unionspolitik ist nicht demokratisch legitimiert, weder durch ein Unionsvolk noch mittelbar durch die Völker der Mitgliedstaaten. Das Europäische Parlament ist kein wirkliches Parlament, sondern der Sache nach noch immer eine Versammlung der Vertreter der Völker. Es ist nicht gleichheitlich gewählt. Deutschland müsste nach dem Wahlprinzip der Egalität, berechnet auf der Basis der Abgeordnetenzahl Maltas, 1000 Abgeordnete stellen, nicht lediglich 99. Nur ein gleichheitlich gewähltes Parlament kann rechtens ein Volk in der Gesetzgebung vertreten; denn Gesetze gründen auf der Freiheit. Die aber ist allgemein und gleich.

      Das Europäische Parlament hat zwar gewisse parlamentarische Befugnisse. Im Rechtsetzungsverfahren der Mitentscheidung kann es mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder ein Veto einlegen und im Verfahren der Zusammenarbeit mit absoluter Mehrheit Einstimmigkeit im Rat erzwingen. Es hat aber nicht die alleinige, schon gar nicht die wesentliche Gesetzgebungshoheit. Es hat nicht einmal ein wirkliches Initiativrecht. Nach dem Verfassungsvertrag wird die gemeinsame Gesetzgebung des Europäischen Parlaments und des Ministerrates das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, in dem beide Organe zu einer Einigung kommen müssen (Art. I-33 Abs. 1). Andere Verfahren bleiben aber möglich (Abs. 2). Selbst den Haushalt kann letztlich der Rat durchsetzen. Das Europäische Parlament vermag die Gesetzgebung weder jetzt noch in Zukunft allein oder auch nur wesentlich demokratisch zu legitimieren, weil es nicht gleichheitlich von einem Volk gewählt ist.

      Die Kommission bedarf der Zustimmung des Europäischen Parlaments, aber der Rat schlägt den Präsidenten der Kommission und zusammen mit dem Präsidenten deren Mitglieder vor. Das Parlament kann die Kommission durch ein Misstrauensvotum mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments stürzen. Von einem parlamentarischen Regierungssystem kann demgemäss noch keine Rede sein, zumal die Kommission zwar Regierungsfunktionen hat, aber keine wirkliche Regierung ist.

      II. Die Rechtsetzung ist vornehmlich Sache des Rates. Sie ist also Sache der Regierungen der Mitgliedstaaten und damit exekutivistisch. Das ist keine Demokratie, sondern ein Führersystem. Die Rechtsakte sind weitgehend mit qualifizierter Mehrheit zu verabschieden, gegebenenfalls also ohne irgendeine Legitimation der durch ihren Minister vertretenen, aber überstimmten Völker. Eine solche Rechtsetzung ist nur bei wirklich begrenzter Ermächtigung der Rechtsetzungsorgane tragfähig. Hinzu kommt, dass jeder Mitgliedstaat ein Ratsmitglied stellt, Malta wie Deutschland, also jenseits jeder Gleichheitlichkeit der Menschen. Deutschland müsste im Rat, wenn die deutsche Bevölkerung gleichheitlich mit der Maltas vertreten sein soll, 600 Stimmen haben. Die Ratskonzeption bleibt somit völkerrechtlich und damit trotz der existentiellen Staatlichkeit der Union staatswidrig.

      Die Vorschläge macht die Kommission, in der nach dem Rotationssystem des Verfassungsvertrages ab 2009 nicht einmal stetig alle Mitgliedstaaten stimmberechtigt vertreten sein sollen, auch nicht die grossen, wie Deutschland. Die Eurokraten haben keine relevante demokratische Legitimation. Die gewisse Abhängigkeit der Kommission vom Europäischen Parlament genügt keinesfalls als demokratische Legitimation, abgesehen davon, dass die Legitimation dieses Parlaments hinkt und die Europäische Union zu viele Menschen umfasst, bald fast 500 Millionen, als dass das Europäische Parlament noch eine nennenswerte Legitimationskraft hat. Demokratie verlangt legitimatorisch nach der kleinen Einheit.

      III. Wesentliche funktionale Rechtsetzungsmacht hat die europäische Gerichtsbarkeit, zumal der Europäische Gerichtshof. Dieser hat die stärkste Rechtserkenntnismacht, insbesondere die rechtliche Begriffsmacht. Die Vertragstexte sind weit und offen, zumal die der Grundfreiheiten und die der (mehr als bedenklichen) Grundrechtecharta, die Teil II des Vertrages werden soll. Rechtsstaatlich gemessen sind sie unbestimmt, etwa der Tatbestand «Massnahmen gleicher Wirkung» wie Beschränkungen des Warenverkehrs in der umwälzenden Warenverkehrsfreiheit. Die europäische Gerichtsbarkeit praktiziert Rechtsgrundsätze und Grundrechte (bisher) ohne verbindlichen Text. Sie orientiert sich dabei an der Rechtskultur in Europa. Der Europäische Gerichtshof agiert als Verfassungsgericht mit grosser politischer Macht. Er hat keinerlei demokratische Legitimation. Seine Mitglieder werden im Einvernehmen der Staats- und Regierungschefs ernannt. Die Exekutive ist zum einen der Gegenspieler der Rechte der Menschen und Bürger und darum gerade nicht legitimiert, die Richter auszuwählen. Zum anderen stellt jeder Mitgliedstaat einen Richter, auch für das Gericht erster Instanz. Auf dieses haben die anderen Völker keinen messbaren legitimatorischen Einfluss.

      IV. Die wirtschaftlich existentielle Währungspolitik ist Sache des Zentralbankrates der Europäischen Zentralbank. Die Direktoren werden von den Staats- und Regierungschefs ernannt, die Notenbankpräsidenten, welche die Mehrheit haben, von ihren Mitgliedstaaten. Das gibt keine demokratische Legitimation, wie es auch das Bundesverfassungsgericht sieht. Die institutionelle Entwicklung des Währungssystems hat weitere Bedenken ausgelöst.

      Verfassung der Union nicht ohne Volksabstimmung
      Die Integration zum Bundesstaat Europäische Union vollzieht sich nicht demokratisch. Das Selbstbestimmungsrecht jedenfalls der Deutschen wird missachtet. Der Konvent ist durch die Staats- und Regierungschefs eingesetzt und hat unter Rechtsgesichtspunkten keine demokratische Dignität. Er ist eine Arbeitsgruppe, welche insbesondere die Parlamente, auch das Europäische Parlament, einbindet, also ein Fall des entdemokratisierenden Kommissionismus. Ein staatsgründendes Verfassungsgesetz können rechtens nur die Völker selbst hervorbringen.

      Die Einschränkung der existentiellen Staatlichkeit der Völker oder der existentiellen Staatseigenschaft setzt zunächst einmal einen Willensakt jedes Volkes selbst voraus, seine existentielle Staatlichkeit bzw. Staatseigenschaft ganz oder zum Teil aufzugeben und auf einen neuen existentiellen Staat überzuleiten. Das verlangt nach einer Volksabstimmung (Referendum). Diesen Schritt kann man nicht über die Köpfe der Menschen und Völker hinweg machen. Das ist weder mit Art. 20 Abs. 1 GG noch mit der Freiheit der Völker vereinbar. Die classa politica hat dafür keine Ermächtigung. Art. 23 Abs. 1, S. 1, GG, der Europaartikel, reicht soweit nicht, schon deshalb nicht, weil das Volk, von dem nach Art. 20 Abs. 2, S. 1, GG alle Staatsgewalt ausgeht, nicht, auch nicht teilweise, entmachtet werden darf. Wenn ein Volk in einem Volk der Europäer aufgehen soll, muss es dem zustimmen, selbst und unmittelbar. Ein solcher Schritt transzendiert die verfasste existentielle Staatseigenschaft und existentielle Staatlichkeit Deutschlands und ist von dem Integrationsprinzip, wonach das deutsche Volk «von dem Willen beseelt ist, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen» (Präambel des Grundgesetzes), nicht getragen. Das Maastricht-Urteil hat das klargestellt.

      Das Argument, das Grundgesetz regele keine Volksabstimmung, greift nicht, weil die Integration des grundgesetzlichen Bundesstaates in einen teilweise echten, teilweise unechten Bundesstaat Europäische Union nicht nur verstärkt, sondern durch den substantiellen Schritt zum Verfassungsstaat fundiert werden soll. Das ist der die Grenze der deutschen Staatseigenschaft und Staatlichkeit überschreitende Schritt. Im übrigen sieht Art. 20 Abs. 2, S. 2, GG neben Wahlen Abstimmungen vor, denen ein Verfahren und damit Wirksamkeit zu geben, überfällige Pflicht des verfassungsändernden Gesetzgebers ist. Aber die Parteienoligarchie fürchtet das Volk, jedenfalls integrationspolitisch.

      Die Verfassung Europas müsste zudem durch die Unionsbürgerschaft, den neuen pouvoir constituant, begründet werden. Das verlangt zusätzlich zu dem Referendum der Völker eine von den Unionsbürgern gewählte Verfassungsversammlung und eine unionsweite, gemeinsame Abstimmung über das Verfassungsgesetz.

      Artikel 10: Zeit-Fragen Nr.47 vom 15.12.2003, letzte Änderung am 16.12.2003
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      schrieb am 17.12.03 22:23:04
      Beitrag Nr. 1.110 ()
      USA

      Gewerkschafter: «Schlimmste Job-Krise» seit 1932

      «Seit Bush übernommen hat, schlittern wir auf dem Arbeitsmarkt in die schlimmste Krise seit der grossen Depression.»



      Jerry Zellhoefer, Europarepräsentant des US-Gerwerkschaftsdachverbandes AFL/CIO, zieht im Gepräch mit der «Wiener Zeitung» eine desaströse Bilanz der Präsidentschaft Georges W. Bushs. Die offiziellen Statistiken zeigten nicht das wahre Ausmass des Problems: «Diejenigen eingerechnet, die alle Hoffnung verloren haben und sich gar nicht mehr um Stellen bewerben, stehen 15 Millionen auf der Strasse, 44 Millionen - um 2,4 Millionen mehr als 2002 - haben keine Krankenversicherung, Millionen von Ðworking poorð halten sich mit ÐMcJobsð zu dem seit 3 Jahren unveränderten Stundenlohn von 5,15 Dollar über Wasser.»

      Der Gewerkschafter sieht sehr wohl auch die Globalisierung als eine der Ursachen der Misere: «Mehr und mehr Arbeitsplätze werden in Billiglohnländer ausgelagert. Nach Mexico und Lateinamerika ist jetzt verstärkt Asien, vor allem China dran.» Immer mehr sind nach den Industriearbeitsplätzen auch die «White-Collar»-Jobs der Dienstleistungsbranche in den Bereichen Computer, Medizintechnik und Forschung betroffen. Nach Gewerkschaftsangaben planen IBM und andere Elektronikgiganten in den nächsten 15 Jahren, 3 Millionen Dienstleistungsjobs vor allem nach Indien und Asien zu verlegen - «das repräsentiert eine Lohnsumme von 136 Milliarden Dollar». Bei den Verhandlungen über den Welthandel müssen daher internationale Sozialstandards und Umweltschutzverpflichtungen auch für die Schwellenländer durchgesetzt werden. Das Hauptübel sei aber hausgemacht: «Es gibt unter Bush keine Arbeitsmarktpolitik, alle Fortschritte der Ära Clinton sind zunichte gemacht.» Produktivität, Börsenkurse und Profite steigen, alles sei nur auf den Schutz des Investments angelegt. «Bush macht Schulden, steuert das Geld in den militärisch-industriellen Komplex statt in die Infrastruktur und senkt die Steuern für die Reichen, während ein Fünftel der Kinder in Armut lebt.» Was kann die Gewerkschaft tun? Für Zellhoefer ist die nächste Präsidentschaftswahl die «wichtigste seit 1932» - «ein Demokrat muss gewinnen, sonst geht die Casino-Ökonomie ungebremst weiter».
      (ist egal wer gewinnt, das sytem an sich muss geändert werden, sonst ändert sich gar nichts zum Guten )

      Quelle: Wiener Zeitung vom 31.10./1.11.03
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      schrieb am 17.12.03 22:24:56
      Beitrag Nr. 1.111 ()
      EU-Verfassung gescheitert

      von Karl Müller, Deutschland
      Die Regierungskonferenz der Europäischen Union ist am Wochenende gescheitert. Die Staats- und Regierungschefs der 15 EU-Staaten und der 10 Beitrittsländer haben sich nicht auf einen Text für einen Verfassungsvertrag einigen können.

      Die öffentlichen Debatten im Vorfeld der Konferenz hatten sich auf die Frage konzentriert, wie künftig im Ministerrat der EU - dem wichtigsten Rechtsetzungsorgan der EU - abgestimmt werden soll. Nach dem in Nizza beschlossenen Verfahren, das Spanien und Polen ein starkes Stimmengewicht eingeräumt hatte? Oder nach einer sogenannten doppelten Mehrheit, die jedem Staat eine Stimme gibt und bei Mehrheitsentscheidungen neben einer Stimmenmehrheit im Rat vorsieht, dass diese Stimmenmehrheit auch mehr als 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren muss?

      Der Verlauf der Regierungskonferenz zeigte, wie mit verschiedenen Mitteln des Drucks und der Drohung gearbeitet wurde. Die Argumentationslinien der Debatte waren oft polemisch. Während die Gegner der spanischen und polnischen Position beiden Regierungen Blockadehaltung, nationalen Egoismus und Behinderung des «europäischen Fortschritts» vorwarfen, sprachen andere von der berechtigten Furcht vor einer Dominanz der Grossen, insbesondere Deutschlands und Frankreichs, in der EU.

      Über diese Debatte sind die wirklichen Grundsatzfragen verlorengegangen. Dies betrifft insbesondere die Frage nach der Bedeutung des Verfassungsvertrages für die Zukunft Europas in der Weltpolitik, für die Souveränität der Mitgliedstaaten, für die Demokratie in den Mitgliedstaaten und für die Grundrechte der Bürger. Die Analyse von Professor Karl Albrecht Schachtschneider geht auf diese grundsätzlichen Fragen ein. Deutlich wird, dass es um viel mehr geht als um die Frage nach der Stimmengewichtung im Rat oder der Anzahl der Kommissare. Es geht um die Grundsatzentscheidung, ob die Europäische Union zu einem Staatsgebilde werden soll. Dies würde nach sich ziehen, dass die bisherigen Mitgliedstaaten das Eigentliche ihrer Staatlichkeit verlieren würden.

      In der Geschichte der europäischen Staaten standen immer wieder Grundsatzentscheidungen an. In demokratisch verfassten Gesellschaften waren solche Entscheidungen mit einer breiten, kontroversen und auch grundsätzlichen öffentlichen Diskussion verbunden. Heute kann man den Eindruck gewinnen, dass solche Debatten nicht mehr geführt werden sollen und statt dessen die politischen Grundsatzentscheidungen in ein Korsett des vermeintlich Notwendigen und Unausweichlichen gezwängt werden. Das erstickt die öffentliche Debatte. Wird Enge des Denkens und der Diskussion zur EU-Staatsräson?

      Dabei dreht sich die Grundsatzentscheidung, die ansteht, um die Frage, ob Europas Bürger auf grundlegende demokratische Rechte verzichten wollen, um einem grossen Machtgebilde unter Führung einer politischen und wirtschaftlichen Elite in einer zunehmend konfrontativen internationalen Politik den Weg zu ebnen. Oder ob sich Europa auf die Werte der Demokratie, auf die Freude an der reichen Vielfalt politisch überschaubarer Einheiten, darauf, Brücken zwischen den Menschen, Völkern und Staaten zu bauen, und auf ein menschliches Mass besinnt.

      Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.47 vom 15.12.2003, letzte Änderung am 16.12.2003
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      schrieb am 17.12.03 22:32:54
      Beitrag Nr. 1.112 ()
      Inland
      Daniel Behruzi

      Soziale Proteste werden gebündelt

      Berlin: Aktivisten wollen Widerstand gegen Sozialkürzungen verstärken und besser koordinieren


      »Die Bewegung, die mit dem 1. November begonnen hat, darf nicht im Sande verlaufen.« Mit diesem Appell eröffnete Jutta Kausch von der Initiative »Künstlerinnen und Künstler gegen den Krieg« am Dienstag ein Treffen von mehr als 120 Gewerkschaftern, Globalisierungskritikern, Aktivisten der Friedensbewegung, Studierenden und Erwerbslosen im Haus des Berliner DGB. Sie alle eint das Bestreben, die Vernetzung der vielen Protestinitiativen und -bündnisse, die sich in den letzten Wochen und Monaten zusammengefunden haben, voranzutreiben. Im Vordergrund der lebhaften Diskussion stand dann auch die Frage, wie der Protest gegen den Sozialabbau zusammengeführt werden soll.

      Zunächst planen die Aktivisten eine große Protestaktion am Tag der ersten Lesung zum Doppelhaushalt im Berliner Abgeordnetenhaus, die wahrscheinlich am 20. Januar stattfinden wird. »Ver.di wird zu einem solchen Protest mobilisieren«, versprach der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft, Peter Schrott. Eine Reihe von Teilnehmern forderte die Gewerkschaften auf, an diesem Tag nicht nur zu einer Demonstration, sondern auch zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen. Dadurch könne auch ökonomischer Druck auf Regierende und Unternehmer ausgeübt werden, argumentierten sie. »Die Kollegen sind sauer und wollen auf die Straße, aber nicht nur am Samstag, sondern sie wollen Berlin zum Stillstand bringen«, rief ein bei der BVG beschäftigter Kollege. Andere zeigten sich hingegen skeptisch, ob es möglich sei, die Belegschaften zu Arbeitsniederlegungen zu mobilisieren. »Da muß man erst mal aufklären und die Leute hinter sich haben«, meinte Jürgen Petersen von der GEW. Auch andere Teilnehmer betonten die Notwendigkeit politischer Aufklärung. »Jeder kann heute entlassen werden – das müssen wir allen klar machen, das ist die gemeinsame Klammer«, sagte Willi Hajek von der Gruppe »Gegenwehr«.

      Auf die von Unternehmern betriebene »Erpressung mit Produktionsverlagerung ins Ausland«, müsse mit internationaler Gegenwehr geantwortet werden, forderte einer der anwesenden Betriebsräte. Folgerichtig spielten die auf dem Europäischen Sozialforum in Paris diskutierten europaweiten Aktionstage gegen Krieg und Sozialkahlschlag eine große Rolle bei den weiteren Planungen. »Der 20. März wird nicht nur ein Antikriegstag sein, denn Krieg und Sozialabbau hängen zusammen«, stellte Laura von Wimmersperg, Moderatorin der Berliner Friedenskoordination, klar. Der Kasseler Friedensratschlag plant an diesem Tag dezentrale Aktionen. Die Gewerkschaften wollen dem Vernehmen nach am 3. oder 4. April zu einer bundesweiten Großdemonstration aufrufen, auf der, so Hajek, auch die Kräfte zu Wort kommen müßten, die die Politik der Gewerkschaftsspitzen kritisieren.

      * Berliner Plenum gegen Sozialkahlschlag: 4. Januar, 19 Uhr, Humboldt-Uni
      http://www.jungewelt.de/2003/12-18/013.php
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 22:37:14
      Beitrag Nr. 1.113 ()
      Interview
      Interview: Daniel Behruzi

      Große Koalition beschließt Sozialabbau: Ist letztlich Lohnsenkung zentrales Ziel?

      jW sprach mit Rainer Roth, Professor für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Frankfurt/ Main


      * Unser Gesprächspartner ist Autor des Buches »Nebensache Mensch. Arbeitslosigkeit in Deutschland« (DVS, Frankfurt/Main 2003)

      F: Nach der Einigung im Vermittlungsausschuß sind Bezieher des, auf Sozialhilfeniveau abgesenkten, Arbeitslosengeldes II demnächst gezwungen, jeden Job anzunehmen. Welchen Zweck verfolgt die ganz große Parteienkoalition mit dieser Maßnahme?

      Das Arbeitslosengeld II ist sogar unter Sozialhilfeniveau abgesenkt worden. Der Zweck ergibt sich aus der Beziehung zwischen Sozialleistung und Lohn. Die Sozialhilfe wirkt als eine Art Mindestlohn im Tarifsystem. Dessen Senkung und Ausweitung greift das Tarifsystem von unten an. Es handelt sich hier nicht nur um einen Angriff auf soziale Leistungen, sondern auf alle Lohnabhängigen. Dieser korrespondiert mit der Attacke auf die Tarifautonomie, die das Ziel hat, die Lohnfestsetzung auf die betriebliche Ebene zu verlagern. Das sind zwei Seiten einer Zange.

      F: Die Gewerkschaftsspitzen feiern es als Erfolg, daß kein gesetzlicher Eingriff in die Tarifautonomie beschlossen wurde.

      Offensichtlich wollen sie die Löhne nun von Fall zu Fall »freiwillig« senken. Das ist aber so oder so kein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit.

      F: Eine weitere von CDU und FDP durchgesetzte Maßnahme ist der Wegfall des Kündigungsschutzes in Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten. Wie paßt das in diesen Zusammenhang?

      Das paßt ganz genau. In der momentanen Wirtschaftskrise geht es in erster Linie um Entlassungen, nicht um Neueinstellungen. Mit dieser Regelung werden Entlassungen erleichtert. Das setzt wiederum die Löhne unter Druck.

      F: Propagiert wird das als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit.

      Auch die Behauptung, die »Steuerreform« diene dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit, hat nicht gestimmt. Das Ziel der »Agenda 2010« ist in erster Linie die Anhebung der Profite auf Kosten der Löhne, vermittelt über Sozialabbau. Mit dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit hat das nichts zu tun.

      F: Was sind die Auswirkungen der »Steuerreform«?

      Die Senkung der Gewinnsteuern geht weiter. Letztlich soll der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer auf das Niveau der Körperschafts- plus Gewerbesteuer, also auf etwa 35 Prozent, sinken. Das reißt weitere Löcher in die öffentlichen Haushalte, die dann durch Sozialabbau wieder gestopft werden müssen. Die Steuersenkung in den unteren Lohngruppen ist dagegen halbherzig. Das Existenzminimum wird nach wie vor besteuert. Die geringe Entlastung, die es in diesem Bereich gibt, wird vom Zwang zur Privatversicherung und von Gebührenanhebungen weitgehend aufgefressen.

      F: Im nächsten Jahr stehen eine Reihe von Wahlkämpfen an. Ist anzunehmen, daß sich das Tempo des Sozialabbaus nun verlangsamen wird?

      Nein, das Tempo des Sozialabbaus hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und die ist ziemlich labil. Aber es hängt auch vom Widerstand dagegen ab. Im Frühjahr steht zunächst die »Rentenreform« an, durch die das Rentenniveau über die nächsten Jahrzehnte um ein Drittel gesenkt werden soll. Viele der beschlossenen Maßnahmen greifen erst zu Jahresbeginn 2005. Den meisten Betroffenen wird dann erst klar werden, was das tatsächlich bedeutet.

      F: Die Proteste am und nach dem 1. November haben nicht ausgereicht, um die Kürzungen zu verhindern. Wie kann der Druck gesteigert werden?

      Dafür müßten noch wesentlich mehr als die 100 000 am 1. November auf die Straße gehen. Beim Europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau am 3./4.April könnte es zu einer noch machtvolleren Demonstration kommen. Wichtig ist aber, daß die Kräfte, die den 1. November zustande gebracht haben, zusammenbleiben und ihre Selbständigkeit auch gegenüber der Führung von DGB und ATTAC behaupten. Das ist ein positives Ergebnis der bundesweiten Aktionskonferenz vom vergangenen Samstag. Nun geht es darum, überall örtliche Bündnisse zu bilden, die zum Kristallisationspunkt für den Widerstand gegen Sozialabbau werden.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-18/015.php
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      schrieb am 17.12.03 22:48:43
      Beitrag Nr. 1.114 ()
      Inflation oder Deflation

      von Jochen Steffens

      Das Thema bleibt aktuell und offenbar doch unsicherer als ich gedacht habe. Eigentlich müsste ein US-Wirtschaftswachstum von 4–8 % deutlich inflationäre Tendenzen bewirken. Die Gründe hatte ich bereits beschrieben. Nach den neusten Zahlen der Verbraucher und Produzentenpreise zeigen sich erneut eher deflationäre Tendenzen. Während der Dollar im Außenhandel immer schwächer wird, sinken in Amerika ebenfalls die Preise. Irgendwas kann hier nicht stimmen.

      Die Firmen müssen (wie vor kurzem geschrieben) immer höhere Rohstoffpreise bezahlen. Die neusten Zahlen belegen: Der Konkurrenzkampf zwingt die Firmen zu niedrigen Preisen. Das heißt, irgendwo muss eingespart werden. Restrukturierungsprogramme gibt es so viele, wie es Firmen gibt. Überall wird an Allem gespart.

      Das hat natürlich Folgen: Zunächst für die Einkommen der Arbeiter, die nicht sonderlich zulegen können. Bei einem immer schwächer werdenden Dollar, verdienen die Amerikaner im Außenvergleich faktisch sogar immer weniger. (Das beklagt Bill Bonner so gerne, da er als Amerikaner in Paris lebt, die Dollar Abwertung also sehr deutlich zu spüren bekommt)

      Andererseits können keine neuen Stellen geschaffen werden, andere werden abgebaut. Überall liest man von Entlassungen. Mit anderen Worten, die nun deflationären Tendenzen sind ein Beweis dafür, dass die Rezession den Markt, die Überkapazitäten in Amerika, nicht bereinigt hat. Zu viele Firmen, zu viel Konkurrenz.

      Die Fed versucht nun, so lange die Niedrigzinspolitik durchzuhalten, bis sich der Markt doch noch bereinigt. Ich frage mich, hofft die Fed im Prinzip, dass viele der Firmen, die sich in der Zwickmühle hohe Produktionskosten/niedrige Preise befinden aufgeben? Das ist eine wirklich interessante Frage, denn wie sonst soll das Problem Überkapazitäten bei gleichzeitiger Konsumschwäche gelöst werden? Und wenn die Fed das hofft, warum lässt sie keine Rezession zu?

      Ein Leser schrieb dazu: Durch eine höhere Kapazitätsauslastung könnten die Produktionskosten ebenfalls gesenkt werden. Das stimmt, aber der Konsum müsste angeheizt werden, damit höhere Kapazitätsauslastungen überhaupt möglich sind. Hier greift der Staat mit den Steuergeschenken ein. Und tatsächlich, wir sehen eine Konsumanstieg und auch eine höhere Kapazitätsauslastung (siehe gestern). Doch dieser Leser schrieb einen Satz weiter – zweifelnd: Nur, ob dieser Effekt ausreichen wird?

      Sie sehen, der Wettlauf der Fed mit der Konjunktur ist immer noch in vollem Gange. Wer ist da der Hase und wer der Igel? Die aktuelle Geld-Politik der Fed erscheint mit überaus riskant. Denn sollte sie es tatsächlich schaffen, dass die Überkapazitäten bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum abgebaut werden, könnte die Inflationsrate derart schnell anziehen, dass Gegenmaßnahmen kaum noch greifen würden. Somit ist das Ganze ein Tanz auf einer Nadelspitze. In jede Richtung wartet der Abgrund. Rechts die Deflation, links die Inflation, vorne der Kollaps am Anleihenmarkt, hinten die Zinsschraube. Nur wenn die Balance gehalten werden kann, hat die US-Wirtschaft vielleicht eine Chance mit einem blauen Auge davon zu kommen. Haben Sie schon einmal versucht auf einer Nagelspitze zu tanzen?

      Was ich dabei so seltsam finde: Die Märkte rechnen normalerweise alle möglichen Risiken und Chancen in die aktuellen Kurse ein. Gerne wird dabei jedes noch so kleine Risiko sofort eingepreist. Mit anderen Worten, umso weniger riskant die Zukunft erwartet wird, desto höher die Kurse. Die Risiken sind aber meines Erachtens im Moment sehr hoch, da sollten die Kurse doch bei weitem niedriger stehen.

      Allerdings drängt ungeheure Liquidität auf den Markt und so steigt einfach alles, was man kaufen kann, sogar Gold und Aktien gleichzeitig. Es gilt jedoch: Umso weiter das getrieben wird, desto größer ist die Diskrepanz zwischen dem Kurs und der Realität. Ich weiß eins mit Sicherheit, diese Diskrepanz wird ausgeglichen werden. Entweder passt sich die Realität an die aktuellen Kurse an, oder die Kurse an die Realität. Wie diese Anpassung letzten Endes geschieht, ist die alles entscheidende Frage. Meine Meinung dazu kennen Sie.

      Das Ifo Institut hat heute ebenfalls die in Deutschland beschlossenen Reformen als unzureichend eingestuft. Das Ifo-Institut rechnet lediglich mit einem Impuls für das Wirtschaftswachstum von 0,1 % für 2004. Allerdings sieht das Ifo Institut langfristige Effekte. Ich bin sehr gespannt, was letzten Endes Deutschland 2004 für ein Wirtschaftswachstum erreichen wird.

      Euro bei 1,238 Dollar. Es geht weiter und weiter ... Nächstes Ziel 1,25 Dollar

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      Japan und die Schweiz – Geldmengenwachstum nimmt zu
      (was bleibt in diesem System auch anderes übrig)
      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ist die Welt jetzt sicherer geworden – jetzt, wo Saddam Hussein hinter Gittern sitzt?

      Fuer die Iraker ist die Welt wahrscheinlich sicherer geworden. Wer weiss? Nur die Zeit wird es zeigen ... und die Zeit tendiert dazu, ihre Geheimnisse fuer sich selbst zu behalten, selbst dann, wenn sie intensiv verhoert wird.

      Aber an der Wall Street wurde die Gefangennahme von Saddam Hussein positiv aufgefasst – die Befreiung des Irak von seinem letzten gewaehlten Praesidenten wurde gefeiert (mehr dazu weiter unten ...)

      Aber schon bald aenderte sich die Einschaetzung. Selbst das bevorstehende Weihnachtsfest und die Gefangennahme von Saddam Hussein konnten es nicht verhindern, dass die Stimmung an der Wall Street etwas kippte. Der Goldpreis begann wieder zu steigen. Die Aktienkurse begannen zu fallen. Der Dollar fiel auch wieder. Und jetzt hat der Euro schon wieder ein neues Allzeithoch gegenueber dem Dollar erreicht – Saddam Hussein hin oder her.

      Wenn die Welt sicherer geworden ist, dann konnten die Investoren das nicht sehen.

      Ein Freund von mir hat einmal Leute, die in Baltimore im Ghetto leben, gefragt, was fuer Zinsen sie zahlen muessen, wenn sie sich Geld leihen wollen. Die Antworten haben ihn ueberrascht. Denn die Geldverleiher verlangten Zinsen zwischen 50 % und 100 % pro Jahr. Die Leute wissen, dass das Leben in schlechter Nachbarschaft nicht sicher ist (statistisch gesehen war es in den letzten 6 Monaten wahrscheinlicher, das ein junger Schwarzer in Baltimore erschossen wurde, als dass ein US-Soldat in Bagdad einem toedlichen Anschlag zum Opfer fiel). Und ein Schuldner koennte nicht faehig sein, zu zahlen, oder er koennte es vergessen oder einfach verschwinden.

      Nur in sicheren, stabilen, reichen Gemeinschaften – wie in der Schweiz oder Japan – bleibne die Vermoegenswerte hoch und die Zinsen niedrig, und zwar ueber laengere Zeitraeume. Die Schuldner tendieren dazu, lange genug zu leben, um ihre Schulden bezahlen zu koennen ... und die Waehrungen dieser Laender tendieren dazu, ihren Wert zu halten.

      Aber heute lese ich, dass selbst Japan und die Schweiz beim Rennen zur Zerstoerung der eigenen Waehrung mitmachen. Die juengsten Zahlen zeigen, dass die Geldmenge in der Schweiz und Japan jetzt schneller als die der USA waechst ...

      Jetzt aber zu Eric Fry, mit seinen heutigen Erkenntnissen:
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      "Hussein-Rally" vorbei

      von unserem Korrespondenten Eric Fry an der Wall Street

      Die "Hussein-Rally" hatte sogar noch weniger Feuerkraft als seine fiktionalen "Massenvernichtungswaffen".

      Als die Kleinanleger in den USA letzten Sonntag schlafen gingen, wussten sie, dass der naechste Morgen eine Rally an der Wall Street bringen wuerde – da ja Saddam Hussein gefangen worden war. Die Kleinanleger muessen sich gefragt haben – was kann positiver fuer die Boerse sein als die Gefangennahme Saddam Husseins? Fast alles, wie es jetzt aussieht, waere bullisher gewesen ...

      Die Gefangennahme von Hussein liess den Dollar im fruehen asiatischen Handel steigen, und der Goldpreis fiel. Aber als der Handelstag in New York begann, da war es mit dieser Dollar-Rally schon wieder vorbei.

      Tja, da hatten Bill Bonner und Addison Wiggin mal wieder recht, als sie meinten, dass die Gefangennahme von Saddam Hussein keine Trendwende bei Dollar und Gold ausloesen wuerde.

      Jetzt weg von Saddam Hussein, hin zur US-Wirtschaftsentwicklung: Den US-Investoren scheint nichts zu fehlen. Was koennten sich die Kleinanleger in den USA noch wuenschen, wo sie doch schon ein Wirtschaftswachstum von 8,2 % haben, einen boomenden Immobilienmarkt, einen steigenden Aktienmarkt, militaerische und monetaere Hegemonie und eine unbegrenzte Kreditlinie beim Rest der Welt?

      Vielleicht wird das Schicksal noch eine Ueberraschung bereithalten – die Art von Ueberraschung, bei der die Kleinanleger nach Gnade schreien werden. Vielleicht wird der US-Dollar unter das Niveau fallen, das Greenspan, Bernanke und Bush als gut fuer die US-Wirtschaft ansehen ... und vielleicht wird er soweit fallen, bis die auslaendischen Investoren veraengstigt ihre Dollar-Vermoegensanlagen loswerden wollen.

      Jay Shartsis, ein Freund von mir, der in New York Optionshaendler ist, sagt: "Das Hoch des Dow Jones letzte Woche wurde vom breiten Markt nicht unterstuetzt, was ein Verkaufssignal ist. Das Hoch wurde nicht von den Transportwerten oder den Versorgern bestaetigt. Und was wahrscheinlich noch wichtiger ist: Weder der Nasdaq, der Russell 2000 (Index) oder der Wilshire 5000 (sehr breit gefasster Index) bestaetigten das – und das sind alles viel breit gefasstere Indizes als der Dow Jones."

      Um das alles zusammenzufassen: Der ehemalige irakische Tyrann ist jetzt im Gefaengnis, aber das bietet ueberhaupt keine Sicherheit gegen die Tyrannei des Besitzes ueberteuerter Aktien.

      --------------

      Saddam Hussein – gewaehlter Diktator?

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris

      *** Die amerikanische Geldmenge – M3 – faellt derzeit. Im November ging sie um 0,3 % zurueck. Der Grund: Unklar. Die Auswirkungen: Unbekannt. Die Wichtigkeit: Unsicher. Signifikanz: Ominoes.

      *** Im Landkreis San Diego stiegen die Immobilienpreise mit einer Jahresrate von 18 %, und der durchschnittliche Hauspreis steht jetzt bei 450.000 Dollar. Das ist deutlich mehr, als sich der durchschnittliche Hausbauer leisten kann. Nur 15 % der Buerger dieses Landkreises koennten sich so ein Haus leisten.

      Der Quadratmeterpreis hat dort inzwischen das Niveau von Zentral-Paris erreicht ...

      *** Im International Herald Tribune waren ein paar Fotos, die die Karriere von Saddam Hussein beschrieben. Ich war erstaunt, als ich unter einem Foto las: "Saddam Hussein nach seiner Wiederwahl 1997".

      Wiederwahl? Moment mal ... ich dachte, er war ein Diktator! Ist er ein gewaehlter Diktator? Was ist das? Ich dachte, bei diesem Krieg ging es neben den Waffenvernichtungswaffen und den Verbindungen zu Al Qaeda darum, die Demokratie in die Wueste zu bringen? Aber da war bereits Demokratie?

      Nun, selbst im Oktober 2002 hielt Saddam Hussein noch ein Referendum ueber seine Amtszeit ab. Er bekam 100 % der Stimmen. Natuerlich war er der einzige Kandidat. Und noch bemerkenswerter ist, dass nicht ein einziger Waehler seine Pflicht versaeumte ...

      *** Letzte Woche traf ich Byron King in Baltimore. Das ist auch so ein Skeptiker. Er sprach ueber die aktuelle amerikanische Politik:

      "Nach drei Jahren Amtszeit scheint es, dass er in der Innenpolitik Franklin Delano Roosevelt folgen will. Und im Handel mit China setzt er auf Zoelle, und die Fed will den inneren Wert der Waehrung zerstoeren."

      Mehr dazu demnaechst im Investor`s Daily – ich hoffe, Byron King zu einem Gastartikel bewegen zu koennen!


      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 17.12.03 22:57:32
      Beitrag Nr. 1.115 ()
      Günter Hannich, Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise Koop Verlag isbn 3-930219-34-4

      sollte jeder!!! der mit geld arbeitet gelesen haben.

      grüße kickaha
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 17:14:16
      Beitrag Nr. 1.116 ()
      18.12. 15:28
      Fonds-Skandal schwappt nach Deutschland
      (©GodmodeTrader - http://www.godmode-trader.de)




      Presseberichten zufolge hat erstmals ein Fonds in Europa zugegeben, die umstrittene Praxis des Market Timing zu betreiben. Wie die "Financial Times Deutschland" schreibt, wendet die Landesbank Rheinland Pfalz (LRP) dieses Verfahren über Dachfonds an. Es handelt sich dabei um extrem kurzfristige Transaktionen mit Investmentfonds. Die Zielfonds beklagen, dass ihre Anleger dadurch geschädigt werden. Es hätten daher bereits einige Fonds die Geschäftsbeziehungen zu den Dachfonds der LRP gekündigt.

      Der Manager rechtfertigt diese Praxis jedoch. "Was wir betreiben ist Market Timing, um auf mittelfristige Trends zu setzen", so Bernd Greisinger, Fondsmanager der BG Dachfonds zur "Financial Times Deutschland".

      Beim Market-Timing investiert der Dachfonds nur für Stunden oder Tage in den jeweiligen Zielfonds. Selbst können die Gesellschaften das Kapital jedoch nicht so kurzfristig anlegen. Dieses "tote" Kapital verringert den Gewinn der übrigen Fondsanleger. Zudem wird der verwaltungsaufwand in die Höhe getrieben.
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 17:30:15
      Beitrag Nr. 1.117 ()
      Ein holpriges 2004

      ++ Steigende Zinsen ++
      Von Dirk Harbecke
      Allen negativen Prognosen zum Trotz hat das Jahr 2003 den meisten Anlegern gute Gewinne beschert. Die Wirtschaft scheint sich zu erholen, vor allem dank des Aufschwungs in den USA. Dort soll das Wachstum im dritten Quartal bei rund 8 Prozent gelegen haben, dem höchsten Wert seit knapp 20 Jahren, und im vierten Quartal immerhin noch 4 Prozent erreichen. Eigentlich Grund genug, einen positiven Ausblick zu wagen, doch noch nagen die Zweifel: Im kommenden Jahr müssen einige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

      Allen voran müssen Jobs geschaffen werden, damit die Menschen wieder Geld zum Einkaufen und Investieren haben. Seit März 2001 wurden in den USA mehr als 2,5 Millionen Arbeitsplätze vernichtet, und ein Trendwechsel ist nicht in Sicht. George W. Bush droht der erste Präsident seit Herbert Hoover zu werden, in dessen Amtszeit unter dem Strich Jobs verlorengehen. Zur Erinnerung: Hoover war der US-Präsident, mit dem Amerika in die Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre schlitterte.

      Darüber hinaus fällt die Geldmenge in den USA seit mehr als zwei Monaten, trotz der lockeren Zinspolitik der Notenbank. Sinkende Geldmengen bedrohen sowohl das wirtschaftliche Wachstum als auch weitere Kursgewinne am Aktienmarkt. Durch steigende Zinsen könnte die Nachfrage nach Geld weiter schwinden. Dass die Zinsen klettern werden, ist unter Bond-Experten unstrittig. Zum einen wächst der Kreditbedarf der USA durch die Defizite in Leistungsbilanz und Staatshaushalt stetig, zum anderen könnte der Dollar-Verfall ausländische Anleger über kurz oder lang dazu verleiten, US-Anleihen zu verkaufen.


      ++ Halluzinatorische Bewertungen ++

      Die wenigstens berücksichtigen in ihrem Kalkül das Risiko einer möglichen Inflation, das zumindest von den permanent anziehenden Rohstoffpreisen suggeriert wird. Wodurch auch immer – steigende Langfrist-Zinsen sind Gift für eine wirtschaftliche Erholung. Ebenso wie Terror, Krieg, Unruhen.

      Aktienbesitzer sollten sich auch folgende Zahlen vor Augen halten: Die britische "Money-Week" berechnete jüngst das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis des Nasdaq 100 mit satten 97. Die Bewertungen seien derzeit nicht nur sehr optimistisch, sondern "halluzinatorisch". Money-Week sieht die "Die Rückkehr der Spekulationsblase".

      Doch es gibt auch positive Aussichten. Das Jahr 2004 ist Wahljahr in den USA. Bush jr. wird alles tun, um den Konjunkturmotor in Gang zu halten – vielleicht durch weitere Steuer-Geschenke. Auch auf die Notenbank ist in Wahljahren generell Verlass: Um sich keine Parteinahme vorwerfen zu lassen, wird Alan Greenspan die Zinsen vermutlich bis zur Wahl im Herbst nicht anrühren, so dass wenigstens die Kurzfristzinsen auf ihren Tiefständen verharren dürften. Ob das genügt? Ich bin mir sicher: Das kommende Börsenjahr wird noch spannender als das abgelaufene.


      Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.
      http://www.instock.de/Nachrichten/10137004/pos/2
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 17:33:41
      Beitrag Nr. 1.118 ()
      Wussten Sie schon, dass...?
      (18.12.2003)

      China ist jetzt, gemessen am Kaufkraftvergleich, die zweitgrößte Volkswirtschaft in der Welt. Sie repräsentiert 13 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Auf die USA, die führende Wirtschaftsmacht, entfallen 23 Prozent.


      (Quelle: Merrill Lynch Investment Managers)


      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 17:49:18
      Beitrag Nr. 1.119 ()
      LANGFASSUNG

      Die 30-Stunden-Woche für Europa

      Im 21. Jahrhundert stehen Nachhaltigkeit und die gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen auf dem Plan / Von Mohssen Massarrat




      Im Folgenden geht es um die Begründung einer Alternative, die bei Gewerkschaften und linken Parteien in Vergessenheit geraten zu sein scheint, nämlich um die Dringlichkeit von Arbeitszeitverkürzung und vielleicht auch darum, manche Tabus - wie ich hoffe - produktiv zu durchbrechen. Viele Details müssen dabei offen bleiben. Auf eine Begründung bekannter Sachverhalte wurde verzichtet.

      Die Massenerwerbslosigkeit ist ein weltweites Phänomen. In den Industrieländern bewegt sich die Arbeitslosenrate in der Spannbreite von 3% (Luxemburg) bis 12% (Spanien). In den östlichen und südlichen Transformations- und Entwicklungsländern um 20% und deutlich darüber. Die Ursachen sind dabei nicht die selben: In den hoch entwickelten kapitalistischen OECD-Staaten gehören hohe Wachstumsraten der Vergangenheit an, sie bewegen sich seit Anfang der siebziger Jahre tendenziell unterhalb der Steigerungsrate der Arbeitsproduktivität. Das hohe Rationalisierungstempo als Folge des flächendeckenden Einsatzes von High-Tech und Kommunikationstechnologien kann durch die Mobilisierung von neuen Wachstumskapazitäten trotz erheblicher Anstrengungen nicht mehr aufgefangen werden. Hier wird immer mehr gesellschaftlicher Reichtum mit immer weniger lebendiger Arbeit produziert. Ganze Bevölkerungsschichten verlieren ihre Arbeit und werden auf Dauer vom Arbeitsprozess und vom Wirtschaftskreislauf abgekoppelt. In den Transformations- und Entwicklungsgesellschaften werden zwar sehr hohe Wachstumsraten erzielt und die Wachstumsressourcen werden für lange Zeit auch beträchtlich bleiben. Trotz hoher Wachstumsraten und Wachstumspotentiale herrscht auch hier Massenerwerbslosigkeit, weil die Aufnahmekapazität der Arbeitsmärkte dieser Gesellschaften nicht groß genug ist, um jenes beträchtliche neue Arbeitskräftepotential aus den noch nicht durchkapitalisierten Bereichen zu absorbieren.

      Der Keynesianismus lieferte über mehrere Jahrzehnte in den OECD-Staaten wirkungsvolle Konzepte zur Eindämmung der Massenerwerbslosigkeit. Als Strategie zur Mobilisierung von Wachstumsressourcen war er während der Nachkriegsära in den Industriestaaten des Nordens mit ihren als unerschöpflich erscheinenden Wachstumskapazitäten in der Tat unschlagbar. Wo aber Wachstumsressourcen zur Neige gehen, das Rationalisierungstempo rasant ansteigt und extensive durch intensive Wachstumsstrategien abgelöst werden, verlieren keynesianische Instrumente auch hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen ihre Durchschlagskraft. Dies ist m.E. der Hauptgrund für die Krise des Keynesianismus seit dem Beginn der achtziger Jahre und für die tiefgreifende Unsicherheit der Keynesianer aller Schattierungen gegenüber den neoliberalen Postulaten von Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung und Flexibilisierung. Bis heute befindet sich die keynesianische Beschäftigungspolitik in einer Defensive, aus der sie auch absehbar nicht heraus kommen dürfte.

      Der Neoliberalismus verdankt seinen Siegeszug einerseits dem wirtschaftspolitischen Vakuum, das der Keynesianismus hinterließ und andererseits der anhaltend wachsenden globalen Massenerwerbslosigkeit. Neoliberale Heilsversprechungen zur Modernisierung der Industrie- und Entwicklungsgesellschaften haben sich nach über zwei Jahrzehnten neoliberaler Dominanz als pure Ideologie erwiesen. Herausgekommen ist dagegen, dass überall in der Welt Reiche reicher und Arme ärmer wurden. Der Neoliberalismus ist in der Tat eine Strategie der Reichtumsumverteilung und das bisher wirksamste Instrument, eine schmale Schicht der Superreichen auf dem Rücken von Milliarden Menschen noch reicher zu machen. Er ist eine Strategie des Nullsummenspiels, führt an einem Ort zu mehr Beschäftigung, weil an einem anderen Ort gleichzeitig Menschen ihre Arbeit verlieren, und er stimuliert Wachstum nur durch Verbilligung der Arbeit und der Natur, durch Überausbeutung menschlicher Arbeitskraft und natürlicher Lebensgrundlagen. Echte Modernisierungen - wo sie durch den Zerfall verkrusteter staatlicher wie nicht-staatlicher Strukturen tatsächlich stattfinden - sind allenfalls Nebeneffekte des Neoliberalismus, jedoch nicht dessen Hauptzweck.

      Keynesianismus und Neoliberalismus haben beide keine wirksamen Konzepte, wie die Szenarien der Erwerbslosigkeit für den Zeitraum 1997-2010 belegen. Demnach wird z.B. in Deutschland selbst bei sehr optimistischen Wachstumsraten von jährlich 2,6 - 2,8% bis 2010 die Massenerwerbslosigkeit nicht abnehmen, weil für diesen Zeitraum Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität zwischen 2,4 - 2,6% prognostiziert werden. Nur durch deutlich höhere Wachstumsraten kann jedoch mit einem Abbau der Erwerbslosigkeit gerechnet werden. Inzwischen wurden die prognostizierten Wachstumsraten durch die realen Wachstumsraten, die zwischen 1997-2003 deutlich unter 2% lagen, drastisch unterschritten. Höhere Wachstumsraten waren und sind also unrealistisch. Sie sind - selbst wenn sie erreichbar wären - auch aus ökologischen Gründen nicht wünschenswert. Ungeachtet der Problematik der ökologischen Wachstumsgrenzen können angesichts der weiterhin zu erwartenden Erhöhung der Arbeitsproduktivität und der wachsenden Erwerbslosigkeit auch Maßnahmen wie Förderung kommunaler Investitionstätigkeit, Impulse für den Binnenmarkt durch Steuersenkung, Förderung des Mittelstandes, Investitionsprogramme für die Modernisierung der Infrastruktur und der Umwelt, wie sie aus dem Kreis linker Sozialdemokraten und der Gewerkschaften als Alternative zur Agenda 2010 erhoben werden und so wichtig sie im Einzelnen auch sein mögen, bestenfalls die weitere Zunahme der Erwerbslosigkeit bremsen.


      Der Kenynesianismus zielt auf Vollbeschäftigung, scheitert aber an Grenzen, die durch eine Wechselwirkung steigender Arbeitsproduktivität und sinkender Wachstumsressourcen hervorgerufen werden. Der Neoliberalismus braucht dagegen die Massenerwerbslosigkeit. Denn nur unter den Bedingungen dauerhafter Erwerbslosigkeit und der Schwächung der Kampfkraft der Gewerkschaften herrschen die politischen Rahmenbedingungen, die er braucht, um seine Strategie des Abbaus hart erkämpfter sozialer Errungenschaften durchzusetzen, Unternehmen und Staaten von ihrer sozialen Verantwortung zu entlasten, und einen globalen Lohnniedrigsektor zu etablieren. All dies dient der Aufrechterhaltung eines Systems, in dem die Mechanismen der Umverteilung von unten nach oben, von Süden nach Norden reibungslos funktionieren. Die von der neoliberalen Propaganda kräftig mitgeschürte Illusion, nur durch Senkung von Löhnen und Lohnnebenkosten könne die Erwerbslosigkeit wirkungsvoll bekämpft werden, bindet Parteien und Regierung in ein System ein, das die soziale Abwärtsspirale zementiert. In diesem System werden Regierungen gegen Gewerkschaften, Kommunen und Länder gegen den Bund, jüngere gegen ältere Generationen, Männer gegen Frauen und Inländer gegen Ausländer ausgespielt. Der Handlungsspielraum für die Zukunftsgestaltung, für Strategien zum ökologischen Umbau, Klimaschutz und globale Armutsbekämpfung werden auf Null reduziert. Reformen verlieren dabei auch begrifflich ihren gestalterischen Sinn und werden zu Maßnahmenbündeln des Sozialabbaus umdefiniert.

      In diesem System erst einmal verhaftet, beginnen selbst Regierungen mit sozialökologischem Reformanspruch entgegen der eigenen Programmatik zu handeln und - wie die deutsche Bundesregierung - soziale Einschnitte, wie beispielsweise Lockerung des Kündigungsschutzes, höhere Arbeitnehmeranteile an den Gesundheitskosten und Erhöhung des Rentenalters, wider besseren Wissens als Reformprogramme zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit auszugeben. In diesem System herrscht längst die kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus. Dieser definiert durch seine Postulate (Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung, Flexibilisierung, Wachstum und Beschäftigung durch Verbilligung von Faktorkosten Arbeit und Natur) den Rahmen und die Handlungsmechanismen, denen sich - solange sie innerhalb dieser Logik verharren - Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Grüne, selbst sozialistische Parteien und auch weitsichtige Unternehmer, die echten Reformen offen gegenüber stehen, fügen müssen. Die Nöte und Sorgen der Menschen um ihre Zukunft, der Wunsch von Millionen Arbeitslosen nach Beschäftigung werden zur Legitimation von Scheinlösungen gegen die Erwerbslosigkeit instrumentalisiert. Wo die gesamten Denk- und Handlungskapazitäten von Gesellschaften auf Scheinlösungen und bestenfalls die Aufrechterhaltung des Status quo gelenkt werden, erledigen sich alle Anstrengungen für eine zukunftsfähige und gerechtere Welt von selbst.

      Die nüchterne Analyse der ökonomischen und sozialpsychologischen Funktionsmechanismen der neoliberalen Hegemonie lässt unschwer erkennen, dass es den Reformkräften, die ernsthaft eine andere Welt anstreben, zuallererst darum gehen muss, die Handlungsfähigkeit und Definitionsmacht für echte Reformen zurück zu gewinnen und die neoliberale Hegemonie durch eine Allianz für eine sozial und ökologisch gerechte Welt zurückzudrängen. Das Projekt "30-Stunden-Woche bis 2010 für alle EU-Staaten" eignet sich m.E. aus vier wesentlichen Gründen als strategisches Projekt in dieser Perspektive:

      ·Erstens ist die 30-Stunden-Woche die einzig denkbare Alternative für den Abbau der Massenerwerbslosigkeit und trägt damit dem Wunsch von über 14 Millionen Arbeitslosen in der EU Rechnung.

      ·Zweitens ist das Projekt unter bestimmten Bedingungen gesellschaftlich auch akzeptanzfähig und konsensbildend. Es fördert die Bildung einer breiten gesellschaftlichen Allianz und ist daher realisierbar.

      ·Drittens verbessert es grundlegend die Voraussetzungen für den Aufbau einer gerechten Weltwirtschaftsordnung und die globale Armutsbekämpfung.

      ·Viertens ist das Projekt geeignet, dem Neoliberalismus eine wichtige, vielleicht die wichtigste sozialpsychologische Grundlage seiner kulturellen Hegemonie zu entziehen.

      Der Erfolg dieses Projektes hängt allerdings entscheidend davon ab, dass besser verdienende Gruppen der Lohn- und Gehaltsabhängigen bereit sind, dafür einen Preis zu zahlen und ihre Partikularinteressen in einer ganzheitlichen Perspektive neu zu bewerten. Im Folgenden werden Probleme, Bedingungen und Folgen des Projektes grob umrissen:

      1.Das Projekt 30-Stunden-Woche hätte unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nur dann Aussicht, aus der Defensive heraus den notwendigen politischen Druck zu erzeugen, wenn es weitestgehend kostenneutral ist. Nötig wäre eine Ausgleichskomponente für die unteren Einkommensgruppen, die z.B. aus den eingesparten Kosten der Erwerbslosigkeit - sie betragen in Deutschland jährlich um ca. 100 Mrd. € - finanziert werden könnte. Damit wird einerseits den zu erwartenden massiven Kampagnen der Unternehmer der Wind aus den Segeln genommen. Andererseits wird der Einsicht Rechnung getragen, dass mit dem Ende des 20. Jahrhundert das Zeitalter des ökonomischen Wachstums und der Konsumsteigerung in den Industrieländern des Nordens endgültig vorbei ist. Auch ein Nullwachstum auf sehr hohem Niveau wie in Europa stellt eine große Herausforderung dar, die nicht klein geredet werden sollte. Im 21. Jahrhundert stehen Umverteilung und nachhaltige Entwicklung, d.h. globale, soziale und ökologische Gerechtigkeit, auf der Tagesordnung. Die Umverteilung der Arbeit muss daher mit einer Umverteilung des Einkommens innerhalb einzelner Länder und global einhergehen. Nur so erhält die Perspektive einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und Reformen globaler Institutionen(WTO, IWF, Weltbank) eine materielle und moralische Grundlage. Dies gilt umso mehr, als die bisher erzielten Wachstumszuwächse und Einkommenssteigerungen auch bei Lohn- und Gehaltsabhängigen in den Industrieländern auf Grund asymmetrischer Strukturen der Weltwirtschaft zum Teil aus diversen Süd-Nord-Umverteilungsprozessen herrühren , wie dem unfairen Handel, Sozial- und Ökodumping, Kapitalflucht, Brain Drain etc.

      In dieser Perspektive ist ein Pochen auf den "Besitzstand" kontraproduktiv und die Fixierung auf Partikularinteressen nicht nur rückwärtsgewandt, sie läuft diesen Interessen selbst zuwider. Die Job-Besitzer und gut Verdienenden verlieren angesichts dramatisch geschwächter Kampfkraft der Gewerkschaften seit Beginn der neunziger Jahre infolge von Massenerwerbslosigkeit, Reallohnabbau und Streichung von Sozialleistungen auf schleichendem Wege ohnehin ihren "Besitzstand". Die Neoliberalen gehen inzwischen sogar so weit, eine Verlängerung von Arbeitszeit ohne jedweden Lohnausgleich zu fordern. Und sie haben angesichts anhaltender Schwäche der Gegenkräfte auch gute Aussichten, diese Vorstellungen durchzusetzen. Die neoliberale Strategie der Mehrarbeit ohne Lohnausgleich muss durch eine Strategie von Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich verhindert werden. Erst durch eine 30-Stunden-Woche und die Überwindung der Massenerwerbslosigkeit können Gewerkschaften ihre Kampfkraft wieder zurückgewinnen. Insofern ist ein Verzicht auf den Lohnausgleich heute auch ein wichtiger Schritt für die Wahrung eigener Interessen von morgen. Die Verweigerung dieses Verzichts mit dem sachlich durchaus richtigen Verweis auf wachsende Unternehmensgewinne läuft darauf hinaus, an dem herkömmlichen, jedoch perspektivlosen Wachstums- und Konsummuster festzuhalten. Einem Verzicht auf Lohnausgleich steht die realistische Chance gegenüber, einem weiteren Verfall des Sozialstaates Einhalt zu gebieten und die Weichen für den Aufbau einer anderen Welt zu stellen. Durch die Bereitschaft, Arbeit und Einkommen in der eigenen Gesellschaft teilen zu wollen, wird gleichzeitig das herrschende Wachstums- und Konsummuster in Frage gestellt und auf überzeugende Weise signalisiert, auch zu einer globalen Teilung von Arbeit und Einkommen bereit zu sein.


      2.Die Gefahr von Bumerang-Effekten, vor allem der Zunahme von Schwarzarbeit bei Arbeitszeitverkürzungen und Einkommensverlusten, ist nicht von der Hand zu weisen. Um diese Effekte aufzufangen, bedarf es gleichzeitig der Entwicklung alternativer Betätigungsmöglichkeiten zur Steigerung der Lebensqualität und der Erhöhung von Chancen zur individuellen Selbstverwirklichung. Die Alternativen zur Erwerbsarbeit und zum herkömmlichen Konsummuster müssten im Prozess der Arbeitszeitverkürzung gleichzeitig erfahrbar und akzeptanzfähig gemacht werden. Insofern reichen die Dimensionen des Projektes weit über den Kreis der Tarifparteien hinaus. Alternative Projekte geschlechtergerechter Arbeitsteilung, ehrenamtlichen Engagements bei kommunalen Dienstleistungen und Projekte zur Unterstützung Bedürftiger und zum Schutz der Umwelt sowie der eigenen Weiterbildung und Selbstverwirklichung rücken in den Bereich der Realisierbarkeit. Einem geringeren verfügbaren Einkommen steht ein Mehr an verfügbarer Zeit für jeden selbst, für die Familie und für ein solidarisches Zusammenleben, insgesamt ein Mehr an Lebensqualität und Zeitwohlstand, gegenüber. Die hier nur ansatzweise genannten Interessen, Bedürfnisse, Strategien und Visionen sozialer Bewegungen, NGOs, kirchlicher Organisationen für eine sozial und ökologisch gerechtere Welt stünden nicht länger im Gegensatz zu gewerkschaftlichen Interessen, sondern ergänzten und bedingten einander. Darauf beruht die Hoffnung zur Herausbildung einer breiten gesellschaftlichen Allianz und eines hegemonialen Projektes für "eine andere Welt".

      3.Das Projekt 30-Stunden-Woche zielt auf eine gesamteuropäische Perspektive. Diese ist sehr komplex, aber unausweichlich. Einerseits kann die Strategie , einzelne europäische Staaten gegeneinander auszuspielen, durchkreuzt werden. Andererseits hätte eine Arbeitszeitverkürzung nur dann Auswirkungen auf globale Umverteilung und die eine gerechtere Weltwirtschaft, wenn sie gesamteuropäisch durchgesetzt würde. Europa wäre mit seinem Gewicht in der Weltwirtschaft in der Lage, die nötige Sogwirkung auf die übrigen Zentren der Weltwirtschaft zu erzeugen. Hinzu kommt, quasi als Nebenprodukt die Herausbildung einer europäischen Identität, die für den Ausbau einer multilateralen Weltordnung und einer neuen friedens- und außenpolitischen Orientierung eine wichtige Voraussetzung darstellt. Dabei sollte die 30-Stunden-Woche als eine Richtschnur aufgefasst werden. Abweichungen nach unten bzw. nach oben ergeben sich aus den Rahmenbedingungen des jeweiligen Staates. Das gleiche gilt auch für die vielfältigen Formen der Arbeitszeitverkürzung: Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit sowie der jeweils intelligenten Kombination dieser Optionen, also keine Arbeitszeitverkürzung nach dem Gießkannenprinzip. Sie ließe sich ohnehin nur in Abhängigkeit von der Arbeitsproduktivität, von anderen sektoralen und regionalen Besonderheiten und Qualifikationsstrukturen nach differenzierten und auf die jeweilige Situation zugeschnittenen Modalitäten verwirklichen. Die gesamteuropäische Perspektive erfordert keineswegs den gleichzeitigen Start des Projektes in allen europäischen Staaten. Es dürfte genügen, die Initiative zunächst auf einige wichtige EU-Staaten mit starken Traditionen der Arbeiterbewegung, sozialen und globalisierungskritischen Bewegungen zu konzentrieren, wie Frankreich, Italien, Deutschland, England und Spanien. Das wäre komplex genug und für alle Beteiligten ohnehin eine Herausforderung von historischem Gewicht.

      Ergänzend zu den o.a. Problemkreisen scheint mir folgender Sachverhalt von grundlegender Relevanz zu sein: die Bereitschaft zum Verzicht auf Lohnausgleich, d.h. die Kostenneutralität des Projektes, liefert keine Garantie für dessen Akzeptanz. Denn das Projekt als Ganzes tangiert die Fundamente der asymmetrischen Macht- und Reichtumsverteilung auf der Welt. Daher muss damit gerechnet werden, dass rückwärtsgewandte Unternehmerverbände, neoliberale Medien, Parteien sowie Politiker und Politikerinnen dieses Projekt trotz des weitreichenden Entgegenkommen der Lohn- und Gehaltsabhängigen aufs Schärfste bekämpfen werden. Die Bildung einer breiten gesellschaftlichen Allianz für das Projekt erfordert daher bei allen Beteiligten erhebliche Anstrengungen und eine offensiv geführte Debatte und Aufklärung, nicht zuletzt auch in den eigenen Reihen. Der Verzicht auf Lohnausgleich ist neben dem Beitrag für eine ökologische und sozial gerechtere Weltwirtschaft der strategische Kern des Projektes, um aus der Defensive herauszukommen. Die wachsende Ablehnung neoliberaler Globalisierung, die inzwischen alle gesellschaftlichen Gruppen erfasst hat, bietet eine Plattform für Konsensbildung und die Entstehung einer hegemonialen Allianz mit sozialökologischer Ausrichtung. Die globalisierungskritischen Strömungen in Europa, vor allem attac, könnten dabei zwischen Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt- und Eine-Welt-Bewegungen die Rolle einer kommunikativen Brücke übernehmen. Die nach Porto Alegre entstandenen Sozialforen könnten sich als Vorboten für eine breite gesellschaftliche Allianz erweisen, das "Projekt Agenda 2010 / 30-Stunden-Woche in Europa" voran zu bringen.

      Dossier: Die Alternative

      URL: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/do…
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 18:18:51
      Beitrag Nr. 1.120 ()
      Schwerpunkte

      Zukunftsfähige Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit
      Gerechte Umverteilung , Soziale Bewegung , Sozialstaat , Zukunftsfähige Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit


      Alternativen zur Repressanda 2010


      Von Peter Grottian/Wolf-Dieter Narr/Roland Roth *

      Die "Agenda 2010" ist Ausdruck interessierter Unverantwortlichkeit. Das, was die Bundesregierung und die etablierten Parteien rund um die herzöglichen Hartzereien bieten, kennzeichnet zugleich die Unfähigkeit und Gleichgültigkeit dessen, was als "Politische Klasse" bezeichnet wird. Unfähig sind diese professionellen "Volksvertreter", den global erweiterten, neoliberal-kapitalistischen Interessen eine grundrechtlich demokratisch ausweisbare Politik entgegenzusetzen. Gleichgültig sind sie, weil sie die massenhaften Verelendungen, die jede Bürgerin und jeder Bürger persönlich schicksalshaft erfährt, hinter gesetzlich aufgewirbelten "Reform"-Staub geschehen lassen, ja geschehen machen. Statt dem längst betrogenen "mündigen Bürger" die Wahrheit zu sagen, selbst wenn sie unbequem sein sollte, wird so getan, als müssten nur die reichen Wirtschaftsbosse zusätzlich reich machend gestreichelt und die Bürger, je weiter es nach unten geht, getreten werden. Und prompt ereignen sich morgen, in jedem Fall übermorgen - die ewig betörende Fata Morgana neoliberaler Habens- und Herrschaftsmacht: Arbeit und Wohlstand für alle. Nein. Dieser unhandliche, von niemandem ganz durchschaubare Gesetzeswust, genannt "Reformen" funktioniert nicht einmal unter seinen eigenen Voraussetzungen. Er wirkt allein als Mittel der Disziplinierung nach unten bei denen, die ohnehin nichts haben und bei denen, der Mehrheit, die Angst haben, in eine solche Situation zu geraten. Mit Ökonomie hat er nichts, mit Habensherrschaft hat er viel zu tun. Darum ist es höchste Zeit, dass wir und andere dagegen opponieren. All das, was rund um die "Agenda 2010" geschieht, die unterdrückend, allein den Namen "Repressanda" verdient hat, funktioniert sozialpolitisch demokratisch nicht. Auch ein Rückgriff auf die `herkömmliche` Sozialpolitik und das, was als "Sozialstaat" bezeichnet worden ist, hilft nicht weiter. Diskriminierung inmitten und in der Art der sozialen Sicherungen und bürokratisches Verfahren kennzeichneten denselben. Nur ein neuer Ansatz eröffnet die Chance, eine Sozialpolitik zu organisieren, die den demokratisch menschenrechtlichen Normen gemäß eine Antwort auf die großen Fragen der Zeit darstellt: das Ende der eindeutig und immer schon dominanten Erwerbsarbeit; die Zunahme der ausgrenzenden Konkurrenz, die alte Un-Gleichheiten bestätigt und neue schafft; der wachsenden Chance der Unternehmen, ihrer Verantwortung klassenspezifisch globalisierend auszubüchsen; der erneut selbst im Rahmen der vergleichsweise wohlständischen Länder anwachsenden Verelendung, der Vorurteile und in deren Folge nationaler und internationaler Aggressionen. Das, was wir vorschlagen, sind nur erste bescheidene Schritte. Sie müssen jedoch endlich gegangen werden. Grundsicherung, die ihren Namen verdient, Schaffung anderer Arbeit und anderer, von den Arbeitenden bestimmte Arbeitsplätze, überfällige Arbeitszeitverkürzungen, die endlich auch Geschlechterdemokratie zur großen Chance machen und nicht zuletzt ein demokratisches, das heißt zu allererst lokal organisiertes Steuersystem - so lauten die ersten Schritte, die wir zur Diskussion stellen.


      Vier Hebelpunkte zum politischen Handeln

      1. Menschenrechtsgemäße Grundsicherung statt Sozialhilfe

      A l l e Bürgerinnen und Bürger sollen als gleiche und freie Personen ohne existentielle Ängste leben können. Das macht eine notwendige Qualität der gesellschaftlichen Infrastruktur aus. Dieses Versprechen kann in einer arbeitsteiligen, mit teilweise unvermeidlichen Ungleichheiten versehenen, sich fortdauernd verändernden Gesellschaft nur einigermaßen eingehalten werden, wenn der soziale Grund a l l e n Mitgliedern der Gesellschaft erwartbar politisch demokratisch gewährleistet wird. Das heißt rechtssicher und ohne Angst vor den wechselnden Klimazonen des eigenen Schicksals. Eine solche Sicherung des sozialen Grundes, auf dem jeder und jeder menschenrechtsgemäß gehen kann, muss sich wenigstens durch folgende Kriterien auszeichnen:

      - Der Sockelbetrag, den jede Person erhält, muss so hoch sein, dass er ein bürgerliches Leben ohne Not gestattet.
      - Der erheblich über dem gegenwärtigen Sozialhilfesatz liegende Sockelbetrag verletzt die persönliche Integrität derjenigen nicht, die ihn beziehen. Das ist ein entscheidender Unterschied zur Sozialhilfe. Der individuelle Rechtsanspruch für alle muss verbürgt sein. Er wird an die lokalen Lebensbedingungen angepasst. Er ist unabhängig von der öffentlichen Kassenlage.
      - In kleinen sozialen Einheiten, an jedem Ort, in jedem Stadtteil wird der Fond der Grundsicherung öffentlich zugänglich verwaltet. Der Verwaltungsaufwand ist infolge der kleinen, allenfalls in die Hunderte gehenden Zahl und des nicht diskriminierenden Charakters der Mittelvergabe gering. An den Entscheidungen, der Vergabe- und den Überprüfungen, die öffentlich gemachten Einwänden gelten, sind vor allem diejenigen angemessen zu beteiligen, die primär von der Grundsicherung leben.
      - Es ist strikt darauf zu achten, dass die basisdemokratische Prägung bleibt. Die nötigen Willensbildungs- und Entscheidungsverläufe richten sich von unten nach oben. Die Anträge zur Grundsicherung sind auf wenige, leicht überprüfbare Fragen zu beschränken. Sie greifen nicht tief in die Integrität der Personen ein. Die wichtigsten Entscheidungen fallen lokal. Die übergeordneten regionalen und überregionalen Instanzen informieren, und koordinieren ohne Sanktionen. Probleme werden öffentlich gemacht. Sie werden zwischen den Instanzen und ihren lokal unmittelbar von den Beziehern der Grundsicherung gewählten Vertretern ausgehandelt.

      Die Leistungen der Grundsicherung. Erst die Grundsicherung schafft die Voraussetzung der Freiheit von Angst. Erst eine solche Freiheit von Angst macht demokratisches Verhalten möglich. Erst sie erlaubt der übergroßen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, ihre Menschenrechte zu leben. Erst der grundgesicherte soziale Boden macht es möglich, Arbeiten aller Art zu leisten: Tätigkeiten, die Menschen zu ihrer politisch kulturellen Reproduktion brauchen. Außerdem Tätigkeiten, die erforderlich sind, damit eine Gesellschaft nicht in vereinzelnder Konkurrenz auseinanderfalle. Gesellschaft kann erst durch produktive Verbindungen werden.

      Warum eine solche Grundsicherung heute, wie soll sie prinzipiell finanziert werden? Grundsicherung wird zum ersten Gebot, wenn Erwerbsarbeit nicht allen in gleicher Weise gewährleistet werden kann. Auch während der `besten` Zeiten herkömmlicher Sozialpolitik gab es erhebliche Diskriminierungen. Heute wäre es schuldhaft blind, wollte man das System sozialer Sicherungen weiter von der (vollen) Erwerbsarbeit abhängig machen. Soziale Sicherung als die Voraussetzung aller öffentlichen und privaten Lebensqualität und der prinzipiellen Gleichheit der Lebenschancen ist als wahrhaft allgemeine Steuer zu veranlagen. Kurzum: die Grundsicherung ist die positive Antwort auf die strukturelle Krise der kapitalistisch verfassten Arbeitsgesellschaft. Dieser struktureller Krise ist immanent, sprich: mit den Mitteln der Arbeitsgesellschaft nicht beizukommen. Allein neue Formen des Mittelaufkommens und der Mittelvergabe lassen sie bewältigen.

      Hemmungen, das Konzept einer allgemeinen Grundsicherung auch nur zu denken, geschweige denn zu verwirklichen. Das ist die neue Qualität der Grundsicherung, dass erst sie gesellschaftlich dem politisch demokratischen Anspruch entspricht. Demokratische Verhaltenserwartungen liefen nicht zuletzt ob des Mangels solcher Grundsicherung weithin ins Leere. Sie blieben abstrakte Postulate. Diese Qualität auf Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger abgestimmte Qualität ist es aber, die dem anders getrimmten gesellschaftlichen Bewusstseins- und Verhaltensformen zuwiderläuft. Sie reibt sich am vorherrschenden, neoliberal erneuerten negativen Freiheitsbegriff. Frei ist, wer seine Ellbogen benutzen kann. Wer in diesem Sinne ellbogenstark "leistet", hat Besitz und Bildung und gutes Einkommen und Wohlstand verdient. Diejenigen, die ellbogenschwach nicht mitkommen oder ihre Chancen nicht zu nutzen vermochten, sind selbst schuld. Auf keinen Fall geht es, ihnen einen angemessenen sozialen Raum der Sicherheit zu gewähren und von den "Leistungsstärkeren" an die "Leistungsschwächeren" etwas abzugeben. Soll die Idee sozialer Grundsicherung praktische Gestalt gewinnen, müssen wenigstens die Vielen anfangen, die nicht zu den Habendherrschenden gehören, die Diskriminierungen von oben nach unten nicht weiter zu praktizieren. In diesem Sinne müsste Solidarität neu gelernt werden. Sie wird heute fast nur abstrakt und oftmals repressiv verlangt. Stößt der Gedanke sozialer Grundsicherung schon auf die Blockade der eingetrimmten Vorstellungen, so ist der Widerstand noch erheblicher, der aus kapitalistischer Logik entspringt. Das, was andere und wir als soziale Grundsicherung vorschlagen, stellt kein materielles Problem dar. Wir wollen soziale Grundsicherung steuerlich demokratisieren. Soziale Grundsicherung bedeutete aber einen Kapitalismus, der auf die immer vorhandene "Reservearmee" der Arbeitslosen verzichtete. Das sind nämlich die wahren Arbeitskosten (!) kapitalistischer Vergesellschaftung, dass sie nicht nur das "Elend dieser Welt" wenigstens mitproduziert. Das tut sie ganz im Unterschied zur kapitalistischen Utopie, Wachstum werde bald alle Mäuler satt stopfen. Der kapitalistische Arbeitsmarkt lebt davon, dass mit dem Mittel der Entlohnung Ungleichheit noch und noch geschaffen wird. Mit dem damit verbundenen Mittel der Entlassung wird bis ins tz der individuellen Schicksale der ungleich Arbeitenden und der verelendenden Arbeitslosen geherrscht. Darum sind die Behauptungen der neoklassischen Ökonomen pseudowissenschaftlich. Nicht ökonomische Gesetzmäßigkeiten verhindern eine soziale Grundsicherung als notwendige demokratisch menschenrechtliche Basis der Gesellschaft in heutiger Zeit. Die elitär klassenspezifischen sozialen Voraussetzungen, die Habens- und Herrschaftsziele kapitalistischer Vergesellschaftung sind es vielmehr, die grundsätzlich andere soziale Sicherungen bis heute blockieren.

      2. Arbeitsmarkt von unten dynamisieren

      Arbeiten bleibt nötig. Grundsicherung meint nicht, es sei gleichgültig, ob Bürgerinnen und Bürger, gesellschaftlich anerkannt, arbeiten können oder nicht. Im Gegenteil. Soziale Grundsicherung macht endlich alle frei. Sie müssen nicht mehr, gekrümmt und verängstigt, jede Arbeit nehmen, die bezahlt wird. Selbst im Umkreis eines richtig verstandenen, utopischen "Lobs der Faulheit" müssen sich Menschen gesellschaftlich mit anderen reproduzieren. Das bedeutet eine Fülle unterschiedlicher Arbeiten selbst wenn es gelingen sollte, qua technologischer Automation die menschliche Mühe, die nötige "Maloche" zu verringern. Menschen entwickeln außerdem ihre Fähigkeiten nur dann und nur insoweit, als sie in sozialen Zusammenhängen mit anderen Menschen kooperieren und sich mit allen möglichen Gegenständen handwerklich, künstlerisch, sozial, literarisch auseinandersetzen. Menschen erfahren sich selbst vor allem, indem sie sich arbeitend entäußern, in diesen Entäußerungen von anderen anerkannt werden und das, was sie dabei erfahren haben, lernend, in ihrem Selbst wachsend, in sich zurücknehmen. Arbeit ist füllig vorhanden. Abgesehen vom allgemeinen Wirklichkeitswert von Arbeit für alle Menschen von Kindesbeinen bis zum krummen Rücken ist es eine rundum sichtbare soziale Tatsache, dass Arbeit die Fülle vorhanden ist. Erfordernisse nach Arbeit liegen auf Halde. Arbeit von Menschen mit anderen Menschen für sich selbst und andere in allen sozialen Zusammenhängen ist schon allein quantitativ üppiger vorhanden denn je. Ob man in den Bildungsbereich, das riesige Gebiet der Krankenversorgung, den Umgang mit alten Menschen und Leuten ansieht, die nicht für sich selbst sorgen können, ob man den Zustand öffentliche Räume, alle möglichen Infrastruktureinrichtungen betrachtet, überall hallt wie ein stummer Schrei durch die Lande: wir brauchen Arbeitende! Warum aber "gibt" diese Arbeit niemand, die in allen sozialen Schlaglöchern verlangt wird? Weil sich diese anderen Arbeiten (kapitalistisch profitabel) "nicht rechnen". Darum werden selbst im öffentlichen Dienst Stellen für Lehrer, Krankenschwestern und Verwaltungsbeamte, ja selbst Polizisten gekürzt. Auch in Sachen Arbeit gilt es einer menschenrechtlich demokratischen Logik eine sich erweiternde Gasse zu öffnen. Erwerbsfähigen und Erwerbswilligen werden unkonventionell Arbeitsplätze unterschiedlichen Typs angeboten. Diejenigen, die brach liegende Arbeit tun wollen, können sich selbst einen Arbeitsplatz entlang ihren Qualifikationen, Motivationen und Möglichkeiten suchen. Bürgerinnen und Bürger bestimmen über ihre Erwerbstätigkeit in Inhalt und Form, nicht primär ein vermachtet unberechenbarer Markt und eine kafkaesk verstellte und verschiebende Bürokratie. Ein großes Spektrum von Arbeitschancen dehnt sich attraktiv. Diejenigen, die sich selbst eine Arbeit geben, arbeiten als Betreuer von Alten, von Schülern, von Behinderten und Kindern. Als Stadtteilhelferin, Fußball-Fanclub-Begleiterin, Rechercheurin in Forschungsprojekten, Fliegende Cafe-Dienstleisterin, Märchenerzählerin für Kinder, Festivalhelfer, Ökologieassistenten, City-Cleanern, Lehrerassistenten, Quartiersmanagerin und Musikassistentin. Die neuen Arbeitnehmleute finden, erfinden, wählen und suchen ihre Arbeitsplätze. Sie haben die Wahl. Sie schließen einen Arbeitsvertrag über Teil- oder Vollarbeitszeit, der zunächst auf drei Jahre begrenzt ist. Vor Ablauf der Zeit ist von beiden Seiten neu zu verhandeln. Die Arbeitsverträge müssen einigen Minima entsprechen. Die Arbeit ist so zu entgelten, dass der Lohn der Arbeit erheblich über der Grundsicherung liegt. Die üblichen Entgeldifferenzierungen zwischen herkömmlich verschiedenen
      Lohn- und Gehaltsgruppen sind allerdings nicht strikt einzuhalten. Darüber ist öffentlich zu diskutieren. Wie oben schon apostrophiert worden ist, ist das, was "leistungsgerecht" heißt und entsprechend unterschiedlich belohnt wird, neu zu bestimmen. Leuten, die darauf beharren, dass sie konventionell gestaffelt bezahlt werden, soll Genüge getan werden. Die Arbeit muss von denjenigen, die sie ausüben, mitbestimmt werden. Wechselseitige Verbindlichkeit und zuverlässige Absprachen sind vonnöten. Dieses Postulat gilt vor allem für die Dauer der Arbeit. Der erste dreijährige Abschnitt ist - unbeschadet der Optionschancen der Arbeitenden -, zeitlich so zu gliedern, dass rechtzeitig über das Ob und das Wie einer Vertragsverlängerung bzw. andere Arbeitsmöglichkeiten befunden wird. Weitere Vertragsminima kommen hinzu: menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Verbot von Diskriminierungen; Recht auf Aus- und Weiterbildung. Mindestlohnstandards im Sinne der Europäischen Menschenrechts-Charta (1989).

      Das Programm will arbeitslose oder schlecht beschäftigte Personen ermutigen. Sich selbst etwas zu trauen, selbst nach Arbeit zu suchen und Neugier auf möglicherweise ungewohnte Tätigkeitsfelder zu entwickeln. Wenn diejenigen, die gesellschaftlich entlohnte Arbeit suchen, selbst aktiv werden - das ist unsere Annahme -, dann werden ihre erfolgreichen Beispiele andere mitziehen. Die Arbeitslosen, die sich jetzt Arbeit nehmen, motivieren und mobilisieren sich und andere. Das geschieht im Gegensatz zu den lähmenden und isolierenden Effekten der Arbeitslosigkeit bis heute. Nicht der Humbug von "Ich-AGs" und der stressreich zusammengesuchten Mini-Jobs sind die Alternative, selbstbestimmte Arbeiten des aufrechten Gangs sind es. Der Arbeitsvertrag wird zur Regelungsinstanz dieses Projekts. Werden sich, herkömmlich gesprochen, "Arbeitgeber" und "Arbeitnehmer" einig, dann ist der Arbeitsplatz gegeben.

      Stufen der selbstorganisierten Arbeitsplätze

      Zwei Stufen dieses Programms öffentlichen Arbeitsangebots zu verwirklichen, sind vorgesehen:
      Erste Stufe: Erwerbslose probieren bei vollem Gehalt für drei Monate einen Arbeitsplatz aus. Darüber hinaus erhalten sie einen Qualifikationszuschuss. Mit dessen Hilfe können sie sich beraten und von verschiedenen Beratungsagenturen unterstützen lassen. Diese Beratungsagenturen machen im Konsens mit dem "Arbeitgeber" und dem "Arbeitnehmer" Vorschläge über die Zukunft des Arbeitsplatzes, seine Qualifikationserfordernisse und die Art der Fortbildung. Entscheidend ist es, dass "Arbeitgeber" und "Arbeitsnehmer" übereinstimmen. Die Beratungsagenturen können ehrenamtliche lokale Gremien, private Agenturen, Handwerker oder Arbeits-, Jugend- und Sozialämter sein. Sie sind die Joblotsen mit Kompetenz und Überzeugung, aber ohne die Marterwerkzeuge von negativen Sanktionen.

      Zweite Stufe: Auf drei Jahre begrenzt werden in der ersten Etappe öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt, um in den Beruf einzusteigen. Wir sind optimistisch dass sich diese unkonventionellen Prozesse, ein Tätigkeitsfeld zu finden, rasch dynamisch entwickeln. Der Bedarf ist so groß, wie die qualifizierte Nachfrage. Jede Umfrage unter Erwerbslosen und Sozialhilfeempfängern informiert darüber, dass diese gut wissen, was sie gerne arbeiteten. Modellprojekte für Jugendliche, die ihre Arbeit selbst suchen konnten, sind erfolgreich verlaufen (in Berlin und Thüringen). Unser Projekt, Arbeit lohnend zu machen, die gesellschaftlich im Überfluss vorhanden ist, besitzt einen "Hauch von Anarchie". Bürgerinnen und Bürger machen endlich selbst das, was sie bedürfen. Die Ansprüche ökonomischer Regulierung oder politischer Steuerung werden aufgegeben. Niemand kann vorweg sagen, was am Ende herauskommen wird, wie viele Erwerbslose im Handwerk, dem Stadtteilquartier oder einer gemeinnützigen Organisation landen. Nichts wäre politisch erfolgreicher als eine solche Vielfältigkeit. Alles andere als beliebig. Wir sehen keinen Jahrmarkt der Möglichkeiten vor, auf dem unverbindlich gehandelt wird. Der zentrale Impuls besteht darin, Menschen mit ihren Qualifikationen, Motivationen und Möglichkeiten ernst zu nehmen: Sie sollen selbst zum Initiator und ausführenden "Organ" ihres eigenen Programms werden. Damit der Eigeninitiative angemessen entsprochen werden kann, sind einige Beschränkungen und Präzisierungen des Vorhabens angezeigt. Öffentliche und private Schwerpunkte sind festzulegen, bei denen ein hoher gesellschaftlicher Bedarf unterstellt werden kann. Kommunale Einrichtungen sind vorzusehen, die solche Bereiche gesellschaftlichen Bedarfs öffentlich vorschlagen. An ihrer Entscheidungsbildung sind die Betroffenen einflussreich zu beteiligen. Den Kommunen sollte eine vermittelnde Schlüsselrolle zufallen, ohne sie zur neuen Zentralinstanz zu machen. Die Kommunen können mit Hilfe solcher Arbeitsprojekte ihre Infrastruktur erheblich verbessern. Bei den privatwirtschaftlichen Branchen könnte mit einem Katalog von Prioritäten gearbeitet werden. Dieser ist seinerseits öffentlich zur Diskussion zu stellen. Für Zigarettenschmuggel und Aktivitäten, die Ausländerfeindlichkeit verbreiten, werden keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Mitnahmeeffekte und Missbräuche sind nicht vermeidbar. Allein die durchgehaltenen Prinzipien der Öffentlichkeit, der Zugänglichkeit und der Mitbestimmung dürften sie bei weitem unter der üblichen bürokratischen Korruptionsschwelle halten. Um den Missbrauch im wirtschaftlichen Bereich einzuschränken, sind Mittel- und Großunternehmen auszuschließen. Das von uns vorgeschlagene Programm, gegebene Arbeit mit bezahlender Anerkennung zugänglich zu machen, folgt nicht der Devise "Berufsarbeit um jeden Preis". Diese entspräche einem verengten Arbeitsverständnis. Alle möglichen Initiativen können gefördert werden, ohne dafür den Preis der Professionalisierung und Bürokratisierung zahlen zu müssen. Die Übergänge zwischen herkömmlicher Erwerbsarbeit, ehrenamtlicher Arbeit aller Art, politische Aktivitäten eingeschlossen, sollten flexibel gehandhabt werden. In diesem Aufbrechen starrer, sachlich obsoleter Berufs- und Nicht-Berufsarbeitsfronten besteht nicht der geringste Sinn dieses Vorhabens.

      Es ist finanzierbar - und zwar sofort!

      Wer soll das bezahlen? Wie hoch die Kosten sein werden, lässt sich vorweg nicht genau voraussagen. Klar ist, es darf kein kleinteiliges Modellprojekt sein, das man nach drei Jahren abbricht. Das Experiment neuer Arbeit wird nur sinnvoll, wenn zunächst wenigstens 1 - 2 Mio. Erwerbslosen eine Chance eröffnet wird. Wenn diese im Durchschnitt Verdienste hätten, die mindestens 15.000 Euro im Jahr über der Sozialhilfe/Arbeitslosenhilfe lägen, dann sind 15 - 30 Mrd. Euro jährlich öffentlich aufzubringen. Gewiss ist, dass die Kosten erheblich geringer sein werden, als diejenigen, die rund um die Arbeitslosigkeit anfallen. Deren persönliche und politische Kosten sind ohnehin nicht zu bezahlen. Vor allem das, was demokratisch menschenrechtlich gewonnen werden kann, übersteigt bei weitem alle materiellen "Verluste". Letztere werden im Sinne neuer und veränderter Arbeitsleistungen ohnehin rasch ausgeglichen. Arbeit der neuen Vielfältigkeit ist selbst rechnerisch das mit Abstand wohlfeilste Politikvorhaben. Gegenwärtig flössen fast 40 % der Ausgaben durch Steuern, Sozialbeiträge, Mehrwertsteuern u.ä.m. wieder in irgendeiner Form an die öffentlichen Haushalte zurück. Abbau von Arbeitsmarkt- und Sozialverwaltungen. Wer menschenrechtsgemäße Grundsicherung und selbstbestimmte, vielfältigste Arbeitsplätze neu denkt, kommt nicht daran vorbei, die Schlussfolgerungen für Arbeits- und Sozialämter ebenfalls neu zu denken. Das Konzept zöge einen Abbau bzw. Umbau nach sich. Bei unseren Vorschlägen geht es primär um Phantasie, Kreativität und Beratung. Diese können die Sozial- und Arbeitsämter ohnehin nicht leisten. Als eine der wenigen Aufgaben bliebe ihnen die förmliche Prüfung der neuen Arbeitsverträge. Der mittelfristige Einspareffekt könnte bei jährlich 10 Mrd. Euro liegen. Hinzu kämen der Abbau und Umbau von Beratungseinrichtungen der Kommunen, Wohlfahrtsverbände und Kirchen.

      3. Umverteilung von aller Arbeit statt Arbeitszeitverlängerung

      Das von uns vorgeschlagene Projekt "Arbeitsplätze von unten" ergibt nur einen Sinn, wenn gleichzeitig das vorhandene Arbeitsvolumen so verteilt wird, dass möglichst viele Menschen zusätzlich einen Arbeitsplatz finden können. Die jetzt geforderte Arbeitszeitverlängerung ist eine perverse Antwort auf die Notwendigkeit, durch Verkürzung von individueller Arbeitszeit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zu Arbeitszeitkürzungen zählen: eine staatlich flankierte Verkürzung der Wochen- und Tagesarbeitszeit; die Förderung freiwilliger Teilzeitarbeit; die besondere Förderung von Teilzeit für junge Paare; Vorruhestandsregelung; Einstellungskorridore für die jüngere Generation. Das Problem besteht aktuell darin, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften wenig daran interessiert sind, die Arbeitslosigkeit als den zentralen Gegenstand der Tarifverhandlungen anzusehen. Eine Mindestforderung wäre, zumindest das Finanzvolumen von 0,5 % der jeweiligen Tarifangebote (2 - 4 %) in neue Arbeitsplätze unterschiedlichen Typs umzuwandeln. Für den öffentlichen und privaten Sektor könnten auf diese Weise jährlich 300- 600.000 neue Arbeitsplätze in Teilzeit oder Vollzeit gewonnen werden. Tarifverträge neuen Typs mit Arbeitszeitkoppelung entsprächen den Zeichen der Zeit. Sie minderten den Machtverlust der Gewerkschaften. Jenseits der Lohnprozente-Forderung würden sie für Erwerbslose, Arbeitnehmer und Öffentlichkeit sichtbar werden. Wer über eine Verteilung gesellschaftlich notwendiger und wünschbarer Arbeit redet, darf über die Potenziale, die in einer Geschlechterdemokratie steckten, nicht schweigen. In den öffentlichen Debatten wird darüber der Mantel des Schweigens gelegt. Die Frage wird allenfalls der Familienpolitik zugeordnet. Ein angemessenes Verständnis von Arbeit meint Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Erziehungsarbeit und vielfältige Formen soziokultureller Arbeit. Gegenwärtig wird Arbeits- und Machtteilung zwischen den Geschlechtern mehr gewünscht. Sie wird aber nicht gefördert, sondern geradezu bestraft. Erst wenn Geschlechterdemokratie als Produktivkraft entdeckt wird, erhält sie ihre mögliche gesamtgesellschaftliche Wirkung. Der wirkungsvollste Hebel wäre, diejenigen, die Arbeit mit Partnerschaften, Allein-Leben, Familie mit Kindern als balanciertes Lebensmodell praktizieren wollen, gesellschaftlich zu belohnen. Das Ehegattensplitting in Verbindung mit weitreichenden Teilzeitangeboten abzuschaffen, könnte eine erhebliche Dynamik auslösen. Spezifische Vereinbarungen der Tarifpartner sollten diese ergänzen. Die von uns vorgeschlagene doppelte Option von selbstbestimmten Arbeitsplätzen und Grundsicherung hat auch ein geschlechterdemokratisches, antipatriarchales Ziel.

      4. Eine kommunalbegünstigende Steuerreform

      Unsere ersten beiden, eng miteinander gekoppelten Vorschläge, die Grundsicherung und das Angebot von Arbeitsplätzen, sind ohne eine Steuerreform, die die Kommunen stärkt, angemessen nicht umzusetzen. Beide Male ist die lokale Ebene entscheidend. Mitbestimmende Organisierung von Grundsicherung und vor allem lokal organisierte Arbeitswahl sind nur kommunal denkbar. Die Kommunen können ihrerseits nur demokratisch organisieren, wenn sie über eigene Einnahmen verfügen und in neuer Form Einnahmen und Ausgaben öffentlich miteinander verbinden. Die kommunale Verwaltung muss ihrerseits in die Lage versetzt werden, die Vielzahl der Tätigkeitschancen anzubieten oder nutzen zu lassen, die lokal `an sich` vorhanden sind. Zuerst müssen deshalb die Kommunen über einen veränderten vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden, um die nötigen Infrastrukturleistungen erbringen zu können. Ein eigenes kommunales Recht, Steuern zu erheben, ist angezeigt. Das ist vor allem in Zeiten von Notlagen der Städte und Gemeinden geboten. Öffentliche Armut und privater Reichtum klaffen immer weiter auseinander. Dass die Kommunen beispielsweise mit Hilfe einer eigenen Einkommenssteuer die belastungsfähigeren Bürger stärker heranzögen und dadurch eine Kommune erst zur Kommune machten. Zusätzlich ist der Prozess der Mittelvergabe öffentlich zu gestalten (Bürgerhaushalt). Anders lassen sich die beiden neuen Aufgaben der Grundsicherung und des nicht-repressiven Arbeitsangebots nicht verwirklichen.

      Mobilisierung über Sozialforen mit neuen Protesttypen koppeln

      Konzeptionen auf dem Papier sind wichtig. Sollen sie aber mehr als Papier werden, bedürfen sie der außerinstitutioneller Mobilisierung. Langer Atem ist hierfür erforderlich. Ein Lernprozess traditioneller Institutionen aus sich selbst heraus und ohne Druck von außen ist nicht zu erwarten. Einen Anknüpfungspunkt bilden einerseits die globalisierungskritische Sozialbewegung in ihren Ausprägungen des Europäischen Sozialforums (ESF) in Florenz und Paris an (Nov. 2003). Andererseits bieten die sich langsam entwickelnden Sozialforen unterschiedlichen Typs (Köln, Hamburg, Berlin u.a.) in den Städten und Regionen eine Möglichkeit. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass der internationale Protest programmatisch, institutionell und in den Protestformen weiter entwickelt ist, als die noch kleinmütigen Anstrengungen in Deutschland. Zwischen beiden Ebenen besteht fast keine Verbindung.

      Das Europäische Sozialforum (ESF) in Florenz war vor allem deshalb ein großer Erfolg, weil sich der Protest gegen den drohenden Irak-Krieg mit der Globalisierungskritik und der innenpolitischen Konfrontation zur Regierung Berlusconi verbinden konnte. Das Europäischen Sozialforum in Paris (12. - 16.11.03 ESF) hat entschieden, im Frühjahr 2004 einen "zweiten 15. Februar" in abgewandelter Form, als internationalen Protesttag ein Jahr nach dem Beginn des Irak-Kriegs zu organisieren (20.3.04). Die Themen Krieg und Sozialabbau sollen miteinander in zwei Protesttagen verknüpft werden. Hinzu kommt eine Protestallianz zur Europäischen Verfassung. Erheblich anders sieht es in Deutschland aus. Auch hier gibt es erhebliche Protestmobilisierungen. Sie blieben jedoch eher isoliert und parzelliert. Eine Debatte zu Alternativen der Agenda 2010 fand nicht statt. Die Oppositionskräfte in der SPD, Bündnis90/Die Grünen und der PDS wurden mit Brosamen gesättigt. Die Gewerkschaftsführungen können (und wollen) bis jetzt nicht mobilisieren, sodass der herrschenden Rot-Grün-Schwarz-Gelben-Einparteienkurs in Schwierigkeiten gebracht würde. Quantitativ überraschend erfolgreich war die bundesweite basisaufständische Protestdemonstration gegen Sozialkahlschlag am 1. November 2003 mit 100.000 Telnehmern in Berlin. Programmatisch-praktische Alternativ-Vorstellungen waren jedoch Mangelware (Memo-Gruppe, WSI-Initiative, attac u.a.). Mit anderen Worten: Vor allem die außerinstitutionellen Akteure und Akteurinnen sind jenseits des "Neins" zum Sozialstaatsabbau weitgehend ohne Perspektive. Ein Deutsches Sozialforum (DSF) ist in der Diskussion. Auf der Ebene der lokalen und regionalen Sozialforen hat sich, von der überregionalen Öffentlichkeit unbemerkt, einiges getan. In etwa 30 Städten gibt es inzwischen Sozialforen (Berlin, Wuppertal, München, Stuttgart, Tübingen, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Witten u.a.), die ähnliche Ziele verfolgen und die sich untereinander zu koordinieren beginnen. Wenn die von uns vorgeschlagene Strategie auch nur einigermaßen überzeugend ist, dann wäre zunächst ein eher programmatischer Verständigungsprozess auf den lokalen und regionalen Ebenen dringlich, der Zug um Zug mit internationalen und bundesweiten Aktivitäten zu verbinden ist. Eine Akteurs-Konferenz zur Vorbereitung des international gleichzeitig stattfindenden Protesttages im April 2004 könnte einen Selbstverständigungsprozess in Gang setzen.

      Wer sinnvolle Arbeitsplätze etablieren will, muss eine sinnstiftende Kontroverse vom Zaume brechen. Wir plädieren dafür, zu experimentieren:

      - Instandbesetzungen von gesellschaftlich sinnvollen und
      konsensfähigen Arbeitsplätzen. Ein geschlossenes Jugendzentrum könnte wieder eröffnet und die dort geleistete Arbeit öffentlichkeitswirksam vermittelt werden. Nach 5 - 6 Tagen ist eine "fürsorgliche Belagerung" von politisch Verantwortlichen denkbar. Damit diese Arbeit öffentlich finanziert werde. Dieser Aktion könnte ein "Spaziergang zu den Wohlhabenden" in den besseren Stadtteilen korrespondieren, um deren Mitverantwortlichkeit zu bekunden. Sie sollten dafür gewonnen werden, die tiefen Spaltungen in den Städten zu überwinden.

      - Armutsproteste neuen Typs. Wer für eine bedingungslose
      Grundsicherung eintritt, muss die Gesellschaft mit dem Ausmaß von verdeckter, offener und erreichter Armut anders als bisher konfrontieren. Wo keine gesellschaftliche Teilhabe angeboten wird, ist Armutsprotest geboten. Lumpen-Demonstrationen anlässlich festlicher Ereignisse (Pressebälle, Staatsbesuche, G7-Gipfel), demonstrative Aufrufe und Bezahlung schwarzfahrender Erwerbsloser, Obdachloser, Sozialhilfeempfänger und andere Armen könnte zu erheblichen politischen Auseinandersetzungen führen. Bettel-Demonstrationen in den wohlhabenden Wohnvierteln sind überfällig. Armut muss ihr Gesicht den Habenden und Herrschenden zeigen.

      - Symbolische Schließung von Arbeitsämtern. Unsere Forderung nach
      Grundsicherung und Arbeitsplätzen zieht die Problematisierung der Arbeitsämter nach sich, die die Arbeitslosen und Arbeit Suchenden bürokratisch formieren. Wenn sie für eine sinnvolle Sozial- und Arbeitsmarktpolitik teilweise entbehrlich sind, dann ist ihre symbolische Schließung folgerichtig. Wieviel Gewalt durch diese Ämter ausgeübt wird, ist längst zum öffentlichen Konflikt zu machen.

      - Gewaltfreier ziviler Ungehorsam von denjenigen, die in den
      Institutionen nicht mehr loyal sein können oder wollen. Der außerinstitutionelle Ungehorsam und Protest wird erst seine Wirkung entfalten, wenn diesem Akte zivilen Ungehorsams von denjenigen korrespondiert, die zur Loyalität innerhalb der Institutionen verpflichtet sind. Erst wenn Jugendarbeiter, die 150 Jugendliche betreuen sollen, erst wenn Hochschullehrer, die mit 120 Studierenden Seminare gestalten sollen, erst wenn Sozialbeamte, die 180 Sozialhilfeempfänger sinnvoll betreuen sollen, sich diesen Aufgaben verweigern und die Arbeit demonstrativ niederlegen, wird sich die herrschende Politik herausgefordert sehen. Vorerst hat ein Generalstreik keine Chancen. Begründete, von Teilen der Gewerkschaften mitgetragene Arbeitsniederlegungen, könnten jedoch die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen anschieben. Der mangelnde Streit um Alternativen zur Repressanda 2010 beunruhigt am meisten.

      Die programmierte Erfolglosigkeit der Agenda 2010 im Sinne eines täuschenden Wachstums- und Beschäftigungsversprechens sollte die Courage für Alternativen künftig befördern.

      Die Hebelpunkte in Richtung einer Sozialpolitik, die diesen Namen verdient, sind Teil einer 70seitigen Memorandums. In diesem Memorandum sind zusätzlich folgende Teile enthalten: Eine Kritik der herkömmlichen Sozialpolitik, die Skizze eines sozialpolitischen Ansatzes, der den unabgegoltenen Normen von Demokratie und Menschenrechten folgt, eine Kritik der Agenda 2010 und der von ihr symptomatisch repräsentierten Richtung eines sozial und politisch kahl schlagenden Neoliberalismus. Dieser ist das Hauptproblem selbst; er verstellt die in etablierter Ökonomie und Politik gegebenen Probleme.


      Die Autoren:
      Grottian, Peter (61), Hochschullehrer für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin;
      Narr, Wolf-Dieter (66), Hochschullehrer für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin;
      Roth, Roland (54), Hochschullehrer für Politikwissenschaft an der Hochschule Magdeburg.


      * Eine Kurzfassung dieses Artikels von Peter Grottian, Wolf-Dieter Narr und Roland Roth zur "Repressanda 2010" war in der Frankfurter Rundschau vom 29.11.2003 abgedruckt. Ein längerer Aufsatz, der vor allem die Kritik am Sozialstaat weiter ausführt, kann bestellt werden bei: Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7 - 11, 50670 Köln, Tel.: 0221 - 97269 -30, Fax: - 31

      http://www.lebenshaus-alb.de/mt/archives/002033.html
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 18:23:08
      Beitrag Nr. 1.121 ()
      Wege aus der Krise
      Krankheit soll Urlaub sein

      (Wege in die Krise)

      In der Krise haben kreative Vorschläge Konjunktur. Nun hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks gefordert, Krankheitstage "mit einigen Urlaubstagen" zu verrechnen. „Wir sollten bereit sein, über Maßnahmen nachzudenken, die Arbeitsplätze sicherer machen“, sagte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hanns-Eberhard Schleyer, der Nordwestzeitung.

      Als vor rund 35 Jahren die heutige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt wurde, habe es etwa 15 Tage Urlaub gegeben. Heute seien es 30. Der soziale Friede sei nicht durch Abstriche wie etwa bei der Lohnfortzahlung gefährdet, sondern durch die hohe Arbeitslosigkeit.

      Schleyer begrüßte einige Ergebnisse des Vermittlungsausschusses – so die Lockerung des Kündigungsschutzes und Nachbesserungen bei der Liste der Berufe, für die weiter „Meisterzwang“ gilt.

      Das Handwerk rechnet für 2004 mit einem Umsatzminus von einem Prozent – bedingt durch Einbußen am Bau und im Kfz-Gewerbe. Dies koste 100.000 Stellen.
      http://www.n-tv.de/5199822.html
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 18:30:05
      Beitrag Nr. 1.122 ()
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 23:34:14
      Beitrag Nr. 1.123 ()
      Titel
      Rainer Rupp

      Datteln lügen nicht

      Berichte über mysteriöse Umstände der Festnahme Saddams in Irak mehren sich


      Die Gefangennahme Saddam Husseins sei nur eine weitere Inszenierung der Bush-Regierung gewesen, behauptete am Mittwoch der demokratische US-Kongreßabgeordnete Jim McDermott. McDermott hatte bereits im letzten Jahr Präsident Bush vorgeworfen, um seinen Krieg gegen Irak zu rechtfertigen, sei er auch bereit, das amerikanische Volk zu belügen. Da sich jede Behauptung der Bush-Regierung über irakische Massenvernichtungswaffen inzwischen als Lüge und/oder Inszenierung herausgestellt habe, vermutet der kämpferische Congressman McDermott auch hinter der Festnahme Saddam Husseins nur eine weitere Manipulation. Die Bush-Regierung habe schon lange gewußt, wo sich Saddam befand, aber mit dem Zugriff gewartet, um maximales Kapital daraus zu schlagen.

      In den letzten Wochen war es für Bush innenpolitisch immer enger geworden. Nicht nur der demokratische Präsidentschaftskandidat Howard Dean wirft Bush inzwischen vor, über die Terrorangriffe am 11. September im voraus Bescheid gewußt zu haben, auch der Vorsitzende der vom US-Kongreß eingesetzten Unabhängigen Kommission zur Untersuchung des 11. September, Thomas Kean, erklärte am Mittwoch öffentlich, daß die Terrorangriffe hätten verhindert werden können. Aus dem Bericht der Kommission ginge »ziemlich deutlich hervor«, was von der Bush-Regierung »nicht getan wurde und was hätte getan werden sollen«, formulierte Kean seine scharfe Anklage in Richtung des Präsidenten. Kean ist ehemaliger Gouverneur von New Jersey und selbst ein politisches Schwergewicht der Republikaner. Seine Vorwürfe können daher nicht als parteipolitische Stimmungsmache im beginnenden Wahlkampf abgetan werden. Für die im kommenden Monat angesetzten öffentlichen Anhörungen im Kongreß hat Kean »bedeutende Enthüllungen« versprochen, die auf die Bush-Regierung zurückfallen würden.

      Von den bisher schwersten Vorwürfen gegen Bush durch einen republikanischen Parteifreund haben die Einwohner der USA bisher wenig erfahren. Die Schlagzeilen der Medien wurden weiterhin von der Gefangennahme Saddam Husseins und deren Auswirkungen bestimmt. Der Vorwurf McDermotts, bei der Gefangennahme handele es sich um eine politische Inszenierung, kann daher nicht einfach als »pure Phantasie« (so Bush-Freund und Kongreßabgeordneter Dicks) beiseite geschoben werden. Tatsache ist, daß unter der Bush-Administration nichts so ist, wie es sich dem Auge darstellt. Von der erfundenen Kriegsheldin Jessica Lynch über Bushs Landung auf einem Flugzeugträger am 1. Mai zur Verkündung des »Kriegsendes« bis hin zum falschen Truthahn beim Erntedankfest in Bagdad, als der US-Präsident breit grinsend eine »perfekt gebratene« Truthahnattrappe in die TV-Kameras hielt. Es scheint jedenfalls nicht verwunderlich, daß bei soviel Glaubwürdigkeit des Oberkommandierenden der US-Armee die Spekulationen ins Kraut schießen.

      So behauptete z. B. eine pakistanische Zeitung am Dienstag, daß Saddam Hussein den Amerikanern bereits am 20. November ins Netz gegangen sei. Präsident Bush habe seine Beute bei seinem Besuch in Bagdad am 27. November inspiziert, nachdem Hussein am 23. November einen Selbstmordversuch unternommen habe. Zweifel über den Zeitpunkt der Verhaftung von Saddam Hussein wollen sich auch in der irakischen Bevölkerung nicht legen. Durch die von den US-Besatzern verbreiteten Bilder werden sie zusätzlich genährt. Auf Aufnahmen, die US-Soldaten vor dem Erdloch zeigen, in dem sich Saddam Hussein verborgen gehalten haben soll, hängt an einer Palme gut sichtbar eine große Traube Datteln. Die Dattelernte sei jedoch im Dezember längst vorbei, heißt es in Bagdad. »Vielleicht haben sie Saddam schon seit August dort in dem Loch gefangen gehalten«, wird – laut Bericht der jW-Korrespondentin in der irakischen Hauptstadt – jetzt spekuliert. Ebenfalls am Dienstag berichtete eine Zeitung aus Katar, daß der israelische Ministerpräsident Scharon heimlich nach Bagdad gekommen sei, um dort Saddam Hussein zu sehen.

      Alles Märchen aus Tausend-und-einer-Nacht? Selbst die kühl kalkulierende ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright traut der Bush-Regierung noch mehr Zynismus zu, als ihr selbst nachgesagt wird. In einem Fernsehinterview auf Fox News Channel behauptete sie am Mittwoch, daß Präsident Bush genau wisse, wo sich Osama bin Laden versteckt, und mit dem Zugriff auf den politisch richtigen Moment – kurz vor den Wahlen – warte. Laut einer repräsentativen Umfrage unmittelbar nach der Gefangennahme Saddams hat sich die Zustimmungsrate der amerikanischen Bevölkerung zu Präsident Bush nach einer Periode kontinuierlichen Absinkens von 52 Prozent sprunghaft auf 58 Prozent verbessert. Waren es vor der Festnahme Saddams noch 47 Prozent der Amerikaner, welche die Außenpolitik Bushs ablehnten – das bisher schlechteste Ergebnis in Bushs Amtszeit – so waren es danach nur noch 38 Prozent.

      Am Mittwoch erklärte Präsident Bush im US-Fernsehen zu Bin Laden: »Wir sind ihm auf der Spur.«

      http://www.jungewelt.de/2003/12-19/001.php
      Avatar
      schrieb am 18.12.03 23:37:20
      Beitrag Nr. 1.124 ()
      Interview
      Interview: Jürgen Elsässer

      EU-Verfassung vorerst gescheitert: Militarisierung Europas gebremst?

      jW sprach mit Conrad Schuhler, Mitarbeiter im Münchner Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung


      * Unser Gesprächspartner hat zahlreicher Bücher zur Globalisierung verfaßt.. Zuletzt erschien »Unter Brüdern. Die USA, Europa und die Neuordnung der Welt« (PapyRossa-Verlag)


      F: In der neuen »EU-Verfassung« werde auch die weitere Militarisierung Europas beschlossen, kritisierte der bundesweite Friedensratschlag vor dem EU-Gipfel am Wochenende. Ist die Gefahr gebannt, nachdem dieser geplatzt ist?

      Vor dem Abbruch hatten sich die 25 Regierungschefs noch auf eine gemeinsame Sicherheitsstrategie geeinigt, wie sie auch den gesamten Verfassungsentwurf durchzieht. Schaut man sich die beiden Neinsager am Wochenende in Brüssel an, nämlich Polen und Spanien, dann weiß man, daß die Rüstungsrichtlinien bei einer späteren Einigung höchstens noch schärfer ausfallen könnten. Denn sowohl Polen als auch Spanien haben den Irak-Krieg der USA mit eigenen Truppen unterstützt. In dem jetzt von den Mitgliedstaaten begrüßten Grundsatzpapier von EU-»Außenminister« Javier Solana heißt es, daß die EU tätig werden müsse gegenüber drei Bedrohungen: Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und »gescheiterten Staaten«. Das ist fast exakt die Formulierung der Nationalen Sicherheitsdoktrin der Bush-Regierung. Und ebenso wie die USA plädiert die EU für Präventivschläge. Wörtlich heißt es: »Wir müssen eine strategische Kultur entwickeln, die ein frühzeitiges, rasches und wenn nötig robustes Eingreifen begünstigt.«

      F: Andererseits hat die EU die Formulierung von der Notwendigkeit »präemptiven Engagements«, was ja wirklich an Bushs Erstschlagsdoktrin erinnerte, aus dem Entwurf nicht in den verabschiedeten Text übernommen. Auch die vielgepriesene EU-Eingreiftruppe lahmt beträchtlich. Zum Jahresende 2003 steht sie jedenfalls nicht, wie es vorgesehen war.

      Die EU-Eingreiftruppe soll rund 80 000 Mann umfassen, 18 000 davon aus Deutschland, mit Abstand das größte Kontingent. Sie lahmt in der Tat, weil es den EU-Staaten sowohl an wirtschaftlicher Potenz als auch an Einigkeit fehlt. Dennoch wird sich die Truppe im Lauf der Zeit herausbilden, und man wird versuchen, sie aus den Kommandostrukturen der NATO herauszulösen, wo sie derzeit noch untergebracht ist. In der neuen EU-Verfassung ist ein eigenes »Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten« vorgesehen, dessen Aufgabe es ist, eine eigene europäische Militärmacht auf die Beine zu stellen, die im Zweifel auch ohne die NATO, d.h. ohne die Zustimmung der USA, operieren kann.

      F: Ein Amt? Wenn’s weiter nichts ist ... Das ursprünglich geplante EU-Hauptquartier ist jedenfalls abgesagt, die Einsätze sollen von einem Zimmerchen im NATO-Hauptquartier aus geführt werden. Ohne Zustimmung der USA wird da nichts laufen.

      Die deutsche und französische Regierung reklamiert diese Verabredung als Schritt zu mehr europäischer Eigenständigkeit. Die EU-Armee kann demnach tätig werden, wenn die NATO nicht eingreifen kann oder nicht eingreifen will. Das eröffnet Spielräume.

      F: »Unter Brüdern« lautet der Titel Ihres Buches über das amerikanisch-europäische Verhältnis. Ist das nicht so ein Brüderpaar, bei dem immer der Kleine die Dresche kriegt?

      Mit »Unter Brüdern« will ich zeigen, daß die USA und die EU letzten Endes am selben Strang ziehen. In allen entwickelten Industrieländern sind die transnationalen Konzerne die beherrschende Macht. In Deutschland sind Siemens und DaimlerChrysler zehnmal bestimmender als der gesamte Mittelstand. Von den 200 größten transnationalen Konzernen, auf die über ein Viertel des Weltumsatzes entfällt, finden wir 82 in den USA, 65 in der EU, 41 haben ihre Basis in Japan. Diese Gesellschaften haben kein »Heimatland«, sie wollen den Globus als ihr Profitfeld eingerichtet haben. Die USA als globaler Kontrolleur sind ihnen sehr recht, die EU kann den USA als kleinere globale Interventionsmacht hilfreich zu Seite treten. Dabei kommt es auch zu Konflikten zwischen den Staaten, wie ja auch zwischen den Konzernen. Aber die transnationalen Konzerne werden nicht zulassen, daß Querelen der politischen Agenturen ihnen das Geschäft verderben.

      * www.isw-muenchen.de
      http://www.jungewelt.de/2003/12-19/016.php
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      schrieb am 18.12.03 23:49:51
      Beitrag Nr. 1.125 ()
      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme

      Teil 5

      Deflation


      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 20. Mai 2003



      Inflation und Teuerung haben wir im Kapitel "die natürlichen Feinde des Geldes" bereits besprochen, doch es gibt noch ein Phänomen, das höchste Beachtung verdient:

      Die Deflation.

      Deflation ist selten, zwischen deflationären Phasen vergehen Jahrzehnte der Teuerung und Inflation, aber in der kollektiven Erinnerung der Menschheit ist die Deflation tief eingegraben. Die letzte schwere Deflation nennen wir heute noch "Die Weltwirtschaftskrise" und ihr "Schwarzer Freitag" ist längst zum Synonym für Bankrott und wirtschaftlichen Ruin geworden.


      Deflation sieht so aus, als gewönne das Geld auf wundersame Weise Tag für Tag an Wert. Es sieht so aus, als würden die Preise sinken, als seien die Feinde des Geldes, Inflation und Teuerung endgültig besiegt.

      Natürlich ist das Unfug. Erklärt wird die Deflation mit einer Stimmung des Abwartens bei den Konsumenten, die heute nicht kaufen wollten, weil sie fest damit rechnen, dass morgen alles noch billiger zu haben sei.

      Aber auch das ist Unfug, der in den Medien verbreitet wird, um die Deflation als eine unvermeidliche Erscheinung des Schicksals und der Weltenläufte darzustellen, so ähnlich als sei die Deflation eine Art Viruserkrankung, die rund um den Globus das Wirtschaftsleben befällt und lähmt.



      Selbstverständlich wird Deflation von Menschen gemacht.

      Die einfachste Methode zur Herstellung von Deflation ist es, die Kaufkraft der Bevölkerung, einschließlich der Kaufkraft ihres Staates und ihrer Versorgungssysteme zu beschneiden, indem die Geldversorgung gestört wird.

      Dies ist in Zeiten der Globalisierung einfacher denn je. Alleine mit der Drohung, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, sind Bund, Länder, Gemeinden und Gewerkschaften dazu zu bewegen, Steuern und Abgaben zu senken, preisgünstiges Bauland einschließlich unentgeltlicher Erschließung zur Verfügung zu stellen, Sondertarifverträge abzuschließen und massiven Stellenabbau hinzunehmen, solange wenigstens noch ein paar Arbeitsplätze erhalten bleiben. Vergessen wird dabei leicht, dass weniger Geld in Umlauf ist, wenn Investoren weniger Geld einsetzen müssen, um Produktionsanlagen zu errichten. Es wird vergessen, dass weniger Geld in Umlauf kommt, wenn weniger Beschäftigte für geringere Löhne arbeiten und die Steuereinnahmen sinken. Jeder versucht nur, rings um den eigenen Markplatz zu retten, was zu retten ist und begibt sich damit in eine unsinnige Konkurrenz, die von lachenden Dritten in immer groteskere Formen getrieben wird.

      Den umworbenen Investoren gelingt es so, bei immer weiter sinkendem Aufwand für Pflege und Unterhalt der werteschaffenden Bevölkerung, das gleiche Volumen an Produkten und Leistungen am Markt anzubieten und mit zunehmenden Exportanteilen auch gewinnbringend abzusetzen.

      Dieser Bevölkerung fehlt nun allerdings das Geld. Das zeigt sich schnell an rückläufigen Einnahmen des Staates und der staatlichen Sozialkassen. Sobald die Ebbe in den Staatskassen als ein Signal zum Sparen interpretiert wird, wenn der Staat also weniger ausgibt und sogar versucht seine Schulden abzubauen, kommt noch weniger Geld in die Taschen der Verbraucher.

      Kürzungen bei den Renten, Kürzungen bei den Unterstützungsleistungen für Arbeitslose, Kürzungen bei den Kuren und Heilmitteln in der Krankenversicherung vermindern den Geldumlauf, die Konsumenten, so sie noch können, beginnen nun ebenfalls zu sparen, wollen schnell eine Rücklage bilden, um für noch schlechtere Zeiten gewappnet zu sein. Damit verschwindet erneut Geld vom Markt , das erst viel später und in winzigen Dosen als angeknabberter Notgroschen zurückfließt und damit kaum eine Belebung auslösen kann.

      Die Beschäftigten beginnen unter massivem Druck der Arbeitgeber, sich mit geringeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen zufrieden zu geben, weil sie sonst gar keine Beschäftigung, gar keinen Lohn mehr erhalten. Kurz darauf trifft es die kleineren Gewerbebetriebe, den Einzelhandel, das Handwerk, wo ein ruinöser Wettbewerb um den letzten Cent der letzten Kunden beginnt.

      Wer jetzt Geld hat, kann preiswert Schnäppchen einkaufen,
      doch wer hat noch Geld?...................

      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen5.html
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      schrieb am 19.12.03 00:09:18
      Beitrag Nr. 1.126 ()
      "Die Senkung der Staatsquote, der Abbau der Vermögensgegenstände durch Privatisierung hinterläßt einen Staat, der nichts mehr kostet und nichts mehr leistet."

      aus "Der Fluss des Geldes"
      Verfasser: Egon W. Kreutzer
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 15:47:14
      Beitrag Nr. 1.127 ()
      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme

      Teil 6

      Das Geld im Spannungsfeld von
      Staatshaushalt und Staatsschulden

      (mit durchaus aktuellem Bezug zur Situation in Deutschland im Sommer 2003)


      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 23. Juli 2003




      Der Staatshaushalt frißt angeblich die Leistung der Volkswirtschaft durch seinen ungebremsten Hunger nach Steuern und Abgaben vollkommen auf. Die Anhänger liberaler Wirtschaftstheorien verlangen daher, den Staat aus allen seinen Aufgaben zurückzudrängen, um Bürger und Unternehmen zu entlasten, auf dass diese in freier Selbstverantwortung erkennen, dass sich Leistung wieder lohnt.

      Dies ist eine so vordergründige und törichte Argumentation, dass man sich verzweifelt fragt, wie es kommt, dass ausgerechnet diese These so viel Zustimmung findet.

      Was ist denn der Staat, was sind Kommunen anderes, als Dienstleistungsunternehmen, denen von den Bürgern in komplizierten und langwierigen, teils sogar historischen Willensbildungsprozessen eine ganze Reihe von Aufgaben übertragen worden ist.
      Aufgaben, die in dieser Organisationsform prinzipiell recht gut und vor allem unter ausschließlicher Wahrung der Interessen der Bürger erledigt werden können.

      Dass es bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben vorkommt, dass sich Einzelne oder Gruppen, Lobbies und Seilschaften in krimineller Absicht bereichern, ist ebenso verabscheuungswürdig, wie unvermeidlich und ändert an der Kernaussage nichts.

      Es ist ja nicht so, dass sich in der Privatwirtschaft niemand bereichern würde. Das sind - was nur selten so wahrgenommen wird - zuallererst und ganz legal die Unternehmer selbst, die sich bereichern, indem sie jede Chance nutzen, einen besonders großen Gewinn zu machen. Großen Gewinn machen heißt aber nichts anderes, als billigst einkaufen und teuerst verkaufen, niedrigste Löhne zahlen und höchste Preise fordern, Mitarbeiter und Kunden von beiden Seiten gleichermaßen über den Tisch ziehen.


      Der Staat, als Organisation im Eigentum der Bürger, kann zwar auch an der einen Stelle zu hohe Abgaben fordern und an der anderen Stelle seine eigenen Beschäftigten zu schlecht bezahlen, doch tut er das nicht mit der Bereicherungsabsicht des gewinnfixierten Unternehmers. Solche Fehljustierungen entstehen manchmal beinahe zwangsläufig als Folge der Komplexität der öffentlichen Organisation, oft sind sie aber auch die Folge des der Demokratie inhärenten Phänomens des Wahlversprechens, ohne dessen Hilfe der Gestaltungswille weniger Vordenker wohl kaum so direkt zur `Herrschaft Dank gewonnener Mehrheiten` führen könnte, wie es der Fall ist.

      Der bisherige Exkurs klingt weit- und abschweifend, doch nur wer akzeptiert, dass Demokratie nur so und nicht anders funktionieren kann, wird frei werden von jenen schwärmerischen, unerreichbaren Idealvorstellungen, die von interessierter Seite hochgehalten werden, um den Staat zu diskreditieren und damit eine Stimmung zu erzeugen, die den Bürger ermuntert, seinen Staat nach Kräften zu demontieren um anschließend entweder auf die gewohnten Leistungen zu verzichten, oder sie stattdessen vom fremden Unternehmer, oft sogar vom ausländischen Investor, zu beziehen.

      Also lassen wir alle Staatsschelte beiseite und auch die Kritik des Bundesrechnungshofes an mancher Verschwendung (Es gibt diese Kritik! Ist das nicht gut?) und befassen wir uns ausschließlich mit der Frage, ob der Staat die Leistung seiner Bürger wirklich aufzehrt. Klar:

      Wenn Heinrich Mustermann seinen Gehaltszettel betrachtet und feststellt, dass ihm von seinem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Brutto-Gehalt nach allen Steuern und Abzügen nur noch 60 % verbleiben, dann ist sein Zorn verständlich und wir glauben ihm auch gerne, dass er, ohne diese Abzüge, ein größeres, schöneres, teureres Auto fahren würde, als das, was er sich vom Netto gerade noch leisten kann.

      Und, ganz klar, hätte Heinrich Mustermann und mit ihm alle Lohn- und Einkommensteuerzahler nicht nur 60 Prozent vom Brutto sondern vielleicht 80 oder gar 90 Prozent in der Tasche und würden daraufhin alle die dazugewonnene Kaufkraft in größere und schönere Autos umsetzen, der Autoindustrie und ihren Zuliefereren ginge es gut wie nie zuvor, es wäre Wachstum zu verzeichnen, die Gewinne stiegen ganz immens und die Dividendenzahlungen an die Autoaktionäre wüchsen in den Himmel.

      Also: Steuern und Abgaben runter?

      Fürwahr eine verlockende Vorstellung. Aber für wen?
      Wer, außer den Eigentümern der Automobilfabriken hat einen Nutzen davon?

      Die Arbeitslosen,
      und alle, alle anderen auch.

      Wenn mehr und größere und schönere Autos produziert werden sollen, brauchen wir mehr Arbeitskräfte. Das Geld, das dem Staat verweigert wird, fließt auf diese Weise vollautomatisch in die Taschen der bis dahin Arbeitslosen. Aber nicht nur in den Automobilfabriken, auch in der Bauindustrie wird eingestellt, weil neue Fabrikhallen und neue Garagen gebraucht werden. In den Werkstätten, wo gewartet und repariert werden soll und an den Tankstellen, die das Benzin verkaufen und überhaupt überall rings um das Auto entstehen von dem Geld, das wir den Bürgern in die Hand geben, statt es dem Staat in den Rachen zu werfen, neue Arbeitsplätze und blühende Landschaften. Neue Arbeitsplätze bringen neues Geld in die Wirtschaft, die Aufwände für staatliche Unterstützungsleistungen gehen zurück, das Steueraufkommen und die Einnahmen der Sozialversicherung wachsen, das Glück ist vollkommen.

      Sie haben Zweifel?

      Sie fürchten, dass die Menschen, die bisher im Staatsdienst standen, um uns zu gängeln und jene Menschen, die bisher indirekt über öffentliche Aufträge eine Arbeit und Beschäftigung fanden, nun nicht mehr vom Staat bezahlt werden könnten und folglich entlassen werden müßten?

      Keine Sorge! Das Geld wird doch nur anders, privatwirtschaftlich und damit effizienter verteilt. Wer im Einwohnermeldeamt seinen Job verliert, der kann doch sofort in der Personalabteilung der Autofabrik wieder anfangen, wer keine Autobahnen mehr baut, kann doch genauso gut Testrecken für die Automobilindustrie asphaltieren, wer als Sportlehrer oder Museumswärter seinen Arbeitsplatz verliert, der kann doch Fahrlehrer werden, oder Oldtimer pflegen.

      Die Vorstellung ist und bleibt verlockend.............



      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen6.html
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      schrieb am 19.12.03 19:06:48
      Beitrag Nr. 1.128 ()
      euro

      Amerika bangt um Kredit

      Die Stärke des Euros liegt an der Schwäche des Dollars


      Von Robert v. Heusinger für ZEIT.de


      Der Euro ist auf Rekordkurs. Unaufhaltsam steigt die Gemeinschaftswährung. Im Dezember gab es kaum einen Tag ohne neuen Rekord, zuletzt lag er bei 1,2436 Dollar je Euro. Das ist auch in alter D-Mark-Rechnung immerhin ein Siebenjahreshoch. Doch es lohnt nicht, in Europa nach Gründen für den Kursanstieg zu suchen. Die gibt es nämlich nicht. Die Wahrheit ist tragischer: Es handelt sich um eine ausgeprägte Dollarschwäche.

      Die ausländischen Investoren sind nicht länger bereit Amerikas exzessiven Konsum zu finanzieren. Das Finanzkapital meidet den Dollar und setzt ihn so unter Druck. Fast 50 Milliarden Dollar Zuflüsse von außen brauchen die Amerikaner Monat für Monat, um weiter über ihre Verhältnisse leben zu können, sprich mehr ausgeben zu können, als sie im Inland erwirtschaften (Ökonomen nennen den Saldo „Leistungsbilanz“). Dabei ist es egal, in welcher Form das Geld ins Land kommt, über Investitionen in US-Aktien, in US-Staatsanleihen oder als Direktinvestition.

      Sechs Monate in Folge ziehen die ausländischen Anleger nun schon Geld von der Wall Street ab, obwohl die Kurse steigen - allerdings nur in Dollar gerechnet. Zum Glück gibt es die asiatischen Zentralbanken, allen voran die japanische und chinesische. Sie sorgen mit Staatsgeld noch dafür, dass der Dollar nicht kollabiert. Sie subventionieren den Dollar, damit ihre Exportgüter nicht teurer werden. Und das geht so: Die asiatischen Notenbanken verhindern per Intervention am Devisenmarkt ein Nachgeben des Dollar gegenüber Yen, Renminbi oder Hongkong-Dollar. Sie kaufen mit dem eigenen Geld unbegrenzt Dollar auf und legen sie in US-Staatsanleihen an. Das verhindert einerseits den ultimativen Dollar-Crash, anderseits hält es die Zinsen auf US-Anleihen schön niedrig.

      Die internationalen Investoren haben dieses Spiel durchschaut. Sie wissen, dass das Leistungsbilanzdefizit nur noch durch öffentliches Geld gedeckt ist. Irgendwann werden auch die asiatischen Zentralbanken aufhören, Amerika unbegrenzt Geld zu geben, fürchten sie. Dann droht Ungemach.

      Denn eins ist klar: Das Leistungsbilanzdefizit ist zu hoch. Es beträgt rund 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Keine reife Volkswirtschaft hat je so kräftig über ihre Verhältnisse gelebt. Die Analysten von Deutscher Bank Research haben mal nachgerechnet, was passieren muss, damit das Leistungsbilanzdefizit in fünf Jahren auf 3 Prozent des BIP schrumpft. Entweder muss der Dollar gegenüber allen Währungen - auch gegen Yen und Renminbi - um weitere 30 Prozent abwerten. Der Euro notierte dann oberhalb von 1,60 Dollar. Oder: Der Dollar verharrt auf seinem heutigen Niveau, dafür muss aber der Rest der Welt Jahr für Jahr mit utopischen 6,5 Prozent wachsen, Amerika selbst aber nur mit jährlich zwei Prozent. Diese Szenarien skizzieren den mühsamen Anpassungsprozess für die Weltwirtschaft. Dabei weiß niemand, ob drei Prozent Leistungsbilanzdefizit langfristig überhaupt durchzuhalten sind, oder es noch kleiner werden muss. Sicher ist nur, es wird zu einem Mix aus Abwertung und langsameren Wachstum in den USA kommen, will man den Krach vermeiden.

      Für Euroland und vor allem Deutschland heißt das, dreierlei: Erstens, die Aufwertung des Euro ist noch lange nicht beendet. Darunter werden die Exporte kräftig leiden. Zweitens muss die Europäische Zentralbank die Zinsen weiter senken, damit der beginnende Aufschwung nicht gleich wieder über den Export abgewürgt wird. Im Notfall muss sie auch Dollar kaufen um den Krach abzuwenden. Und drittens müssen die Regierungen endlich mehr für Wachstum tun, endlich die Nachfrageseite der Volkswirtschaft stimulieren - auch wenn das nicht in die herrschende Wirtschaftsideologie passen mag. Strukturreformen wie sie zur Zeit in Deutschland umgesetzt werden, bringen kurzfristig gar nichts. Sie verunsichern nur, führen zu geringerem Einkommen und Konsumzurückhaltung. Aber genau das Gegenteil ist in dieser kritischen Situation vonnöten: Mehr Konsum durch Steuersenkungen, höhere Renten oder mehr Kindergeld und gleichzeitig mehr öffentliche Investitionen - und zwar schnell.

      Sicher ist: Der Dollar wird noch viel weiter fallen. Unsicher dagegen, ob er die europäische Wirtschaft mit in die Tiefe reißt. Eine mutige Geld- und Fiskalpolitik kann das verhindern.


      (c)ZEIT.de




      http://www.zeit.de/2003/52/euro
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      schrieb am 19.12.03 19:10:27
      Beitrag Nr. 1.129 ()
      Cartoon zu Hartz und Arbeitsmarkt




      http://stud.fh-heilbronn.de
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      schrieb am 19.12.03 19:15:42
      Beitrag Nr. 1.130 ()
      Autobranche optimistisch

      Verband prognostiziert wieder Wachstum / Gottschalk warnt vor Folgen der Produktionsverlagerung


      Die deutsche Autoindustrie will 2004 wieder einen Gang zulegen. Trotz Eurostärke und anhaltender Kaufzurückhaltung ist der Branchenverband VDA zuversichtlich, sowohl die Produktion als auch den Export steigern zu können, sagt Präsident Bernd Gottschalk im FR-Gespräch.

      VON CHRISTINE SKOWRONOWSKI


      Den Blick nach oben richtet die deutsche Autoindustrie (ddp)


      Frankfurt · 18. Dezember · Der Lobbyist warnt jedoch vor zu großer Euphorie. "Eine überbordende Entwicklung" werde das nächste Jahr nicht bringen. Allerdings prognostiziert er mindestens 3,35 Millionen Pkw-Neuzulassungen im InIand. In diesem Jahr dürften die Neuanmeldungen bei 3,25 Millionen Wagen stagnieren, in den drei Perioden zuvor gingen sie jeweils zurück.

      Insgesamt bezeichnet Gottschalk 2003 trotz Schwierigkeiten bei zahlreichen Herstellern als ein "durchaus passables Autojahr". Immerhin seien gut fünf Millionen Wagen produziert werden. Diese Zahl soll 2004 auf mindestens 5,1 Millionen wachsen. Jenseits der Grenzen seien 2003 trotz Euro-Stärke 3,59 Pkw ausgeliefert worden. Damit seien ursprüngliche Export-Prognosen übertroffen worden.

      Im nächsten Jahr hält Gottschalk es für realistisch, dass die Marke von 3,6 Millionen überschritten werde. Die wesentlichen Impulse dürften dabei aus Asien, insbesondere China, sowie Osteuropa kommen. Und selbst für Nordamerika ist der Präsident trotz der dort tobenden Rabattschlacht keineswegs pessimistisch. Seiner Einschätzung nach könnte der Marktanteil deutscher Wagen in USA von derzeit gut zehn Prozent noch gesteigert werde.

      Keineswegs verniedlichen möchte Gottschalk die wieder zunehmende Konkurrenz von Anbietern aus Korea und Japan, die zwar in punkto Qualität deutlich zugelegt hätten, andererseits aber auch von günstigeren Währungsrelationen profitierten.

      "Qualität bleibt für deutsche Hersteller und Zulieferer ein vorrangiges Thema", betont der VDA-Chef. "Elektronik muss für den Kunden so verlässlich sein wie Mechanik." Was jedoch auf dem Prüfstand im Werk funktioniere, sei später im realen Betrieb für den Fahrer manchmal mit Problemen behaftet. Aber, versichert Gottschalk, "daran arbeiten wir". "Der Kunde muss auch ohne umfangreiche Gebrauchsanleitung das Auto beherrschen können."

      Ein großes Problem für die Branche mit derzeit rund 777 000 Beschäftigten aber auch für deren Zulieferer, sieht der Lobbyist in der zunehmenden Verlagerung von Produktion in Länder mit niedrigeren Löhnen wie etwa China oder Osteuropa. Hier müssten die Unternehmen, aber auch Politik und Tarifparteien die Augen offen halten. "Ich will kein West-Europa, das desindustrialisiert ist oder ein West-Europa der Dienstleistungen, wo wir uns gegenseitig die Haare schneiden und glauben, damit unsere sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren." Vornehmlich in Osteuropa zu produzieren und in Deutschland nur noch die Blaupausen zu haben, sei eine "irrige Vorstellung". Eine solche Entwicklung müsse auf jeden Fall verhindert werden. In diesem Zusammenhang darf auch der Appell des VDA an die IG Metall für mehr Beweglichkeit bei Tarifabschlüssen und Arbeitszeitgestaltung nicht fehlen, um Beschäftigung in Deutschland zu halten. "Es geht nicht darum, rumänische Löhne in Deutschland einzuführen", sondern um eine größere Flexibilität. Der Standort Deutschland sei nicht schlecht, wie Industrieansiedlungen von Porsche und BMW in Ostdeutschland zeigten, die aber durch eine "flexible Arbeitszeitgestaltung" unterstützt worden seien. Dass dabei auch nicht unerhebliche Subventionen flossen gehört aus Sicht von Gottschalk "im Rahmen des EU-Möglichen" dazu.

      Zum aktuellen Konflikt zwischen Autoherstellern und Zulieferern, die vor allen Daimler-Chrysler der rigiden Preisdrückerei bezichtigen, hält sich Gottschalk bedeckt. Allerdings räumt er ein, dass er von früher 60 inzwischen mehr als 75 Prozent seiner Arbeitszeit auf das oft konfliktbeladenen Verhältnis Hersteller und Zulieferer verwende und auch im Sinne gemeinsamer Partnerschaftschaft vermittle. Dabei fällt ihm der Ausspruch eines früheren Einkaufsvorstand von Daimler ein, wo Gottschalk seine Karriere begann : "Nur gesunde Lieferanten sind gute Lieferanten."
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 19:17:48
      Beitrag Nr. 1.131 ()
      Zahl der Insolvenzen in Deutschland zieht kräftig an

      Das Statistische Bundesamt Destatis veröffentlichte die Zahl der Insolvenzen in Deutschland für September 2003. So belief sich die Gesamtzahl auf 8.659 Insolvenzen, hierbei entfielen 3.266 auf Unternehmen und 5.393 auf andere Schuldner, die sich aufteilen in Verbraucher mit 2.999 Insolvenzen, ehemals Selbstständige mit 2.183 und Nachlässe mit 211 Insolvenzen. Im Vorjahresvergleich wuchs die Gesamtzahl der Insolvenzen um 18,7 Prozent, wobei die Unternehmensinsolvenzen um 1,0 Prozent zulegten.
      In den ersten neun Monaten 2003 erhöhte sich die Zahl der Insolvenzen um 20,6 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode auf insgesamt 75.096 Insolvenzfälle. Hierbei verbuchten die Unternehmen eine Zunahme um 6,0 Prozent auf 29.824 Insolvenzen.

      Die offenen Forderungen der Gläubiger summierten sich im Neun-Monatszeitraum auf 32,3 Mrd. Euro, damit liegen sie um ein Drittel unter dem entsprechenden Vorjahresniveau.

      Würde sich die im August und September 2003 beobachtete Entwicklung auch in den letzten drei Monaten dieses Jahres fortsetzen, dürfte die Gesamtzahl der Insolvenzen die 100.000 knapp übertreffen und die Zahl der insolventen Unternehmen die Marke von 40.000 erreichen.
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 19:42:32
      Beitrag Nr. 1.132 ()
      Verbraucherschützer contra Citibank

      "Schöngerechnet und systematisch überschuldet"

      Die Düsseldorfer Bank schlägt wie keine andere Profit aus dem Geschäft mit Ratenkrediten – doch viele Kunden müssen dafür verdammt teuer bezahlen.

      Von Thomas Öchsner



      Am meisten zermürben die Anrufe. Immer, wenn das Telefon klingelt und auf dem Display keine Nummer erscheint, denkt Hans Thiel*, das könnte wieder die Bank sein.

      Einmal im Monat rufen sie an, an welchem Tag, zu welcher Stunde ist ungewiss. Es kann mittags sein, morgens um halb neun oder abends um kurz vor acht, aber immer meldet sich eine andere Stimme am Telefon, zuerst nur mit Namen, ohne das Wort auszusprechen, das Thiel so fürchtet: Citibank.

      An diesem Freitag, ausgerechnet heute, als der 37-jährige Metzger erzählen will, wie er zu seinem riesigen Schuldenberg kam, läutet es wieder, und auf dem Display steht schwarz auf grün „unbekannter Anruf“.

      Thiel hat die ganze Geschichte seit seinem Bandscheibenvorfall schon mindestens zehnmal verschiedenen Sachbearbeitern der Citibank geschildert. Dass er krank geschrieben sei, nur noch Arbeitslosengeld bekomme, das Geldinstitut doch bereits mit seinem Schuldnerberater von der Caritas verhandle und er das Minus auf seinem Girokonto von gut 2000 Euro nicht ausgleichen könne.

      Auch diesmal muss er noch mal von vorne anfangen, obwohl die Frau am anderen Ende der Leitung heute offensichtlich nur einen Auftrag hat: Dem säumig gewordenen Kunden die Pistole auf die Brust zu setzen. Wenn er nicht gewillt sei, Geld auf das Girokonto einzuzahlen, droht sie, müsse die Citibank jetzt die Rechtsabteilung einschalten.



      "Vampir-Banking"
      So enden viele Schuldner bei der Düsseldorfer Citibank, die derzeit als profitables Vorbild für deutsche Großbanken gilt. Während Deutsche Bank, Dresdner, Commerzbank und HypoVereinsbank sich abmühen, im Geschäft mit Privatkunden ordentlich Geld zu verdienen, eilt die deutsche Tochter der amerikanischen Citigroup, des größten Finanzkonzerns der Welt, von Rekordgewinn zu Rekordgewinn.

      Die Wirtschaftswoche kürte die Chefin der Citibank, Christine Licci, zur „Managerin des Jahres“. Die Börsen-Zeitung feierte das Institut als „Bank von einem anderen Stern“, deren Kennzahlen „fast überirdisch anmuten“.

      Wie sie das schafft, ist für Schuldnerberater und Verbraucherschützer allerdings eher unterirdisch. Bei ihnen stapeln sich die Fälle von Citibank-Kunden.

      Bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung heißt es, die Citibank sei als Gläubiger „überproportional stark vertreten“. Auch bei Peter Becker, Schuldnerberater der Evangelischen Gemeinde in Düren, hängt fast jeder zweite Fall mit Ratenkrediten der Citibank zusammen.

      Für Becker ist das Institut diejenige Bank, „die bei der Kreditvergabe wie keine andere in Deutschland das Einkommen ihrer Kunden schönrechnet, sie damit systematisch in die Überschuldung treibt und über die Schulden ein Leben lang an sich bindet“.

      Arno Gottschalk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, bezeichnet das System der Kreditvergabe bei dem Institut schlicht als „Vampir-Banking“. Und dafür ist Hans Thiel ein ziemlich gutes Beispiel.

      Anfang der Neunziger wähnt sich der Metzger auf der Sonnenseite des Lebens, obwohl er zu viel trinkt und sein erstes Auto, einen Renault Clio, zu Schrott fährt. Er schuldet das Darlehen von der Autobank einfach um und pumpt sich von der Citibank 25.000 DM. Über die Raten macht er sich nicht groß Gedanken. „Am Anfang hatte ich ja immer Geld gehabt. Das hat ja immer gepasst“, sagt er.

      Kurze Zeit später, den Führerschein hat er wieder in den Händen, müssen das nächste Auto und ein neuer Kredit über 13.000 DM her. Mehrmals lässt Thiel den Kredit noch aufstocken bis auf eine Summe von rund 50.000 DM. Die Raten werden immer höher. Ende 2000 sind es schon fast 1000 DM, Monat für Monat.



      Schuften für die Rate
      Mitte der Neunziger geht Thiel in Entziehungskur, kommt vom Alkohol los. Er arbeitet, so viel er kann. Morgens um halb fünf fährt er in die Metzgerei, abends schiebt er Überstunden, am Wochenende versucht er, sich auf Flohmärkten etwas dazuzuverdienen. „Das hatte mit Leben nichts mehr zu tun gehabt. Aber ich habe immer regelmäßig bezahlt“, sagt er, und man spürt, dass der Mann in seiner dunklen Einzimmerwohnung in einer kleinen Ortschaft bei Mainz darauf ein bisschen stolz ist.

      Das Schuften für die Raten ging so lange gut, bis an einem Junimorgen vor zwei Jahren die Geschichte mit der Bandscheibe passierte: „Ich wollte einen Kasten in der Metzgerei von einem Regal herunterholen. Es machte Klatsch, und ich konnte mich nicht mehr bewegen.“

      Thiel weiß inzwischen, dass er Fehler gemacht hat. „Ich war viel zu leichtsinnig. Die Bank hat es mir aber auch verdammt leicht gemacht und mir immer wieder neue Kredite angeboten.“

      Er weiß aber auch, dass die Berater der Citibank mit ihm das machten, was sie in solchen Fällen wohl oft tun. Wenn Thiel mehr Geld wollte, verkauften sie ihm keinen neuen Zusatzkredit, sondern stockten den alten Kredit auf. „Das war immer das gleiche Schema: Auflösungsvertrag unterschrieben. Neuen Vertrag unterschrieben. Das war’s“, sagt Thiel.

      So zahlte er jedesmal von neuem: immer die zwei bis drei Prozent Bearbeitungsgebühr vom gesamten Kreditvolumen und immer die Prämien für eine neue Restschuldversicherung, die auf einen Schlag fällig und ebenfalls über den Kredit vorfinanziert wurden.

      In einem Gutachten für Thiels Schuldnerberater kommt das Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg (IfF) deshalb zu dem Schluss: „Durch die Umschuldung wurden zusätzliche Kosten in Höhe von 11.218 DM produziert, die bei einer jeweiligen Neuaufnahme eines Kredites in der Höhe des benötigten Kreditvolumens nicht entstanden wären.“

      Als Ende 2000 der Kredit zum letzten Mal um 8000 DM erhöht wurde, machten allein die Mehrkosten für die neue Restschuldversicherung und die Bearbeitung 6924,79 DM aus. Der effektive Zinssatz stieg so nach Berechnungen des IfF auf 21,82 Prozent.

      Einziger Trost für Thiel: So lange er noch krank geschrieben ist, zahlt die Versicherung die horrenden Raten. Wie es danach weitergehen soll, weiß er nicht.



      Extrem effizient
      Das System der schnellen Kreditvergabe, kombiniert mit teuren Zusatzversicherungen, dürfte die Citibank wie kaum ein anderes Institut in Deutschland perfektioniert haben.

      Drei Zahlen wiederholt Citibank-Chefin Licci besonders gern: Von jedem verdienten Euro fressen die Kosten bei dem Institut gerade einmal 41 Cent auf, bei anderen Geldhäusern sind es mehr als 70. Citibank-Berater verbringen mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit im Kontakt mit Kunden.

      Im Branchendurchschnitt sind es 20 Prozent. Das Institut braucht nur etwa 20 Minuten, um über einen Kredit zu entscheiden. Über die andere Seite des Erfolgsgeheimnisses schweigen die Banker lieber: Wie viele von den 1,4 Millionen ausgegebenen Ratenkrediten die Citibank umgeschuldet hat, sagt das Institut nicht.

      Über die Höhe ihrer Zinsmarge, also die Differenz zwischen den Zinsen für ausgeliehenes Geld und für Sparanlagen, wird ebenfalls geschwiegen. Sie dürfte um einige Prozentpunkte höher sein als bei den meisten Konkurrenten.

      Ein bekannter Unternehmensberater umschreibt das Erfolgsgeheimnis der Citibank so: „Sie ist extrem effizient, aber bestimmt nicht billig. Durch die höhere Gewinnmarge kann die Bank es sich auch leisten, eine höhere Ausfallquote zu kompensieren und Kredite an Personen zu vergeben, die bei anderen Instituten kein Geld bekommen.“

      Aber selbst diese Gefahr hält sich in Grenzen, weil nach eigenen Angaben der Citibank jeder zweite Ratenkreditnehmer eine Restschuldversicherung unterschrieben hat. Edda Castello, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, bezweifelt sogar diese Zahl. „Ich kenne keinen Kreditvertrag der Citibank ohne eine Restschuldversicherung. Die Bank verlagert dabei ihr Kreditrisiko auf den Kunden, der das auch noch extrem teuer bezahlen muss.“

      Dabei hilft der Bank die Rechtslage: Ein Geldinstitut muss die Kosten für eine Zusatzpolice zur Sicherung von Ratenkrediten nur dann in den Effektivzins einrechnen, wenn die Bank selbst auf den Abschluss der Versicherung pocht.



      Üppig versichert
      Dann kann der Zinssatz aber ganz schnell zweistellig werden, manchmal sogar mehr als 20 Prozent betragen, wie bei Hans Thiel. „In vielen Fällen liegen diese Zinssätze bei der Citibank annähernd oder mehr als 100 Prozent über dem Marktdurchschnitt. Dann ist die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten. Und das ist Wucher“, sagt Finanzexperte Gottschalk.

      Wird die Zusatzversicherung dagegen freiwillig abgeschlossen, lassen sich die tatsächlichen Kosten gut verschleiern. Angeblich ist das immer der Fall: Nur „nach eingehender Beratung und ausschließlich auf Wunsch des Kunden“ werde die Restschuldversicherung abgeschlossen, heißt es bei dem Institut.

      Die Realität schaut anders aus: München, Rosental 10, in der Filiale der Citibank am Viktualienmarkt. Über der Eingangstür hängt ein blaues Schild, auf dem in weißer Schrift „Willkommen“ steht. Auf einem Plakat im Schaufenster lümmelt sich ein Mann und eine Frau auf einer braunen Ledercouch. „Das Leben kann so bequem sein. Die Finanzierung auch“, steht darunter geschrieben.

      Drinnen dominiert Sachlichkeit. Ein paar Blumen, graue Schrankwände, Schreibtische im Rondell. Der Berater fragt nach der Kreditsumme, Laufzeit und Einkommen. Von einer Versicherung sagt er nichts. Erst auf Nachfrage erklärt er: „Die Versicherung für den Todesfall ist automatisch dabei.“

      Nächster Versuch in der Filiale Sonnenstraße in München. Das gleiche Spiel. Die Beraterin tippt die Angaben in den PC und legt einen Ausdruck vor. Auch diesmal ist die Restschuldversicherung gleich mitbeantragt – für den Todesfall, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit.

      Kosten bei einem Ratenkredit über 10000 Euro mit drei Jahren Laufzeit: 962,86 Euro, ebenfalls per Kredit vorfinanziert. Rechnet man dies in den effektiven Zinssatz ein, verdoppelt sich dieser nach den Berechnungen der Verbraucherzentrale Bremen von 6,96 Prozent auf 13,82 Prozent.

      Aber darüber redet die Kundenberaterin nicht. Auf die Frage, ob das denn wirklich sein müsse, sagt sie: „Das ist automatisch dabei.“ – „Und wenn ich das komplette Paket nicht will?“ Da wird die Beraterin plötzlich streng: „Wir müssen Ihnen ja keinen Kredit geben“, sagt sie.

      * Name von der Redaktion geändert

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/879/23856/
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 20:09:29
      Beitrag Nr. 1.133 ()
      Hans Thie

      Skalpell, bitte


      DEUTSCHLAND VOR DEM KOLLAPS

      Wenn diese Diagnose richtig ist, sollten wir jedes Tabu brechen und kein einziges Privileg gelten lassen


      Zu viel Fett, zu wenig Bewegung, durch und durch verkalkt - der Patient Deutschland steht kurz vor dem Schlaganfall. Nur strengste Diät kann uns noch heilen. Leider werden wir immer wieder rückfällig, bestellen Gänsebraten auf Pump, und unsere Ärzte in Berlin, München und anderswo haben nicht den Mut, eine radikale Therapie zu verordnen. Zweifellos sind sie besser geworden, haben neue Medikamente ausprobiert, aber den entscheidenden Schritt, um unsere Sucht an der Wurzel zu kurieren, gehen sie nicht. Zu Recht fordern unsere mutigsten Mediziner, Friedrich Merz etwa, dass wir im nächsten Jahr entschlossen auch jene Barrieren der individuellen Vertragsfreiheit beseitigen müssen, die uns in Gestalt halsstarriger Gewerkschaften lähmen. Das Ergebnis vom vergangenen Wochenende, dieser halbseidene therapeutische Kompromiss, darf nicht das letzte Wort bleiben.

      Leider sind auch unsere Besten immer noch inkonsequent. Ihre Vorschläge zur Rekonstruktion der deutschen Gesellschaft sind zu einseitig, beziehen sich nur auf den Staat, auf die soziale Sicherung und nun vor allem auf die Gewerkschaften. Dieses Zaudern und Zögern sollten wir nicht hinnehmen. Wenn unsere Lage tatsächlich so miserabel ist, wie behauptet, dann hilft nur eins: tabula rasa. Wir fegen sämtliche Institutionen vom Tisch - nicht nur die Versorgungssysteme, die unsere Arterien verkalken, nicht nur den Staat, der uns Sicherheit vorgaukelt, sondern auch die parlamentarische Demokratie, den Markt und das Privateigentum.

      Spielen wir doch in Gedanken den Ernstfall, den Kollaps, den gesellschaftlichen Schlaganfall, schon mal durch. Hingestreckt liegen wir da, und die eine Hälfte unseres kollektiven Gedächtnisses, jener Hirnteil, in dem Politik, Ökonomie und alle anderen sozialen Arrangements abgespeichert sind, wäre gelöscht. Wir müssten tatsächlich von vorn anfangen, unser Gemeinwesen neu erfinden. Und keine Last der Vergangenheit würde uns hindern. Denn jede Erinnerung an Privilegien und Ansprüche, an Schulden und Zinsforderungen, an Eigentumstitel und Gewohnheitsrechte wäre unserem Black-Out zum Opfer gefallen.

      Langsam erheben wir uns und sehen erstaunt den unglaublichen Reichtum an nützlichen Gegenständen, der überall zu finden ist. All das, was wir zum Leben brauchen, ist im Überfluss vorhanden. Natürlich entdecken wir auch so manches, dessen Sinn wir nicht entschlüsseln können. Warum haben einige von uns damals in schäbigen Stadtquartieren gewohnt und andere, nicht weit entfernt, in prachtvollen Villen?

      Die merkwürdigen Prinzipien, denen wir uns offenbar verpflichtet fühlten, könnten wir selbstverständlich in anderen Ländern studieren. Denn dort bevorzugen die einen immer noch die Armut und andere den Reichtum. Aber warum? Niemand liefert eine Erklärung, jedenfalls keine, die uns überzeugen könnte. In unserer egalitären Unschuld, ohne jedes Gefühl für angestammte Rechte, verstehen wir einfach nicht, was sie meinen. Weshalb arbeiten Millionen acht, zehn und zwölf Stunden, ohne dass sich an ihrer Lage irgendetwas verbessert, während einige wenige, die nichts tun, die Erträge bekommen.

      Diese Welt ist uns fremd geworden, und wir beschließen, eine neue zu bauen. Aber nach welchen Prinzipien und Kriterien? Welche unveräußerlichen Rechte soll es geben und welche Pflichten? Wer entscheidet über die Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen? Auf der Suche nach Antworten durchstöbern wir das schriftliche Vermächtnis der vergangenen Zeit und stellen fest, dass es keine brauchbaren Baupläne für reiche Gesellschaften gibt. Liberté, Egalité, Fraternité - unter diesen Stichworten hatte es schon einmal eine große Debatte gegeben. Aber das war vor mehr als 200 Jahren und kann uns heute nicht mehr überzeugen. Das große Experiment des Ostens, das über 70 Jahre währte, ist ebenfalls gescheitert und hinterlässt uns keine Erfahrungen, die wir verarbeiten könnten.

      So bleibt uns nur die Wiederauferstehung aus dem Nichts, die Schöpfung aus uns selbst, nichts Geringeres als eine große Anstrengung mit unsicherem Ausgang. Hoffnungslos wäre diese Herausforderung aber nur dann, wenn wir die große Freiheit nicht mitdenken, die wir spätestens nach unserem gedanklichen Abschied von der Vergangenheit genießen. Wenn keinerlei Sonderrechte gelten, wenn wir den großen Eigentumstiteln die Anerkennung versagen, wenn wir vor allem das ökonomische Band zerschneiden, das uns fesselt, wird vieles möglich, was man heute kaum zu denken wagt. Und der Streit über Rente, Gesundheit, Steuern und Arbeitsmarkt würde sich als das zeigen, was er jetzt schon ist: eine absurde Veranstaltung mit vertauschten Rollen. Während wir im Hamsterrad immer schneller treten sollen, bleibt das deutsche Establishment an seinem Platz: Fett, unbeweglich und verkalkt.

      http://www.freitag.de/2003/52/03520101.php
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 20:11:23
      Beitrag Nr. 1.134 ()
      20.12.2003

      Titel
      jW-Bericht

      Zwangsarbeit in Deutschland

      Bundestag und Bundesrat nickten »Reformpaket« ab


      Bundestag und Bundesrat haben am Freitag alle im Vermittlungsausschuß beschlossenen Gesetzesvorhaben mit großer Mehrheit verabschiedet. Auch bei der heftig umstrittenen Neuregelung der Zumutbarkeit von Arbeitsstellen für Langzeitarbeitslose stimmten 581 von 597 Abgeordneten mit ja. Somit werden arbeitsfähige Menschen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr haben, künftig vor die Alternative gestellt, jede »legale Arbeit« zu jedem beliebigen Lohn anzunehmen oder keine Mittel zum Lebensunterhalt mehr zu erhalten. Aus den Reihen der Regierungskoalition gab es zwölf Gegenstimmen gegen die Einführung dieser Form von Zwangsarbeit, vier weitere kamen von zwei ostdeutschen CDU-Parlamentariern und den beiden PDS-Abgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch. Mit noch größeren Mehrheiten wurden die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, eine neue Handwerksordnung und Neuregelungen im Steuerrecht verabschiedet. Zu letzteren gehört neben dem Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform auf das kommende Jahr auch eine großzügige Amnestie für Steuerhinterzieher, die ihr ergaunertes Geld bei vollständiger Straffreiheit zu ermäßigten Steuersätzen wieder in den legalen Geldkreislauf zurückführen dürfen, selbst wenn es sich um zwei- oder dreistellige Millionenbeträge handelt.

      Schadlos halten sich die »Volksvertreter« dafür nicht nur an Erwerbslosen, sondern auch an den Rentnern. Diese erhalten laut Beschluß im nächsten Jahr keine Erhöhung ihrer Bezüge. Zudem bekommen Neurentner ihre erste Zahlung künftig erst am Ende des ersten Rentenmonats.

      Unmittelbar nach den Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat begannen wieder verbale Scharmützel zwischen den politischen Lagern. Oppositionspolitiker wähnten den Kanzler »geschwächt«, da er beim Zwangsarbeitsgesetz keine eigene Regierungsmehrheit erhalten habe. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte in diesem Zusammenhang sogar Neuwahlen. Einig waren sich Vertreter aller Parteien aber in Hinblick auf die Notwendigkeit weiterer »Reformen« in Deutschland. Unisono verkündeten CDU-Chefin Angela Merkel und der Bundeskanzler, daß dies »ein guter Tag für Deutschland« gewesen sei, aber dennoch nicht mehr als der Startschuß für weitere tiefgreifende Umwälzungen.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-20/001.php
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 20:13:51
      Beitrag Nr. 1.135 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      Soziale Barbarei

      Große Koalition beschließt »Agenda 2010«


      Der Imperialismus habe sich für die Barbarei entschieden, meinte Peter Hacks in einem jW-Interview im März dieses Jahres und fügte hinzu: »Der Imperialismus hat alle seine Kunden umgebracht und wundert sich jetzt, warum ihm niemand etwas abkauft. Und um die paar Leute, die ihm was abkaufen, müssen sie Kriege führen.«

      Die Beschlüsse der Fast-Allparteienkoalition im Bundestag vom Freitag markieren eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie sind eine Kriegserklärung an die Lohnabhängigen und ihre Organisationen, purer Klassenkampf von oben. Mit ihnen wird der Weg in Armutsverhältnisse eröffnet, die in weiten Teilen des Landes mehr oder weniger versteckt längst existieren, nun aber offen akzeptierte Grundlage der Gesellschaft werden sollen. Der Satz »Weil du arm bist, mußt du früher sterben«, der für den Kapitalismus auch in seiner rheinischen Fassung nie seine Gültigkeit verlor, wird nun zur erklärten Maxime. Es ist keine Übertreibung, keine Zuspitzung, sondern nüchterne Feststellung: Die Herren und Damen, die im klimatisierten Reichstag vor allem darüber disputierten, ob der Kanzler eine eigene Mehrheit hatte oder nicht, die ihre Diäten, Doppelgehälter und Pensionen stets fest im Blick haben, haben Menschenvernichtung beschlossen – so wie sie es zuvor 17mal bei Beschlüssen über deutsche Militäreinsätze taten. Diese 97 oder 98 Prozent der Abgeordneten, die für die Einführung von Zwang zu Dreckarbeit, Armut, Krankheit und Tod für demnächst sehr viele Menschen stimmten, wissen sehr genau, was sie anrichten. Wer mit Gesetzen zur Beförderung der Armut zugleich die größte Amnestie für Steuerhinterziehung in der Geschichte der Bundesrepublik beschließt, ist sich sehr bewußt, von wem er abhängig ist. Der Satz »Die Sozialhilfe muß gekürzt werden, damit der Spitzensteuersatz gesenkt werden kann« von ver.di-Chef Bsirske gehört zu den einprägsamen dieses Jahres – allerdings ohne Konsequenzen auf seiten der Gewerkschaften.

      So falsch es wäre, die Verantwortung für das Zertreten der Interessen der Bevölkerungsmehrheit allein im Parlament zu suchen, so falsch wäre es auch, das Resultat von Freitag nur den höheren Konzernetagen anzulasten. Selten war zu beobachten, daß eine Gewerkschaftsbewegung jede, tatsächlich jede Widerstandsposition vom Kündigungsschutz über Lehrstellenauflage bis zur Tariföffnung so kampflos geräumt hat wie der DGB in diesem Jahr. Er dürfte sich damit einen Bärendienst geleistet haben. Mit den neuen Verhältnissen in der Bundesrepublik wird es über kurz oder lang zu Auseinandersetzungen kommen, die dieses Land bisher nicht gekannt hat.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-20/003.php
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 20:22:03
      Beitrag Nr. 1.136 ()
      Thema
      Theo Wentzke

      Alles noch mal von vorn

      Die argentinische Krise: Ein Fall von innovativem Dollar-Imperialismus


      Argentinien »erholt sich«. Zwar hungern dort die Leute seit fast zwei Jahren und bis auf weiteres; Produktion und Handel finden nicht annähernd soviel statt wie vor der »großen Zahlungskrise« um den Jahreswechsel 2001/ 2002 herum. Internationalen Kredit hat die Nation nach wie vor nicht. Doch es wird schon wieder spekuliert: in Argentinien und auf Argentinien, das seinen Gläubigern immerhin eine neugewählte Regierung als Verhandlungspartner zu bieten hat. Unbeirrt behandeln die Finanzmärkte ein ganzes Land als Objekt ihrer Spekulation, in dem neulich unter ihrer Regie das gesamte Geld- und Kreditwesen zusammengebrochen ist.


      Der Offenbarungseid

      In Argentinien ist Ende 2001 nach der staatlichen Aufkündigung eines zehn Jahre lang gültigen festen Peso=Dollar-Verhältnisses nicht nur das nationale Geld in seinem Wert verfallen, es ist mit einem Mal überhaupt kein Geld mehr verfügbar. Die Regierung erklärt sich außerstande, der drohenden Gefährdung des nationalen Geldwesens mit der staatlichen Bereitstellung von Geld beizukommen – sei es in Form staatlich »geschöpften« Kreditgeldes, das sie zur Überbrückung oder wenigstens Linderung der »Liquiditätsklemme« in die Kreditwirtschaft des Landes hineinschleust, sei es durch die Herausgabe von Devisen aus dem Staatsschatz oder durch die Aufnahme von internationalem Kredit. Im Gegenteil: Sie ordnet die Schließung der Bankschalter an, um den »run« auf »Bares«, speziell auf Dollars und damit auf ihre Staatsschatzbestände zu unterbinden; sie stoppt dadurch den Zahlungsverkehr und entzieht der Gesellschaft die Geldmittel.

      Mit diesem vollständigen Zahlungsstopp leistet der argentinische Staat einen Offenbarungseid: Seine Nationalökonomie bringt die Dollars nicht ein, und er verfügt über die Dollars nicht, als deren Stellvertreter die nationale Währung fungieren soll. Sobald er dafür in Anspruch genommen wird, diese Fiktion haltbar zu machen, stellt sich heraus, daß ihm dafür kein Mittel zu Gebote steht. Und etwas zweites gesteht er damit ein: Die Mittel, mit denen der argentinische Staat die Dollargarantie bis zum bitteren Ende einlöst, sind längst keine mehr, die das Land verdient; sie sind geliehen – Kredit der internationalen Agenturen, so daß deren Weigerung, ihn zu prolongieren, die staatliche Geldkonstruktion schlagartig auffliegen läßt.


      Die Abrechnung

      Die Zahlungskrise und der Offenbarungseid Argentiniens sind die Folge einer umfassenden Abrechnung, die dem Land von außen präsentiert wird. Abgerechnet wird nicht bloß über gute und schlechte Ergebnisse des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs, wie das in Krisen zwischen Staaten allemal fällig ist, sondern über den Reichtum der Nation insgesamt: über ihren Devisenschatz, von dem nichts übrigbleibt; über ihr eigenes Geschäfts-, Kredit- und Umlaufmittel, das vollständig annulliert wird. Die Abrechnung ist der Endpunkt eines speziellen Geschäftsverkehrs zwischen Argentinien und den maßgeblichen Weltwirtschaftsmächten, den seine Erfinder und Protagonisten, gar nicht einmal zu Unrecht, äußerst »innovativ« gefunden haben.

      Seit Beginn der 1990er Jahre setzt die Staatsmacht für das Wirtschaftswachstum im Land voll auf ausländisches Kapital. Staatsunternehmen, Banken, Bodenschätze, Eisenbahn und Verkehrswege, überhaupt alle wirklichen und potentiell kapitalistisch nutzbaren Geldquellen bis hin zur staatlichen Rentenversicherung werden dem Zugriff kapitalkräftiger Interessenten dargeboten. Das eigentümliche nationale Geldregime, das die Schaffung nationaler »Liquidität«, also vor allem die Zahlungsfähigkeit des Staates selbst, streng an den Devisenschatz der Nation bindet, mit dem die höchsten Gewalten sich also die Geldschöpfung zu Lasten der Geldwertstabilität untersagen, dient dem Zweck, jedes Inflationsrisiko für ausländische Anleger auszuschließen und so die nationale Ökonomie insgesamt für diesen Adressatenkreis zum unschlagbar »attraktiven« Anlageobjekt zu machen. ........

      http://www.jungewelt.de/2003/12-20/004.php
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 20:28:23
      Beitrag Nr. 1.137 ()
      Ausland
      Sahra Wagenknecht

      Seifenblasenstatistik

      Der »Aufschwung« in den USA basiert keinesfalls auf klassischem Wirtschaftswachstum


      Als das Ergebnis des Vermittlungsausschusses bekannt wurde, revidierten die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute ihre ohnehin bescheidenen Konjunkturprognosen für 2004 noch weiter nach unten. Die von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement verbreitete Annahme, das Steuersenkungspaket initiiere einen Wachstumsschub von 0.6 Prozent, sei »aberwitzig«, ließ sich ein Ökonom des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im Handelsblatt zitieren.

      Es gibt tatsächlich wenig Anlaß, den lange herbeigeredeten Aufschwung ausgerechnet im nächsten Jahr zu erwarten. Nur liegt das durchaus nicht daran, daß der Spitzensteuersatz vorerst auf »nur« 45 statt der angepeilten 42 Prozent absinkt, sondern vor allem an der Verschärfung des sozialen Crash-Kurses, den der nach Demontage des Gesundheitssystems zweite großkoalitionäre Gemeinschaftsangriff auf erkämpfte soziale Rechte nach sich zieht. Die Regelung etwa, daß Arbeitslose künftig jede Arbeit zu jedem Lohn annehmen müssen, wird den Trend der Ersetzung tariflich bezahlter Arbeit durch ungesicherte Billigjobs zusätzlich beflügeln und sich im weiteren Absacken der Lohnquote niederschlagen. Hinzu kommen all die sonstigen Anschläge auf die ohnehin eher rar gefüllte Brieftasche von Otto Normalverbraucher, die ihn mitnichten dazu befähigen werden, sich im nächsten Jahr ausgedehnten Konsumfreuden hinzugeben. Übereinstimmend verorten sämtliche Wirtschaftsinstitute daher auch den nach wie vor einzig denkbaren konjunkturellen Impuls jenseits deutscher Grenzen.

      Glaubt man den Statistiken, scheint zumindest in den Vereinigten Staaten ein beispielloser Aufschwung im Gange. Im zweiten Quartal 2003 ist die US-Wirtschaft um 3,3 und im dritten Quartal sogar um verblüffende 8,2 Prozent gewachsen. Anfang Dezember überstieg der Dow Jones erstmals seit 18 Monaten wieder die 10 000-Punkte-Marke und ist damit nur noch 15 Prozent von seinem Allzeithoch auf den Gipfeln der New-Economy-Illusion entfernt. Die Gewinne amerikanischer Unternehmen sind in diesem Jahr um 30 Prozent gewachsen, die der Finanzhäuser an der Wall Street werden sich sogar verdoppeln.

      Dennoch spricht wenig dafür, daß es sich dabei um den Beginn einer nachhaltigen Erholung handelt. Beispielsweise sollte schon den oberflächlichen Beobachter wundern, weshalb von den erheblich gestiegenen Konsumausgaben – der private Verbrauch ist zwischen Juli und September im Jahresvergleich um 6,4 Prozent nach oben geschnellt – keinerlei Druck auf die Preise ausgeht. Im November sind die Verbraucherpreise sogar um 0.2 Prozentt gesunken. Auch die Arbeitslosenstatistik bleibt seltsam unbeeindruckt vom statistischen Aufschwung. Die Arbeitslosenrate verharrt bei sechs Prozent, wobei die spezifische US-Meßart den realen Wert noch weit stärker beschönigt als die deutsche.

      Was in den USA tatsächlich lodert, ist ein durch niedrige Zinsen, üppige Steuergeschenke und hohe Staatsausgaben angefachtes, auf sehr wenige Sektoren beschränktes Strohfeuer, an dem auch nur eine Minorität der Haushalte Anteil hat. Beispielsweise gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Steuergutschriften im Wert von über 14 Milliarden Dollar, die zwischen Juli und September vor allem Begünstigte der oberen Einkommensklasse erhielten, und dem plötzlichen Boom der Konsumausgaben. Und folgerichtig bezogen sich diese in erster Linie auf Güter des gehobenen und des Luxusbedarfs. So herrscht in den Verkaufsräumen der Porsche-Händler heute wieder Gedränge; allein zwischen Juli und September wurden 60 Prozent mehr Autos dieser Marke verkauft als im gleichen Vorjahreszeitraum.

      Daß der Index des Verbrauchervertrauens im Dezember von 93,7 auf 89,6 Punkte einbrach, steht nicht im Widerspruch zu den boomenden Inseln der Reichen, sondern ist einfach die Kehrseite der Medaille. Genau in dieser Kombination liegt die Zauberformel, aus der sich das inflationsfreie US-Wachstum speist. Denn ein Porsche, ein Armani-Anzug oder eine Rolex-Uhr haben faktisch kein Gewicht im allgemeinen Verbraucherpreisindex. Der Durchschnittskonsument dagegen ist unverändert hoch verschuldet und gibt im Schnitt 15 Prozent seines Einkommen allein zur Bedienung seiner Schulden aus. Auch die realen Profite boomen vor allem im Luxussegment, bei einigen Dienstleistungen und in der Finanzbranche, während andere Unternehmen mit zweifelhaften Methoden mitzuhalten suchen. So liegen nach einer Rechnung von S&P die von US-Konzernen bis Mitte November publizierten »operativen Gewinne« um etwa 22 Prozent über den bei der Wertpapieraufsicht SEC eingereichten tatsächlichen Erträgen. Der Telefonkonzern Sprint etwa schließt einfach den Wertverfall von Telekominvestitionen vom operativen Ergebnis aus und verwandelt so einen Quartalsverlust von 48 Cent je Aktie in einen Quartalsgewinn von 38 Cent.

      Weitere Impulse fürs statistische Wachstum gehen direkt vom Staat aus. So waren im zweiten Quartal 2003 die öffentlichen Ausgaben um 7,5 Prozent und die Rüstungsausgaben sogar um 44,1 Prozent gewachsen, ein seit dem Korea-Krieg einmaliger Sprung. Insgesamt hat die US-Regierung in den vergangenen zwei Jahren ein Konjunkturprogramm von fast fünf Prozent des BIP aufgelegt, das allerdings ein US-Haushaltsdefizit in gleicher Höhe nach sich zog. Seine Finanziers sitzen überwiegend im Ausland, denn dem Riesenloch in den öffentlichen Kassen steht ein nicht weniger großes in der US-Leistungsbilanz gegenüber. Jeden Tag brauchen die USA willige Kreditgeber über 1,5 Milliarden Dollar, um diesen Negativsaldo auszugleichen.

      Und genau hier hängt das Damoklesschwert, das den neuen luftigen US-Boom ebenso abrupt beenden kann, wie er begonnen hat. »Wenn 2004 die Fiskalimpulse der Regierung auslaufen, Anleger mangels neuer Wachstumschancen weniger in den Dollarraum investieren und Asien nicht mehr wie bisher gegen den Dollarverfall interveniert, droht die amerikanische Verschuldung zur größten Finanzkrise seit dem zweiten Weltkrieg auszuufern«, sorgte sich dieser Tage auch das Handelsblatt.

      Einer zumindest muß sich zunächst nicht sorgen. Bill Gates besitzt dank des »Aufschwungs« à la Bush drei Milliarden Dollar mehr als noch vor einem Jahr. Die Wahrscheinlichkeit freilich, daß er damit die Nachfrage nach deutschen Exporten ankurbelt, ist eher gering.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-20/008.php
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 21:05:29
      Beitrag Nr. 1.138 ()
      Inland
      Hans Peter

      Vorwärts Richtung Armut

      Die Crash-Politik von Bundesregierung und Opposition und ihre Folgen
      :mad: :mad: :confused:

      (K:Artikel 12 des Grundgesetztes sollte unseren Politikern
      nicht fremd sein.(Berufsfreiheit;Verbot der Zwangsarbeit) Wie heißt es dort:. (1)Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
      (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
      (3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

      ( Die Grundrechte der Menschen im Grundgesetz sollte sie umändern in Grundrechte des Kapitals , damit das Bedruckte wenigstens auch der Wahrheit entspricht.
      Z.B
      +Die Würde des Kapitals ist unantastbar.Sie zu achten und zu schützen ist Verpfichtung aller staatlichen Gewalt.
      + Das Kapital hat Recht auf freie Entfaltung.
      + Kapital jeglicher Herkunft ist vor dem Gesetz gleich.
      + Das Kapital genießt uneingeschränkte Versammlungsfreiheit
      + Kapital genießt Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.u.s.w ....)


      Mit der gestrigen Schlußrunde in Bundestag und Bundesrat sind die Folgen absehbar, die die Gesetzgebung von SPD und Grünen mit schwarz-gelber Hilfe in nächster Zeit anrichten wird. Verarmung in Größenordnungen und Zerstörung sozialer Sicherungen vor allem für diejenigen Teile der Bevölkerung, die ohnehin schon am sozialen Rand leben, werden die Folge sein. Die soziale Polarisierung – abstoßender Luxus in den oberen Etagen, offene soziale Not am expandierenden unteren Rand – wird zunehmen.

      Der Kündigungsschutz wird künftig nach DGB-Schätzung für mehr als 5,3 Millionen Menschen ausgehebelt. Schon bisher waren Betriebe mit weniger als fünf Beschäftigten vom gesetzlichen Kündigungsschutz ausgenommen. Das betraf ca. 2,8 Millionen Menschen. Jetzt gilt der Kündigungsschutz für Neueingestellte nur noch, wenn sie in einem Betrieb mit mehr als zehn Beschäftigten arbeiten.

      Der Bezug von Arbeitslosengeld wird drastisch verkürzt. Bisher galt: Wer 24 Monate Beschäftigungszeit nachweisen konnte, hatte Anspruch auf zwölf Monate Arbeitslosengeld. Wer über 45 Jahre alt war, dessen Anspruch stieg auf maximal 32 Monate (ab einem Alter von 57 Jahren und 64 Monaten nachgewiesener Beschäftigungszeit vor Beginn der Arbeitslosigkeit). Diese Anhebung für ältere Arbeitslose fällt ab 1.1.2006 fast ersatzlos weg. Die maximale Bezugszeit von Arbeitslosengeld beträgt dann nur noch 18 Monate – für Personen über 55 Jahre. Für alle anderen gilt: Maximal ein Jahr lang gibt’s Arbeitslosengeld, dann folgt der tiefe Fall. Da die Aussicht auf einen neuen Job bei Arbeitslosen über 50 Jahren heute ohnehin bei fast Null liegt, bedeutet diese Neuerung das Wiederaufkommen von Altersarmut.

      Vor allem Beschäftigte mit Saisonjobs (in der Landwirtschaft, im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Taxigewerbe, aber auch in vielen Bereichen der Nahrungsmittelindustrie und auf dem Bau) werden ab 1.1.2004 häufig gar keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr haben, weil sie die verlangte Beschäftigungszeit vor Beginn der Arbeitslosigkeit nicht mehr erreichen. Ab 1.1.2004 gilt nämlich: Mindestens zwölf Monate versicherungspflichtige Beschäftigung müssen in den zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit nachgewiesen werden. Eine zweite große Gruppe der Ausgegrenzten sind Personen ohne deutschen Paß. Migranten und Flüchtlinge werden zusätzlich zu ihrer ohnehin massiven Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt von zahlreichen Leistungsansprüchen ausgeschlossen, vor allem im Bereich Qualifizierung.

      Für alle sogenannten »Langzeitarbeitslosen« – also Personen, deren regulärer Arbeitslosengeldbezug abgelaufen ist – gibt es ab 1.1.2005 »Arbeitslosengeld II«. Sie fallen faktisch auf Sozialhilfe zurück. Zwischen fünf und sechs Millionen Menschen – die bisherigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe sowie alle als »erwerbsfähig« eingestuften Sozialhilfebezieher – werden dann mit 345 Euro im Monat (West) oder 331 Euro (Ost) – plus eventuell Wohngeld – über die Runden kommen müssen. Armut und Überschuldung werden sich enorm ausbreiten.

      Gleichzeitig sind die Anrechnungsvorschriften für »Partnereinkommen« verschärft worden. Hier hatte die Koalition schon nach der letzten Bundestagswahl die Vorschriften verschärft, mit der Folge, daß vor allem Frauen, die arbeitslos wurden, mit Verweis auf das Einkommen ihres Partners hunderttausendfach keine Arbeitslosenhilfe mehr bekamen. Ab 1.1.2005 gilt nun: Bei Paaren – verheiratet oder nicht – besteht nur dann Anspruch auf Arbeitslosengeld II, wenn das Einkommen des Partners bzw. der Lebensgemeinschaft unterhalb der Sozialhilfe liegt. Alles darüber hinausgehende Einkommen wird vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Zahllose Frauen werden durch diese Regelung nach Ablauf ihres regulären Arbeitslosengelds finanziell völlig auf ihren Partner angewiesen sein. So stellt die Bundesregierung die von konservativer Seite sattsam bekannte angeblich »natürliche Ordnung der Geschlechter« auf dem Umweg über das Arbeitslosenrecht wieder her.

      Für alle Bezieher von Arbeitslosengeld II hat der Vermittlungsausschuß auch die Zumutbarkeitsschranken, die einige Kritiker von SPD und Grünen im Bundestag mühsam aufgebaut hatten, wieder abgeräumt. Künftig sind alle Jobs zumutbar, die nicht unter die Strafvorschriften für »Lohnwucher« und für »sittenwidrige Arbeit« fallen. Dem organisierten Bruch von Tarifverträgen wird durch diese neue Regelung Tür und Tor geöffnet. Noch nicht einmal der »ortsübliche« Lohn muß gezahlt werden. Lohndumping in jeder Form soll durch diese Neuregelung jetzt möglich werden. Das von »Arbeitgebern«, CDU/CSU und FDP offen zugegebene, von SPD und Grünen nur klammheimlich eingeräumte Ziel dieser Regelung ist der Aufbau eines großen Niedriglohnsektors, also von Jobs, von deren Bezahlung kein menschenwürdiges Leben möglich ist, für mehrere Millionen Menschen.

      Um diesem Niedriglohnsektor auch praktisch mit gesetzlicher und behördlicher Gewalt zum Durchbruch zu helfen, hat die Union zusätzlich die von Koch und Konsorten verlangte »kommunale Option« bei der Arbeitslosenverwaltung durchgesetzt. Städte und Kreise können künftig, wenn sie wollen, bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen, die »Betreuung von Langzeitarbeitslosen« in eigener Regie zu übernehmen. Ein Gesetz, daß diese Übergabe regelt, soll im Frühjahr 2004 vorgelegt und verabschiedet werden.

      Faktisch wirksam werden dürfte diese »kommunale Option« zunächst vermutlich in Kreisen und Städten im Westen und Süden. Um Langzeitarbeitslose massenhaft in Billigjobs drücken zu können, muß nämlich auch eine entsprechende »Nachfrage« vor Ort vorhanden sein. Dort, wo z. B. ein großer Konzern oder viele kleine Unternehmen solche Billigstkräfte demnächst in genügend großer Zahl suchen, soll nicht nur das Arbeitsamt, sondern auch die Stadt bzw. der Kreis die Bezieher von Arbeitslosengeld II zur Annahme solcher Jobs zwingen können. Die »Kommunaloption« erweitert also faktisch die Druckmöglichkeiten auf die Arbeitslosen, falls das örtliche Arbeitsamt nicht genügend im Sinne der Unternehmen bzw. von Koch und seinen politischen Freunden spurt. Eine Zerstörung aller sozialen und tariflichen Standards wird die Folge sein.

      Die millionenfache Ausbreitung von Billigstjobs, mit deren Lohn nicht menschenwürdig zu leben ist, die Ausbreitung von »Hire and fire«-Regelungen im Kündigungsschutz für mehr als fünf Millionen Beschäftigte und der Ausschluß von großen Gruppen prekär Beschäftigter vom Versicherungsschutz gegen Arbeitslosigkeit – das sind die drei großen sozialen Katastrophen, die Bundestag und Bundesrat am Freitag vorbereitet haben.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-20/011.php
      Avatar
      schrieb am 19.12.03 21:08:43
      Beitrag Nr. 1.139 ()
      Feuilleton
      Jürgen Meier

      Schule des Lächelns

      Steuermillionen für Unternehmensberater: Proletarier aller Länder, beugt euch der staatstragenden »Philosophie« des Roland Berger


      Für 165,6 Millionen Euro wird sich das Unternehmen Bundeswehr im kommenden Jahr extern beraten lassen. Gestritten wird dieser Tage darüber, ob eine »handelsüblich« mit einer Million Euro vergütete Folgeleistung des »Gurus der deutschen Management Consultants« (L’Expansion), Roland Berger, hätte ausgeschrieben werden müssen. Den Sinn solcher Beratungen aber stellt niemand in Frage. »Problematisch sind nicht Beraterverträge«, hieß es am Freitag etwa auf Seite eins der taz.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-20/019.php
      Avatar
      schrieb am 20.12.03 18:43:40
      Beitrag Nr. 1.140 ()
      #1132

      Die Wirtschaftswoche kürte die Chefin der Citibank, Christine Licci, zur „Managerin des Jahres

      sehr interessant der Bericht von #1132
      ich hab sowas schon fast vermutet
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 16:01:25
      Beitrag Nr. 1.141 ()
      Steuerquote bei Arbeitnehmern 2004: kein nennenswerter Rückgang

      Nachdem sich die Politiker letzte Woche auf eine abgespeckte Steuerreform geeinigt haben, die immerhin noch eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer für 2004 sowohl im Vergleich zu 2003 als auch im Vergleich zur ursprünglichen Planung für 2004 ergeben hat, machte sich vielfach eine Hoffnung auf eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote bei Arbeitnehmern breit. Leider ist diese Hoffnung aber ein Trugschluß: eine wesentliche Änderung ist nicht eingetreten. Es gibt nur eine Illusion (durch eine etwas höhere Nettoauszahlung), aber nicht tatsächlich mehr verfügbares Geld im Portemonnaie. Wir werden also wiedermal belogen. Aber sehen Sie selbst:

      Die folgende Modellrechnung, die heute auf der Zingelseite neu erschienen ist, berücksichtigt anders als vergleichbare Rechenmodelle, nicht nur die direkten Steuern und Zwangssozialversicherungen des Arbeitnehmers, sondern bezieht auch den Arbeitgeberanteil in die Berechnung mit ein, und macht schließlich (vereinfachende) Annahmen über indirekte Steuern und Abgaben. Das Ergebnis ist erschreckend:

      Brutto-Monatsgehalt: 2.000,00 €
      ./. Lohnsteuer (Tabelle 2004): 266,63 €
      ./. Solidaritätszuschlag 5,5%: 14,66 €
      ./. AN-RV (BfA) 19,5%: 195,00 €
      ./. AN-KV (z.B. AOK) 14,8%: 148,00 €
      ./. AN-ALV 6,5%: 65,00 €
      ./. AN-PV 1,7%: 17,00 €
      = Netto-Auszahlung: 1.293,71 €
      ./. Praxisgebühren (monatlich): 3,33 €
      ./. Sonst. Gesundheitskosten: 20,00 €
      ./. Kfz-Steuer (Schätzung): 30,00 €
      ./. Kfz-Versicherung (Schätzung): 60,00 €
      = Netto minus direkte Abzüge: 1.180,38 €
      ./. USt. (MWSt.) 16% auf 75% der Ausgaben: 122,11 €
      ./. USt. (MWSt.) 7% auf 25% der Ausgaben: 19,31 €
      ./. Benzinsteuer 0,7210 €/Liter, 80 Liter Verbrauch: 57,68 €
      ./. Verbrauchssteuer (Schätzung): 100,00 €
      ./. AfA Auto 4 Jahre Nutzung, 8.000 € Neuwert: 166,67 €
      = Verwertbares Realeinkommen: 714,62 €
      = Brutto-Abgabenquote: 64,27%
      Berufsgenossenschaft 10%: 200,00 €
      = AG-SV inkl. BG: 625,00 €
      = Gesamter Personalaufwand: 2.625,00 €
      = Real-Abgabenquote: 72,78%


      Wohin das führt, haben wir vor einiger Zeit schon untersucht. In diesem Zusammenhang genügt die Anmerkung, daß Deutschland sich tatsächlich bewegt: von einer Real-Abgabenquote von 72,61% in der vergleichbaren Rechnung für 2003 auf nunmehr 72,78% in 2004. Das ist wahrlich eine durchgreifende Steuerreform, eine tiefgreifende Entlastung des Arbeitnehmers, von der wir eine sprunghaft ansteigende Ausgabefreudigkeit in den letzten Tagen vor Weihnachten, eine deutliche konjunkturelle Erholung im kommenden Jahr und eine spürbare Entlastung auf den Arbeitsmarkt erwarten können. Und natürlich ist Schwarzarbeit durch diese großartige Neuerung nicht mehr attraktiv... ich bedanke mich also bei den Politikern, die für ihr bekanntermaßen mageres Entgelt sich zu einer so großzügegen Geste durchringen konnten!

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 16:19:28
      Beitrag Nr. 1.142 ()
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 16:26:06
      Beitrag Nr. 1.143 ()
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 16:27:59
      Beitrag Nr. 1.144 ()
      Wie die Kolonisation der Amerikas legitimiert werden soll
      Ein Interview mit Evo Morales

      von Evo Morales und Ben Dangl
      ZNet 26.11.2003

      ZNet > Lateinamerika > Bolivien Das Interview ist einem Monat nach dem bolivianischen Gaskrieg geführt worden, einer massiven sozialen Erhebung gegen den Vorschlag, das Gas der Nation über einen chilenischen Hafen in die USA zu exportieren. Bolivien besitzt die zweit größten Erdgasvorkommen in Lateinamerika. Viele DemonstrantInnen forderten, die Ressourcen zu nationalisieren, um die Gewinnen den bedürftigsten Teilen der bolivianischen Gesellschaft zugute kommen zu lassen, anstatt diese Reserven für eine geringe Summe an die USA zu verkaufen.

      Am 17. Oktober verließ Ex- Präsident Sánchez de Lozada das Land, nachdem nahezu alle Protestierenden seinen Rücktritt gefordert hatten, und der frühere Vizepräsident, Carlos Mesa, übernahm das Amt gemäß den Vorschriften der bolivianischen Verfassung. Alle Gasexportpläne sind auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Die OppositionsführerInnen wie Evo Morales haben ihre Unterstützung für Mesa zum Ausdruck gebracht, aber gleichzeitig die zukünftige Unterstützung von der Umsetzung der oppositionellen Forderungen abhängig gemacht.

      Obgleich Evo Morales Beteiligung am Gaskrieg wohl bekannt ist, war er auch zuvor schon über Jahre ein aktiver Führer in der Politik, in Gruppen der Kokabauern und in sozialen Bewegungen in Bolivien. Er ist Kongressabgeordneter, Vorsitzender der Partei Bewegung zum Sozialismus (MAS) und Führer der Kokabauern in Chapare, einer tropischen Region in Bolivien, wo ein Großteil des Koka angebaut wird. In den Augen der U.S. Regierung war er immer wieder ein zentraler Anlass für strittige Debatten, da er einen großen Teil der Kokabauern des Landes vertritt. Morales landete bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2002 auf dem zweiten Platz, 1,5 Prozentpunkte hinter Sánchez de Lozada.

      In diesem Interview spricht er über die Gasfrage, die Kokaproduktion in Chapare, den U.S. Einfluss in Bolivien, Mesas Präsidentschaft und das FTAA- Abkommen (FTAA = Free Trade Area of the Americas = Panamerikanische Freihandelszone).

      BD: Auf dem hispano- amerikanischen Gipfel in Santa Cruz, Bolivien, hast du jüngst mit Lula da Silva, Brasiliens Präsident, geredet. Wie verlief die Unterhaltung und was habt ihr besprochen?

      EM: Unser Hauptthema war, wie wir ein politisches Instrument für die Befreiung und Einheit Lateinamerikas entwickeln können, insbesondere mit Blick auf Erdgas-, Ölvorkommen und andere natürliche Ressourcen. Der Staat sollte verantwortlich für die Ausbeutung, die Industrialisierung sowie die Kommerzialisierung der Naturschätze zuständig sein. Dies könnte eine Lösung für die Wirtschaften unserer Staaten sein, aber unterdessen werden diese Schätze von den transnationalen Konzernen gestohlen. Wir sind in Bolivien davon überzeugt, dass das Gas unser Eigentum ist und dass wir es verteidigen müssen.

      BD: Einige Personen sagen, dass du der beste Präsidentschaftskandidat seist und dass du über die breiteste Unterstützung verfügtest. Was denkst du über den möglichen Druck der USA, falls du zum Präsident gewählt werden solltest? Der U.S. Botschafter in Bolivien hat bereits verkündet, dass die Vereinigten Staaten ihre finanziellen Hilfen für Bolivien einstellten, wenn mensch dich zum bolivianischen Präsidenten wählen würde.

      EM: Nach mehr als 500 Jahren sind wir, die Quechuas und die Aymara, immer noch die rechtmäßigen EigentümerInnen dieses Landes. Wir, die indigenen Völker, übernehmen nach 500 Jahren des Widerstandes wieder die Macht. Diese Machtübernahme orientiert sich an der Regeneration (Erholung) unserer eigenen Reichtümer, unserer eigenen natürlichen Ressourcen wie den Erdgas- und Ölvorkommen. Dies berührt die Interessen der transnationalen Konzerne und die Interessen des neoliberalen Systems. Aber nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass die Macht des Volkes zunimmt und gestärkt wird. Die Macht, Präsidenten sowie Wirtschafts- und Politikmodelle auszutauschen. Wir sind der Überzeugung, dass der Kapitalismus der Feind der Erde, der Menschlichkeit und der Kultur ist. Die U.S. Regierung versteht unsere Lebensart und unsere Philosophie einfach nicht. Aber wir werden unsere Vorschläge, unsere Lebensweise und unsere Forderungen mit der Beteiligung der bolivianischen Bevölkerung verteidigen.

      BD: Warum hat Präsident Carlos Mesa die Einschätzung der früheren Administrationen übernommen, nach der die Kokaanpflanzungen zerstört werden müssen.

      EM: Mesa ist lediglich ein Teil des neoliberalen Systems, Teil des Wirtschaftsmodells. Und die USA haben ihre Haltung zu den Vernichtungsprogrammen der Kokapflanzungen nicht geändert [...] und sie üben politischen Druck auf die bolivianische Regierung aus. Es gibt selbst in den letzten Tagen ständig Aggressionen der U.S. Regierung und ich bin mir nicht sicher, ob sie damit Mesas Präsidentschaft beenden oder einen sozialen Zusammenbruch im Land heraufbeschwören wollen.

      BD: Sind in Chapare U.S. Truppen stationiert?

      EM: Ja, es befinden sich in Chapare bewaffnete Truppen. Es gab auch bereits Auseinandersetzungen [...] zwischen U.S. SoldatInnen einerseits und Quechua und Aymara sowie anderen indigenen Gruppen, die Widerstand leisten, andererseits. Unserer Auffassung nach entspricht die Stationierung nicht der Verfassung und ist somit illegal.

      BD: Wie hoch ist der Prozentsatz des in Chapare angebauten Kokas, das für die Kokainproduktion verwendet wird?

      EM: Das ist schwierig zu sagen, denn es existiert im Moment sowohl ein illegaler als auch ein legaler Kokainmarkt. Den Kokaanbau zu bestrafen, ist ein Fehler, weil das Objekt keine Verbrechen begeht; das Objekt sollte nicht bestraft werden sondern das Subjekt.

      BD: Sind alternative Entwicklungen in Chapare erfolgreich gewesen?

      EM: Wir haben niemals alternative Projekte zu Gesicht bekommen. Eine Alternative zu Koka? Unmöglich. Unglücklicherweise sind alternative Entwicklungen und der Kampf gegen den Drogenkrieg beides Teufelskreisläufe. Eine U.S. Behörde behauptet: „Die Vernichtungskampagne war in diesem Jahr sehr erfolgreich.“ Eine andere wiederum sagt das Gegenteil. Auf diese Weise rechtfertigen sie beide ihre Arbeit und werden weiterhin erhalten. Der Kampf gegen den Drogenhandel ist ein Teufelskreislauf, weil es letztendlich keinen Kampf gegen den Drogenhandel gibt, er ist lediglich ein Vorwand für die U.S. Regierung. Drogen sind die Entschuldigung der USA für ihren Macht- und Kontrollzuwachs in anderen Staaten.

      BD: Wie lange wird Mesa Präsident bleiben?

      EM: Es ist nicht einfach, eine Voraussage zu machen. Wir haben ihm Zeit gegeben und wir sind uns im klaren darüber, dass ein Monat nicht ausreicht, um ein politisches Modell zu ändern. Er braucht Zeit und wir geben sie ihm. Eine Menge wird von einigen deutlichen Zeichen abhängen, die uns erkennen lassen, dass er einen Umbau des Wirtschafts- und Politiksystems wagt. Einiges hängt von ihm ab.

      BD: Das Abkommen über die panamerikanische Freihandelszone ist kürzlich in Miami diskutiert worden. Kann dieses Abkommen überhaupt mit allen lateinamerikanischen Staaten funktionieren oder muss es abgelehnt werden?

      EM: Welches sind die Ursachen für die Konflikte in Lateinamerika? Neoliberalismus und die Politik des freien Marktes. Die FTAA ist die Radikalisierung des angewandten Neoliberalismus. Und der Neoliberalismus ist deshalb der Grund für die sozialen Konflikte, weil durch ihn die Aktivitäten der lateinamerikanischen Präsidenten kontrolliert werden. Was für Handelsabkommen auch zwischen Staaten beschlossen werden, sie müssen immer gerecht und fair sein. Das Abkommen über die FTAA ist das Gesetz des Dschungels: nur der Stärkste überlebt. Warum also sollten wir der Umsetzung dieses Abkommens zustimmen? Aus der Sicht der hiesigen indigenen Bevölkerung wird mit der FTAA die Kolonisation der Amerikas legalisiert (als rechtens erklärt).

      http://www.zmag.de/artikel.php?id=948
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 19:41:40
      Beitrag Nr. 1.145 ()
      Japan lebt stärker denn je auf Pump

      Ein Budgetentwurf mit rekordhoher Neuverschuldung

      .....
      So dürften Japans Schulden im kommenden Finanzjahr bereits auf 143,6% des Bruttoinlandprodukts klettern, was einem unrühmlichen Spitzenwert unter den Industrienationen gleichkommt. Dabei scheinen die amtlichen Statistiken das Problem eher noch zu unterschätzen; die OECD schätzt die entsprechende Quote per Ende kommenden Jahres jedenfalls auf 161,2%.
      .....

      Komplett hier lang:

      http://www.nzz.ch/2003/12/22/wi/page-article9B2ZO.html

      -------------

      Korea: Problem Privatverschuldung

      Die Verschuldung privater koreanischer Kreditnehmer ist im September auf ein neues Allzeit-Hoch von 472 Billionen Won (395 Milliarden Dollar) angestiegen. Dies gab heute die Bank of Korea bekannt.

      Das Verhältnis Privatvermögen zu Privatschulden schrumpfte dabei weiter von 2,44 Ende 2001 auf 2,07. Damit sind die Koreaner im Verhältnis zu ihren Finanzmitteln stärker verschuldet als die Bürger der Vereinigten Staaten (3,45) oder Japans (3,97). Noch problematischer: Die finanziellen Mittel steigen bei weitem nicht so schnell an wie die Verschuldung.

      Die koreanische Privatkreditmisere hat bereits einige Banken und Kreditkartenfirmen wie das angeschlagene Unternehmen LG Card in Mitleidenschaft gezogen.

      © BörseGo, http://www.finanznachrichten.de/nachrichten/artikel-2853449.…
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      Es "klemmt" schlicht überall:

      Horrorschulden und Bilanztricks - Borussia Dortmund vor dem Finanzcrash

      Ja, wo sind sie denn versteckt, die Millionen? Wie BVB-Präsident Gerd Niebaum den Traditionsverein in eine katastrophale Geschäftslage manövriert hat.

      Am Mittwoch wussten in Dortmund nur wenige Eingeweihte, wie Matthias Sammers düstere Andeutungen zu verstehen waren. „Wir sind in der schwierigsten Situation, seit ich in Dortmund bin – und das ist seit Januar 1993“, hatte der BVB-Trainer orakelt. Inzwischen ist durchgesickert, dass Borussia Dortmund – nach Eigendarstellung einer der finanzstärksten Klubs Europas – dringend eine neue Geldspritze braucht. Manager Michael Meier bereitet nach Informationen aus Branchenkreisen mit dem amerikanisch-englischen Investmenthaus Schechter & Co. eine Anleihe in Höhe von 80 bis 100 Millionen Euro nach dem Vorbild von Schalke 04 vor. Zur Absicherung des Deals würden Dortmunds Zuschauereinnahmen für die nächsten zwölf Jahre verpfändet.
      .....

      Komplett hier lang:

      http://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga/artikel/939/2391…

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      "Schönes" Beispiel für die so oft zitierte "Inflation":

      Frankreichs Notenbank - Inflationsrate höher als erwartet

      Paris, 22. Dez (Reuters) - Frankreichs Inflationsrate liegt nach Einschätzung der französischen Notenbank in diesem Jahr über dem Durchschnitt der Euro-Zone, weil auch die Tabaksteuererhöhungen auf die Preisentwicklung durchgeschlagen hätten.
      In dem am Montag veröffentlichten Monatsbericht hieß es, auch in den kommenden Monaten werde die Preisentwicklung durch steigende indirekte Steuern belastet. Die Verbraucherpreise waren im November im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Prozent gestiegen. Der Durchschnitt der Länder der Euro-Zone liegt bei 2,2 Prozent.

      Steuererhöhungen hätten den Preis von Tabakwaren im Januar um 10,8 und weitere 17,5 Prozent im Oktober ansteigen lassen, erklärte die Notenbank. Die zweite Preiserhöhung habe laut Berechnungen der statistischen Behörde Insee zu einer Inflationssteigerung von 0,6 Prozentpunkten geführt.

      Möglicherweise werde die Inflationsrate durch die für Januar beschlossene dritte Erhöhung der Tabaksteuer noch weiter ansteigen. "Erhöhungen der indirekten Steuern werden die Inflation wahrscheinlich auch in den kommenden Monaten stark beeinflussen", erklärte die Bank von Frankreich.

      War da nicht letztens was ? Strom/Gassteuer, Ökosteuer, Versicherungssteuer usw. und aktuell, "Subventionsstreichungen" .....

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      Poststalinistische Agenda

      China. Auch die chinesische Staatsbürokratie hat ihre Agenda 2010. Soziale Garantien wie verbilligte Wohnungen, Kranken- und Rentenversorgung werden sukzessive aufgekündigt, die meisten Bereiche der Wirtschaft werden rigoros privatisiert. Durch die Kapitalisierung der landwirtschaftlichen Produktion sind in den letzten 15 Jahren etwa 150 Millionen Bauern proletarisiert worden. Diese vom IWF begrüßte Politik stößt auf Widerstand, immer wieder kommt es zu Demonstrationen, Streiks und Aufständen der existenziell bedrohten Arbeiter der Staatsbetriebe und der Mingong, der deklassierten Wanderarbeiter, die auf der Suche nach Käufern für ihre Arbeitskraft in die Städte drängen. In der zentralchinesischen Stadt Xiangfan blockierten Zehntausende Arbeiter einer staatlichen Fabrik für zwei Tage Straßen und Eisenbahnstrecken, um gegen die Privatisierung einer Automobilfabrik und die damit verbundenen Entlassungen zu protestieren.

      Auch jenen, die sich für die Gründung einer Ich-AG entscheiden, macht die Bürokratie das Leben nicht leicht. In Dazhou sind seit Ende November mehr als tausend Taxifahrer im Streik. Sie protestieren gegen die behördliche Entscheidung, die alten Lizenzen einzuziehen und neue zu einem höheren Preis zu versteigern. 15 »Rädelsführer« des Taxifahrerstreiks wurden festgenommen.

      http://www.jungle-world.com/seiten/2003/51/2263.php

      ------------------

      In diesem Zusammenhang (IWF) möchte ich noch erwähnen das "Die Schatten der Globalisierung" von Joseph Stiglitz jetzt auch schon mal als *pdf vorliegt. Wer es also noch nicht gelesen hat, und über Weihnachten nicht weiß was er tun soll , kann es sich HIER runterladen ! Ist zwar noch nicht ganz vollständig, aber das Wichtigste ist gesagt !

      -------------------------

      Na hoppala:

      Münchener Rück stellt Garantiezins bei Lebenspolicen in Frage

      München (dpa) - Die Münchener Rück stellt die klassische Kapitallebensversicherung mit festen Garantien für die Kunden auf den Prüfstand. "Wir müssen unser Modell anpassen. So wie bisher kann es nicht weitergehen" sagte der künftige Konzernchef Nikolaus von Bomhard der "Financial Times Deutschland" (Montagausgabe). Die Verteilung von Risiko und Gewinnchance stimme nicht mehr. "Das Risiko liegt fast vollständig beim Aktionär." Der Münchener-Rück-Konzern besitzt mit der Ergo den zweitgrößten Erstversicherer in Deutschland.
      .....
      Bei klassischen Lebensversicherungspolicen garantieren die Versicherer ihren Kunden einen Rechnungszins für die volle Laufzeit des Vertrags. Der Mindestzins beträgt zurzeit 3,25 Prozent und ab Januar 2,75 Prozent. Zudem zahlen sie eine Überschussbeteiligung. Die Börsenkrise hat viele Lebensversicherer in Schwierigkeiten gebracht. "Wie die Anpassung der Lebensversicherungsprodukte aussieht, können wir noch nicht sagen", sagte Bomhard.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…

      Der ist doch erst kürzlich herab gesetzt worden. Offensichtlich noch nicht genug. Scheint doch nicht so gut zu laufen.
      -----------------

      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 19:56:08
      Beitrag Nr. 1.146 ()
      Fortssetzung von

      "Die Schatten der Globalisierung" von Joseph Stiglitz.



      Eingefügt am 20.12.03

      UNFAIRE HANDELSGESETZE UND ANDERE MISSSTÄNDE

      Der IWF ist eine politische Institution. Das Beistandspaket von 1998 war von dem Wunsch diktiert, Jelzin an der Macht zu halten, auch wenn es nach allen Prinzipien, an denen sich die Kreditvergabe hätte orientieren sollen, wenig sinnvoll war. Die stillschweigende Hinnahme, um nicht zu sagen offene Unterstützung für das korrupte loans-for-share-Privatisierungsprogramm, ging auch davon aus, dass die Korruption für etwas gut war - die Wiederwahl Jelzins zu sichern. Die IWF-Politik auf diesen Gebieten war untrennbar mit den politischen Positionen des US-Finanzministeriums verknüpft. Innerhalb der Clinton-Administration gab es in der Tat Bedenken gegen die Strategie des Finanzministeriums. Nach der Niederlage der Reformer im Dezember 1993 artikulierte Strobe Talbott, der spätere stellvertretende Außenminister, die weit verbreiteten Vorbehalte gegen die Strategie der Schocktherapie: dass der Schock zu heftig und der therapeutische Nutzen zu gering ausfallen könnte. Wir vom Sachverständigenrat waren eindeutig der Meinung, dass die USA Russland in die falsche Richtung schickten. Aber das US-Finanzministerium erklärte die russische Wirtschaftspolitik zu seiner Domäne, wandte sich gegen alle Versuche, einen offenen Dialog innerhalb oder außerhalb der Regierung zu führen, und hielt stur an seiner Empfehlung einer Schocktherapie und einer zügigen Privatisierung fest. Die Einstellung der Verantwortlichen beim US-Finanzminister war ebenso politisch wie ökonomisch motiviert. Sie waren besorgt über die drohende Gefahr eines Rückfalls in den Kommunismus. Die sanften Reformer dagegen waren beunruhigt, die Schocktherapie könne misslingen: Wachsende Armut und sinkende Einkommen würden die marktwirtschaftlichen Reformen untergraben. Auch hier sollten die Befürworter einer sanften Reform Recht behalten.
      .....
      Als die Probleme der Reformstrategie und die Schwächen der Regierung Jelzin mit der Zeit deutlicher wurden, reagierten die Verantwortlichen beim IWF und US-Finanzministerium ähnlich wie ehedem US-Regierungsvertreter, als sich die Niederlage im Vietnamkrieg immer deutlicher abzeichnete: Sie ignorierten die Tatsachen, sie leugneten die Wirklichkeit, sie unterdrückten jegliche Diskussion und sie vergeudeten immer mehr Geld für eine verlorene Sache.
      .....
      Als sich die Erfolgsaussichten immer mehr verdüsterten, als die Krise unabwendbar zu sein schien, änderte sich die Rhetorik: Statt des Vertrauens in Jelzin wurde jetzt die Gefahr einer unwägbaren Alternative in den Vordergrund gestellt.
      .....
      Die Angst war förmlich mit Händen zu greifen. Eines Tages bekam ich einen Anruf von einem hochrangigen Berater der russischen Regierung. Er wollte eine Expertenrunde organisieren, die Strategien formulieren sollte, wie die russische Wirtschaft nachhaltig angekurbelt werden könnte. Das beste Rezept, das der IWF während seiner jahrelangen Beratungstätigkeit offerieren konnte, war Stabilisierung; bei Wachstumsstrategien dagegen stand er mit leeren Händen da. Und es war klar, dass Stabilisierung - zumindest so, wie sie der IWF verstand - das Wachstum nicht fördern würde. Als der IWF und das US-Finanzministerium Wind von der beabsichtigten Expertenrunde bekamen, wurden sie sofort aktiv. Finanzminister Rubin rief den Präsidenten der Weltbank an, und ich wurde angewiesen, nicht an der Runde teilzunehmen. Doch obgleich das US-Finanzministerium die Weltbank oft als seinen Erfüllungsgehilfen betrachtet, können andere Länder, wenn sie sich eng miteinander abstimmen, selbst den US-Finanzminister austricksen. Und so geschah es hier: Nach den entsprechenden Anrufen und Briefen aus Russland reiste ich dorthin. Als sich die Fehlschläge immer deutlicher abzeichneten und als immer klarer wurde, dass die USA aufs falsche Pferd gesetzt hatten, versuchten die US-Vertreter noch energischer, jegliche Kritik und öffentliche Diskussion zu verhindern. Das US-Finanzministerium wollte Gespräche zwischen Mitarbeitern der Weltbank und Journalisten unterbinden, um sicherzustellen, dass allein seine Sicht der Dinge Gehör fände. Dabei hielt das Finanzministerium mit bemerkenswerter Beharrlichkeit an seiner Strategie fest, ob- wohl ihm immer mehr handfeste Belege für Korruption vorlagen. Die Korruption war kein Geheimnis gewesen: Es wurde offen darüber gesprochen, ob Jelzins Ministerpräsident, Viktor Tschernomyrdin, während seiner Zeit als Chef von Gasprom, dem staatlichen Gasmonopolisten, eine oder fünf Milliarden Dollar für sich abgezweigt hatte. Auch das Finanzministerium muss von dieser Korruption gewusst haben. Für viele war das erwähnte loans-for-share-Privatisieiungsprogramm - das dazu führte, dass ein paar Oligarchen die Kontrolle über einen Großteil der gewaltigen Rohstoffvorkommen des Landes erlangten - der kritische Punkt, an dem die Vereinigten Staaten deutlich ihre Meinung hätten sagen sollen. In Russland entstand nicht zu Unrecht der Eindruck, die US-Regierung habe sich mit der Korruption verbündet. Als öffentliche Geste der Unterstützung lud der stellvertretende Finanzminister Lawrence Summers den in seiner Heimat verständlicherweise äußerst unpopulären Anatoli Tschubais, der in der russischen Regierung für die Privatisierung zuständig war und den loans-for-share-Betrug eingefädelt hatte, in sein Privathaus ein. Das US-Finanzministerium und der IWF betraten die politische Bühne in Russland. Indem sich die Vereinigten Staaten, der IWF und die internationale Staatengemeinschaft so entschieden mit denjenigen solidarisierten, die am Ruder waren, während gleichzeitig durch die korrupte Privatisierungspraxis eine Ungleichheit gewaltigen Ausmaßes geschaffen wurde, haben sie sich unwiderruflich mit einer Politik verbündet, die bestenfalls die Interessen der Vermögenden auf Kosten des Durchschnittsrussen förderte.

      Als die amerikanischen und europäischen Zeitungen die Korruption schließlich öffentlich bekannt machten, hörte sich die Verurteilung durch das US-Finanzministerium halbherzig und fadenscheinig an. In Wirklichkeit hatte der Leiter der Revisions- stelle der Duma diese Beschuldigungen schon lange, bevor sie in die Schlagzeilen gerieten, in Washington vorgebracht. In der Weltbank wurde mir eindringlich nahe gelegt, mich nicht mit ihm zu treffen, da wir sonst den Eindruck erwecken würden, seinen Anschuldigungen Glauben zu schenken. Wenn das Ausmaß der Korruption unbekannt war, so deshalb, weil sich alle die Augen und Ohren zuhielten.
      .....
      Wirtschaftliche Sonderinteressen in den USA beeinflussen die Politik in einer Weise, die den allgemeinen nationalen Interessen zuwiderläuft und das Land in den Ruch der Heuchelei bringt. Die Vereinigten Staaten unterstützen den Freihandel, doch wenn ein armes Land ein einheimisches Produkt in die USA exportieren möchte, gewinnen protektionistische Interessen allzu oft die Oberhand. Diese inländischen Arbeitsmarkt- und Geschäftsinteressen benutzen die zahlreichen Handelsgesetze, die offiziell unter der Bezeichnung »Gesetze gegen unlautere Handelspraktiken« firmieren, aber im Ausland oft als »Gesetze über unlautere Han- delsbeschränkungen« bezeichnet werden, um unüberwindbare Importschranken zu errichten.

      Unmittelbar nachdem der Preis für Aluminium Anfang 1994 stark gefallen war, ereignete sich der gravierendste Fall der Einmischung von US-Sonderinteressen in Handelsfragen, den ich als Mitglied der US-Regierung miterlebte. Die amerikanischen Aluminiumproduzenten reagierten auf den Preisverfall mit dem Vorwurf, Russland verkaufe Aluminium zu Dumpingpreisen. Jede ökonomische Analyse der Situation belegte zweifelsfrei, dass Russland kein Dumping betrieb.
      .....
      Ich wusste, dass die amerikanische Industrie die Regierung schon bald um Hilfe bitten würde, entweder in Form neuer Subventionen oder neuer protektionistischer Maßnahmen gegen die ausländische Konkurrenz. Doch selbst ich staunte nicht schlecht über den Vorschlag des damaligen Chefs von Alcoa, ein weltweites Aluminiumkartell zu gründen. Er drohte, sich auf US-amerikanische Antidumping-Gesetze zu berufen, um russisches Aluminium so lange vom amerikanischen Markt zu verbannen, bis das Kartell gegründet war.
      .....
      Bei einer turbulent verlaufenden Sitzung hochrangiger US-Ministerialer wurde grünes Licht gegeben für die Gründung eines internationalen Kartells.
      ......
      Reformer innerhalb der russischen Regierung lehnten die Gründung des Kartells entschieden ab und hatten mir ihre Haltung persönlich mitgeteilt. Sie wussten, dass die mengenmäßigen Beschränkungen, die das Kartell verhängen würde, den Ministerien, die unter dem alten Regime eine Schlüsselfunktion innehatten, wieder mehr Macht geben würden.
      .....
      Obgleich es mir gelungen war, fast alle von den Gefahren der Kartelllösung zu überzeugen, gaben zwei Stimmen den Ausschlag. Das US-Außenministerium mit seinen engen Beziehungen zu den altkommunistischen Kaderministerien unterstützte die Gründung eines Kartells. Dem State Department geht Ordnung über alles, und Kartelle schaffen Ordnung. Die dem alten Regime verhafteten Ministerien hatten natürlich von Anfang an nichts von dieser marktwirtschaftlichen Umstellung gehalten, und die Erfahrung mit dem Aluminium bestätigte ihre Auffassung. Rubin, der damals den Nationalen Wirtschaftsrat leitete, spielte eine entscheidende Rolle und stellte sich auf die Seite des State Department. Der "Aluminiumfall" bewies, dass die US-Regierung bei einem Konflikt zwischen Grundsätzen und lautstarken Sonderinteressen letzteren den Vorzug gab.

      Das Aluminiumkartell war weder der erste noch der letzte Fall, bei dem sich Sonderinteressen gegen das nationale und globale Ziel einer erfolgreichen Transformation durchsetzten. In der Zeit des Wechsels von der Bush- zur Clinton-Administration schlössen Russland und die Vereinigten Staaten ein historisches Abrüstungsabkommen. Ein US-Staatsunternehmen, die United States Enrichment Corporation (USEC), sollte russisches Uran aus ausgemusterten Atomsprengköpfen aufkaufen und in die Vereinigten Staaten transportieren. Das Uran sollte abgereichert werden, damit es nicht länger kernwaffentauglich war, und anschließend in Kernkraftwerken verwendet werden. Der Verkauf sollte Russland dringend benötigte Gelder verschaffen, um sein Kernmaterial besser zu kontrollieren. So unglaublich es erscheinen mag, beriefen sich gewisse Kreise ein weiteres Mal auf das Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken. Die amerikanischen Uranproduzenten behaupteten. Russland verkaufe Uran zu Dumpingpreisen auf den US-Märkten.
      .....
      Als der Import von Uran zu Abrüstungszwecken durch die US-Regierung von amerikanischen Uranproduzenten auf der Grundlage des Gesetzes gegen unlautere Handelspraktiken angefochten wurde, zeigte sich, dass dieses Gesetz geändert werden musste. Das Wirtschaftsministerium und der US-Handelsbeauftragte wurden - durch Überzeugungsarbeit auf höchster Ebene - schließlich dazu gebracht, Änderungsanträge zu diesem Gesetz im Kongress einzubringen. Der Kongress lehnte die Änderungsanträge jedoch ab. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das Wirtschaftsministerium und der Handelsbeauftragte die Bemühungen um eine Gesetzesänderung dadurch sabotierten, dass sie den Antrag dem Kongress in einer Weise zuleiteten, der die Abstimmungsniederlage unvermeidlich machte, oder ob sie gegen einen Kongress kämpften, der von jeher eine entschieden protektionistische Haltung eingenommen hat. Ebenso verblüffend war das, was als Nächstes geschah. Zum großen Missvergnügen der Reagan- und Bush-Administrationen lagen die USA im Privatisierungswettstreit der achtziger Jahre weit zurück.
      .....
      Schließlich verfielen die Befürworter der Privatisierung in den USA ausgerechnet auf ein Unternehmen, das kaum ein anderes Land hätte privatisieren wollen: die USEC, die Uran für Kernreaktoren, aber auch für Atombomben anreichert.
      .....
      Noch gravierender war freilich, dass der Wirtschaftssachverständigenrat in einem Gutachten die Anreize einer privatisierten USEC analysiert und überzeugend dargelegt hatte, dass das Unternehmen größtes Interesse daran hätte, das russische Uran nicht in die USA zu bringen.
      .....
      Die USEC versicherte nachdrücklich, dass sie niemals übergeordneten US-Interessen zuwiderhandeln werde und dass sie das russische Uran so schnell in die USA schaffen werde, wie es die Russen verkauften. Doch in derselben Woche, in der die Unternehmensleitung dies feierlich beteuerte, erlangte ich Kenntnis von einem Geheimabkommen zwischen der USEC und der zuständigen russischen Behörde. Russland hatte angeboten, seine Lieferungen zu verdreifachen, und die USEC hatte das nicht nur abgelehnt, sondern auch ein hübsches Sümmchen »Schweigegeld« bezahlt, um das Angebot (und die Ablehnung durch die USEC) geheim zu halten.
      .....
      Unsere Prognose, die Privatisierung werde negative Auswirkungen auf den Import von angereichertem Uran aus Russland haben, erwies sich leider als völlig zutreffend. Tatsächlich schien es zu einem Zeitpunkt so, als kämen sämtliche Exporte in die USA zum Erliegen. Zu guter Letzt verlangte die USEC gigantische Subventionen, um den Import fortzusetzen. Das rosige wirtschaftliche Bild, das die USEC (und das US-Finanzministerium) gezeichnet hatten, erwies sich als falsch, und Investoren waren verärgert, als der Aktienkurs einbrach.

      .....

      DIE ANDERE AGENDA DES IWF

      .....

      Es ist vielleicht nicht verwunderlich, dass mangelnde Kohärenz zu einer Vielzahl von Problemen führte. Die Frage aber ist, wie es zu dieser mangelnden Kohärenz kam. Und weshalb wiederholt sich die Inkohärenz bei jeder neuen Krise, obwohl die Probleme aufgezeigt wurden? Dies lässt sich teilweise damit erklären, dass der IWF mit verzwickten Problemen konfrontiert ist, die Welt ist komplex, und die Volkswirte des Fonds sind Praktiker, die sich darum bemühen, schwierige Entscheidungen möglichst schnell zu treffen, statt wie Wissenschaftler in kontemplativer Beschaulichkeit nach begrifflicher Kohärenz und Konsistenz zu streben. Aber ich glaube, es gibt noch einen fundamentaleren Grund: Der IWF verfolgt nicht nur die Ziele, die in seinem ursprünglichen Mandat festgelegt sind, nämlich die Förderung globaler Stabilität und die Versorgung von Mitgliedsländern, die von einer Rezession bedroht sind, mit den nötigen Mitteln zur Finanzierung einer Wachstamspolitik. Er ist auch Sachwalter der Interessen der Finanzwelt. Dies bedeutet, dass der IWF Ziele verfolgt, die sich oft gegenseitig widersprechen.

      Das Spannungsverhältnis ist umso größer, als dieser Konflikt nicht offen gelegt werden darf: Wenn die neue Rolle des IWF öfentlich zugegeben würde, würde die Unterstützung für diese Institution möglicherweise schwinden, und diejenigen, denen es gelungen ist, das Mandat zu ändern, war dies zweifellos bewusst. Daher musste das neue Mandat so bemäntelt werden, dass es wenigstens oberflächlich mit dem alten Mandat in Einklang zu stehen schien. Eine grob vereinfachende Marktideologie lieferte den Mantel, hinter dem das eigentliche Geschäft des »neuen« Mandats betrieben werden konnte. Auch wenn die Änderung des Mandats und der Ziele des IWF im Stillen erfolgte, so war sie doch keine Kleinigkeit: Statt den Interessen der Weltwirtschaft sollte er fortan den Interessen der internationalen Finanzwelt dienen. Und obgleich die Liberalisierung der Kapitalmärkte nicht die Stabilisierung der Weltwirtschaft fördert, so erschließt sie der Wall Street doch riesige neue Märkte.

      Betrachtet man die Politik des IWF von dieser Warte, dann wirdverständlicher, wieso er der Erfüllung der Forderungen ausländischer Gläubiger größeres Gewicht beimisst als der Erhaltung der Solvenz möglichst vieler inländischer Unternehmen. Der IWF mag nicht zum Inkassobüro der G-7-Staaten geworden sein, aber er hat alles darangesetzt (wenn auch nicht immer erfolgreich), dass die Forderungen der Gläubiger aus den G-7-Ländern erfüllt wurden.
      .....
      Der IWF befürchtete, dass Insolvenzen dadurch, dass sie gegen den heiligen Grundsatz »pacta sunt servanda« verstießen, den Kapitalismus untergraben würden. Doch hier irrte er sich gleich in mehrfacher Hinsicht. Der Konkurs ist ein ungeschriebener Bestandteil jedes Kreditvertrags; das Gesetz bestimmt, was geschieht, wenn der Schuldner den Gläubiger nicht befriedigen kann. Der Konkurs verstößt nicht gegen die Unverletzlichkeit des Kreditvertrags. Doch es gibt noch einen weiteren, ebenso wichtigen, ungeschriebenen Vertrag, nämlich den zwischen den Bürgern und dem Staat, auch Gesellschaftsvertrag genannt. Dieser Vertrag verlangt eine soziale und ökonomische Grundsicherung einschließlich der Gewährleistung hinreichender Beschäftigungsmöglichkeiten. Während der IWF in seinem verfehlten Selbstverständnis die Unverletzlichkeit des Kreditvertrags unbedingt gewährleisten möchte, nimmt er die Aushöhlung des noch wichtigeren Gesellschaftsvertrags bereitwillig in Kauf. Letztlich ist es die Politik des IWF - einschließlich der mit öffentlichen Geldern finanzierten bail-outs -, die den Markt und die langfristige Stabilität der Wirtschaft und Gesellschaft untergräbt.

      Es ist daher verständlich, dass der IWF und die Strategien, die er Ländern in der ganzen Welt aufzwingt, auf so heftige Ablehnung stoßen. Die Milliarden von Dollar, die er bereitstellt, dienen dazu, den Wechselkurs für kurze Zeit auf einem langfristig nicht haltbaren Niveau abzustützen; unterdessen können die Ausländer und die Reichen ihr Geld (durch die offenen Kapitalmärkte, die der IWF den Ländern aufoktroyiert hat) zu günstigeren Bedingungen außer Landes schaffen. Für jeden Rubel, für jede Rupie und für jeden Cruzeiro erhalten die Inländer mehr Dollar, solange der Kurs gestützt wird. Mit diesen Milliarden werden vielfach die Forderungen ausländischer Gläubiger erfüllt, auch wenn es sich um private Schulden handelt. Private Verbindlichkeiten werden so faktisch in öffentliche Verbindlichkeiten überführt.
      .....
      Wenn man den IWF als eine Institution betrachtet, die eine Politik im Interesse der privaten Gläubiger betreibt, werden auch andere IWF-Strategien plötzlich verständlicher. Wir erwähnten bereits die große Beachtung, die der IWF dem Handelsbilanzdefizit schenkt und wie die den ostasiatischen Ländern verordnete rigorose Sparpolitik zu einer raschen Verringerung der Importe und einer massiven Auffüllung der Währungsreserven führte.
      .....
      Aus der Sicht der Gläubiger funktionierte die Politik bemerkenswert schnell: In Korea stiegen die Währungsreserven von praktisch null auf 97 Milliarden Dollar im Juli 2,001, in Thailand von einem negativen Ausgangsstand auf 31 Milliarden Dollar im Juli 2001. Für die Gläubiger war dies natürlich eine frohe Botschaft: Sie konnten jetzt sicher sein, dass Korea die Dollar hatte, um Kredite zurückzuzahlen, falls die Gläubiger dies verlangen sollten.
      .....
      Die Tatsache, dass der IWF die Interessen der Finanzwelt berücksichtigt, erklärt auch einen Teil seiner defensiven Rhetorik. In der Ostasien-Krise machten der IWF und das US-Finanzministerium schon bald die Schuldnerländer, insbesondere ihre mangelnde Transparenz für die Probleme, verantwortlich.
      .....
      Es gab viele Länder, die weit weniger transparent waren als Korea, Malaysia und Indonesien und die keine Krise erlebten. Wäre Transparenz der Schlüssel zu ökonomischer Stabilität, dann hätten die ostasiatischen Länder in der Vergangenheit mehr Krisen haben müssen, da die Daten zeigten, dass sie transparenter wur- den. Ungeachtet der angeblichen Defizite hinsichtlich Transparenz hatte sich Ostasien nicht nur durch ein bemerkenswertes Wachstum, sondern auch durch eine bemerkenswerte Robustheit ausgezeichnet. Wenn die Länder Ostasiens »extrem krisenanfällig « waren, wie der IWF und das US-Finanzministerium behaupteten, dann war es eine neu erworbene Anfälligkeit, die nicht auf erhöhter Intransparenz, sondern auf einem anderen vertrauten Faktor beruhte: der übereilten Liberalisierung der Kapital- und Finanzmärkte, die der IWF diesen Ländern aufgezwungen hatte. Im Rückblick gab es einen "transparenten" Grund, auf Transparenz zu pochen: So konnten die Finanzwelt, der IWF und das US-Finanzministerium die Verantwortung von sich abwälzen, um die Vertrauenskrise, in die sie geraten waren, unbeschadet zu überstehen. Schuld waren die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, auf die der Fonds und das US-Finanzministerium in Ostasien, Russland und andernorts gedrängt hatten: Die Kapitalmarktliberalisierung hatte zu einer destabilisierenden Spekulation geführt und die Finanzmarktliberalisierung zu einer schlechten Kreditvergabepraxis. Als die Beistandsprogramme nicht die verheißenen Erfolge zeitigten, besaß der IWF einen noch stärkeren Anreiz, die Verantwortung von sich zu schieben und zu behaupten, das eigentliche Problem liege bei den Krisenländern.
      .....
      Auch den internationalen Banken kam es sehr zupass, die Verantwortung abwälzen zu können. Sie wollten den Kreditnehmern und den zweifelhaften Kreditvergabepraktiken der thailändischen und südkoreanischen Banken, die mit dem stillschweigenden Einverständnis der korrupten Regierungen ihrer Länder notleidende Kredite anhäuften, den Schwarzen Peter zuschieben - und wieder schlössen sich IWF und US-Finanzministerium ihrem Angriff an. Von Anfang an hätte man den Argumenten von IWF und US-Finanzministerium skeptisch gegenüberstehen sollen. Trotz ihrer Bemühungen, den großen internationalen Kreditgebern aus der Klemme zu helfen, ist es doch eine unumstößliche Tatsache, dass es bei jedem Kredit einen Kreditnehmer und einen Kreditgeber gibt. Wenn von vornherein feststeht, dass der Kredit mit hoher Wahrscheinlichkeit notleidend wird, trifft die Schuld ebenso den Kreditgeber wie den Kreditnehmer. Außerdem haben Banken in den westlichen Industrieländern Kredite an große koreanische Firmen vergeben, obwohl sie ganz genau wussten, dass viele
      von ihnen hoch verschuldet waren. Die notleidenden Kredite waren das Ergebnis von Fehlurteilen, nicht von Pressionen seitens der US-Regierung oder anderer westlicher Regierungen, und sie kamen trotz der vermeintlich guten Risikomanagement-Instrumente der westlichen Banken zu Stande. Kein Wunder, dass diese Großbanken sich selbst aus der Schusslinie bringen wollten. Der IWF hatte allen Grund, sie zu unterstützen, denn den IWF traf eine Mitschuld. Wiederholte bail-outs des IWF hatten dazu beigetragen, dass Kreditgeber nicht die verkehrsübliche Sorgfalt walten ließen.

      Es stand noch etwas anderes auf dem Spiel: Anfang der neunziger Jahre hatte das US-Finanzministerium den globalen Triumph des Kapitalismus verkündet. Zusammen mit dem IWF hatte es den Ländern, die die »richtige Wirtschaftspolitik« - entsprechend den Leitlinien des »Washington Consensus« - betrieben, sicheres Wirtschaftswachstum verheißen. Die Ostasienkrise ließ Zweifel an dieser neuen Weltsicht aufkommen - es sei denn, man zeigte, dass nicht der Kapitalismus das Problem war, sondern die asiatischen Länder und ihre schlechte Politik. Der IWF und das US-Finanzministerium mussten behaupten, das Problem seien nicht die Reformen - zuvörderst die Liberalisierung der Kapitalmärkte, dieser heiligste Glaubensartikel -, sondern die Tatsache, dass die Reformen nicht weit genug vorangetrieben worden seien. Indem sie die Aufmerksamkeit auf die Schwächen der Krisenländer richteten, lenkten sie nicht nur von ihren eigenen Fehlern ab - den Fehlern ihrer Politik und Kreditvergabe -, sondern sie versuchten auch, die Ereignisse zu nutzen, um ihre eigene Agenda weiter voranzubringen.

      .....

      Wird fortgesetzt (so nach und nach, in unregelmäßigen Abständen). Immer mal in den "NEWS" vorbeischauen ! Dort gibt`s die Ankündigung !!


      WAS ZU TUN BLEIBT
      http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/Stiglitz-Die_Schat…
      --------------------------------


      Komisch, ich dachte immer "neolibaralismus" würde für ALLE gelten. Lasst euch nicht ins "Bockshorn jagen". Nix "neoliberalismus", wie wir immer zu hören kriegen. "Protektionistische Globalisierung" ist Fakt !! Früher nannte man das "Kolonialisierung" !! Heute läuft das im Grunde selbe "Spiel", nur etwas subtiler.

      Es sei an dieser Stelle noch mal daran erinnert das "Im IWF und der Weltbank die USA mit ihren 17 Stimmenprozenten alle wichtigen Entscheide blockieren können, welche mit einer Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen gefällt werden müssen." (http://www.efriz.ch/archiv/032/t-2.html)



      http://www.imf.org/external/pubs/ft/exrp/what.htm

      Und alle anderen -wie z.B. auch "wir", die BRD- spielen das "Kolonialisierungsspielchen" mit.

      Provokative Fragen:
      Tragen "wir" dadurch nicht eine Mitschuld an den Folgen ? Sind "wir" nicht "verpflichtet", diese Folgen zumindest aufzufangen (Stichwort Flüchtlinge) ? Warum treten wir nicht aus dem Laden aus ? Wäre das nicht viel eher echte Friedenspolitik, anstatt die "Freiheit" am Hindukusch zu verteidigen ?

      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 20:29:50
      Beitrag Nr. 1.147 ()
      Arbeitsmarkt

      Erfreulich leichter Winterschlaf:confused: :confused:


      Die Zahl der Arbeitslosen ist im November trotz der einsetzenden Winterpause weniger stark gestiegen als erwartet. Die zuletzt heftig kritisierte Bundesanstalt für Arbeit bewertete die relativ günstige Entwicklung als Ergebnis ihrer Bemühungen.

      (neue Arbeitsplätze sind nicht entstanden(ordentlich entlohnte, welches auch einen menschenwürdiges Leben ermöglichst). Was ist daran so erfreulich? Jedenfalls entstehen mit Druck auf Arbeitslose bestimmt keine neuen(richtige) Arbeitsplätze.):confused:





      Im Arbeitsamt: Warten auf bessere Zeiten.
      Foto: dpa


      Vor allem die strengeren Anforderungen an Stellensuchende hätten dazu begetragen, dass sich die Zahl im Vergleich zum Vormonat lediglich um 32.400 auf 4,18 Millionen Arbeitssuchende erhöht habe, erklärte die Bundesanstalt für Arbeit.

      Experten hatten mit einer Zunahme von 60.000 bis 80.000 gerechnet. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl aber um 158.700 und erreichte damit den höchsten Novemberwert seit 1997.

      Die Arbeitslosenquote blieb konstant bei 10,0 Prozent. Bereinigt von jahreszeitlichen Einflüssen sei die Zahl der Arbeitslosen sogar um 18.000 zurückgegangen, sagte der Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, am Donnerstag in Nürnberg.

      Ein Anstieg der unbereinigten Arbeitslosenzahl ist im November üblich, weil mit Beginn der kalten Jahreszeit die Beschäftigung in den Außenberufen in der Regel sinkt, so beispielsweise in der Baubranche.



      "Früchte der Arbeit"
      „Diese relativ günstige Entwicklung ist Ergebnis der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere der Änderung der Geschäftspolitik der Bundesanstalt“, sagte Gerster.

      Konjunkturell halte der Beschäftigungsabbau dagegen weiter an. Der sich abzeichnende Aufschwung werde sich erst im zweiten Halbjahr 2004 spürbar auf den Arbeitsmarkt auswirken.



      Der Finanzvorstand der Bundesanstalt, Jürgen Weise, erklärte, dass die Zahl der Erwerbstätigen erneut um fast eine halbe Million zurückgegangen sei. Dass sich dies nicht deutlich in der Arbeitslosenstatistik niederschlage, sei Folge der verstärkten Bemühungen der Arbeitsämter, „Arbeitslose zu aktivieren und Bewerberbestände zu aktualisieren“, sagte er. „Personen, die nicht aktiv nach Arbeit suchen oder nicht verfügbar sind, werden, wie es das Gesetz vorsieht, nicht als Arbeitslose erfasst.“



      ifo-Institut: "Verstärkte Eingriffe"
      Experten bestätigten die Interpretation der Zahlen durch die Bundesanstalt. Der im Vergleich zum November 2002 etwas gebremste Anstieg der Erwerbslosigkeit hänge mit den „verstärkten Eingriffen“ der Arbeitsämter zusammen, sagte Wolfgang Meister vom Münchner ifo-Institut.

      „Entweder werden Arbeitslose aus der Statistik herausgedrängt, etwa ältere Erwerbslose, oder sie werden aus der Statistik gestrichen, weil sie sich nicht aktiv genug um einen Arbeitsplatz bemühen“, sagte der ifo-Experte. Den Anstieg der Arbeitslosen bremse auch die verstärkte Gründung von Ich-AGs und die Personal-Service-Agenturen.

      Den geringfügigen Rückgang der saisonbereinigten Arbeitslosenzahlen sehen die Fachleute allerdings nicht als Anzeichen für eine Wende auf dem Arbeitsmarkt. „Insgesamt kann ich keine Entwarnung am Arbeitsmarkt geben“, unterstrich der Volkswirt der Deutschen Bank, Stefan Bielmeier.

      Sachkenner sprechen von einer Trendwende am Arbeitsmarkt erst dann, wenn ein Rückgang der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl mit einem Zuwachs der Beschäftigung einhergeht. Im Dritten Quartal sank die Zahl der Beschäftigten jedoch erneut.



      Ost-West-Schere
      In Westdeutschland zählten die Arbeitsämter 2,665 Millionen Stellenlose. Die Arbeitslosenquote war dort mit 8,1 Prozent weniger halb so hoch wie in Ostdeutschland mit 17,4 Prozent. Dort waren 1,518 Millionen Menschen ohne Job.

      Am Lehrstellenmarkt vergrößerte die Lücke zwischen Ausbildungssuchenden und offenen Stellen um 3.000 auf 27.000.

      Experten sehen keine Trendwende
      Gerster verteidigte bei der Pressekonferenz erneut den umstrittenen, inzwischen aufgelösten Beratervertrag mit dem Medienunternehmen WPM Eurocom: „Der Vorstand ist unverändert der Überzeugung, dass er im Februar eine richtige Entscheidung getroffen hat.“ Bis Anfang kommender Woche erwarte er, ob der Bundesrechnungshof die Vergabe ohne Ausschreibung anerkenne.



      "Groß angelegte Kampagne"
      Der Anstalts-Chef sprach erneut von einer groß angelegten Kampagne gegen die Bundesanstalt und seine Person. Er bedauere, dass der Beratungsvertrag für eine bessere Außenwirkung nun zu einer „völlig überzogenen Generalkritik“ geführt habe.

      Es sei eine besondere Ironie des Schicksals, „dass aus einer Problemlösung das Problem geworden ist“, sagte Gerster.

      Er forderte seine Kritiker auf, wieder zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren. „Ich als Person werde in einer Art und Weise angegriffen, die es schwer macht darauf zu reagieren, weil dabei ein Phantombild gezeichnet wird, dass mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat,“ kritisierte Gerster.

      Er habe sich jedoch in den vergangenen Tagen auch über Solidaritätsbekundungen von Mitarbeitern, aber auch aus Wirtschaft und Politik, gefreut, die ihn zum Teil überrascht hätten.

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/932/22910/
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 20:33:57
      Beitrag Nr. 1.148 ()
      22.12.2003 17:45 Uhr


      Einkommensverteilung

      Ungleiche Kuchenstücke

      Der Einkommenskuchen ist in den vergangenen zehn Jahren zwar deutlich größer geworden, doch die abhängig Beschäftigten bekommen immer weniger ab. Ihre Einkommen seien real sogar gesunken, beklagen die Gewerkschaften.

      Von Kristina Läsker




      Einkommenskuchen: Der Schnitt erfolgt immer mehr zu Lasten der abhängig Beschäftigten.
      Foto: AP


      (SZ vom 23.12.03) - Als obszön hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die jüngsten Gehaltssteigerungen deutscher Topmanager um 7,4 Prozent bezeichnet. Wenn die Wirtschaft gesunden wolle, so die vorweihnachtliche Botschaft des SPD-Politikers, dürften die „Bosse“ von ihren Angestellten keinen Lohnverzicht fordern, während sie sich die eigenen Gehälter erhöhten.

      Die Kritik die Bundestagspräsidenten, der selbst gut 180.000 Euro im Jahr erhält, mag unangemessen sein. Dennoch trifft sie den Kern einstiger sozialdemokratischer Politik: Die Forderung nach einer gerechteren Verteilung der Einkommen.

      Die sind aber, glaubt man dem Verteilungsbericht 2003 des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), in den vergangenen Jahren nicht gerechter verteilt worden, sondern ungerechter.

      So hatte ein Arbeiter oder Angestellter 2002 durchschnittlich real „weniger in der Tasche“ als vor zehn Jahren, kritisiert Referatsleiter Dierk Hirschel. Um 1,5 Prozent seien die Nettolöhne zwischen 1991 und 2002 abzüglich der Inflation geschrumpft.



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      Gewinne und Vermögen kräftig gestiegen
      Parallel zu den sinkenden Löhnen, so lautet die Kritik des DGB, sind die realen Gewinne und Vermögen kräftig gestiegen, um 23,2 Prozent.

      Hirschels Fazit: Es gab eine starke Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer. Der Einkommenskuchen ist größer geworden, doch abhängig Beschäftigte bekommen immer weniger ab.

      Der DGB führt die ungerechtere Verteilung auf die steigende Massenarbeitslosigkeit zurück. Sie habe die Macht der Gewerkschaften geschwächt, in den Tarifverhandlungen höhere Gehälter auszuhandeln.

      Selbst die beschlossenen Löhne würden von vielen Unternehmen untergraben, klagt Hirschel. So kürzten die Firmen übertarifliche Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld – und damit das, was den Leuten netto übrig bleibt.

      Der Studie zufolge sind die tatsächlichen Gehälter in den vergangenen zehn Jahren nur um durchschnittlich je 2,7 Prozent gestiegen, obwohl Arbeitnehmer und Arbeitgeber per Tarifvertrag 3,7 Prozent vereinbart hätten.



      Noch bis Mitte der 90er positiv
      Die „negative Lohndrift“ von einem Prozentpunkt beträgt damit knapp ein Viertel der vereinbarten Lohnsteigerung. Noch bis Mitte der 90er Jahre sei diese Differenz positiv gewesen, sagt Hirschel. Die Arbeitgeber zahlten über Tarif.

      Schuld an der schwindenden Verhandlungsmacht dürfte aber auch sein, dass sich immer weniger Firmen durch die Arbeitgeberverbände vertreten fühlen und sich von der Tarifbindung lossagen. Gerade im Osten sind viele kleinere Betriebe nicht mehr an die Tariflöhne gebunden.

      Von der SPD-Regierung fühlen sich die DGBler bei der Verteilungsdebatte im Stich gelassen. Die staatliche Umverteilung bringe kaum Gerechtigkeit, lautet der Vorwurf. Die Transfers des Fiskus privilegierten die Gewinn- und Vermögenseinkommen sogar, so der DGB.



      Machterhalt
      Doch nicht nur die gerechte Einkommensstreuung, sondern auch der Machterhalt dürfte der Gewerkschaft am Herzen liegen. Der DGB warnt daher davor, künftig die Tarifautonomie einzuschränken und statt dessen mehr tarifliche Bündnisse zuzulassen; das wäre der faktische Tod der Flächentarife.

      Genau dies fordert nicht nur die Opposition, sondern auch der Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Die 35 renommierten Wissenschaftler hatten sich in ihren jüngsten Guthaben dafür ausgesprochen, die Tarifautonomie aufzubrechen. Den Gewerkschaften würde damit eines ihrer mächtigsten Instrumente entzogen.

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/997/23974/
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 20:43:17
      Beitrag Nr. 1.149 ()
      Gestern verabschiedete Agenda ist doch langweilig

      http://f51.parsimony.net/forum203170/messages/254.htm
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 20:46:10
      Beitrag Nr. 1.150 ()
      Die große Lüge von den Arbeitskosten in Deutschland
      Veränderungen der Relation - Größen in Prozent des Brutto-Inlands-Produkts (BIP)





      Die Arbeitskosten in Deutschland haben sich zwischen 1950 - 2002 um rund 7 % erhöht.
      Die Nettolöhne gingen in der gleiche Zeit sieben Prozent zurück. Und nun kommt ein Posten, der sich sage und schreibe in den letzten 52 Jahren von 2,5 % auf 18 % des BIP gesteigert hat. Die Bankzinserträge. Wenn also die BRD im Jahre 2002 ein BIP von rund 1.000 Mrd. Euro hatte, dann bekommen die Banken und die dahinter steckenden Kapitalbesitzer 18 % bzw. 180 Mrd. Euro.

      Wir sollten uns nicht auf Diskussionen einlassen, wo der Arbeitslose an allem schuld sein soll. Wenn Bärbel Schäfer, dessen Freund die deutsche Geschichte sicher besser kennt als die meisten von uns, in ihrem niveaulosen Nachmittagsprogramm hetze gegen Arbeitslose macht, dann sind diese Menschen nur noch zu bedauern.

      Quelle: Zahlen Bundesbank
      http://www.00zins.de/
      Avatar
      schrieb am 22.12.03 20:49:36
      Beitrag Nr. 1.151 ()
      Titel
      Daniel Behruzi

      Keine Atempause

      Regierung und Opposition wollen »Reformtempo« weiter erhöhen
      (die meinen wohl "Deformtempo")

      Kaum ist der größte Angriff auf soziale Errungenschaften seit Bestehen der Bundesrepublik beschlossene Sache, wird über weitere »Reformen« debattiert. Taktgeber dabei ist, wie so oft, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski. »Auch wenn jetzt viele Reformen verabschiedet wurden, dürfen wir uns die nächsten drei Jahre keine Pause gönnen«, erklärte er in der Berliner Zeitung vom Samstag und forderte das Übliche: eine grundlegende Steuerreform noch im Jahr 2004, die weitere »Flexibilisierung« des Arbeitsmarktes sowie die Senkung der »Lohnzusatzkosten«.

      Selbstredend nicht ungehört verhallen solche Appelle in der hiesigen politischen Klasse. Unter dem Etikett einer »Vereinfachung des Steuersystems« befürworteten am Wochenende Vertreter aller etablierten Parteien eine weitere »große Steuerreform«. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte in der Bild am Sonntag, er sei »durchaus dafür, daß wir uns mit der Union zusammensetzen und eine Vereinfachung des Steuersystems erarbeiten«. Auch Finanzminister Hans Eichel (SPD) schloß gegenüber der Welt (Montagausgabe) weitere, über die für 2004 und 2005 beschlossenen Stufen hinausgehende, Steuersenkungen nicht aus. Bedingung sei jedoch, daß die öffentlichen Haushalte nicht zusätzlich belastet würden. »Subventionsabbau« heißt die Zauberformel, die dies bewerkstelligen soll. Hier habe die Union aber in den vergangenen Monaten auf allen Ebenen blockiert, kritisierte der Minister ebenso wie sein Kanzler. »Das Konzept der CDU liegt auf dem Tisch«, betonte hingegen deren Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FASZ). Die Union will ihr auf dem Leipziger Parteitag Anfang Dezember beschlossenes Programm dazu, das unter anderem drei Steuersätze von zwölf, 24 und 36 Prozent vorsieht, »bald im nächsten Jahr« in den Bundestag einbringen, kündigte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer gegenüber der Presse an.

      Auf keinen Fall wollen Regierung und Opposition jedenfalls Kapitalvermögen stärker zur Besteuerung des Gemeinwesens heranziehen. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer sei nicht geplant, versicherte Eichel.

      Die inoffizielle große Koalition will sich im nächsten Jahr auch auf eine Neustrukturierung des föderalen Systems einigen. »Nach der Reform ist vor der Reform. Wir müssen gleich zu Beginn des neuen Jahres loslegen«, sagte CSU-Chef Edmund Stoiber der Welt am Sonntag. Das langwierige Verfahren im Vermittlungsausschuß habe die Notwendigkeit einer Neuregelung bei der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern verdeutlicht, erklärten Vertreter von Union und SPD übereinstimmend. Nach Angaben Stoibers ist für den 20. Januar in Potsdam eine Klausurtagung mit SPD-Fraktionschef Franz Müntefering zu dem Thema geplant. Die Einigungschancen bewertete der bayrische Ministerpräsident als »sehr gut«.

      Die wunderbar funktionierende Arbeitsteilung zwischen Regierung und Opposition, bei der sich CDU/CSU als Scharfmacher und die Sozialdemokraten als das »kleinere Übel« zu verkaufen versuchen, wird indes weiter praktiziert. Es dürfe nicht der Eindruck aufkommen, »daß das alles nun genügt«, betonte Meyer im Tagesspiegel vom Sonntag. Die »Agenda 2010« könne nur »der Anfang eines Prozesses sein«, sagte er und kündigte an: »Wir werden die Regierung hier treiben«. Stoiber forderte nur wenige Tage nach gegenteiliger Entscheidung im Vermittlungsausschuß erneut das Aufbrechen der Tarifautonomie. »Tarifvertrag hin, Tarifvertrag her. Es müssen Bündnisse für Arbeit vor Ort entstehen«, so der CSU-Boß.

      Schröder und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) versuchten dagegen, ihre unsoziale Politik mit Kritik an Managern und Unternehmen zu kaschieren. Thierse nannte es in der FASZ einen »obszönen Vorgang«, daß »die ohnehin schon irrsinnigen Gehälter der Vorstandsmitglieder deutscher Unternehmen noch weiter steigen«, während am anderen Ende der Gesellschaft Einbußen verlangt würden. Schröder bezeichnete steuerflüchtige Unternehmer als »unpatriotisch«. Dieses Verhalten müsse »gesellschaftlich geächtet« werden. Den Kanzler beim Wort nehmen will das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC und fordert die Aufhebung des Bankgeheimnisses, das »in Wahrheit ein Steuerhinterziehungs- und Steuerflucht-Schutzgesetz« sei.

      Der ungebremste Sozialabbau scheint inzwischen auch bei Teilen der Gewerkschaftsführung die Bereitschaft zum Protest zu wecken. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat angekündigt, im Rahmen eines internationalen Aktionstages am 2./3. April 2004 Millionen Beschäftigte zu Massendemonstrationen »für ein soziales Europa« mobilisieren zu wollen.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-22/001.php
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      schrieb am 22.12.03 21:02:50
      Beitrag Nr. 1.152 ()
      23.12.2003

      Ausland
      Sonja Engelhardt, Oakland

      Am elenden Ende des Traums

      USA heute: Behaupteter Wirtschaftsaufschwung konterkariert von Hunger und Obdachlosigkeit


      Die USA, reichstes Land der Erde, Vorreiter des ungehemmten Kapitalismus und – ungefragter – »Helfer aller unterdrückten Völker«, können die eigene Bevölkerung nicht ernähren. Eine am Donnerstag vergangener Woche aus Anlaß einer landesweiten Bürgermeisterkonferenz veröffentlichte Studie enthüllte unter anderem, daß die Nachfrage nach dringenden Lebensmittelunterstützungen in den Großstädten der USA um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen ist. Die Hälfte der Städte kann dem nicht nachkommen. Die Frage, wie manches Familienoberhaupt seine Kinder ernähren soll, bleibt ungeklärt, denn bei 59 Prozent derjenigen, die Lebensmittelunterstützung benötigen, handelt es sich um Familien.

      Den Fakten wird häufig die weitverbreitete Meinung, wonach sich die Betreffenden doch Arbeit suchen sollten, entgegengesetzt – eine realitätsferne Forderung, denn 39 Prozent der auf Hilfe Angewiesenen haben Arbeit. Allerdings reicht der Lohn nicht aus, um davon alle benötigten Lebensmittel zu kaufen. Niedriglöhne einerseits sowie hohe Mieten andererseits treiben immer mehr Familien in Hunger und Obdachlosigkeit. So stieg die Nachfrage nach Unterkünften für obdachlose Familien allein im Jahr 2003 um 15 Prozent.

      Der über Jahrzehnte in den Köpfen verankerte und tatsächlich vorherrschende Trend, daß es der nachfolgenden Generation zumindest für den überwiegenden Teil der Bevölkerung im Vergleich zu deren Eltern besser gehen sollte, hat sich umgekehrt. Der amerikanische Traum vom Aufstieg, der das Denken und Handeln vieler US-Bürger bisher dominierte, hat sich durch die reale Lage erledigt. Desillusion macht sich breit.

      Das zumindest behauptet ein kürzlich in Business Week veröffentlichter Artikel unter dem Titel: »Aufwachen aus dem amerikanischen Traum«. Konstatiert wird unter anderem, daß die soziale Mobilität zwischen den verschiedenen sozialen Schichten in den USA, die schon in der Vergangenheit niemals so groß war wie behauptet, extrem zurückgegangen sei. Fazit des Artikels: »Wenn du arm bist, wirst du auch arm bleiben«.

      Nach Schätzungen der Ökonomen Thomas Piketty und Emmanuel Saez sind die Einkommen von 90 Prozent der Bevölkerung zwischen 1973 und 2000 um sieben Prozent gesunken, während die Einkommen der Ein-Prozent-Spitze um 148 Prozent anwuchsen. Bei den »oberen Zehntausend«, also 0,1 Prozent, betrug die Steigerungsrate 343 Prozent. Der amerikanische Traum, der schon immer in erster Linie ein Traum für die bereits Priviligierten war, erfüllt sich somit exklusiv für die bereits Superreichen. Zugleich wird er zum Alptraum der abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, Menschen ohne Unterkunft und Hungernden.

      Hintergrund ist die Staatspolitik: Ausweitung des Niedriglohnsektors,( auch in D als Allheilmittel angepriesen) steigende Mieten, zuwenig Unterkünfte und Versorgungseinrichtungen für Obdachlose. Ob dies »der Wirtschaft« nützt, sei dahingestellt. Sicher ist, wem es schadet.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-23/006.php
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      schrieb am 22.12.03 21:10:46
      Beitrag Nr. 1.153 ()
      23.12.2003

      Inland
      jW-Dokumentation

      Armutsförderung

      Hartz-Gesetze und andere Zumutungen. Was ab dem 1. Januar 2004 auf uns zukommt (Teil 1)


      Bei den Arbeitsämtern und der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit werden zu Neujahr die Namensschilder ausgewechselt. Letztere heißt danach »Bundesagentur«, die Arbeitsämter werden in »Jobcenter« umgetauft, und die Arbeitsvermittler heißen ab dem 1. Januar »Fallmanager«. Soweit der Inhalt von »Hartz III«. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verkürzt sich ab 1.1.2004 auf maximal zwölf Monate. Nur Betroffene über 55 Jahre erhalten es noch für 18 Monate (siehe dazu auch jW vom 20./21. Dezember, Seite 5).

      »Hartz IV« sieht bekanntlich die Zusammenlegung der bisherigen Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (ALG II) vor. Das ALG II auf dem Niveau der Sozialhilfe gibt es für alle, die mindestens drei Stunden täglich arbeiten können. Eingeführt wird es jedoch erst zum 1. Januar 2005 und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, zum 1. Juli 2004. Es beträgt im Westen pauschal 345, im Osten 331 Euro monatlich zuzüglich Miet- und Heizkosten. Für Kinder bis 14 Jahre werden pauschal 207 bzw. 199 Euro monatlich gezahlt, für 14- bis 18jährige 276 bzw. 265 Euro.

      Das Einkommen des Partners wird beim ALG II noch stärker als bisher angerechnet. Bereits ab einem Nettoeinkommen des Partners von 1001 Euro netto hat man keinen Anspruch mehr auf ALG II, wenn keine Kinder im Haushalt leben.

      Familienministerin Renate Schmidt (SPD) rechnet sich in der »Reform«debatte die Einführung eines Kinderzuschlags für geringverdienende Eltern als großen Erfolg an. Pro Kind werden dabei monatlich bis zu 140 Euro gezahlt. Damit werde man »150000 Kinder aus der Sozialhilfe herausholen«, hatte Schmidt schon im August erklärt. Demgegenüber rechnen Kinderhilfswerk und Paritätischer Wohlfahrtsverband auf der Grundlage seriöser Erhebungen mit 500000 Kindern, die durch den Sozialabbau der Bundesregierung zusätzlich auf Sozialhilfeniveau werden leben müssen. Renate Schmidts Sozialgeld mildert die zunehmende Kinderarmut also bestenfalls ab.

      Zuschläge sollen auch den tiefen Einschnitt, den der Übergang von Arbeitslosengeld zu ALG II bedeutet, zeitlich begrenzt verringern. So erhalten Partner im ersten Jahr des ALG-II-Bezugs einen Zuschlag von bis zu 360 Euro monatlich, Ledige bekommen bis zu 160 Euro, pro Kind werden bis zu 60 Euro gezahlt. Im zweiten Jahr halbiert sich dieser Zuschlag.

      Auf das ALG II werden indes Ersparnisse noch stärker angerechnet, als dies bereits seit Anfang 2003 bei der Arbeitslosenhilfe praktiziert wird. Pro Lebensjahr dürfen ALG-II-Bezieher 200 Euro Barvermögen und 200 Euro für die Altersvorsorge behalten. Bei letzterem Betrag muß es sich um eine erkennbar zweckgebundene Versicherungspolice oder ähnliches handeln. Der Höchstbetrag liegt bei jeweils 13000, insgesamt bei 26000 Euro.

      Kern der Arbeitsmarkt-»Reform« ist indes die Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose. ALG-II-Bezieher müssen künftig jeden legalen Job annehmen. Zwar kann ein Betroffener gegen einen »sittenwidrig« niedrigen Lohn klagen. Wann dies der Fall ist, ist bislang nicht einmal gesetzlich definiert. Die Bundesregierung findet, daß die Untergrenze der Zumutbarkeit bei einem Stundenlohn von fünf bis sechs Euro erreicht ist. Insgesamt laufen die neuen Regelungen auf eine Förderung des Niedriglohnsektors hinaus, denn neue Jobs werden auch dadurch nicht entstehen. Im November standen den 4,18 Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen 275000 offene Stellen gegenüber. Direkt werden Mc-Jobs unter anderem durch Einstiegsgeld genannte Zuschüsse zum Gehalt subventioniert, die bis zu 24 Monate lang gezahlt werden.

      Empfänger des ab 1.1.2005 gezahlten Sozialgeldes bekommen einen im Vergleich zur bisherigen Sozialhilfe leicht erhöhten Pauschalbetrag. Gleichzeitig können für einmalige Anschaffungen von Haushaltsgeräten oder etwa den Kauf von Kinderkleidung keine Zuschüsse mehr beantragt werden. Sozialverbände haben bereits festgestellt, daß sich dadurch die realen Bezüge der Betroffenen nochmals verringern. Fachleute gehen zudem davon aus, daß durch die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe rund 500000 Menschen mehr als bisher keinerlei Transferzahlungen bekommen und daß fast eine Million Arbeitslose weniger erhalten als bisher.

      * Morgen: Arme Alte. Rentenkürzung durch »Nachhaltigkeitsfaktor«
      http://www.jungewelt.de/2003/12-23/008.php
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      schrieb am 22.12.03 21:24:21
      Beitrag Nr. 1.154 ()
      Feuilleton
      Oliver Nachtwey

      Agentia 2010

      Nicht nur Berliner Studenten lernen, arm und reich wieder zu unterscheiden: Gegen den neoliberalen Konsens formiert sich in der Bundesrepublik eine neue APO


      Eberhard Diepgen weiß, wovon er spricht, wenn er vor einem »neuen 1968« warnt. Schließlich war er damals Vorsitzender des Berliner RCDS. Ungeachtet des Ausbleibens parlamentarischer Auseinandersetzungen kocht in diesen Tagen die politische Stimmung hoch. Es kommt Bewegung in die deutsche Zivilgesellschaft. Flashmobs umherschweifender Studenten mischen in der Hauptstadt den Alltag auf, erobern die Straßen und verkünden das Motto »Ihr geht über Leichen«. Kein Berliner Politiker weiß morgens auf dem Weg ins Büro, ob es besetzt ist. Die schillernd subversiven Aktionsformen stehen im Zeichen der globalisierungskritischen Bewegung.

      Die anhaltende Taubheit der Politiker radikalisiert die Studenten. Seit Klaus Wowereit ankündigte, die Protestwelle aussitzen zu wollen, wird ihm auf jedem Dinner chorisch die Laune zersungen. Und die Studenten sind nicht allein. Nach der Protestpause gegen die »Agenda 2010«, dem Michael-Sommer-Loch, setzen die Gewerkschaften auf den Schulterschluß. Die Demonstration vom 1. November bot ein erstaunliches Bild. Nur wenige zehntausend wurden von den Veranstaltern erwartet. Von den 100 000 Teilnehmern der Demonstration hatten sich also mehrere tausend spontan entschieden.

      Die politische Renaissance der Straße geht aus dem Fehlen parlamentarischer Opposition gegen den neoliberalen Mainstream hervor. Allsonntäglich wird in der TV-Talkshow »Sabine Christiansen« der neoliberale Konsens der politischen Klasse zelebriert. Der aufmerksame Zuschauer hört nurmehr Akzentuierungen im neoliberalen Management, keinerlei Alternativen. Schröder kämpfte sich im Herbst 2002 zwar noch einmal auf die Regierungsbank, seit vergangenem Sommer aber regiert Rot/Grün nur noch als geschäftsführender Ausschuß der großen Koalition sozialer Gegenreformen. Die Situation nützt vor allem der CDU. Sobald die (dazu legitimierte) SPD die Säulen des deutschen Sozialmodells – Tarifautonomie und Kündigungsschutz – hinreichend ausgehöhlt hat, kann die CDU sie schleifen.

      Die »Agenda 2010« markiert einen Strategiewechsel der neoliberalen Eliten. Aufgegeben ist die Pflege der korporativen Konsenskultur, der Klassenkampf von oben wird offen geführt. Mittels Schocktherapie soll die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt wiederhergestellt werden. Ungeduld hat die Salamitaktik hinfällig werden lassen, nach der gesellschaftliche Gruppen bislang erfolgreich einzeln angegriffen wurden. Ihr Protest konnte noch jedesmal unter dem Hinweis auf Partikularinteressen delegitimiert werden.

      Jetzt wird die »Agenda 2010« zur Geburtshelferin einer neuen außerparlamentarischen Opposition. Im Klima des verallgemeinerten Angriffs auf den Wohlfahrtsstaat entsteht die universelle Gegenwehr. Die neue APO formiert sich in einer brisanten Situation. 1968 war der Scheitelpunkt des Goldenen Zeitalters des Kapitalismus erreicht, die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg hatten den westlichen Staaten ein einmaliges Wirtschaftswachstum beschert und die Möglichkeit zum Ausbau der sozialstaatlichen Institutionen gegeben. Jetzt, im Herbst des Kapitalismus, fallen sie vom Ast wie welkes Laub.

      Weil das Leben zunehmend von Marktprinzipien durchdrungen wird, der Konkurrenzdruck steigt, sind die Menschen gezwungen, ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit beständig »zu optimieren«. Nun erschließt sich ihnen der Inhalt der Ich-AG: der Mensch als Ware. Jeder spürt in seiner unmittelbaren Existenz die endlose Logik des Kapitals, das seine Fühler in sämtliche Winkel der Welt ausstreckt wie Dantes Ungeheuer in der Hölle: »Voll List und Tücke stets in solchem Maße, daß seine Freßlust nimmer will ermatten: Noch heißer lechzt es nach, als vor dem Fraße.«

      Die neoliberal kontaminierte Sozialdemokratie mag die »Agenda 2010« durchsetzen. Doch die zahlreichen Besetzungsversuche der Parteizentrale und die Mahnwache von ver.di davor haben die SPD-Spitze daran erinnert, daß ihre Loyalität bald verbraucht ist. Der Tanz auf dem Vulkan beginnt. Sie flüchtet sich in eine standortnationalistische Vorwärtsverteidigung nach dem Motto: dreht Euch nicht um, die APO geht um.

      Auftrieb erhält die neue APO durch den von Ottmar Schreiner treffend konstatierten Verlust der sozialdemokratischen Gerechtigkeitskompetenz. Der Demokratische Sozialismus ist schon lange nurmehr ein leeres Signifikat in der Programmatik. Sein Fortbestehen als Ziel soll das ausgedünnte Bindegewebe der SPD an der Basis nicht vollends absterben lassen, steht aber in scharfem Kontrast zur sozialdemokratischen Gouvernmentalität. Von weitaus größerer Bedeutung für die Wirtschafts- und Sozialpolitik ist die Umwertung des Wertes soziale Gerechtigkeit. Der SPD geht es statt einer Verteilungsgerechtigkeit nur noch um Leistungs- und Marktzutrittsgerechtigkeit. Ergebnis dieses Paradigmenwechsels ist eine schwindende Anhängerschaft, doch das bereitet den Strategen in der Berliner SPD-Zentrale keine Sorgen. Sie ist der Überzeugung, daß die Geschichte ihr recht geben und die verheerenden Wahlniederlagen und schwindelerregenden Mitgliederverluste vergessen machen wird.

      Wie 1968 ist die neue APO kein national begrenztes Phänomen. Sie ist Teil der globalen Revolte gegen den Neoliberalismus. Und, George W. Bush sei Dank, auch gegen den globalen Feldzug »gegen den Terrorismus«. Wie weit der Protest die Landesgrenzen mittlerweile überschreitet, ist am 15. Februar überdeutlich geworden, als Millionen Menschen gegen den Krieg demonstrierten. Der nächste Höhepunkt steht ins Haus. Am 3. April 2004 werden in ganz Europa Straßen und Plätze von Demonstrationen gegen den sozialen Kahlschlag erbeben.

      Die neue APO ist in ihrer Praxis der eigenen politischen Tiefenschärfe oft weit voraus. In der Regel sind die Aktionen und Initiativen spontan und intuitiv, nicht aber naiv. Man glaubt nicht mehr an die Mythen der Neoliberalen, welche die Ungerechtigkeiten unserer Zeit auf die falschen Widersprüche zurückführen. Die Alten beuten die Jungen aus, die Kranken die Gesunden und die »Arbeitsplatzbesitzer« die Arbeitslosen. Die neue APO zeigt den Widerspruch auf, der sonst verschwiegen wird: den zwischen Kapitalbesitzern und Kapitallosen, zwischen oben und unten.

      Die globalisierungskritische Bewegung hat auch der deutschen Zivilgesellschaft das utopische Denken zurückgegeben. Geschichte sei machbar, ermutigte Rudi Dutschke die Genossen; eine andere Welt sei möglich, behauptet ATTAC. Der Voluntarismus der 68er ist noch fern, aber die Koalition der Willigen wächst von Tag zu Tag. »Es ist nicht deine Schuld, daß die Welt so ist, wie sie ist«, singen die Ärzte auf ihrer neuen Platte, »aber es ist deine Schuld, wenn sie so bleibt.«

      Bewegungen werden gerne in Generationen gemessen. Man wird künftig nicht von den 2003ern sprechen. 1968 markierte den Höhepunkt einer Revolte, die neue APO steht noch am Anfang. Nächstes Jahr ist 2004.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-23/016.php
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      schrieb am 22.12.03 21:27:02
      Beitrag Nr. 1.155 ()
      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme


      Teil 7

      Ein Lösungsvorschlag


      Konzept für ein vernünftiges System der bedarfsgerechten Geldversorgung



      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 11. August 2003


      Brauchen wir ein anderes, alternatives Geld?




      Mit den bisherigen Artikeln der Sammlung "Grundlagen des Geldes" haben wir unser Geld
      - so wie es ist - aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Die Erkenntnisse daraus sind nicht uneingeschränkt posititv. Im Gegenteil: Mit zunehmendem Wissen und wachsender Erkenntnis gelangt man beinahe zwangsläufig zu der Einsicht, dass dieses Geld, auf das sich unser gesamtes Wirtschaften stützt, ganz erhebliche Mängel aufweist, durch die der größte Teil der naiven "Geldbenutzer" ganz erheblich benachteiligt wird, während einige wenige clevere "Geldbesitzer" ihren Nutzen daraus ziehen. Doch damit nicht genug: Die dem Zinsgeld innewohnende Eigendynamik, die ein exponentielles Geldmengenwachstum hervorbringt, muss unausweichlich in regelmäßigen Abständen durch einen totalen Systemabsturz wieder auf den Nullpunkt gebracht werden, was immer wieder Krieg und Leid, Not und Hunger über die Menschheit bringt.

      Glücklicherweise befasst sich inzwischen eine immer größer werdende Zahl von Menschen mit dieser Thematik und fast alle gelangen in der Analyse zu der Erkenntnis, dass das so begehrte und wertvoll scheinende Geld in Wahrheit eine der ganz maßgeblichen, wenn nicht gar die eigentliche Ursache für die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und Missstände ist, unter denen wir gerade in jüngster Zeit wieder zu leiden haben:

      Gigantische Vermögen in privater Hand und gleichzeitig gähnende Leere in den öffentlichen Kassen, dazu eine immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich und eine Politik, die im rigorosen Sozialabbau die einzige Chance sieht, den drohenden Staatsbankrott hinauszuzögern, sind die sichtbaren Zeichen einer sich verschärfenden Fehlentwicklung. Daß die Realwirtschaft unseres Landes immer noch bestens funktioniert, steht völlig außer Zweifel. Deutschland ist amtierender Exportweltmeister und steht mit seiner wirtschaftlichen Leistungskraft hinter den USA und Japan unangefochten an dritter Stelle in der Welt - die Vermutung, dass das Finanzsystem die Hauptschuld an der Misere trägt, ist daher durchaus begründet.

      Eine nennenswerte Anzahl von Vor- und Nachdenkern hat sich mit Theorien zum und über das Geld herumgeschlagen und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die von unserem Geldsystem bis zu seinem Zusammenbruch ausgehen werden, korrekt und detailliert genauso vorhergesagt, wie wir das derzeit erleben. Aus anfänglichem Unbehagen, unzulänglichem Wissen und vielerlei Vorurteilen haben diese Menschen Schritt für Schritt gesicherte Erkenntnisse und brauchbare Vorhersagemodelle entwickelt und damit die Nachteile und Fehler des bestehenden Geldsystems bewiesen. Heute sind sie über die reine Analyse und Kritik hinaus und auf der Suche nach einem "fehlerfreien" Ersatz für das Geld. Ihr Ziel ist ein anderes, ein neues, neutrales, freies und unbelastetes Geld.

      Die Namen von Silvio Gesell, Helmut Creutz, Margrit Kennedy, Bernhard Lietaer und Dieter Suhr um stellvertretend nur einige der Wichtigsten zu nennen, sind untrennbar verbunden mit Begriffen wie "Wörgl", "Freigeld", "Brakteaten", "Schwundgeld" und "Umlaufsicherungsgebühr". Die in allen Schriften wiederkehrende Idee ist es, dem Geld eine Eigenschaft zurückzugeben, die es beim Sprung von seiner materiellen Basis in eine rein ideelle/virtuelle Daseinsform verloren hat: Es soll - im übertragenen Sinn gesprochen - im Zeitverlauf verschrumpeln, verrosten, verfaulen, verrotten, also an Wert verlieren und damit dem Hang der Menschen, Geld aufzuhäufen, entgegenwirken.

      Aus der kritischen Auseinandersetzung dieser Menschen mit dem Geld und seinen tatsächlich vorhandenen, schwerwiegenden Nachteilen und Konstruktionsfehlern hat sich eine "Schule" herausgebildet, deren Ergebnisse insbesondere von Wolfgang Röhrig unter den Überbegriffen "Geldreform" und "Freiwirtschaft" in ganz großartiger Weise dokumentiert und zusammengehalten werden.

      Das Informationsangebot auf den Internetseiten des Wolfgang Röhrig ist eine fast unerschöpfliche Quelle für das Wissen um das Geld und ich habe sie selbst oft und oft mit Gewinn besucht . Wer seinen eigenen Denk- und Meinungsbildungsprozess zum Geld in Gang bringen, beschleunigen oder umfassend absichern will, dem sei das Studium der Geldreform-Seiten und aller zugehörigen Unterseiten wärmstens empfohlen.



      Dass ich dennoch versuche, der weit gereiften Geldidee der Freiwirtschaftler einen grundsätzlich anderen Lösungsansatz entgegenzustellen und dass ich versuche, diesen ausschließlich aus sich selbst heraus zu begründen, hat seine Ursache darin, dass ich bei meiner Beschäftigung mit Schwundgeld und Umlaufsicherungsgebühren auf ein auch dem Schwundgeld innewohnendes Wachstums-Problem gestoßen bin, für das ich keine gangbare Lösung sehe - was aber nicht unbedingt heißen muss, dass es die nicht doch bereits gäbe oder dass sie noch gefunden werden könnte.

      Daher sehe ich keine Notwendigkeit, Zeit und Kraft darauf zu verwenden, die prinzipiell richtige Frei- und Schwundgeldtheorie anzugreifen oder zu versuchen, sie zu widerlegen. Mein Anspruch ist es aber durchaus, die Diskussion zu erweitern, indem ich ein davon in den Maßnahmen verschiedenes, in der erhofften Wirkung gleichwertiges System der Geldbereitstellung skizziere und daran aufzeige, welche spezifischen Mechanismen ich für tauglich halte, das Geldproblem zu lösen, ohne dabei die spezifischen Schwundgeldprobleme in Kauf nehmen zu müssen.







      Was muss ein "besseres" Geldsystem leisten?.........




      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen7.html
      Avatar
      schrieb am 23.12.03 16:29:49
      Beitrag Nr. 1.156 ()
      Meistens tritt das Gegenteil von dem ein was
      die Aktienstrategen sehen.:D
      -------------------------------------------------


      Aktienstrategen sehen Dax bei 4300 Punkten

      Laut einer Umfrage erwarten Akteinstrategen für 2004 einen steigenden Dax - im Schnitt prognostizieren sie bis Jahresende einen Stand von 4300 Zählern. Pharma- und Ölwerte werden empfohlen, US-Aktien dagegen kritisch gesehen.



      AP
      Börse Frankfurt: Der Bulle wird 2004 den Dax treiben
      Frankfurt - Nach einem Anstieg des Deutschen Aktienindex (Dax) in diesem Jahr um mehr als 30 Prozent, rechnen die Aktienexperten führender Banken auch für 2004 mit anziehenden Kursen. Allerdings werde das Plus nicht mehr so stark ausfallen. Auf Basis des gestrigen Schlussstandes von 3877 Zählern prognostizieren die Banker im Durchschnitt einen Indexanstieg von elf Prozent. Das hat eine Umfrage der "Börsenzeitung" unter 17 Analystenhäusern ergeben.
      Am optimistischsten zeigten sich die DZ Bank sowie M.M. Warburg. Beide Häuser glauben, ein Dax-Stand von 4600 sei innerhalb eines Jahres möglich. Dagegen ist das Bankhaus HSBC Trinkaus mit seiner Einschätzung von 4000 Punkten am vorsichtigsten.

      Als größten "Störfaktor" für die Aktienmärkte nannten die Befragten die Entwicklung der Zinssätze. Sowohl für die US werde eine Leitzinserhöhung erwartet, als auch für Europa: In Amerika könne der Zinssatz um einen Prozentpunkt, in Europa um 0,75 Prozentpunkte steigen.

      Wie die "Börsenzeitung" berichtet, gehen die Experten davon aus, dass die Aktienmärkte in Deutschland im ersten Halbjahr boomen werden. Grund dafür seien die guten Geschäftszahlen der Unternehmen im vierten Quartal 2003 und die positiven Prognosen für das erste Vierteljahr 2004. In der zweiten Jahreshälfte sei dann mit einer Konsolidierung zu rechnen. Dies begründeten die Experten unter anderem mit der Entwicklung des Euro. Den Unternehmen entstünden Kosten, weil sie sich gegen einen höheren Euro absichern müssten.

      Gefragt nach der Prognose für einzelne Branchen, nannten viele Aktienstrategen Öl- und Pharmawerte als Favoriten. Dagegen rieten sie von US-Aktien überwiegend ab. Zwar seien die USA spannend, was die konjunkturelle Entwicklung angehe. Aber gegen US-Aktien spräche laut Zeitungsbericht das Risiko der Wechselkursentwicklung.
      Avatar
      schrieb am 23.12.03 19:17:28
      Beitrag Nr. 1.157 ()
      Den Ärmsten nehmen, den Reichsten schenken: Dranbleiben Gerd!

      Reinhard Jellen 23.12.2003
      Die beste Demokratie, die man für Geld haben kann - Teil 3


      Hegel schreibt irgendwo einmal sinngemäß, dass sich dieselbe Geschichte zweimal zuträgt: Einmal als Tragödie und einmal als Farce (vgl. Die beste Demokratie, die man für Geld haben kann). Auf den Maßstab der deutschen Sozialdemokraten gemünzt bedeutet dies wohl, dass sich die sozialdemokratische Machtergreifung ebenfalls zwiefach ereignet hat: Konnte man dieses Jahr die Regentschaft Willy Brandts als langweiliges Doku-Fernsehspiel (mit zugegeben wenigstens dem anti-kommunistischen Ex-Kommie Herbert Wehner als Superschurken) bewundern, so werden uns die Geschicke der momentan regierenden sozialdemokratischen Rasselbande (Kann Schrödi wieder den Karren alleine aus dem Dreck ziehen und/oder schmollt er wieder? Kriegt Clemi seine Lieblings-Reform? Wie viel Spielgeld und Autos bekommt Arbeitsamt-Flori? Darf Speck-Bäckchen Gabriel endlich mit den Großen spielen? Muss Münte wieder in der Ecke stehen? Petzt Oskar wieder alles weiter?) als nicht minder langweilige, aber endlose Seifenoper (Hat Gerhard Schröder seine Haare färben lassen mit oder ohne Geliebte? Geht er nächsten Fasching als eine etwas zu klein geratene Margret Thatcher mit aufgeklebten Augenbrauen?) präsentiert.






      Mit Willy Brandt wurden im Interesse der Wirtschaft pazifistisch-ernsthaft die Ostverträge initiiert, den Gewerkschaften nahe gelegt, als kleiner Wirtschaftspartner auf den Geschäfts-Banketten mit einem Platz am Katzentisch vorlieb zu nehmen, und der Bevölkerung angeraten, ruhig mal einen Schluck aus der Konjunktur-Pulle zu nehmen.


      Abenteuerliche Winter-Aufenthalte unter der Brücke


      Mit Gerhard Schröder wird jetzt ebenfalls im Sinne der deutschen Wirtschaftsbosse etwas nassforsch in Dieter-Bohlen-Manier eine hegemoniale Stellung in der Weltpolitik angestrebt, den Organisationen der Lohnabhängigen bedeutet, dass ihr Plätzchen am Katzentisch als politischer Junior-Partner geräumt wurde, während den sozial prekär Gestellten in Zukunft ein kostenloser Crash-Kurs in Sachen Buddhismus gegeben wird. Hier steht gleich in der ersten Stunde die Lektion auf dem Plan, dass zwar unsere etwas oberflächlichen Reichen noch staatliche Unterstützung nötig haben, aber es eigentlich zur freiesten Freiheit gehört, bar jeder Sicherheit zu leben, dass man sich auf dem Weg zur absoluten Freiheit vom Ballast des Materiellen befreien muss und dass die Perspektive auf abenteuerliche Winteraufenthalte unter der Brücke und in Bahnhofsmissionen auch als Chance und kreatives Stimulans zur individuellen Selbsterfahrung begriffen werden können:





      Die am 19. Dezember im Vermittlungssauschuss mit 581 gegen 12 Stimmen beschlossene Verabschiedung des so genannten Reformpakets markiert eine historische Zäsur in Deutschland. Es wurde damit u.a. die zwölfmonatige Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, die Zumutbarkeit jeglicher Art von Arbeit für Langzeitarbeitslose, die Lockerung des Kündigungsschutzes sowie eine großzügige Amnestie für Steuerhinterzieher auf den Weg gebracht.


      Historische Zäsur



      De facto werden somit Langzeitarbeitslosen ihre Bürgerrechte entzogen, eine dramatische Verarmung eines Großteils der Bevölkerung wird nicht nur in Kauf genommen, sondern entschlossen befürwortet, während wohlhabende Gauner, die ihr Geld am Fiskus vorbeigeschleust haben, mit Straffreiheit belohnt werden. Wie sollte man eine solche Entwicklung anders beschreiben, als dass der Klassenkampf von oben in eine neue Phase getreten ist? Parlamentarische Demokratie reduziert sich heutzutage zunehmend auf ein Doppelpass-Spiel zwischen Regierung und Opposition, um die von der SPD-Linken durchgesetzten Abmilderungen des Sozialabbaus wieder zurückzunehmen.

      Wir beobachten eine Einführung der Zwangsarbeit und die Demontage der repräsentativen Demokratie mit demokratischen Mitteln. Und wer immer noch die Vision hat, es gäbe keine Klassengesellschaft mehr und/oder die Sozialdemokraten würden sich eines Tages noch besinnen und eine Politik im Sinne ihrer Wählerschaft zumindest versuchen, sollte tatsächlich einmal zum Arzt gehen (Der Spruch mit den Visionen und dem Arzt ist gut, wenn seine Gültigkeit auch auf den medizinischen Bereich eingeschränkt bleibt und entstammt ursprünglich selbstverständlich nicht dem Munde Helmut Schmidts, sondern dem des ehemaligen österreichischen Regierungschefs Vranitzky).

      Der wahre Anteil an der aktuellen forcierten Wirtschafts- und der demontierenden Sozialpolitik, die auf eine massive Senkung des Lohnniveaus und des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung abzielt, liegt in der Entwicklung begründet, dass im Zuge des forcierten Wirtschaftswachstums in der Globalisierung der Faktor menschliche Arbeitskraft durch die Verwissenschaftlichung und Rationalisierung der Produktionsprozesse zunehmend an Bedeutung verliert. Anstatt aber einen Ausweg aus dem Lohnarbeits-Dilemma zu suchen, wird um so fester am Prinzip der Lohnarbeit als dem wichtigsten Verteilungsinstrument des gesamtgesellschaftlich produzierten Reichtums festgehalten.

      Die sich aus diesem Widerspruch ergebenden sozialen Probleme bringen eine politische Neubewertung und Umfunktionalisierung der kompensatorischen staatlichen Leistungen mit sich, die - wie man anhand der aktuellen Lage ersehen kann - sich vor allem darin auszeichnen, dass sie weniger die strukturelle Arbeitslosigkeit mindern, als die Arbeitsuchenden unmittelbar gegen die regulär Beschäftigten auszuspielen versuchen und damit mittelfristig die Löhne senken.


      Fatalerweise wird diese Strategie von der großen Koalition zwischen rot/schwarz/grün/gelb als der einzig gangbare Weg eingeschätzt. In der Politik ist es manchmal wie in der Grammatik: Ein Fehler, den alle begehen, wird zum Allgemeingut und schließlich als Regel befolgt.


      Skandalöse Maßnahmen


      So werden z.B. durch Einführung der Leiharbeit primär keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, sondern normale Erwerbsverhältnisse durch billigere und flexiblere Arbeitszustände ersetzt. Mit der Etablierung der Ich-AGs wird de facto ein Niedriglohn-Sektor errichtet, wo Tariflöhne, Arbeitsschutzvorschriften und feste Beschäftigungszeiten unterlaufen, Urlaubs- und Sozialkosten eingespart und etwaige Risiken (z.B. Krankheit) auf den "selbständigen" Arbeitnehmer abgewälzt werden.


      Gleichzeitig können durch die Abschleifung der Zumutbarkeitskriterien den Arbeitslosen Erwerbsverhältnisse aufgebürdet werden, auch wenn diese sich auf dem Niveau des Arbeitslosengeldes bewegen und Pendelzeiten von 2,5 Stunden täglich beinhalten. Weniger Glückliche wie z.B. Unverheiratete können zum Umzug in arbeitplatzreichere Regionen gezwungen werden.

      Da nimmt es Wunder, dass sich z.B. die vom Mitgliederschwund betroffenen Institutionen wie Kirchen oder Gewerkschaften entweder gleich hinter die skandalösen Maßnahmen stellen oder sich nicht entschließen können, sich gegen den möglichen Verfassungsbruch des Bundeskanzlers zur Wehr zu setzen:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Denn noch soll es laut Grundgesetz, Artikel 1 Aufgabe aller staatlichen Organe sein, "die Würde des Menschen" als "unantastbar" zu schützen. In GG, Art. 2.1 heißt es: "Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit..." - wie soll das vereinbar sein mit dem "Brechen der Mentalität"? Oder Art. 2.2: "Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit," - greift der Entzug jeglicher Mittel zum Überleben etwa nicht in die körperliche Unversehrtheit ein? Liegt hier nicht auch ein klarer Verstoß gegen § 1 des Sozialgesetzbuches vor, wo die soziale Mindestsicherung ohne Gegenleistung garantiert wird? Ganz zu schweigen von GG, Art. 12.1 mit dem Recht, "Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen", was ja schon seit Entstehen der Massenarbeitslosigkeit wie Hohn klingen muß. Jedenfalls verstößt der jetzt mit den Hartzgesetzen beschlossene Zwang m.E. auch gegen Art. 12.2 "Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden."
      Otto Meyer





      Volkswirtschaftlicher Wahnsinn


      Dabei ist wiederum bezeichnend, dass das Prinzip der sozialen Brandrodung nicht nur verfassungswidrig, sondern auch volkswirtschaftlich Wahnsinn ist, weil sämtliche Maßnahmen darauf hinauslaufen, den ohnehin schon angeschlagenen Binnenmarkt (der aber noch rund 57% der Gesamtnachfrage bedient) vollends abzuwürgen.

      Schließlich haben weder Rentner noch Arbeitslose ein so üppiges Verdienst, dass sie ihr Geld auf die hohe Kante legen könnten, sondern deren Bezüge gehen zum großen teil unmittelbar und vollständig in den Binnenmarkt ein. Eine finanzielle Entlastung der Wohlhabenden ist hingegen dazu angetan, genau das Gegenteil zu bewirken. Das wird also die ohnehin angespannte Situation für kleine und mittelständischen Unternehmen noch mehr verschärfen und dementsprechend weiter Arbeitsplätze kosten.

      Und wenn die Binnennachfrage volkswirtschaftlich prekär schwächelt, ist es auch nicht richtig, auf eine Senkung der Lohn-Nebenkosten hinzuarbeiten, sondern im Gegenteil alles daran zu setzen, diese anzuheben (wobei sich ohnehin die Relationen von Lohn und Produktionsquote in den letzten 20 Jahren zuungunsten von letzteren unproportional verschoben haben):




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      Die Löhne sind zu niedrig. (...). Denn was auf der einen Seite Lohnkosten sind, stellt auf der anderen Seite den Großteil der privaten Nachfrage dar. (...). Seit 1980 sind die Bruttoeinkommen in Deutschland um 17% hinter der Produktivitätsentwicklung zurück geblieben. In diesem Umfang hätten die Einkommen also steigen können, ohne die Gewinne zu schmälern.
      Conrad Schuhler





      Politik der abgehackten Hand


      Ebenfalls ist es volkswirtschaftlich kontraproduktiv, eine abnehmende Zahl von aktiv Erwerbstätigen immer mehr Überstunden leisten zu lassen (Conrad Schuhler schreibt von 2.141 Millionen Überstunden pro Jahr), anstatt vielmehr die Arbeitszeiten zu verkürzen. Wobei freilich die Unternehmen auf individueller Ebene selbstverständlich kein Interesse daran haben, weniger arbeiten zu lassen und statt dessen mehr Leute einzustellen, auch wenn es ihnen längerfristig eine Perspektive auf die vermehrte Abnahme ihrer Produkte bietet. Hier wären neben den Gewerkschaften auch in der Gestalt des ideellen Gesamtkapitalisten der Staat, also auch die Regierung gefragt, wenn diese nicht eine Politik der abgehackten Hand betreiben würde.


      Jenseits aller Rhetorik besitzen wir immer noch ein gemischtes Wirtschaftssystem, nur dass sich deren Komponenten gedreht haben: Keynesianismus nach oben, d.h. großzügige finanzielle Unterstützung für die großen Konzerne und Neo-Liberalismus nach unten, also das Abkappen der sozialen Sicherungssysteme für jene, die bei dieser Entwicklung auf der Strecke bleiben. Momentan erleben wir eine Art Sozialdemokratie von oben anstatt von unten: Nicht die Reichen werden durch staatliche Umverteilungsmaßnahmen den Armen angepasst, sondern die Armen werden rechtlich den Reichen gleichgemacht Ansonsten leider nicht.

      Paradoxerweise sind es gerade die Sozialdemokraten des "Dritten Weges", die von der Verteilungsgerechtigkeit Abschied nehmen und einzig der Leistungsgerechtigkeit Geltung verschaffen wollen, die gerade das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit hintertreiben und einer Verteilungs(un)gerechtigkeit den Weg bahnen. Denn der Tauschgerechtigkeit auf dem Warenmarkt und der Leistungsgerechtigkeit in der Arbeit ist eine Verteilungsfrage vorgeordnet. Bevor man nämlich seinen Arbeitsplatz betritt, sind die Bedingungen der Wertschöpfung bereits verteilt: Entweder man gehört zu den "chosen few", die Produktionsmittel besitzen, anhand derer es möglich ist, Leute für sich arbeiten lassen und Profite zu akkumulieren, oder man ist gezwungen, seine Arbeitskraft zur Sicherung seiner Existenz auf dem Markt anzubieten. Dieser feine Unterschied ist letztendlich entscheidend, in welchem sozialen Wirkungskreis man es sich bequem bzw. unbequem machen kann.


      Rückkehr der Barbarei


      Wenn man diese Verteilungs(un)gerechtigkeit verbirgt, indem man nur die von ihr abstrahierende Leistungsgerechtigkeit zur Geltung kommen lassen will, macht man Menschen, die sozial unterschiedlich positioniert sind, auf unzulässige Weise gleich: Man sieht von ihren sozialen Lagen ab und unterschlägt dabei die gesellschaftlichen Bedingungen, die diese erst konstituieren. Dieser an eine gloria-von-thurn-und-taxis-gleiche Geistesschlichtheit gemahnende Standpunkt ist also der letzte gerechtigkeitstheoretische Trumpf der SPD.


      Er mag das Ende der "Sozialdemokratisierung der Union" bedeuten, auf alle Fälle markiert er das Ende sozialdemokratischen Gedankenguts in der SPD. Mehr noch: Die Barbarei befindet sich auf dem Rückmarsch von der Peripherie wieder zurück in die Zentren des Kapitalismus. Dabei ist es kein Zufall, wenn die SPD und die Grünen auf der Reise von Bonn nach Manchester, vom 21. wieder zurück ins 19. Jahrhundert, nicht nur keine Gegenkraft zu dieser Entwicklung darstellen, sondern im Gegenteil an dieser fatalen Entwicklung äußerst aktiv und radikal Anteil nehmen und als Speerspitze agieren. Die SPD ist eine soziale Kriegspartei.



      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16390/1.html
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      schrieb am 23.12.03 19:24:24
      Beitrag Nr. 1.158 ()
      Das Wirtschaftsjahr 2003

      Pleiten, Pannen, Abschwung

      Das Wirtschaftsjahr 2003 stand im Zeichen des wirtschaftlichen Abschwungs, der Maut-Pannenserie, der Verwirrung um das Dosenpfand und neuer Unternehmenspleiten. Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse





      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/23/23999/
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      schrieb am 23.12.03 19:31:13
      Beitrag Nr. 1.159 ()
      UMTS

      Mobilcom gibt Lizenz zurück

      Das Mobilfunkunternehmen hat seine im Jahr 2000 erworbene Lizenz für die Mobilfunktechnik UMTS an die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation zurückgeben und damit über 8 Milliarden Euro verloren.

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/36/24012/
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      schrieb am 23.12.03 19:32:52
      Beitrag Nr. 1.160 ()
      Fälschungen mit Scanner

      Parmalat vor Insolvenzantrag

      Der durch einen Finanzskandal am Rande des Ruins stehende italienische Lebensmittelkonzern Parmalat will Insolvenz und Gläubigerschutz beantragen.





      Im Parmalat-Werk in Parma.
      Foto: dpa


      Der Antrag wurde nach italienischen Medienberichten noch am Dienstag erwartet. Damit könnte der Betrieb nach italienischem Recht zunächst weiter geführt werden. Der neue Konzernchef Enrico Bondi übergab der Staatsanwaltschaft von Parma eine umfassende Dokumentation zur dramatischen Finanzlage des Unternehmens, hieß es. In der Bilanz klafft ein Finanzloch von bis zu 10 Milliarden Euro.

      Die Ermittler haben nach eigenen Angaben bereits einen groben Überblick über den Fall. So sei entdeckt worden, dass wichtige Dokumente einfach mit Scanner gefälscht worden seien, berichteten italienische Medien. Der bisherige Parmalat Finanzchef Fausto Tonna habe die Verantwortung für die Bilanzfälschungen zurückgewiesen.



      Aktie vom Handel ausgesetzt
      Für Dienstagabend war eine außerordentliche Sitzung des Parmalat- Vorstands vorgesehen. Die Parmalat-Aktie wurde an der Mailänder Börse in Erwartung einer offiziellen Mitteilung des Unternehmens für den ganzen Tag vom Handel ausgesetzt. Am Montag war sie von 0,30 auf 0,11 Euro abgestürzt. Innerhalb von zwei Wochen hat die Aktie damit 93 Prozent ihres Wertes eingebüßt.

      Auch das italienische Parlament will die Vorgänge untersuchen, die zum bisher spektakulärsten Finanzskandal in der italienischen Wirtschaftsgeschichte geführt haben. Die Regierung will verhindern, dass durch die Parmalat-Pleite tausende Arbeitsplätze verloren gehen.

      Internationale Konzerne sollen unbestätigten Medienberichten zufolge an der Übernahme einzelner Firmen des Parmalat-Konzerns interessiert sein. Parmalat beschäftigt in 30 Ländern insgesamt 36 000 Menschen.

      Der Finanzskandal war am vergangenen Freitag bekannt geworden. Die Bank of America teilte mit, dass ein Konto mit rund vier Milliarden Euro, das die Parmalat-Tochter Bonlat in der Bilanz angegeben hatte, nicht existierte. Die Ermittler gehen davon aus, dass weitere Milliardenbeträge, die in der Bilanz erscheinen, in Wahrheit nicht vorhanden sind.



      Ermittlungen gegen den Gründer
      Bilanztricks und Fälschungen seien bei Parmalat bereits seit Ende der 80er Jahre angewendet worden, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA unter Berufung auf die Justiz. Gegen den Gründer und ehemaligen Parmalat-Präsidenten Calisto Tanzi sind ebenso Ermittlungen eingeleitet worden wie gegen rund 20 weitere Personen. Tanzi war erst am Montag der Vorwoche zurückgetreten, nachdem die finanzielle Schieflage des Unternehmens ruchbar geworden war.

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/45/24021/
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      schrieb am 23.12.03 19:52:28
      Beitrag Nr. 1.161 ()
      Frohe Weihnachten

      von Jochen Steffens

      Der Neue Markt in Deutschland hat sein Ende im Tec-Dax gefunden. Heute kommt die Nachricht über die Ticker, dass die US-Technologiebörse Nasdaq mit der New York Stock Exchange NYSE zusammengehen will. Offenbar geht es hierbei weniger als bei der Namensänderung des Neuen Markt um die Frage des Anlegervertrauens, als vielmehr um Schwierigkeiten mit der Anzahl der gelisteten Unternehmen und der zunehmenden Konkurrenz alternativer Handelsplätze.

      Große Neuemissionen sind ebenfalls nicht zu erwarten, so dass ein wenig der "Nachwuchs" ausbleibt. Ein Zusammenschluss scheint eine mögliche Lösung des Problems. Aber so einfach, wie es sich anhört, ist das leider nicht. Die NYSE arbeitet immer noch mit Parketthandel, wogegen die Nasdaq eine computergestützte Handelsplatzform ist. Mit diesem Zusammenschluss wären also weitreichende Folgen verbunden, wahrscheinlich zu Gunsten des elektronischen Handels. Aus Zeitungsberichten geht hervor, dass der neue NYSE Chef John Thain angeblich den elektronischen Handel unterstützt.

      Wird also unsere geliebte Nasdaq bald vom Kurszettel verschwinden? Für mich ist insbesondere der Nasdaq100 ein wichtiger Frühindikator, da der Index schnell auf Veränderungen und Stimmungen reagiert. Der Dow ist zu dünn, und der S&P zu weit gefächert. Der beste Mix sind eigentlich alle drei zusammen. Diese Indizes befinden sich seit Jahren auf meinem Hauptmonitor. Ich müsste mich wirklich umstellen. Aber steter Wechsel ist gerade an den Börsen Kern aller Dinge. Noch bestehen jedoch kartellrechtliche Bedenken bei diesem Zusammenschluss. Ob den US-Anlegern der Zusammenschluss gefallen würde, sei auch einmal dahingestellt.

      Heute Nachmittag überraschten noch einige US-Konjunkturdaten. Um 15.45 Uhr wurden die endgültigen Zahlen zum Index der Verbraucherstimmung der Universität Michigan für Dezember 2003 veröffentlicht. Der Stimmungsindex notiert mit 92,6 Punkten etwas höher als prognostiziert. Erwartet wurde der Index bei 90,0 bis 91,0 nach zuvor veröffentlichten 89,6. Im November lag der Index bei 93,7. Trotz dieser Verbesserung ist es ein Rückgang, der so nicht erwartet war.

      Enttäuschend war ebenfalls die Zahlen zu den persönlichen Ausgaben, die lediglich um 0,4 % zulegten, statt den erwarteten 0,7–0,8 %. Allerdings sind die persönlichen Einkommen um 0,5 % gestiegen. Erwartet wurden 0,3–0,4 %. Das dürfte mit der höheren Produktivität zu tun haben.

      Das endgültige US-BIP wurde nun auf 8,2 % Wachstum fixiert. Ich glaube nicht, dass ich zu dieser Zahl noch viel sagen muss.

      Die endgültigen Zahlen der US-Baugenehmigung sank um 6 % nach zuvor prognostizierten 5,4 %.

      Diese Zahl ist, wie letztens bereits erwähnt, sehr interessant und muss in nächster Zeit weiter verfolgt werden. Hier könnte sich ein erster Riss in der Immobilienblase zeigen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass es eine aktuelle Studie der Fed gibt. Diese soll offenbar dazu dienen, die in Washington vorherrschende positive Meinung über die Immobilienrefinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac ins Wanken zu bringen. Aus dieser Studie geht nach Angaben von vwd hervor, dass sich die implizierten staatlichen Subventionen auf 119 Mrd. bis 164 Mrd. Dollar belaufen und damit weitaus höher sind, als bisher angenommen. Gleichzeitig soll der tatsächliche Einfluss von Fannie Mae und Freddie Mac auf die Hypothekenkosten wesentlich geringer sein als bisher vermutet. Fannie Mae und Freddie Mac wiesen den Bericht als fehlerhaft und "theoretisch" zurück. Zumindest lässt diese Nachricht vermuten, dass sich hier etwas anbahnt. Die weitere Entwicklung sollte genau beobachtet werden.

      Trotz dieser Konjunkturdaten und Nachrichten steigen die amerikanischen Börsen heute weiter leicht an. Das hat natürlich auch mit den geringen Umsätzen zu tun und darf noch nicht überbewertet werden. Auch zwischen den Feiertagen werden dünne Umsätze das Börsengeschehen beherrschen, sofern keine politischen Ereignisse das Weihnachtsfest überschatten. Ich hoffe jedoch für uns alle, dass es ein friedliches Weihnachten bleibt.

      Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest! Genießen Sie die Zeit, ohne Börse, Kurse und Unternehmensnachrichten.

      Ihr

      Jochen Steffens

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      Der falsche Bart

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Das ist das Problem mit der derzeitigen "Wirtschaftserholung" in den USA, liebe(r) Leser(in). Man kann ihr nicht einfach den falschen Bart abreissen, um der Welt zu zeigen, was sie wirklich ist. Denn unter dem Bart ist eine Maske ... und darunter ist ein falscher Schnurrbart.

      Die amerikanische Arbeitslosigkeit soll fallen ... die Aktien sollen weiter steigen ... die Wirtschaft soll mit Rekordtempo wachsen.

      Wenn man nicht zu genau hinsieht, dann koennte die derzeitige Entwicklung fuer eine "Wirtschaftserholung" durchgehen.

      Aber wenn man den Bart wegnimmt, dann sehen die Arbeitsmarktzahlen angesichts einer angeblichen Wirtschaftserholung armselig aus. Und die Jobs, die neu geschaffen worden sind, sind nur Jobs im Niedriglohnsektor.

      Die amerikanischen Aktien steigen, aber wenn man als Euro-Investor den Waehrungseffekt mitberuecksichtigt, dann ist man nicht reicher geworden.

      Und die amerikanische Wirtschaft? Wenn man die Haushaltsdefizite, die Militaerausgaben, die Steuersenkungen und andere einmalige Tricksereien herausnimmt ... und dann den Kursverfall des Dollars beruecksichtigt ... dann waechst die Wirtschaft ueberhaupt nicht.

      Selbst wenn die Wirtschaftserholung selbsttragend waere – die Amerikaner ruinieren sich weiter. Sie sind bereits stark verschuldet, die Sparquote ist nahe Null. Die Amerikaner koennen ihre Ausgaben nur dadurch erhoehen, dass sie sich weiter verschulden! Und genau darauf setzen Fed und Bush-Administration ... und die Wall Street und CNBC applaudieren.

      Die meisten menschlichen Bemuehungen sind in Wirklichkeit darauf ausgelegt, dass sich ein Mann gegenueber seinen Mitmenschen ueberlegen fuehlen kann. Wenn er Erfolg hat, dann kann er wenigstens ehrlich auf seinen Brustkorb klopfen und einen Tarzan-Ruf von sich geben. Aber es ist ein armseliger Anblick, wenn er sich ueberlegen fuehlt und sich auf den Brustkorb klopft ... waehrend er in Wirklichkeit den Anschluss an die anderen verliert.

      Jetzt zu Eric, mit mehr News:

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      Wird 2004 wirtschaftlich das beste Jahr seit 2000?

      von unserem Korrespondenten Eric Fry in Manhattan

      In New York City besteht derzeit eine "glaubwuerdige und aktuelle" Terrordrohung. Dennoch bin ich gestern die Park Avenue lang gegangen, um mir am Nachmittag in der Starbucks-Filiale in der 23rd Street einen doppelten Expresso zu goennen. Da gesagt wurde, dass diesmal ein Anschlag von einer weiblichen Attentaeterin ausgehen koennte, habe ich alle Frauen auf dem Weg und in der Starbucks-Filiale genau im Auge behalten. Natuerlich nur aus Gruenden der nationalen Sicherheit, versteht sich.

      Gluecklicherweise hatte New York einen terrorfreien Tag. Aber eine "glaubwuerdige und aktuelle" Drohung bleibt ... an der Wall Street. Aus meiner Sicht sind die derzeitigen Kurse eine glaubwuerdige und aktuelle Drohung in Bezug auf die Zerstoerung von Kapital. Der Markt kann jederzeit ueber etwas stolpern – eine Dollarkrise zum Beispiel –, was den Dow Jones ein paar Tausend Punkte kosten wuerde.

      Aber vielleicht sollte ich mir wegen solcher Risiken keine Sorgen machen. Schliesslich gewinnen die Terroristen (und die Kaeufer von Put-Optionsscheinen), wenn wir in Angst Leben. Also lassen Sie uns die positive Seite betrachten. Die amerikanische Inflationsrate ist zahm, die Fabriken brummen wieder, die Indikatoren steigen, und die Immobilienpreise und Aktienkurse steigen.

      Wenn man nicht zu genau hinsieht, dann kann man viel finden, was einem an der amerikanischen Wirtschaft gefaellt. Die Erstantraege auf Arbeitslosenhilfe gehen zuerueck ... das ist gut. Aber die Qualitaet des Wachstums der Zahl der Arbeitsplaetze laesst zu wuenschen uebrig.

      "Es ist wichtig, die Qualitaet der neuen Jobs mit der Qualitaet der verloren gegangenen Jobs zu vergleichen", beobachtet das Economy Policy Institute. "Waehrend der wirtschaftlichen Erholung (von November 2001 bis November 2003) sind im produzierenden Gewerbe 1,3 Millionen Arbeitsplaetze abgebaut worden, 272.000 Jobs im IT-Bereich, und betroffen waren Sektoren mit ueberdurchschnittlichen Gehaeltern. Gleichzeitig sind neue Jobs in der Verwaltung und im Nahrungsmittelsektor geschaffen worden, was zwei Sektoren mit unterdurchschnittlichen Loehnen sind."

      Mit anderen Worten: Hochbezahlte Angestellte haben ihren Arbeitsplatz verloren, dafuer wurden neue Arbeitsplaetze bei McDonald`s & Co. geschaffen.

      Aber keine Sorge, sagt Paul Kasriel von der Analyseabteilung von Nortern Trust. "2004 verspricht, das Jahr zu werden, in dem die gesamte Weltwirtschaft so schnell wie noch nie seit dem Jahr 2000 wachsen wird. Nicht nur, dass das globale Wachstum wahrscheinlich stark sein wird, sondern auch weit verbreitet. Warum dieser Optimismus fuer 2004? Nun, zunaechst einmal wird die groesste Volkswirtschaft der Welt – die USA – um ueber 4 % im kommenden Jahr wachsen, so schnell wie seit 1999 nicht mehr. Eine Kombination von sehr aggressiver monetaerer und fiskalischer Politik scheint letztlich doch gewirkt zu haben."

      "Was kann da schon schief gehen?" fragt sich Kasriel. "Das groesste Risiko fuer dieses optimistische globale Szenario waere ein Run auf den Dollar. Wenn das passieren wuerde, dann wuerden die amerikanische Inflationsrate und die Zinsen steigen ... aber das wird wahrscheinlich erst 2005 geschehen. Also lehnen Sie sich zurueck und geniessen Sie 2004, was fuer die Weltwirtschaft das beste Jahr seit 2000 werden koennte."

      Ja, geniessen Sie ... aber vergessen Sie nicht, von Zeit zu Zeit ein bisschen Gold oder Goldzertifikate beiseite zu legen. Jetzt aber wuensche ich Ihnen Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!

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      Indien

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Eine aktuelle Ausgabe von "India Today" hat auf dem Cover die Schlagzeile: "Champion of the World". Im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb hat Indien nach eigener Ansicht die Fuehrungsposition.

      Die Zahlen kann man anzweifeln, aber Indien hat eine der hoechsten Wachstumsraten in der Welt. Waehrend China zunehmend in die Schlagzeilen geraet, ist es Indien, wo die englischsprachigen Unternehmen zuerst auf der Suche sind, wenn sie etwas "outsourcen" (wie es neudeutsch heisst) wollen. Indien ist sehr buerokratisch, wie jeder weiss. Aber es waechst schnell ... und die Zahl der Arbeitskraefte ist fast so hoch wie in China.

      Indien ist ein relativ freies Land. China ist relativ unfrei. In China koennte es derzeit so weit sein, dass sich eine Spekulationsblase entwickelt hat. Und die muesste platzen. Indiens Wachstum – weniger sichtbar und fuer die Aussenwelt verstaendlich – koennte auf Sicht der naechsten Jahre dauerhafter und stetiger sein.

      *** Die Weihnachtsferien haben begonnen. Ich habe meine gesamte Familie fuer eine Woche in unserem Schloss in Frankreich zusammengebracht.

      Unser aeltester Sohn, Will, ist aus Florida gekommen, zusammen mit seiner Verlobten. Unsere Tochter Sophia ist aus dem College in West Virginia angereist. Meine Mutter ist gerade von ihrer USA-Reise zurueckgekehrt – normalerweise wohnt sie bei uns in Frankreich. Und der Rest der Familie ist aus Paris angereist.

      Mein franzoesischer Freund Michel ist derzeit an Indien interessiert. Er ist davon ueberzeugt, dass China ein grosser Betrug ist, und verglichen mit China sei Indien eine Riesenchance. Er ist auch ein Fan von Bollywood – der indischen grossen Filmindustrie – geworden.

      Gestern versammelte sich die gesamte Familie vor de m Fernseher, um einen von Michels Lieblingsfilmen – Gadar – anzusehen. Dieser indische Film ist in indisch, mit Untertiteln, die irgendeine Form von Englisch sind. Zuerst haben wir alle ueber die komischen Uebersetztungen und die merkwuerdigen Tanz- und Gesangszenen gelacht. Aber nach und nach nahm uns der Film gefangen.

      "Der war laecherlich", sagte unsere Filmkritikerin Maria, "aber uns hat der trotzdem gefallen."

      Es ging um eine Liebesgeschichte, zur Zeit der Trennung Indiens und Pakistans im Jahr 1947. Der politische Hintergrund war bemerkenswert feinfuehlig und zynisch dargestellt. Es gab nicht einen einzigen Politiker, Soldaten oder Buerokraten im Film, der nicht als Luegner oder Schuft dargestellt wurde. Und jedes Mal, wenn Menschenmassen auftraten, dann ging es um Gewalt. Der einzige "politische" Charakter im Film ist ein Verrueckter, der seinen Verstand verloren hat und unablaessig von den Erfolgen des neuen Indiens spricht. Er ist allerdings Pakistani, der Todfeind aller Inder!

      An dieser Stelle moechte ich es nicht versauemen, Ihnen Frohe Weihnachten zu wuenschen. Ich hoffe, Sie haben ein paar angenehme Feiertage – und kommen Sie gut ins Neue Jahr!

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      "Lahar"

      von Dan Ferris

      Stellen Sie sich vor, Sie fahren nach Hause, und als Sie in den Garten gehen, sehen Sie da ein Loch, das fuenf Mal so tief ist wie das Empire State Building hoch ist.

      So fuehlte ich mich, als ich das erste Mal vor 15 Jahren den Grand Canyon sah. Ich stieg aus meinem Auto aus, ging an den Abgrund und sah auf einmal 500 Stockwerke nach unten. Da fuehlt man sich ziemlich klein. Da realisiert man, wie tief man unter die Erdkruste gehen kann, bevor es heiss wird. Das geschah durch Erosion ... erstaunlich ... ich habe gehoert, dass der Grand Canyon das Ergebnis von Tausenden Jahren Erosion ist.

      Aber dann hoerte ich am naechsten Tag, dass dies gar nicht stimmen wuerde. Geologen sagten, dass der Grand Canyon nicht durch Fluesse innerhalb von Millionen Jahren aus dem Wuestenboden gewaschen worden sei. Sondern – dies soll sehr schnell geschehen sein. Als ich das hoerte, ueberzeugte mich das sofort, obwohl ich nicht wusste, warum. Vielleicht nur deshalb, weil ich es mag, wenn eine von der Allgemeinheit gehaltene Meinung sich als falsch erweist.

      Dieses Ereignis, das den Grand Canyon geschaffen haben soll, nennen die Geologen einen "Lahar". Ein Lahar entsteht, wenn eine massive Flut Tonnenweise Geroell abwaerts stroemen laesst. Und ein Lahar kann mehr zerstoeren als Tausende Jahre Erosion.

      Was ist mit Lahars an den Aktienmaerkten? Im Jahr 2000 gab es einen. Der Nasdaq-Canyon von 2000–2002 brachte den Index von 5.048 Punkten im Maerz 2000 auf 1.108 im September 2002.

      Die Leute, die ihre Aktien die ganze Zeit ueber gehalten haben, sind trotz der juengsten deutlichen Kursgewinne nicht wieder da, wo sie vor dem Maerz 2000 waren. Sie leben jetzt unten im Grand Canyon. Und vielleicht sehen sie ihren Einsatz nie wieder. Es ist unwahrscheinlich, dass sie aus dem Grand Canyon wieder heraufkommen. Der Nasdaq Lahar ist durch ihre Depots gerauscht.

      Bei Geld und bei der Gesundheit kann man froh sein, wenn man beides nur langsam und ueber lange Zeitraeume hinweg verliert – ohne Lahar. Wenn man sehr smart ist, dann hilft das, ist aber nicht unbedingt notwendig. Nuetzliche ist Erfahrung.

      Ich erinnere mich an den Anfang meines Investorenlebens. Als ich mit der Uni fertig war, da wollte ich mir etwas goennen. Ich hatte 4.700 Dollar gespart.

      Davon kaufte ich mir zuerst einmal eine brandneue, handgemachte klassische Gitarre von einem Gitarrenhersteller in Seattle mit Namen Mark Stanley. Die kostete mich 2.700 Dollar. Mit den restlichen 2.000 Dollar eroeffnete ich ein Konto, mit dem ich Rohoff-Futures traden konnte.

      6 Monate spaeter schloss ich dieses Konto. Mein Broker ueberwies mir das, was uebrig war: 286 Dollar und ein paar Cents. Das war auch eine Art Lahar gewesen ...

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 23.12.03 23:22:22
      Beitrag Nr. 1.162 ()
      Titel
      Ulrich Schwemin

      Senfsalon Deutschland

      Zum Ausklang des Jahres genehmigen sich die Bundestagsabgeordneten einen bescheidenen Schluck aus der Pulle
      :mad: :mad:

      Das Beste zum Schluß: Im Senfsalon Deutschland kann niemand mehr untergehen. Als letzter Ausweg bleibt stets die Gründung einer Ich-AG, in der jeder seinen eigenen Senf dazugeben kann. Die uns diesen Segen zuteil werden ließen, die Abgeordneten des Bundestages, haben sich inzwischen in den wohlverdienten Weihnachtsurlaub zurückgezogen. Ihr vorerst letzter Akt als Vorkämpfer für die Ich-AG war ein bescheidenes Weihnachtsgeschenk fürs eigene Portemonnaie: Nach einem Bericht der Bild-Zeitung haben sich die Volksvertreter ihre steuerfreie Kostenpauschale ab Januar 2004 um rund 600 Euro jährlich erhöht.

      Der Bund der Steuerzahler hält diesen Selbstbedienungsakt für »unverschämt«, weil gleichzeitig die Abzugsmöglichkeit von Werbungskosten für alle anderen Beschäftigten durch die Steuerreform eingeschränkt worden ist. Der sogenannte Arbeitnehmerpauschbetrag sinkt nämlich von derzeit 1044 auf 920 Euro. Auf Beschluß der gleichen Abgeordneten. Ziehen die ihr Geld aus unseren Taschen?

      Aber jetzt bloß keine Neiddiskussion unterm Tannenbaum. Man kann das auch anders sehen. Die Abgeordneten haben schließlich ganze Arbeit geleistet: Ab 2004 drohen Zwangsarbeit und Massenarmut, genau wie Industrie- und »Arbeitgeber«verbände sich das gewünscht haben. Ein noch steilerer Abstieg war bis jetzt einfach nicht drin. Deshalb gibt’s auch nur die kleine Prämie. Aber im nächsten Jahr geht’s weiter mit der »Teamarbeit für Deutschland« – das ist schon versprochen. Zum Auslöffeln der noch schärfer werdenden Suppe werden wie gehabt die Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Rentner und Sozialhilfeempfänger bestellt.
      Avatar
      schrieb am 23.12.03 23:36:16
      Beitrag Nr. 1.163 ()
      Ausland
      Mumia Abu-Jamal

      Der andere Krieg

      USA: Rüstunf verschärft soziale Auslese und die Armut


      Während in Bagdad täglich Granaten explodieren und die Zahl der Toten ständig steigt, fällt es schwer, sich vorzustellen, daß es noch einen anderen Krieg gibt, der die USA in Bedrängnis bringt. Er fordert nicht weniger Leben, auch wenn er sich in relativer Stille vollzieht. Die Rede ist hier vom permanenten Krieg gegen die Armen. Der Kongreß bewilligte unlängst wieder Milliarden für das Irak-Abenteuer, gleichzeitig sehen sich Millionen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst immer größeren Problemen gegenüber.

      Zwar haben Politiker jetzt öffentlich die Forderung nach einem staatlichen Gesundheitsprogramm erhoben, aber kaum jemand hat darauf hingewiesen, was eine kürzlich veröffentlichte Studie ergeben hat: Mehr als 20000 Männer, Frauen und Kinder in den USA sterben jedes Jahr, weil sie keinerlei Zugang zu irgendeiner Art von medizinischer Grundversorgung haben. Für über 40 Millionen unversicherte Menschen kann schon der kleinste Unfall der Beginn einer großen Katastrophe sein. Es gibt Ghettos, in denen die Menschen in völliger Verzweiflung dahinvegetieren, weil sie nicht wissen, wovon sie sich am nächsten Tag ernähren sollen. Viele haben zwar Arbeit, aber ihr Einkommen ist so gering, daß sie immer tiefer in die Armutsfalle geraten. Dieser finanzielle und soziale Wahnsinn wird in einem Bericht der Vereinigten Automobilarbeitergewerkschaft UAW deutlich: »Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie der Harvard University kommt zu dem Schluß, daß 31 Cent von jedem Dollar, der im US-Gesundheitssystem ausgegeben wird, in die Verwaltungskosten fließen. Diese Verwaltungskosten bewirken, daß jeder US-Bürger 752 Dollar pro Jahr mehr ausgibt als zum Beispiel Bürger in Kanada. David Himmelstein, der Ko-Autor dieser Studie, erklärt, Reformen im Gesundheitswesen könnten bewirken, daß damit die Krankenversicherung jener 41 Millionen zu finanzieren wäre, die jetzt in keiner Weise versichert sind.«

      Was logisch ist, muß der Regierung ideologisch noch lange nicht in den Kram passen. In der UAW-Zeitschrift Solidarity 10/2003 hieß es dazu: »›Die Bush-Regierung‹, so ein Arbeiter, ›ist dabei, eine ganze Reihe sozialer Errungenschaften rückgängig zu machen.‹ Ted Kayser, Gewerkschaftskollege der UAW Local 24, in der First Local News: ›Die Bush-Administration kürzt bei der staatlichen Lebensmittelüberwachung und Fleischbeschau, sie kürzt die Renten der Kriegsveteranen, genehmigt die Zunahme der Schadstoffbelastung der Umwelt und schränkt die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung wieder ein. Deshalb ist es heute mehr denn je notwendig, daß sich Amerikas Gewerkschaften erheben und für die Interessen der Arbeiterklasse kämpfen.‹«

      Hinter dem Vorgehen des Weißen Hauses, das einem zunächst verrückt vorkommt, steckt Methode. Das Bush-Regime ist fest entschlossen, den Staatshaushalt derart zu destabilisieren, daß der Großteil der Sozialprogramme undurchführbar wird. Denn es ist sicher, daß der Militärhaushalt, der dazu dient, einen »ewigen Krieg gegen den Terrorismus« zu führen, den übrigen Etat mit Haut und Haaren verschlingen wird.

      Es ist nach wie vor so, daß bestimmte Kräfte auch in Zeiten einer schwierigen Wirtschaftslage große Profite einfahren. In Zeiten des Krieges schießen die Aufträge für die Rüstungsindustrie aus dem Boden wie Pilze nach einem Regen.

      Was wir derzeit erleben, ist eine tiefgreifende, kompromißlose Umstrukturierung der US-Wirtschaft. Das sind ökonomische Entwicklungen, die gleichzeitig ideologische sind. Diese Art sozialer Umstrukturierung überläßt alles dem sogenannten freien Spiel der Marktgesetze, die alles in eine Ware verwandeln. Wer sie sich leisten kann, hat Glück, wer nicht, hat eben leider Pech gehabt. Wir werden Zeugen einer sozialen Auslese, deren Ursache die Politik der Konzerne und ihrer Aktionäre ist, die alles unter das Primat ihrer politischen Interessen und ökonomischen Profite stellen. Der Rest der Gesellschaft kann zur Hölle fahren.

      (Übersetzung: Jürgen Heiser)

      http://www.jungewelt.de/2003/12-24/008.php
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      schrieb am 23.12.03 23:37:55
      Beitrag Nr. 1.164 ()
      Inland


      Schuften fürs Minimum

      Rentenkürzungen und höhere Pflegebeiträge. Was ab dem 1. Januar auf uns zukommt (Teil 2)


      Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters gehört nicht zu den Änderungen, über die sich Regierung und Opposition bereits geeinigt haben. Doch die große Koalition derer, die diese Maßnahme für notwendig halten, reicht bis zum Deutschen Gewerkschaftsbund. Im neuen Jahr müssen erst einmal diejenigen, die schon Rente beziehen, den Gürtel etwas enger schnallen. Denn die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2004 wird per Regierungsbeschluß ausgesetzt. Und wer ab 1. April in Rente geht, bekommt sein Geld erst am Ende statt am Anfang jeden Monats. Außerdem zahlen Rentner ab April den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 Prozent ihrer Bezüge selbst. Bisher mußten sie wie Angestellte die Hälfte bezahlen.

      Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) begründete diese Maßnahmen mit der Notwendigkeit gleichbleibender Rentenbeitragssätze. Sie sollen im nächsten Jahr weiter bei 19,5 Prozent liegen.

      Bei der Riester-Rente tritt zum 1. Januar die zweite Stufe in Kraft: Um die höchstmögliche staatliche Förderung für diese von den Beitragszahlern privat finanzierte zusätzliche Altersvorsorge zu bekommen, müssen mindestens zwei statt bisher ein Prozent des Vorjahresbruttoeinkommens als Beitrag gezahlt werden. Die Zulassungskriterien werden vereinfacht.

      Um die Basis derer zu vergrößern, die in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen, hat die Regierungskoalition die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen beschlossen. Sie wird für die Rentenversicherung in den alten Bundesländern von 5 100 auf 5 150 Euro Monatseinkommen angehoben, im Osten von 4 250 auf 4 350 Euro. Zur Kranken- und Pflegeversicherung sind Beiträge auf Monatseinkommen bis zu 3 487,50 Euro zu entrichten. Die Versicherungspflichtgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung steigt auf 3 862,50 Euro.

      Die genannten Veränderungen sind erst der Anfang dessen, was die Koaliton von SPD und Grünen plant. Der Gesetzentwurf aus dem Sozialministerium zur »Reform« der Rentenversicherung stand am 12. Dezember erstmals auf der Tagesordnung des Bundestages. Danach sollen Beschäftigte nicht wie bisher mit 60, sondern erst mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Die Altersgrenze soll zwischen 2006 und 2008 schrittweise angehoben werden. Außerdem soll der zunächst in Erfüllung eines Wahlversprechens abgeschaffte demographische Faktor unter dem Namen »Nachhaltigkeitsfaktor« wieder in die Rentenberechnungsformel eingeführt werden. Dadurch wird die jährliche Rentenanpassung gedrosselt.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-24/013.php
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      schrieb am 26.12.03 23:02:35
      Beitrag Nr. 1.165 ()
      Es war einmal in Amerika

      Thomas Pany 24.12.2003
      Der Mythos vom "Pursuit of Happiness" wird mehr und mehr zum exklusiven Vergnügen der Begüterten


      Eines Frühjahrtages im 19. Jahrhundert ließ sich ein sanfter, etwas weltfremder junger Mann aus Boston in einem möblierten Zimmer in New York nieder, um ein neues Leben zu beginnen. Sein Name war Horatio Alger, junior. Er sollte bald berühmt werden: als Verfasser von Erzählungen, in denen arme Schuhputzer oder Streichholzverkäufer dank Ausdauer, Ehrlichkeit und etwas Glück zu Wohlstand und Ansehen kommen. Horatio Alger gab dem amerikanischen Traum, demzufolge jeder zu Reichtum und Happiness gelangen kann, einen Namen.







      Etwas mehr als hundert Jahre nach seinem Tod (1899) ist Horatio Alger noch mal gestorben, symbolisch natürlich, als Mythos vom möglichen Aufstieg, schreibt Amerikas Nestbeschmutzer in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten, Paul Krugman ( offiziell/ inoffiziell), in einem Essay der letzten Ausgabe von The Nation:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Amerika sieht mehr und mehr nach einer von Klassengegensätzen beherrschten Gesellschaft aus. Und raten Sie mal! Unsere politischen Führer tun alles, was sie können, um die Klassengegensätze zu betonieren, während sie jeden, der sich darüber beklagt - oder nur darauf hinweist, was passiert - als Praktiker des "Klassenkampfes" denunzieren.





      Böse, diskordante Worte zum Fest der Nächstenliebe, die der New York Times-Kolumnist mit einigen Fakten erhärtet. Während noch vor einer Generation die großen Unterschiede in den Einkommen der wirtschaftlich finsteren 20er Jahre Geschichte waren, düstere Erinnerungen, sind sie jetzt wieder top-aktuell. Wie jüngste Untersuchungen der Wirtschafts-Professoren Thomas Picketty und Emmanuel Saez ergaben - und die Daten wurden laut Krugmann vom Budget-Büro des Kongresses bestätigt - ist das Einkommen der "unteren" 90 % der amerikanischen Steuerzahler von 1973 bis 2000 um 7 Prozent gesunken. Das Einkommen der oberen happy 1 Prozent ist in diesem Zeitraum um 148 % gestiegen.






      Noch glücklicher sind die obersten 0,1 Prozent der Reichen: Ihr Einkommen ist um 343 % gestiegen. Und überirdisch clever und glücklich darf sich die Elite der Reichen, 0,01 % der Bestverdiener, schätzen. Deren Einkommen stieg um beinahe 600 Prozent - Kapitalgewinne ausgeschlossen, damit die "Börsenblase" die Zahlen nicht künstlich hoch schwindelt.

      Der Schluss, den Krugman aus diesen und anderen Zahlen zieht: Amerika hat sich zu einer Kasten-Gesellschaft entwickelt - trotz der gegenläufigen "Expertisen" von Think Tanks, wie etwa der Heritage Foundation.

      Ganz im Gegensatz zum Mythos der Aufstiegsmöglichkeiten in Amerika und zur Realität früherer Tage können es heute nur mehr wenige Kinder aus den unteren Klassen zu bescheidenem Wohlstand bringen. Während eine Untersuchung in den späten 70erJahren noch konstatieren konnte, dass 23 % der Söhne, dessen Väter zum untersten Viertel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rangstufe gehörten, es zum obersten Viertel schaffen konnten - und damit der Mythos von den Aufstiegchancen echte Erfahrung für viele war -, sind es heute nach einem kürzlich veröffentlichten Bericht nur mehr 10 Prozent:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Im modernen Amerika ist es sehr wahrscheinlich, dass man in der sozialen und ökonomischen Klasse bleibt, in die man hinein geboren wurde.





      Und als politisches Rezept für alle, die großes Interesse daran haben, dass ihre "vermögenden, aber untalentierten Nachkommen" ( Thomas Piketti) große Teile der Wirtschaft kontrollieren und "arme, aber talentierte Kinder nicht damit konkurrieren können", gibt Krugman folgende Maximen aus:


      Die Erbschaftssteuer unbedingt senken, damit große Vermögen zur nächsten Generation übergehen können; dazu die Steuern auf Unternehmensprofite, Dividenden und Kapitalgewinne. Wie überhaupt die hohen Einkommen steuerlich geschützt werden müssen und die Last auf Leute mit geringerem Einkommen übertragen werden sollte. Zusammen mit der Kürzung von Gesundheitsleistungen für Arme, der Qualitätsminderung von staatlichen Bildungsangeboten und der Minimierung der finanziellen Unterstützung für höhere Bildung käme man dem Ziel, dass die unteren Einkommens-Klassen die nötigen Voraussetzungen für einen Aufstieg nicht erwerben können, schon sehr viel näher.

      Um auch die restlichen Wege nach Oben abzuschneiden, bräuchte man nur alles Mögliche tun, um die Macht der Gewerkschaften zu brechen und möglichst viele gut bezahlte Angestellte des öffentlichen Dienstes durch schlechter bezahlte private Dienstleister zu ersetzen. Klingt irgendwie bekannt Den Ärmsten nehmen, den Reichsten schenken: Dranbleiben Gerd!...


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16396/1.html
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      schrieb am 26.12.03 23:08:45
      Beitrag Nr. 1.166 ()
      Die undiskutierte Reformdebatte

      Andreas Hagen 24.12.2003
      Mythos kostenlose Bildung und ein Privatclub namens Wissensgesellschaft


      Wohin die Politik die Bildung in Deutschland steuern möchte, ist zwar nicht ganz klar, aber es hat mit Gebühren zu tun. Diese sollen nämlich in Form von Studiengebühren endlich auch im Bildungsbereich das Verursacherprinzip durchsetzen. Dabei zeigt sich, dass der Staat so oder so nur noch bedingt für die Bildung zuständig ist. Wie die PISA-Studie zu Recht bemängelt, liegen die staatlichen Ausgaben für Bildung in Deutschland unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Rechnet man allerdings die privaten Bildungsausgaben hinzu, dann scheint wieder die Sonne, jedenfalls für die, die es sich leisten können.






      Praxisgebühr und Riester-Rente werden heiß und kontrovers diskutiert. Dies sind ja auch wichtige Themen, die alle betreffen, früher oder später. In einer Informations- und Wissensgesellschaft ist aber auch Bildung das zentrale Thema. Tatsächlich werden in dieser weniger öffentlich geführten Reformdebatte Argumente in 256 schillernden Farben vorgebracht, obwohl das, was man der Gesellschaft hier schmackhaft machen möchte, auch schwarz auf weiß in Printform jeden Morgen auf einem wohlsortierten Frühstückstisch zu finden ist: Der Rückzug des Staates aus seinen bisherigen Aufgaben, politisch gesprochen: Sparen; konkret gesagt: Privatisierung.

      Bei wem das Wort Privatisierung nun Assoziationen hervorruft, könnte richtig liegen. Hier finden nicht nur die nationalen Reformdebatten, sondern auch die internationale Ebene von Globalisierung (Kultur), Neoliberalismus (Ökonomie) und Informationsgesellschaft (Copyright, Patente) ihren direkten Anschluss.


      Wissensarbeiter als Problem






      Das oft wiederholte (Schein-)Argument ist: Der "Kostentreiber Student" soll nicht mehr umsonst die blühenden Hochschullandschaften genießen können, während die abhängig Beschäftigten mit ihren Steuern die Zeche zahlen, aber nichts davon haben. Nun sollen Studiengebühren hier endlich wieder Gerechtigkeit schaffen.

      Allerdings wirft das Argument bei näherer Betrachtung viele Fragen auf: Ist Bildung umsonst, weil alle sich an den Kosten beteiligen? Warum studieren immer noch so wenige Kinder abhängig Beschäftigter an den Hochschulen, so dass deren "Kosten-Nutzen-Relation" so schlecht ist? Hat nicht die ganze (Wissens-)Gesellschaft ihren Nutzen an gut ausgebildeten Akademikern, ja sind sie nicht sogar Grundlage derselbigen? Während der Putz von den Schulwänden abfällt, SchülerInnen und Studierende sich ihre Bücher selber kaufen dürfen, und an den Universitäten der Platz langsam knapp wird, expandiert als einer der dynamischsten Wachstumsmärkte in Deutschland schon seit Jahren der private Bildungsmarkt, also Nachhilfe und Weiterbildung aller Art.


      Zugang zur Wissensgesellschaft


      "Die Deutschen besitzen die Gabe, Wissenschaften unzugänglich zu machen", schrieb Goethe einmal vor langer Zeit. In Vergangenheit und Gegenwart ist für die Zugänglichkeit zu Bildung in Deutschland die Herkunft und der sozioökonomische Hintergrund der Eltern entscheidender gewesen, als alle anderen Faktoren, sogar entscheidender als in den angeblich so "elitenzentrierten" USA. Da dies für eine Wissensgesellschaft nicht angehen konnte, traf man folgenden Entschluss: Was dieser Hintergrund nicht auffangen konnte, wollte man seit Anfang der 70er Jahre mit strukturellen Reformen ausgleichen. Studiengebühren wurden abgeschafft, das Bafög wurde eingeführt, also die Hochschulen breiteren Bevölkerungsschichten geöffnet. Es machte der Spruch von der "Aktivierung der Bildungsreserven" die Runde.

      Diese "Bildungsreserven" gibt es natürlich auch heute noch, und sie werden auch heute noch am Ende eines jeden Monats auf ihrem Konto daran erinnert, dass das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) deshalb geschaffen wurde, weil ein Studium keineswegs kostenlos ist, auch ohne Studiengebühren. Ob man solche Wissensarbeiter in den darbenden Hochschulen noch benötigt, scheint wiederum nicht ganz klar, wird doch deren ökonomische Lage, und die von vielen anderen, von der angepeilten Gebührenordnung verschärft, mithin so verschärft, dass sich viele aus den Universitäten verabschieden werden müssen. Abgesehen davon, dass es Studiengebühren partiell schon gibt, lebt es sich ja schließlich auch als Student nicht von Luft und Liebe allein. Die Lösung liegt vielleicht im Problem begründet. Wie konnte es nur zu dieser angeblich verzwickten Situation kommen?

      Erhellt wird die Bildungsszene von heute durch einen Blick in die Vergangenheit: Vergaß man doch tatsächlich nach der oben beschriebenen Bildungsexpansion der 70er Jahre, parallel zu dem Mehr an Studenten, den Hochschulen die entsprechend höheren Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die Hochschulpolitik der letzten 30 Jahre blieb beim "Immer-mehr-in-die-Hochschulen-Hinein-Prinzip" und ließ das "Immer-besser-aus-den-Hochschulen-Hinaus" einfach wegfallen. Die Folgen heute: hohe Abbruchquoten, zu wenig Innovationsfähigkeit, zu wenig Motivation aller Beteiligten, hoher brain drain ins Ausland, schlechte Bibliotheksausstattung, lange Studienzeiten, und ständig steigende private Kosten für ein Studium. Trotzdem müssen die Universitäten mit immer weniger Geld auskommen.


      Privatclub Wissensgesellschaft


      Den genannten, einer Wissensgesellschaft unwürdigen Bedingungen, insbesondere wenn sie im Land der Dichter und Denker gedeihen soll, will die Politik nun also mit dem Steuerungselement von (Studien-)Gebühren entgegentreten. Diese Maßnahme geht weit über die jetzt schon vorhandenen Kompensationsnotwendigkeiten aufgrund der Mängel des Bildungssystems durch Möglichkeiten des Zukaufs auf dem privaten Bildungsmarkt hinaus.

      Müssen sich Eltern für ihre Kinder schon jetzt Bücher und Nachhilfe erkaufen, ganz abgesehen von Kindergarten- und Kitagebühren, muss zukünftig wohl auch der Hochschulbesuch extra finanziell abgesichert werden. Ob das Familien mit unteren und mittleren Einkommen bewerkstelligen können, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, muss über die Folgen für die ganze Gesellschaft diskutiert werden, hat Intelligenz, Fleiß, Können, Wissen und Freude am Forschen doch keinen Geldbeutel.

      Eins scheint klar zu sein: Stipendien und Fördermaßnahmen können bei der heutigen Ungleichverteilung von Bildungschancen niemals einen freien Zugang zu den Hochschulen kompensieren. Außerdem wäre ein Stipendienmodell zum Großteil auch nichts anderes als eine weitere Privatisierungsmaßnahme.

      Heute kostet ein selbstfinanziertes Studium in den USA einen ansehnlichen fünfstelligen Betrag. Wäre dies in Deutschland auch so, wäre solch ein Risiko zu tragen für alle Studenten wie eine Wette auf die Zukunft. Für die Reichen weniger, für die Armen mehr. Insofern ist dies also auch eine Risikoverschiebung von der solidarischen Gemeinschaft auf das einzelne Individuum und vom Zeitpunkt der Bezahlung, also der Gegenwart, in Richtung Zukunft, wenn man so will, also eine Privatisierung des Risikos. Auch ein diskussionswürdiger Aspekt, verbirgt sich doch dahinter die Infragestellung des sozialen Rechtsstaates, wie er in der Gesetzesbegründung der Bildungsreformen der 70er Jahre definiert wurde:

      --------------------------------------------------------------------------------

      Der soziale Rechtsstaat, der soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, ist verpflichtet, durch Gewährung individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit hinzuwirken.
      :confused: :( (für die heutige Zeit ist sowas "weltfremd" geworden)
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16395/1.html
      Avatar
      schrieb am 29.12.03 20:35:17
      Beitrag Nr. 1.167 ()
      Die strategische Achillesferse der USA?

      Der Irak und das Problem der schrumpfenden Ölfördermenge

      von F. William Engdahl, Deutschland/USA*


      Der grösste Teil der Welt ist heute davon überzeugt, dass George W. Bush den Krieg gegen den Irak und Saddam Hussein weder wegen der Massenvernichtungswaffen noch wegen der Terrorismusgefahr geführt hat. Es ist jedoch immer noch ein Rätsel, warum Washington die Beziehungen zu seinen Verbündeten und der ganzen Welt aufs Spiel gesetzt hat, um den Irak zu besetzen. Es gibt überzeugende Indizien dafür, dass das Öl und die Geopolitik der Kern der immer noch kaschierten Gründe für den Krieg im Zweistromland sind.

      Es wird zunehmend klarer, dass es bei der US-Besetzung des Irak um die weltweite Kontrolle der Ölreserven geht. Kontrolle in einer Situation - und dies gilt es ins Auge zu fassen -, in der die Weltölreserven sehr viel geringer sind, als die Welt annimmt. Wenn das Folgende wahr ist, ist der Irak-Krieg nur die erste Schlacht in einem grossen Krieg um die weltweiten Energiereserven. Dieser Kampf wird schlimmer sein als alle bisherigen Kriege ums Öl. Es steht alles auf dem Spiel. Im Irak-Krieg geht es um die Entscheidung, wer wieviel Öl zu welchem Preis bekommt und wer leer ausgeht. Nie in der Geschichte war die Weltwirtschaft im Würgegriff einer einzigen Macht. Nach der Besetzung des Irak scheint es so zu sein.

      Führenden unabhängigen Geologen zufolge ist das Zeitalter von billigem, reichlich zur Verfügung stehendem Öl, welches das Weltwirtschaftswachstum für mehr als drei Jahrzehnte ermöglicht hat, wahrscheinlich vorbei. Zumindest haben die bekannten grossen Ölfördergebiete ihre Spitzenkapazität überschritten. Trotz teurer technischer Massnahmen wird die Förderleistung rapide sinken. Wenn diese Einschätzung richtig ist, werden die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen drastisch sein. Diese Realität wird in der allgemeinen Diskussion von den Ölmultis und wichtigen Regierungsstellen verschwiegen, vor allem die US-Regierung versucht dies zu verbergen. Die Ölfirmen verschweigen die Wahrheit über die abnehmenden Ölreserven, um die neuen Ölfelder so billig wie möglich kaufen zu können. Die US-Regierung dagegen hat ein strategisches Interesse daran, der Weltöffentlichkeit zu verschweigen, wie kritisch es um die Ölreserven steht.

      Auf Grund kompetenter Schätzungen international angesehener Geologen, beispielsweise des French Petroleum Institute, der Colorado School of Mines, der Uppsala University und von Petroconsultants in Genf, werden wir die Auswirkungen der rückläufigen Ölreserven bis zum Ende dieses Jahrzehnts oder sogar früher drastisch zu spüren bekommen. Dann wird die Weltwirtschaft am Abgrund stehen, und der Anstieg des Ölpreises in den 70er Jahren wird im Vergleich dazu lächerlich erscheinen. Mit anderen Worten, innerhalb der nächsten sieben bis zehn Jahre wird der wichtigste Brennstoff der Weltwirtschaft knapp.

      Die schrumpfende Höchstfördermenge (Peak Oil)
      Entscheidend für die Ölproduktion ist nicht, wieviel unter der Erde liegt. Diese Zahlen sehen gar nicht so schlecht aus. Das Problem entsteht, wenn grosse Ölfelder, beispielsweise Prudhoe Bay in Alaska oder Felder in der Nordsee, den Höhepunkt ihrer förderbaren Kapazität überschreiten. Der Produktionsverlauf eines Ölfeldes gleicht der Form einer Glocke. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn 50% der Ölreserven gefördert wurden. Zu diesem Zeitpunkt scheinen die Reserven noch üppig zu sein. Aber es ist nicht so rosig, wie es scheint. Die Fördermenge kann auf diesem Niveau wohl einige Zeit gehalten werden, bevor sie abnimmt. Ist der Höhepunkt überschritten, verläuft der Rückgang rapide: Es gibt immer noch genug Öl, aber es wird immer schwieriger, es zu fördern. Je aufwendiger es wird, den Förderdruck aufrechtzuerhalten, um so teurer wird das Öl, bis es ab einem gewissen Punkt unwirtschaftlich wird, das Öl zu fördern.

      Da die meisten Ölgesellschaften und Behörden, wie das US-Energieministerium, nicht von der wichtigen Variablen Höchstfördermenge sprechen, sondern irreführend nur von den Gesamtreserven, wiegt sich die Welt in einem falschen Gefühl von Sicherheit bezüglich der Energieversorgung. Die Wahrheit ist, dass sie alles andere als sicher ist.

      Fallbeispiele
      Einige Beispiele sollen dies belegen: 1991 fand man in Cruz Beana in Kolumbien das grösste Vorkommen in der westlichen Hemisphäre seit 1970. Aber die Fördermenge fiel von 500 000 Barrel pro Tag auf 200 000 Barrel pro Tag im Jahr 2002. Mitte der 80er Jahre wurden im Forty Field in der Nordsee 500 000 Barrel pro Tag gefördert - heute sind es nur noch 50 000. Eines der grössten Ölvorkommen der letzten 40 Jahre, Prudhoe Bay, brachte fast 12 Jahre lang 1,5 Millionen Barrel pro Tag. Die Höchstfördermenge wurde 1989 erreicht, heute sind es nur noch 350 000 Barrel täglich. Das riesige russische Samotlor-Feld brachte eine Höchstfördermenge von 3,5 Millionen Barrel pro Tag. Heute liegt sie bei 350 000. In jedem dieser Ölfelder wurde die Förderung dadurch aufrechterhalten, dass man Gas oder Wasser von oben in die ölhaltige Schicht pumpte, damit der Förderdruck im Ölfeld aufrechterhalten werden kann. Das grösste Ölfeld der Welt, Ghawar in Saudi-Arabien, liefert fast 60% des saudiarabischen Öls, ungefähr 4,5 Millionen Barrel täglich. Vor Jahren sprudelte das Öl von allein aus dem Boden. Um diese Menge heute zu erzielen, müssen die Saudis nach Angaben von Geologen 7 Millionen Barrel Salzwasser pro Tag hineinpumpen, ein alarmierendes Signal für den bevorstehenden Zusammenbruch der Förderung des grössten Ölreiches der Welt.

      Die wachsende Problematik der Höchstfördermenge ist unter den Ölexperten seit etwa acht Jahren bekannt. Das führende Ölberatungsunternehmen, Petroconsultants in Genf, veröffentlichte 1995 eine Untersuchung mit dem Titel «Weltweite Ölversorgung» (The World Oil Supply). Der für die Ölindustrie geschriebene Bericht kostete 35 000 Dollar. Sein Autor ist der Ölgeologe Dr. Colin Campbell. Dieser sagte 1999 vor dem britischen Unterhaus: «Die Entdeckung von neuen Ölreserven erreichte in den 60er Jahren den Höhepunkt. Heute finden wir für vier verbrauchte Barrel ein neues ... »

      Keine neuen Entdeckungenriesiger Ölfelder
      Nachdem die Opec in den 70er Jahren die Ölpreise nach oben trieb, wurden Nicht-Opec-Ölfelder, zum Beispiel in der Nordsee, in Alaska, in Venezuela und anderen Orten, profitabel. Die Ölförderung stieg markant an. Als Folge des höheren Ölpreises steigerten viele Industrienationen wie Frankreich, Deutschland, die USA und Japan drastisch die Energiegewinnung aus Atomkraftwerken. Dies schuf den Eindruck, das Ölproblem sei beseitigt. Das ist es aber bei weitem nicht.

      Wenn tatsächlich viele der heutigen grossen Ölfelder den Höhepunkt der Fördermenge überschritten haben und diese daher drastisch fällt, wenn gleichzeitig aber der weltweite Energiebedarf durch die sich entwickelnden Länder wie China, Indien, Afrika weiterhin wächst und wenn nicht genug Öl gefunden wird, um den Bedarf zu decken, dann ist für die Weltwirtschaft eine Krise grossen, sehr grossen Ausmasses absehbar. Dies würde auch den Wechsel der amerikanischen Aussenpolitik in Richtung einer weltweiten harschen neoimperialistischen Militärpräsenz erklären, vom Kosovo nach Afghanistan, von Westafrika nach Bagdad und darüber hinaus. Zu ergänzen ist, dass verschiedene Personen der jetzigen und der letzten US-Regierung mit der Ölfrage sehr vertraut sind und die Energie ein «Nationales Interesse der USA» darstellt.

      Es ist offensichtlich, dass die einfachste und ökonomischste Lösung darin besteht, ein neues, extrem grosses Ölfeld zu entdecken, dessen enormes Ölvolumen gefördert und zu geringen Kosten auf den Weltmarkt gebracht werden kann. Dies aber ist nicht der Fall. Dem kürzlich veröffentlichten Bericht über «Die weltgrössten Ölfelder» zufolge, erstellt von der Colorado School of Mines, «liefern die 120 grössten Ölfelder der Welt an die 33 Millionen Barrel täglich, dies sind fast 50% des weltweiten enormen Ölbedarfs. Die 14 grössten liefern über 20%, ihr Durchschnittsalter liegt bei 43,5 Jahren».1

      Diese Studie folgert, dass «die meisten der riesigen Ölfelder bereits vor Jahrzehnten entdeckt wurden». Obwohl in den letzten 20 Jahren Hunderte von Milliarden Dollar von den grossen Ölkonzernen ausgegeben wurden, sind die Ergebnisse erschreckend enttäuschend.

      Die grössten Ölkonzerne der Welt - ExxonMobil, Shell, ChevronTexaco, BP, ElfTotal und andere - haben Hunderte von Milliarden Dollar dafür investiert, genug Öl zu finden, um den bestehenden Ölbedarf zu decken. Zwischen 1996 und 1999 gaben 145 Gesellschaften 410 Milliarden Dollar nur dafür aus, genug Öl zu finden, damit die tägliche Fördermenge bei 30 Millionen Barrel stabil gehalten werden konnte. Von 1999 bis 2002 gaben die fünf grössten Gesellschaften weitere 150 Milliarden Dollar aus, und ihre Produktion wuchs von 16 Millionen Barrel täglich nur auf 16,6 Millionen Barrel, eine geringe Steigerung. Als die Sowjetunion in den frühen 90er Jahren auseinanderbrach, setzten die westlichen Ölgesellschaften sehr grosse Hoffnungen in die Ölreserven im Kaspischen Meer in Zentralasien.

      Enttäuschung im Kaspischen Meer
      Im Dezember 2002, direkt nach der Einnahme von Afghanistan durch die amerikanischen Truppen, veröffentlichte BP enttäuschende Ergebnisse von Probebohrungen im Kaspischen Meer, die den Schluss nahelegen, dass der dortige «Ölfund des Jahrhunderts» nur wenig mehr als ein Tropfen im Meer ist. Anstatt der vorhergesagten Ölmenge von über 200 Milliarden Barrel - ein neues Saudi-Arabien ausserhalb des Nahen Ostens - verkündete das amerikanische Aussenministerium, dass «das kaspische Öl nur 4% der weltweiten Ölreserven darstellt. Es wird niemals den Weltmarkt dominieren». PetroStrategies veröffentlichte eine Studie mit der Einschätzung, dass das Kaspische Meer lediglich 39 Milliarden Barrel enthält und dazu noch von schlechter Qualität. Kurz nachdem dies bekannt wurde, haben BP und andere westliche Ölgesellschaften begonnen, ihre Investitionspläne für diese Region zu reduzieren.

      Westafrika gerät ins Blickfeld
      Die Region, in der am intensivsten nach neuen Ölvorkommen gesucht wird, liegt im offenen Meer vor Westafrika, in der Küstenregion von Nigeria bis Angola. Präsident Bush machte dieses Jahr einen strategisch wichtigen Besuch in dieser Region. Das amerikanische Verteidigungsministerium unterzeichnete mit zwei kleinen strategisch wichtigen Inseln, Principe und San Tome, Abkommen über Militärbasen, um militärisch präsent sein zu können, falls irgendetwas den Ölfluss über den Atlantik gefährden sollte. Obwohl die vorhandene Ölmenge gross ist, ist das westafrikanische Öl kein neues Saudi-Arabien. Der Geologe Campbell schätzt, dass von den Tiefsee-Ölfeldern vor Angola, Nigeria und Brasilien zusammen etwa 85 Milliarden Barrel gefördert werden könnten, was den weltweiten Bedarf für drei bis vier Jahre decken würde.

      Explosive Zunahme des Ölbedarfs
      Während also viele der grössten Ölfelder heute eine deutlich rückläufige Fördermenge aufweisen, steigt im Gegensatz dazu die weltweite Nachfrage nach Öl gnadenlos, verursacht durch die wachsenden Marktwirtschaften von China, Indien und Asien. Sogar bei den heutigen schwachen Wachstumsraten des Bruttoinlandprodukts schätzen Wirtschaftsexperten, dass die weltweite Nachfrage nach Öl zu den derzeitigen Marktpreisen um 2% pro Jahr steigen wird.

      Vor zehn Jahren stellte China noch keine Einflussgrösse beim Weltimport von Öl dar. Es förderte den Grossteil seines begrenzten Bedarfs selbst vor Ort. Seit Anfang 1993 begann es jedoch mit dem Ölimport, um seinen wirtschaftlichen Bedarf zu decken. Gegen Ende 2003 hat China nun Japan überholt und ist aktuell das zweitgrösste Ölimportland hinter den USA geworden. Heute verbraucht China 20% der gesamten Energie der OECD-Wirtschaftsstaaten. Seine Öleinfuhr steigt mittlerweile um 9% jährlich, und man sagt voraus, dass sie im kommenden Jahrzehnt markant steigen wird, weil sich China zur grössten Industrienation der Welt entwickeln wird. Das Land wächst gegenwärtig um 7 bis 8% jährlich. Auch Indiens Marktwirtschaft hat sich in letzter Zeit rasant entwickelt.

      In beiden Ländern zusammen leben rund 2,5 Milliarden der Weltbevölkerung. Kein Wunder, dass sich China vehement im UN-Sicherheitsrat gegen den einseitigen Irak-Krieg der USA ausgesprochen hat. Chinas National Petroleum Company hatte nämlich lange versucht, sich die grössten Ölvorräte des Irak - vertraglich - zu sichern.

      Was Cheney 1999 wusste
      In einer Rede im International Petroleum Institute in London zeichnete Dick Cheney Ende 1999 als damaliger Chef der weltgrössten Ölgesellschaft, Halliburton, vor Insidern aus der Industrie ein Bild von Angebot und Nachfrage von Öl auf der Welt. Cheney führte aus: «Einigen Schätzungen zufolge wird die weltweite Nachfrage nach Öl in den kommenden Jahren jährlich um 2% ansteigen. Gleichzeitig ist aber vorsichtigen Schätzungen zufolge ein elementarer Rückgang der Förderung aus bestehenden Reserven zu verzeichnen.» Cheney beendete seine Rede mit einer besorgniserregenden Anmerkung: «Das bedeutet, dass wir bis 2010 weitere zusätzliche 50 Millionen Barrel pro Tag brauchen werden.» Dies entspricht der sechsfachen Menge der Förderung des heutigen Saudi-Arabiens.

      Vielleicht war es deshalb kein Zufall, dass Cheney als Vizepräsident als ersten bedeutenden Posten den Vorsitz eines vom Präsidenten eingesetzten Sonderdezernats für Energiefragen bekam. Denn Cheney kennt das Ausmass des Energieproblems, mit dem nicht nur die USA konfrontiert sind, sondern auch der Rest der Welt.

      Cheney erwies sich auch als der treibende Falke der Bush-Administration im Irak-Krieg zusammen mit Verteidigungsminister Rumsfeld. Es war auch Cheney, der immer wieder auf einen Feldzug gegen den Irak gedrängt hatte, ganz gleich, ob die Alliierten mitmachten oder nicht.

      Wenn man nun die Kenntnis über die globalen Ölreserven in Betracht zieht und ihre Lage - und dies im Lichte der oben ausgeführten Analyse über die «Höchstfördermenge» der heute vorhandenen Ölförderung -, dann wird es klarer, warum Cheney in Kauf genommen hat, mit der Besetzung der irakischen Ölfelder so viel aufs Spiel zu setzen, was das Ansehen Amerikas bei den Alliierten und anderen betrifft. Cheney ist bestens informiert über die Situation der globalen Ölreserven, da er der frühere Generaldirektor von Halliburton, der weltgrössten Ölfördergesellschaft, war.

      Die Achillesferse der USA?
      Die brennende Frage ist, woher wir die riesige fehlende Ölmenge bekommen sollen? In dem Jahrzehnt von 1990 bis 2000 wurden 42 Milliarden Barrel an neuen Ölreserven entdeckt. In der gleichen Zeit war ein weltweiter Verbrauch von 250 Milliarden Barrel zu verzeichnen. In den letzten zwei Jahrzehnten sind nur drei riesige Felder mit jeweils einer Milliarde Barrel entdeckt worden, in Norwegen, in Kolumbien und in Brasilien. Auf jedem Feld werden nur 200 000 Barrel täglich gefördert. Das ist weit weniger als die täglichen 50 Millionen Barrel, die die Welt benötigen wird.

      Ist nun das Zeitalter von billigem, reichlich zur Verfügung stehendem Öl zu Ende? Einer der wichtigsten Punkte in der Debatte um Washingtons Einmarsch in den Irak ist die Frage, wieviel Öl zum derzeitigen Marktwert auf der Welt gefunden werden muss. Die Debatte hat sich erstaunlich wenig mit diesem ökonomischen Gesichtspunkt von enormer Bedeutung beschäftigt.

      Folgt man den Schätzungen von C. Campbell und K. Aleklett von der Universität Uppsala, dann besitzen fünf Länder den grössten Anteil des verbleibenden Öls auf der Welt und könnten wahrscheinlich die Lücke schliessen, wenn andere Fördergebiete ihren Höhepunkt überschreiten. «Die fünf Hauptförderländer des Nahen Ostens, nämlich Abu Dhabi, der Irak, der Iran, Kuwait und Saudi-Arabien (einschliesslich der Neutralen Zone), die ungefähr über die Hälfte des verbleibenden Öls auf der Welt verfügen, können als flexible Produzenten die Lücke füllen zwischen der weltweiten Nachfrage und dem, was andere Länder fördern können ... »2

      Diese fünf Staaten - der Irak, der Iran, Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate - verfügen auf Grund geologischer Gegebenheiten über die Öl- und Gasreserven, die für das Wirtschaftswachstum der Welt lebensnotwendig sind. In einem Artikel des Oil and Gas Journal vom 7. Januar 2002 schrieb A. S. Bakhtiari von der staatlichen Ölgesellschaft: «Der Nahe Osten ist gleichzeitig die geostrategischste Gegend auf dem Globus mit der bedeutendsten Energieausbeute: Zwei Drittel der gesamten Rohölreserven konzentrieren sich auf fünf Länder, die an den Persischen Golf angrenzen.»3

      In einem Aufsatz, der im November 2001 veröffentlicht wurde, schrieb der bedeutende Geologe aus Princeton, Kenneth Deffeyes: «Die grösste Frage wird sein, in welchem Jahr die Ölförderung auf der Welt den Hubbert-Peak erreicht und danach ständig zurückgeht. Sowohl die graphischen als auch die Computeranalysen weisen das Jahr 2004 als das wahrscheinliche Jahr aus. Die einzige grösste Ungewissheit sind die enormen Reserven von Saudi-Arabien.» 4

      Wenn die Analyse über die Ölhöchstförderung richtig ist, dann liegt es auf der Hand, warum Washington so viel riskiert, um den Irak zu kontrollieren und mit seinen dortigen Militärbasen gleichzeitig auch die übrigen fünf ölreichsten Länder. Es liegt nahe, dass Washington aus der Position einer fundamentalen strategischen Schwäche operiert, nämlich der Energieknappheit, und nicht, wie man oft meint, aus einer absoluten Stärke heraus. Die Energiefrage scheint die strategische Achillesferse der USA zu sein, die sorgfältig kaschiert wird. Deshalb ist eine offene und umfassende Debatte über das Problem der Höchstfördermenge dringend erforderlich.
      :confused:
      * William Engdahl ist Autor des Buches «Mit der Ölwaffe zur Weltmacht», Wiesbaden 2002, ISBN 3-98073782-9

      1 «The World`s Giant Oilfields», Matthew R. Simmons, M. King Hubbert Center for Petroleum Supply Studies, Colorado School of Mines, January 2002.

      2 Aleklett, K. and Campbell, C.J., «The Peak and Decline of World Oil and Gas Production», veröffentlicht von der Association for the Study of Peak Oil and Gas, www.asponews.org .

      3 Bakhtiari, A.M. Samsam, «2002 to see birth of New World Energy Order», Oil and Gas Journal, January 7, 2002.

      4 Deffeyes, Kenneth S, «Peak of world oil production», Paper no. 83-0,Geological Society of America Annual Meeting, November 2001. gsa.confex.com.


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      http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_112b/T04.HTM
      Avatar
      schrieb am 29.12.03 20:37:22
      Beitrag Nr. 1.168 ()
      Polizei nimmt Parmalat-Gründer fest

      Ermittler werfen Tanzi betrügerischen Bankrott und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor


      Im Mailänder Gefängnis San Vittore wurde Parmalat-Gründer und Ex-Präsident Calisto Tanzi am Sonntag stundenlang verhört. Die Staatsanwälte ermitteln gegen ihn unter dem Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung und des betrügerischen Bankrotts. Am Samstagnachmittag erklärte ein Konkursgericht den größten italienischen Nahrungsmittelkonzern für insolvent.

      VON ROMAN ARENS








      Calisto Tanzi (ap)


      Rom · 28. Dezember · Der 65-jährige Tanzi, der sich nach Spanien abgesetzt hatte, war zu einer Anwaltsbesprechung nach Mailand zurückgekehrt und umgehend verhaftet worden. Die schweren Delikte, die ihm vorgeworfen werden, könnten ihm bis zu fünfzehn Jahre Haft einbringen. Ein zweites Motiv für den unerwartet schnellen Zugriff der Justiz neben der Fluchtgefahr: Die Ermittler befürchten, dass Tanzi wichtige Dokumente vernichten könnte. Die Annahme der Verdunkelungsgefahr stützt sich darauf, dass führende Parmalat-Manager nach Angaben von Ermittlern noch vor einer Woche Papiere verschwinden ließen und Festplatten von Computern mit Hämmern zerstörten.

      Dagegen sollen die Belege für ein Guthaben der Parmalat-Tochter Bonlat über 3,9 Milliarden Euro bei der Bank of America mithilfe eines Scanners hergestellt worden sein. Der frühere Finanzchef Fausto Tonna, der neuerdings mit den Mailänder Ermittlern zusammenarbeitet, machte vor allem seinen obersten Chef Tanzi für die Machenschaften und die Misswirtschaft verantwortlich.

      Wie groß das Finanzloch tatsächlich ist, darüber gibt es immer noch keine Klarheit. Der Corriere della Sera schrieb am Sonntag von einem "Minimum von sieben bis zu einem Maximum von 13 Milliarden Euro". Mit Hilfe von Tonna versuchen die Fahnder nun Aufklärung über das verschachtelte Imperium zu erhalten. Dieses erstreckt sich über fünf Kontinente bis hin zu Steuerparadiesen wie den Cayman Inseln. Trotz der schweren Vorwürfe zeigte sich Calisto Tanzi über seine Verhaftung ungehalten: "Ich hätte ohnehin am Dienstag die Ermittler aufgesucht." Der Großunternehmer, der immer noch mit einem 52-Prozent-Aktien-Paket die Mehrheit an Parmalat kontrolliert, wollte in diesen Tagen zunächst noch mit seinen Anwälten eine Verteidigungsstrategie aufbauen. Bei seiner Festnahme soll Tanzi auch gesagt haben: "Die verschwundenen Gelder in den Off-shore-Gesellschaften. Davon weiß ich nichts."

      Das Insolvenzgericht in Parma hat am Samstag seine Entscheidung getroffen, nachdem der neue Chef und Sanierer Enrico Bondi die Lage des Konzerns erläutert hat. Schon am Mittwoch hatte der Lebensmittelkonzern Gläubigerschutz beantragt, um die bei Insolvenzverfahren üblichen Verzögerungen zu vermeiden. Dies ist durch eine von der italienischen Regierung beschlossene Notverordnung möglich geworden. Durch die beiden Maßnahmen soll der Zusammenbruch des Konzerns vermieden und eine Atempause erreicht werden.

      Die Schulden werden zunächst eingefroren, bis der "außerordentliche Kommissar" Bondi einen Sanierungsplan vorlegen kann. Parmalat wird dann die jüngsten Gläubiger bezahlen können, um die Fortsetzung der Lieferungen und der industriellen Aktivitäten zu gewährleisten.

      Für die weltweit fast 36 000 Beschäftigten des Konzerns müssen die Gehälter aufgetrieben werden. Auch drängen Zulieferer auf ihre oft seit Monaten ausstehenden Zahlungen. Andernfalls drohten sie in existenzielle Schwierigkeiten zu geraten. Nach Medienbericht erwägt Sanierer Bondi den Verkauf nichtstrategischer Töchter der Gruppe, um den gewaltigen Schuldenberg abzubauen.


      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 29.12.03 20:40:58
      Beitrag Nr. 1.169 ()
      Immer mehr Stromhändler geben auf

      Best Energy wickelt Geschäft ab / Klage über hohe Netzgebühren / Neue Anbieter hoffen auf die Regulierungsbehörde


      Fünf Jahre nach Beginn der Liberalisierung auf dem Strommarkt ist die Auswahl für deutsche Haushalte so klein wie schon lange nicht mehr. Zahlreiche neue Anbieter sahen für sich unter den herrschenden Wettbewerbsbedingungen keine Chance und gaben frustriert auf.

      VON OLIVER RISTAU


      Pleiten im deutschen Strommarkt (FR-Infografik)


      Hamburg · 28. Dezember · Ares, Abos, Deutsche Strom, Riva, Zeus: die Liste der Pleiten in Deutschlands jungem freiem Strommarkt ist lang. Nun kommt noch die Berliner Best Energy dazu, mit 230 000 Kunden immerhin einer der größten neuen Stromanbieter, den es je in Deutschland gab. Für schwarze Zahlen hat es trotzdem nicht gereicht. Auf einen zweistelligen Millionenbetrag beliefen sich zuletzt die Verluste.

      "Hohe Netznutzungsentgelte und staatliche Abgaben wie Erneuerbare-Energien-Gesetz, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und Ökosteuer belasten den Strompreis und schmälern die Wechselbereitschaft der Stromverbraucher", heißt es auf der Homepage der hundertprozentigen Bewag-Tochter, die ihren Geschäftsbetrieb 2004 einstellen wird. Wann genau, ist noch offen. Bis dahin wird abgewickelt. "Geordneter Marktrückzug", heißt die offizielle Devise. Alle vertraglichen Verpflichtungen sollen erfüllt werden. Das Image des Mutterkonzerns, Bewag gehört zu Vattenfall Europe, soll nicht beschädigt werden.

      Inklusive der Liquidierung von Best Energy sind von den Insolvenzen auf dem deutschen Strommarkt 600 000 Kunden betroffen. Nach Schätzung des Bundesverbandes Neuer Energieanbieter (BNE) entspricht das knapp 30 Prozent aller rund 2,2 Millionen Kunden, die bislang ihren Stromversorger gewechselt haben.




      Was tun, wenn der Stromanbieter Pleite geht ?

      • Stellt ein Energieversorger einen Insolvenzantrag, ist die Gefahr groß, dass er früher oder später keinen Strom mehr liefert. Kunden sollten daher vorsichtig mit Vorauszahlungen sein. Es gibt keine Geld-zurück-Garantie. • Da es in Deutschland eine Versorgungspflicht des örtlichen Netzbetreibers gibt, wird bei keinem Kunden das Licht ausgehen. Jeder wird im Notfall automatisch vom Platzhirsch - zumeist der Monopolist aus früheren Zeiten - weiterversorgt. • In den meisten Fällen ist der Kunde dann allerdings für eine gewisse Zeit - nicht selten ein Jahr - an den neuen Energieversorger gebunden. Wer das vermeiden will, muss zuvor zu einem Anbieter seiner Wahl wechseln. Oftmals kann dieser eine Übereinkunft mit dem gestrauchelten Unternehmen erzielen. • Bei Best Energy sind die Kunden über das Ende der Versorgung rechtzeitig von ihrem Anbieter informiert worden. Das lag daran, dass die Gesellschaft nicht Insolvenz anmelden musste, sondern von ihrem Eigentümer im Laufe des kommenden Jahres aufgelöst wird. In solchen Fällen hat der Kunde Zeit, sich um einen neuen Versorger zu bemühen, bevor er automatisch an seinen Altversorger zurückfällt. ori




      "Für die neuen Anbieter hat es an politischer Unterstützung gefehlt", nennt BNE-Geschäftsführer Henning Borchers einen Grund für diesen Misserfolg. Denn im Zentrum deutscher Energiepolitik habe der Aufbau schlagkräftiger Großkonzerne gestanden. Die Regierung versuche die hiesige Stromwirtschaft so vor Übernahmen aus dem Ausland zu schützen - aus Sorge um die Eigenständigkeit der hiesigen Energiewirtschaft und die Versorgungssicherheit im Land. Ohne wettbewerbsfreundliche Bedingungen am Markt war es für die freien Stromanbieter aber kaum möglich, im Dschungel von über 900 Stadtwerken erfolgreich zu sein, die ihr angestammtes Monopol mit allen Mitteln verteidigten.

      "Viele der Neuen haben den bürokratischen Aufwand und die Höhe der Netzkosten unterschätzt", erläutert BNE-Chef Borchers. So musste für jeden einzelnen Haushaltskunden ein eigener Antrag zur Netznutzung gestellt werden. "Das hat zum Teil Monate gedauert", so der BNE-Geschäftsführer und frühere Best-Energy-Chef. Außerdem waren die Kosten der Netznutzung häufig so üppig kalkuliert, dass die neuen Anbieter kaum wettbewerbsfähige Preise anbieten konnten. Taten sie es in der Hoffnung auf bessere Zeiten doch, fuhren sie Verluste ein - bald rückte die erste Pleite auf die Tagesordnung.

      Zwar hat das Bundeskartellamt seit 2001 mehrere Dutzend Ermittlungen gegen die alteingesessene Stromwirtschaft eingeleitet. Doch das wirkte nur wie der Tropfen auf dem heißen Stein. Die Netzpreise sanken nur in Einzelfällen.

      Nicht zuletzt deshalb ist auch die Situation bei Yello, dem unter Marketinggesichtspunkten erfolgreichsten Herausforderer der etablierten Anbieter, alles andere als rosig. Die Kölner gaben dem Strom eine Farbe und angelten sich mit aufwendigen Werbekampagnen für ihren "gelben" Strom rund eine Million Kunden. Ökonomisch allerdings sind sie längst zu einem Sorgenkind für den Mutterkonzern, die Karlsruher EnBW, geworden: Yello soll in der kurzen Firmengeschichte einen Verlust von mehr als 500 Millionen Euro erzeugt haben.

      Anders als beim ruinösen Haushaltsstrom haben neue Anbieter im Geschäft mit dem Mittelstand Fuß fassen können. Trotz aller Hindernisse lohne sich der Einsatz dort auf Grund der nachgefragten Menge weit mehr, sagt Michael Baumgärtner, der Chef von Watt Deutschland. Im Geschäft mit der mittelständischen Wirtschaft hätten sich einige wenige Neulinge einen Marktanteil von rund fünf Prozent sichern können. Den Löwenanteil liefere jedoch weiterhin eine alte Garde, die zur Wahrung ihrer Marktanteile gerne auf üppige Erlöse aus dem Netzbetrieb zurückgreife. "Damit subventioniert manch ein Stromkonzern seinen defizitären Stromvertrieb", sagt Baumgärtner. Neue Anbieter blieben so außen vor. Daher sei die Regulierungsbehörde für den Strommarkt, die am 1. Juli 2004 mit ihrer Arbeit beginnen soll, so wichtig. "Wenn die Regulierung nicht einschneidende Verbesserungen bringt, bedeutet das das schleichende Aus für den Wettbewerb", fürchtet der Watt-Manager.

      Bis dahin, so BNE-Chef Borchers, werden die Großkonzerne sich noch einmal bedienen: "Die Arbeit der neuen Behörde wird sich wohl erst ab 2005 bemerkbar machen. Bis dahin bleibt für die Konzerne noch Zeit für Preiserhöhungen."

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 29.12.03 20:42:23
      Beitrag Nr. 1.170 ()
      KOMMENTAR

      Kurzschluss


      VON OLIVER RISTAU



      Fünf Jahre Wettbewerb in der Energiebranche: Die Großen sind noch größer geworden, ihre neu am Markt aufgetauchten Herausforderer im Zweifel pleite. Der Pseudo-Wettbewerb hat uns Giganten wie Eon und RWE beschert, frischen Saft von neuen Anbietern dagegen schnell versiegen lassen.

      Das war politisch so gewollt: Deutschlands Marktführer brauchen sich heute vor keiner fremden Übernahme mehr zu fürchten. Das machen sie im Zweifel lieber selber.

      Nur der Verbraucher wurde dabei vergessen. Zu merken ist das zum Monatswechsel wieder, wenn die Versorger ihre Stromkunden mit saftigen Tariferhöhungen ins neue Jahr schicken. Bei den Strompreisen ist Deutschland wieder da, wo es in Europa am Anfang der Liberalisierung stand: hoch oben.

      Das deutsche Strom-Oligopol macht es möglich. Das könnte sogar im nächsten Jahr noch eine Fortsetzung finden, befürchten viele. Denn bevor die Regulierungsbehörde Mitte 2004 ihre Arbeit aufnimmt, um den Netzbetreibern auf die Finger zu schauen, lassen sich noch mal ungehindert höhere Preise durchsetzen. Der Energieriese Eon hat das schon getan und steigende Netzgebühren fürs nächste Jahr angekündigt.

      Deshalb ist es zum Erhalt der Restvitalität des Marktes überlebenswichtig, dass die neue Regulierungsbehörde für den Strommarkt pünktlich mit ihrer Arbeit beginnt und schlagkräftig wird. Sie muss weit mehr Kompetenzen bekommen als das tapfere Bundeskartellamt, das zwar die Fahne des Wettbewerbs hochhielt, aber mangels Befugnissen und Personal kaum die Phalanx der Blockierer hat durchbrechen können. Ein starker Regulierer muss dafür sorgen, dass der Konkurrenzkampf auf dem Strommarkt fair ausgetragen wird. Dann gibt es in ein bis zwei Jahren vielleicht wieder neue Anbieter, die risikobereit genug sind, um es hier zu Lande mit den etablierten Lieferanten aufzunehmen.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 29.12.03 20:43:24
      Beitrag Nr. 1.171 ()
      CONTINENTAL

      Automobilzulieferer zieht es in Niedriglohnländer




      Hannover · 28. Dezember · dpa · Der Automobilzulieferer Continental hat eine weitere Verlagerung von Produktion sowie Forschung und Entwicklung ins Ausland angekündigt. "Wir werden in den nächsten Jahren weiter Produktion in Niedrigkosten-Ländern aufbauen", sagte Conti- Vorstandschef Manfred Wennemer. Conti werde damit künftig den größten Teil seines Kapazitätswachstums im Ausland erzielen. "Wir haben in Deutschland keine wettbewerbsfähige Kostenbasis." Ob dies Werkschließungen im Heimatmarkt bedeute, ließ Wennemer offen. Conti hat in Deutschland derzeit mehr als 30 Produktions- und Forschungsstandorte.

      Conti hat in der Vergangenheit vor allem Werke in osteuropäischen Billiglohn-Ländern wie Rumänien, Tschechien und der Slowakei gebaut. 2001 hatte Conti weltweit fünf Reifenwerke, darunter auch ein Werk in Deutschland, mit insgesamt 4500 Beschäftigten geschlossen.

      Wennemer sagte, Conti wolle zunehmend auch Forschungs- und Entwicklung in Billiglohn-Ländern aufbauen. "Wir werden aber auch künftig Entwicklung in Deutschland haben. Vor allem die Grundlagenforschung sehe ich auf absehbare Zeit in Deutschland."
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 29.12.03 20:48:14
      Beitrag Nr. 1.172 ()
      Software entwickelt

      550 000 Euro für Verbesserungsvorschlag


      Ein Mitarbeiter, dessen Vorschlag der Firma jährlich Millionen einspart, muss sich nicht mit 500 Euro abspeisen lassen.
      :D :cool:





      HB FRANKFURT. Rund 550 000 Euro muss ein Bankunternehmen einem Mitarbeiter für einen Verbesserungsvorschlag zahlen. Das Arbeitsgericht Frankfurt gab der Klage des Gruppenleiters in einem am Montag bekannt gewordenen Urteil statt. Gleichzeitig stellte es fest, die Prämien für derartige Vorschläge dürften sich an der Höhe des damit verbundenen finanziellen Vorteils für die Firma orientieren.

      Der mit der Abwicklung von Devisengeschäften beschäftigte Arbeitnehmer hatte ein Software-Programm zur Verbesserung der Devisenhandelsgeschäfte erarbeitet, das der Bank Einsparungen von jährlich rund 1,8 Millionen Euro einbrachte. Die Bank „bedankte“ sich für den Vorschlag mit einer Prämie von 500 Euro.

      Mit Erfolg verlangte der Bankanstellte nun vor Gericht eine Prämie von 30 Prozent der jährlichen Einsparung. Die Richter stellten im Urteil fest, dass der Verbesserungsvorschlag des Mannes unstreitig von einer Bewertungskommission der Bank als prämienwürdig eingestuft worden sei. Deshalb sei auch das Argument der Bank nicht zu halten, wonach die Entwicklung des Software-Programms keine Sonderleistung des Arbeitnehmers darstelle, sondern lediglich dessen reguläre Arbeitsaufgabe sei. Für einen derart weit reichenden Verbesserungsvorschlag könne ein Arbeitnehmer eine Prämie von 30 Prozent der jährlichen Einsparung verlangen, so der Vorsitzende Richter.

      Az.: 6 Ca 5261/03


      HANDELSBLATT, Montag, 29. Dezember 2003, 16:05 Uhr

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Avatar
      schrieb am 29.12.03 20:57:56
      Beitrag Nr. 1.173 ()
      Es juckt im Bärenfell

      von Jochen Steffens

      Es gilt im Börsengeschäft: wenn man sich unwohl fühlt mit seiner Meinung – wenn fast alle etwas anderes sagen, dann ist das gut, denn dann liegt man richtig, so sagt man ... Mir juckt mein Bärenfell. Auf 4300 Punkte steht mittlerweile das durchschnittliche Jahresziel der Institutionellen für 2004. Die Institutionellen sind bullish. Die Sorgenvollen werden weniger.

      Gestern hatte ich eine Diskussion mit einem meiner bullishsten Traderkollegen. Er hält eine Daxstand von bis zu 5200 Punkte im Laufe des Jahres für durchaus möglich. Schließen soll der Dax bei 4600 Punkten. Das Tief soll lediglich bei 3800 Punkte zu finden sein. Ich sage nicht, dass dies nicht eintreffen kann. Aber 5200 Punkte im Hoch?

      Nächstes Jahr ist Wahljahr. Bis November werden die US-Zinsen vielleicht nicht angehoben. Auf jeden Fall rechne ich nach wie vor damit, dass die US-Regierung alles tun wird, die Börsen oben zu halten. Wahljahre sind gute Jahre, sagt man. Das ist der Grund, warum so viele bullish für 2004 sind. Das ist auch der Grund warum mein Bärenfell juckt.

      Nicht, dass ich meine Meinung geändert hätte. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich die aktuelle US-Wirtschaftspolitik auf Harakirikurs befindet. Aber ich kann nicht einschätzen, wie gut es der amerikanischen Regierung gelingen wird, von den Problemen abzulenken, denn die Risse in der Wirtschaftspolitik werden deutlicher. So ist zum Beispiel der Auftrageingang für langlebige Wirtschaftsgüter im November drastisch gefallen. Der Auftragseingang sank um 3,1 % (!) Erwartet wurde ein Anstieg von 0,8 %. Das ist deshalb so sehr von Bedeutung, da diese Zahl ein Hinweis auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen gibt.

      Und hierum geht es, werden die US-Unternehmen 2004 wieder mehr investieren? Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass der Konkurrenzkampf und die Überproduktion den Unternehmen die Luft für Investitionen außerhalb der Kostenreduktion abschnürt. Dieser Wert ist ein deutliches Zeichen dafür. Allerdings ist der Wert "Auftragseingänge" extrem schwankungsfreudig. Auch hier muss also ein Trend abgewartet werden, bevor man diesen Wert eingehender in die Analyse einbeziehen kann.

      Wenn die Institutionellen bullish sind, dann sind sie zu einem gewissen risikogepufferten Maße bereits investiert. Viele erwarten zudem in der zweiten Hälfte des Jahres eher fallende Kurse. Mit anderen Worten, eigentlich sollte von dieser Seite keine große Kaufbereitschaft mehr auftauchen. Wer soll also kaufen? Die Kleinanleger? Die einen lecken sich noch die Wunden aus den Crashjahren und wollen nie wieder etwas mit Börse zu tun haben, die anderen kippen offenbar einer nach dem anderen ins Bullenlager. Kann hier noch viel kommen?

      Interessant ist, dass die EZB nun doch über eine Zinssenkung nachdenkt. Grund: Der hohe Euro. Wiederum ein Zeichen, dass sich die EZB viel mehr Sorgen macht, als sie offiziell zugeben will und das nicht ohne Grund. Der Dollar bleibt schwach. Eigentlich hätte diese Nachricht für einen fallenden Euro sorgen sollen. Weit gefehlt: Trotz dieser Nachricht konnte der Euro heute ein neues Hoch bei über 1,251 Dollar erklimmen. Und es gibt keinen Grund warum er nicht noch weiter steigen sollte – obwohl er im Moment etwas überhitzt scheint. Auch Gold steigt weiter und weiter ohne zu konsolidieren.

      Der Euro steht schon längst über der kritischen Grenze, auch wenn die Wirtschaft ebenfalls versucht zu beruhigen. Ich hatte es geschrieben: Japan füllt seine Kriegskasse für Devisenmarktinterventionen. Sicher hat Japan das nicht getan, weil mit einem plötzlich steigenden Dollar zu rechnen ist. Warum auch, wenn die Fed signalisiert, die Zinsen noch länger so niedrig zu halten. Der Euro wird weiter steigen, da wird auch eine Zinssenkung der EZB nicht viel ausrichten können. Und steigende Aktienkurse und ein steigender Euro, dass kann bei diesem Niveau nur noch zeitweise funktionieren. Auf lange Sicht wird sich einer dieser Trends durchsetzen, ich kann mir denken welcher.

      Gleichzeitig ist überall zu lesen, dass 2004 für Deutschland ein gutes Jahr wird. Aber auch die Weihnachtsaison sollte besser werden, hat aber mehr enttäuscht, als Analysten erwartet haben.

      Mein Bärenfell juckt und das ist gut so. Es ist wie das Ziehen einer alten Narbe, das vor schlechtem Wetter warnt. Ich bleibe dabei, 2004 wird ein Seitwärtsjahr mit leicht fallender Tendenz.

      Im Moment ist es schwierig, einen guten Trend für ganz neue Investitionen zu finden. Euro überhitzt, Gold ebenfalls. Rohstoffe bleiben auf lange Sicht interessant. Die US-Märkte und der Euroraum schon gut gelaufen. Ein paar Emerging Markets, China, Indien aber auch hier wird das Risiko mittlerweile schon größer.

      Eine Prognose kann ich geben: Sollten die Märkte bis zur Wahl oben bleiben, dann wird das Ende des Jahres düster und 2005 ebenfalls, egal wer gewinnt. Ein paar Tage nach der Wahl sind Puts angesagt. Das ist im Moment die einzig Prognose, bei der ich mir wirklich sicher bin. Leider werden bis dahin noch 11 zähe Monate vergehen und wer weiß, was bis dahin passiert. Aber ich halte für Sie die Augen offen!

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      Der Rest der Welt weiß es

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Der Rest der Welt weiß es irgendwie.

      Sie wissen, dass das alles ein Betrug ist. Die amerikanische Wirtschaftserholung ... die amerikanische Konsumentenvolkswirtschaft ... das Wiederauferstehen der Spekulationsblase ... irgendetwas sagt ihnen, dass das alles nicht so enden wird, wie sich das die Amerikaner derzeit vorstellen.

      Und so verkauft der Rest der Welt Tag für Tag seine Dollarbestände. Und jede US-Aktie ... jede amerikanische Lohnzahlung ... und jede Flasche Schnaps wird in Dollar abgerechnet.

      Präsident Bush könnte das tun, was am ehrlichsten und am ehrwürdigsten wäre. Er könnte den Wählern in einer öffentlichen TV-Ansprache erklären, dass die Nation derzeit mehr konsumiert, als sie sich leisten kann. "Wir werden alle zurückstecken müssen", könnte er sagen. "Und wir in Washington setzen ein Beispiel, indem wir unsere Ausgaben im nächsten Jahr um 15 % senken werden ..."

      "Und ich bin traurig, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber wir müssen auch die Steuern erhöhen. Andererseits werden wir einen immer größeren Schuldenberg auftürmen, mit dem dann unsere Kinder und Enkel klarkommen müssen."

      Sie haben das noch nicht gehört? Und Sie haben auch noch nicht gehört, dass Alan Greenspan die Zinsen erhöhen will, um den Dollar zu schützen?

      Nun, das werden Sie wahrscheinlich auch nicht hören. Die amerikanischen Wähler wollen Lügen, keine Wahrheit. Und diese Einschätzung beschränkt sich nicht nur auf die amerikanischen Wähler. Die Amerikaner wollen glauben, dass sie weiterhin Schuldenmachen und Konsumieren können, ohne negativen Folgen. Sie wissen, dass sie nicht alles essen können, was sie wollen; das Ergebnis davon sehen sie im Spiegel. Aber bei der Wirtschaft ist es verwirrend. Wenn Alan Greenspan sagt, dass die US-Wirtschaft in großartiger Verfassung sei – warum sollte man da mit ihm streiten? Und wenn George W. Bush sagt, dass es der Nation mit einem Haushaltsdefizit von 500 Milliarden Dollar besser geht – wer würde das schon besser wissen?


      Die Unterstützer von Bush sagen, dass die zusätzlichen Staatsausgaben durch den Krieg gegen den Terror notwendig gemacht worden seien. Aber mehr als die Hälfte der zusätzlichen Staatsausgaben ging in andere Bereiche.

      Der US-Präsident muss genauso gut wie alle anderen wissen, dass für diese Schulden irgendwann irgendwie eingestanden werden muss. Nur bis dahin ist es nicht sein Problem! Und Alan Greenspan weiß, dass irgendwann der gesamte Berg aus Papiergeld und Schulden den Himmel sprengen wird. Er will nur sicherstellen, dass dies nicht während seiner Amtszeit geschieht.

      Und das Gute beim Verfall des Dollarkurses ist die Tatsache, dass dadurch auch die amerikanischen Schulden entwertet werden.

      Die Ausländer haben gegenüber den USA Netto-Forderungen im Billionenbereich. Voilà! Der Rückgang des Dollarkurses löst einen großen Teil des amerikanischen Schuldenproblems. Was für eine elegante Lösung! Was für ein erfreulicher Ausgang! Und die Ausländer können auch nicht den US-Präsidenten wählen. Sie können sich noch nicht einmal beschweren – denn es ist ihr eigener verdammter Fehler.

      Aber Moment. Ist es wirklich so einfach? Die Ausländer werden bereits weiser. Tag für Tag verringert sich gleichzeitig mit dem fallenden Dollarkurs der Wert von allem in Amerika. Der Wert der Häuser, Aktien und Anleihen und Dividenden. Wie können die Amerikaner weiterhin ihren Lebensstil halten? Ohne neue Kredite aus dem Ausland ... woher werden sie da das Geld erhalten?

      Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie diese Geschichte weitergeht!

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      investorverlag.de
      Avatar
      schrieb am 29.12.03 20:59:20
      Beitrag Nr. 1.174 ()
      27.12.03 Die Mehrheit der Deutschen hat immer noch Schwierigkeiten mit der Gemeinschaftswährung

      Berlin - Auch zwei Jahre nach Einführung des Euro hat die Mehrheit der Bundesbürger die europäische Gemeinschaftswährung noch immer nicht "verinnerlicht". Nur für sechs Prozent der Deutschen ist der Euro ein "selbstverständlicher D-Mark-Ersatz", ergab eine jetzt in Berlin veröffentlichte Umfrage. Immerhin 42 Prozent der Befragten gaben an, dass sie nach wie vor manchmal den Betrag in D-Mark umrechnen, um sich Preise besser zu verdeutlichen. 28 Prozent sagten sogar, dass sie meistens die D-Mark beim Preisvergleich vor Augen hielten. Weitere 16 Prozent halten vom Euro überhaupt nichts und plädierten für die Wiedereinführung von D-Mark und Pfennig. ... Die von den Politikern immer wieder beschworenen Vorteile einer gemeinsamen europäischen Währung haben sich aus der Sicht der Mehrheit der Deutschen für sie persönlich noch nicht ausgewirkt. Insgesamt 56 Prozent der Befragten äußerten sich

      entsprechend. ... (Welt, 27.12.03)




      Kommentar: Der Euro wurde den Menschen zwangsverordnet und hat damit keinerlei demokratische Legitimation. Da wundert es dann wenig, dass niemand i diese Kunstwährung Vertrauen hat und sogar die alte Währung wieder haben möchte. Der Euro wird auch nicht lange Bestand haben – zu groß werden die Spannungen sein und er wird zerbrechen, wie alle vorausgegangenen Währungsunionen zerbrachen.



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      Billig! Billig! Billig!

      Preiskampf im Lebensmittelhandel schwappt auf andere Branchen über - Viele Verbraucher kaufen nur noch Sonderangebote---


      ... Düsseldorf/Berlin - Hauptsache billig - der Konsum-Elektronikhändler Saturn hat 2003 mit seinen Werbeslogan "Geiz ist geil" die Verbraucher in Scharen zu Schnäppchenjägern gemacht. ... Obwohl die meisten dieser Händler immer darauf bedacht waren, den Großteil der Preise unverändert zu lassen, schlägt sich die Rabattitis eindeutig in den Zahlen des Statistischen Bundesamtes nieder: Bei einer allgemeinen Preissteigerung von ein bis 1,1 Prozent in den ersten elf Monaten dieses Jahres sind die Preise in zwei von zwölf Kategorien des statistischen Warenkorbes gefallen: bei den Rabattitis-Branchen Kleidung und Schuhen, sowie Freizeit/Unterhaltungselektronik. ... In den Fußgängerzonen der Großstädte eröffneten zudem über 300 Discount-Bäcker mit Selbstbedienung, die das Brötchen zum halben Preis des Handwerksbäckers verkaufen. ... (Welt, 27.12.03)




      Kommentar: Die Verbraucher wurden in der letzten zeit regelrecht zum Schnäppchenjäger erzogen – sobald die Preise nicht weiter fallen, wird nicht mehr gekauft. Damit setzt man zusammen mit der fallenden Kaufkraft durch sinkende Löhne eine Deflationsspirale in Gang. Dies wird dann in weiterer Folge zu einem Zusammenbruch unseres gewohnten Finanzsystems führen. Mehr in der Neuerscheinung Deflation – die verheimlichte Gefahr“.
      Kommentare v. Günter Hannich
      http://www.geldcrash.de/index.htm
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      schrieb am 29.12.03 21:01:53
      Beitrag Nr. 1.175 ()
      Wo die nächsten Arbeitsplätze verlorengehen

      Obwohl derzeit alle Klimakonferenzen scheitern, kürzlich die in Mailand und zuvor die in Moskau, also das unselige Protokoll von Kyoto wohl nicht in Kraft treten kann, hat der Bundestag am 17. Dezember dennoch den deutschen "Klimaschutz" mit Zertifikatehandel und zentral kontrollierter Planwirtschaft auf den Weg gebracht. Unsere Politiker sind unbestechlich, sie nehmen nichtmal Vernunft an: selbst dann nicht, wenn Nobelpreisträger und Tausende Wissenschaftler gegen die ideologischen Pläne von Rio und Kyoto protestieren und sich inzwischen immer mehr Staaten davon distanzieren.

      In der für den Ökologismus nun mal typischen Starrsinnigkeit treibt man statt dessen die Vorbereitungen für den Zertifikatehandel vorwärts. So hat das Bundesumweltministerium eine Liste mit (derzeit) 2.629 einzelnen Anlagen veröffentlicht, deren Betrieb ab voraussichtlich 2005 der staatlichen Totalkontrolle unterliegen soll. Gemäß dem ebenfalls als Entwurf veröffentlichten "Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen" sollen die Eigentümer dieser Anlagen ihre Maschinen nur noch benutzen dürfen, wenn sie zuvor entsprechende "Klimascheine" erwerben - bei Androhung drastischer Strafen bei Mißachtung des Zwangshandels mit Emissionsrechten.

      Endlich ist es also geschafft! Deutschland rettet den Planeten - was geht es uns da an, daß ein paar dumme Arbeitsplätze zum Beispiel an diesen Anlagen verlorengehen? Muß es Ihnen nicht auch Ihren Job und Ihre Existenz wert sein, daß man in einem teuren Öko-Experiment einem nichtmal dem Grunde nach erwiesenen Treibhauseffekt nachjagt - der vielleicht sogar ganz gut für das Pflanzenwachstum und damit die Nahrungsmittelversorgung der Welt wäre?

      Das Bundesumweltministerium hat die Machtergreifung über unsere Industrie unter Umgehung des Wirtschaftsministeriums erreicht und wird in Zukunft auf dem Umweg über die jahrelang sorgfältig geschürten irrationalen Klimaängste unter Umgehung des Parlamentes bestimmen, wieviel Strom, wieviel Stahl und andere Industriegüter erzeugt werden - eine macht, die in Deutschland zuletzt nur die Planbehörde der ehemaligen DDR hatte, deren Wirtschaftssystem wir hiermit indirekt gänzlich übernommen haben.

      Die Horrorvision, die wir geschildert haben, wird also wohl doch Wirklichkeit: Das wird voraussichtlich zwei Konsequenzen haben. Einerseits ist wahrscheinlich, daß mit Emissionsquoten bald mehr Geld zu "verdienen" ist als mit der Produktion nützlicher Güter. Die betroffenen Anlagen werden also vermutlich reihenweise stillgelegt oder ins Ausland verlagert werden, was für die Mitarbeiter in jedem Falle Arbeitslosigkeit bedeutet. Andererseits wird die materielle Produktion auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zurückgehen, weil Produktion sich ja nicht mehr lohnt: das vermehrt Importe, die Abhängigkeit von ausländischen Versorgern und erhöht damit das Risiko von Versorgungsengpässen, was man aus der DDR ja auch noch in frischer Erinnerung hat.

      Immerhin hat uns die EU-Kommissarin Loyola de Palacio ja schon Energierationierung angekündigt. Das wird durch den Wahnsinn, den man jetzt in die Tat umsetzen will, zweifellos beschleunigt: bei der großen Energiekrise in Kalifornien 2001 haben wir bereits gesehen, wie der Ökologismus die Wirtschaft zersetzt. Das wird jetzt auch in Deutschland im Turbogang versucht. Daß Energieknappheit diesen Sommer schon 15.000 Menschenleben gekostet hat, wollen wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Eine wahrlich mörderische Politik!

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 29.12.03 21:09:15
      Beitrag Nr. 1.176 ()
      Das Ponzi-Spiel: Urahn aller Multi Level Marketing Spiele

      Charles Ponzi (1882-1949) begründete vor über 80 Jahren die nach ihm benannte Form des betrügerischen Pyramidenspieles, und kann daher als Begründer aller modernen Marketinmg-Sekten gesehen werden, die bis auf den heutigen Tag viele seiner Elemente übernehmen, aber vielfach weiter ausbauen und verfeinern. Dieser kleine Beitrag erzählt die geschichte des Charles Ponzi.

      Ponzi wanderte im November 1903 in die Vereinigten Staaten aus, und schlug sich dort mit Gelegenheitsjobs durch - Tellerwäscher, Übersetzer und Kellner. 1917 zog er nach Boston, wo er einen Job als Sekretär begann. In dieser Tätigkeit hatte er oft mit ausländischer Post zu tun. In diesem Zusammenhang entdeckte Ponzi im August 1917 einen Mechanismus, der ihn - und andere - reich machen konnte.

      Ponzi hatte einen Brief an einen Kunden in Spanien geschrieben, und der Antwort dierses Kunden lagen internationale Postantwortscheine bei. Ponzi hatte diese Postantwortscheine für seinen Auftraggeber zum Postamt zu bringen und sie dort in Briefmarken einzutauschen. Dabei fiel ihm auf, daß der Kunde in Spanien die Postantwortscheine für (damals) einen US-Cent erworben hatte; im Postamt in Boston erhielt Ponzi aber Briefmarken im Wert von 6 US-Cent. Das in den Postcoupons manifestierte Geld hatte sich also versechsfacht.

      Ponzi entwickelte daraus eine clevere Geschäftsidee: da er keine Mitarbeiter in Spanien (oder anderen Ländern mit damals ungünstigen Wechselkursen) zum Aufkauf von Postantwortscheinen hatte, begann er Wertpapiere herauszugeben, in denen dem "Investor" eine Verdoppelung des eingesetzten Geldes in nur 90 Tagen versprochen wurde. Zunächst stiegen Familienmitglieder und Verwandte auf diese Idee ein. Mit dem Geld kaufte Ponzi Postantwortscheine in Europa, und verdoppelte tatsächlich das eingesetzte Geld - in nur 45 statt wie ursprünglich versprochen in 90 Tagen.

      Kein Wunder, daß die Nachricht sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Am 26.12.1919 meldete Ponti sein Gewerbe als "Security Exchange Company" an. Bald standen die Leute vor seinem kleinen Büro schlange und kauften Promissory Notes im Wert von 10 US$ bis 50.000 US$. Sie wußten aber nicht, daß Ponzi seine Neuinvestoren nicht aus dem Gewinn des Geschäftes, sondern den Einzahlungen vorheriger Opfer auszahlte - also ein nach modernen Maßstäben illegales Pyramidenspiel betrieb.

      Am 26.07.1920 erschien ein Artikel auf der Titelseite der Boston Post, in dem die Rechtmäßigkeit des Geschäfts von Charles Ponzi bezweifelt wurde. Noch am selben Tag fand eine intensive Buchprüfung bei Ponzi statt, und innerhalb weniger Stunden standen Tausende vor seinem Büro an und wollten ihr Geld zurück. Ponzi gelang es, ca. 1.000 solche Ansprüche zu befriedigen.

      Am 10. August desselben Jahres jedoch veröffentlichten die Buchprüfer ihr Ergebnis, daß Ponzi definitiv bankrott sei. Zudem wurde nun plötzlich bekannt, daß Ponzi 1908 in Kanada zu 20 Monaten Gefängnis wegen Fälschung und 1910 in Atlanta wegen Menschenhandels zu weiteren zwei Jahren Haft verurteilt worden war. Das führte am 13.08.1920 zu Ponzis erneuter Verhaftung.

      Am Ende des Verfahrens gegen Ponzi standen ca. 40.000 Investoren, die Ponzi insgesamt ca. 15.000.000 US$ überlassen hatten, genug Geld, um ca. 180.000.000 Postantwortscheine zu kaufen. Man fand jedoch nur Belege über den Kauf von zwei solchen Postcoupons! Ponzis einziges legales Einkommen waren 45 US$ Dividenden aus Postaktien, aber sein Vermögen betrug zum Zeitpunkt des Zusammenbruches seines betrügerischen Unternehmens 1.593.834,12 US$, viel zu wenig um seine Schulden den Investoren gegenüber zu bezahlen, die im Durchschnitt zwischen 60% und 70% ihres eingesetzten Geldes verloren.

      Ponzi wurde zu von einem Bundesgericht zu dreieinhalb Jahren Haft, später von einem Gericht des Staates Massachusetts zu weiteren neun Jahren verurteilt, aber auf eine Kaution von 14.000 US$ bis zur Berufungsverhandlung freigelassen - und verschwand.

      Kurz darauf tauchte Ponzi unter dem falschen Namen Charles Borelli in Florida auf, wo er begann, Land für 16 US$/Acre zu kaufen, in Parzellen zu unterteilen und diese zu 10$ zu verkaufen. Er versprach seinen Anlegern, ihr ursprüngliches Investment von 10 Dollar würde sich in zwei Jahren auf 5,3 Millionen Dollar vermehren, vergaß aber anzumerken, daß das Land, um daß es ging, sich unter Wasser befand und völlig nutzlos war.

      Ponzi wurde erneut verurteilt, floh erneut, wurde wieder gefaßt und landete schließlich in Haft in Boston, von wo er 1934 nach Italien abgeschoben wurde, wo er später als Übersetzer u.a. für Mussolini arbeitete, der ihm einen guten Job in Italiens neuer Airline anbot. Das Ende des 2. Weltkrieges brachte Arbeitslosigkeit für Ponzi, der nach Brasilien ging und sich dort wieder von Arbeitslosengeld und Gelehenheitsjobs über Wasser hielt bis er 1949 in einem Armenkrankenhaus in Rio starb. Die 75 US$, die er in den sechs Monaten zuvor gespart hatte, reichten gerade für seine Beerdigung.

      Das Ponzi-Spiel ist in seiner kriminellen Energie schon zu seiner Zeit nicht neu (z.B. der Tulpen-Wahn war über 200 Jahre früher); seine Pyramidenstruktur macht es allerdings zum Modell für alle späteren Pyramidensysteme, die genau wie Ponzi entweder kein Produkt haben, oder ein völlig banales und nebensächliches Produkt, und die im Kern ebenso die Investoren aus den Einzahlern der Neueinsteiger ausbezahlen. Pyramidenspiele aller Art sind in Deutschland nach §6c UWG verboten und strafbar, aber diese Rechtsvorschrift wird leider viel zu selten angewandt.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      (ist unser heutiges Geldsystem nicht so ein ähnliches Spiel, nur mit viel mehr und (größeren) Spielern )?
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      schrieb am 29.12.03 21:11:43
      Beitrag Nr. 1.177 ()
      Avatar
      schrieb am 29.12.03 22:00:56
      Beitrag Nr. 1.178 ()
      Ausland
      Christian Giacomuzzi, Paris

      Frisierte Statistiken

      Französische Arbeitslosenzahlen gesetzlich gesenkt. Leistungen verringert

      Aufgrund einer Reform der französischen Arbeitslosenkasse Unedic werden ab dem 1. Januar 2004 etwa 180 000 Beschäftigungssuchende kein Arbeitslosengeld mehr erhalten. Bis 2006 wird die Reform zum Ausschluß von 613 000 Beschäftigungslosen führen, gab die Unedic jetzt in ihren Prognosen bekannt. Zudem werden die neuen Bestimmungen für die Zeitarbeiter im Kulturwesen nach Angaben der Gewerkschaften CGT und Force Ouvrière (FO) dazu führen, daß 30 Prozent der Künstler und Techniker in den Kulturbetrieben zwischen den einzelnen Jobs kein Arbeitslosengeld mehr erhält. Die Reformbestimmungen sollen dazu dienen, das Budget der Arbeitslosenversicherung zu sanieren, das Ende 2003 mit 4,3 Milliarden Euro in den roten Zahlen liegt.

      Das Statistikinstitut INSEE rechnet im Januar mit einer Abnahme der Arbeitslosengeldempfänger von 13 Prozent. Der Anteil der Beschäftigungslosen mit Anrecht auf Kassenzahlungen wird laut INSEE von 53 auf 45 Prozent absinken. Demgegenüber wird die Anzahl der Beschäftigungslosen im ersten Halbjahr 2004 weiter zunehmen.

      Zwei Drittel der Arbeitslosen, die kein Anrecht mehr auf das Arbeitslosengeld haben, werden künftig die soziale Mindestrente RMI erhalten. Dazu ist es allerdings nicht notwendig, sich in die Listen der Beschäftigungssuchenden einzuschreiben. Diese Personen werden daher nicht in den offiziellen Arbeitslosenstatistiken erscheinen. Das restliche Drittel hat Anrecht auf die Sonderrente ASS, die Langzeitarbeitslosen ohne andere soziale Absicherung zusteht. Die ASS beträgt 400 Euro monatlich, die RMI 411 Euro.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-30/005.php
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      schrieb am 29.12.03 22:23:15
      Beitrag Nr. 1.179 ()
      Ausland
      Rainer Rupp

      Terrorisierte Bevölkerung

      Inside 2003: Ständige Angriffswarnungen sollen US-Bürger in Kriegslaune halten


      Rechtzeitig vor den Weihnachtstagen hatte die Regierung von US-Präsident George W. Bush wegen angeblich neuer, »katastrophaler« Terrorgefahren die zweithöchste Alarmstufe (Orange) über das Land verhängt. Bis an die Zähne bewaffnetes Militär war wieder überall im Zivilleben präsent. Auf Flughäfen, Brücken oder die Häfen gingen Soldaten und Polizei in Stellung. Die US-Militärführung wurde aus dem Pentagon evakuiert und in geheime Kommandozentralen verlegt, was bei der Zivilbevölkerung offensichtlich zur Verunsicherung führen sollte. Wie sich nun herausstellt, basierte jedoch auch die jüngste Warnung nur auf vagen, nicht überprüfbaren Hinweisen der US-Geheimdienste, wonach Terroristen angeblich geplant hätten, ein Air-France- Flugzeug zu kapern. Die einzigen Angriffe, die es seit der Terrorwarnung gab, kamen allerdings aus der französischen Diplomatie. Diese richteten sich gegen die Handhabung des Mitte Dezember zwischen der Europäischen Union und den USA geschlossenen Sicherheitsabkommens. In dessen Rahmen sollen alle EU-Länder den Amerikanern die Listen mit sämtlichen Passagieren, die Flüge in die USA gebucht haben, einschließlich umfassender persönlicher Merkmale, zur Verfügung stellen.

      Französische Sicherheitsbeamte haben inzwischen erklärt, daß bei den Untersuchungen zu Personen, die vor den Weihnachtsfeiertagen auf sechs Air-France-Flügen von Paris nach Los Angeles Sitze gebucht hatten, dann aber nicht zum Abflug erschienen waren, keinerlei Hinweise auf mögliche terroristische Verbindungen gefunden wurden. Die Flüge waren annulliert worden, nachdem am Mittwoch vergangener Woche US-Sicherheitsbehörden Alarm geschlagen hatten, ein neuer katastrophalern Terroranschlag im Stil vom 11. September 2001 stehe unmittelbar bevor.

      Ähnliche »Übungen« mit Alarmstufe Orange hatte es zur Beunruhigung der US-Bevölkerung seit jenem 11. September immer wieder gegeben. Die grotesken offiziellen Empfehlungen der US-Behörden an die Bevölkerung, die Fenster und Türen ihrer Wohnungen mit Klebeband abzudichten, um so die mögliche Bedrohung durch chemische und biologische Waffen abzuwehren, erinnern an den Kalten Krieg. Damlas riet die US-Regierung der Bevölkerung, sich im Falle einer Atombombenexplosion mit einer Zeitung über dem Kopf zu schützen. Auch damals war es reine Angstmache, um die Bevölkerung unter den Druck ständiger Gefahr zu setzen. Die jüngsten Ergebnisse der unabhängigen Untersuchungskommission des US-Kongresses über die Ereignisse des 11. September haben ergeben, daß die Bush-Regierung trotz sehr konkrete Vorwarnungen keinerlei Vorsichts- oder Abwehrmaßnahmen getroffen hatte. Jetzt aber macht sie aus jeder Mücke einen Elefanten. Vor diesem Hintergrund kann die gegenwärtige Angstmache nur als erneuter Versuch der Bush-Regierung gewertet werden, die US-Bevölkerung weiterhin auf ihren »zeitlich unbegrenzten und weltweit geführten Krieg gegen den Terror« einzuschwören. Von dessen Notwendigkeit sind die meisten Amerikaner ohnehin überzeugt.

      In diesem Zusammenhang sei auch an die Pressekonferenz von US-Justizminister John Ashcroft Mitte Juni 2002 erinnert. Während seines Besuches in Moskau gab er die Verhaftung des zum Islam konvertierten US-Bürgers José Padilla bekannt, der angeblich die Explosion einer »schmutzigen Atombombe« geplant hatte. Nicht nur die US-Bevölkerung war über derlei Aussichten zutiefst beunruhigt. Als das FBI später keinerlei Beweise für Padillas angebliche »Terrorpläne« und nicht einmal Absichtserklärungen der angeblich Beteiligten fand, war der gewünschte Effekt längst erzielt. Zugleich verschwand José Padilla, inzwischen von der Bush-Regierung als »feindlicher Kämpfer« eingestuft, in einem Verließ der US-Armee, wo auf (Unrechts-)Grundlage des »Patriot Act I«, des nach dem 11. September verabschiedeten »Patriotengesetzes«, ausländische Terrorismusverdächtige in geheimer Verhandlung verurteilt und sogar hingerichtet werden können. Den Weg, um auch amerikanische Bürger wie ausländische Terroristen zu behandeln, ohne zuvor den Umweg über die Einstufung als »feindlicher Kämpfer« gehen zu müssen, wollte die Bush-Regierung mit dem »Patriotengesetz II« frei machen. Mit dessen Hilfe könnte jedem Amerikaner bei Terrorismusverdacht die US-Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Damit würden die »Verdächtigen« zu ausländischen Terroristen, auf die dann die Bestimmungen des »Patriotengesetzes I« angewendet werden können.

      Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen in den USA und der bewußten Irreführung der Bevölkerung ist es hilfreich, sich an die Aussagen Hermann Görings zu erinnern, die dieser am 18. April 1946 im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis gegenüber dem US-Verhöroffizier und studierten Psychologen Gustave M. Gilbert gemacht hatte. Einfache Leute gegen ihr ureigenes Interesse immer wieder dazu zu bringen, Kriege gegen andere Länder und Menschen zu führen, sei ganz einfach, so Göring. »Alles, was man (die Regierung) tun muß, ist, den Leuten zu sagen, daß sie angegriffen werden. Zugleich müssen die Pazifisten wegen ihres mangelnden Patriotismus, wodurch die Heimat der Gefahr ausgesetzt wird, verurteilt werden. Auf diese Art funktioniert es in jedem Land«, erklärte Göring.

      Allerdings hat sich in bürgerlich-liberalen Kreisen der USA inzwischen auch Widerstand gegen die zunehmende Terrorisierung der US-Gesellschaft durch die Bush-Regierung formiert. Während der »Patriot Act II« immer weniger Chancen hat, Gesetz zu werden, kommt auch der »Patriot Act I« in die Kritik mutiger Juristinnen und Juristen. So hat am 18. Dezember ein US-Bundesberufungsgericht im Fall José Padilla entschieden, daß US-Präsident Bush nicht das Recht hat, einen amerikanischen Bürger, der auf amerikanischem Territorium festgenommen wurde, als »feindlichen Kämpfer« zu behandeln und ihn ohne Anklage und ohne Verteidiger für unbegrenzte Zeit wegzusperren.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-30/006.php
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      schrieb am 29.12.03 22:28:26
      Beitrag Nr. 1.180 ()
      Titel
      jW-Bericht

      Böse Überraschungen

      Zu Weihnachten wurden weitere Details der »Reformen« der Bundesregierung bekannt


      Viele Neurentner werden 2004 ihr Geld nicht nur später ausgezahlt bekommen, sondern auch noch weniger davon in der Tasche haben als bisher gedacht. Das Bundessozialministerium bestätigte am Wochenende Medienberichte, wonach bei Auszahlung der Versicherungssumme einer Direktversicherung, einer Pensionskasse oder einem berufsständischen Versorgungswerk mit Eintritt in den Ruhestand ab 1. Januar 2004 der volle Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeitrag darauf fällig wird. Bislang wird der halbe Beitragssatz verlangt. Diese bisher kaum bekannte Detailregelung der Gesundheits»reform« trifft bereits im kommenden Jahr viele Neurentner. Betroffen sind laut Focus allein bei der Direktversicherung bis zu sechs Millionen Menschen. Privat Krankenversicherte bleiben dagegen von der Beitragspflicht verschont.

      Lebensversicherer müssen Kapitalauszahlungen an gesetzlich Krankenversicherte künftig automatisch an die Kassen melden. Diese strecken den Kapitalbetrag rechnerisch über zehn Jahre, also über 120 Monate. Bei einem Beitragssatz von 14,9 Prozent wird der direktversicherte Neurentner im Fall einer Kapitalauszahlung von 120 000 Euro laut Focus mit einem monatlichen Beitragssatz von 149 Euro für die Krankenkasse und 17 Euro für die Pflegeversicherung zusätzlich belastet. Damit wären von der Auszahlung nur noch 100 000 Euro übrig.

      Ministeriumssprecher Klaus Vater erklärte dazu, bei einer Auszahlung der Beträge in Form einer monatlichen Rente sei schon jetzt der volle Beitrag fällig. Dies sei »ungerecht« gewesen und deshalb geändert worden. Die Focus-Rechnung bezeichnete er als »Quatsch«, da die Verzinsung des Kapitals im Laufe der zehn Jahre nicht berücksichtigt worden sei.

      Vater bestätigte im Grundsatz auch Pläne einer von der Bundesregierung eingesetzten Arbeitsgruppe zur Umgestaltung der Pflegeversicherung, die eine stärkere Beteiligung von Familienangehörigen an den Kosten für die Betreuung alter Menschen vorsehen. Der Spiegel berichtet in seiner heutigen Ausgabe, daß die Unterhaltspflicht über Kinder und Enkel hinaus erweitert werden soll. Der Sprecher verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH). Die Richter hatten Mitte Dezember entschieden, daß im Einzelfall auch die Ersparnisse von Schwiegersöhnen und -töchtern angegriffen werden können, um einen Heimplatz zu bezahlen. Prinzipiell sei es das Ziel der Bundesregierung, die Pflege von Alten aus dem Pflegeheim mehr und mehr in die Familie zu verlagern, betonte Vater. Nach Darstellung des Spiegel wird in einem internen Papier der Arbeitsgruppe vorgeschlagen, den Zuschuß für einen Heimplatz von derzeit maximal 1 432 Euro monatlich »deutlich« zu kürzen.

      Berichte, die SPD plane eine Kürzung der Witwenrente für kinderlose Frauen, dementierte Vater. Selbst wenn es solche Überlegungen gebe, könnten sie aus Gründen des Vertrauensschutzes nur über einen sehr langen Zeitraum von 30 Jahren oder mehr umgesetzt werden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte in der Berliner Zeitung gesagt, in ihrer Partei und innerhalb der Regierung denke man über eine Umschichtung der Hinterbliebenenversorgung von Kinderlosen nach, um Familien bei der Rente besserzustellen.

      Doch es gibt auch Pläne, die Schmidt ganz schnell umsetzen will und kann. So möchte sie einen Zuschlag in Höhe von 2,50 Euro monatlich auf den Pflegeversicherungsbeitrag für alle einführen, die keine Kinder erziehen. Dies solle auch diejenigen betreffen, deren Kinder nicht mehr im Haushalt der Eltern leben. Damit ist der ursprünglich diskutierte einkommensabhängige Zuschlag zwischen einem und drei Euro vom Tisch. Schmidt verteidigte die Mehrbelastung für Nichterziehende mit dem Hinweis auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, Eltern auf der Beitragsseite zu entlasten.

      Experten verwiesen unterdessen erneut darauf, daß durch die von Regierung und Opposition beschlossene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe eine massiv zunehmende Kinderarmut in Deutschland zu befürchten ist. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die von der Sozialhilfe leben müssen, werde in den kommenden zwei Jahren von einer Million auf 1,5 Millionen ansteigen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, der Welt am Sonntag (siehe dazu auch jW-Bericht vom 1. August). Durch die Leistungskürzungen wachse die Zahl der Sozialhilfeempfänger von derzeit 2,8 Millionen auf 4,5 Millionen, sagte Schneider. Das sei der höchste Stand seit Kriegsende.

      Ministeriumssprecher Vater bestätigte unterdessen auch einen Bild-Bericht, wonach die erwarteten sinkenden Kassenbeiträge Rentnern erst mit dreimonatiger Verzögerung zugute kommen sollen. Vater betonte auch, die sinkenden Beiträge sollten nicht rückwirkend gutgeschrieben werden. Für Betriebsrenten soll laut Bild zudem der alte, höhere Kassenbeitrag gelten.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-29/001.php
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      schrieb am 29.12.03 22:37:15
      Beitrag Nr. 1.181 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      In die Suppenküche

      Die »Agenda 2010« ist noch kein voller Erfolg


      In der letzten Kabinettssitzung des Jahres habe sich, berichtete Regierungssprecher Bela Anda am 17. Dezember, der älteste in der Ministerrunde, Otto Schily, erhoben, um in einer Ansprache dem Kanzler für ein erfolgreiches Jahr 2003 und »herausragende Arbeit« zu danken, begleitet von zustimmendem Tischgeklopfe der Anwesenden. Anda: »Es wirkte spontan.«

      Die rührende Szene fand zwischen Vermittlungsausschuß und Bundestagssitzung statt, bei der etwa 98 Prozent der Abgeordneten für die »Agenda 2010« stimmten. Nach der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914, dem Ermächtigungsgesetz 1933 und der Bundestagssitzung am 9. November 1989 fand wieder eine Sternstunde des deutschen Parlamentarismus statt: Wenn es anderen ans Leder geht, stehen deutsche Abgeordnete zusammen.

      Die Freude war allerdings gedämpft, denn der Sieg im Krieg gegen Arbeits- und Obdachlose ist etwas langfristiger terminiert als früher: Es dauert nicht bis Weihnachten, wie Wilhelm II. seinerzeit versprach, sondern ein paar Jahre, bis genügend Arbeitslose aus der Statistik und in die Sozialhilfe gefallen sind, um ein deutliches Sinken der Arbeitslosigkeit zu verkünden. Von 2,8 Millionen geht es erst einmal auf 4,5 Millionen hinauf, berechnete der Paritätische Wohlfahrtsverband. Es reichen auch nicht vier Jahre, um die Rentenwelt nicht wiederzuerkennen, auch wenn dem ersten Schritt zur Abschaffung rasch weitere folgen werden. »Blühende Landschaften«, also die Einführung von flächendeckender Arbeitslosigkeit und rückständigem Bildungssystem, wurden diesmal nicht versprochen, die Erinnerung ist noch zu frisch. Dafür kündigte der Kanzler die Gesundung von der »deutschen Krankheit« an. Das ist nicht gleich ein »Platz an der Sonne«, gemeint ist aber dasselbe: Stabiles Wachstum des deutschen Kapital- und Warenexports plus allfälligen Feldzügen. Wer Krieg gegen die Armen im eigenen Land führt, senkt die Hemmschwelle bei der nächsten »humanitären« oder »zivilisatorischen« Intervention gegen die außerhalb.

      Der 19. Dezember 2003 war nur ein Anfang. Das Kabinett feierte sich zu früh. Das Handelsblatt nannte am vergangenen Dienstag das wirkliche Erfolgskriterium: Die Verantwortung für die Not des Einzelnen werde durch die »Agenda 2010« nicht aufgegeben, sondern anders verteilt, nämlich durch »privatisierte Solidarität«. In den USA gehöre es längst »zum guten Ton in besseren Kreisen, persönliches Engagement für Arme und Benachteiligte zu zeigen, bis hin zum Ausschenken in Suppenküchen.« Merke: Erst wenn die Suppenküche an die Stelle der Sozialversicherung getreten ist, lebst du in der besten aller möglichen Welten.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-29/002.php
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      schrieb am 29.12.03 22:41:07
      Beitrag Nr. 1.182 ()
      Inland


      Reform für Großverdiener

      Steuersenkungen kurbeln mitnichten den Konsum an. Was ab dem 1. Januar auf uns zukommt (Teil 3)


      Selbst die sogenannten Wirtschaftsweisen sind sich einig: Wenn der »Aufschwung« kommt, dann mit Sicherheit nicht durch die von Regierungskoalition und Unionsparteien ausgehandelten Steuersenkungen. Millionen Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose sehen dadurch keinen einzigen zusätzlichen Cent. Die große Mehrheit der Bürger mit Arbeitsplatz kann sich derweil über eine Steigerung ihrer Nettoeinkünfte um 90 bis 600 Euro jährlich freuen – Beträge, die etwa in der Bundeshauptstadt bei Familien mit Kindern allein durch die Erhöhung der Kitakosten wieder neutralisiert werden.

      Konkret wurde im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat beschlossen, den Eingangssteuersatz zum 1. Januar von 19,9 auf 16 Prozent und den Spitzensteuersatz von 48,5 auf 45 Prozent zu senken. Letzterer greift ab 52 151 Euro Bruttoverdienst (bisher 55 007). Der Grundfreibetrag erhöht sich von 7 235 auf 7 664 Euro. Der Werbungskosten-Pauschbetrag, den abhängig Beschäftigte von der Steuer absetzen können, sinkt von 1 044 auf 920 Euro. Als Entfernungspauschale für den Arbeitsweg gibt es nur noch einheitlich 30 Cent je Kilometer statt bisher 36 bzw. 40 Cent. Mehr als 4500 Kilometer pro Jahr dürfen nur noch bei der Nutzung eines Kraftwagens abgesetzt werden.

      »Echte« Alleinerziehende, also diejenigen, die tatsächlich ohne Partner leben, erhalten einen Haushaltsfreibetrag von 1 308 Euro, der bisherige Haushaltsfreibetrag (2 340 Euro) entfällt.

      Der nicht zu versteuernde Sparerfreibetrag an Zinseinnahmen reduziert sich zum 1. Januar auf 1 370 Euro für Ledige bzw. 2 740 Euro für Ehepaare (bisher 1 550/3 100 Euro). Die Arbeitnehmersparzulage wird auf 18, im Osten auf 22 Prozent der angelegten vermögenswirksamen Leistung reduziert und gilt bis zu einem Höchstbetrag von maximal 400 Euro.

      Parallel zu den Steuersenkungen, von denen vor allem Spitzenverdiener profitieren, ist die Amnestie für Steuerhinterzieher beschlossen worden. Wer im Laufe des nächsten Jahres per Selbstanzeige seine eigene Steuerhinterziehung meldet, bleibt straffrei und muß nur 25 Prozent des hinterzogenen Betrages beim Fiskus abliefern. Wer dies im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2005 tut, muß 35 Prozent des Betrages zurückzahlen.

      Von Vergünstigungen wie der Absetzung der Kosten für eine doppelte Haushaltsführung aus beruflichen Gründen profitieren ebenfalls im wesentlichen Besserverdienende. Entsprechende Aufwendungen können künftig zeitlich unbegrenzt von der Steuer abgesetzt werden. Bislang war diese Möglichkeit auf zwei Jahre begrenzt. Doch an einigen Stellen gibt es sogar in den oberen Einkommensklassen Kappungen: Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge sind im neuen Jahr ab einem Stundenlohn über 50 Euro nicht mehr steuerfrei.

      Die Förderung des »Häuslebauens« wird um insgesamt 30 Prozent reduziert. Die Eigenheimzulage beträgt ab dem 1. Januar höchstens 1 250 Euro jährlich für Alt- wie Neubauten. Bisher bekam man 1 278 Euro für Alt- und 2 556 für Neubauten. Die Kinderzulage steigt von 767 auf 800 Euro. Die Einkommensgrenzen für die Gewährung dieser Zuschüsse werden von 82 000 auf 70 000 Euro für Ledige und von 164 000 auf 140 000 Euro für Ehepaare herabgesetzt. Pro Kind steigt die Einkommensgrenze um 30 000 Euro. Die Förderung wird weiterhin für acht Jahre gewährt. Aus- und Erweiterungsbauten werden nicht mehr unterstützt.

      Rund 800 000 Freiberufler wie Ärzte, Architekten und Anwälte müssen auch weiter keine Gewerbesteuer zahlen. Entsprechende Pläne der Regierung wurden von CDU/CSU verhindert.

      Mit der Steuer»reform« wird auch eine Mindestbesteuerung für große Unternehmen eingeführt. Sie betrifft etwa zwei Prozent der Firmen. Verlustvorträge können danach nicht mehr unbegrenzt mit Gewinnen gegengerechnet werden. Verluste, die über einer Million Euro liegen, können danach nur noch zu 60 Prozent vom Gewinn abgezogen werden.

      Die Tabaksteuer wird am 1. März und 1. Dezember 2004 sowie am 1. September 2005 jeweils um 1,2 Cent pro Zigarette erhöht.

      (AP/jW)
      http://www.jungewelt.de/2003/12-29/011.php
      Avatar
      schrieb am 29.12.03 22:53:36
      Beitrag Nr. 1.183 ()
      Inland
      Helga Schönwald

      Gesundheit wird teuer ("Deform" ist vollbracht)

      Der Gesetzgeber hat Zuzahlungen drastisch heraufgesetzt. Was ab dem 1. Januar auf uns zukommt (Teil 4)
      :mad: :mad:

      Die Botschaft an den Apothekentüren ist von niemandem zu übersehen: Ab 1. Januar sind sämtliche Bescheinigungen über Zuzahlungsbefreiungen ungültig. Alle bei einer gesetzlichen Krankenkasse Versicherten, auch Sozialhilfebezieher über 18 Jahre, haben »zuzuzahlen«. Außerdem sind diese sogenannten Zuzahlungen erweitert und erhöht worden. jW fragte zu einzelnen Regelungen nach. Denn es ist wie so oft bei kurz vor Inkrafttreten verabschiedeten Gesundheits»reformen«: »An etlichen Stellen ist der Gesetzestext zu ungenau, müssen erst Vereinbarungen zur Umsetzung getroffen werden«, konstatierte noch unmittelbar vor Weihnachten der Sprecher der AOK Brandenburg, Jörg Trinogga, gegenüber junge Welt.

      Komplett gestrichen wurden vom Gesetzgeber das Sterbegeld (525 Euro) und das Entbindungsgeld (77 Euro für Frauen ohne Mutterschaftsgeld). Übergangslos. Ebenfalls vom Patienten allein zu bezahlen sind ab 2004 Brillen und Kontaktlinsen. Nur Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre und schwer Sehbeeinträchtigte, laut Berliner Zeitung diejenigen, die mit Sehhilfe höchstens 30 Prozent Sehkraft haben, können weiter Leistungen beanspruchen.

      Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel erstatten die Kassen ebenfalls nicht mehr. Bis auf diese Ausnahmen: für Kinder bis zwölf Jahre, für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen und zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, wenn sie zum Therapiestandard gehören. Als Beispiel nannten die Verbraucherzentralen hier Mistelpräparate in der Krebstherapie. Was »Therapiestandard« ist, wird für den medizinischen Laien aber schwer herauszubekommen sein. Man müsse sich das nicht so nachlesbar festgelegt vorstellen, kommentierte Brandenburgs AOK-Sprecher Trinogga. Ein schwacher Trost für alle, die nun keine rezeptfreien Medikamente mehr verordnet bekommen, dürfte deren Preisfreigabe sein. Das Gesundheitsministerium rechnet mit »Preiswettbewerb«, Experten mit den Einfällen der Hersteller dagegen.

      Grundsätzlich nicht mehr von gesetzlichen Kassen bezahlt werden »Medikamente zur Verbesserung der privaten Lebensführung«, laut Ministerium u. a. Mittel gegen Potenzschwäche, zur Raucherentwöhnung oder Gewichtsabnahme. Auch Fahrkosten zur ambulanten Behandlung werden – ohne zwingende medizinische Gründe – nicht mehr übernommen. Die liegen laut Übergangsregelung vom Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen nur bei Fahrten zur Dialyse, zur Strahlen- und zur Chemotherapie vor. Dies seien die für alle Ärzte und Kassen verbindlichen Ausnahmen.

      Aus dem Leistungskatalog wurde ebenfalls die Sterilisation gestrichen, wenn sie nicht medizinisch notwendig ist. Bei künstlichen Befruchtungsversuchen werden statt vier nur noch drei zur Hälfte bezahlt, und zwar für Frauen zwischen 25 und 40 Jahren, für Männer bis 50 Jahre.

      Ab 2005 muß der Versicherungsbeitrag für die wie schon bisher eingegrenzte Versorgung mit Zahnersatz komplett vom Versicherten übernommen werden. Monatlich soll dies voraussichtlich sechs Euro ausmachen. Allerdings: In der »Voraussicht« der Politik sollte auch der Beitragssatz der Krankenkassen durch die Gesundheits»reform« spürbar sinken. Damit rechnet inzwischen niemand mehr. Ab 2006 ist außerdem ein »Sonderbeitrag« zu leisten, dann fürs Krankengeld in Höhe von 0,5 Prozent.

      Ab 2004 gehen alle geleisteten Zuzahlungen in die Berechnung ein, ob die sogenannte Belastungsgrenze von zwei Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens erreicht ist. Jeder ab 18 Jahre hat zuzuzahlen. Auch Sozialhilfebezieher, allerdings »nur« bis zwei Prozent des Satzes für den sogenannten Haushaltsvorstand. Der beträgt monatlich etwa 300, jährlich rund 3600 Euro. Zwei Prozent davon entsprechen etwa 72 Euro. Sollten die auf einmal anfallen – dafür genügt ein Arztbesuch und die anschließende Klinikeinweisung für sechs Tage – wird es für den Betroffenen noch schwieriger, mit der Sozialhilfe bis zum Monatsende zu kommen. Aber eine Stundungsregelung oder Ähnliches sei nicht vorgesehen, ergab eine jW-Nachfrage bei der AOK Brandenburg. Die Mitarbeiter sollten jedoch besonders Belasteten möglichst umgehend auf entsprechenden Antrag (mit Zuzahlungsquittungen und den Unterlagen zur Sozialhilfe) eine Befreiung von weiteren Zuzahlungen ausstellen.

      Zum jährlichen Bruttoeinkommen zählen auch Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung oder Verpachtung. Bei in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Familien (außer Sozialhilfebezieher) werden alle Bruttoeinkommen addiert. Dazu zählt auch die Ausbildungsvergütung der Tochter/des Sohnes in der Lehre, nicht aber Gelder nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, sprich BAföG. Pro Kind in der Familie kann vom gemeinsamen jährlichen Bruttoeinkommen ein Freibetrag von 3648 Euro bei der Berechnung der Belastungsgrenze abgezogen werden. Als Kinder gelten hier, so die AOK Brandenburg, im Haushalt lebende familienversicherte Kinder. Für den Ehegatten oder gleichgeschlechtlichen Partner in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft ohne eigene Einkünfte beträgt der Freibetrag 4347 Euro.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-30/010.php
      Avatar
      schrieb am 30.12.03 16:21:07
      Beitrag Nr. 1.184 ()
      #Bluemoons und Harry, ich habe 2003 sehr von euerer gut sortierten Presseschau profitiert.

      Vielen Dank für den Service!

      Alles Gute für 2004 wünscht
      0,007
      Avatar
      schrieb am 30.12.03 17:32:46
      Beitrag Nr. 1.185 ()
      wünsche noch allen Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr.
      Avatar
      schrieb am 30.12.03 23:22:36
      Beitrag Nr. 1.186 ()
      Ausland
      Sonja Engelhardt, Oakland

      Kein gesundes neues Jahr

      USA: Streik von Supermarktbeschäftigten für Erhalt von Krankenversicherung vor dem Aus


      Im ersten Streik der Supermarktbeschäftigten in Kalifornien seit 25 Jahren stehen die 75 000 Angestellten der Supermarktketten von Safeway, Albertsons und Ralphs jetzt vor einer schmerzhaften Niederlage, die zum Verlust ihrer Krankenversicherung führen könnte. Die Arbeitgeber verlangen, daß die Beschäftigten, um ihre Krankenversicherung zu behalten, auf bis zu 25 Prozent ihres jetzigen Einkommens verzichten sollen. Dies bedeutet, fünf- bis sechstausend Dollar pro Jahr an Eigenbeiträgen zu zahlen. Aus Sicht der Supermarktketten sei dies ein »angemessener Beitrag« der Beschäftigten zu den gestiegenen Versicherungskosten. Die Konzessionen seien notwendig, um mit nicht gewerkschaftlich organisierten Supermarktketten wie Walmart konkurrieren zu können.

      Die Beschäftigten von Walmart verdienen etwa 30 Prozent weniger als die gewerkschaftlich organisierten Angestellten anderer Supermärkte. Über die Hälfte der Walmartangestellten kann sich keine Krankenversicherung leisten, da die vom Konzern verlangte Eigenbeteiligung für sie nicht bezahlbar ist. Doch statt für die gewerkschaftliche Organisierung, höhere Löhne und eine kostenlose oder zumindest tragbare Krankenversicherung für die Walmart-Kollegen zu kämpfen, ist die Gewerkschaft der Supermarktbeschäftigten (United Food and Commercial Workers International Union – UFCW) zu Einschnitten bei ihren Gewerkschaftsmitgliedern bereit, um weiterhin mit den Niedriglohnketten konkurrieren zu können. Am Freitag vergangener Woche wurden die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebervertretern abgebrochen. Zuvor hatte die UFCW ein Angebot unterbreitet, welches die Krankenversicherungsbeiträge der Arbeitgeber um insgesamt 350 Millionen Dollar reduziert hätte. Doch dieses Angebot war den Vertretern von Safeway, Albertsons und Ralphs nicht genug. Obgleich diese ihre Profite seit 1998 um 91 Prozent erhöht haben, müßten nach ihren Aussagen die Arbeitskosten grundlegend restrukturiert werden.

      Als »Zeichen des guten Willens« hat die Gewerkschaft kurz vor Weihnachten auch ihre Streikposten von den Lagerhallen abgezogen. Diese Blockade war bislang am effektivsten und hatte für leere Regale in den Supermärkten gesorgt. Jetzt bleiben nur noch die Streikposten vor den Läden selbst, und auch diese Streikfront bröckelt. Die Kollegen sind zunehmend frustriert. Viele kamen der Aufforderung ihrer eigenen Gewerkschaft nach, sich Nebenjobs zu suchen, da das geringe Streikgeld nicht zum Leben ausreicht.

      Ernüchternd für die Beschäftigten ist nicht nur die Tatsache, daß sie in keiner Weise an den Verhandlungen beteiligt werden und sie sich unzureichend informiert fühlen. Sondern auch, daß viele Konsumenten ihre Streikposten vor den Läden mit dem Kommentar passieren, sie hätten ja selbst keine Krankenversicherung und überhaupt keine Chance, an einen mit gewerkschaftlichen Rechten und Zulagen ausgestatteten Job zu kommen. Tatsächlich haben in den USA 43,6 Millionen Menschen (15,2 Prozent der Bevölkerung) keine Krankenversicherung, eine Zahl, die Jahr für Jahr steigt. Betroffen sind hierbei nicht nur Arbeitslose, alleinerziehende Mütter, ältere Menschen oder Kinder. Auch der Anteil der Beschäftigten, die von ihrem Arbeitgeber mit der Gunst einer Krankenversicherung ausgestattet werden, ist von Jahr zu Jahr rückgängig. Im Moment haben nur ca. 61 Prozent aller abhängig Beschäftigten in den USA eine Krankenversicherung.

      Die UFCW hätte in diesem Arbeitskampf die Chance, die Mißstände in dem Bereich der Gesundheitsversorgung in den USA bloßzulegen und für eine bezahlbare Krankenversicherung für alle einzutreten. Nur so könnte Solidarität entstehen. Da die Gewerkschaft jedoch eher bereit zu sein scheint, auf Rechtezu verzichten, scheint alles andere als ein gesundes neues Jahr für die Supermarktbeschäftigten in den USA programmiert.
      http://www.jungewelt.de/2003/12-31/004.php
      Avatar
      schrieb am 30.12.03 23:27:50
      Beitrag Nr. 1.187 ()
      31.12.2003

      Inland
      Helga Schönwald

      Auf daß es in den Kassen klingelt

      Zehn Euro Eintrittsgebühr beim Arzt – dafür werden die Leistungen eingeschränkt. Was ab dem 1. Januar auf uns zukommt (Teil 5 und Schluß)


      Künftig ist es noch wichtiger, sich sämtliche Zuzahlungen als gesetzlich Krankenversicherter quittieren zu lassen. Nachdem es gestern an dieser Stelle um Streichungen aus dem Leistungskatalog der Kassen ging und um die Berechnung der Zuzahlungsgrenze, heute ein Überblick, wo man überall zur Kasse gebeten wird: beim Arztbesuch einmal pro Quartal mit zehn Euro, danach im selben Vierteljahr beim selben Arzt nicht mehr. Bei Konsultation eines anderen Arztes ohne Überweisung werden allerdings auch im selben Quartal wieder zehn Euro fällig. Bei absehbar notwendigen Besuchen mehrerer Ärzte pro Vierteljahr sollte man telefonisch vorab klären, wer zu wem überweisen darf. Auch für ein Rezept oder einen telefonischen Rat sind zehn Euro »Praxisgebühr« zu berappen, ebenso für eine ambulante Behandlung im Krankenhaus. Ausgenommen davon sind nur Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen. Selbst wenn sich eine Behandlung ins nächste Quartal erstreckt, ist die Praxisgebühr erneut fällig. Man sollte sich also am Quartalsanfang das Bein brechen ...

      Wegen unabhängiger Abrechnung mit den Krankenkassen ist außerdem beim Zahnarzt einmal im Vierteljahr der Zehn-Euro-Schein rüberzureichen (Ausnahme: die Vorsorgeuntersuchung) und zudem nach entsprechender Verordnung beim Psychotherapeuten.

      Sehen Krankenkassen, daß wegen der neuen Zuzahlungen Krankheiten verschleppt werden? Der Sprecher der AOK Brandenburg, Jörg Trinogga, hält das vor allem bei »älteren AOK-Mitgliedern mit geringem Einkommen für eine reale Gefahr«.

      Neben der Praxisgebühr sind Zuzahlungen zu leisten bei verordneten Medikamenten oder Verbänden in Höhe von zehn Prozent des Preises, mindestens fünf, höchstens aber zehn Euro; bei verschriebenen Heilmitteln, etwa Physiotherapie, in Höhe von zehn Prozent der Kosten, mindestens fünf, maximal zehn Euro, plus zehn Euro je Verordnung – genauso bei der häuslichen Krankenpflege; bei Fahrkosten in Höhe von zehn Prozent, mindestens fünf, maximal zehn Euro; bei Haushaltshilfe und Soziotherapie in Höhe von zehn Prozent der kalendertäglichen Kosten, jedoch höchstens zehn und mindestens fünf Euro; bei Hilfsmitteln wie Rollstühlen in Höhe von zehn Prozent je Hilfsmittel, mindestens fünf, maximal zehn Euro, bei zum Verbrauch bestimmten (wie Windeln bei Inkontinenz) allerdings zehn Prozent je Verbrauchseinheit, maximal zehn Euro pro Monat; bei Krankenhausbehandlungen und stationärer Rehabilitation in Höhe von zehn Euro pro Tag für nun maximal 28 Tage pro Kalenderjahr. Von allen diesen Zuzahlungen wird man wie gesagt erst befreit, wenn sie zwei Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens überschritten haben.

      Es sei denn, man ist chronisch krank. Aber »schwerwiegend«. Ein gut eingestellter Diabetiker gehört nach der Übergangslösung der Spitzenverbände von Ärzten und Kassen nicht dazu. Nur wer im Jahr 2003 wegen seiner Erkrankung zweimal pro Quartal in ambulanter Behandlung war und entweder in den letzten zwei Jahren zweimal im Krankenhaus stationär behandelt werden mußte oder bei dem ein Grad der Behinderung beziehungsweise der Erwerbsfähigkeitsminderung von mindestens 70 Prozent oder Pflegebedarf nach Stufe II oder III festgestellt wurde, gilt als chronisch krank. Derjenige muß nur bis zur Grenze von einem Prozent seiner jährlichen Bruttoeinnahmen bzw. gemeinsamer Jahreseinkünfte zuzahlen. Das erläuterte ein Vertreter der Grundsatzabteilung der AOK Brandenburg. Man habe sich darauf verständigt, um wenigstens die am schwersten von Krankheit betroffenen Versicherten nicht bis Mai oder womöglich sogar Juli, bis das neu zuständige Gremium sich konstituiert und geeinigt hat, auf eine Regelung warten und damit zuzahlen zu lassen.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-31/008.php
      Avatar
      schrieb am 30.12.03 23:52:55
      Beitrag Nr. 1.188 ()
      Inland
      Hubert Zaremba

      Plus und Minus

      Masseneinkommen sinken im gleichen Maße wie Unternehmens- und Vermögenseinkommen steigen


      Die Novemberausgabe der WSI-Mitteilungen des DGB-nahen Wirtschafts- und Sozial-wissenschaftlichen Instituts in der Hans Böckler Stiftung in Düsseldorf eröffnet Jahr für Jahr mit dem von Claus Schäfer erstellten Verteilungsbericht ein Bild der Einkommenssituation der deutschen Gesellschaft, das zum Lamento über ausbleibende Produktionszuwächse nicht paßt. Tüchtige Zuwächse sind nach wie vor gegeben – bei den hohen und höchsten Einkommen. Denn wenn bei stagnierendem Wachstum die Bruttolohnquote im Jahr 2002 um fast ein Prozent von 72,7 (2001) auf 71,9 Prozent absinkt, ist zu fragen, wo der Rest des Volkseinkommens bleibt. Die folgenden Daten beziehen sich auf das Jahr 2002, weil die Entwicklung in 2003 nur für das abgelaufene Halbjahr vorläufige, tendenzielle Ergebnisse erfaßt.

      Von den 1,365 Billionen Euro des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte verblieben 2002 nach Abzug der Lohnsteuer und Sozialbeiträgen als Nettolohn 43,5 Prozent auf den Konten der Lohn- und Gehaltsempfänger. Bei den Masseneinkommen ist die Nettolohnquote seit zehn Jahren damit von knapp fünfzig Prozent um sechs Prozent abgesunken, wenngleich monetäre Sozialleistungen wie Renten, Sozialhilfe, Kinder- oder Wohngeld insgesamt um etwa vier Prozent seit 1991 (26,7 Prozent 2002) anstiegen. Im Durchschnitt erreichten Bruttolöhne und -gehälter monatlich 2198 Euro. Nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben verbleiben davon 1433 Euro netto zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten. Zwischen West- (2277 Euro brutto) und Ostdeutschland (1762 Euro brutto) klafft demnach ein Abstand von 515 Euro. Daran hat sich seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre nichts mehr geändert. Eine Angleichung zugunsten des ostdeutschen Lohngefüges kann angesichts des desolaten Arbeitsplatzangebotes als frommer Wunsch gelten.

      Der Anteil der privaten Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sank 2002 auf 29,4 Prozent ab, nachdem 2001 noch 30,5 Prozent erreicht wurden. Die Dreißigprozentstufe war fünf Jahre lang seit 1997 überschritten worden, und mußte nun trotz steuerlicher Entlastung diesen konjunkturell bewirkten Rückgang hinnehmen. Die vor drei Jahren eingetretene Flaute spiegelte sich auch in den stagnierenden Bruttoanlageinvestitionen wider. Den Bruttounternehmensgewinnen der Kapitalgesellschaften (ohne Wohnungswirtschaft, Banken und Versicherungen) schadete das nicht: Die nahmen 2002 um fünf Prozent auf 314,42 Milliarden Euro zu. Wurden 2000 noch 34,59 Millarden Euro direkte Steuern entrichtet, drosselte die Schröderregierung diese Summe auf 12,49 Milliarden Euro 2002.

      Erstmals konnte in den WSI-Verteilungsbericht eine Sondererhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu einkommensstarken Haushalten Eingang finden. Die Befragung von mehr als tausend Haushalten mit einem Netto-Monatseinkommen ab 3 835 Euro (7 500 DM) ergab, daß hochgerechnet »7,3 Prozent aller privaten Haushalte in Deutschland und darin 9,3 Prozent aller Personen in Deutschland ab 16 Jahren« (ca. sechs Millionen) mit starker Spreizung nach oben zu dieser Gruppe gehören. Wahrscheinlich bezieht hiervon eine Spitzengruppe von über 120 000 Haushalten in Deutschland ein Netto-Monatseinkommen von mehr als 17 895 Euro (35 000 DM). Die Hälfte dieser Haushalte bezieht ihr hohes Einkommen nicht überwiegend aus Erwerbstätigkeit, »sondern in Form von Zinsen und Ähnlichem aus Vermögen.« Noch deutlicher: 90,7 Prozent aller privaten Haushalte in Deutschland mit 58,5 Millionen Angehörigen ab 16 Jahren beziehen monatlich ein Haushalts-Nettoeinkommen unter 3835 Euro (und weniger).

      Claus Schäfer stellt fest, „daß die rot-grünen Reformen zur Einkommenssteuer 1998 bis 2005 (...) die oberen Einkommen entgegen dem regierungsamtlich vermittelten Eindruck massiv begünstigen und damit quasi öffentliche Vermögensbildung durch Steuerentlastung zugunsten von Beziehern hoher Einkommen bzw. Eigentümern großer Vermögen leisten.«

      An anderer Stelle heißt es: »Im Langfristvergleich von 1960 bis 2002 (...) machen sich ständige Steuerlastverschiebungen in Deutschland geradezu dramatisch aus. Danach haben Steuern im wesentlichen aus der Entstehung und Verwendung von Lohneinkommen, d.h. Lohnsteuer sowie Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer und andere wichtige Verbrauchssteuern, im Jahre 1960 rund 37,5 Prozent zum gesamten öffentlichen Steueraufkommen beigetragen, 2002 dagegen schon 79,2 Prozent. Diametral anders verlief die Entwicklung bei den Gewinnsteuern (veranlagte Einkommensteuer, nicht veranlagte Steuern vom Dividenden-Ertrag, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Zinsabschlagsteuer): Ihr Anteil sank kontinuierlich von 34,7 Prozent 1960 auf nur noch 12,2 Prozent 2002.«

      Diese Politik wurde jedoch immer wieder von Wählern in der Masse bestätigt, die nicht in die Kategorie der absoluten Profiteure dieser Politk gehören. Der Ruf nach einer neuen außer-parlamentarischen Opposition wird inzwischen lauter. Die Zahl der Demonstranten auf der Straße täuscht jedoch über den Umstand hinweg, daß Veränderungen der Steuer- und Sozialpolitik bundesgesetzgeberischer Grundlage bedürfen. Offensichtlich hat Verteilungspolitik etwas mit der verkehrten Verteilung von Abgordneten des »Volkes« im deutschen Bundestag zu tun.

      http://www.jungewelt.de/2003/12-31/013.php
      Avatar
      schrieb am 31.12.03 00:00:33
      Beitrag Nr. 1.189 ()
      bluemoons und Harry_Schotter,


      Danke für eure Mühe.
      Ich hoffe meinen Lieblings-Thread gibt es 2004 auch noch!

      :kiss:
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 16:20:36
      Beitrag Nr. 1.190 ()
      Jahresrückblick 2003: Alles ändert sich, nichts wird besser

      7,2 Millionen Arbeitslose, das ist möglicherweise die Zahl des Jahres, aber zieht man die Schwarzarbeiter ab, dann haben wir fast Vollbeschäftigung. Arthur B. Laffer hätte hierzu was zu sagen, aber die Politik ist unbestechlich. Sie nimmt nichtmal Vernunft an. Und statt endlich zu deregulieren, werden Überwachung und Bürokratie weiter verschärft.

      Da sind die Festpreise im Einzelhandel, die von unserer schrillen Öko-Talkmasterin Künast allen Ernstes vorgeschlagen wurden sind, noch das kleinste Übel, eine Episode auf dem Weg zum Sozialismus, den wir schon ziemlich weit gegangen sind. Wie es sich für ein gutes sozialistisches Regime gehört, kommt es zu Versorgungsengpässen, und das betrifft zunächst die Energieversorgung. Dabei will das offizielle Berlin noch immer nicht zur Kenntnis nehmen, daß alleine in Frankreich die europäische Energieknappheit im Hitzesommer 2004 schon 15.000 Menschenleben gekostet hat. So mörderisch kann der Ökosozialismus sein: Für den Menschen ist kein Platz mehr.

      Aber es geht nicht um Umweltschutz, das ist nur der bekannte Vorwand, die Angst, die die Menschen gegen die Fesseln, die man ihnen anlegt, nicht protestieren soll. Daß die Öko-Schlafpille wirkt, haben wir bereits gesehen: eine perfekte Gleichschaltung, wiedermal auf deutschem Boden, und das, da sogar schon die "TAZ" zugibt, daß es keinen Klimawandel gibt, was man ihr hoch anrechnen muß, ist sie doch sonst das Kampfblatt des Ökosozialismus. Nein, es geht um Überwachung und Kontrolle, also die Einführung des Stasi-Staates, und da kommen uns die (angeblichen?) Terroranschläge hochwillkommen: Wir berichteten beispielsweise, daß gemäß §24c KWG Banken schon jetzt alle Daten offenlegen müssen - also das Bankgeheimnis längst eine Fata Morgana ist. Kein Wunder, daß die Autobahnmaut nicht (nur) der Abzocke, sondern auch der Totalüberwachung des Straßenverkehrs dient. Wir sagten daher voraus, und bleiben entgegen wütender Feedbacks aus der ökologistischen Ecke dabei, daß die Maut auf alle Fahrzeuge ausgedehnt werden wird - und selbst darüber hinausgehende Kontroll- und Überwachungsprojekte sind schon in Erprobung. Wie teuer das volkswirtschaftlich ist, haben wir vorgerechnet. Kostenlos abzurufen, aber wohl doch umsonst. Wie immer.

      Umsonst? Vielleicht doch nicht: im Oktober erhielt der BWL-Bote vom Bundesumweltministerium per Einschreiben mit Rückschein den Befehl, einen Leserbrief vom Netz zu nehmen, der einen für Jürgen Trittin sehr unfreundlichen Vergleich enthielt. Während wir beschlossen haben, dieser Anordnung zu folgen, um eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, beweist dies doch, daß diese Veröffentlichungen an höchster Stelle gelesen werden.

      Unterdessen verschrödert das Steuerrecht weiter, und wir haben gezeigt, daß ab dem kommenden Jahr neue Rechtsvorschriften in Kraft sind, die möglicherweise bald eine Steuerprüfung per Suchmaschine ermöglichen. Auch eine Personenkennziffer gibt es wieder - wie einst in der DDR oder auch in den USA. Überwachungsstaaten sind ideologieinvariant: ob westlich oder sozialistisch, freiheitlich ist kein Staat. Am Liberalismus besteht kein Interesse, wie wir an diesem Beispiel demonstrierten.

      Aber Grün wirkt weiter, und obwohl alle Klimakonferenzen derzeit scheitern, also wesentliche Teile der Welt offenbar schon Vernunft angenommen haben, will Deutschland (oder besser seine politische Kaste) noch immer den Planeten retten. Kein Wunder, daß wir erneut dem Sozialismus und damit erneut der Systemkrise zutreiben, nur diesmal globalisierter als unter Ulbricht und Honnecker, und wahrscheinlich auch gründlicher. Und pornographischer.

      Pornographisch? Als Pornokratie bezeichnet man die letzte Spätzeit von Rom, als die Päpste Konkubinen und Kinder hatten und Fürstentöchter Huren waren, so z.B. Marozia, Fürstin von Rom, Tochter des römischen Aristokraten Theophylakt, Geliebte von Papst Johannes X (914-928) und Mutter von Johannes, später Papst Johannes XI, 931-936, und so ist es wieder, nur daß nicht mehr unter dem gegenwärtigen leidenden Papst gereinigte das Papsttum im Mittelpunkt der Affären steht, sondern die Politik, mit Persönlichkeiten wie Dutroux oder eben auch Daniel Cohen-Bendit, dem seine Hosenschlitz-Abenteuer keiner übelzunehmen scheint, was ihn von Michael Jackson unterscheidet.

      So war 2003 ein mittleres Jahr, schlechter als 2002 aber besser als 2004, und wir werden sehen, wohin uns die Studentenproteste führen, die immerhin nichts Geringeres leisten als sich gegen die Studentenproteste von einst zu richten, ein Protest gegen den Protest, sozusagen, ein gewaltiges "Schluß jetzt mit dem Unsinn", ein Aufruf zur Konterrevolution, vielleicht, hoffentlich, endlich. Immerhin ist es höchste Eisenbahn, das Verhindern zu verhindern.

      Der Patient siecht, ist aber noch nicht verstorben, das ist das Fazit des Jahres. Wir leben in der Krise, gemäß der medizinischen Definition dieses Wortes also in der Phase, in der die Entscheidung über Leben oder Sterben gefällt wird, und bislang zeigt der Daumen nach unten, jedenfalls demographisch, also nicht zentral geplant, und damit als mächtiges Symbol. Aber wir können noch einen Regimewechsel herbeiführen, womit ich keinen Regierungswechsel von rot-grünen Steinewerfern und Terroristenanwälten hin zur christsozialistischen Union meine, sondern eine neue Wende, eine friedliche Revolution, einen Wechsel, wie er 1989 beabsichtigt war, 1990 aber nicht eintrat.

      Das ist die wichtigste Aufgabe in 2004: Endlich die Demokratie zu errichten. Leider gibt es kein Indiz, daß es endlich dazu kommt.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 16:29:49
      Beitrag Nr. 1.191 ()
      „Wir sind noch einmal davongekommen“
      (31.12.2003)

      Ökonomisch und monetär ist es noch einmal einigermaßen gutgegangen im alten Jahr. Doch es gibt bedauerlicherweise keine Option auf einen guten Ausgang des neuen Jahres.

      Natürlich ist die Welt voller Probleme, unter deren Last Neurotiker oder Paranoide psychisch total in die Knie gehen könnten. Deren Problem wiederum liegt in der Regel darin, dass sie nicht unterscheiden können zwischen dem, was sich von selbst zu erledigen pflegt, und dem, was wirklich wichtig ist.

      Wie bei einer ernsten Krankheit kann es zu einem Desaster führen, wenn man eindeutige Symptome nicht wahrnehmen möchte. Der Hang zum Verdrängen wird noch gefördert davon, dass die Symptome vorübergehend schwinden, sich ganz verlieren oder in anderer Erscheinungsform auftreten. Bis sie dann wieder in ihrem ursprünglichen Muster voll durchbrechen, und zwar eindeutiger und bösartiger als zuvor.

      Im alten Jahr sind wir in der westlichen Hemisphäre um Haaresbreite am vollen Ausbruch der Deflation vorbeigeschrammt. Die Kur dieser Krankheit mittels einer massiven Reflationierung hat angeschlagen. Doch das Übel ist noch nicht unter Kontrolle gebracht, geschweige denn geheilt. Und wenn jene, die sich wirklich auskennen, aber dem Patienten noch keinen reinen Wein einschenken wollen oder können, peinlich nach den noch vorhandenen Risiken befragt würden, müssten sie redlicherweise ein Szenarium des Grauens zeichnen.

      „Wir sind noch einmal davongekommen“. Diesen Spruch wählen wir, um unsere Eindrücke von dem nun endenden Jahr zusammenzufassen. Wir wissen nicht, ob wir dankbar für den glimpflichen Ausgang sein sollten. Mitunter ist nämlich, wie allgemein bekannt, ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende.

      Mit Blick aufs neue Jahr fällt uns nur ein, dass vieles besser laufen müsste, als es tatsächlich laufen kann, um in genau zwölf Monaten wenigstens da zu stehen, wo wir heute sind.

      In diesem Sinne „auf ein Neues“.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      ------------------------------


      Wussten Sie schon, dass...?
      (02.01.2004)

      „Der Dollar bleibt anfällig für Besorgnis darüber, dass in den USA weitere betrügerische Bilanzierungsskandale ans Tageslicht gelangen. Es ist unmöglich, dieses Risiko zu quantifizieren, doch der Dollar bleibt unter Druck. Was wäre übrigens, wenn Enthüllungen über eine mögliche „kreative Buchführung“ der US-Regierung aufkommen sollten? Dies könnte dann die nächste Herausforderung für den Dollar sein.“


      Mike Malpede, Refco, (in einem Ausblick vom 12. Dezember 2002, also vor gut zwölf

      http://www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 16:40:56
      Beitrag Nr. 1.192 ()
      ----------------------------

      zum Jahreswechsel 2003 - 2004



      Die Ballonfahrer
      Deutschland bewegt sich



      ein Stück aus der verworrenen Gegenwart zwischen den Jahren


      von Egon W. Kreutzer
      29.12.2003

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14001Ballonfahrer.ht…


      Fern über dem Horizont tauchen sie auf. Klein, bunt, rund, kaum stecknadelkopfgroß. Ein Junge bleibt in stillem Staunen stehen.

      "Da fliegt ein Ballon", ruft er, als er mit Staunen fertig ist und nun fürchtet, ein anderer könne ihm zuvorkommen, ihm den Ruhm des Erstentdeckers streitig machen.

      "Oh ja, ein Ballon, ein Ballon!"

      Die Kinder laufen zusammen, suchen den besten Beobachtungsplatz, und der Rentner, der vom Fenster aus auf den Spielplatz schaut, denkt gerührt: "Die Kinder. Deutschlands Zukunft. So schnell und so beweglich..."



      "Da ist noch einer!"
      "Wo, wo denn?"

      Ein paar Minuten später sind es sieben oder acht bunte Kugeln. Alle ganz deutlich zu erkennen. Immer noch weit weg, aber deutlich zu erkennen. Aufgeblasene Hüllen, gigantischer Popanz, erfüllt von lauter heißer Luft.


      "Leichter als Luft!" Der lutherische Pfarrer, schon seit Jahrzehnten völlig unspektakulär im Geiste einig mit einem jener frisch gekürten, neuen Besten Deutschlands, denkt an den Sonntag, formt seine Predigt. Aktuell soll sie sein.
      "Ballonfahren ist aktuell", assoziiert er und seine Gedanken schweifen zurück bis in Tage Daniels in Babylon: "Das Menetekel. Gewogen, und zu leicht befunden. Ja, das ist es."

      In seiner feinen runden Kinderschrift notiert er auf feinstem Kanzeleipapier: "Leichter als Luft, Spielball der Winde, gewogen und zu leicht befunden. Was will uns dieses Gleichnis sagen?"



      Die Ballonfahrer treiben schnell auf den Spielplatz zu. Schon sind die Körbe zu erkennen, von Zeit zu Zeit scheint die Flamme eines Brenners grell auf, aber die Köpflein der Menschlein, unten in den Körblein, die von der heißen Luft getragen werden, sind klein und mit bloßem Auge noch lange nicht zu sehen.

      Die Bilder auf den Hüllen kann man jetzt erkennen und die Schriften lesen. Selbstherrliche Botschaften auf der hauchdünnen Oberfläche dickwanstiger Luftkugeln. Einfache Botschaften. "Vorwärts!", steht da auf dem einen,
      "Aufwärts!" auf dem anderen.
      "Deutschland" - "bewegt sich" und überall
      "Reform" - "Reform" - Reform".
      "Bildungs-REFORM" - "Renten-REFORM" - "Steuer-REFORM".

      Einprägsam aus wenigen Silben komponiert. Aber nichts dahinter. Nichts als heiße Luft. Der Pfarrer denkt an die fein durchdachten, logisch begründeten, über alle Maßen mutig und standhaft vorgetragenen 95 Thesen. Darf ich darüber heute überhaupt noch predigen? So, zum Beispiel: "Ein Junker Martin, heutzutage, was würde der uns sagen? Würde er die vom Ablasshandel befreite, reformierte evangelische Kirche ausgerechnet dadurch retten wollen, dass er die Kirchenfinanzen durch einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestablass aufbessert und dieses Machwerk dann kühn eine neue "Reform" nennt? Würde er 10 Euro pro Quartal von jedem Kirchgänger als Eintrittsgebühr in das Haus Gottes fordern und diejenigen draußen lassen, die es sich nicht leisten können? Würde er der fettfreien Suppe in den Armenküchen das Wort reden und sie zu einem ersten Schritt zu mehr Selbstveranwortung für den eigenen Hunger hochstilisieren? Oder würde er nur still mahnend neben den Reformern stehen, wie der präsidiale Bruder Johannes, der wohl mit einstimmt, in den Chor derer, die dringend nach jener Art Reformen rufen, die hautptsächlich aus tiefen und schmerzhaften Einschnitten und immer neuen Belastungen bestehen, der aber doch immerhin noch darum bittet, nicht alle Grausamkeiten auf einmal, sondern schön der Reihe nach zu verüben, damit das Volk auch mitkommt...?"

      Der Pfarrer wischt seine Gedanken über die Unterschiede zwischen Reformen und Reformation, zwischen Ballonfahrern und Reformatoren mit einem resignierenden Seufzer vom Tisch. Er hat Schulden und ist auf seinen Job noch für viele Jahre angewiesen.





      Der Rentner kann von seinem Fenster aus jetzt endlich auch sehen, was die Kinder auf dem Spielplatz schon lange vor ihm gesehen haben. "Ach so," sinniert er, "Luftballons. Das bewegt sie." Dann denkt er an Lakehurst und an die paar Augenblicke des Flammeninfernos, hört die sich überschlagende Stimme des Reporters, die sie so oft im Radio gesendet haben. "Es kommt nichts Gutes von den Ballons, nichts Gutes," murmelt er, schließt das Fenster und schaltet den Fernseher ein. Dort wiederholen sie schon wieder die Bilder vom elften Neunten. Brennende Türme. Ein verrückter Gedanke schießt ihm durch den Kopf. Doch er verbietet sich, ihn weiterzudenken.



      Die Kinder streiten sich inzwischen darum, wer die Schriften als erster entziffern, die Bilder als erster deuten kann.

      "Reformhaus Schmidt, da, der rote Ballon, der ist vom Reformhaus Schmidt."



      Die Männer und Frauen, die hoch oben in den Körben stehen und geringschätzig den Wert ihres Landes taxieren, sind ratlos und laut. Sie reden brüllend miteinander. Einesteils, um die gnadenlose Stille zu brechen, die so leicht zum Spiegel der eigenen Nichtigkeit wird, wenn man sich auf sie einläßt, anderenteils aber und vor allem, damit diejenigen, die in den anderen Körben über den Himmel gleiten, auch hören, dass man wieder einmal sagt, was man schon immer gesagt hat, wie Angela Merkel, die in ihren Lehrjahren bei Papa Kohl kaum zu hören war, die aber, wenn man sie jetzt hört, damals so viel gesagt haben muss, dass man sich ernstlich fragt, warum ausgerechnet der politische Gegner nun auf das hören soll, was sie, wie sie sagt, jetzt immer noch sagt, weil sie es ja schon immer gesagt hat.



      "Das sieht so tot und trostlos aus von hier oben."

      "Blühende Landschaften, könnten das sein, blühende Landschaften, das habe ich immer schon gesagt."

      "Früher rauchten die Schornsteine mit Erhards Zigarre um die Wette. Da war Bewegung. Aber heute?"

      "Bush müsste man sein, der kann, wie er will."

      "Stellt euch vor Genossen, wir hätten in der Verfassung die Kanzlerwahl per Gerichtsentscheid verankert. Alle blödsinnige Rücksichtnahme auf Mehrheiten, auf Stimmungen und Launen des Wahlvolks könnten wir einfach vergessen. Nie wieder Lügen müssen, einfach frei heraus sagen können, was man wirklich will und das dann auch ganz ungeniert einfach tun."

      "Das wäre dann aber keine Demokratie mehr."

      "Na und? Warum sollen wir als letzte noch hochhalten, was das Volk längst durchschaut hat? Warum gehen denn immer weniger zur Wahl? Die wissen doch genau, dass sie zwar wählen dürfen, aber in Wahrheit keine Wahl haben! Der Stoiber hätte im Ergebnis doch nichts anders gemacht. Oder?"

      "Stimmt. Die ganze unnütze Mühe, einen Streit zu inszenieren, sollte man sich schenken, genauso wie die Farce mit der Versöhnung, äh mit der Vermittlung, also mit dem Ausschuss. Da muss man sich eine halbe Nacht um die Ohren hauen, damit die Medien ihre Show bekommen, nur für den Pöbel, und der zappt einfach weg..."

      "Aber wir sind doch jetzt auf dem richtigen Weg."

      "Ja, und das sieht auch das Volk ein."

      "Wisst ihr, es klingt vielleicht paradox, aber wenn ich mir überlege, was die sich alles gefallen lassen, dann frage ich mich ernstlich, ob diese Pfeifen uns überhaupt wert sind."

      "Ja, stimmt! Die würden sich sogar, Entschuldigung Herr Kollege, von einem Westerwelle noch vorführen lassen."

      "Sage ich doch immer schon. Sie alle sind überqualifiziert. Radikale Kürzung der Schul- und Studienzeiten, mit vier Jahren einschulen, mit zwölf dann auf die Hammelherde loslassen, als Scheidungsanwalt, Struck-Berater oder Chefarzt. Da drauf ein Rhetorik-Seminar und fertig ist der Ministerpräsident, zwei Auslandsreisen noch, und du bist fertig für den Kanzlersessel - wie war das gleich bei Ihnen, mit Ihrem zweiten Bildungsweg?"





      Die Ballons sind jetzt ganz nahe gekommen.

      Bald werden sie direkt über dem Spielplatz sein. Der Junge, der immer noch stolz darauf ist, den ersten Ballon zuerst entdeckt zu haben, obwohl das sonst niemanden interessiert, steigt hoch in ein morsches Klettergerüst. Gebannt starrt er hinauf. Jetzt kann er die Gesichter erkennen und ihre Stimmen hören und voller Begeisterung fängt er an mit beiden Händen zu winken. "Willkommen! Willkommen", ruft er den Ballonfahrern zu und verliert erst das Gleichgewicht, dann ein paar Fetzen Haut an Knie und Hand, dann die Erschütterungsfreiheit des Gehirns und gleich darauf das Bewusstsein.



      "Wir müssen runter und dem Jungen helfen."

      "Niemals. Dann hängen uns die anderen ab. Es ist keine Zeit für Sentimentalitäten. Das Volk da unten wird doch wohl selbst in der Lage sein, für seine Verletzten zu sorgen."

      "Aber wir haben die Mittel für die Rettungsdienste gekürzt, so schnell kommt da kein Sanitäter und unsere Hilfe wäre wirklich notwendig, sieht übel aus, wie der so daliegt!"

      "Jetzt hören Sie doch auf! Das Notwendige tun, das ist ein alter Slogan, das haben wir früher versprochen. Jetzt beschränken wir uns auf das Wichtige."

      "Richtig. Das Wichtige. Hätte ich fast vergessen, und was war das jetzt gleich, das Wichtige?"

      "Richtig wichtig ist nur, dass wir nicht nachlassen, mit den Reformen. Wir haben dem Volk versprochen, dass es mit der Agenda 2010 noch längst nicht alles ausgestanden hat. Die unvermeidliche Fortführung der Globalisierung erfordert noch viel mehr Anstrengungen und Opfer von allen!"

      "Von allen?"

      "Na ja, von allem Volks halt, wie immer. Die anderen, die so genannten starken Schultern, hatten schließlich schon zu allen Zeiten an ihrem Reichtum genug zu tragen. Hahaha."

      "Vergessen wir die Globalisierung nicht. Sind wir nicht aufgestiegen, um uns einen globalen Überblick zu verschaffen?"

      "Ja verdammt noch mal, warum sind wir nicht längst auf Höhe gekommen?"

      "Hat hier noch irgendjemand Angst vor dem Sommer und seinem heißen Winter? Werft die Brenner an, lasst uns abheben. Raus aus den Niederungen der Kleingeister, Bedenkenträger und schwerfälligen Betonköpfe."

      Das wütende Fauchen der gleichzeitig angeworfenen Brenner, der helle Widerschein der heißen Flammen gerät zu einem beinahe überirdisch schönen Schauspiel.

      Schnell schießen die überhitzten Ballonhüllen nach oben und reißen die Körbe mit ihren Insassen mit sich. Als der gestürzte Junge mit heftigem Kopfschmerz aus der Bewusstlosigkeit erwacht, stehen die Ballons, winzig klein wie Stecknadelköpfe am Himmel über dem Spielplatz.





      Doch der kostbare Vorrat an brennbarem Gas ist im Nu verpulvert. Wie hätte es den Männern und Frauen in den Körben auch in den Sinn kommen können, dass ihnen jemals etwas fehlen könnte? Den Geist auf die Vorstellung von der Unendlichkeit aller Ressourcen beschränkt, gibt es für sie nichts, was mit Geld nicht zu beschaffen wäre und Geld beschaffen ist so einfach: Das Volk bezahlt die Zeche und ist dann auch noch dankbar für die Krümel.

      Doch von oben gesehen stellt sich die Welt ganz anders dar.

      "Ich kann, äh, auch, äh, mit der größten ähhh, Anstrengung immer noch nicht über den äh Horizont meines Zenits hinaussehen. Alles da unten ist, wenn ich, äh, richtig informiert bin, äh, also das ist Bayern und nicht ähh, Globalien, ähh. Gebt Feuer, Männer, wir müssen noch, ähh, höher."

      Und während der weiß-blau-karierte Ballon ein letztes Mal steil nach oben schießt und den Rest seines Energievorrates in heiße Luft verwandelt, der dem Freistaat damit ebenso zügig abhanden kommt, wie so manches schöne Stück Staats- (oder ist es Volks-?) Eigentum zuvor, ist der Kanzlerballon von der vorhergegangenen Erhitzung so aufgebläht und überdehnt, dass sich in der Hülle Risse und Löcher bilden und das Gefährt schnell wieder an Höhe verliert.

      Innerhalb weniger Minuten folgen alle Ballons dem Sinkflug des Rotgrünen. Sogar der Wirtschaftsballon, besetzt mit Hundt und Rogowsky und dem unvermeidlichen Beraterhaufen beginnt abzuschmieren. Der Banken- und Versicherungsballon erzittert wie von einer Riesenfaust geschüttelt unter der ungewohnten Beanspruchung. Pierer und Schumacher ergreifen die Flucht und lassen sich im fetten Siemens-Infineon-Ballon von einer plötzlich aufkommenden Strömung in Richtung Österreich und Fernost abtreiben.

      Der Himmel hallt derweil wider von guten Ratschlägen, die sich die Ballonbesatzungen gegenseitig angedeihen lassen. Zuerst rufen sie aus alter Gewohnheit, einfach weiterhin das, was sie die ganze Zeit über gerufen hatten, nämlich:

      "Wachstum, Wachstum!"
      "Sie müssen für Wachstum sorgen!"
      "Das würden wir ja gerne, aber Sie stellen sich doch quer!"

      Aber als sich die Ballonhüllen trotz aller beschwörenden Wachstums-Rufe nicht mehr aufblähen wollen, verfallen die Besatzungen auf die naheliegendste Forderung und brüllen sich von Ballon zu Ballon zu:

      "Wir brauchen einen Aufschwung! Wir müssen alles tun, für den Aufschwung! Deutschland braucht den Aufschwung!" Dass sie dabei sich mit Deutschland und Deutschland mit sich verwechseln, fällt ihnen in der allgemeinen Aufregung schon gar nicht mehr auf und selbst der Renter, der wieder an das Fenster getreten ist und der Pfarrer, der von der Vorahnung eines neuen Menetekels erfüllt ist, aber insbesondere auch der verletzte Junge, der sich nicht mehr bewegen kann und entsetzt befürchtet, dass ausgerechnet der Ballon mit den schwergewichtigtsten Insassen in wenigen Augenblicken direkt auf seinem geschundenen Körper niederkrachen wird, sie alle sind in diesem Augenblick der felsenfesten Überzeugung, es bräuchte ganz dringend einen Aufschwung. Dass die da oben, die so plötzlich, wie die ägyptischen Plagen auf das Land herunterkommen, sich für Deutschland halten, das ist den potenziell Betroffenen völlig egal, Hauptsache, die vereinigte Ballonfahrerschar schafft es, wenigstens noch einen winzigen Aufschwungs-Hopser hinzulegen und dann außerhalb der Ortschaft Bruch zu machen, statt ausgerechnet auf ihren Häusern und in ihren Gärten.

      Der Optiker, der gleich zu Beginn der Aufführung ein großes Fernrohr auf der Straße aufgebaut hatte und gegen eine kleine Gebühr von 5 Euro einen Blick auf die prominenten Gesichter in den Körben feilbot, ist auch sonst ein kluger Mann. Als er bemerkt, dass die Lage der Ballonfahrer ganz kritisch wird, ruft er den Bruchpiloten zu, so laut er kann: "Ballaaaast abweeerfen!"



      Es ist, als hätten die da oben nur darauf gewartet.

      Wie die Berserker beginnen Sie damit, ihre Körbe zu entrümpeln.

      Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung werden in Stücke gerissen und über Bord geworfen. Der Kündigungsschutz fällt in Trümmern zur Erde und die Zumutbarkeitsregeln für Langzeitsarbeitslose kommen gleich hinterher, die Steuergerechtigkeit zerhacken Sie wie mit dem Rasenmäher zu lauter kleinen Subventionen, die vor Kurzem noch niemand so genannt hätte, die Arbeitslosenhilfe fliegt in hohem Bogen davon und kracht am Boden in empfindliche Teile der Sozialhilfe, die das nicht überstehen kann.

      Nun fangen sie sogar noch an, die Verfassung zu demontieren, doch weil sie es tunlichst vermeiden, die Körbe in denen sie selbst sitzen, ernsthaft zu beschädigen, bleiben am Ende alle Bundesländer und der Bundesrat ebenso erhalten, wie die Fördergelder für den Tabakanbau im Rheingau.





      Den Optiker erwischt es, samt Fernrohr, zuerst. Ein bürokratisches Gewirr aus Gewerbesteuerpflicht, Kostensenkung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Verlust widerrechtlich erworbener Rentenansprüche aus erster Ehe verfinstern seine Zukunft nachhaltig.

      In kürzester Zeit fordert der Abwurf von mehr und mehr Ballast aus den sinkenden Ballons unten am Boden, unter den kleinen Leuten, immer mehr Opfer. So klein kann einer gar nicht sein, dass er nicht von einem Brocken getroffen wird. Überstunden- und Nachtarbeitszuschläge, Kilometerpauschalen und Eigenheimzulagen zerplatzen auf den Straßen, durchschlagen die Dächer und ruinieren alles, was die Menschen sich in langen Jahren aufgebaut haben.

      Aber so sehr die da oben sich auch bemühen, den Mangel an eigenen Auftriebskräften durch den Abwurf von Ballast auszugleichen, die Physik (die Vorsitzende hat übrigens Physik studiert, hätte es also wissen können, hat es aber aus grundsätzlichen Überlegungen heraus für schlicht unmöglich gehalten und daher auch nie gesagt), die Physik bleibt hart und unbestechlich.

      Am Ende krachen die Ballons in kurzen Abständen auf die verheerte Stadt, nicht ohne auch noch im Untergang zu versuchen, das ganze Chaos mit ihren leeren Hüllen und den leeren Parolen darauf zu überdecken.



      Morgen, wenn sich der Staub gelegt hat, werden die Reformgewinnler mit den starken Schultern ihre Off-Road-Fun-Cars aus den Garagen holen und von den Villen an den Hügeln rings um die Stadt herunterkommen in das Tal der Tränen und nachsehen, was aus den Trümmern noch zu holen ist.

      Wetten, dass die ganz schnell darauf kommen werden, wie sich auch daraus wieder ein Gewinn machen lässt?









      Nichts ist dringlicher, als Aufklärung.

      Gerechtigkeit kann erst entstehen, wenn es der Mehrheit der Demokraten endlich gelingt, ihre eigenen Interessen zu erkennen und gemeinsam dafür einzutreten.





      Ich freue mich,
      dass auch Sie dazu beitragen.

      In diesem Sinne:

      Alles Gute für das Neue Jahr!
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 17:30:51
      Beitrag Nr. 1.193 ()
      US-Schulden im Ausland wachsen weiter
      (©GodmodeTrader - http://www.godmode-trader.de)



      Die Zahl der US-Bonds und Schuldverschreibungen, die von ausländischen Stellen gehalten werden, ist im dritten Quartal 2003 um weitere 2,2 Prozent auf 6,494 Billionen Dollar angewachsen. Dies gab das amerikanische Schatzamt bekannt. Über 1,4 Billionen Dollar davon werden in den nächsten drei Monaten fällig. Die Zahl umfasst sowohl Staats- als auch Firmenanleihen sowie Privatschulden, die über Banken an den Kapitalmarkt weitergereicht worden sind.

      Zum Vergleich: Das US-Bruttoinlandsprodukt lag im dritten Quartal bei 11,1 Billionen Dollar. Die Regierung nimmt jährlich rund 2 Billionen Dollar an Steuern und Abgaben ein.

      Der US-Dollar kann sich aktuell um 0,05 Prozent auf 0,7953 Euro erholen.
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 20:48:59
      Beitrag Nr. 1.194 ()
      Avatar
      schrieb am 02.01.04 23:22:56
      Beitrag Nr. 1.195 ()
      Hallo,

      deine Beiträge in diesem Thread sind sehr gut und ich stimme allem hier einwandfrei zu.

      Fundamental sind die Börsen zu hoch gelaufen, aber momentan zählen die Fundamentals nun mal nicht und es heißt das Spiel der steigenden Kurse und der wieder anspringenden Gier mitzuspielen. So einfach ist das.

      Ist meine persönliche Meinung, nimm mir das bitte nicht übel. Wie gesagt, fundamental stimme ich den ganzen Aussagen hier völlig zu und irgendwann gibt es wieder einen Zusammenbruch a la 2000, nur der Zeitpunkt ist meiner Ansicht nach noch lange nicht gekommen.

      Gruß

      Murmeltier
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:13:16
      Beitrag Nr. 1.196 ()
      Spitzfindig?


      ein schon beinahe verschwörungstheoretischer Gedankengang
      von Egon W. Kreutzer
      05.01.2003
      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14002Spitzfindig.htm…


      Es gibt Zusammenhänge,
      die ganz offensichtlich gar keine sind.


      Die Themen und die Ereignisse, um die es geht, sind völlig verschieden, die Menschen, die sich damit befassen, haben oft nicht das Geringste miteinander zu tun, so dass noch nicht einmal die sonst stets wachsamen Verschwörungstheoretiker aufhorchen und ein Interesse daran haben.

      Betrachten wir - als jüngstes Beispiel - den nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen den Forderungen nach unbezahlter Mehrarbeit und der Kriminalisierung der Schwarzarbeit.



      Es begann vor fast genau einem Jahr, als Georg Braun, der Präsident des DIHK, die Forderung auf den Tisch legte, jeder Arbeitnehmer sollte - innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren - doch bitte 500 Stunden freiwilliger, unbezahlter Arbeit erbringen.

      Sechs Monate später, im Juni 2003, kam dann Herr Clement in die Nachrichten, als er verlangte einige Feiertage zu streichen, weil jeder gestrichene Feiertag als zusätzlicher Arbeitstag helfen würde, das Bruttosozialprodukt zu steigern. Drei Monate später meldete sich Angela Merkel zu Wort und verlangte, die westdeutschen Arbeitnehmer sollten doch, bitte, pro Woche ein bis zwei Stunden mehr arbeiten, das sei notwendig für den Aufschwung. Anfang November war ein gewisser Holger Schäfer als Arbeitsmarktexperte des vermutlich vollkommen unabhängigen Instituts der deutschen Wirtschaft in den Medien und verkündete, seiner Meinung nach ließe die Verlängerung der Wochenarbeitszeit um 1 Stunde das deutsche Bruttosozialprodukt um 1,5 Prozent steigen und 60.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Jetzt, zwei Monate später, hat der gescheiterte Kandidat aus Bayern die Rückkehr zur 40 Stunden Woche für alle Arbeitnehmer auf seine Fahne geschrieben. Begründung: Jede Stunde unbezahlte Mehrarbeit bringt ein Wachstum von 1,6 Prozent und 60.000 neue Arbeitsplätze, und, nicht zu vergessen, die meisten Deutschen wären gerne bereit, zwei Stunden umsonst zu arbeiten, wenn dadurch ihre Arbeitsplätze sicherer wären.

      Es ist also erklärtes Ziel der heimlichen großen Koalition aus CDU, SPD, CSU, Grünen und FDP, dass die Arbeitnehmer dieser Republik in Zukunft Jahr für Jahr rund 100 Stunden zusätzlich und vor allem unentgeltlich arbeiten sollen.

      So weit, so gut.



      In ähnlichen Schritten vollzog sich völlig unabhängig davon eine andere Entwicklung.

      Es begann vor fast genau einem Jahr. Der Spiegel eröffnete im Heft 49 des Jahres 2002 die Schlacht damit, dass er auf das ganz ungeheuerliche Ausmaß der Schwarzarbeit hinwies, das im Jahr 2002 bei rund 350 Milliarden Euro gelegen haben sollte. Medien und Politiker rechneten daraufhin flugs aus, wieviele zig-Milliarden an Steuern und Sozialbeiträgen dem Fiskus per Schwarzarbeit vorenthalten würden und alle beeilten sich, die von Prof. Schneider aus Linz aus der Luft gegriffenen Zahlen zur Schwarzarbeit weiterzuverbreiten.

      Ein halbes Jahr später, im Juni 2003, berichtete das ZDF gar von einem Umfang der Schwarzarbeit von 370 Milliarden Euro p.a. und die Politik beschloss, zur Jagd auf die Schwarzarbeiter zu blasen. Die falschen Schwarzarbeiterzahlen wurden daraufhin bei Sabine Christiansen ebenso aufgeführt, wie bei Christoph Süss im Bayrischen Fernsehen, von fast allen Zeitungen, selbst von der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen, obwohl sie (die SZ) ein paar Wochen zuvor noch die Ergebnisse der Rockwool-Studie zitiert und damit erhebliche Zweifel an den Schneiderschen Phantasiezahlen genährt hatte. Friedrich Merz suhlte sich geradezu in der großen Zahl von 370 Milliarden und Hans Eichel ließ sie ebenfalls gelten, wusch jedoch gelegentlich - mit dem Hinweis darauf, dass es sich um eine Schätzung handele - seine Hände in Unschuld.

      Nun hat Hans Eichel die Schwarzarbeit zur Wirtschaftskriminalität erklärt und ein Heer von 7.000 Zollbeamten*) beauftragt, aus den angeblichen 370 Milliarden Schwarzarbeitsumsätzen eine ganze Milliarde an Steuern und Abgaben für den Staat zu retten.

      Die heimliche große Koalition, die uns regiert, war sich also ganz offensichtlich auch darin einig, dass die Schwarzarbeit mit Macht bekämpft werden soll und dass Schwarzarbeiter und deren Auftraggeber kriminalisiert werden müssen.

      Mit der "einen Milliarde", die aus der Hatz auf die Schwarzarbeiter in die Staatskassen kommen soll, kehren die Verantwortlichen zwar auf den Boden der Realität zurück, sehen aber deshalb noch lange keinen Anlass, sich von den Machenschaften ihres hilfreichen Schwarzarbeitsabschätzungsprofessors zu distanzieren. Hätte es jemals Schwarzarbeit im Umfang von 370 Milliarden gegeben, wäre das Ziel, daraus eine Milliarde für den Fiskus zu requirieren, ein sehr schlechter Witz, zumal alleine die per Schwarzarbeit hinterzogene Mehrwertsteuer den Betrag von 50 Milliarden Euro erreichen müßte, von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ganz zu schweigen.



      ...und jetzt fragen Sie genervt:

      Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun?

      Wie gesagt, es gibt Zusammenhänge, die ganz offensichtlich gar keine sind.


      Auf der einen Seite wird mit gigantischem Medienaufwand und unter Verwendung völlig unhaltbarer Zahlenwerke daran gearbeitet, Schwarzarbeit und Schwarzarbeiter zu verdammen. Das geht soweit, dass sogar die bislang weitgefasst-legale Nachbarschaftshilfe zur Wirtschaftskriminalität hochstilisiert wird, sobald sie den Wert eines kleinen Blumensträußchens übersteigt. Alles mit der Begründung, dass der Staat auf die Steuern und Sozialabgaben so dringend angewiesen sei, dass er nun mit aller Härte dreinschlagen muss, um sich seine (lächerliche) eine Milliarde Euro zu sichern.

      Auf der anderen Seite erklärt der gleiche Staat zur gleichen Zeit, dass zum Wohle der Wirtschaft und des Sozialstaates alle Arbeitnehmer jährlich rund 100 Stunden ihrer Freizeit opfern müssten, um während dieser Zeit einer unbezahlten, und daher natürlich auch von allen Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen befreiten, Arbeit nachzugehen.

      Sehen Sie den Zusammenhang jetzt?

      Ein Staat, der seinen Bürgern sogar die Nachbarschaftshilfe zur kriminellen Handlung umdeutet, weil er sich angeblich um Steuern und Sozialabgaben betrogen fühlt, der aber gleichzeitig von seinen Bürgern verlangt, sie müssten in einem weit über den realen Umfang der Schwarzarbeit hinausgehenden Maße unentgeltlich arbeiten, der hätte, wäre der Zusammenhang so einfach zu erkennen, seine Glaubwürdigkeit vollkommen verspielt, denn er verzichtet mit der Forderung nach unentgeltlicher Mehrarbeit freiwillig auf ein Vielfaches dessen, was ihm an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch Schwarzarbeit jemals verloren ging.

      Während der Fiskus mit 7.000 Zöllnern versucht, im Dunstkreis der Schwarzarbeit eine Milliarde Euro aufzutreiben, verzichtet er mit seiner Forderung nach unbezahlter Mehrarbeit freiwillig auf Einnahmen von weit über 30 Milliarden*).

      Fazit:

      Schwarzarbeit, deren Ertrag den arbeitenden Menschen zugute kommt, ist kriminell.
      Schwarzarbeit, deren Ertrag ausschließlich der Exportwirtschaft zugute kommt, wird vom Staat gefördert.

      Aber, wie gesagt, das sind Spitzfindigkeiten. In Wahrheit existiert ein solcher Zusammenhang natürlich nicht, weil es keiner ist.



      Ein Zusammenhang, der den Namen verdient, müsste nämlich zum Beispiel darin bestehen - aber das ist jetzt reine Spekulation und frei erfunden - dass die als Consultants engagierten Psychologen und Seelenheilsspezialisten aus den florierenden Regierungsberatungs- Unternehmen gegen ein millionenschweres Honorar herausgefunden haben, dass der Deutsche keine andere Motivation braucht, als ein ordentliches Schuldgefühl. Hat er das, nimmt er freudig jede Buße auf sich, die man ihm abverlangt. Hat er`s nicht, bewegt er sich auch nicht.

      Hätte man deswegen dem Volk der Schwarzarbeiter und Nachbarschaftshelfer ein ganzes Jahr lang in einer beispiellosen Kampagne vor Augen geführt, dass jeder einzelne von ihnen mitgeholfen hat, diese schier unglaublichen 370 Milliarden Schwarzarbeit aufzutürmen, und damit die Wirtschaft und den Staat an den Rand des Ruins zu treiben, dann wäre das schon der Anfang eines Zusammenhangs gewesen. Doch - und mit der Antwort auf diese Frage wäre in diesem konstruierten und frei erfundenen Zusammenhang sicherlich nochmals ein Millionenhonorar ohne Ausschreibung zu verdienen gewesen - was hilft die schönste Schuld ohne das passende Angebot zur Sühne?

      Die Berater hätten also, um den Zusammenhang zu wahren, darüberhinaus noch einen Tipp haben müssen. Einen Tipp, wie zu vermeiden wäre, dass sich Hoffnungslosigkeit und Depression breitmachen und so hätten sie auch noch die Parole für eine zweite beispiellose Kampagne, die Buße betreffend, mitliefern müssen:

      "Ihr müsst nur ein paar Stunden länger legal arbeiten, umsonst, versteht sich, dann ist alles wieder gut."

      Und sie hätten vorausahnen müssen, dass der Michel begreifen würde, dass der Staat ihm seine Sünden vergeben will, wie er sie auch den Steuerflüchtigen vergibt, wenn sie nur Buße tun, und sie hätten mit hoher Sicherheit vorhersagen können müssen, dass der Michel alles glauben und solange umsonst arbeiten wird, bis alle Schwarzarbeit gesühnt ist.



      In einem Land, in dem es nicht gelingt, ein Mautsystem zu installieren, scheint die Beherrschung so komplexer Zusammenhänge, wie hier unterstellt, völlig ausgeschlossen.



      Denken Sie daher auch in Zukunft im Zweifelsfall immer daran:

      Es gibt Zusammenhänge, die sind gar keine.


      nach oben


      1)
      2.800 Neu-Zöllner werden von der Bundesanstalt für Arbeit übernommen, die übrigen 4.200 müssen wohl von anderen Zoll-Aufgaben abgezogen worden sein, denn der Zoll bietet derzeit nur 1 Offene Stelle an:

      Das Bundesministerium der Finanzen sucht für die neu eingerichtete Abteilung "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" bei der Oberfinanzdirektion Köln zum nächstmöglichen Termin eine/n Leiter/in für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

      zurück



      2)
      Wenn 35 Millionen Beschäftigte jährlich 100 Stunden bei einem durchschnittlichen Stundenlohn von 18 Euro unentgeltlich arbeiten, errechnet sich daraus eine fiktive Lohnsumme von 63 Milliarden Euro. Daraus stünden dem Staat 40 Prozent Sozialabgaben (AG+AN-Anteil) und 20 Prozent Lohnsteuer, insgesamt also 37,8 Milliarden zu.

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      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:20:37
      Beitrag Nr. 1.197 ()
      Fortssetzung
      -der Rest- von

      "Die Schatten der Globalisierung"
      von Joseph Stiglitz


      WAS ZU TUN BLEIBT

      .....
      Die Globalisierung in ihrer heutigen Form ist keine Erfolgsgeschichte. Sie hat das Schicksal der meisten Armen in der Welt nicht gelindert. Sie ist ökologisch bedenklich. Sie hat die Weltwirtschaft nicht stabilisiert. Und bei der marktwirtschaftlichen Transformation der Zentralverwaltungswirtschaften wurden so viele Fehler gemacht, dass, mit Ausnahme von China, Vietnam und einigen osteuropäischen Ländern, die Armut sprunghaft anstieg und die Einkommen stark zurückgingen. Manche sehen einen einfachen Ausweg: Sie wollen die Globalisierung begraben. Doch das ist weder machbar noch wünschenswert. Denn die Globalisierung hat auch sehr segensreiche Wirkungen entfaltet: Der Erfolg Ostasiens basiert auf der Globalisierung, insbesondere dem Abbau von Handelsschranken und dem verbesserten Zugang zu Märkten und Technologie. Die Globalisierung hat vielfach die gesundheitliche Versorgung verbessert und eine aktive globale Zivilgesellschaft hervorgebracht, die für mehr Demokratie und größere soziale Gerechtigkeit kämpft. Nicht die Globalisierung ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurde. Und ein Teil des Problems liegt bei den internationalen Wirtschaftsinstitutionen, dem IWF, der Weltbank und der WTO, die die "Spielregeln" der Globalisierung festlegen. Sie haben dies in einer Weise getan, die allzu oft mehr den Interessen der Industriestaaten - genauer: bestimmten Partikularinteressen in diesen Ländern - als denen der Dritten Welt diente.
      .....


      Interessen und Ideologie

      Während die Strategien des Internationalen Währungsfonds von Finanzinteressen dominiert werden, geben bei der Welthandelsorganisation Handelsinteressen den Ausschlag. So wie der IWF den sozialen Belangen der Armen kaum Beachtung schenkt - für die Erfüllung der Forderungen von Privatbanken werden Milliarden von Dollar bereitgestellt, aber die lächerlichen Summen zur Subventionierung von Nahrungsmitteln für diejenigen, die infolge der IWF-Programme arbeitslos werden, lassen sich nicht auftreiben -, stellt die WTO den freien Handel über alles. Wer den Einsatz von Netzen zum Garnelenfang verbieten lassen will, weil als Beifang auch Meeresschildkröten ins Netz gehen und in ihrem Bestand gefährdet werden, muss sich von der WTO sagen lassen, ein solches Verbot stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in den freien Handel dar. Er muss feststellen, dass Handelsinteressen vor allen anderen Belangen einschließlich Umweltschutz rangieren!
      .....
      Ausschlaggebend sind nicht die Institutionen an sich, sondern die Einstellungen, die ihnen zugrunde liegen: Der Schutz der Umwelt, der Wille, den Armen ein Mitspracherecht bei Entscheidungen einzuräumen, die sie betreffen, die Förderung von Demokratie und fairem Handel sind notwendig, wenn die Verheißungen der Globalisierung eingelöst werden sollen. Das Problem besteht darin, dass die Institutionen mittlerweile die Einstellungen derer übernommen haben, denen sie rechenschaftspflichtig sind. Dem typischen Zentralbankpräsidenten bereitet die Inflationsstatistik Kopfzerbrechen, nicht die Armutsstatistik, und der Wirtschaftsminister interessiert sich vor allem für die Exportzahlen, nicht für Umweltschutzindizes.
      .....
      Die veränderte Einstellung zur Globalisierung muss eine Neubewertung der Rolle von Staat und Markt beinhalten, die die ökonomischen Belange in einen umfassenderen sozialen und politischen Kontext stellt. Nicht genug damit, dass ökonomische Belange allem anderen übergeordnet werden, auch eine bestimmte Konzeption der Wirtschaft - die Ideologie der reinen Marktwirtschaft - wird allen anderen Konzeptionen übergeordnet. Der Widerstand gegen die Globalisierung in vielen Teilen der Welt gilt nicht der Globalisierung als solcher - den neuen Möglichkeiten, Wachstum zu finanzieren, oder dem Zugang zu neuen Exportmärkten -, sondern einer bestimmten Doktrin, den wirtschaftspolitischen Leitlinien des »Washington Consensus«, die die internationalen Finanzinstitutionen propagieren. Und der Widerstand richtet sich nicht nur gegen diese Leitlinien als solche, sondern gegen die Vorstellung, es gebe nur das eine, allein selig machende Konzept. Dies widerspricht nicht nur der Wirtschaftstheorie, die die Bedeutung von Tradeoffs - also Konflikten zwischen wider- streitenden Zielen - betont, sondern auch dem gesunden Menschenverstand. In unseren eigenen Demokratien führen wir leb- hafte Debatten über Dinge wie die geeignete Ausgestaltung von Konkursgesetzen oder die Privatisierung der Sozialversicherung. Die meisten anderen Länder der Welt haben das Gefühl, keine eigenen Entscheidungen treffen zu können, ja sogar zu Entscheidungen gezwungen zu sein, die Länder wie die Vereinigten Staaten für sich selbst abgelehnt haben.
      .....

      Governance

      Bislang haben wir die Fehlschläge der Globalisierung auf die Tatsache zurückgeführt, dass sich die internationalen Wirtschaftsinstitutionen bei den festgelegten Spielregeln offenbar von Handels- und Finanzinteressen leiten ließen. Eine ganz bestimmte Sicht- weise der Rolle von Staat und Markt setzte sich durch - eine Sichtweise, die innerhalb der Industrieländer nicht einhellig geteilt wird, die jedoch den Entwicklungs- und Transformationsländern aufgezwungen wird. Die Frage ist, wie es dazu kam. Und die Antwort ist nicht schwer zu finden: Es sind die Finanzminister und Zentralbankpräsidenten, die die Grundsatzentscheidungen beim IWF treffen, und das Gleiche gilt für die Wirtschaftsminister bei der WTO.
      .....
      Um die Globalisierung so zu gestalten, dass ihre Früchte gleichmäßiger verteilt werden, bedarf es vor allem einer grundlegenden Revision des governance-Systems - also der Leitungs- und Aufsichtsstrukturen (der internationalen Wirtschaftsinstitutionen). Hierzu müssen beim IWF und bei der Weltbank die Stimm- rechte neu verteilt werden und bei allen internationalen Wirtschaftsinstitutionen Veränderungen sicherstellen, dass bei der WTO nicht nur die Stimmen der Wirtschaftsminister und bei IWF und Weltbank nicht nur die Stimmen der Finanzminister Gehör finden. Diese Veränderungen werden sich nicht leicht durchsetzen lassen. Die Vereinigten Staaten werden ihr faktisches Veto beim IWF nickt aufgeben. Und die Industriestaaten werden nicht auf Stimmrechte verzichten, um den Entwicklungsländern mehr Stimmrechte einzuräumen. Sie werden sogar fadenscheinige Argumente vorbringen: Die Stimmrechte werden wie bei Aktiengesellschaften auf der Basis der Kapitaleinlagen zugeteilt. China ist schon seit langem bereit, seine Kapitaleinlage zu erhöhen, um so mehr Stimmrechte zu erhalten. US-Finanzminister O`Neill versucht den Eindruck zu erwecken, es seien die amerikanischen Steuerzahler, die Klempner und Zimmerer, die die milliardenschweren Stützungspakete bezahlten - und weil sie die Kosten trügen, sollten sie auch die entsprechenden Stimmrechte besitzen; aber das stimmt nicht. Das Geld kommt letztlich von den Arbeitern und anderen Steuerzahlern in den Entwicklungsländern, denn die Kredite des IWF werden fast immer zurückgezahlt.
      .....

      Transparenz

      Abgesehen von einer grundlegenden Revision ihres governance-Systems ist mehr Offenheit und Transparenz die wichtigste Gewähr dafür, dass die internationalen Wirtschaftsinstitutionen die Anliegen der Armen, die Umwelt und allgemeine politische und soziale Belange stärker berücksichtigen. Für uns spielt eine informierte und freie Presse eine wichtige Rolle bei der Kontrolle unserer demokratisch gewählten Regierungen: Jeder Missstand, jede noch so kleine Indiskretion, jede Günstlingswirtschaft wird kritisch unter die Lupe genommen, und die öffentliche Meinung kann einen mächtigen Druck ausüben. Transparenz ist in öffentlichen Institutionen wie dem IWF, der Weltbank und der WTO sogar noch wichtiger, weil ihre Führungsspitze nicht direkt ge- wählt wird. Obgleich es öffentliche Einrichtungen sind, besteht keine direkte Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Das Problem der mangelnden Transparenz betrifft in unterschiedlicher Weise alle internationalen Institutionen. Die Welthandelsorganisation verhandelt über Abkommen hinter verschlossenen Türen, so dass für die Öffentlichkeit kaum ersichtlich ist, welchen Einfluss Unternehmens- und andere Sonderinteressen nehmen. Die Beratungen dieser Gremien, die darüber entscheiden, ob ein Verstoß gegen ein WTO-Abkommen vorliegt, werden ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.
      .....
      Als Mitglied des Sachverständigenrats von Präsident Clinton hatte ich die Macht der Verschwiegenheit selbst erlebt und verstanden. Verschwiegenheit ermöglicht Regierungsvertretern jene Art von Diskretion, die sie nicht hätten, wenn ihre Handlungen öffentlich diskutiert würden. Verschwiegenheit erleichtert nicht nur das Leben, sondern es erlaubt auch Sonderinteressen, ihren ganzen Einfluss ungestört geltend zu machen. Verschwiegenheit dient auch dazu, Fehler zu verbergen, gleich ob sie harmlos sind oder nicht und gleich ob sie das Ergebnis einer mangelnden gedanklichen Analyse sind oder nicht. Wie heißt es doch so treffend: "Sonnenschein ist das beste Antiseptikum.« Diese Verschwiegenheit und der Argwohn, den sie schürt, leisteten der Protestbewegung Vorschub. Die Demonstranten forderten mehr Offenheit und Transparenz. Diese Forderungen stießen auf besondere Resonanz, denn der IWF selbst hatte während der Ostasienkrise die Bedeutung von Transparenz betont. Die rhetorische Betonung von Transparenz durch den IWF führte unabsichtlich dazu, dass sich der Scheinwerfer der Transparenz auf den IWF selbst richtete - mit dem Ergebnis, dass bei ihm nichts davon zu sehen war.
      .....

      Reformvorhaben

      Im Anschluss an die Ostasienkrise und das Scheitern der IWF- Programme bestand allgemeines Einvernehmen darüber, dass etwas mit dem Weltwirtschaftssystem nicht stimmen konnte und dass etwas getan werden musste, um die Weltwirtschaft zu stabilisieren. Viele der Verantwortlichen im US-Finanzministerium und beim IWF waren jedoch der Meinung, dass es nur geringfügiger Änderungen bedürfe. Um die Belanglosigkeit der Veränderungen zu kaschieren, gaben sie der Reforminitiative den
      hochtrabenden Titel Reform der Weltfinanzarchitektur. Diese Bezeichnung sollte suggerieren, man beabsichtige weitreichende Änderungen der Spielregeln, um künftige Krisen zu verhindern. Die Rhetorik verbarg wirkliche Probleme. So wie die Verantwortlichen des IWF alles taten, um von ihren Fehlern und syste- mischen Problemen abzulenken, so taten sie auch alles, um die Reformen zu unterlaufen, es sei denn, diese brachten dem IWF mehr Befugnisse und mehr Geld und erlegten den Schwellenländern weitere Verpflichtungen auf (wie etwa die Einhaltung neuer, von den entwickelten Industrieländern festgelegter Standards). Bei der »offiziellen« Reformdebatte geben weithin jene Institutionen und Regierungen den Ton an, die seit über fünfzig Jahren die Globalisierung »gestalten«. Weltweit wird die Reformdebatte heute mit unverhohlenem Zynismus begleitet. Die Vertreter der Entwicklungsländer, die denselben Personen gegenübersitzen, die von Beginn an für das System verantwortlich sind, fragen sich, ob es zu echten Veränderungen kommen würde. Was diese »Klientenländer« anlangte, war es eine Farce, in der die Politiker so tun, als unternähmen sie etwas gegen die bestehenden Ungleichheiten.
      .....
      In den Organisationen selbst herrscht bei vielen einflussreichen Mitgliedern eine bemerkenswerte Selbstzufriedenheit. Die Institutionen haben ihre Rhetorik geändert. Sie sprechen über Transparenz, Armut und Partizipation.
      .....
      Doch auch wenn die Veränderungen den Mitgliedern der Institutionen tief greifend erscheinen: mögen, kratzen sie doch nur an der Oberfläche.
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      Sie versuchen, kritische Berichte unter Verschluss zu halten; oft ist es nur ihre Unfähigkeit, Indiskretionen zu verhindern, die schließlich die Offenlegung erzwingt. In den Entwicklungsländern herrscht eine wachsende Unzufriedenheit mit den neuen Programmen, die gemeinsame Armutsberichte vorsehen, da den Teilnehmern von vornherein gesagt wird, dass wichtige Belange, wie die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, nicht zur Diskussion stünden."
      .....

      Schuldenerlass

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      Die Frage der moralischen Verantwortung der Gläubiger stellte sich mit besonderer Brisanz bei den »geopolitischen« Krediten, die während des Kalten Kriegs vergeben wurden. Als IWF und Weltbank dem berüchtigten Staatschef der Demokratischen Republik Kongo, Mobutu, Kredite zusagten, wussten sie (oder hätten es zumindest wissen müssen), dass der größte Teil des Geldes nicht den Armen zugute kommen, sondern auf die Konten Mobutus fließen würde. Dieses Geld war sozusagen der Preis dafür, dass dieser korrupte Diktator dem Westen die Treue hielt. Viele halten es für ungerecht, dass gewöhnliche Steuerzahler in Ländern mit korrupten Regierungen Kredite zurückzahlen müssen, die einer politischen Führung gewährt wurden, die sie nicht repräsentierte.
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      Die weltweiten Proteste gegen die Globalisierung begannen bei den WTO-Tagungen in Seattle, weil die WTÖ das offensichtlichste Symbol der globalen Ungerechtigkeiten und der Heuchelei der Industrieländer ist. Während sie die Öffnung der Märkte in den Entwicklungsländern für ihre Industrieerzeugnisse predigten und erzwangen, schotteten sie ihre Märkte weiterhin gegen Produkte der Entwicklungsländer wie Textilien und Agrarerzeugnisse ab. Während sie den Entwicklungsländern predigten, ihre Wirtschaftszweige nicht zu subventionieren, unterstützten sie ihre eigenen Landwirte weiterhin mit Milliardenbeträgen, so dass die Entwicklungsländer nicht mithalten konnten. Während die Vereinigten Staaten über die Segnungen freier Märkte predigten, setzten sie sich energisch für globale Kartelle bei Stahl und Aluminium ein, sobald inländische Wirtschaftszweige durch Importe bedroht .wurden. Die Vereinigten Staaten drängten auf die Liberalisierung der Finanzdienstleistungen, aber sie widersetzten sich einer Liberalisierung jener Dienstleistungssektoren, in denen die Entwicklungsländer stark sind, nämlich Bauwirtschaft und Schiffsbau und Seetransport. Wie bereits erwähnt, ist das System des Welthandels so ungerecht, dass die ärmeren Länder nicht nur keinen angemessenen Anteil an den Früchten erhalten, sondern die ärmste Region der Erde, Afrika südlich der Sahara, nach der letzten Handelsrunde sogar schlechter dasteht als zuvor.
      .....
      Eine andere Gefahr, die wir in ihrer Tragweite nicht richtig ermaßen, ist die so genannte »Biopiraterie«: Internationale Pharmakonzerne lassen sich Wirkstoffe aus der traditionellen Medizin patentieren. Nicht genug damit, dass sie mit » Ressourcen « und Wissen Geld machen wollen, deren rechtmäßige Eigentümer die Entwicklungsländer sind, sie versuchen obendrein auch noch, die Firmen in jenen Ländern, die diese traditionellen Medikamente anbieten, aus dem Markt zu drängen. Obgleich diese Patente vor Gericht möglicherweise kei- nen Bestand hätten, haben die Entwicklungsländer weder die juristischen noch die finanziellen Mittel, um das Patent gerichtlich anzufechten. Das Problem sorgt in der Dritten Welt für erheblichen Unmut und weckt die Angst vor möglichen ökonomischen Verlusten. Ich besuchte unlängst ein Dorf in den ecuadorianischen Anden, und selbst dort wetterte der Bürgermeister, ein Indio, gegen die Globalisierung und die damit einhergehende Biopiraterie.
      .....


      Für eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz

      .....
      Die Ideologie der freien Marktwirtschaft muss durch objektive volkswirtschaftliche Analysen und eine ausgewogenere Sicht der Rolle des Staates, die sowohl Markt- als auch Staatsversagen berücksichtigt, ersetzt werden, und wir müssen die Rolle externer Berater hinterfragen. Die internationalen Institutionen müssen die Folgen und Risiken, die mit alternativen Strategien verbunden sind, identifizieren, und sie dürfen widerstrebenden Ländern keine wirtschaftspolitischen Maßnahmen aufzwingen, sie müssen die Demokratie fördern, statt sie zu untergraben, und sie müssen nicht nur Wirtschaftswachstum, sondern auch soziale Gerechtigkeit begünstigen. Wachstum um seiner selbst willen ist nicht genug. Wir brauchen Strategien für ein nachhaltiges, gerechtes und demokratisches Wachstum. Das ist schließlich das Ziel der Entwicklungspo- litik. Entwicklung kann nicht darin bestehen, ein paar Menschen reich zu machen oder eine Hand voll geschützter Wirtschafts- zweige zu schaffen, die gesamtwirtschaftlich sinnlos sind und nur der Elite des Landes zugute kommen; sie kann nicht darin beste- hen, die reichen Städter mit Prada und Benetton zu beglücken und die armen Landbewohner ihrem Elend zu überlassen. Die Möglichkeit, in Moskauer Kaufhäusern Handtaschen von Gucci zu erstehen, bedeutet nicht, dass Russland zu einer Marktwirtschaft geworden ist. Entwicklung bedeutet, einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel anzustoßen, die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern, allen Menschen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und Bildung zu verschaffen und ihnen die Chance zu geben, mehr aus ihrem Leben zu machen.

      Wenn nur ein paar Leute die Wirtschaftspolitik diktieren, die ein Land befolgen muss, kann diese Art von Entwicklung nicht stattfinden. Um politische Entscheidungen demokratisch zu legitimieren, muss man ein breites Spektrum von Volkswirten, Regierungsvertretern und Experten aus den Entwicklungsländern aktiv an der Debatte beteiligen. Aber es bedarf darüber hinaus einer umfassenden Mitwirkung und Teilhabe, die weit über den Kreis von Experten und Politikern hinausgeht.
      .....
      Heute steht nicht der Erfolg des einen oder anderen Landes auf dem Spiel, heute geht es um die Zukunft der Weltwirtschaft. Erst wenn die internationalen Institutionen den vermutlich schmerzhaften Veränderungsprozess durchlaufen haben, können sie jene Aufgabe wahrnehmen, die sie eigentlich erfüllen sollten: der Globalisierung ein menschliches Antlitz zu geben.


      - ENDE -

      http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemein/Stiglitz-Die_Schat…
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:23:33
      Beitrag Nr. 1.198 ()
      Das Öl fest im Blick - 30 Jahre danach: Geheime US-Pläne einer Nahost-Invasion veröffentlicht


      Der »Top secret!«-Stempel galt 30 Jahre lang. Nun erblickten die streng geheimen Regierungsdokumente am letzten Tag des alten Jahres das Licht der Weltöffentlichkeit. Im Rahmen der britischen Geheimhaltungsgesetze machte das »National Archives« Schriftstücke zugängig, die auch den letzten Zweifel an den US-Motiven für den Angriffskrieg auf Irak beseitigen dürften. Denn: Bereits vor 30 Jahren planten die USA ernsthaft, mit einer Militärintervention die Ölfelder des Mittleren Ostens unter ihre direkte militärische Kontrolle zu bringen.

      Komplett hier lang:

      http://www.friedensforum-duisburg.de/2004/01/rupp040103.htm


      ---------------------

      Von Lüge und Wahrheit im medialen Dschungel der kolportierten Festnahme Saddam Husseins

      Die Meldungen zur DNA-Analyse und zur “Saddam”-Gefangennahme

      Äußerst auffällig ist dabei allerdings der Zeitpunkt der Meldungen und von wem sie stammten.
      .....
      Die Gefangennahme soll am 13.12.03 um 20.30 Uhr Ortszeit erfolgt sein. Maximal 14 Stunden später liefen bereits erste Meldungen um die Welt
      .....

      Dann äußert sich im Artikel auch noch der Mark Stolorow, Chef von Orchid Cellmark, einer Forensikfirma mit DNA-Labors. Demnach sei eine Analysedauer von etwa einem Monat normal, gegen Extra-Gebühr sei es möglich, dies in 5 Tagen zu bewerkstelligen. Er mutmaßt dann hypothetisch, dass es wahrscheinlich sein könnte, dass unter bestimmten günstigen Bedingungen ein Labor “den Job in unter 24 Stunden” hinbekäme. Er wisse aber nicht, was die zeitliche Untergrenze hierfür sei.

      Halten wir fest: Die DNA-Identifikation Saddam Husseins wurde am 14.12.03 ausschließlich von mit den USA verbündeten Irakern als 100% gesichert behauptet. Ein Pentagon-Offizieller kündigte dies hingegen erst für die Zukunft an.

      Komplett hier lang:

      http://www.ralph-kutza.de/Wag_the_Saddam/wag_the_saddam.html

      -------------------

      Italien frisiert die Schuldenstatistik

      http://www.faz.net/s/RubC8BA5576CDEE4A05AF8DFEC92E288D64/Doc…

      -------------http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:26:14
      Beitrag Nr. 1.199 ()
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:33:46
      Beitrag Nr. 1.200 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de




      Die Dinge neu durchdenken: 04.01.2004

      DIESE WOCHE

      Da nun das neue Jahr ausgebrochen ist, und die diversen Reformen, die uns zu noch mehr Verzicht nötigen und die Planwirtschaft noch ein gutes Stück vorantreiben, überdenkt der Spatz den Zusammenhang zwischen Hunger, materieller Entwicklung der Finanzwirtschaft. Er untersucht, weshalb die Produktion in Deutschland gedrosselt wird, und wer davon einen Profit hat - ein guter aber etwas deprimierender Auftakt ins neue Jahr. Aber wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen...


      Jahre wechseln von alleine [/b]

      An diesem Jahreswechsel wünschten sich viele nicht mehr locker "einen guten Rutsch", sondern "mindestens ebensogut aus dem neuen Jahr herauszurutschen, wie wir jetzt noch hineinrutschen". Der Spruch ist länger, wird weniger fröhlich und gedankenlos, sondern - warum herumreden - pessimistisch. Dafür gibt es Gründe, die jeder kennt aber nicht unbedingt wahrhaben will?

      Man hat uns eine Steuerreform versprochen und, damit die Menschen beim Wort "Reform" nicht - wie inzwischen leidvoll gelernt - gleich zur Tasche fassen, um sicher zugehen, daß dort nicht die Finger der Reformatoren zugreifen, gleich dazugesagt, es handele sich um eine Steuersenkung. Da sollte jeder aufatmen. Wo werden schon mal Kosten und Preise gesenkt? Ja, im eigenen Haus schon. Jede Firma versucht an jeder denkbaren Stelle, Kosten zu senken, und inzwischen überlegen sich mehr Menschen, als es zugeben, wo sie Ausgaben einsparen können: Beim teuren Braten, tut es nicht auch eine Hackfleischsauce? Warum, will das keiner zugeben? Wer wird schon zugeben, daß er versagt hat? Am wenigsten Leute, die gewählt werden wollen. Ist es kein Versagen, wenn man sich nicht mehr leisten kann, was früher selbstverständlich war?

      Der Hinweis auf andere, die Schuld sind, bringt wenig, denn er ist nicht neu. Es sind ja immer die anderen Schuld. Wer ist aber daran schuld, daß die anderen schuld sind? Es läuft etwas schief, und wir laufen mehr oder weniger freiwillig mit. Wenn es bergab geht (schief), kommt man in Fahrt, bis man aufläuft?

      Wo etwas in Fahrt kommt, gibt es auch Leute, die jubeln, weil es ihnen gut tut. So flattert mir gerade ein Jubelbrief der Solarwirtschaft auf den Tisch: "Ab Jahresbeginn sorgt eine bessere finanzielle Förderung von Solaranlagen dafür, daß sich deren Betrieb künftig bezahlt macht. (...) Der Gesetzgeber verpflichtet deutsche Energienetzbetreiber, das Stromnetz für die Einspeisung von Sonnenenergie zu öffnen und den Strom von Solaranlagenbetreibern zu einem vorgegebenen und kostendeckenden Preis abzukaufen. Die Anschaffungs- und Betriebskosten können damit erstmals vollständig gedeckt werden". Hurrah. Neue Arbeitsplätze! Es geht wieder aufwärts!

      O je, bergauf, das strengt an. Zwangsabkauf, das ist die viel gepriesene "freie Wirtschaft". Was wollen Sie, jeder ist frei? Sie können Strom sparen. Weniger Strom, damit sparen sich die Versorgungsunternehmen Investitionen in teure Großanlagen. Sie dürfen gerne auf Kerzen zurückgreifen, zu deren Herstellungskosten eine steigende Ökosteuer (Paraffin = Erdöl) und die Kosten des künftigen CO2-Zertifikathandels beiträgt. Letzten Endes handelt es sich hierbei um Freiheiten, die sogar in der wildesten Sklavenhaltergesellschaft, der römischen, nicht beseitigt wurden. Sie können sich beherrschen und verzichten. Zu wessen Gunsten? Der Umwelt? Wirklich? Wer will das glauben?

      Damit sind wir bei dem verhängnisvoll dräuenden Stichwort des neuen Jahres, das die anpackende Zuversicht dämpft, das nicht ausgesprochen, sondern gemunkelt wird: "Verzicht!" Wenn sie die Steuerreform näher durchforsten, werden sie feststellen, daß ihnen da und dort die Abgaben etwas gesenkt werden, doch erkaufen müssen Sie sich das durch allerlei Verzichtleistungen, die an anderer Stelle, zum Beispiel auch im "Haushaltsbegleitgesetz 2004" versteckt sind. (Näheres - wenn es Sie interessiert - finden Sie im BWL-Boten vom 02.01.2004). Noch wird uns hier der Verzicht noch in kleinen Dosen zugemutet. Nicht jeder muß den Euro umdrehen, manchen geht er noch so locker von der Hand, daß ihn Details nicht kümmern müssen. Weltweit sieht es anders aus.

      Die Weltnahrungsorganisation (FAO) hat 2003 einen Bericht über Unsicherheit der Nahrungsmittelversorgung der Welt veröffentlicht. Sie können davon ausgehen, daß die UN-Bürokraten in Rom allen Grund hatten, die Zahlen zu beschönigen, hatte sich doch die ehrenwerte Organisation der Völkergemeinschaft erst 1996 vorgenommen, den Hunger in der Welt bis zum Jahre 2015 zu halbieren. Das war kein ehrgeiziges, sondern sollte ein "realistisches" Ziel sein. Man wollte das nicht schon bis zum Jahr 2000 durchdrücken, weil es der freie Markt, der Inbegriff westlicher Freiheit, nicht hergegeben hätte. Was gibt der her?

      Nun, 2001 litten nach Aufstellung der Bürokraten 842 Millionen Menschen Hunger. Heute sind es eher mehr als weniger. Denn - so die Bürokraten - "der Kampf gegen den Hunger" (gab es einen solchen? Oder versteht man darunter Spenden für "Brot für die Welt" und ähnliches?) "hat Rückschläge erlitten" und heute "hungern in mehreren Regionen der Welt mehr Menschen als vor 5 Jahren", das heißt als zu dem Zeitpunkt, an dem die "Völkergemeinschaft" den Kampf gegen den Hunger beschlossen hatte.

      Ein großer Teil derer, die mehr hungern als früher, wohnt auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Ihnen stellt man somit ihre neu gewonnene "Freiheit" in Rechnung. Aber auch in anderen Erdteilen hat die Zahl der Hungernden zugenommen, besonders natürlich in Afrika - natürlich? Was ist daran, natürlich, außer der Tatsache, daß wir uns daran gewöhnt haben, daß man im schwarzen Kontinent den Menschen statt Brot teure, vollautomatische Gewehre in die Hand drückt, um sich ihre Nahrungsmittel damit selbst zu verschaffen. Die das tun, wissen auch, daß mit dem Gewehr kein Stück Land mehr umgegraben oder bewässert wird. Damit wird einerseits die Anzahl der Esser dezimiert und zugleich - und deshalb "zahlt es sich aus" - die Anzahl derer, die Anspruch auf die wertvollen Rohstoffe im Boden unter ihrem Lebensraum zu ungunsten westlichen Rohstoffirmen erheben könnten.

      Doch selbst in den Industrieländern stellt die FAO wachsenden Zahlen von echten Hungerleidern fest, peinlich, doch ist das nicht der Marktwirtschaft, sondern jedem selbst anzulasten: "selbstverschuldet"!

      Es gibt eine einzige Ausnahme in der bedauerlichen Bilanz des Kampfes der Völkergemeinschaft gegen den Hunger: China. Dort sollen nach Aufstellung der Bürokraten im Jahr 2001 58 Millionen Menschen weniger gehungert haben als noch 1996. China, (k)ein Wunder! Das Land "leistet" sich den Luxus des Transrapid, den wir uns dank der rot-grünen Regierung und eigentlich auch ihrer Vorgänger, nicht leisten konnten oder wollten (und zwar nur aus Sparsamkeit!). China baut zügig Kernkraftwerke (die wir wegwerfen), obwohl sich umfangreiche chinesische Wüstengebiete in den Augen unserer Regierenden für die Sonnen- und Windenergienutzung anböten. Stattdessen baut China auch noch riesige Wasserstauwerke, zum Beispiel den Dreischluchtendamm, in den Augen unserer Regierenden ein "wahnsinniges Großprojekt und fürchterlicher Eingriff in die Umwelt". Sie stellen mit dem Damm alleine nicht nur mehr Strom her als wir in 10 Kernkraftwerken sondern können damit einen Teil ihrer Wüsten bewässern. (Außerdem werden zu diesem Zweck - für Grüne horribile dictu - noch Flüsse Tausende von km umgeleitet).

      Wir sind gewohnt, daß unsere rot-grün eingefärbten Regierenden Krokodilstränen über den Hunger in der Welt vergießen. Sie verkünden "Hilfe zur Selbsthilfe". Das ist im Prinzip eine richtige Einstellung. Die Hungernden sind zu befähigen, ihre Nahrungsmittel aus ihrem Boden selbst zu gewinnen, und dazu müssen sie in die Lage versetzt werden. Ein irgendwo in der afrikanischen Savanne mit Spendengeldern gebauter Brunnen, ist für einige eine schöne und nicht zu verachtende Sache, für die Spender und für den Klan, der den Brunnen nutzen kann. Aber ist das kein "Kampf", das sind "Almosen gegen den Hunger". Sie machen den Hunger der Hungrigen auf Seiten der Satten erträglicher, weil sie ihnen erlauben, weiter gegen "die Industrie und ihre Profitsucht" zu wettern, deren "Umbau" zu fordern, und das wirklich etwas in Gang zu bringen (was nur die Preise kaputt machen würde).

      Solche Krokodilstränen garnieren nur allzu schön die scheinheiligen "Verzichtappelle" unserer Regierenden, die praktisch sehr viel gegen eine wirksame Steigerung landwirtschaftlicher Erträge haben. Diese verlangt nämlich mehr Dünge- und Pflanzenschutzmittel, mehr Süßwasser (daß an die Stellen zu bringen, wo es fehlt oder zu knapp ist, viel Energie kostet), kurz sie verlangt mehr Energie pro m² bebaubarer Fläche. Doch will man ins grüne nachhaltige Wunderland gelangen, muß Energie teuer, möglichst unerschwinglich werden. Aus diesem und keinem anderen praktischen Grund läßt Jürgen Trittin die Solar- und Windenergie fördern. Ins Wunderland gelangten wir noch rascher, wenn jeder Satte seinen Konsum halbiert und das Gesparte auf die gestiegenen Regierungskosten und den Bedarf der Bedürftigen aufteilt.

      Brächte uns das weiter? Die Weltgetreide Ernte erbrachte im vergangenen Jahr 1,87 Mrd. t Getreide, eine riesige Menge aber - nach Bürokratenangaben - 155 Millionen t zu wenig, um nur den laufenden Bedarf zu decken. (Es war schon im 4. Jahr in Folge zuwenig, sollte "Getreideberge" abbauen und hat es getan). 2 Mrd. t bräuchten wir um 6,3 Mrd. Menschen am Leben zu erhalten, so die Statistik. Wenn das ausreichen sollte, darf keiner mehr als ein anderer essen. Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn in diesem Fall, dürfte kein Getreide an Tiere verfüttert werden, das heißt, wir alle müßten auf Fleisch verzichten. Das würde Rezzo Schlauch und seine Partei ohnehin gern allen Menschen empfehlen, außer sich selbst, den Funktionären der neuen, glücklicheren Menschen. Sollte aber jeder so viel zu essen bekommen, wie wir Mitteleuropäer gewohnt sind, dann bräuchten wir 5 Mrd. t Getreide, rund das 2,5-Fache. Woher die nehmen? Produzieren ließe sich das, sogar ohne viel Umweltzerstörung, vielmehr mit einigen deutlichen Umweltverbesserungen (z.B. des zirkulierenden Süßwasserkreislaufs).

      Was also spricht dagegen? Es ist nicht bezahlbar. Weltweit leben 1,3 Mrd. Menschen von weniger als einem Dollar am Tag. 700 Millionen andere liegen nur knapp darüber. Wie sollen die sich ihr tägliches Brot kaufen können? Bekämen die mehr, so daß sich der Ausbau der Landwirtschaft rentieren könnte, dann stellt sich die Frage anders als beim Krieg gegen den Terrorismus: Auf wessen Kosten, wo soll das Geld herkommen? Die Rentabilität von ordentlichen Börsengeschäften hängt doch von ordentlichen Preisen ab und diese sind - wie wir alle in der Schule in Wirtschaftslehre gelernt haben - eine Funktion der Knappheit.

      Was nichts kostet, ist nichts wert, haben wir gelernt. Was nichts wert ist, wird nicht hergestellt. Aber welchen Preis kann man nehmen? So viel, wie Leute bereit sind, für etwas zu bezahlen? Wenn das nicht die Herstellungskosten deckt, wird es auch nicht hergestellt. Welchen Preis können Leute mit einem Dollar am Tag bezahlen und wie viel läßt sich damit "gewinnbringend" herstellen? Ja, schlucken unsere Wirtschaftskundelehrer und wechseln rasch das Thema: "Überbevölkerung, die Welt ist übervölkert". Da gibt es welche, die vermehren sich wie die Karnickel, statt es wie die "Geistesgrößen" der Frankfurter Schule und andere Geistige Väter Rot-Grünen zu machen: Keine Kinder, lieber ein Haus im Tessin!

      "Und" - würde nun Herr Blüm einwerfen - "wer kommt für die Renten auf?" "Die Sparer, na klar!" jubeln seine Nachfolger. Damit die genügend sparen, verordnen sie freiwilliges Zwangssparen. Aber ist das so neu? Haben wir nicht bisher schon in die Rentenversicherung eingezahlt - zum Teil freiwillig, zum Teil zwangsfreiwillig? Wo ist das Geld geblieben? Es reicht nicht, wird gelogen. Geld ist nur ein Fetzen Papier, das, wenn ihm kein "Wert" entspricht, nichts wert ist. Wo kommt der Wert hinter dem Geld in Zukunft? Doch wohl von denen, die in Zukunft Werte schaffen, wenn sie können oder wollen. Wenn sich Wertpapiere gewinnbringender verkaufen lassen als pralle Mehlsäcke, und zu ihrer Herstellung kaum mehr als buntes Papier und die Unterschrift einer weithin oder allgemein anerkannten Größe nötig ist, warum sollte man wollen? Haben wir nicht gelernt: "wirtschaftlich arbeiten heißt, mit dem geringsten Aufwand den größten Reibach scheffeln" Also!

      Das aber funktioniert nicht, merken inzwischen mehr als die meisten. Nur, was soll man dagegen tun? Abwarten! Auf die Rendite der Papiere im Portefeuille hoffen? In der Zwischenzeit könnte man sich durch folgenloses Schimpfen ordentlich Luft machen. Und hier liegt der Grund, daß sich viele wünschen, noch solange wie sie leben, wenigstens noch so gut aus den Jahren herauszurutschen, wie sie hineingerutscht sind.
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:43:55
      Beitrag Nr. 1.201 ()
      Globales Währungssystem nach dem Vorbild der Einführung der Euro?
      (um Gottes Willen, das hat noch gefehlt)

      Florian Rötzer 07.01.2004
      Angesichts des steigenden Euro und des fallenden Dollar bei gleichzeitig wachsendem US-Leistungsbilanzdefizit schlägt der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Mundell die Einführung einer Weltwährung zur Vermeidung einer Krise vor

      Seit einiger Zeit sinkt der US-Dollar, während der Euro stetig an Wert zu gewinnen scheint. Gleichzeitig steigt die Verschuldung der USA enorm an. Die politische, ökonomische und militärische Supermacht ist gleichzeitig der größte Schuldner der Welt. Trotz des billigeren Dollars importieren die USA weiterhin mehr Güter als sie exportieren. Es besteht das Risiko, so der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Robert Mundell, dass immer weniger in den Dollar investiert wird, was diesen noch mehr unter Druck setzen und schließlich zu einer weltweiten Wirtschaftskrise führen könnte.






      Robert Mundell hat mit seiner Theorie optimaler Währungsräume aus den 60er Jahren die theoretischen Grundlagen für die Europäische Währungsunion und damit für die Einführung des Euro geschaffen. Mundell suchte damit zu beantworten, unter welchen Bedingungen Länder oder Regionen ihre monetäre Souveränität aufgeben und eine gemeinsame Währung einführen sollten. Vor allem sinken damit die Transaktionskosten, allerdings müsste nach seiner Meinung, wenn "asymmetrische Schocks" beispielsweise in der Nachfrage eintreten und Gehälter in einer Region sinken, eine hohe Mobilität der Arbeit für Ausgleich sorgen. Optimal wäre also für ihn ein Währungsgebiet, in die Migrationsbereitschaft bei Problemen hoch ist. Diese Theorie aus den 60er Jahren war einflussreich und wurde von anderen Ökonomen durch zusätzliche Kriterien erweitert.

      Ende 2001 hielt Mundell die Einführung des Euro für geglückt, auch wenn die Gestaltung der Münzen und Scheine ihm "nicht besonders gelungen" zu sein scheint. Er empfahl auch asiatischen Ländern eine Loslösung vom Dollar und die Bildung einer Wahrungsunion. Schon zuvor hatte er dem Euro eine große Bedeutung vorhergesagt:




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      Die Ankunft des Euro kann sich als die wichtigste Entwicklung in den internationalen Währungsstrukturen seit der Durchsetzung des Dollar als der beherrschenden Währung kurz nach der Schaffung der US-Zentralbank, dem Federal Reserve System, 1913 herausstellen.





      Angesichts des erstarkenden Euro und den möglichen Folgen einer Entwertung des Dollar schlägt der Wirtschaftswissenschaftler nun erneut seine Lieblingsidee vor, einen globalen Währungsraum einzuführen. Schon vor der Einführung des Euro-Geldes hatte er eine Währungsunion von Dollar, Yen und Euro propagiert. Würde man die Währungen aneinander binden, so würde dies für die drei Währungsblöcke zu einer stabileren Wirtschaft und zu größerem Wachstum führen. Und für die Länder, die sich der Weltwährung anschließen und ihre Währung daran binden, gäbe es durch die Ausschaltung von Währungskrisen auch größere Stabilität und bessere Handelsbedingungen.





      Mundell denkt dabei an das 1971 von US-Präsident Nixon aufgekündigte Bretton Woods-Währungssystem, mit dem 1944 das 1931 zusammen gebrochene internationale Währungssystem neu geordnet wurde. Damals wurden feste Wechselkurse zum Gold bzw. zum Dollar festgelegt und eine Reihe von internationalen Organisationen (Weltbank, Internationaler Währungsfonds, Internationale Handelsorganisation) zur Regulierung des Handels und der Kapitalflüsse geschaffen. Dann aber habe, so Mundell, der Dollar den Goldstandard zunächst erfolgreich zerstört, weil die USA die "finanzielle Vorherrschaft" innehatte.

      Mundell warnte schon länger vor dem steigenden US-Leistungsbilanzdefizit, das zu einer Krise führen könne. In den 90er Jahren hätten die USA zunächst vom Boom an den Börsen und dann vom Internet-Boom profitiert, beides aber habe letztlich die Ausgaben und damit die Schulden anwachsen lassen. Jetzt, so sagte der Ökonom gegenüber der Liberation, habe das Leistungsbilanzdefizit das historische Hoch von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Mit einer Schuldenlast, die 2002 einem Anteil von 30 Prozent am Bruttoinlandsprokt entspricht und 2004 sicher auf 35 Prozent anwachsen wird, werden die internationalen Investiteure, die Kapital in Dollar besitzen, diesen nur dann behalten, wenn sein Wert wieder zunimmt. Das Risiko ist, dass sie weiter Dollar verkaufen werden und dass sich der Kursverfall beschleunigt.





      Die Krise des Dollar sieht Mundell als Chance für die amerikanische Regierung, dessen Rolle als wichtigste Währung der Welt zu verändern. Er verweist dabei auf die Diskussion, die in Bretton Woods geführt wurden. Auch hier hätten einige Länder bereits daran gedacht, eine globale Währung einzuführen.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Ich glaube, dass wir dieses Szenario erneut in Betracht ziehen sollten. Mit dem Erstarken des Euro und der Instabilität des Dollar sollten sich Europa, die USA und asiatische Staaten vereinen und ein neues internationales Währungssystem schaffen.





      Dabei müsse man kein einheitliches Geld einführen, sondern könne weiterhin den Dollar und den Euro beibehalten, die Weltwährung, die unabhängig von nationalen Zinsen und den nationalen Ökonomien wäre, würde man nur für die Kapitalbewegungen und Transaktionen verwenden. Es sei lächerlich, dass die Zentralbanken zwar die Zinssätze verändern könnten, aber keinen Einfluss auf die Wechselkurse haben.

      Auch wenn angesichts besseres Aussichten wenig dafür spricht, dass die US-Regierung den Vorschlag von Mundell auch nur in Erwägung zieht, wenn es nicht tatsächlich zu einer schweren Wirtschaftskrise kommen sollte, würde für den Ökonomen eine gemeinsame Weltwährung auch eine neue Art der Gemeinsamkeit schaffen. So wie eine internationale Sprache, die die regionalen Sprachen ergänzt, die internationale Verständigung erleichtern würde, wäre eine internationale Währung "ein großartiger Schritt hin auf wachsenden Wohlstand und eine verbesserte internationale Organisation".


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/16467/1.html


      :confused: :confused:
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:49:07
      Beitrag Nr. 1.202 ()
      Feuilleton
      Franz Schandl

      Wähler als Zähler

      Die Politik liegt flach: Ein Lob der Politikverdrossenheit (Teil III)


      Praktische Politik vertritt nicht die Ansichten und Bekenntnisse der Leute, sondern verwaltet deren Verhalten, sie moderiert die Verhältnisse. Dieser »Widerspruch« ist konstitutiv. Noch einmal: Politik handelt nicht nach dem Willen der Menschen, sehr wohl aber nach dem Handeln derselben. Sie redet nach den Reden und sie handelt entsprechend der Handlungen. Daß sich Politik abseits der Beteuerungen abspielt, hat man in den Parteien erkannt, nur muß stets das Gegenteil oder besser noch: es müssen viele Gegenteile behauptet werden. Ein gelungener Wahlkampf ist jener, wo geschickt plazierte Sirenen auf bestimmte Segmente der Bevölkerung wirken und gleichzeitig von anderen überhört werden.

      Politik wird zynisch. Für Eindeutigkeiten ist da kein Platz, auch wenn diese im Warensortiment der Parteien kaltschnäuzig angeboten werden. Die Qualität hält nicht, was die Verpackung verspricht. Es ist die hohe Kunst der Imagination, die eingefordert wird. Dieser nicht zu entsprechen, wirkt lächerlich, dieser zu widersprechen, erscheint geradezu grotesk.

      Es mag einige Unverdrossene erschrecken, wenn etwa Politiker Botschaften aussenden, die sich einander völlig widersprechen. Gerade darum geht es im Wahlkampf: Man will signalisieren, daß man wie in einem Supermarkt mit allem dienen kann. Daß das bloß Fiktion ist, ist völlig egal. Politik ist ein mediales Kasperltheater. Von den eigentlichen Entwicklungen lenkt sie mehr ab als daß sie diese erklärt oder gar, was sich noch immer viele einbilden, leitet.

      Wähler sind nicht als Wähler interessant, sondern als Zähler. Es geht wie in der Ökonomie ums Quantum, d. h. um eine Akkumulation gleicher Einheiten. Wählen meint heute nicht, sich qualitativ zu äußern, sondern sich quantitativ zuzuordnen. Stimmen werden nicht erhoben, sondern abgegeben. Wie der Arbeitskraftverkäufer auf bestimmte Zeit seine Arbeitskraft verkauft, so weisen Wähler für festgeschriebene Fristen ihre Zustimmung zu. Das vermag auch kein noch so ausgeklügeltes System der Partizipation, etwa das der berüchtigten direkten Demokratie, aufzuheben. Im Gegenteil, letztere ist für Populismus und Demagogie sogar um vieles anfälliger als das Repräsentationssystem.

      Politik und somit auch Wahlen sind dazu da, daß sich das, was sich blind hinter dem Rücken der Menschen durch ihre Handlungen herstellt, nachträglich oder vorsorglich als freie Entscheidung erscheint. Der Zyniker Luhmann sprach daher von einer »retrospektiven Sinngebung«: »Was schon entschieden ist, muß ständig neuen Beschreibungen ausgesetzt werden, um es anzupassen an das, was gegenwärtig als mögliche Zukunft erscheint.«

      Freier Wille und freie Wahl sind Instanzen des Vollzugs bürgerlicher Gesellschaftlichkeit. Die Vergesellschaftung über den Wert ist keine direkte (Was wollen wir? Was tun wir?), sondern eine indirekte, eine fetischistische, wo sich die Menschen über Markt, Vertrag, Geschäft, Recht, Politik vermitteln. In der Politik geht es um Interessen gesellschaftlicher Rollen, nicht um die Bedürfnisse von Menschen. Das heißt, daß diese lediglich als verwandelte auftreten können, nicht als unmittelbare, sondern gebrochen durch jene. Die Pflicht der Rollenträger besteht im Dienst an den Formen des Werts.

      Die Grundvoraussetzung von allem Denken und Handeln ist die Verwertbarkeit der »eigenen« Charaktermaske am Markt. An der Funktion des Käufers und Verkäufers, an der Ontologie des ewigen Tauschs wird nicht einmal gekratzt, geschweige denn gerüttelt. Indes, die freie Entscheidung beginnt ausgerechnet dort, wo das automatische Subjekt erkennt, daß es keine freie Entscheidung hat, als Mensch aber eine haben will. In diesem Moment keimt das Individuum.


      Altkluge Politikgläubigkeit

      Das infantile Gedränge am schnellen Markt der Stimmungen ersetzt jedenfalls konzeptionelles und programmatisches Denken. Politik wird inferior. Stimmt die Stimmung, stimmen die Stimmen. Die Politikverdrossenen machen dieses Schauspiel nicht mit, sie sind nicht mehr in Stimmung und sie wollen sich partout nicht in eine solche versetzen.

      »Wenn man in Österreich für eine Wahlbeteiligung werben muß, ist etwas falsch gelaufen«, schreibt etwa die österreichische Politikwissenschafterin Sonja Puntscher-Riekmann im Kurier vom 12. Juni 1999. Aber weshalb denn? Ist das reaktive Verhalten der Abgestumpften nicht vielmehr die adäquate Antwort auf das politische Spektakel? Wäre es nicht viel ärger, sie wählten einfach weiter? Ließen sich alles bieten, was geboten wird? Ließen sich gefallen, was mißfällt? Ist es so falsch, wenn die Leute meinen, sie bewegen da sowieso nichts? Gibt es noch positive Erlebnisse oder Ergebnisse in der Politik, die einerseits mehr sind als ordentliche Verwaltung, andererseits sich aber diesseits des populistischen Schauspiels ansiedeln?

      http://www.jungewelt.de/2004/01-05/021.php
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:52:09
      Beitrag Nr. 1.203 ()
      Emissionshandel
      Geschäfte mit dem Klima


      SWR | 06.01.2004 | 21.55






      Brennholz aus dem eigenen Wald? Nichts ungewöhnliches für Manfred Vohrer, doch mit Holz aus dem Schwarzwald begnügt sich der 63-jährige nicht. Seit fünf Jahren pflanzt der Geschäftsmann Abertausende von Bäumen in Argentinien, Paraguay und Uganda - für den Klimaschutz und den Profit. Zusammen mit seinem Sohn hat er das Ziel, aus guter Luft Geld zu machen. Mit hohem finanziellen Risiko hat er sein ganzes Geld in solche Wald-Projekte gesteckt, die primär wegen der Auswirkung auf das Klima gepflanzt werden. In das klassische Sägeholz würde niemand investieren.



      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_01_06/beitrag7.html
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:55:27
      Beitrag Nr. 1.204 ()
      Tipp: Arztbesuch
      Auch während der Arbeitszeit erlaubt?

      SWR | 06.01.2004 | 21.55









      Streit zwischen Arbeitnehmern und ihren Chefs gibt es immer wieder, wenn die Angestellten während der Arbeitszeit zum Arzt gehen wollen. [plusminus erklärt Ihnen die rechtlichen "Spielregeln".



      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_01_06/beitrag2.html
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 17:57:51
      Beitrag Nr. 1.205 ()
      40-Stunden-Woche
      Brisanz in der Tarifrunde


      SWR | 06.01.2004 | 21.55





      Arbeitgeber fordern neue Regelungen, wonach Betriebe zum Beispiel in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vom Tarifvertrag abweichen und Arbeitszeiten erhöhen oder Löhne kürzen können. Die Gewerkschaften müssen dabei zwischen den Rechten ihrer Mitglieder und dem Erhalt von Arbeitsplätzen abwägen.

      Rote Fahnen vor dem Firmensitz: Beim Elektronik-Unternehmen Nextira One gehen die Mitarbeiter auf die Barrikaden. Die 1.200 Techniker und Marketingleute sollen 15 bis 20 Prozent weniger verdienen. Und sie sollen fünf Wochenstunden länger arbeiten - ohne Bezahlung.
      Nextira One, der frühere Service-Bereich von Alcatel-SEL, gehört heute einem amerikanischen Großinvestor. Da diesem der deutsche Flächentarif zu teuer ist, hat die Firma den Arbeitgeberverband verlassen. Die Beschäftigten sollen einen deutlich niedrigeren Haustarif erhalten.
      Darüber wird verhandelt, die IG Metall steht unter Druck. Benno Eberl von der IG Metall Stuttgart schildert die Zwickmühle: Wenn sich kein Haustarifvertrag nach Vorstellung der Geschäftsleitung erreichen lässt, mit dem man jährlich Millionen Euro einsparen kann, sollen vermehrt Arbeitsplätze abgebaut werden.

      Gewerkschaften in schwieriger Lage

      Für die Arbeitnehmervertreter eine schwierige Situation: Sie werden vermutlich Zugeständnisse machen müssen. Doch solche tiefen Einschnitte, wie sie das Management fordert, sind aus ihrer Sicht unannehmbar. Der US-Investor wolle nur Kosten sparen um jeden Preis, sagen sie - während die Geschäftsleitung mit ausländischer Billigkonkurrenz droht.
      Helmut Reisinger, der Geschäftsführer von Nextira One Deutschland, sieht sich theoretisch im Wettbewerb mit anderen europäischen Niederlassungen des Großunternehmens, den polnischen, tschechischen und slowakischen IT-Fachkräften von Nextira One Europa. Er möchte als Verantwortlicher Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und den Standort weiter ausbauen können.

      Angst vor Tarif-Dumping

      Doch dass Firmen wie Nextira One ihre eigenen Verträge abschließen, ist vielleicht bald gar nicht mehr nötig. In der laufenden Tarifrunde wollen die Metallarbeitgeber so genannte Öffnungsklauseln durchsetzen. Damit könnten auch tarifgebundene Unternehmen Abweichungen vom Tarifvertrag vereinbaren - und zwar mit den Betriebsräten statt mit der Gewerkschaft. Otmar Zwiebelhofer, Vizepräsident von Gesamtmetall, kann sich vorstellen, die Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden zu erweitern, ohne höhere Bezahlung. Die Mitarbeiter verlören so keinen Lohn, müssten jedoch länger arbeiten, um die zu hohen deutschen Arbeitskosten zu senken.
      In der IG-Metall-Zentrale heißt es, man wolle mehr Spielräume für betriebliche Lösungen zugestehen. Aber die Gewerkschaft möchte verhindern, dass sich einzelne Betriebe mit Tarif-Dumping Wettbewerbsvorteile verschaffen. Und sie sieht die Gefahr, dass Abweichungen vom Tarifvertrag die Regel werden. Berthold Huber, der zweite Vorsitzende der IG Metall, beschreibt eine mögliche Entwicklung zu Lasten aller Belegschaften: Ein Betrieb einer Branche erhöht die Arbeitszeit unbezahlt auf 40 Stunden, schließlich sieht sich der nächste gezwungen, diesem Beispiel zu folgen. So entstünde eine "schreckliche Abwärtsspirale", die eine Gewerkschaft nicht unterstützen könne.

      Betriebliche Bündnisse für Arbeit

      Daher haben Zehntausende Metaller demonstriert. Abweichungen vom Tarifvertrag will die IG Metall weiterhin an Notlagen des Betriebes oder an die Schaffung neuer Arbeitsplätze knüpfen - und dies auch kontrollieren. Auf diese Weise funktionieren heute bereits viele betriebliche Bündnisse für Arbeit. Die Firma Aesculap im württembergischen Tuttlingen ist nur ein Beispiel. Der Hersteller medizinischer Geräte stand vor der Wahl, eine neue Fabrik am Stammsitz oder an einem ausländischen Standort zu bauen.
      Was dann geschah, wird vom Betriebsratsvorsitzenden Ekkehard Rist als "offene Kommunikation" gelobt. Aesculap hat eine Wirtschaftlichkeitsrechnung aller fünf Standorte vorgelegt. In Tuttlingen musste man anhand der Daten erkennen, dass man ohne ein Zugeständnis die Arbeitsplätze nicht halten könne. Der Beitrag der Arbeitnehmer sind sechs Jahre lang jeweils 60 Stunden unentgeltliche Mehrarbeit. Die IG Metall saß bei diesem Beschluss mit am Tisch und stimmte zu.
      Im Gegenzug investierte das Unternehmen 28 Millionen Euro in eine neue Fabrik. Laut Produktionsleiter Joachim Schulz hatte man sich verpflichtet, eine Ausbildungsquote von über 45 Auszubildenden pro Jahr sicherzustellen. Außerdem sollten in vier bis fünf Jahren mehr als 100 Arbeitsplätze geschaffen werden. All das wurde übertroffen, heute sind es 300 Arbeitsplätze mehr als zu Beginn des Fabrikbaus.

      Bei Aesculap kamen die Bücher auf den Tisch, die Zusagen waren nachprüfbar, die Tarifparteien überwachten die Einhaltung. Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung funktionierte. Arbeitgeber und IG Metall wären gut beraten, ähnlich klare Bedingungen für alle betrieblichen Arbeitsbündnisse zu vereinbaren. So müsste keine Seite Angst haben, über den Tisch gezogen zu werden.

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 6. Januar 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



      --------------------------------------------------------------------------------

      Links

      IG Metall
      www.igmetall.de

      Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände (Gesamtmetall)
      www.gesamtmetall.de



      --------------------------------------------------------------------------------

      (Stand: 6. Januar 2004)

      SÜDWESTRUNDFUNK
      [plusminus
      70150 Stuttgart
      E-Mail: plusminus@swr.de
      Internet: www.swr.de/plusminus
      Links und Adressen
      IG Metall
      www.igmetall.de

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      Mittwoch, 7. Januar 2004
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 18:05:38
      Beitrag Nr. 1.206 ()
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 18:09:05
      Beitrag Nr. 1.207 ()
      Kleine Vorausschau auf den kommenden Wirtschaftsaufschwung

      Immer wieder haben wir an dieser Stelle den nunmehr für 2005 beschlossenen Zwangshandel mit Emissionsrechten kritisiert. Vielen Lesern erscheint das inzwischen bereits beschlossene Zwangssystem aber noch recht abstrakt. Um zu verdeutlichen, was das bedeutet, betrachten wir uns das kommende Zwangssystem am besten anhand eines Beispieles.

      Sie haben ein Auto gekauft und es ist für unbeschränkten Betrieb zugelassen. Nun kommt aber ein Brief vom Bundesumweltministerium, daß aus Klimaschutzgründen Ihre Kilometerleistung behördlich begrenzt und überprüft werden muß. Sie sollen für die die letzten Jahre und für die kommende Verpflichtungsperiode genau dokumentieren wann und warum Sie vieviele km gefahren sind und vieviel CO2 Sie dabei emittiert haben bzw. in den nächsten Jahren zu emittieren gedenken. Für Kontrollzwecke wird aus diesem Grunde vom TÜV ein verplombtes Meßgerät an Ihrem Fahrzeug installiert.

      Von Brüssel wird die Gesamtemission (und km-Leistung) für alle deutschen Autofahrer restriktiv (d.h., jedes Jahr etwas weniger) vorgegeben. Nun wird aus Ihrer Vergangenheit und dem angemeldeten Bedarf für die nächste Periode ihr zulässiger Anteil behördlich ermittelt und Ihnen als Bescheid zugestellt.

      Falls Sie dann in der kommenden Verpflichtungsperiode mehr fahren, müssen Sie entweder eine hohe Strafe zahlen oder Erlaubnisscheine zukaufen (deren Preis Sie natürlich nicht vorher kennen). Ihre Fahrleistung muß von einem Gutachter aufgrund der Meßwerte zertifiziert werden. Falls Sie renitent gegen die Vorgaben und die Berichtspflicht verstoßen oder das Geld für die einzureichenden Erlaubnisscheine nicht aufbringen können, wird Ihr Auto behördlich zwangsstillgelegt. Sollten Sie wider Erwarten weniger fahren als behördlich zugelassen oder Ihren großen Mercedes gegen einen Kleinwagen tauschen, dürfen Sie Erlaubnisscheine an der Börse verkaufen.

      In absehbarer Zeit wird wegen der Streitigkeiten um die Zuteilung von Erlaubnisscheinen diese sukzessive durch Versteigerung ersetzt. Sie müssen dann die Fahrtstrecken, die Sie zurückzulegen gedenken, zuerst in einer Auktion erwerben.

      Ein Witz? Leider nicht, sondern für alle 2.600 Großfeuerungsanlagen (ab 20 MW th) der Republik ab 2005 bereits beschlossene Sache. Und das ist nur der Anfang: Flugzeuge, kleinere Feuerungsanlagen und möglicherweise bald auch Heizungen für Gebäude sollen in dieses Zwangssystem einbezogen werden.

      Verstehen Sie nun, was wir hier mit dem Begriff "Ökodiktatur" meinen? Und Schröder heuchelt uns noch etwas vor von Wirtschaftsaufschwung...

      Ach ja, was uns da wohl noch grünt, kann man gut in Neuseeland sehen: dort müssen die Farmer bereits jetzt Klimaschutzabgaben auf die Methanfurze ihrer Schaf- und Rinderherden zahlen, die Flatulent Animal Tax. Das ist leider kein Witz. Grün wirkt!

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 23:07:07
      Beitrag Nr. 1.208 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Klub der Schönredner

      Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und BEK-Chef Eckart Fiedler feierten die »Gesundheitsreform«


      Es gehört schon eine gewisse Dreistigkeit dazu, eine Pressekonferenz zur »Gesundheitsreform« unter das Motto »Bessere Medizin – neue Chancen durch das Gesundheitsmodernierungsgesetz (GMG)« zu stellen. Doch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und der Chef der Barmer Ersatzkasse (BEK) sind für derartige Propagandaveranstaltungen bestens qualifiziert. Schmidt wird nicht müde zu behaupten, daß die »Reform« keine Abstriche bei der »medizinisch notwendigen« Versorgung beinhalte, und Fiedlers Kasse geriet unlängst mit dem bemerkenswerten Versuch in die Schlagzeilen, Sozialhilfeempfänger von der BEK fernzuhalten.

      Doch Fiedler, Schmidt und deren ebenfalls anwesender Berater Karl Lauterbach ging es am Mittwoch in Berlin ausschließlich um die »Optimierung der Versorgung«, die dazu führen werde, daß »die Patienten Gewinner der Reform sein werden«, so Schmidt. Gemeint sind dabei die Disease-Management-Programme, die eine fachübergreifende, integrierte Versorgung bei bestimmten Krankheitsbildern vorsehen und einen besonderen Schwerpunkt bei der Sekundärprophylaxe, beispielsweise von Herzerkrankungen, setzen. Entsprechende Modellvorhaben werden durch das GMG ausdrücklich gefördert, und zwar sowohl durch die Entwicklung von Behandlungsrichtlinien auf dem neuesten Stand der Forschung als auch durch finanzielle Anreize für Patienten, die integrierte Versorgungsangebote wahrnehmen. Dadurch könnten beispielsweise bei Brustkrebs und bei mit Diabetes in Verbindung stehenden Herzerkrankungen die Mortalitätsraten signifikant verringert werden, so Lauterbach.

      Einig war sich das Podium bei der Schuldzuweisung für die mageren Erfolge bei der Bekämpfung dieser »Volkskrankheiten«. Ein Großteil der Patienten sei eindeutig zu »passiv« und schenke »dem Spritverbrauch seines neuen Autos oder der Energieeffizienzklasse der neuen Waschmaschine wesentlich mehr Aufmerksamkeit als der eigenen Gesundheit«, so Schmidt. Übergewicht, Bewegungsmangel, Fehlernährung und Nikotinmißbrauch seien unbestreitbar die Hauptursachen für Herzerkrankungen, ergänzte Lauterbach. Auch die mangelnde Bereitschaft zur Wahrnehmung von Krebsvorsorgeuntersuchungen trage nicht unerheblich zur Kostenexplosion im Gesundheitswesen bei. Doch gerade in diesen Bereichen setze die »Gesundheitsreform« deutliche Akzente, und deshalb habe er auch kein Verständnis für die überwiegend negative Bewertung des neuen Gesetzes in der Öffentlichkeit, barmte Schmidts Berater. Und so wundert es nicht, daß eine zentrale Frage auf dieser Pressekonferenz keine Rolle spielte: Wo liegt eigentlich der ursächliche Zusammenhang zwischen zweifellos begrüßenswerten und notwendigen Verbesserungen bei der Prophylaxe und der integrierten Versorgung und der milliardenschweren Mehrbelastung der Patienten in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung?

      http://www.jungewelt.de/2004/01-08/012.php
      Avatar
      schrieb am 07.01.04 23:14:25
      Beitrag Nr. 1.209 ()
      Interview
      Interview: Ralf Wurzbacher

      Kanzler träumt von Eliteunis: Pfründe für die Oberschicht?
      (Demokraten wollen die sein, sind aber lieber Aristokraten;
      es lebe die Aristokratie)
      jW sprach mit Michael Hartmann, Soziologieprofessor an der Technischen Universität Darmstadt

      * Prof. Hartmann befaßt sich schwerpunktmäßig mit Elitenforschung. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehören die Bücher »Der Mythos von den Leistungseliten« und »Topmanager«

      F: Die SPD will mit dem Aufbau staatlicher Elite-Universitäten den deutschen Hochschulstandort auf Vordermann bringen. Ist die vielfach geforderte deutsche Innovationsoffensive damit eingeläutet?

      Ganz bestimmt nicht. Der Vorstoß wird sich in dieser Form als Luftblase erweisen, weil die realen Voraussetzungen für derartige Institutionen in Deutschland nicht gegeben sind. Er wird aber dazu dienen, die geplante Hierarchisierung der deutschen Hochschullandschaft voranzutreiben.

      F: Warum sollte hierzulande nicht funktionieren, was den USA die weltweit »klügsten Köpfe« beschert?

      Das ist ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. US-amerikanische Elite-Universitäten verfügen über finanzielle Ressourcen, von denen wir hierzulande meilenweit entfernt sind. Sowohl die Betreuungsrelationen zwischen Lehrpersonal und Studierenden als auch der Finanzaufwand pro Studierendem sind an den amerikanischen Privatunis um ein Mehrfaches besser als in Deutschland. Außerdem muß bedacht werden, daß das US-Hochschul- und Schulsystem insgesamt unter der enormen Konzentration der Mittel auf die Eliteinstitutionen leidet, so daß die Eliteuniversitäten einen großen Teil ihrer Spitzenforscher und Doktoranden mangels geeigneter einheimischer Kandidaten aus dem Ausland importieren.

      F: Wer, wie der Kanzler, von Eliteunis spricht, denkt bestimmt auch an Studiengebühren ...

      Studiengebühren würden die Bildungsmisere nicht beheben, sondern noch erheblich verschärfen, da die Einnahmen in aller Regel bestenfalls vorherige Kürzungen ausgleichen, und das nicht nur in Deutschland. Der kalifornische Hochschuletat von drei Milliarden Dollar wurde gerade um über 400 Millionen Dollar gekürzt; im Gegenzug sind die Studiengebühren 2003 um 40 Prozent gestiegen. Und natürlich wirken Studiengebühren in hohem Maße sozial selektiv.

      F: Nirgends sonst in den entwickelten Industrieländern hängen Bildungschancen so eng von der sozialen Herkunft ab wie in der BRD. Wie müßte dem begegnet werden?

      Wollte man die Mängel beheben, müßte die momentan noch vorhandene Breite des Hochschulwesens ausgebaut und vor allem die Dreigliedrigkeit im Schulsystem aufgehoben werden. Stichwort: Gesamtschule. Was geschieht statt dessen? Die soziale Selektion wird noch zusätzlich erhöht, wie etwa in Hessen und Niedersachsen, wo die Orientierungsstufen abgeschafft werden. Gleichzeitig wird der Prozeß der Hierarchisierung und sozialen Auslese auch im Hochschulwesen erheblich beschleunigt. Egal ob in den USA, Frankreich oder Großbritannien: Die Qualität von Eliteinstitutionen beruht stets darauf, daß für diese unverhältnismäßig viele Mittel zur Verfügung gestellt werden. So entfällt zum Beispiel auf die französischen Elitehochschulen, die gerade einmal gut 100 000 von insgesamt über 2,1 Millionen Studierenden besuchen, mehr als ein Drittel der gesamten Hochschulfinanzen. Davon profitiert aufgrund einer scharfen sozialen Selektion vor allem der Nachwuchs der »besseren Kreise«.

      F: Sind Politiker zu doof, das zu begreifen?

      Dahinter steckt Methode. Heute werden auch die Kinder von Chefärzten, Professoren oder Managern überwiegend in den staatlichen Hochschulen ausgebildet, und das ist aufgrund der Finanzprobleme eine Ausbildung mit vielerlei Mankos. Deshalb ist es politisches Ziel maßgeblicher bürgerlicher Kreise, für den eigenen Nachwuchs gute Studienbedingungen auf Kosten der restlichen Bevölkerungsteile zu garantieren. Verhängnisvoll ist, daß inzwischen viele Aufsteiger der 60er und 70er Jahre, die vor allem in der SPD zu finden sind, mit den Bürgerlichen eine Allianz bilden und ihren infolge der damaligen Öffnung des Bildungssystems erreichten Status für die eigenen Kinder ebenfalls mittels Abschottung sichern wollen.

      F: Alle wortgewaltigen Bekenntnisse der politisch Verantwortlichen, aus PISA lernen zu wollen, sind also nichts als Nebelkerzen?

      Eindeutig. Wenn man wirklich aus PISA lernen wollte, müßte zuallererst die Dreigliedrigkeit des Schulsystems abgeschafft werden. Genau das aber geschieht nicht.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-08/018.php
      Avatar
      schrieb am 09.01.04 23:45:55
      Beitrag Nr. 1.210 ()
      Die Versicherer erwärmen sich wieder für Aktien – Wenn aus Bären Bullen werden - „Lass’ die letzten 10 Prozent die Anderen verdienen!“
      (08.01.2004)

      Die Aktienmärkte sind mit prallen Segeln ins neue Jahr eingedrungen. Mehr und mehr Strategen spüren den Zwang, Prognosen für 2004, die erst wenige Wochen alt sind, zu revidieren und ihre Indexziele anzuheben. Das weckt Erwartungen, schürt aber auch Phantasien, die mit den Realitäten kaum noch in Einklang zu bringen sind.

      Wir zählen zu jenen, die nicht nur aus rein markttechnischen Gründen davon überzeugt sind, dass sich die Aktienmärkte in einer säkularen, also Jahre dauernden Baisse befinden. Daraus folgt, dass die laufende Aufwärtsbewegung eine Zwischenerholung oder eine zyklische Hausse im Rahmen einer fortbestehenden säkularen Baisse ist.

      Diese Erholung hat letztlich nur einen Zweck: Die Masse der Baissiers und der Zweifler muss zu Haussiers mutieren. Wenn Erstere schließlich konvertiert sind, ist es aus mit dem laufenden Haussezyklus. Denn: Wenn alle wieder in Aktien engagiert sind, wer wird dann wohl noch kaufen?

      Es hat sich in der Börsengeschichte immer wieder als ausgesprochen schwierig erwiesen, den Zeitpunkt auch nur annähernd im Voraus zu bestimmen, zu dem die Nachfrage saturiert sein könnte. Fest steht nur, dass nicht nur die Aktienmärkte zum Überschießen neigen. Fest steht ferner, dass sich die Aktienmärkte in Grenzsituationen irrationaler darzubieten pflegen als die meisten anderen Märkte. Dies erklärt sich ganz einfach damit, dass hier die Beteiligung Unerfahrener, von Emotionen Getriebener, Blauäugiger und ganz einfach Gieriger weitaus stärker ist als andernorts.

      Eines lässt uns vermuten, dass der Punkt, an dem das gegenwärtige Spiel an den Aktienmärkten ein jähes Ende findet, nicht mehr fern ist. Aus Gesprächen mit großen Kapitalverwaltern wissen wir, dass in jüngster Zeit ausgerechnet einige Versicherungsunternehmen wieder Gefallen an Aktien finden.

      Es geschieht das Gleiche wie Ende der neunziger Jahre. Als die damalige Hausse bereits weit vorangeschritten war, kamen sie auf die Idee, den Aktienanteil in ihren Portefeuilles zu erhöhen, um ihr Gesamtergebnis aufbessern zu können. Als die Hausse Anfang 2000 kippte, waren viele Versicherer bis zur Halskrause in Aktien engagiert.

      In der Folge mussten sie ihre Positionen liquidieren, um der Insolvenz zu entgehen. Damit hatten sie einen wesentlichen Anteil an der Baisse, deren erste große Phase, je nach Blickrichtung, im Sommer oder im Herbst 2002 oder erst im März 2003 endete.

      Unter dem Strich bleibt: Die Versicherer haben als große Gruppe Ende der neunziger Jahre teuer gekauft und zwischen 2000 und 2003 billig verkauft, also prozyklisch gehandelt. Das ist nach allen Regeln der Kunst ein schwerer, nicht beliebig wiederholbarer Fehler.

      Doch gerade scheint dieser gravierende Fehler wiederholt zu werden. Die Verantwortlichen in den Vorstandsetagen mancher Versicherer, die bis Anfang 2003 Stein und Bein geschworen hatten, nie wieder Aktien anzufassen, kaufen, soweit sie noch in ihren Sesseln sitzen, mit zunehmendem Elan erneut Aktien ein.

      Wenn dieses Beispiel, das die ewigen Loser an den Märkten beschreibt, noch etwas Schule macht, wäre dies ein starkes Indiz dafür, dass der Konversionsprozess, der aus Bären Bullen werden lässt, an seinem Ende angelangt ist.

      Für die anderen zum Schluss noch ein Rat aus berufenem Mund. Gerald Loeb, eine der Ikonen der Wall Street, sagte dem Sinne nach einmal: „Lass’ die letzten 10 Prozent einer Hausse die Anderen einstreichen!“


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      ---------------------

      Wussten Sie schon, dass...?
      (09.01.2004)

      "Die US-Wirtschaft gründet sich heute auf weit höhere Schulden als zu Beginn der Rezession im Jahr 2001. Dies ist höchst ungewöhnlich. Normalerweise baut der Privatsektor einer Volkswirtschaft seine Schulden im Zuge einer Rezession ab, wenn auch nicht nominal, so doch wenigstens real."


      John Butler, Dresdner Kleinwort Wasserstein

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 09.01.04 23:47:43
      Beitrag Nr. 1.211 ()
      09.01. 20:52
      Staat Kalifornien kurz vor der Pleite?
      (©GodmodeTrader - http://www.godmode-trader.de)



      Arnold Schwarzenegger, inzwischen Gouverneur des Staates Kalifornien, hat heute seinen ersten Haushaltsentwurf vorgelegt. Der Etat umfasst 76 Milliarden Dollar und sieht umfangreiche Kürzungen und Gebührenerhöhungen, aber kaum unpopuläre Steuererhöhungen vor. Der Entwurf muss nun das mehrheitlich mit Demokraten besetzte Parlament passieren.

      Schwarzenegger hatte in der Vergangenheit mehrfach davor gewarnt, dass der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA in diesem Jahr möglicherweise zahlungsunfähig werden könnte. Kalifornien sitzt auf einer Finanzierungslücke von geschätzten 18 Milliarden Dollar.
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 00:00:16
      Beitrag Nr. 1.212 ()
      9.1.04 IWF kritisiert Washington

      Der Internationale Währungsfonds kritisiert die Finanzpolitik von US-Präsident Bush ungewöhnlich scharf. Das "beispiellose Schuldenniveau für eine große Industrienation" bedrohe das weltwirtschaftliche Gleichgewicht.


      Die Organisation rief die US-Regierung in einem ungewöhnlich ausführlichen und kritischen Bericht über die Finanzsituation seines größten Anteilseigners auf, die Schulden abzubauen. ... Rekordwert erreicht

      Das Defizit betrug im abgelaufenen Finanzjahr 374 Milliarden Dollar, ein Rekordwert in absoluten Zahlen, jedoch nicht im Verhälnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Ökonomen erwarten in diesem bis zu 500 Milliarden Dollar Defizit. Das wären rund 4,5 Prozent des BIP. 1983 betrug der Wert sechs Prozent. Im Jahr 2000 wurde noch ein Überschuss von zweieinhalb Prozent des BIP erwirtschaftet.




      Als Wachstumsanreiz habe die US-Fiskalpolitik mit ihren Zinssenkungen die globale Wirtschaft zwar kurzfristig gestützt, räumt der IWF ein. „Aber ein großes US-Defizit birgt auch bedeutende Risiken für den Rest der Welt“, hielt der IWF fest. Wachsende US-Defizite ließen die realen Zinsen in aller Welt steigen.




      Globale Risiken

      Zudem führten die Auslandsschulden - mit bald 40 Prozent des BIP auf „nie da gewesener Höhe für ein großes Industrieland“ - zu erheblichem Druck auf den Dollar.




      „Die möglichen globalen Risiken einer wenig geordneten Wechselkursanpassung dürfen nicht ignoriert werden.“ Der Dollar hat in den vergangenen 18 Monaten rund ein Viertel seines Wertes gegenüber dem Euro verloren. ... (SZ, 8.1.04)




      Kommentar: Bei 40 Prozent Auslandsschulden sind die USA beinahe auf dem Niveau eines maroden Entwicklungslandes angelangt. Immer mehr Kapital geht dann nur noch für die Bedienung der Auslandsschulden verloren – und die Entwicklung geht weiter: Jeden Tag muss ein Handelsbilanzdefizit von 1,5 Mrd. Dollar durch neue Auslandsschulden finanziert werden. Es ist nur eine Frage der zeit, bis solch eine unseriöse Finanzpolitik zu einer schweren Weltwirtschaftskrise führen muss.

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      7.1.04 Größter Job-Abbau seit zehn Jahren

      Seit 2001 fielen 630.000 Stellen weg - Rückgang sogar im Dienstleistungssektor - DIW: Krise hält an



      Berlin - In Deutschland sind im vergangenen Jahr so viele Arbeitsplätze verloren gegangen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, sank die Zahl der Erwerbstätigen um 392 000 oder ein Prozent auf 38,3 Millionen. In den letzten zwei Jahren sind damit mehr als 630 000 Jobs in Deutschland verschwunden. Nicht nur die Zahl der Beschäftigten in der Industrie und am Bau ging zurück, sondern erstmals seit der Wiedervereinigung auch im Dienstleistungssektor. Ohne den Boom bei den Minijobs und den mehr als 200 000 Arbeitslosen, die sich mit Hilfe des Arbeitsamtes selbstständig machten, wäre der Rückgang der Beschäftigung noch viel drastischer ausgefallen. ... (Welt, 7.1.04)




      Kommentar: Der Rückgang von Arbeitsplätzen muss sich immer schneller vollziehen, weil die Zinslasten der unternehmen zu immer größeren Einsparungen zwingen. Dazu kommt die anlaufende deflationäre Abwärtsspirale au Arbeitslosigkeit, sinkender Kaufkraft, rückläufigen Unternehmensgewinnen und weiterem Stellenabbau.


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      Konsum ist geil

      Von Christoph Keese Der Kanzler appelliert an die Kaufbereitschaft der Deutschen. Mit Recht: Sie geben zu wenig Geld aus.


      ... Jeder Bürger muss durch die Folgen von Rezession und Massenarbeitslosigkeit Opfer bringen - keine Frage. Doch dieses passive Leiden kann eine aktive Rolle nicht ersetzen. Mit dem Argument "Wir mussten doch schon so viel ertragen" lässt sich ein Aufruf zu mehr Engagement nicht abwehren.

      Die gegenwärtige Stagnation ist auch eine Folge verbreiteter Passivität. Durch Stillhalten, flaches Atmen und leises Beten für den Aufschwung wird kein Boom ausbrechen. Aktive, zuversichtliche Bürger sind unverzichtbar für eine Volkswirtschaft. 2004 wäre ein gutes Jahr, um von den Zuschauerplätzen aufzustehen, das Nörgeln sein zu lassen und auf optimistisches Konsumverhalten umzuschalten.




      ... Arbeitslosigkeit durch Sparwut

      Zwangsläufige Folge des besessenen Sparens sind massiv sinkende Konsumquoten. Wenn der eine aufhört, dem anderen die Früchte seiner Arbeit abzukaufen, gibt es bald keine Arbeit mehr. Konsum ist praktizierte Nächstenliebe - er schützt den Job des Nachbarn und versetzt diesen in die Lage, seinerseits Arbeitsplätze zu retten.

      ... Gesund ist eine Sparquote von vielleicht sechs oder acht Prozent. Um dorthin zu kommen, gibt es nur einen Weg: Kreditkarten entriegeln und einkaufen gehen. ... (Spiegel, 5.1.04)




      Kommentar: Es hat in unserem System überhaupt keine durchgreifenden Änderungen gegeben. Die ganzen „Reformen“, welche ergriffen wurden laufen darauf hinaus die Kaufkraft der Bevölkerung zu schwächen. Das einzig sinnvolle was dann der einzelne machen kann ist Konsumverzicht und Sparen. Hier dann zu „mehr Konsum“ aufzurufen geht völlig an der Problematik vorbei. Die Menschen konsumieren von sich aus wenn die Bedingungen stimmen. Solange jedoch die Schulden viel schneller wachsen als die Wertschöpfung muss es immer schlimmer werden. Aufrufe zu „mehr Konsum aus Nächstenliebe“ lenken nur von den Tatsachen ab. Einem Redakteur der Financial Times Deutschland, der den Gastkommentar schrieb, sollten solche Fakten eigentlich bekannt sein.


      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 00:23:14
      Beitrag Nr. 1.213 ()
      Die Auswirkungen der teilweise vorgezogenen Steuerreform


      Betrachtet man die Auswirkungen der Steuerreform insgesamt, dann fällt auf, dass viele Steuerpflichtige die einmalige Entlastung im Jahre 2004 durch das Vorziehen der Steuerreform durch lebenslange Verschlechterungen bezahlen müssen. Denn die reduzierten Steuertarife wären nach dem geltenden Recht zum 1.1.2005 ohne Gegenfinanzierung ohnehin in Kraft getreten.
      .....

      Hier lang:

      http://www.urbs.de/aktuell/change.htm?steu70.htm
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      Nur kurz:

      Tschechische Verschuldung 2003 auf Rekordniveau

      Prag (vwd) - Die tschechische Staatsverschuldung ist zum Ende des vergangenen Jahres auf einen neuen Rekordstand gestiegen. Wie das Finanzministerium in Prag am Donnerstag mitteilte, erhöhte sich die Verschuldung zu Ende 2003 auf 493,2 Mrd CZK, verglichen mit 395,9 Mrd CZK Ende 2002. Volkswirte rechnen damit, dass die tschechische Staatsverschuldung schon in Kürze die Grenze von 500 Mrd CZK erreichen wird.

      Die sind zwar noch lange nicht so weit wie wir (Schuldenmäßig gesehen), aber das wird schon . Jedenfalls scheint klar, wo das tolle Wachstum herkommt !

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      Noch mal die Meldung vom "Vortag" in Deutsch:


      US-Verbraucherkredite steigen stärker als erwartet

      Die US-Federal Reserve Bank ermittelte die Veränderung der ausstehenden Verbraucherkredite in den USA für November 2003. Gegenüber dem Vormonat erhöhte sich das Kreditvolumen um 4,0 Mrd. auf 1,995 Bio. Dollar. Volkswirte hatten eine noch stärkere Zunahme in Höhe von 5,0 Mrd. Dollar erwartet. Für den Vormonat wurde der Zuwachs der Konsumentenverschuldung von ursprünglich 0,9 Mrd. auf 8,3 Mrd. Dollar revidiert.
      Die Verbraucherkredite gelten als wichtiger Indikator für die weitere Nachfrageentwicklung. Der stark beachtete private Verbrauch macht etwa zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung aus.

      http://www.finanznachrichten.de/nachrichten/artikel-2892844.…

      Wie gesagt: Na also, flutscht doch noch !!

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      LG Card: Finanzministerium will unterstützen

      Seoul 09.01.04 (asia-economy.de) Die Lage der pleite gegangenen Kreditkartengesellschaft LG Card aus Südkorea spitzt sich weiter zu. Obwohl kurzfristig ein Konsortium von vier Banken das Management der LG Card übernehmen sollte, konnten sich die Banken noch nicht einigen. Bislang haben mehrere Institutionen, sowie die Muttergesellschaft der LG Card, die LG Group, Kapital investiert. Nun erklärte das südkoreanische Finanzministerium, dass man 4,2 Mrd. US Dollar investieren wolle.
      Die Pleite erreichte die LG Card aufgrund zu hoher Ausfälle seiner Kreditkartenleistungen.

      http://www.asia-economy.de/php_fe/index.php?sektion=reiter&t…

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      Zwischen fetten Prämien und Arbeitsamt

      Die New Yorker Börse zeigt, wie Kapitalismus funktioniert: Wall-Street-Manager genehmigen sich insgesamt 11 Milliarden Dollar an Sonderprämien. Besonders gut verdient, wer ordentlich Kosten spart - zum Beispiel durch Massenentlassungen

      Komplett hier lang:
      http://www.taz.de/pt/2004/01/09/a0127.nf/text

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      Völkische ,,Neuordnung" für Afrika

      BERLIN - Einflussreiche Kreise in der deutschen Außenpolitik forcieren eine Neuorientierung der Afrika-Politik, mit der die auf dem Balkan betriebene völkische ,,Neuordnungspolitik" auch auf den afrikanischen Kontinent übertragen würde. Sie treten offen dafür ein, separatistische und regionalistische Organisationen zu fördern. Dadurch sollen ,,Inseln von Staatlichkeit" geschaffen werden, die es ermöglichten, über föderale oder stark dezentralisierte Gebilde ,,zu einem Staat zu kommen, der wieder unser Partner sein kann".

      Komplett hier lang:

      http://www.german-foreign-policy.com/de/news/article/1047078…

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      Studentenprosteste: Bundeskanzler unterschreibt aus Sicherheitsgründen im Hotel

      http://www.lvz-online.de/aktuell/content/89598.html

      Irgendwas davon in den Nachrichten gesehen ?
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      Und noch ein paar Bildchen, einfach nur zur Info:




      ......
      Zum Schluss noch die Dax-Rendite-Tafel (bei 3965), schlimmste Überbewertung und das bei dem miserablen Weihnachtsgeschäft ... und jetzt steht der Dax noch höher!



      http://www.f19.parsimony.net/forum33934/messages/56402.htm

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      "Korb" zur





      Inflationsmessung
      Vielleicht sollte man doch noch Aktien reinstecken. Wenn die mal nicht inflationiert sind
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      Rechnungshof Rheinland-Pfalz

      3.) Auch im "Kleinen"fiel ein großzügiger Umgang mit den Geldern der Rundfunkgebührenzahlerinnnen und -zahler auf. Für die Feier ihres zehnjärigen Bestehens wendete die Anstalt über 20000 € auf, für die Ausrichtung von Kunstausstellungen einschließlich des Erwerbs von kunstwerken der austellenden Künstler über 18500 € und für die Harausgabe von Taschenkalendern nahezu 10000 €.
      ..... :mad: :mad:

      Komplett hier lang:
      http://www.rechnungshof-rlp.de/Pressemitteilungen/LPR_Presse…
      -------------

      http://www.miprox.de
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 00:27:24
      Beitrag Nr. 1.214 ()
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      Korruption: »eher häufig«

      Einer im Auftrage von "Reader`s Digest" vom Meinungsforschungsinstitut Emnid durchgeführten Umfrage zufolge glauben 43% der Befragten, daß Korruption unter Parlamentariern des Bundes und der Länder "eher häufig" vorkommt. 23% halten Bestechung sogar für "sehr häufig". Kommunalpolitiker haben nur ein wenig besseres Image, aber 71% halten Bestechung für häufig bei der Vergabe von staatlichen Großaufträgen. Daß Helmut Kohl mit 18% der Nennungen die Korruptions-Hitliste anführt, verwundert nicht; gleich danach soll aber der Kölner Müllskandal gekommen sein.

      Die zahlreichen Image-Kampagnen der diversen Regierungsstellen und Behörden haben also nichts genützt, vermutlich auch nicht die Millionen, die Florian Gerster in das öffentliche Ansehen der jetzt zu Bundesagenturen mutierten Arbeitsämter gesteckt hat. Corporate Identity, Schein statt sein - was bei Unternehmen der Regelfall ist, beherrschen staatliche Stellen beiweitem nicht so gut, wie sie sollten. Kein Wunder also, daß bei einer Online-Abstimmung auf T-Online, die natürlich nicht repräsentativ ist, aber doch interessant, von gerade eben knapp 8.000 Besuchern 68% Korruption für "sehr häufig" hielten.

      Schon im Sommer 2002 hatte Transparency International, eine internationale Organisation zur Bekämpfung von Korruption, in einer Studie festgestellt, daß Deutschland bei der Bekämpfung der Korruption bald "von Botswana überholt" werde. Der Vergleich hinkt freilich, denn in der sogenannten dritten Welt hat Korruption zumeist ihre Ursache in Armut der Entscheidungsträger. Das ist in Deutschland anders, soll sich doch Hans Eichel schon bis Sommer 2002 eine Pension von sage und schreibe 11.635 EUR "verdient" haben, monatlich, versteht sich. Von Armut also keine Spur, wohl aber von massiven Vorrechten der Staatsdiener, und das ist indes wieder etwas, was man auch in der sogenannten dritten Welt zu genüge findet.

      Um so übler muß es also aufstoßen, wenn die sogenannten Steuersenkungen nur ein noch größeres Loch in den Taschen der Arbeitnehmer hinterlassen, und immer fiesere Kürzungen und Kappungen eigentlich nur noch ein mühsam verhüllter Raub sind. Durch Rentenklau und Korruption werden die sozialen Unterschiede in diesem Lande nur noch größer, und mit ihnen die Spannungen in der Gesellschaft. Die zahlreichen neuen Kontroll- und Überwachungsvorschriften lassen daher vermuten, daß der Widerstand gegen weiteren konfiskatorischen Zugriff inzwischen erheblich angewachsen ist.

      Das politische System dieser Gesellschaft ist ganz offensichtlich morsch. Korruption ist "eher häufig", Rentenklau und Sozialraub ist der Regelfall. Nur wie lange das noch gutgeht, ist eine offene Frage. Noch.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 10.01.04 00:30:12
      Beitrag Nr. 1.215 ()
      Gentechnik: das deutsche National-Gen

      Ca. 2.200 Gesetze und fast 50.000 Verordnungen und Verwaltungsvorschriften machen uns das Leben süßer, wahrlich Stoff für lebenslanges Lernen. Aus dem Staunen kommt man nicht heraus. Eine Fundgrube bürokratischen Irrsinns sind dabei insbesondere kleine, unauffällige Regelwerke. Zum Beispiel die Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR): So sind gemäß ASR 37/1 Toilettenräume so zu verteilen, daß sie vom ständigen Arbeitsplatz nicht mehr als 100 Meter und, wenn kein Fahrstuhl vorhanden, höchstens ein Stockwerk entfernt sind. Und der Weg vom Arbeitsplatz zur Toilette darf nicht durchs Freie führen. Das ist fast so spaßig wie das Doofenpfand, das Autobahnmautgesetz oder die reformierte aber immer noch komplexe Minijob-Regelung, oder was dem rot-grünen Gruselkabinett noch so alles entsprungen ist.

      Das Steuerrecht ist besonders geeignet: So habe ich §4 Abs. 4a EStG zahlreiche Male gelesen, kann aber dennoch nicht behaupten, es wirklich verstanden zu haben. Ähnlich ist es mit der bekannten Pendlerpauschale. Aufwendungen für Familienheimfahrten sind nämlich nur eingeschränkt steuerlich abzugsfähig: "Bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Sinne des §6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 oder Abs. 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Sinne des §6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 bis 6 oder Abs. 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern". Noch irgendwelche Fragen?

      Manche Gesetze brauchen eine deutliche inhaltliche Frischzellenkur, und nicht immer ist das so witzig wie im folgenden Zitat aus dem bürgerlichen Gesetzbuch:

      §961 [Eigentumsverlust bei Bienenschwärmen]: Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigentümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigentümer die Verfolgung aufgibt.
      §962 Verfolgungsrecht des Eigentümers]: Der Eigentümer des Bienenschwarms darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigentümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.
      §963 Vereinigung von Bienenschwärmen]: Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigentümer, so werden die Eigentümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigentümer des eingefangenen Gesamtschwarms; die Anteile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme.

      Gewiß, diese Regelungen braucht das Land. Wie konnte ich jemals leben, ohne das zu wissen?

      Viele Gesetze sind dabei nicht nur inhaltlich veraltet, sondern auch sprachlich. So regelt §62 HGB die Fürsorgepflicht des "Prinzipals", für seinen "Handlungsgehilfen". Ist dieser "in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Prinzipal in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Handlungsgehilfen erforderlich sind", die Sprache des Herrenmenschen des 19. Jahrhunderts, soziale Ungleichheit in Worte zementiert, seit 1896 der Reichsgesetzgeber das HGB beschloß.

      Von Bürokratieabbau und Rechtsvereinfachung schwadronieren die Politiker schon lange. Das Gegenteil passiert. So hat der Hartzer Käse, der kürzlich den Reichstag passierte, zusätzliches Papiergestöber in den Schreibstuben der Betriebe und Behörden zur Folge. Auch neue steuerliche Offenlegungspflichten wie die neuen Zinskontrollmitteilungen dienen nicht gerade der Rechtsvereinfachung - so wenig wie die neuen Personenkennziffern unbürokratisch sind. Und wenn elektrischer Strom erstmal rationiert wird, dann entsteht flugs eine ganz neue Zuteilungsbürokratie, worüber wir dann gewiß nicht mehr lachen können.

      Doch man soll es nicht für möglich halten, seit Schröder wurden auch Gesetze abgeschafft. Ja, ganz gestrichen. Solche, die sich mit der Zukunft und dem technischen Fortschritt befassen, zum Beispiel das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz. Ansonsten beschäftigen wir uns aber zunehmend nur noch mit uns selbst und unserem besonderen deutschen Gen...


      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 10.01.04 00:32:58
      Beitrag Nr. 1.216 ()
      Polizei durchsucht Bank of America

      Parmalat-Manager stellt sich Behörden / "Aufsichtsratschef" von Tochterfirmen entpuppt sich als Telefonist


      Die Polizei hat im Zusammenhang mit dem Betrugsfall des Nahrungsmittelkonzerns Parmalat Büros der Bank of America durchsucht. Zudem muss sich die Deutsche Bank darauf einstellen, der italienischen Staatsanwaltschaft ein zweites Mal Rede und Antwort zu stehen.




      Giovanni Bonici wird von der Polizei erwartet (dpa)


      Mailand/Frankfurt a. M. · 9. Januar · rtr/dpa · In Parma haben die Staatsanwälte den "Aufsichtsratschef" von vermutlich 25 bis 30 Tochterfirmen des Lebensmittelriesen Parmalat verhört. Angelo Ugolotti, der als Angestellter des Konzerns die Telefonvermittlung beaufsichtigte, soll den Ermittlungen zufolge dem Aufsichtsrat von dutzenden Parmalat-Gesellschaften vorgestanden haben, darunter der Tourismus-Firma Nide im US-Staat Delaware und einer Gesellschaft in Singapur. Nur: Ugolotti selbst wusste eigenen Angaben zufolge nichts von seinen Ämtern. Anscheinend benutzte die Konzern-Leitung ihre Beschäftigten ohne deren Wissen als Strohmänner für dunkle Geschäfte. Jetzt will Ugolotti Parmalat auf Nachzahlungen verklagen: Wenn er so viele Ämter besetzt habe, dann hätte er dafür auch Geld bekommen müssen.
      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 00:40:49
      Beitrag Nr. 1.217 ()

      Sieben Gründe zur Skepsis


      Von Dirk Harbecke
      Die Experten aus Banken, Medien und Wissenschaft sind sich einig, dass die Konjunktur im laufenden Jahr weiter an Schwung gewinnt, die Unternehmen ihre Gewinne steigern und sich so die Kursrallye seit dem vergangenen Frühling als überaus berechtigt erweist. Offenbar steht uns ein Jahr bevor, in dem das Geldverdienen ein Kinderspiel wird. Aktien kaufen, liegen lassen und die Zeit mit Sinnvollerem als der Börse verbringen.

      Hinter den Kulissen sieht es derzeit leider anders aus. Bei den Strategie-Beratungen der großen Banken und Vermögensverwalter belasten die Sorgen, ob uns wirklich ein so leichtes Investment-Jahr bevorsteht. Auch ich neige wieder zur Skepsis. Neben den klassischen Argumenten wie Aktien-Bewertung oder Konjunktur sind mir in den vergangenen Tagen sieben wesentliche Gründe eingefallen, lieber vorsichtig zu sein – selbst wenn die Börsen in den nächsten Wochen weiter steigen sollten:

      1. Über-Optimismus der Banken und Newsletter
      Ein exzellenter Kontra-Indikator, wenn man sich daran erinnert, welch grauenhafte Ratschläge die Analysten und Anlage-Profis in den vergangenen Jahren von sich gaben.

      2. Aktien technisch "überkauft"
      Den Untersuchungen des renommierten Analysedienstes "Investors Intelligence" zufolge sind die Aktienmärkte bereits seit Ende Mai aus technischer Sicht "überkauft", was auf eine Korrektur hindeutet.

      3. Verkäufe der Unternehmensinsider
      In den vergangenen Monaten stand das Verhältnis von Aktien-Verkäufen zu -Käufen der Unternehmensinsider in den USA bei 20 zu 1. Offensichtlich haben die Vorstände und leitenden Mitarbeiter kein allzu großes Vertrauen, dass ihre Unternehmen den an der Börse bezahlten Preis auch wirklich wert sind.

      4. Steigende Zinsen
      Wenn die Konjunktur wirklich anzieht, werden die Zinsen über kurz oder lang steigen. Das ist Gift für die Aktienkurse und verteuert Kredite.

      5. Rückkehr der Inflation
      Die Preise an den Rohstoffmärkten klettern seit Monaten und weisen deutlich auf eine steigende Inflation hin. Verstärkt wird die Bedrohung durch die Liquiditätsschwemme an den Märkten, verursacht durch niedrige Leitzinsen der Notenbanken. In Europa wird der Preiseffekt derzeit noch durch den fallenden Dollar gedämpft, der aber wiederum die Exporteure belastet.

      6. Terrorismus
      Die Meinung an den Märkten ist einstimmig: Es wird weitere Terror-Anschläge geben, deren Auswirkungen nicht prognostizierbar sind. Eine bedrückende Unsicherheit, die leider berücksichtigt werden muss.

      7. Vorgezogene Börsengänge
      Die Suchmaschine Google will bereits im April an die Börse gehen, früher als erwartet. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die begleitenden Investmentbanken den Börsenaufschwung noch rechtzeitig mitnehmen wollen, ehe es zu spät ist. Kurz vor dem Platzen der Spekulationsblase im Frühjahr 2000 sah es ähnlich aus. Die Zahl der Neuemissionen stieg beständig, die Bänker drängten zur Eile.


      Die Bewertung der Internetaktien und die Angst vor einer neuen Spekulationsblase werden auch das Thema meiner nächsten Kolumne sein.


      Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.


      [ Freitag, 09.01.2004, 14
      http://www.instock.de/Nachrichten/10137412.html
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 00:49:00
      Beitrag Nr. 1.218 ()
      US-Arbeitsmarktdaten schocken die Märkte oder: Und sie steigen doch!

      von Jochen Steffens

      Zunächst habe ich meinen Augen nicht getraut. Die Zahl der Beschäftigten in den USA soll im Dezember lediglich um 1.000 gestiegen sein? Nicht etwas um 130.000 oder 155.000, wie erwartet, nein 1000! Fehlen da ein paar Nullen, ein Druckfehler? Im November waren es doch noch 43.000. Nein, es sind tatsächlich satte 1000 neue Beschäftigte in ganz Amerika (ex agrar).

      Gleichzeitig sinkt die Arbeitslosenquote auf 5,7 %, nach zuvor 5,9 % und lag damit in den Erwartungen. Dieser Divergenz hängt mit den verschiedenen Formen der Erhebungen, Ausstieg von Arbeitnehmern in Rente u.a. Faktoren zusammen. Doch wichtig bleibt: die Zahl der Beschäftigten steigt nicht, nicht einmal im Dezember!

      Wie Sie wissen, sollten nach diesen schlechten Nachrichten die Märkte weiter steigen, denn mit diesen neuen Zahlen wird eine baldige Zinssteigerung mehr als unwahrscheinlich.

      In diesem Fall ist diese Zahl wiederum derart schlecht, dass nun eine ganz andere Frage die Analysten beschäftigen wird. Wer soll in Gottes Namen nun in Amerika den Konsum anheizen, wenn es zu keiner neuen Beschäftigung kommt?

      Eins scheint jedoch nach diesen Zahlen sicher: Sollte sich der Arbeitsmarkt in den nächsten Wochen/Monaten nicht rasant schnell verbessern, wird es eine Zinssenkung in diesem Jahr nicht mehr geben. Die Schleusen der FED werden damit weiterhin weit offen bleiben. Es wird witerhin Geld in den großen Börsensee fließen. Sie wissen was das bedeutet. Aber auch die Inflationsgefahr verliert an Brinsanz. Allerdings taucht das Thema Deflation erneut aus der Versenkung auf, mal sehen wie die Märkte damit umgehen.

      Dabei hatte bereits selbst die FED von einer Beruhigung auf dem Arbeitsmarkt gesprochen. 1000 nur, Wahnsinn. Es könnte sein, dass es Herrn Greenspan nach dieser Nachricht ganz schön warm geworden ist.

      Es müssen schon so ca. 250.000 Stellen je Monat geschaffen werden, damit der Aufschwung vom Arbeitsmarkt her Schub bekommt. Solche Zahlen sind natürlich in weite Ferne gerückt. Diese Arbeitsmartdaten sind zudem auch ein Indiz dafür, dass die aktuelle Wirtschaftserholung finanziert und nicht real ist!

      Dabei hat gerade die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die neusten Aussichten für die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft veröffentlicht. So stieg der OECD-Frühindikator im November 2003 auf 123,1 Zähler, nach 122,3 Zählern im Oktober. Im November 2003 stand er noch bei 116,9 Zählern.

      Der OECD Frühindikator gibt ein Signal für die Konjunkturentwicklung der nächsten sechs Monate. Analysten hoffen durch diesen Indikator möglichst früh (vor allen anderen) Hinweise auf eine Veränderung der Konjunkturlage zu erhalten. Der aktuelle Anstieg signalisiert eine weitere Verbesserung der Weltkonjunktur.

      Es gibt noch jemand anderes, den diese Zahlen nicht freuen dürften: Präsident Bush. Er hatte gerade wieder ein wenig durchatmen können. Die Umfragewerte, die vor kurzem noch in den Keller zu rutschen drohten, steigen wieder.

      Nach neusten Umfrage könnte Bush mit 59 % der Stimmen rechnen. Sein möglicher Konkurrent Howard Dean lediglich mit 37 %. Sollte sich jedoch die schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt noch verschärfen, kann das Bild vor der Wahl auch schnell noch kippen. Denn das würde zu einem gefunden Fressen für die Demokraten.

      Ach ja, EZB Chef Trichet hat gestern keine wirklich klaren Aussagen mehr von sich gegeben. Kein Wunder, dass der Euro heute die 1,28 Dollar wieder überwinden konnte. 1,31 Dollar sollte er jetzt auch noch erreichen.

      So nun ist es 16.45 Uhr. 2 h 15 min später. Die Amis zeigen sich nach diesen Nachrichten nach anfänglichen Verlusten sehr stark. Das dürfte viele Anleger überaus verwundern – Sie nicht mehr. So befindet sich der Nasdaq lediglich mit nur noch 0,21 % im Minus, der Dow mit 0,45 %. Wie gesagt, Zinssteigerungsängste sind aus dem Markt, Institutionelle greifen zu.

      Ob sie allerdings auch noch den späten Freitag Abend durchhalten? Wir werden sehen. Sollte es nach diesen Zahlen zu weiter steigenden Kursen bis zum Schluss hin kommen, dann wird das Wasser auf die Mühlen der Bullen sein. Der Optimismus sollte dann bis weit in die nächste Woche anhalten.

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      Teuflisch elegant, grandios schmutzig ... die Dollarabwertung

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ich bin immer noch mit dem Ausblick auf das laufende Jahr beschäftigt. Und oh la la ... was sehe ich da!

      "Legalisierte Unterschlagung mit monströsen Ausmaßen", sagt Clive Maund. Mister Maund, dessen Ideen ich mysteriöserweise per Email erhalte, bezieht sich auf die große Dollarabwertung Amerikas.

      Je mehr ich darüber nachdenke, desto teuflisch eleganter und grandios schmutziger wird er – der Fall des Dollars. Dadurch werden Milliarden an Schulden vernichtet ... ohne Pleiten, ohne Prozesse, und ohne Rückstoß durch die Wähler.

      Während die Amerikaner durch den Verfall des Dollars ärmer werden, bemerken sie das kaum; der unmittelbare Verlust wird von jemand anderem übernommen. Der Verlust geht von den amerikanischen Schuldnern zu den Ausländern, die dumm genug waren, amerikanische Staatsanleihen zu kaufen.

      Die große Story im letzten halben Jahrhundert – der Höhepunkt wurde während der Administration von George Bush Junior erreicht – war in den USA der Aufstieg der Konsumentenwirtschaft, das Wachstum der Regierung und besonders das Schuldenauftürmen. Konsumentenschulden, Regierungsschulden, Unternehmensschulden – Hypotheken, Kreditkarten, Dispokredite, was auch immer.

      "Die Amerikaner haben mehr Schulden als je zuvor, und eine Rekordzahl kann die notwendigen Zahlungen nicht mehr erbringen", so die New York Post. Die Summe aller Schulden lag jahrzehntelang bei rund 130 % des BIP. Jetzt ist diese Zahl auf über 300 % gestiegen. Ich habe diese Woche sogar schon den Wert von 360 % gelesen. Die Wähler und Kleinanleger mögen fantasieren, dass die derzeitigen Trends für immer weitergehen können ( ...), aber kein vernünftig denkender Mensch würde das denken. Irgendwann – und zwar bald, denke ich – wird sich die Story ändern. Statt sich zu fragen, wie wir den Schuldenberg noch erhöhen können, wird die dramatische Frage dann sein: Wie können wir ihn loswerden."

      Ich lese gelegentlich die sogenannte "linke Presse" – um zu Lachen und um Angst zu bekommen. Normalerweise wird George W. Bush da als der Teufel in Person porträtiert – ein "ultrakonservativer Cowboy" –, der die Welt für seine kapitalistischen Freunde zu einem freundlicheren Ort machen will. Ich lache dann ... schnappe nach Luft ... und wünsche, dass das wahr wäre. Aber die armen sozialistischen Schreiberlinge haben keine Ahnung.

      In weniger als 2 Jahren hat Bush soviel Beute zusammengehäuft, dass er einen moderaten Haushaltsüberschuss in ein extravagantes Defizit verwandelt hat! Er hat das Wachstum der Staatsausgaben deutlich erhöht – und jetzt wachsen die Staatsausgaben viermal so schnell wie das BIP. Und er hat so viele neue Schulden gemacht und macht sie weiterhin, dass die Haushaltsabteilung des US-Kongresses einen Schuldenstand von 14 Billionen Dollar für das Jahr 2014 prognostiziert. Dieser Schuldenberg würde alleine an Zinsen jährlich fast 1 Billion Dollar kosten.

      Und das alles hat er getan, während er die Steuern gesenkt hat. Das kann man bewundern – denn die Last zur Finanzierung der US-Regierungsprojekte fällt jetzt nicht den reichen oder den armen Amerikanern zu ... sondern den ehrlichen Einfaltspinseln überall auf der Welt, die durch den Schein der dynamischsten Wirtschaft der Welt angezogen worden waren ... und die naiv genug waren, deren Versprechungen zu glauben.

      Mir brummt der Schädel.

      Mehr dazu Morgen ...

      Bis dahin zu Eric Fry:

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      Die Trends der ersten Woche 2004

      von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York

      Anmerkung in eigener Sache: Falls es Sie interessiert ... am Freitag werde ich von 9 bis 10 Uhr New Yorker Zeit bei CNN den "Market Call" moderieren. Schauen Sie doch mal rein, wenn Sie das amerikanische CNN empfangen!

      Jetzt aber zum US-Aktienmarkt: Der "Januar-Effekt" ist immer noch lebendig, und es geht ihm gut. Was mit diesem Effekt gemeint ist: Im Januar steigen die Kurse tendenziell und besonders die Werte mit geringer Marktkapitalisierung. Das zeigt sich daran, dass in diesem Jahr bis jetzt der Nasdaq mehr als der Dow Jones zugelegt hat.

      Der genaue Grund dafür ist ein Thema von zahlreichen Diskussionen. Einige sagen, dass es der Optimismus wegen des Jahreswechsels ist, der die individuellen Investoren inspiriert, Aktien zu kaufen. Andere sagen, dass die neuen Käufe den Institutionellen zu verdanken sind, die zu Jahresbeginn frisches Geld investieren wollen. Und wieder andere glauben, dass UFOs und Außerirdische hinter all diesen Aktienkäufen stehen.

      Was auch immer der Grund sein mag – die Aktien der Nasdaq stürmen voran, während die Aktien des Dow Jones hinterherhinken. Aber ich würde in die paar Handelstage des neuen Jahres auch nicht zuviel hineininterpretieren.

      Was sind die großen Trends? Und da kommt man immer wieder zum Gold. Was ist die Treibkraft des unermüdlichen Anstiegs des Goldpreises? Ich weiß es nicht genau, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Investoren der Welt Papiergeld in Gold eintauschen wollen.

      Die Hunderte von Millionen von Leuten auf der Welt, die ihren nationalen Währungen misstrauen, kaufen Gold. Jeden Tag kaufen Sie Gold ... und bevor man sich versieht, gibt es kein Gold mehr, das sie kaufen können.

      Ich könnte mir – wie viele Goldbullen – vorstellen, dass beim Goldpreis sehr bald eine "Korrektur" beginnen wird, die den Goldpreis bis auf 400 Dollar pro Feinunze fallen lassen könnte. Aber diese Korrektur – sollte sie eintreffen – würde eine exzellente Kaufgelegenheit sein!

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      Zumindest ein zufriedener Leser!

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner, wieder zurück in Paris

      *** "In Dollar gemessen haben wir vom Juli 2000 bis heute die erste Phase eines Bullenmarktes beim Gold gesehen", so Clive Maund (siehe Investor`s Daily gestern). "Allerdings ... hat diese Bullenphase eigentlich nur den Kollaps der Reservewährung der Welt, des Dollar, gegenüber allen anderen Währungen reflektiert. Auf Euro-Basis ist der Bullenmarkt beim Gold bestenfalls schwach oder nicht-existent. In Euro umgerechnet ist der Goldpreis in den letzten 4 Jahren ziemlich stabil geblieben."

      Dazu Michael Vaupel vom Börsenbrief Optionsschein-Profits: "Euro-Investoren sollten unbedingt auf eine Währungssicherung achten, wenn Sie in Gold investieren sollten. Denn sonst fressen die Währungsverluste (fallender Dollar) die Kursgewinne beim Gold wieder auf. Eine Lösung sind währungsgesicherte Gold-Zertifikate, die den Goldpreis 1:1 widerspiegeln – und zwar wird dabei so getan, als ob die Goldpreisnotierung in Euro und nicht in Dollar anfallen würde."

      *** Vor ein paar Tagen hatte ich hier eine kritische Email eines Lesers zitiert. Ein anderer Leser kam mir zu Hilfe: "Ich finde die Kritik, die manche Leser an Ihrer für uns kostenlosen Meinung üben, völlig daneben. Sie haben völlig Recht: Hätte man Ihren Rat befolgt, im Jahr 2000 Aktien verkauft und Gold gekauft, dann hätte man so gut abgeschnitten wie ich es getan habe. Ok – ich habe 2003 die Gewinne am Aktienmarkt verpasst, aber dafür habe ich schöne Gewinne mit Gold und Goldminenaktien gehabt. Aber ich verstehe Ihre Situation – man kann es nie allen gleichzeitig recht machen. Ich liebe es, Ihre täglichen Artikel täglich zu lesen, und ich werde auch Ihr Buch kaufen, wenn es auf Deutsch erscheinen wird. Und dank Ihnen habe ich Geld verdient. Sie sehen: Sie haben zumindest einen zufriedenen `Kunden`."

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      Gott würfelt nicht, Teil 3

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Die Kleinanleger verfielen seit 1999 nie in Panik. Sie glaubten immer noch – auch zu Beginn des Jahres 2003, über das ich jetzt schreibe (es liegt genau 1 Jahr zurück) – an die Versprechen des amerikanischen Konsumentenkapitalismus und seiner Gurus. Sie glaubten an die Gründe, die dafür gegeben wurden, dass die Aktien wahrscheinlich steigen würde ... weil sie so gut wie nie 4 Jahre in Folge fallen!

      Die Aktien fallen normalerweise nie 4 Jahre in Folge, weil sie normalerweise nach 36 Monaten fast immer den Boden erreicht haben. Aber zu Beginn des Jahres 2003 hatten die Aktien immer noch Bewertungen, die typischer für ein Topp als für einen Boden waren. Basierend auf den Kernergebnissen hatten die Aktien des S&P 500 ein KGV von 40. Oder, wie das Barron`s Magazin berechnete: Basierend auf den für 2002 genannten Ergebnissen hatten sie ein KGV von 28. So oder so – sie waren relativ teuer.

      Während die Unternehmensgewinne ein Subjekt der Interpretation sind, sind es die Dividendenrenditen nicht; die Aktien des S&P 500 hatten Ende 2002 eine Dividendenrendite von nur 1,82 %. Diese Zahl ist wichtig, zum Teil deshalb, weil Dividenden nicht lügen, und zum Teil deshalb, weil der größte Teil der Versprechungen des Aktienmarktes auf Unternehmensgewinnen und deren Ausschüttung – den Dividenden – beruht. Laut allgemeiner Meinung hatten die Aktien 100 Jahre lang durchschnittlich 7 % Gewinn pro Jahr eingebracht – womit sie Anleihen, Immobilien, alte Gemälde, einfach alles, übertrafen. Kaum bemerkt war allerdings die Tatsache, dass von diesen 7 Prozentpunkten 5 durch Dividenden und nicht durch Kursgewinne zustande kamen. Wenn man die Dividenden weglässt, dann hätten Aktien deutlich schlechter als viele andere Anlagekategorien, darunter Anleihen, abgeschnitten.

      Die Dividenden hängen von den Unternehmensgewinnen ab. Und wie ich bereits erwähnt habe, ist der Anteil der Unternehmensgewinne am BIP seit den 1960ern gefallen – also während der gesamten konsumkapitalistischen Periode. Angesichts fallender Gewinne wurde es für die Gesellschaften immer schwieriger, ihre Dividendenzahlungen aufrechtzuerhalten. Der Anteil der Dividenden an den Gewinnen stieg entsprechend, auch in den Boomjahren, von rund 35 % im Jahr 1981 auf über 50 % im Jahr 2001. Und nach 1997 sackten die Unternehmensgewinne so stark wie nie seit der Weltwirtschaftskrise durch. Wie konnten die Investoren da vernünftigerweise im steigenden Dividenden rechnen? Und ohne höhere Dividendenzahlungen, wie konnten sie da erwarten, dass die Renditen der letzten 100 Jahre oder auch nur die der letzten 25 Jahre des 20. Jahrhunderts erreicht würden? Ein Pensionär, der von 1,82 % Dividendenrendite leben wollte, müsste schon zwei Millionen US$ in Aktien investiert haben, um ein jährliches Dividendeneinkommen von 36.000 US$ zu erzielen.

      Die Einfaltspinsel dachten darüber kaum nach. Und wer weiß; vielleicht haben sie ja auch Glück. Vielleicht werden die Aktien steigen. Vielleicht ist das alles doch nur Glückssache. Stellen Sie sich das Gelächter vor, wenn Einstein im Himmel ankam und Gott erklärte: "Ich habe keinen Plan ... ich rolle einfach diesen verdammten Würfel!"



      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 00:54:01
      Beitrag Nr. 1.219 ()
      Royal Dutch/Shell Group

      Durcheinander in der Vorratskammer

      Das britisch-niederländische Ölunternehmen hat seine Reserven stark überschätzt. Die Börse ist schockiert.




      Royal Dutch/Shell Group kündigte eine Neubewertung seiner als gesichert geltenden Öl- und Gasreserven an. In der Folge brach der Aktiekurs des Unternehmens zeitweise um mehr als sieben Prozent ein und auch der Ölpreis stieg.

      Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent mit Liefertermin Februar legte bis zum Mittag um 1,09 Prozent auf 31,42 US-Dollar zu. Seit Jahresbeginn ist der Ölpreis damit um gut zwei Dollar je Barrel gestiegen.

      Shell hat seine so genannten „geprüften Ölreserven“ zum 31.
      Dezember 2002 um 3,9 Milliarden Barrel oder um 20 Prozent gekürzt.

      Wie das Unternehmen in London mitteilte, sind vor allem in Nigeria und Australien die Vorkommen bei den Ölfeldern im derzeitigen Entwicklungsstand überschätzt worden. Das hätten neue Tiefenbohrungen gezeigt.

      Der Konzern versicherte zwar, dass sich die Korrektur nicht auf das Ergebnis für 2003 auswirken werde, doch Analysten in London äußerten sich irritiert.

      So sagte Daniel Krimholtz von der Brokerfirma Gerrard: „Dies wirft die Frage auf, ob das Wachstum der Gesellschaft künftig beibehalten werden kann. Zurzeit scheint die Antwort Nein zu sein.“

      (sueddeutsche.de/dpa)
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 01:08:16
      Beitrag Nr. 1.220 ()
      Neuorganisation des Nahen Ostens

      Alfred Hackensberger 10.01.2004
      Ein Nutznießer des US-Kriegs gegen den Terrorstaaten und deren Massenvernichtungswaffen ist Israel


      An Weihnachten konnte US-Präsident George W. Bush sicherlich zufrieden sein. Irak erobert, besetzt und den Bösewicht Saddam Hussein rechtzeitig vor den Feiertagen verhaftet. Aber es gab noch mehr, was den Präsidenten nicht minder überzeugt haben dürfte, wie erfolgreich und wichtig seine Politik gegenüber allen "terroristischen" Staaten dieser Welt ist. Libyen, das Land ganz oben auf der US-Merkliste und seit 17 Jahren mit einem Embargo belegt, willigte überraschend ein, sein gesamtes Waffenprogramm offen zu legen. Zudem unterzeichnete der Iran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag und lässt zum ersten Mal UN-Waffeninspektoren in die islamische Republik. Die amerikanischen Erzfeinde geben sich, einer nach dem anderen, langsam, aber sicher geschlagen. Ein vergnüglicher Toast beim präsidialen Weihnachtsdinner in Washington könnte also, "Auf den Nahen Osten, der kurz vor der totalen Kapitulation steht!", gelautet haben.





      --------------------------------------------------------------------------------

      Die Araber haben das Öl, wir haben die Streichhölzer
      :Ariel Sharon




      Über die Entscheidungen Libyens und des Iran konnte sich nicht nur der US-Präsident freuen, auch alle anderen führenden westlichen Politiker hießen "den Willen zur Kooperation" willkommen. Nur die unmittelbar Betroffenen in der arabischen Welt stehen den "neuen Entwicklungen in der Politik des Nahen Ostens" skeptisch gegenüber. Nicht, dass man etwas gegen die Entwaffnung Libyens hätte, "ein ausgezeichneter Schritt, der auf die ganze Welt Auswirkung haben wird", nannte es Hosni Mubarak, der ägyptische Präsident, stellvertretend für die meisten arabischen Staatsoberhäupter ( Der Nahe Osten als massenvernichtungswaffenfreie Zone).

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16479/1.html
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 01:26:17
      Beitrag Nr. 1.221 ()
      10.01.2004

      Titel
      Damiano Valgolio

      Ganz Italien im Stau

      Generalstreik im öffentlichen Nahverkehr. Aufruf der linken Basisgewerkschaften erfolgreich


      »Von der Pausenregelung hätten sie besser die Finger gelassen. Wir waren vorher schon ärgerlich, aber jetzt kochen wir vor Wut«, wird der Mailänder Busfahrer Carmelo Zotti in der italienischen Zeitung La Repubblica zitiert. »Es ist eines der ersten Rechte des Arbeiters, in Ruhe pinkeln zu gehen«, so der 37jährige.

      Um solche Rechte zu verteidigen und eine Lohnerhöhung durchzusetzen hat Carmelo Zotti gemeinsam mit knapp 120 000 weiteren Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs am Freitag Italien lahmgelegt. Bereits am Donnerstag fielen wegen eines Streiks der italienischen Fluglotsen rund 600 Flüge aus. Tags darauf fuhren im ganzen Lande ab neun Uhr morgens weder Busse noch Straßenbahnen oder Lokalzüge. Lediglich für den Berufsverkehr wurde der Streik kurz ausgesetzt. In Turin und Neapel brach nach Polizeiangaben dennoch der gesamte Verkehr zusammen, als die Menschen versuchten, mit Privatautos zur Arbeit zu gelangen.

      Der 24stündige Generalstreik richtete sich gegen den neuen Tarifvertrag im Nahverkehr, den die großen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL am 20. Dezember mit der italienischen Regierung abgeschlossen hatten. Darin wurde neben einer Lohnerhöhung von 81 Euro im Monat auch eine Verlängerung der Arbeitszeit und eine weitgehende Streichung der Pausen vereinbart. Die streikenden Beschäftigten verlangen jedoch monatlich 106 Euro mehr Gehalt. Außerdem fordern sie den Erhalt der bisherigen Arbeits- und Pausenregelungen.

      Ausgerufen wurde der Ausstand von verschiedenen linken Basisgewerkschaften, die sich zur »Kampfkoordination des Nahverkehrs« zusammengeschlossen haben. Obwohl die Basisorganisationen in diesem Sektor nur einige tausend Mitglieder zählen, beteiligten sich praktisch sämtliche Beschäftigte an dem Streik. Laut Giampietro Antonioni, Sprecher der »Kampfkoordination«, befanden sich »fast 100 Prozent im Ausstand«. Die italienischen Behörden sprachen dagegen von einer Streikbeteiligung zwischen 60 und 80 Prozent in den verschiedenen Städten. Sprecher der Gewerkschaften CGIL und UIL räumten am Freitag nachmittag ein, daß auch ein Großteil ihrer Mitglieder dem Aufruf der Basisorganisationen folgte. Luciano Muhlbauer, nationaler Sprecher der linken Gewerkschaft Sin.Cobas, bewertete den Streik gegenüber junge Welt als einen großen Erfolg. »Die riesige Beteiligung zeigt, daß die Beschäftigten den neokorporatistischen Kurs der großen Gewerkschaften nicht mitgehen«, so Muhlbauer.

      Bereits im Dezember hatte sich abgezeichnet, daß sich die Bus- und Straßenbahnfahrer nicht mit den Verhandlungsergebnissen der Großgewerkschaften zufriedengeben werden. Immer wieder war es vor allem in Mailand und Genua neben den offiziellen Protesten zu »wilden Streiks« und Besetzungen der Busdepots gekommen. Teilweise machten die öffentlichen Verkehrsunternehmen von der sogenannten Einberufung Gebrauch, einer Sonderregelung im italienischen Arbeitsrecht. Straßenbahnfahrer wurden zwangsweise von der Polizei zur Arbeit gebracht und dort überwacht. Inzwischen wird gegen Hunderte Beschäftigte des Nahverkehrs in ganz Italien wegen der Beteiligung an »wilden Streiks« ermittelt. Die italienische Regierung berät derzeit einen Gesetzesvorschlag von Sozialminister Roberto Maroni, der eine weitere Verschärfung des Arbeitsrechtes vorsieht.

      Unterstützung erhalten die Streikenden dagegen von den sozialen Bewegungen in Italien und verschiedenen linken Parteien. Paolo Ferrero, arbeitspolitischer Sprecher der kommunistischen »Rifondazione Comunista«, erklärte die Solidarität seiner Partei mit den Beschäftigten. Sie hätten jedes Recht, »für einen Lohn zu kämpfen, der diese Bezeichnung auch verdient«. In verschiedenen Städten haben die lokalen Sozialforen bereits im Dezember Unterstützungskomitees für Streikende gegründet, die von Repression betroffen sind. Seit einigen Tagen versuchen außerdem sogenannte Verbrauchervereinigungen den ökonomischen Druck auf die Verkehrsunternehmen zu erhöhen. Diese Gruppen rufen zum Schwarzfahren auf und haben Fonds gegründet, um etwaige Strafen bezahlen zu können. In Mailand wurden in allen Bussen und an Stationen gefälschte Bekanntmachungen der Verkehrsunternehmen aufgehängt. Darin werden die Fahrgäste eingeladen gratis zu fahren, solange die Forderungen der streikenden Beschäftigten nicht erfüllt worden sind.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-10/001.php
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 01:34:46
      Beitrag Nr. 1.222 ()
      Ausland
      Mumia Abu-Jamal

      Der Sog des Geldes

      USA: Politiker stellen sich mit Wirtschaft gut und unterstützen Freihandelszonen


      »Die US-Regierung hat besondere Fähigkeiten darin entwickelt, mit gespaltener Zunge zu reden, vor allem dann, wenn es um neue Verträge und Gesetze geht, von denen die Arbeiter betroffen sind. Das ›Recht auf Arbeit‹ ist das Recht, unter Tariflohn zu arbeiten; ›Lohngarantie‹ ist ein anderes Wort dafür, die Gewerkschaften aus der Politik zu drängen, und ›freier Handel‹ steht dafür, die Arbeitsplätze in andere Länder zu verlagern.«

      (R.S. »Bo« Marlow, Vorsitzender der United Automobile Workers, Local 882, in der UAW-Zeitung News/Solidarity, Sept. 2003)


      Es ist schon ein paar Jahre her, daß uns die vielgepriesene Clinton-Regierung zusammen mit Wall Street des Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement) beschert hat. Nun sollte man mit den Worten eines früheren New Yorker Bürgermeisters fragen: »Wie läuft’s denn so?« Für die meisten US-Amerikaner läuft’s nicht besonders gut. Über drei Millionen von ihnen sind arbeitslos. Mit dieser Zahl sind allerdings nur die erfaßt, die noch Arbeit suchen und Arbeitslosengeld erhalten. Dank NAFTA sind Millionen Arbeitsplätze in den USA verschwunden, vor allem in der Produktion. Verschwunden für immer. Dieser verschrobene Kautz mit der komischen Stimme und den großen Ohren, der sowohl Clinton als auch Bush im Präsidentschaftswahlkampf von 1996 herausgefordert hatte – erinnert sich noch jemand an Ross Perot? –, warnte vor dem »gigantisch lauten Soggeräusch«, das man hören würde, sobald NAFTA den Kongreß passiert hätte. Es wäre das Geräusch von Millionen von Arbeitsplätzen, welche die Küsten der USA verlassen und von Mexiko und anderen Billiglohnländern angesogen würden. Der komische kleine Kerl hatte recht.

      Wer etwas auf das NAFTA hält, dem werden auch das Abkommen über die Gesamtamerikanische Freihandelszone FTAA (Free Trade Area of the Americas; in der spanischen Abkürzung ALCA) und das Zentralamerikanische Freihandelsabkommens CAFTA (Central American Free Trade Agreement) gefallen. Letzteres soll in diesem Jahr in Kraft treten. Diese beiden Verträge sollen das, was NAFTA gebracht hat, in noch weit größerem Umfang erreichen.

      Hinter all diesen Verträgen steckt eine einfache Logik: Konzerne und multinationale Unternehmen können ihre Produktionsstätten dorthin verlegen, wo die Ware Arbeitskraft am billigsten ist. Und die Arbeiterinnen und Arbeiter können zusehen, wo sie bleiben.

      Bill Clinton hat einmal jemandem geantwortet: »Es dreht sich alles um die Ökonomie, Dummkopf!« Er hatte dabei nicht die wirtschaftliche Gesundung der Individuen im Sinn, sondern die der Unternehmen. In dem Jahrzehnt seit Inkrafttreten des NAFTA hat sich der Dienstleistungssektor in den USA zum Wirtschaftsbereich mit den meisten Arbeitskräften entwickelt. Gewerkschaften wie die Industriegwerkschaft der Dienstleistungsarbeiter SEIU (Service Employees Industrial Union) haben die meisten Mitglieder. Vielen von ihnen werden erbärmlich niedrige Löhne gezahlt, aber ihre Lage wäre noch schlimmer, gäbe es gegenüber den Unternehmen nicht Verhandlungspartner wie die SEIU. Für Millionen junge Berufsanfänger sind die Jobs im Dienstleistungssektor die einzig verfügbaren, mit denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dienstleistungsjobs waren schon immer schlechter bezahlt als die in der Produktion.

      Wenn jetzt die Wahlkampfmaschinerie für die Bewerber um das Präsidentenamt mehr und mehr in Gang kommt, sollten wir uns genau ansehen, was die Kandidaten der beiden konzernfreundlichen Parteien zu NAFTA, FTAA und CAFTA zu sagen haben. Die meisten dieser Politiker werden sich nicht offen dazu äußern, weil es für sie unabdingbar ist, daß sie sich mit dem Kapital gutstellen, um sich ihre Wahlkampfkassen füllen zu lassen. Aber wir dürfen nicht lockerlassen und müssen sie mit unseren Fragen konfrontieren. Außer Dennis J. Kucinich aus Ohio, der neben neun anderen für die Demokratische Partei kandidiert und der gegen die Handelsabkommen ist, wird sonst niemand das heiße Thema anschneiden.

      Die Vereinigte Automobilarbeitergewerkschaft UAW (United Automobile Workers) arbeitet gegen FTAA und ähnliche schnell durchgepeitschte Abkommen und hat sich Ende November 2003 mit vielen anderen gewerkschaftlichen, sozialen und politischen Organisationen an den Protesten in Miami beteiligt, die sich gegen ein FTAA-Planungstreffen der Handelsminister der amerikanischen Hemisphäre richteten. Das war ein Anfang, reicht aber noch lange nicht. Wo immer die geklonten Clintons auftreten und erzählen, wie sehr sie auf der Seite der Arbeiterschaft sind, dürfen wir sie nicht wieder ziehen lassen, ohne sie mit unseren Fragen nach NAFTA, FTAA und CAFTA gelöchert zu haben. Wir müssen sie zwingen, Position zu beziehen. Wenn wir das versäumen, dann werden wir uns in zehn Jahren umschauen und nichts anderes mehr sehen als die Trümmer, die Arbeitsplatzvernichtung und soziale Demontage hinterlassen haben.

      * Mumia Abu-Jamal ist Mitglied der National Writers Union, Local 1981 unterm Dach der UAW. Info: www.uaw.org

      (Übersetzung: Jürgen Heiser)
      http://www.jungewelt.de/2004/01-10/010.php
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 01:37:50
      Beitrag Nr. 1.223 ()
      Inland
      Ulla Jelpke

      »Wunderwaffe« DNA-Analyse

      SPD und Union wollen Ausweitung und Verschärfung der Strafprozeßordnung


      Die neue »Wunderwaffe« bei der Aufklärung von Straftaten, die DNA-Analyse (»genetischer Fingerabdruck«), verleitet die Politiker dazu, sich gegenseitig mit ihren Forderungen nach Ausweitung und Verschärfung der Strafprozeßordnung (StPO) zu übertreffen. Kaum hat die CDU/CSU-Bundestragsfraktion einen Antrag hierzu im Bundestag eingebracht, will die SPD nicht zurückstehen. Bisher ist die DNA-Analyse, die beispielsweise aus Körperzellen, Haaren oder Speichel die Identifizierung von Personen ermöglicht, nur bei schweren Straftaten erlaubt. Dies will die Union mit ihrem Antrag vom 9. Dezember 2003 aufweichen, der nächste Woche in erster Lesung im Bundestag debattiert wird. Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Buß (SPD) geht noch weiter: Nach seiner Meinung soll die DNA-Analyse zur Routine bei jeder erkennungsdienstlichen Maßnahme der Polizei werden. Das läßt Schlimmes befürchten. Buß ist nämlich nicht irgendwer, sondern ab Montag neuer Vorsitzender der Innenministerkonferenz.

      Eigentlich hätten die Innenminister die Aufgabe, die Verfassung zu wahren. Aber anscheinend brechen derzeit alle Dämme. Sowohl der Bundestagsantrag der CDU/ CSU als auch der Vorstoß des SPD-Politikers Buß widersprechen einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe hatte am 14.12.2000 eindeutig entschieden, daß die »Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters« in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und daher nur in engen Grenzen zulässig ist.

      Wörtlich führte das Bundesverfassungsgericht aus: »Notwendig ist, daß wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, daß gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.« Im Klartext heißt dies: DNA-Proben dürfen nur von einem Verdächtigen erzwungen und gespeichert werden, der erstens einer schweren Straftat verdächtig ist und bei dem zweitens Wiederholungsgefahr besteht. Es muß die Prognose gestellt werden, daß der Verdächtige auch künftig schwere Straftaten begehen wird. Damit scheidet die DNA-Analyse bei Bagatellstraftaten und als Alltagsmaßnahme aus.

      Der Grund für die Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts (und bisher auch des Gesetzgebers) liegt auf der Hand. Aus DNA-Mustern lassen sich Rückschlüsse auf Erbanlagen oder Krankheiten des Betroffenen ziehen. Eine Speicherung dieser (»codierten«) Teile der DNA-Proben ist zwar gesetzlich verboten. Aber jeglichem Mißbrauch soll nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von vorneherein ein Riegel vorgeschoben werden.

      Damit könnte bald Schluß sein, wenn sich die CDU/CSU im Bundestag (Drucksache 15/2159) durchsetzt. Die Union möchte die DNA-Analyse auch bei sogenannter Einstiegskriminalität zulassen. Die bisherige Beschränkung auf Straftaten von erheblicher Bedeutung soll wegfallen. Was man praktisch darunter verstehen soll, macht die CDU/CSU in der Begründung des Antrags deutlich. Demnach sollen künftig »auch an sich weniger gewichtige Straftaten aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität« Anlaß für DNA-Analysen sein. »Hierfür spricht«, so die Union, »daß gerade im Bereich der Betäubungsmitteldelikte auch bei der sogenannten Kleinkriminalität nahezu stets – gegebenenfalls vermittelt über mehrere Mittelsmänner – eine Verflechtung mit der organisierten Kriminalität gegeben ist.« Das heißt nichts anderes, als daß nach dem Willen von CDU und CSU bei jedem Kiffer, der ein paar Gramm Marihuana oder Haschisch zum Eigenkonsum kauft, eine Haar- oder Speichelprobe zwangsweise abgenommen werden dürfte und die DNA-Analyse im Zentralcomputer des Bundeskriminalamts gespeichert würde.

      Damit auch noch die letzten Hindernisse für massenhafte DNA-Analysen ausgeräumt werden, soll auch das bisherige Erfordernis einer richterlichen Anordnung wegfallen. Mit entwaffnender Offenheit heißt es im Antrag der CDU/CSU, das Instrument dürfe nicht »durch bürokratische Hürden unpraktikabel« gemacht werden.

      Bei so viel Abkehr von rechtsstaatlichen Grundsätzen fällt es – so möchte man meinen – schwer, noch einen draufzusetzen. Klaus Buß ist dies gelungen. Der schleswig-holsteinische Innenminister möchte nach einem Bericht des Spiegel die DNA-Probe gleich bei jedem Verdächtigen, der erkennungsdienstlich behandelt wird, wie einen herkömmlichen Fingerabdruck nehmen.

      In der Innenministerkonferenz wird Buß als deren neuer Vorsitzender vermutlich dennoch auf Zustimmung stoßen. Denn dort trifft er zweifellos auf Gesinnungsgenossen. Den Wettlauf um den absurdesten Vorschlag wird wohl der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) gewinnen. Er hat im hessischen Landtag einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach sogar von strafunmündigen Kindern (unter 14 Jahren) DNA-Proben entnommen und gespeichert werden sollen, da diese ja auch einmal älter und möglicherweise Straftäter werden.

      Der neue Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar steht beim Thema DNA gleich vor einer ersten Bewährungsprobe. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob Schaar die Durchsetzungskraft hat, Innenminister und ihnen willig folgende Parlamentarier an einer verfassungswidrigen Ausweitung der DNA-Analysen zu hindern.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-10/013.php
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 01:39:32
      Beitrag Nr. 1.224 ()
      Inland
      Daniel Behruzi

      Verhandlungen ergebnislos

      Unternehmer machen Arbeitszeitverlängerung zur Bedingung für Tarifeinigung in Metall- und Elektroindustrie


      Weiterhin deutlich auseinander liegen die Positionen von Unternehmer- und Gewerkschaftsvertretern im laufenden Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie. Insbesondere die Forderung des Unternehmerverbandes Gesamtmetall, den Betrieben ohne Absprache mit der Gewerkschaft eine Verlängerung der Arbeitszeit von derzeit 35 auf 40 Wochenstunden zu ermöglichen, stößt bei der IG Metall auf vehemente Ablehnung. Wie Gesamtmetall-Geschäftsführer Hans Werner Busch am Freitag im WDR betonte, soll »bei Kostenproblemen« nicht einmal der volle Lohnausgleich für verlängerte Arbeitszeit gezahlt werden. Otmar Zwiebelhofer, Verhandlungsführer der Unternehmer in Baden-Württemberg, hatte am Donnerstag derartige Regelungen als Voraussetzung für eine Tarifeinigung bezeichnet. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich komme »überhaupt nicht in Frage«, konterte dessen Gegenüber Frank Stroh, Sprecher der IG Metall im Südwesten. In dieser Frage seien die Positionen weiterhin »diametral entgegengesetzt«, sagte Wolfgang Nettelstroth, Sprecher der nordrhein-westfälischen IG Metall, im Gespräch mit junge Welt. Die zweite Verhandlungsrunde in dem mit 750 000 Beschäftigten größten Tarifbezirk wurde am Freitag ergebnislos auf den 2. Februar vertagt. Die Tarifparteien beschlossen lediglich die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, in der nach Gewerkschaftsangaben zwar über Wettbewerb und Beschäftigungsaufbau, nicht aber über Arbeitszeit geredet werden soll. Die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche würde den Arbeitsmarkt in der Metallwirtschaft »auf Dauer zubetonieren« und bis zu 45 000 Arbeitsplätze vernichten, warnte IG-Metall-Bezirksleiter Peter Gasse. Die Unternehmer versuchten ihre Forderung nach einer, nicht nur für wirtschaftlich angeschlagene Betriebe geltenden, Öffnungsklausel als notwendig für den Erhalt des Flächentarifvertrags zu verkaufen. Eine solche Öffnungsklausel werde »den Tarifvertrag insgesamt hinfällig machen«, widersprach Nettelstroth diesem Argument der Unternehmer.

      Zu etwas mehr Bewegung dürfte es in der dritten Verhandlungsrunde kommen, die am 23. Januar in Baden-Württemberg, dem Pilotbezirk der letzten Tarifrunde, eröffnet wird. Zu diesem Gespräch wolle man »mit einer Zahl kommen«, kündigte Unternehmervertreter Zwiebelhofer an. Fünf Tage später, am 28. Januar, läuft die Friedenspflicht, während der Streiks untersagt sind, aus.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-10/014.php
      Avatar
      schrieb am 10.01.04 18:06:26
      Beitrag Nr. 1.225 ()
      Das ist keine erfundene Geschichte:

      Im Dezember wurde in unserer Regionalpresse berichtet, dass ein paar Eltern in einem Nachbarort die Initiative ergriffen und mit Farbe und Pinsel die Klassenräume Ihrer Kinder renoviert und dekoriert haben. Auf eigene Kosten und mit eigener Kraft. Löblich, nicht wahr?

      Die örtliche "Kreishandwerkerschaft" hatte daraufhin nichts besseres zu tun, als diese Eltern wegen Schwarzarbeit anzuzeigen. Konsequent, nicht wahr?

      (Das muss man vielleicht zweimal lesen, um es zu glauben. War aber so.)

      Deutschland im Jahr 2004 :cry: :cry:

      Was tröstet:
      1) In den Leserbriefen der letzten Tage bezieht die "Kreishandwerkerschaft" satt Prügel wegen dieser Aktion.
      2) Heute berichtete die Zeitung über eine Schulklasse, die ebenfalls den eigenen Klassenraum verschönert hat - im selben Ort. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Klasse das Material bei einem OBI- Preisausschreiben "gewonnen" hat und die Arbeit "im Rahmen des Werkunterrichts" erledigt wurde. :D
      Avatar
      schrieb am 12.01.04 23:37:00
      Beitrag Nr. 1.226 ()
      Viele Anlagestrategen treiben ein seltsames Spiel - sie spielen sehenden Auges auf Verlängerung der Aktienhausse - "Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe"
      (12.01.2004)

      _________________________________________________________________

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      Die Zahlen zum Arbeitsmarkt in den USA für den Monat Dezember waren ein Schocker. Eine derart breit angelegte Schwäche hatte niemand erwartet, wenigstens nicht zu diesem Zeitpunkt. Bei allen hilflos erscheinenden Versuchen, die Daten schönzureden, müssen wir zwei Dinge einräumen: (1) Ein Bericht macht noch keinen Trend, und (2) die Arbeitsmarktberichte werden üblicherweise im Nachhinein revidiert.

      Doch eines bleibt: Der Dezember-Bericht stellt eine ernste Warnung an jene dar, die die Wirtschaft in den USA weiter rapide wachsen sehen und daran positive Visionen für die Entwicklung der Märkte knüpfen.

      Uns stört schon seit geraumer Zeit, dass Ökonomen und Anlagestrategen in einer verdächtigen Einhelligkeit für das zweite Quartal oder zur Jahresmitte eine neuerliche Dämpfung der Weltwirtschaft ankündigen. Zu den Hauptargumenten zählt, dass der gezielte Aufschwung der Konjunktur in den USA dann die Flügel hängen lässt und dass auch die chinesische Wirtschaft deutlich an Wachstum verlieren wird.

      Dennoch erwarten viele Strategen, dass die Märkte für Aktien und Metalle ihre Kurs- beziehungsweise Preissteigerungen noch eine Weile fortsetzen werden. Bei den Metallmärkten können wir diese These noch akzeptieren, denn sie haben sich in der Vergangenheit höchst selten als brauchbare konjunkturelle Frühindikatoren erwiesen.

      Die Aktienmärkte hingegen kündigen konjunkturelle Wendepunkte in der Regel etwa sechs Monate vor deren Eintritt an. Wenn nun aber die meisten Ökonomen und Anlagestrategen etwa zur Jahresmitte eine Dämpfung der Weltkonjunktur ankündigen, warum, um des Himmels willen, zeichnen sie dann jetzt noch für die nächsten Monate ein so verheißungsvolles Bild von den Aktienmärkten?

      Irgendetwas stimmt da nicht. Wollen die Strategen, hinter denen im Regelfall massive finanzielle Interessen stehen, den Haussezyklus bei den Aktien durch gutes Zureden so lange wie möglich am Leben erhalten und unbedarfte Anleger fressen lassen, was an Aktien noch auf diese abgeladen werden kann?

      Bei allem darf nicht übersehen werden, dass die Hausse an den Aktien- und an den Metallmärkten nicht von "realem" Geld finanziert wird, sondern von Hedge-Fonds, die die entstandene aufwärts gerichtete Dynamik nutzen. Die Käufer sind also überwiegend keine seriösen, sondern Spekulanten, die auf kurzfristige Kurssteigerungen abzielen. Anders lassen sich die hochprozentigen täglichen Kursbewegungen "schwerer" Aktien und die ebenso eindrucksvollen Preisschwankungen bei den Industriemetallen nicht erklären. Bricht die Dynamik aus irgendeinem Grund, lassen sie ihre Kaufpositionen fallen wie heiße Kartoffeln. Und dann ist plötzlich niemand mehr da, der das Angebot aufnimmt.

      Uns kommt das vor wie die aus Kindertagen noch bekannte "Reise aus Jerusalem", denn die Strategen müssten es eigentlich besser wissen. Zumal die meisten von ihnen immer wieder erklärt haben und noch erklären, dass die laufende Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten eine zyklische Hausse im Rahmen einer langjährigen, noch lange nicht ausgestandenen Baisse sei.

      Wenn, was wir fest annehmen, die Aktienmärkte in absehbarer Zukunft kippen, stellt sich die Frage, wohin das noch verbleibende Kapital strömt. Gewiss in Anleihen, denn aus den Gegebenheiten lässt sich sehr wohl ein guter Fall für sinkende Kapitalmarktzinsen ableiten. Und vielleicht auch in Rohstoffe. Ob das bei den Industriemetallen noch Sinn machen würde, halten wir für sehr zweifelhaft. Das Interesse an Gold dürfte hingegen aus Gründen, die wir an dieser Stelle wiederholt dargelegt haben, steigen.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber

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      Wussten Sie schon, dass...?
      (12.01.2004)

      Unter den asiatischen Ländern verfügten folgende über Devisenreserven in Höhe von


      Japan 644,6 Milliarden US-Dollar (November 2003)

      China 448,0 Milliarden US-Dollar (Dezember 2003)

      Taiwan 206,6 Milliarden US-Dollar (Dezember 2003)

      Südkorea 155,4 Milliarden US-Dollar (Dezember 2003)

      Hongkong 114,5 Milliarden US-Dollar (November 2003)

      Indien 100,6 Milliarden US-Dollar (Dezember 2003)



      (Quelle: Goldman Sachs)

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 12.01.04 23:37:19
      Beitrag Nr. 1.227 ()
      Avatar
      schrieb am 12.01.04 23:38:51
      Beitrag Nr. 1.228 ()
      Avatar
      schrieb am 12.01.04 23:48:10
      Beitrag Nr. 1.229 ()
      Was nun Herr Bush?

      von Jochen Steffens

      Es ist kaum zu glauben. Direkt mit den jüngsten sehr schlechten Zahlen vom Arbeitsmarkt verkündet Bush, er wolle eine Station auf dem Mond und eine Marsmission. Sie halten angesichts der völlig desolaten Haushaltssituation die Kosten und den Aufwand für eine Mondbasis und eine Marsmission für völlig abwegig? Nein, ist es nicht.

      Denn das vielleicht wichtigste Versprechen von Bush, Arbeit für alle, ist seit Freitag in weitere Ferne gerückt. Also müssen neue Wahlkampf-Themen her. Was kann den Amerikanern mehr Eindruck von eigener Größe geben, als Weltraummissionen. Was könnte mehr die Überlegenheit gegenüber dem Rest der Welt darstellen, als ein Amerikaner der auf dem Mars rumtappst und sinnschwangere Sätze von sich gibt. Eine Kerze flackert noch einmal auf, bevor sie erlöscht. Das war der Vergleich, der mir dazu direkt eingefallen ist. Sehr häufig, wenn große historische Kulturen innerlich bereits marodierten, versuchten sie durch Prunk und Protz diese drohende Gefahren zu überspielen. Dabei glaube ich nicht einmal, dass nach der Wahl auch nur ein Schritt in Richtung Mars oder Mond tatsächlich schneller gegangen wird. Alles nur Wahlkampfgeplänkel.

      Etwas mulmiger wurde mir dann zu Mute, als ich ebenfalls mit den amerikanischen Arbeitsmarktdaten die Sätze zu lesen bekam, dass Syrien den Amerikanern "große Probleme" bereite. Da ist von Terroristen zu lesen, die über Syrien in den Irak einreisen. Von Geldern die eigentlich dem irakischen Volk gehören und davon, dass Syrien "mindestens" chemische Waffen entwickle. Kriegsvorbereitungsrhetorik? Eine zweite Möglichkeit von innenpolitischen Probleme abzulenken, sind außenpolitische Maßnahmen, zum Beispiel ein Krieg.

      Doch ich denke nicht, dass das amerikanische Volk im Moment noch einen Krieg tolerieren würde, da ist eine Marsmission schon medienwirksamer.

      Wenig verwundert haben mich die Aussagen des ehemaligen Finanzminister Paul O`Neill. Dieser hatte in einem Fernsehinterview dem Präsidenten vorgeworfen, dass Bush den Irak-Krieg bereits kur nach seinem Amtsantritt, also noch weit vor dem 11. September geplant habe. Ob Herr Bush da "liegengebliebene" Arbeit des Vaters zu Ende bringen wollte?" Wie gesagt, diese Nachricht dürfte hier wohl kaum jemand wirklich verwundern.

      Die Nachrichten vom Wochenende zusammengefasst: Bush wie er leibt und lebt. Aber anscheinend weiß der Rest der Welt mehr über Bush als die Amerikaner selber, wie sonst sollte man seinen immer noch hohen Umfragevorsprung erklären? Mich als Börsianer interessiert dabei nicht die Politik an sich, sondern lediglich die Folgen der Politik für die Börsen. Und da werde ich langsam skeptisch, dass Bush es bis zur Wahl schaffen wird, die Märkte oben zu halten.

      Ich warte gerade auf die Eröffnung der amerikanischen Börsen. Ich frage mich, ob die Amis das Thema: Keine Zinssteigerung oder das Thema Deflation spielen. Wie gesagt, ich habe mich von dem Begriff "Vernunft" im Zusammenhang mit Börse getrennt. Vernünftig wäre das Thema Deflation (fallende Kurse). Demnach wird die Börse wahrscheinlich "keine Zinssteigerung" spielen (steigende Kurse). Dazu werde ich Ihnen dann morgen mehr sagen können. Schade, dass die Arbeitsmarkt-Zahlen so unglaublich schlecht waren, wären sie "nur ein wenig" schlecht gewesen, hätte das zu weiter steigenden Märkten geführt.

      Diese Woche warten noch einige Unternehmensnachrichten und andere wichtige Konjunkturdaten. Ich rechne eigentlich damit, dass im Vorfeld der Intel Zahlen der Nasdaq hochgekauft wird, sicher bin ich mir jedoch nicht. Ich habe in den letzten drei Jahren, seit der Phase um den Jahreswechsel 2000 nicht mehr so verzwickte Märkte wie aktuell erlebt. Alles ist derart überhitzt, dass man kaum noch in die Märkte kommt. Gleichzeitig gibt es noch keine klaren Verkaufssignale. Na, ich bin gespannt, was die Berichtssaison bringen wird.

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      Noch mehr Krisen ...

      von Martin Weiss

      In der ersten vollen Handelswoche des Jahres 2004 konnte sich der deutsche Leitindex über der 4000 Punkte Marke behaupten, obwohl die US-Arbeitsmarktdaten am Freitag schockierend schwach ausgefallen waren.

      Nicht umsonst mußten Dow Jones und Nasdaq zum Wochenschluß deutliche Verluste hinnehmen. Richtig, die Lage am Arbeitsmarkt im Dezember war extrem enttäuschend. Optimisten setzten auf 100 000 neue Stellen, de facto waren es klägliche 1000. Anders formuliert, diese Daten sehen wahrlich nicht nach einem starken, nachhaltigen US-Wirtschaftsaufschwung aus. Es sind viele Anzeichen, die auf eine ernste Krise am Arbeitsmarkt hindeuten.

      Wieder einmal mußte das verarbeitende Gewerbe einen Stellenverlust von 26000 hinnehmen. Insgesamt waren im Gesamtjahr 2003 über 500000 Menschen weniger in der US-Industrie beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 gingen über drei Millionen Industriearbeitsplätze verloren. Zudem sank die Zahl der Beschäftigten im Einzelhandel trotz Weihnachtsgeschäftes um 38000! Diese Tatsache zeigt klar auf, daß wohl selbst die Einzelhändler kaum von einer weiteren Nachfragestärke ausgehen.

      Auch erstaunlich, daß die offiziell ermittelte Arbeitslosenrate auf 5,7 % im letzten Monat des Jahres 2003 fiel. Naja, nicht wirklich verwunderlich, zumal ungefähr 1,5 Millionen Menschen einfach aus der Statistik fielen. Diese Menschen gaben schlicht mangels Erfolg die Suche nach einer Arbeitsstelle entmutigt auf.

      Ebenso alarmierend ist, daß selbst bei "teenagern" die Arbeitslosigkeit weiter anstieg auf nunmehr 16,1 %. Von der geleisteten Wochenarbeitszeit, die mit nur 33,7 Stunden ausgewiesen wurde bzw. dem um mehr als 2 $ auf durchschnittlich 522,35 $ gesunkenen durchschnittlichen Wochenlohn ganz zu schweigen.

      Würde es sich um eine wahrlich starke Wirtschaftslage, einen starken, sich selbst tragenden Aufschwung handeln, müßten 150000 bis 200000 neue Stellen pro Monat geschaffen werden! Daß die Lage am deutschen Arbeitsmarkt (im Jahr 2003 ging die Zahl der Beschäftigten um über 600 000 zurück) desaströs ist und auch die binnenwirtschaftliche Nachfrage in Deutschland mehr als nur schwächelt, liegt ohnehin auf der Hand.

      Indes deuten sich in den letzten Tagen mehr denn je auch Hinweise auf einen neuerliche Ölkrise an. Der Ölpreis erreichte den höchsten Stand seit dem Krieg gegen den Irak. Nicht nur die kalte Witterung in den USA bzw. extrem niedrige (auf einem 28-Jahres-Tief!) Öl-Lagerbestände, sondern auch die Meldung, daß der Royal Dutch/Shell-Konzern seine Schätzungen für die als gesichert geltenden Ölreserven um 20 Prozent nach unten revidieren mußte, zeichnet neben der weiterhin vorherrschenden geopolitischen Instabilität für diese Entwicklung verantwortlich. Beobachten Sie auch in den kommenden Tagen die Tendenz beim Ölpreis!

      Daneben geht auch die Krise des $ weiter. Jedenfalls ist es fast spürbar, wie die Nervosität der Marktteilnehmer, bisweilen gar der Autoritäten zunimmt. Vor diesem Hintergrund ist auch der Besuch des Fed-Chefs Greenspan im Euroland in den nächsten Tagen zu sehen. Ganz spannend wird es ab einer Marke von 1,30 $ pro Euro. Ebenfalls hoch interessant wird sein, ob der Goldpreis, bewertet in Euro, sich bald gen "Norden" aufmachen wird. Ja, noch ist für Sie in Europa Gold in Euro sehr, sehr günstig. Nutzen Sie diese Chance!

      Wie auch immer, sehen Sie auch im Jahr 2004 in den Krisen nicht nur Gefahren, sondern auch große Chancen. Und, vergessen Sie ja nicht, auch bisweilen das Leben und den Tag zu genießen!

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      "Schröpft die Dummen!"

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Schröpft die Dummen!"

      Diesen Slogan schlage ich der amerikanischen Partei der Republikaner für den kommenden Wahlkampf vor. Denn diese Partei um Präsident Bush scheint ja eine sehr originelle Methode der Finanzierung der Staatsausgaben gefunden zu haben. Sie senken die Steuern ... aber erhöhen die Ausgaben. Wer wird dann für ihre Programme der Waffen und Drogen bezahlen? Statt die Reichen zu schröpfen oder die Armen auszuquetschen, setzen die Republikaner darauf, dass die Dummen der Bush-Administration Geld leihen, zu Zinssätzen, die auf dem niedrigsten Stand seit 50 Jahren stehen. Die Bush-Administration leiht sich das Geld ... und wertet dann die Währung ab, in der die Schulden gemessen werden.

      Das ist ein Trick ... aber ein eleganter Trick; fast die Hälfte der geliehenen Beträge kommt aus dem Ausland ... und die armen Ausländer wählen nicht mit!

      Aber was ist das? Der Dollar ist weiter gefallen ... und der Goldpreis steigt weiter. Und jetzt sieht es so aus, als ob die Freundlichkeit der Ausländer ihre Grenze erreicht hätte. Sie wählen irgendwie doch mit.

      "Ein ominöser Vorbote für die US-Finanzanlagen", schreibt mein Freund Terry Reik, "war der deutliche Kollaps bei den Kapitalimporten aus dem Ausland ... Vom Topp von 110,4 Milliarden Dollar im Mai sind die Netto-Kapitalimporte im Juni auf 90,6 Milliarden Dollar, im Juli auf 73,4 Milliarden Dollar, im August auf 49,9 Milliarden Dollar und im September auf 4,2 Milliarden Dollar gefallen."

      Der Betrag vom September hat nur 10 % des Wertes erreicht, der notwendig wäre, um das amerikanische Leistungsbilanzdefizit von 500 Milliarden Dollar zu finanzieren. Die privaten Investoren außerhalb der USA haben den Dollar aufgegeben, zugunsten anderer Anlagen.

      Bis jetzt haben nur die Dollarkäufe (bzw. die Käufe von US-Staatsanleihen) von ausländischen Zentralbanken den Dollar vor der Zerstörung bewahrt. So hat z.B. die Bank of Japan im September Dollar und US-Staatsanleihen für 40 Milliarden Dollar gekauft. "Ohne diese herkulesmäßige Anstrengung der japanischen Zentralbank", so Terry Reik weiter, "wären die US-Kapitalimporte aus dem Ausland negativ gewesen, und zwar mit 35,8 Milliarden Dollar."

      Die Periode der Zurückhaltung der ausländischen Investoren kommt zu einer schlechten Zeit. Denn mit jedem Tag scheinen die Amerikaner mehr Kredite zu brauchen, nur um ihr Niveau halten zu können. Terry nennt die Zahlen: Die Schulden der USA stehen bei insgesamt 33 Billionen Dollar, die jährlichen Zinsen betragen fast 2 Billionen Dollar – selbst zu den niedrigsten Zinsen seit den 1950ern. Und die Schulden wachsen 7 Mal so schnell wie die Wirtschaft.

      Was für Amerika Schulden sind, sind für das Ausland Forderungen (wenn auch von ungewissem Wert). In den ersten 200 Jahren der amerikanischen Republik schafften es die Amerikaner, gegenüber dem Ausland ein Netto-Vermögen von rund 5 % ihrer Wirtschaftsleistung aufzubauen. Aber dann gab es die Reagan-Jahre der "Angebotsorientierung", und dann die Clinton-Jahre des "Alles ist möglich". Und darauf folgte dann George Bush mit seinem "Schröpft die Dummen". Nach der ersten Amtszeit von Reagan hatte sich das amerikanische Nettovermögen gegenüber dem Ausland in Luft aufgelöst, und in den folgenden 17 3/4 Jahren hielten die Ausländer immer mehr US-Vermögensanlagen, während die Amerikaner immer wenige ausländische Vermögensanlagen hielten.

      Im April 2003 besaßen die Ausländer 3,3 Billionen Dollar mehr an US-Vermögensanlagen, als die Amerikaner an ausländischen Vermögensanlagen besaßen. Und dann, in den folgenden 90 Tagen, schoss diese Zahl um 21,5 % auf über 4 Billionen Dollar nach oben.

      Wow! Bei mir dreht sich alles.

      Jetzt zu Addison, mit mehr Details:

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      IWF rügt US-Wirtschaftspolitik

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin an der Wall Street

      Die Wirtschaftszahlen der letzten Tage haben mich ein wenig verwirrt. Zunächst einmal gab es bei CNN Money ein großes Thema: Steht den USA ein Kreditkollaps bevor? Es geht um den Boom bei den Hypotheken, der durch die niedrigsten Zinsen seit einer Generation angefacht worden war. Die Hausbesitzer erhöhten ihre Hypotheken, um das zusätzliche Geld in den Konsum stecken zu können. In Deutschland praktisch unvorstellbar, dass Hypotheken erhöht werden, um mehr Geld für den Konsum zu haben – in den USA völlig gang und gäbe.

      In den USA wird von offizieller Seite so argumentiert, dass das Geld aus den Hypothekenerhöhungen zur Tilgung von Kreditkartenschulden verwendet werden könnte. Das ist aber offensichtlich nicht im gewünschten Umfang der Fall: Die Kreditkartenpleiten sind im dritten Quartal auf Rekordniveau geklettert. Selbst wenn es eine Erholung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen gibt, dann wird es erfahrungsgemäß erst mit 6 Monaten Verzögerung eine Verbesserung bei der Zahl der Kreditkartenpleiten geben.

      Und hier beginne ich mich zu wundern. Denn die Arbeitsmarktzahlen waren letzte Woche überhaupt nicht gut. Dennoch stieg der Dow Jones – weil man sagte, dass die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe jetzt seit 13 Wochen unter der angeblich wichtigen Marke von 400.000 geblieben sei. Aber ohne die Unterstützung durch steigende Immobilienpreise und den Hypothekenboom hängt die "Erholung" von der Schaffung neuer Jobs ab. Oder von neuen Schulden.

      "Der Wirtschaft geht es gut, weil sich die Leute verschulden", so Samuel Gardano, Vorsitzender vom "America Bankruptcy Institute"gegenüber der Zeitung Kansas City Star. Da frage ich mich: Was meint er mit "gut"? Im Jahr, das am 30. September 2003 endete, konnte sein Institut 1,66 Millionen persönliche Pleiten zählen ... das ist die höchste Pleitenzahl, die es jemals seit Beginn der Aufzeichnungen gab.

      Gardano meint, dass die Kreditkartenpleiten ein "natürlicher Auswuchs" einer 10 Billionen Dollar schweren Konsumentenvolkswirtschaft seien. Und er fügt ziemlich glücklich hinzu: "Je mehr sich die Wirtschaft verbessert, desto mehr werden sich die Leute verschulden und desto mehr Pleiten wird es geben." Jetzt bin ich völlig baff. Orwell hätte das nicht besser machen können: Wenn Schulden und Zahl der Pleiten bereits auf Rekordniveau stehen und dann weiter steigen, dann soll das eine "Verbesserung der Wirtschaftslage" sein! Da können Sie mich wirklich verwirrt nennen ...

      "Es ist ein Rätsel" so Roger Whelan, der auch bei diesem Institut arbeitet. "Kredite treiben die Verbesserung der Wirtschaft an, aber ein Übertreiben der Konsumausgaben kann zu Schulden und Verlusten der Kreditwirtschaft führen." Hm ... das hilft. "Wir leben in einer Gesellschaft, wo man nicht mehr nur danach lebt, was man sich leisten kann." Ok, jetzt verstehe ich es langsam. "Schulden = Reichtum", das brauchen wir, weil die amerikanischen Konsumenten gegenüber ihren Nachbarn prahlen wollen, oder zumindest mithalten (wenn diese z.B. ein neues Auto haben).

      Aber sollten es nicht genau diese Nachbarn sein, die sich Sorgen machen sollten? Laut einem Bericht des Weltwährungsfonds (IWF), der letzte Woche veröffentlicht wurde, sollte auch die US-Regierung nachdenken. Laut der New York Times warnt der Bericht davor, "dass die amerikanischen Netto-Finanzverpflichtungen gegenüber dem Rest der Welt in den nächsten paar Jahren auf 40 % der gesamten amerikanischen Wirtschaftsleistung explodieren könnten. Das repräsentiert `ein noch nie da gewesenes Niveau an externen Schulden für ein großes Industrieland`, und es könnte zu Verwüstungen beim Dollarwert und bei den internationalen Devisenkursen führen."

      "Der IWF hat Recht", so Fred Bergsten, Volkswirt beim Institute for International Economics, so als ob er regelmäßig mit den Korrespondenten des Investor`s Daily Wein trinken würde. "Wenn diese Zwillingsdefizite – das Haushaltsdefizit und das Handelsbilanzdefizit – weiter ansteigen, dann wird das Risiko eines Tages der Abrechnung, der ziemlich hässlich werden kann, zunehmen."

      Wie kann eine Regierung dem Ausland 40 % ihrer eigenen Wirtschaftsleistung schulden, einer Wirtschaft, die zum größten Teil von ihren eigenen Konsumenten gestützt wird, von denen so viele wie nie zuvor Pleite gehen? Diese Frage habe ich Dr. Kurt Richebächer gestellt. Seine Antwort:

      "Für mich sind die größten Unsicherheiten (in Bezug auf die Weltwirtschaft) die US-Wirtschaft, ihr Finanzsystem und ihre Währung. Das große Thema nicht nur für Amerika, sondern auch für die Weltwirtschaft ist, ob die US-Wirtschaft das Niveau erreicht hat, bei dem das Wirtschaftswachstum selbst tragend geworden ist. Oder ob wir in diesem Jahr ein Schneckenwachstum oder sogar eine Rezession bekommen werden. Wenn man sich die Märkte ansieht, dann habe ich den Eindruck, dass viele Leute (besonders Ausländer) Probleme mit dieser Frage haben ..."

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      US-Geldmenge sinkt

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Die US-Geldmenge sinkt! Von August bis November ist die Geldmenge M3 so schnell wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1960 gesunken.

      *** Auch wenn ich den Grund für den Rückgang der US-Geldmenge nicht genau weiß – die Auswirkungen kann ich erraten: Statt einer realen Erholung ... steht der US-Wirtschaft eine reale Rezession bevor. Ich zitiere noch einmal meinen Freund Terry Reik:

      "Ich sehe die jüngsten monetären und fiskalischen Stimulierungen und den Konsum und das Geldleihen, die dadurch gestärkt wurden, nur als eine Verzögerung des unausweichlichen Prozesses der Rationalisierung, der Schuldenreduktion und ( ...) des Sparens. Eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung ist in den USA noch nie mit so einem Leistungsbilanzdefizit und so geringen Sparraten eingetreten. Und ich erwarte auch nicht, dass es diesmal so sein könnte."

      *** "Große Gesellschaften wie Enron gehören zu den Top-Geldgebern von Bush", so eine Schlagzeile im International Herald Tribune. Ich habe dafür eine Erklärung.

      Wir leben in einem degenerierten Zeitalter, in dem sowohl die amerikanische Wirtschaft als auch die amerikanische Regierung durch das "leichte Geld" korrumpiert worden sind. Warum soll man sich viel Mühe machen, wenn man Geld einfach aus dem Nichts schaffen kann? Die Unternehmen machen sich nicht mehr die Mühe, Geld zu verdienen, indem sie Güter herstellen und verkaufen. Stattdessen machen sie direkt Geld. Die Finanzunternehmen sind mittlerweile für fast 40 % der gesamten Unternehmensgewinne verantwortlich. Warum geben die Finanzunternehmen soviel Geld an Bush? Weil sie die einzigen Unternehmen sind, die noch Geld haben, das sie geben können.

      Und es sind die einzigen Unternehmen, die ein Motiv dafür haben. Wer hat mehr zu verlieren, wenn das halsbrecherische Schuldenmachen und Geldausgeben der Bush-Jahre nicht weitergeht? Wessen Kunden werden geschröpft?

      Es ist dekadent. Es ist ekelhaft. Aber so ist das in Amerika, im Jahr 2004 ... das ist das neue Babylon, das gegenüber den Wüstenstämmen so selbstlos ist wie das alte Babylon ...

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      Verblüffende Parallelen

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "I`m turning Japanese, I think I`m turning Japanese, I really think so."

      The Vapors, 1980

      Zwischen 1971 und 1985 stieg der japanische Aktienmarkt um rund 500 %. In Amerika begann der Bullenmarkt 10 Jahre später, 1981. Und von 1981 bis 1995 stiegen auch die amerikanischen Aktien um 500 %.

      –1985 hob der japanische Aktienmarkt richtig ab – er verdreifachte sich in den nächsten 5 Jahren. –1995 hob der US-Aktienmarkt richtig ab – er verdreifachte sich in den nächsten 5 Jahren. –1990 hatte der japanische Aktienmarkt sein Topp erreicht, und er begann zu fallen. 18 Monate später war er 30 % gefallen. –2000 hatte der US-Aktienmarkt sein Topp erreicht, und er begann zu fallen. 18 Monate später war er 30 % gefallen.

      Unheimlich, oder? Aber die Parallelen hören damit nicht auf. Nehmen wir nur die Sparraten. Als die Aktienkurse in Japan in den 1970ern und 1980ern stiegen, da fiel die Sparrate um rund 10 Prozentpunkte. Und in den USA passierte dasselbe – genau 10 Jahre später. Aber es ist nicht das, was passiert ist, sondern die Moral von der Geschichte, die zählt. Ich habe vor kurzem die Geschichte eines Amateur-Pyrotechnikers gehört. Überzeugt davon, dass Dieselkraftstoff sich nicht entzündet, und weil er vor seinen Mitarbeitern prahlen wollte, reichte er ein angezündetes Feuerzeug über einen Strom von Diesel, der aus einem Tank heraus floss, ohne Effekt. Dann, um das zu beweisen, wiederholte er diesen Trick, und vielleicht kam er dabei in näheren Kontakt mit dem Kraftstoff. Derzeit erholt er sich von den Verbrennungen, die der größte Teil seines Körpers erlitten hat.

      Dieser Artikel hier ist im Geist eines der neugierigen Zuhörer dieser Geschichte geschrieben: Verblüfft, dass jemand so dumm sein kann, von dem Spektakel fasziniert, und glücklich, dass jemand anderes die Experimente durchführt.

      Auch die wirtschaftlichen Ingenieure aus Washington, D.C., könnten ein bisschen neugierig sein. Sie haben so bereitwillig auf die Mittel der monetären und fiskalischen Stimulierung zurückgegriffen, dass sie sich vielleicht zumindest fragen könnten, was man wirklich braucht, um eine Volkswirtschaft durchstarten zu lassen. Ich schlage einen Besuch Japans vor.

      Es gab kein anderes Beispiel für eine große Volkswirtschaft, die in der Nachkriegszeit soviel Ärger hatte – nur Japan. "Japan ist anders." Vielleicht stimmte das; jeder sagte das ja. Aber inwiefern anders? Mehr dazu demnächst im Investor`s Daily.

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 12.01.04 23:58:45
      Beitrag Nr. 1.230 ()
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Von der neuen Religion: 11.01.2004
      DIESE WOCHE
      In einer großartigen Geschichtsschau demonstriert der Spatz die christlichen Wurzeln abendländischen Denkens. Er zeigt den Humanismus, und den Markt als Gegengott, der seit der Renaissance geschaffen wurde. Er demonstriert mit zwingender Logik, wie diese Marktideologie nunmehr zu einer Verknappungsideologie verkommen ist, eine neue Scholastik, eine Spätzeit, in der die Religion für imperiale Zwecke mißbraucht wird. Wie einst das Christentum ist es nur die Markt-Religion in ihrer Ausprägung als Klima-Betrug und Bevölkerungsrestriktion.
      !

      Tier oder Mensch?


      Einen Neujahrsgruß, der bei mir einging, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. "Leute, Ihr würdet besser über die radioaktive Verseuchung der Biosphäre mal genauso nachdenken wie über die CO2-Polemik. Groteskerweise ist genau diese Klimadiskussion von den Spinnern der Atomlobby "erfunden" worden. Aber es gibt ja noch Hoffnung, denn die Natur kümmert es wenig, was wir Menschen machen. Wenn aber die Natur der Meinung ist, daß der Homo Sapiens nun lange genug den Planeten geärgert hat, dann wird diese dies Problem schnell und sicher lösen. Die unselige Atomkraft-Nutzung wird diesen Vorgang auf jeden Fall beschleunigen. Witz: Es trifft sich der Planet Mars mit der Erde und sieht, daß die Erde nicht gerade glücklich dreinschaut: "Was hast Du denn Erde? Warum schaust Du denn so unglücklich?" Antwort: "Ich habe eine Krankheit, die nennt sich Homo Sapiens". Da lacht der Mars und sagt: "Das hatte ich auch mal, ist nicht schlimm, das geht schnell vorüber". Ein frohes neues Jahr 2004". So weit der "gutgemeinte" Brief.

      Warum gebe ich Ihn weiter? Er ist typisch für die neue Religion, die sich seit Sarpi, Hobbes und Co also seit dem 16. Jahrhundert, in der angeblich aufgeklärten, so genannten bürgerlichen Gesellschaft ausbreitet. Doch schauen wir erst einmal näher hin. Der Brief beginnt mit zwei Lügen: Wir gingen, weil wir die Gefahr im Unterschied zu den Linientreuen ernst nahmen, sehr intensiv der angeblichen "radioaktiven Verseuchung der Biosphäre" durch die Nutzung der Kernenergie nach (Vgl. u.a. Böttiger: Ehrlich Streiten über die Kernenergie, 7.- €) und die Klimadiskussion wurde nicht von der Atom-Lobby erfunden. Einige ihrer besonders "cleveren" Funktionäre, wie die Führung der deutschen Physikalischen Gesellschaft, haben allerdings als Trittbrettfahrer mitgemacht, ohne dadurch für die Kernenergie Punkte zu machen.

      Die politische Weiche der Klimadiskussion wurde am 26.10.1975 auf der Konferenz des National Institute of Environmental Health Science "Die Atmosphäre gefährdet und gefährlich" im Forgartry Internation Centre der USA gestellt. Der besondere Handlungsbedarf dafür hatte sich auf der UN-Bevölkerungskonferenz in Bukarest ergeben, als einige Entwicklungsländer die Forderung der USA, sie sollten ihre Bevölkerung entsprechend der geheimgehaltenen US-Policy Studie NSSM 200 deutlich reduzieren, als imperialistische Zumutung abgelehnt hatten.

      In Forgartry trug die progressive, angeblich "oppositionelle" Anthropologin des US-Establishments, Magred Mead (später des wissenschaftlichen Betrugs in ihren "Forschungen" überführt) das Konzept dieser Politik vor: "Wir stehen vor einer Periode, in der die Gesellschaft Entscheidungen in globalem Rahmen treffen muß. (...) Was wir von Wissenschaftlern brauchen, sind Abschätzungen, die mit genügend Konservativismus und Plausibilität vorgetragen werden (...), die es uns erlauben, ein System künstlicher, aber wirkungsvoller Warnungen aufzubauen, Warnungen, die den Instinkten entsprechen, die Tiere vor einem Hurrikan fliehen lassen. [Es geht darum], daß die Fähigkeit, Opfer zu bringen, stimuliert wird. Es ist deswegen wichtig, unsere Aufmerksamkeit auf die Betonung großer möglicher Gefahren für die Menschheit zu konzentrieren" (Wer es im Original nachlesen will: DHEW Publication No. (NIH)//-1065, Washington DC: US Government Printing Office).

      Dieses Konzept wurde von der UNO aufgegriffen. Die Umsetzung begann 1985 auf der von der UNEP gesponserten Klimakonferenz der Welt Meteorologischen Organisation (WMO) in Villach. Ihr folgte die zweite Weltklimakonferrenz (SWCC) 1990, deren Vorschläge die zuständigen Regierungsvertreter und dann die UNO mit der Forderung nach einem Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) annahmen. Dieser stimmten dann 1992 auf dem Rio Earth Summit, einer UN-Gipfelkonferenz, 150 Länder zu; und das ganze Theater des freiwilligen "Gürtel-enger-Schnallens" nahm seinen politisch gewünschten Lauf.

      Wie aber steht es mit dem Hoffnungsträger " Natur"? Wer ist die Dame, die sich wenig kümmert, sogar eine eigene "Meinung" hat und das Ärgernis Homo Sapiens "schnell und sicher lösen wird"? Und wer ist dieser Homo Sapiens, der die Natur ärgert und mit dem es im Interesse der Spezies des Absenders (eines I. Günther), "schnell vorbei" sein wird. Es handelt es sich hierbei nicht - wie es scheint - um einen flapsigen Einwurf, der nicht so gemeint ist, es handelt sich um die weltanschauliche Kontroverse zweier gegensätzlicher menschlicher Gattungen. Ist das nicht etwas zu überzogen? Um zu verstehen, worum es geht, sollte man immer auf das "Prinzip" (zu deutsch, "den Anfang") achten.

      Das Mittelalter verstand sich als "christlich", was es tatsächlich darunter verstand, ist eine andere Frage, die aber vom 12. Jahrhundert an immer intensiver gestellt wurde. Daraus ergab sich schließlich die sogenannte Renaissance. Diese hat weniger die Gedanken der Antike wieder aufleben lassen (das auch, so weit sie gut/besser zu sein schienen) sondern den Platonismus des augustinischen Christentum - oder das, was man darunter verstehen wollte. Ohne hier näher hineinzuschauen (was verlockend wäre) kam man damals zu so etwas wie den Schluß, daß der Konkurrenzkampf um knapp gewordenes Land (der die gesamte Antike und den Feudalismus bestimmte) unchristlich sei. Genau so unchristlich sei es, den Menschen, das "Kind Gottes", auszubeuten. Kant wird später sagen, was ihm viele in seiner Partei (der er mit seiner "Kritik" unbedingt angehören wollte) übelnahmen: Der Mensch dürfe niemals für den anderen Menschen ein Mittel sein, sondern nur Zweck. Da es viele Menschen mit unterschiedlichen Zwecken gibt, müssen diese mit Hilfe der Vernunft zu einem zusammengefaßt werden, der das gemeinsame Handeln leiten soll. Wie ließ sich das mit der Existenz von Dienstboten, Kriegsknechten, Sklaven, Leibeigenen aber auch "Arbeitskräften" vereinbaren? - Schlecht! Dem Problem nahmen sich unter anderem Formulierungen an. Die anwendbare Arbeitskraft, ließ sich in "Arbeitnehmer" umbenennen; und unter dem Begriff konnte man sich einen "freien Menschen" vorstellen, der froh ist, an einem Arbeitsplatz seinen Lebensunterhalt verdienen zu dürfen. Das konnte Leute mit Interesse an grundsätzlichen Regelungen nicht überzeugen.

      Daher bemühten sich Leute des frühen Bürgertums, der Großhändler und Finanziers in Venedig um eine philosophisch tragfähigere Lösung und bekamen sie von ihren Intellektuellen z.B. dem erwähnten Servitenmönch Bruder P. Sarpi, wunschgemäß auch geliefert. Die Denke, auf die es hinauslief, war die: Was heißt schon "frei", was heißt schon "Gotteskind", wer ist schon dieser "Gott, dieser Schöpfer mit Bart"? Er ist nur das Mittel einer cleveren Priesterkaste im natürlichen Überlebenskampf, um sich ohne Arbeit ein üppiges Leben zu verschaffen (Neid eignet sich immer, um kleine Leute zu verführen). Sie verlangen eine "realistischere Sicht": Der Mensch ist doch auch nur ein Tier, das sich von anderen wie alle anderen durch einige Besonderheiten unterscheidet (nach Aristoteles ein "nicht gefiederter Zweibeiner"). Wie alle Tiere prägen ihn zwei Grundinstinkte, die man bei allen Lebewesen antreffen kann (wenn man mit der richtigen Brille sucht) nämlich das Streben nach Art- und Selbsterhaltung.

      Bleibt noch die Frage nach der Schöpfung: Wie konnte das alles einigermaßen zweckmäßig, aufeinander abgestimmt entstehen. Dazu war - so die Realisten - nichts nötig, was Gottgläubigen den Menschen "andichten", kein "freier Wille", kein Ziel, keine andere "Absicht" (abgesehen von den genannten Instinkten), kein Vermögen zu schöpferischer Zwecksetzung und zur Fähigkeit, solche Zwecke mit der Einsicht in die Naturkräfte und einer über sie hinausreichenden Idee auch zu verwirklichen usw. Kurz: Schöpfertum ist nicht notwendig und "realistisch" nicht nachweisbar, die Annahme genügt, daß das Vorhandene von den beiden Grundtrieben angetrieben sich selbst in eine Balance bringt und darin hält. Nun, haben Sie gemerkt, wer diese Natur, der Gegengott ist?

      Natürlich, es ist der Markt-Mechanismus. Wenn jeder seine Interessen mit der ganzen ihm verfügbaren Kraft und ohne durch eine (Pseudo-)Moral, die irgendwelche hinterhältigen Schlaumeier zum eigenen Vorteil erfunden haben, davon abgelenkt zu werden, dann sorgt der Natur/Markt-Mechanismus für optimale Ergebnisse. Sie sorgt dafür, daß alle sich größtmöglich anstrengen, gleicht den Nutzen aller wechselseitig aus, sorgt dafür, daß das Schwache und "Unnatürliche" verschwindet und sich das Starke "Natürliche" durchsetzt. Wer sich nicht an diesen Mechanismus hält, dagegen verstößt, geht unter. Ohne ihn ist Leben nicht möglich - so einfach ist das.

      Dieser neue Glaube (des Fra Sarpi) brauchte einige Zeit, bis er sich seiner selbst voll bewußt wurde (z.B. beim Londoner Arzt Bernard de Mandeville). Dann entwickelte er seine Theologie, die inzwischen mindestens so umfangreich ist wie die christliche und pseudochristliche zusammen. Und er schuf sich in der "anerkannten" Wissenschaft(lichkeit) eine Scholastik, die mindestens so funktioniert wie die mittelalterliche, angeblich christliche, und die in ihrer Endphase die gleichen absurden Blüten hervorbringt (Die sogenannte "Klimakatastrophe" ist dafür gerade so ein Beispiel wie die unzähligen Engel, die auf einer Nadelspitze tanzen).

      Da sich der Mensch in der Regel selbst so strickt, daß er seine innersten Gedanken auf andere projiziert, wie er auch mit dem, was er über "die anderen" denkt, im Grunde seine ureigenste Selbsteinschätzung offenbart (denn woher sollte er es sonst wissen), so ist auch dem Priesterbetrug nachzudenken. Wer könnte ein Interesse daran haben, daß Menschen an den Mechanismus "Natur" glauben? Nun, ein solcher Glaube hat etwas zu bieten, vor allem für die Bessergestellten: Er rechtfertigt Verantwortungslosigkeit, denn jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, dann rechtfertigt er jede erfolgreiche Form der Übervorteilung (als Beweis der Instinktstärke). Vor allem läßt er die peinliche Frage verstummen: "Kain, wo ist Dein Bruder Abel", denn unter Arterhaltung soll "natürlicherweise" nur die Fortpflanzung gemeint sein. Unter Liebe versteht diese Religion nur Sex, was darüber hinausgeht, ist ihr idealistisches Getue, im Grunde eine Form unnatürlicher (wenn auch manchmal angenehme) Geisteskrankheit, die sich psychoanalytisch beheben läßt.

      Um die Priesterschaft der Bessergestellten auszumachen, wäre zu fragen, wer verdient am Marktgeschehen in erster Linie. "Alle", sagt man uns. Das stimmt zu offensichtlich nicht. Die Antwort ist genauso offensichtlich (wenn der Beweis auch umständlicher ausfällt), die Finanzwirtschaft, die aus dem Vor- und Nachteil aller Marktparteien ihren Nutzen zieht (und das Marktgeschehen lenkt wie Sarpi und die neue CO2-Religion als Priesterbetrug der Anerkannten).

      Wie immer, ist auch im Falle dieser "Natur-Religion" die nackte Wahrheit ernüchternd und stößt die große "blöde Masse" eher ab. Wie sich schon an der vielfältigen Nutzung des Christentums für imperiale Zwecke, angefangen mit Constantin, über die Franken (um vom römischen Bischof als Fortsetzung des römischen Kaisers über ihre Arianer-Brüder erhoben zu werden), und den Feudalismus bis hin zu den modernen Imperien vom spanischen bis zum angloamerikanischen zeigt, eignen sich für ihre jeweiligen Nutznießer eher Formen des Synkretismus (der Religionsmischung). Damit lassen sich die "erkenntnisleitenden Interessen" besser verstecken. Außerdem versüßen alte Relikte neue Härten. So predigen selbst die Grünen, oder gerade sie, Verzichtleistungen beim Genuß materieller Güter und bei der Fortpflanzung, die von der Natur und ihren beiden, alles regelnden Instinkten gerade nicht vorgesehen sind. Daher muß ja auch die Kernenergie, deren Nutzung alle günstig eingestellten überhöhten Preise drücken würde, als Teufel der Mutter Natur an die Wand gemalt und allen prometheischen (d.h. im eigentlichen Sinne "schöpferisch", um heute anerkannte Kunstspinner auszuschließen) Menschen der Untergang angesagt werden. Und das, obwohl die Nutzung der Kernenergie nicht nur allen Menschen, sondern über diese auch allen Lebewesen und der Biosphäre neue, lebensfreundlicher Spielräume eröffnen und vor allem, effektiven Umweltschutz erst möglich machen würde. Aber darum geht es den Naturgläubigen gerade dann nicht, wenn ihr trickreich errichtetes Wirtschaft- und Machtsystem einstürzt.

      Schade, hier finge es erst an, richtig interessant zu werden, aber schon ist das Blatt voll.
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      schrieb am 13.01.04 00:01:52
      Beitrag Nr. 1.231 ()
      Titel
      Jana Frielinghaus

      Entfesselte Mutanten

      Künast: Regierung einigt sich auf Gentechnikgesetz. Genmais darf bald angebaut werden


      Pech für Renate Künast. Die grüne Verbraucherschutzministerin ist diejenige, die dafür zu sorgen hat, daß auch in der Bundesrepublik bald Genmais und andere sogenannte gentechnisch veränderte Organismen (GVO) angebaut und auf den Markt gebracht werden können. Mit einer Gesetzesnovelle muß sie die bereits 2001 verabschiedete Neufassung der EU-Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Die Europäer sind in der Welthandelsorganisation von den USA im vergangenen Jahr auf Öffnung ihrer Märkte gegenüber Genfood verklagt worden, und auch die europäischen Biotechnologie- und Saatgutkonzerne haben erfolgreiche Lobbyarbeit betrieben.

      Am Montag gab Renate Künast nun per Zeitungsinterview bekannt, die Regierung habe sich nach langem Streit auf einen Entwurf für ein Gentechnikgesetz geeinigt. Im Februar werde das Kabinett das Gesetz verabschieden. Bereits seit dem Frühsommer 2003 ging es in dieser Angelegenheit nur noch um Schadensbegrenzung, und um die hat Künast sich immerhin bemüht. Gleichwohl hob auch sie vor allem hervor, es sei zu begrüßen, daß nach der neuen EU-Richtlinie Lebensmittel, die GVO enthalten, nun gekennzeichnet werden müssen. Daß damit auch ein seit 1998 geltendes Moratorium für den großflächigen Anbau dieser Pflanzen beendet wird, machte auch sie zunächst nicht publik.

      In der Berliner Zeitung (Montagausgabe) betonte Künast, das Gesetz werde die »Koexistenz« gentechnikfreier Landwirtschaft und der Anbauer von Genfood wie auch die Haftung für die unbeabsichtigte Freisetzung von GVO regeln. In der Verordnung zum Gesetz werde man exakte Regeln vorschreiben. So werde es für jede Pflanzenart bestimmte Mindestabstände zwischen den Feldern sowie Schutzhecken geben. Außerdem sei ein Standortregister geplant, mit dem sich Landwirte »flurstücksgenau informieren können, wer Genpflanzen anbaut«. Wenn etwa Nachbarn von Genmais-Anbauern durch unerwünschte Auskreuzungen infolge Pollenflugs geschädigt würden, hafte »prinzipiell der Verursacher«. Vor Zivilgerichten könnten die Verursacher auf Schadensersatz verklagt werden.

      Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), zeigte sich gegenüber jW skeptisch, ob diese Verordnung geeignet ist, die gentechnikfrei produzierenden Bauern vor wirtschaftlichen Verlusten durch die unkontrollierte Verbreitung der Genpflanzen zu schützen. Es müsse nun verhindert werden, daß schon vor Inkrafttreten der Verordnung zum Gesetz in Deutschland Genpflanzen angebaut werden.

      Künast bestätigte indes am Montag, daß es voraussichtlich schon im Sommer zur ersten neuen Zulassung einer genveränderten Maissorte durch die EU kommen wird. »Ich rechne damit, daß spätestens im Herbst genveränderter Mais in den Regalen der europäischen Supermärkte auftaucht«, so die Ministerin. Wer will, kann sich notfalls bereits ab April auf europäisches Recht berufen, wenn er in der BRD Genfood anbaut. Laut Künast bekommen die Verbraucher mit der Kennzeichnungspflicht »erstmals« das »Recht der Wahlfreiheit. Und die Landwirte erhalten sichere Rahmenbedingungen«.

      Umwelt- und Verbraucherschützer haben den Gesetzentwurf dagegen als unzureichend kritisiert. Die »sogenannte Wahlfreiheit« sei eine »Mogelpackung«, sagte Henning Strodthoff, Gentechnikexperte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Statt Landwirten das Recht auf gentechnisch veränderten Anbau einzuräumen, müsse das Gesetz Verbraucher und Bauern vor ungewolltem Kontakt mit diesen Produkten schützen. Zudem könnten sich Gentechnikverfechter immer darauf berufen, daß mit dem Gesetz auch die Biotechnologie gefördert werden soll. Diese Aussage sei weiterhin im Gesetzentwurf enthalten. Dies kritisierte auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Dessen Bundesgeschäftsführer Gerhard Timm sagte, wie ernst Künast es mit dem Vorsorgeprinzip nehme, müsse sie jetzt bei genmanipulierten Zuckerrüben und Raps beweisen. Nach jüngsten britischen Studien führe der Anbau solcher Pflanzen zu einem Rückgang der Artenvielfalt. Diese Tatsache müsse genügen, um das entsprechende Saatgut zu verbieten.

      Auch für den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) bleiben »große Fragezeichen«. Bei der Haftung etwa müsse die Beweislast umgekehrt werden, forderte vzbv-Sprecher Carel Mohn. Dem einzelnen Bauern sei nicht zuzumuten, vor Gericht den komplizierten Nachweis zu führen, daß seine Felder durch genverändertes Saatgut verunreinigt worden seien. Statt dessen müsse der Gen-Bauer im Streitfall das Gegenteil nachweisen. Unklar sei auch, wer das geplante Standortregister für Gen-Anbauflächen finanzieren werde: Dies bedeute einen »immensen Verwaltungsaufwand« für eine »Technologie, deren Nutzen sich sehr in Grenzen hält«, sagte Mohn.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-13/001.php
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      schrieb am 13.01.04 00:04:58
      Beitrag Nr. 1.232 ()
      Ausland
      Timo Berger

      Mehr geht nicht

      Argentiniens Regierung weigert sich, zusätzliches Geld für Schuldendienst zu verwenden


      Die Gläubiger des argentinischen Staates wittern Morgenluft. Kaum fließen wieder mehr Steuern in die Kasse des dortigen Fiskus, klopfen sie vernehmbar an die Türen. Während die Arbeitslosigkeit in dem südamerikanische Land unvermindert hoch ist und nur mit diversen Rechentricks auf einem Stand von 16,3 Prozent im letzten Jahresdrittel eingefroren werden konnte, stiegen die Steuereinnahmen 2003 wieder an: um 43,2 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Dieser Anstieg gilt als Folge einer allmählichen Erholung der Volkswirtschaft, nachdem diese im Jahr 2002 faktisch zusammengebrochen war. Aktuellen Schätzungen der Regierung in Buenos Aires zufolge ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Argentiniens 2003 um sieben Prozent gewachsen. Für 2004 wird ein BIP von 440 Milliarden Pesos (151,7 Milliarden US-Dollar) erwartet.

      Um die jetzigen und künftigen Mehreinnahmen des Staates ist ein Streit zwischen Präsident Néstor Kirchner und der Schuldnerlobby im In- und Ausland entbrannt. Viele Titel der sogenannten Auslandsschuld Argentiniens – genau 38,4 Prozent – sind nämlich in den Händen inländischer Gläubiger. Die argentinische Regierung hat den privaten Gläubigern angeboten, diese Schulden zu bedienen – vorausgesetzt, sie würden einen Abschlag von 75 Prozent hinnehmen. Das stieß auf wenig Gegenliebe. Private Gläubiger setzen das Land mit 88 Milliarden US-Dollar offenen Forderungen unter Druck.

      Schon vor dem (Umschuldungs-) Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) am 20. September 2003 hatte Kirchner immer wieder deutlich gemacht, daß dem argentinischen Staat beim Schuldendienst Grenzen gesetzt seien. Wenn Buenos Aires seinen Verpflichtungen gegenüber Weltbank und Interamerikanischer Entwicklungsbank nachkommen würde, sei nicht mehr genug Geld für die privaten Gläubiger vorhanden.

      Diese fühlen sich nun als Schuldner zweiter Klasse, und die größte Tageszeitung des Landes, Clarín, stellte sich auf deren Seite: Das Blatt behauptete, die Regierung würde mit dem IWF »geheim« darüber verhandeln eine Milliarde Pesos (344,8 Millionen US-Dollar) mehr zurückzuzahlen, was die privaten Gläubiger noch stärker in Rage brachte. Dieser Darstellung wiedersprach die Regierung umgehend.

      Am Mittwoch vergangener Woche bekräftigte Präsident Kirchner, daß sein Land zwar die Verpflichtungen gegenüber dem IWF erfüllen werde. Auf keinen Fall aber werde die Regierung mehr als den vereinbarten Haushaltsüberschuß von drei Prozent des BIP auf den Schuldendienst verwenden. Auf einer politischen Veranstaltung in La Matanza, Provinz Buenos Aires, erklärte der Staatschef zudem: »Wenn wir stärker wachsen, wird das, was wir mehr bezahlen, nicht die Auslandsschuld, sondern die interne Schuld sein.« Mit interner Schuld meinte Kirchner die Kosten für die Armutsbekämpfung im Lande.

      Einen Tag zuvor hatte der Präsident die Einführung neuer Sozialpläne angekündigt. Von derartigen Hilfen – insgesamt gibt es derzeit 1,8 Millionen Sozialpläne über umgerechnet 52 US-Dollar monatlich - leben in Argentinien mittlerweile fast zwanzig Prozent der Familien. Sie gelten dadurch offiziell nicht mehr als arbeitslos. Würde man diese Hilfeempfänger zu den Arbeitslosen zählen, läge die Erwerbslosenrate des Landes bereits bei 21,4 Prozent.

      Auf dem am Montag und Dienstag im mexikanischen Monterrey stattfindenden Gipfel amerikanischer Staatsoberhäupter will US-Präsident George Bush seinen argentinischen Amtskollegen treffen. Sprechen wollen die beiden – auf Drängen Bushs – über die Anliegen der privaten Gläubiger des argentinischen Staates. Die USA fordern vehement eine weniger drastische Schuldenstreichung bei den Bonds, die sich in privater Hand befinden.

      Auch IWF-Chef Horst Köhler trifft sich in Monterrey mit Kirchner und dessen Wirtschaftsminister, Roberto Lavagne. Der IWF hatte die für den 17. Dezember vorgesehene erste Revision des Abkommens mit Argentinien um drei Wochen verschoben. Erst am vergangenen Freitag sicherte Köhler Kirchner telefonisch zu, daß der Währungsfonds das Abkommen bestätige und die argentinischen Verpflichtungen als erfüllt ansehe. Die formale Bestätigung würde im Verlauf des Monats folgen, so Köhler.

      Trotzdem drängt auch der IWF weiter darauf, daß das Land schnell zu einer Vereinbarung mit den privaten Gläubigern kommt und mehr Geld aus dem Staatshaushalt für den Schuldendienst verwendet. Auch die Weltbank hatte unlängst ein Kreditprogramm für das Land über 276 Millionen US-Dollar ausgesetzt, um den Druck auf Argentinien zu erhöhen.

      Dabei hat gerade die Weltbank im Jahr 2003 am meisten von allen Gläubigern abkassiert. In den vergangenen zwölf Monaten überwies Argentinien 3,339 Milliarden US-Dollar nach Washington, worauf die Bank dem Land im Gegenzug neue Kredite über 1,963 Milliarden einräumte. Unter dem Strich kam es damit zu einem Kapitalabfluss von 1,377 Milliarden US-Dollar von Süd nach Nord – trotz der ursprünglichen Vereinbarung, daß jeder zurückgezahlte Dollar durch neue Kredite gegenfinanziert werden solle.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-13/005.php
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      schrieb am 13.01.04 00:10:26
      Beitrag Nr. 1.233 ()
      Kommentar
      ulis

      Auflösungserscheinungen

      SPD registriert rasanten Mitgliederschwund und schwätzt von »guten Chancen«


      Die Agenda 2010 entfaltet ihre Wirkung: Wie der Spiegel vermeldet, haben die Sozialdemokraten 2003 mit 43 000 Mitgliedern (6,2 Prozent) so viele Genossen verloren wie seit 50 Jahren nicht mehr. Diese Zahl enthält immerhin nahezu 38 500 Austritte. Bereits Ende November hatte Generalsekretär Olaf Scholz beklagt, daß bis dahin ca. 30 000 Mitglieder ihr Parteibuch zurückgegeben hatten. Das bedeutet, daß allein im Monat Dezember 8 500 SPDler ausgetreten sind, fast 1,3 Prozent der Gesamtmitgliedschaft. Es war der Monat, in dem der SPD-Vorsitzende und Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der parlamentarischen Verabschiedung des größten Sozialkahlschlags in der Geschichte der Bundesrepublik den bedeutendsten innenpolitischen Erfolg seiner Amtszeit feierte. Wenn die Agendajahre bis 2010 so »erfolgreich« bleiben, dürfte die Partei sich bis dahin weitgehend aufgezehrt haben. Gut möglich jedoch, daß alles sehr viel schneller geht, wenn Chefzyniker Olaf Scholz die Basis weiter so verhöhnt: Er sieht »gute Chancen für eine Trendwende, wenn die Reformen umgesetzt«, Zwangsarbeit und Massenarmut also zum gesellschaftlichen Alltag geworden sind.

      Die der SPD jetzt den Rücken kehren, sind alle Variationen von Tucholskys »älteren, aber leicht besoffenen Herrn«, die als selbständige Gemüsehändler immer etwas für die Revolution tun wollten und genau wußten: »mit diese Partei kommt se janz bestimmt nich«. Womit sie nicht gerechnet hatten: Daß plötzlich auch das Bier nicht mehr schmeckt, die Saalabende ungemütlich werden und die eigene Existenz ganz ohne Revolution durch Sozi-Reformen bedroht wird.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-12/003.php
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      schrieb am 13.01.04 00:14:47
      Beitrag Nr. 1.234 ()
      Ausland
      Ralf Streck

      Düstere Aussicht

      Spaniens neoliberale Bilanz: Steigende Erwerbslosigkeit, mehr Arbeitsunfälle, Zunahme von Billigjobs

      (fast überall,wohin man hinschaut die gleiche vergammelte Politik und seine widerlichen Folgen)

      Miese Zahlen, miese Aussichten für die Spanier auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch spricht die spanische Regierung ständig von Vollbeschäftigung. Die aktuellen offiziellen Erwerbslosenzahlen, die Madrid am vergangenen Dienstag vorgelegt hatte, bestätigen den Trend in die entgegengesetzte Richtung. Die Erwerbslosigkeit steigt weiter. Im Vergleich zum Vormonat waren im Dezember 2003 offiziell 13 000 mehr Menschen ohne Beschäftigung. Allerdings stellten die Behörden eine leichte Abschwächung des Anstiegs fest, denn im November waren noch 30 000 und im Oktober sogar 60 000 mehr Menschen von Erwerbslosigkeit betroffen als im jeweiligen Vormonat. Nach Angaben des spanischen Arbeitsamtes (Inem) sind derzeit im Lande über 1,7 Millionen Erwerbslose registriert. Das entspreche einer Quote von 9,04 Prozent.

      Schon die offiziellen Zahlen zeigen die Misere der konservativen Regierung. Handelt es sich bei diesem doch um den höchsten Stand der Erwerbslosigkeit seit 1993. Dabei hatte sich die regierende Volkspartei (PP) in den vergangenen Jahren durch viele statistische Tricks bei der Erhebung der Erwerbslosenzahlen hervorgetan, um diese kleiner erscheinen zu lassen. So werden vom Inem zum Beispiel nicht mehr alle Leistungsempfänger in der Statistik aufgeführt.

      Die Europäische Statistikbehörde (Eurostat) konstatiert dagegen für Spanien eine Erwerbslosigkeit von 11,5 Prozent. Damit liegt das Land an der Spitze der EU-Staaten. Spanien weist eine doppelt so hohe Erwerbslosigkeit auf wie der Durchschnitt der Gemeinschaft. Da es keine Arbeitslosenhilfe gibt, sind die Zahlen nicht einmal mit denen aus Deutschland zu vergleichbar. Im Macholand ist die Erwerbslosigkeit zudem weiblich und jung. Denn es sind selbst offiziell doppelt so viele Frauen arbeitslos wie Männer. Nur etwa ein Prozent aller Frauen hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Ähnlich dramatisch sieht es bei den Jugendlichen aus.

      Es klingt daher wie Hohn, wenn die Regierung noch immer von Vollbeschäftigung schwafelt. Mariano Rajoy hat sie erneut bis 2010 versprochen, nachdem er im vergangenen Jahr als Nachfolger von Ministerpräsident José María Aznar zum Parteichef der Volkspartei (PP) gekürt worden war. Für die PP soll er nun im März erneut die Wahlen gewinnen. Das könnte dem Mitglied des katholischen Geheimbunds Opus Dei wegen der schwachen Opposition sogar gelingen.

      Schaut man zurück, so ist das Versprechen Vollbeschäftigung nicht neu. Schon Aznar hatte sie 1996 vor der Machtübernahme großmäulig angekündigt. Nun tritt er ab, ohne dem Ziel einen Schritt näher gekommen zu sein. Dabei sind viele Milliarden aus den Kohäsionsfonds der EU seit dem Beitritt des Landes 1992 ins Land geflossen. Vergleicht man die Situation mit Portugal, das ebenfalls 1992 beitrat, fällt das Ergebnis schockierend aus. Portugal, das pro Kopf wesentlich weniger Geld erhielt, gehört zu den Ländern mit der niedrigsten offiziellen Erwerbslosenrate in Europa.

      Etwas allerdings hat Spanien unter den Konservativen erreicht: die neoliberale Deregulierung wurde vehement durchgesetzt. Das zeigt sich unter anderem daran, daß kaum noch feste Arbeitsverhältnisse abgeschlossen werden. Nur noch knapp neun Prozent aller Arbeitsverträge werden unbefristet geschlossen. Der Kündigungsschutz wurde gelockert und vieles wurde geschleift, was Unternehmer gerne als »Beschäftigungshemmnisse« anführen. Doch der beschworene Beschäftigungseffekt bleibt aus, obwohl Spanien weiter über passable Wachstumsraten verfügt. Zu hohe Löhne, der Minimallohn liegt bei 451,20 Euro im Monat, können jedenfalls nicht die Ursache sein.

      Spanien wurde unter Ägide der PP faktisch zum Schlachtfeld. Jeder fünfte Arbeitsunfall mit Todesfolge in der EU wird in Spanien registriert. Dabei leben hier gerade einmal 40 Millionen Menschen, nur halb so viele wie in Deutschland. Täglich werden fünf Arbeiter am Arbeitsplatz oder auf dem Weg zur Arbeit getötet. In nur sieben Jahren waren es mehr als 10 000 Frauen und Männer. Allein 2002 gab es 1 557 Opfer. Dabei sind auch hier die offiziellen Zahlen geschönt. Unfälle von Selbstständigen und Scheinselbständigen, die es hier vor allem im Transportwesen und auf dem Bau (70 Prozent der Unfälle finden hier statt) in großer Zahl gibt, wurden nicht eingerechnet.

      Und oft trifft es genau die, die ohnehin in einem prekären Arbeitsverhältnis stehen. Als am 14. August 2003 eine Anlage in der Raffinerie von Puertollano in die Luft flog, waren fast alle Toten bei Subunternehmen oder Zeitarbeitsfirmen beschäftigt, welche oft die gefährlichsten Arbeiten ausführen. Sicherheitsmängel sind auch Ursache dafür, daß beim Ölmulti Repsol YPF 80 Prozent aller Chemieunfälle registriert werden.

      Trotzdem hat die Regierung keine Pläne, um diese Zustände zu bekämpfen. Statt dessen behauptet der Arbeitsminister und Regierungssprecher, Eduardo Zaplana, es sei notwendig, mit den Reformen am Arbeitsmarkt fortzufahren, um die Vollbeschäftigung zu erreichen. Wenn die spanische Arbeiter weiter den Versprechen der Konservativen glauben, stehen ihnen nach den Wahlen Einschnitte ins Haus, welche sie 2002 mit einem Generalstreik noch abwehren konnten.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-12/009.php
      Avatar
      schrieb am 13.01.04 00:58:43
      Beitrag Nr. 1.235 ()
      Wir beginnen mit der Einnahme des Medikaments"
      (eher gesagt: Gift)


      Von Thorsten Duin




      "Etwas später" - Schmidt (Foto: dpa)
      Nun also "etwas später": Während die Patienten seit Jahresbeginn für Arztbesuche, Pillen und Massagen deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen, lässt die versprochene Entlastung auf sich warten. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt musste einräumen: Die Kassenbeiträge sinken nicht so, wie Regierung und Opposition sich das in ihrer gemeinsamen Gesundheitsreform ausgedacht haben. Aber sinken sie überhaupt?





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      Löwenanteil tragen Versicherte
      Über 23 Milliarden Euro sollte die Reform bis 2007 ins marode Gesundheitssystem pumpen. Den Löwenanteil finanzieren dabei die Versicherten: Allein für Zuzahlungen müssen Patienten 2004 schätzungsweise über fünf Milliarden Euro hinblättern - mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Von den insgesamt knapp zehn Milliarden Euro Einsparungen im Jahre 2004 gehen allein 8,5 Milliarden zu Lasten der Versicherten und Patienten, rechnet der Verband der Angestelltenkrankenkassen vor. Und es werden noch mehr: Von 2005 an fliegt der Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der Kassen, ab 2007 ist ein noch Sonderbeitrag zum Krankengeld fällig, den die Arbeitnehmer allein tragen müssen.



      Gesundheitsreform Das hat sich geändert
      Praxisgebühr im Überblick - Zehn Fragen - zehn Antworten
      Frohes neues Jahr? Das ist neu in 2004




      Entlastung lässt auf sich warten
      Auf der anderen Seite sollen die Krankenkassen ihren Beitragssatz 2004 von derzeit durchschnittlich 14,3 auf 13,6 Prozent senken. So wollen es die Gesundheitsreformer. Etliche Kassen stellen dieses Ziel angesichts hoher Kosten allerdings in Frage - die Schätzungen zur Beitragsentlastung schwanken zwischen Null und 0,5 Prozentpunkten. "Unrealistisch" oder "sehr unwahrscheinlich" seien auf jeden Fall die angestrebten 13,6 Prozent, urteilen Kassenvertreter. In der Tat haben Berichten zufolge erst knapp 30 Kassen ihre Beiträge gesenkt oder das zumindest beim Bundesversicherungsamt beantragt. Gut 20 Kassen wollen hingegen ihre Beiträge erhöhen oder haben bereits zugelangt.


      Sinkende Beiträge? Kassen sind skeptisch
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      Kassen müssen Schulden abbauen
      Grund für die zögerliche Umsetzung: Wegen Wirtschaftsflaute und hoher Arbeitslosigkeit brechen die Einnahmen weg. Die Versicherer sitzen auf einem stetig wachsenden Schuldenberg, den sie laut Gesetz zunächst abtragen müssen. Allein 2003 haben die Kassen ein Defizit von rund drei Milliarden Euro angehäuft. Von den zehn Milliarden Euro Entlastung durch die Gesundheitsreform bleiben laut Ministerium also sieben Milliarden, um sie an die Versicherten weiterzugeben.



      Allenfalls stabile Beiträge

      AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens (Foto: dpa)
      "Geschönte Zahlen" wettert hingegen Dieter Thomae, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP: Das entspreche "einfach nicht der Realität". Nach Berechnungen des AOK-Bundesverbandes dürfte sich das aufgelaufene und noch aufzufüllende Defizit Anfang 2004 auf sieben Milliarden Euro summiert haben. Im Duchschnitt dürfte die Reform bis Ende 2004 "im wesentlichen nur Beitragssatzstabilität bringen", resümiert AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens.


      "Sie machen uns krank" Drohbriefe an Schmidt


      Beitragssenkung nicht beliebig
      Schmidt hingegen beharrt auf der Rechtslage: Laut "Gesundheitsmodernisierungsgesetz" müssen die Kassen Einsparungen in vollem Umfang an die Versicherten weitergeben. Das sei - so ihr Staatssekretär Klaus Theo Schröder - keine Frage der Beliebigkeit. Die Aufsichtsbehörden würden prüfen, ob die einzelnen Kassen der Verpflichtung nachkommen.


      Unterschiedliche Kassenlage
      Die lassen sich allerdings nicht über einen Kamm scheren. So stehen Kassen mit jungen zahlungskräftigen Kunden und schlanker Verwaltung vergleichsweise besser da als etwa Versicherer mit vielen Risikofällen. Entsprechend könne der Gesetzgeber nicht jede Kasse pauschal dazu verdonnern, ihren Beitrag um beispielsweise 0,7 Punkte zu senken, heißt es im Ministerium. Auch was die Fristen angeht, gebe es einen "Spielraum": Senkt eine Kasse erst Mitte des Jahres ihre Beiträge, lässt das Ministerium das durchaus noch durchgehen.



      Krankenversicherung - Was die Privaten kosten
      Risiko Pflegebedürftigkeit Was ist sinnvoll?


      Das große Rechnen
      Ob so die angepeilten 13,6 Prozent erreicht werden, ist fraglich. Schmidt selbst räumt in der "Frankfurter Rundschau" ein: Wegen der drastischen Einbrüche bei den Einnahmen im letzten Quartal müssten viele Kassen "erst einmal sehen, wo sie stehen". Die angepeilte Absenkung werde daher "möglicherweise etwas später" erreicht. "Das ist wie bei einer Krankheit: Wir beginnen jetzt mit der Einnahme des Medikaments. Das Fieber wird im Laufe der nächsten Monate sinken."


      "Große Reform spätestens 2010"
      Eine optimistische Annahme. Denn an den wegen Arbeitslosigkeit und Demographie wegbrechenden Einnahmen ändert die Schröpfkur von Regierung und Opposition grundlegend nichts. Die notwendige Strukturreform aber, mit der die Einnahmen auf eine neue Grundlage gestellt werden müssten, wurde verschoben. Der Gesundheitskompromiss im Sommer vergangenen Jahres war kaum in trockenen Tüchern, da kündigte Schmidt bereits an: "Die nächste große Reform muss spätestens 2010 stehen." Die Ministerin hofft nun, dass die aktuelle Notoperation "wenigstens bis 2007 hält". Kein großer Wurf also.



      Eintragen und gewinnen Der Gewinnspielclub
      http://onnachrichten.t-online.de/c/03/92/63/392634.html
      Avatar
      schrieb am 13.01.04 23:46:15
      Beitrag Nr. 1.236 ()
      Kommentar
      Winfried Wolf

      Zerstörung als Erfolg

      10 Jahre »Bahnreform«


      Am heutigen Mittwoch feiern Politik, Wirtschaft und Topmanagement der Deutschen Bahn AG im neu eröffneten »Fünf-Sterne-plus-Hotel« Ritz Carlton in Berlin »10 Jahre Bahnreform«. Sie feiern einen Erfolg – völlig zu Recht. Natürlich wurde wiederholt, was 1994 zur Beruhigung der Öffentlichkeit gesagt wurde, wonach Ziel der Bahnreform ein wachsender Schienenverkehr gewesen sei. Das war weder geplant, noch entspricht es den Tatsachen. Der Anteil der Schiene im Verkehrsmarkt wurde weiter deutlich reduziert – insbesondere im Güterverkehr. Das einzige Segment, das auf dem Papier ein Wachstum zu verzeichnen hatte, ist der Personennahverkehr. Abgesehen davon, daß diese Gewinne durch eine »kreative Veränderung der Statistik« zustande kamen und lediglich auf dem Papier stehen, ist dies derjenige Sektor, der zu einem erheblichen Maß aus Steuermitteln finanziert wird.

      Doch es ging nicht um ein Mehr an Schienenverkehr. Nicht um Verkehrspolitik für die Umwelt. Nicht um die Förderung ziviler Reisekultur. Wie in allen anderen Ländern, in denen die staatlichen Bahnen privatisiert werden, geht es um handfeste Interessenspolitik und konkret um drei Ziele:

      Erstens wurden mit der Bahnreform die Verkehrsmarktanteile von Pkw, Lkw und Flugzeug deutlich erhöht. Damit wurde die Marktmacht des entscheidenden Sektors in der kapitalistischen Ökonomie, der Öl-, Auto- und Flugzeugindustrien, massiv gestärkt.

      Zweitens kann mit der Bahnreform der Staat stärker als Melkkuh für private Konzerne eingesetzt werden. Die jährlichen Gelder für die Schiene (2002: 18,1 Mrd. Euro) nahmen deutlich zu. Die Empfänger sind mehr denn je private Unternehmen oder werden es nach einem Börsengang der Bahn sein.

      Drittens wurde der staatliche Einfluß in der Gesellschaft erheblich reduziert. Gleichzeitig stieg das spezifische Gewicht des privatkapitalistischen Bereichs. Dies ist der Nenner des gesamten neoliberalen Angriffs, den wir seit den achtziger Jahren erleben. In den Worten der Financial Times Deutschland: »Mehdorn ist angetreten, um die Bahn börsenreif zu machen. Niedrige Bahnpreise und eine optimale Versorgung im Schienenverkehr sind damit nicht vereinbar.« Sie feiern zu Recht.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-14/002.php
      Avatar
      schrieb am 13.01.04 23:51:30
      Beitrag Nr. 1.237 ()
      Inland
      Dieter Schubert

      Echt zu billig

      DIW sieht deutsche Wirtschaft zum Jahresende 2003 im Aufwind. Binnennachfrage stagniert


      Nun scheint sich die Konjunktur in der Bundesrepublik Deutschland doch aufzuschwingen. Allerdings weiß noch keiner, wie hoch. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) habe sich die Wirtschaft zum Ende des vergangenen Jahres deutlicher erholt als erwartet. Für das vierte Quartal 2003 zeichne sich mit einem geschätzten Plus von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal eine spürbare Beschleunigung der gesamtwirtschaftlichen Produktion ab, gab das Wirtschaftsforschungsinstitut am Dienstag bekannt.

      Bislang sah es eher trübe aus. Im dritten Quartal 2003 hatte der errechnete Wirtschaftszuwachs nur magere 0,2 Prozent betragen, und in den beiden ersten Quartalen des vergangenen Jahres war nach den DIW-Angaben die deutsche Wirtschaft sogar geschrumpft.

      Allerdings streiken die Verbraucher noch. Trotz Billigangeboten – die meist gar keine sind – ist der private Konsum im Jahresendquartal nach DIW-Angaben weiter schwach geblieben. Die Einzelhandelsumsätze stagnierten. Dagegen legten die Investitionen dem DIW zufolge merklich zu. Fragt sich nur, warum der Sozialkahlschlag und das »Reform«-Gelaber der Politik dann nötig war? Denn ein Aufschwung ohne kräftig wachsende Binnennachfrage ist letztlich auch nur ein Billigheimer.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-14/015.php
      Avatar
      schrieb am 13.01.04 23:55:25
      Beitrag Nr. 1.238 ()
      11.1.04 Auf Sand gebaut

      Wer Baukredite per Lebensversicherung tilgen wollte, muss handeln: Das Finanzierungsloch stopfen oder den Vertrag kündigen und auf Darlehen umstellen


      Die Börsenbaisse ist vorüber, aber das dicke Ende kommt erst noch. Und zwar für die, die es am wenigsten erwartet hätten. Die vielleicht nie selbst einen Fonds, geschweige denn eine Aktie gekauft haben. Die dachten, mit einer soliden Lebensversicherung auf der richtigen Seite zu sein. Die ihren Beratern glaubten, das Hypothekendarlehen für ihr Häuschen auf einen Schlag mit der versprochenen Ablaufleistung tilgen zu können. Und die dieser Tage Post von ihrer Bank oder Versicherung bekommen, weil die Rechnung nicht mehr aufgeht: Die immer weiter sinkenden Renditen der Policen lassen die Finanzierungen wie Kartenhäuser zusammenfallen.

      Das Schlimme: Viele der betroffenen Immobilieneigentümer bekommen solche Post nicht zum ersten Mal. Bereits Ende 2001 erkannten Banken und Versicherungen, dass sich zwischen Ablaufleistung der Versicherung und Darlehensvolumen zum Teil große Lücken auftaten. ... Die Lebensversicherungen investierten das ihnen anvertraute Kapital an der Börse und fielen damit - schlimmer als mancher Privatanleger - auf die Nase. ...

      Verschwiegen wurde bei diesen Rechenmodellen zudem nicht selten, dass die Nebenkosten bei Lebensversicherungen höher als bei Annuitätendarlehen sind. Diese "Beratung auf Kindergartenniveau" (Poweleit) führte dazu, dass ahnungslose Kunden Koppelgeschäfte abschlossen, deren Folgen sie als Laien oft gar nicht überblicken konnten. ... (Wams, 11.1.04)




      Kommentar: Wer vor einigen Jahren seine Immobilie über eine Lebensversicherung finanzierte, wird in Zukunft noch weit höhere Lasten zu zahlen haben – dann nämlich, wenn die Pleiten der Versicherer im nächsten Crash zunehmen und auch die Auffanggesellschaft das nicht mehr abdecken kann. Dann ist schnell Haus und Hof verloren und man bleibt mit Restschulden zurück. Dabei war die Idee, eine Immobilie mit einer Versicherung zu finanzieren von vornherein unrealistisch und naiv. Wer einen Kredit nimmt, der sollte diesen so schnell wie möglich permanent tilgen und nicht wie im Steuersparmodell mit der Versicherung die ganze Zeit hohe Zinslasten bezahlen und am Ende tilgen.



      --------------------------------------------
      Euroland ist abgebrannt, und die Tage der Euro-Hausse sind gezählt

      Deutschland wird mit der EZB und der Gemeinschaftswährung doppelt bestraft

      von Der Autor ist Wirtschaftswissenschaftler und bekannt als Euro-Gegner


      Dass es mit der Euro-Aufwertung so knüppeldick kommen würde, hatten nicht einmal die Warner vor seiner Einführung vorausgesehen. Von Anfang an war klar, dass es mit der Gemeinschaftswährung zu einem Lastenausgleich zwischen reichen und armen EU-Staaten kommen würde, jenseits und zusätzlich zu den vereinbarten Subventionen. ... Doch der Vater dieses "Wunders" an der europäischen Peripherie, das Land mit der härtesten Währung und stärksten Kapitalbildung, nämlich Deutschland, würde davon nichts haben. Es blieb nämlich auf seinen alten Zinsen und niedrigen Inflationsraten sitzen und bekäme so - trotz seiner hohen Ersparnisse - das höchste Realzinsniveau in ganz Euroland! Erst mit Deutschlands Verzicht auf die Deutsche Mark wurde es möglich, die Abwertungsprämien der europäischen Schwachwährungen, von Lira, Peseta, Peso, Drachme, Punt und so weiter auf den Euro abzuwälzen und zu vergemeinschaften. Deutschland hat diesen Ländern "sein" Zinsniveau geschenkt. Allein das über die Halskrause (staats)verschuldete Italien "spart" seitdem alljährlich 50 Milliarden Euro und mehr an Zinsen auf seine Staatsschuld! Und was hat Deutschland, der edle Spender, dafür bekommen? Jetzt, da es bitter notwendig wäre, die Zinsen endlich auch hier zu Lande investitionsgerecht abzusenken, zwingt die Inflation der alten Schwachwährungsländer die EZB zum zinspolitischen Nichtstun. ... (Wams, 11.1.04)




      Kommentar: Der Euro ist die Hauptursache dafür, dass Deutschland nun das wirtschaftliche Schlusslicht darstellt. Es war von vornherein klar, dass der Euro gewaltige Lasten für uns bringen wird. Nun muss Deutschland durch überhöhte Realzinsen die Finanzierungsfehler anderer Staaten mit Schultern. Dazu kommt noch, dass der Bundesbankgewinn weggefallen ist und Deutschland von der EZB nur einen Bruchteil des Zugewinns aus der Geldschöpfung zugewiesen bekommt. Wie konnte ein deutscher Politiker solch einer Selbstzerstörung zustimmen (der Euro wurde mit überragender Mehrheit der Parlamentarier angenommen)?

      http://www.geldcrash.de/index.htm
      K.v. Günter Hannich
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 00:03:09
      Beitrag Nr. 1.239 ()
      Euro leicht unter Druck

      von Jochen Steffens

      Eigentlich ist alles überhitzt: Der Euro, Gold und die Aktienmärkte. Ich habe mich jedoch immer wieder gefragt, wie diese Überhitzung gleichzeitig abgebaut werden soll. Könnte es gleichzeitig zu fallende Aktienkursen, einem fallenden Euro und auch noch zu einem fallenden Goldpreis kommen? Ganz abwegig ist das nicht, es gibt mehrere mögliche Szenarien dafür. Wobei ich (noch) nicht behaupten will, dass diese Szenarien auch so wirklich eintreten. Ich will sie lediglich schon einmal als Ansatz vorstellen. Dazu zunächst diese Nachrichten:

      Die EZB begann heute mit stärkeren "verbalen" Interventionen gegen den Euro-Höhenflug vorzugehen. EZB-Chef Jean-Claude Trichet äußerte sich nach einem Treffen der sogenannten G10 Notenbankchefs in Basel besorgt über die jüngsten Wechselkursbewegungen. Prompt reagierte der Euro und sackte nach einem Kurs von knapp 1,29 Dollar wieder auf 1,275 Dollar. Etwas obskur ist in diesem Zusammenhang die Nachricht, dass ein Sprecher des US-Finanzministeriums bekräftigte, es gäbe keine Änderung in der Politik des starken Dollars. Aha, das war also in dem letzten Jahr eine Politik des starken Dollars?

      Insgesamt könnte es klappen: Die EZB mit Hilfe der G10 Zentralbankchefs bringt den Euro unter Druck, er fällt. Wenn dann die amerikanische Notenbank FED noch die US-Leitzinsen anheben würde, könnte das zu fallenden Märkten und einem steigenden Dollar führen. Mit anderen Worten: Der Euro fällt, die Märkte fallen und der in Dollar gelistete Goldpreis fällt ebenfalls.

      Nur, durch die letzten Arbeitsmarktdaten ist eine Zinsanhebung in weite Ferne gerückt. Gut, es geht auch ohne eine Zinsanhebung der FED: Die EZB senkt die Zinsen, der Euro kommt unter Druck. Die amerikanischen Börsen spielen Deflation, da die Wirtschaft doch nicht anspringt. Die Märkte fallen und der in Dollar gelistete Goldpreis könnte dann aufgrund des schwächeren Euros im Verhältnis fallen.

      Im Moment fällt zwar der Euro aber der Dax steigt. Begründet wird dieser Anstieg von Analysten eben mit dem fallenden Euro. Ich bin hingegen etwas verwundert über die Stärke des Dax, denn der Dow hat nach seinem 130 Punkte Verlust vom Freitag lediglich nur magere 37 Punkte aufholen können. Aber Triebfeder ist der Nasdaq, der freudig vor den Intel-Zahlen am Mittwoch bereits im Vorfeld positive Überraschungen einpreist.

      Der Dow steht dabei immer noch kurz davor, seinen steilen, seit November bestehenden, Aufwärtstrend zu brechen. Gleichzeit ist der Dow an der oberen Trendlinie seines langjährigen Abwärtstrends abgeprallt. Hier wird in den nächsten Tagen eine Entscheidung fallen. Und wahrscheinlich wird Intel mal wieder Zünglein an der Wage spielen.

      Wirklich wichtig sind auch die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in dieser Woche. Sollte diese Zahl die schlechten Arbeitmarktdaten vom Freitag noch unterstützen, rechne ich mit fallenden Märkten. Es erwarten uns also spannende zwei Tage, der Dax ist offenbar zuversichtlich, dass alles so weiter gehen wird. Ich bin hingegen eher skeptisch.

      Ich sehe gerade, dass die amerikanischen Indizes bei weitem nicht so zuversichtlich starten, wie der Dax gedacht hat. Belastend wirkt sich unter anderem aus, dass angesichts schrumpfender Öl-Reserven der Ölpreis wieder auf 35 Dollar (!) gestiegen ist und damit auf einem Niveau von kurz vor dem Irak-Krieg notiert. Die Hoffnung, dass der gewonnene Irak-Krieg zu sinkenden Ölpreisen führen wird, ist damit auch hinfällig geworden.

      Und zum Schluss: Unser Lieblingsnotenbänker, Old Greeny, befindet sich in Deutschland und redet heute um 17.00 Uhr auf einer Konferenz der Deutschen Bundesbank zum Thema Globalisierung. Dabei ist mit einer offenen Fragerunde der Zuhörer zu rechnen. Manche erhoffen sich Hinweise zum Markt durch Aussagen von Greenspan. Dazu eventuell morgen mehr.

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      Kleinanleger sorgenlos – Profis suchen die Ausgänge

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Wer kann schon wissen, wie lange die aktuelle Rally am Aktienmarkt noch dauern wird? Oder ob sich die Lage am US-Arbeitsmarkt verbessert oder nicht? Oder wann die Chinesen damit aufhören, den USA Geld zu leihen? Aber die Amerikaner haben sich dazu entschieden, nach vorne zu gehen, so als ob alles gut ausgehen würde.

      Die Erholung ist immer noch eine "jobless recovery", also eine Wirtschaftserholung, in der keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Vielleicht ist es sogar eine Nicht-Wirtschaftserholung ohne neue Arbeitsplätze. Und ich könnte mir vorstellen, dass es bald ein Abschwung ohne neue Arbeitsplätze sein wird. Aber Moment; heute will ich keine Prognosen abgeben, sondern über den außergewöhnlichen Optimismus der Amerikaner schreiben.

      Während die Amerikaner halsbrecherisch optimistisch sind ... tendieren die Leute, die etwas wissen, dazu, vorsichtiger zu sein. Während die kleinen Jungs Aktien zu lächerlich hohen Kursen kaufen, verkaufen die wirklichen Profis – George Soros, Warren Buffett, Templeton und andere. Und meine Freund Marc Faber sagt, dass die Unternehmensinsider derzeit für jede gekaufte Aktie vier verkaufen. Und wenn Manager neue Arbeiter einstellen, dann zeigen sie sich vorsichtig; sie stellen eher Teilzeitkräfte als Vollzeitbeschäftigte ein.

      In der amerikanischen konsumgeführten Wirtschaft fallen derzeit die Reallöhne. Die riesigen Beträge, die in den letzten 15 Monaten an den Aktienmarkt geströmt sind, sind nicht durch höhere Gewinne oder Löhne zustande gekommen ... sondern durch Schulden. Niedrigere Zinsen haben die Konsumenten dazu ermuntert, die Hypotheken auf ihre Häuser zu erhöhen. Die Hypothekenschulden nahmen zu ... aber auch die anderen Schulden der Konsumenten. Wo ging dieses Geld hin?

      Die privaten Haushalte waren in der ersten Hälfte des letzten Jahres der größte Käufer von Aktien – sie kauften für 416 Milliarden Dollar Aktien, obwohl ihre realen Einkommen fielen.

      Die Reallöhne sind in den letzten 10 Jahren gefallen. Aber die Arbeitskosten steigen immer noch – weil die Kosten für die Krankenversicherung und andere Dinge mit zweistelligen Prozentzuwächsen wachsen. Das sind schlechte News für das amerikanische Proletariat. Selbst wenn sie weniger Geld bekommen, so haben sie dennoch das Risiko, dass sie entlassen werden!

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      Ehemaliger US-Finanzminister plaudert aus dem Nähkästchen

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Paris

      Der ehemalige US-Finanzminister Paul O`Neill hat sich über seine Amtszeit geäußert, und mitgeteilt, dass der Irakkrieg von George W. Bush von Beginn seiner Amtszeit an geplant war. Natürlich könnte Mr. O`Neill auch nur versuchen, sein neues Buch "The Price of Loyalty" besser zu verkaufen ... aber ich bin gefährlich nahe dran, ein Fan von ihm zu werden. Wenn auch nicht wegen seiner Ansichten, so wegen seines Muts und seiner Intelligenz.

      Außerdem sagt O`Neill, dass ihm auf seine Einwände wegen des hohen Haushaltsdefizits vom Vizepräsidenten gesagt worden war: "Defizite sind egal".

      Was für eine Erleichterung für den Präsidenten muss es da sein, dass er jetzt den unterwürfigen Mr. Snow als Finanzminister hat, oder? Anders als O`Neill bejubelt Snow sogar die neuen Mars-Pläne – dabei ist er ein Finanzminister, der schon jetzt mit einem Haushaltsdefizit von voraussichtlich 500 Milliarden Dollar zu kämpfen haben wird! Aber jeder richtige Präsident muss Raumfahrtspläne haben. Warum dann nicht einen lächerlichen und komplett verrückten Plan? Warum allerdings der US-Finanzminister Snow über die Mars-Pläne sprach und kein Offizieller von der NASA, das blieb mir trotzdem ein Rätsel.

      Snow ist ein Optimist. Er denkt, dass er den Konsumentenkapitalismus in die Wüsten des Irak bringen kann ... dass er den Chinesen ihr Bedürfnis, die USA mit billigen Waren zu überschwemmen, ausreden kann ... und dass er dem amerikanischen Konsumenten, der derzeit so verschuldet wie noch nie ist, durch die notwendigen "Stimulierungen" dazu bringen kann, seinen Teil in der großen Erholung des Jahres 2003 zu spielen. Hm, ... und das alles will er am liebsten an einem einzigen Tag erreichen.

      Ich bin mir ziemlich sicher, dass Snow seinen Job behalten wird, solange er diese Dinge weiterhin öffentlich sagen wird. Aber jetzt zurück zur Realität: Die Mars-Pläne sind immerhin plausibler als die Schätzungen von Snow zum US-Arbeitsmarkt. Er hatte für Dezember 200.000 neue Jobs erwartet – und es wurden dann nur magere 1.000 neue Jobs! Im gesamten vierten Quartal waren es 144.000 neue Jobs. "Die schlechten Arbeitsmarktzahlen führen zu der Frage, wie lange die `außergewöhnlich starke` Arbeitsproduktivitäts-Geschichte noch weitergehen kann", schrieb Chuck Butler von der Everbank gestern. "Wie lange noch", das ist ein vertrauter Ausdruck geworden. Ich stelle diese Frage in den letzten Tagen ziemlich oft.

      Wie lange kann es zum Beispiel noch so weitergehen, dass sich die US-Konsumenten so stark verschulden? Nun, mein Freund John Mauldin hat eine nicht gerade erfreuliche Vermutung: "Die kurzfristigen Schulden der Konsumenten ... erreichen einen historischen Wendepunkt. Sie sind seit 10 Jahren unnormal schnell gestiegen, und die Schulden können nicht unbegrenzt steigen. Ob sich das Wachstum bei den neuen Schulden verlangsamen wird, ist nicht mehr die Frage ... denn es muss sich verlangsamen."

      Überraschung: Dieses Zitat ist aus der März 1956-Ausgabe des Fortune-Magazins. Es gab andere Quellen, die Ähnliches meinten, und sie lagen offensichtlich alle falsch. "Wie lange?" fragt Mauldin. "Ich schätze, dass der Tag der Abrechnung nicht in diesem Jahr stattfinden wird ... auf den Kreditkarten ist noch Platz." Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, sich Plätze für das nächste Shuttle zum Mars zu buchen.

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      China und Leserbriefe

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Wenn es ein Land mit vielen Arbeitskräften gibt, dann China: "Anderen asiatischen Ländern gingen die Arbeitskräfte aus, als sie sich entwickelten und als die zunehmend verfeinerte Produktion zunehmend teure Arbeit erforderte", schreibt Gary Shilling.

      "Bei China war das nicht der Fall. Fast die Hälfte der 320 Millionen Bauern würde man zur Bearbeitung des Landes nicht brauchen. Dann gibt es noch 80 Millionen überschüssige Arbeiter, die bei Staat und Staatsbetrieben angestellt sind. Ganz zu schweigen von den 100 Millionen Arbeitswilligen, die an Chinas Küste nach Arbeit suchen. Bald werden jede Menge hinzukommen – denn ein Viertel der chinesischen Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre. Deshalb hat China ein Potenzial von 500 Millionen neuen Arbeitskräften."

      "Wie lange kann China weiterhin mit 8 % wachsen, bevor das Reservoir an Arbeitskräften aufgebraucht ist? Wenn man ein jährliches Produktivitätswachstum von 4 % unterstellt und das Wirtschaftswachstum bei konstant 8 % annimmt, dann würde es 30 Jahre dauern. Aber man sollte auch bedenken, dass Japan in den 1980ern genauso wie jetzt zunehmend China bewundert wurde. Auch China hat Probleme. Zunächst einmal die Exporte. Die Exporte waren zwischen 1997 und 2001 für 21 % des BIP verantwortlich – aber für 48 % des Wirtschaftswachstums. Und die meisten dieser Exporte gehen direkt oder indirekt in die USA. Und wenn die Amerikaner ihre Konsumorgie beenden ... dann ist der Ausblick für chinesische Exporte nicht gerade gut ..."

      *** Ein paar Leser-Emails haben mir geschmeichelt: "Ich bin ein aktiver Leser des Investor`s Daily", beginnt sie. "Immer wenn mir die Aufwärtsbewegung am Aktienmarkt zu gut gefällt und ich zu gierig werde, dann ist eine Dosis Ihrer Artikel eine gute Möglichkeit, um wieder etwas Realität ins Bild zu bringen. Ich bin ein täglicher Leser, und Ihre Ansicht zur aktuellen Situation und zu den Konsequenzen, die Sie für die Zukunft voraussehen, sind mir ziemlich klar."

      "Anstatt dass Sie jeden Tag die gleiche Story wiederholen, möchte ich Sie bitten, dass Sie gelegentlich eine konstruktive Investmentstrategie präsentieren, die mir, einem naiven Investor, helfen könnte, die Wahrscheinlichkeit meines wirtschaftlichen Überlebens zu erhöhen (wenn Ihre Prophezeiungen wahr werden)."

      *** "Ja! Ihre Kritik ist richtig!" schreibt ein anderer Leser. "Natürlich hätte man jede Menge Geld verdienen können, wenn man auf die absolut schlechtesten Aktien des Marktes gesetzt hätte! Natürlich haben Sie den Lesern empfohlen, Gold zu kaufen, und wenn man auf Sie gehört hätte, dann hätte man das schon im März 2000 getan und wäre damit sehr gut gefahren. Mit den Müllaktien wäre man schlecht gefahren, die letzten 10 Monate sind eine andere Geschichte. Ihr vom Investor`s Daily seid das, was Ihr sagt, das Ihr seid: Ein gut geführter, leicht zu lesender Newsletter, der nichts kostet."

      "Ihre Ansichten sind das kraftvollste Gegenmittel zu dem debilen Positivismus, den wir von der breiten Finanzpresse erhalten. Derjenige, der will, dass sie positiver schreiben sollten, der sollte sich mal umsehen und die Welt, in der er lebt, genau ansehen. Für mich besteht Ihre Rolle darin, Licht auf die intellektuelle Korruption und den Egoismus zu werfen. Bitte behalten Sie Ihre gute Arbeit bei. Sie sind eine wirkliche Rarität."

      -------------------------

      Der degenerierte amerikanische Kapitalismus

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ich habe eine weitere schwarze Stelle in der Fabrik des modernen, degenerierten amerikanischen Kapitalismus gefunden. Die Unternehmensmanager haben keine Loyalität, weder ihren Aktionären noch ihren Arbeitern gegenüber. Sie bezahlen sich selbst äußerst großzügig ... sie setzen bei ihren eigenen Aktien auf fallenden Kurse ... und sie behandeln die Angestellten wie Inventar. Die Idee scheint zu sein, dass man bei allem Kosten sparen muss – außer bei sich selbst. Die Idee dieser Manager ist es, die billigst möglichen Arbeitskräfte einzustellen, und zwar nur genau dann, wenn sie notwendig sind, um kurzfristige Ziele erreichen zu können.

      Im Lager wird nichts mehr gehalten. Kein überschüssiges Essen im Kühlschrank. Keine überschüssigen Produkte in den Regalen. Kein überschüssiges Geld auf dem Konto, kein überschüssiger Angestellter auf der Lohnliste. Die Amerikaner leben von der Hand in den Mund ... von Lohncheck zu Lohncheck ... als ob niemals etwas schief laufen würde.

      "NIEMAND macht langfristige Investments", schreibt der Fondsmanager Hirschel Abelson, nachdem er ein Dutzend Gesellschaften, in die sein Fonds investiert, genau unter die Lupe genommen hat. Diese Gesellschaften investieren weder in Maschinen noch in Leute. Natürlich ist das kein Weg, um eine Wirtschaft nach vorne zu bringen oder die Leute reich zu machen. Wenn ein Amerikaner in der modernen, globalisierten Welt weiterhin 10 Mal soviel wie ein Inder verdienen will, dann muss er auch 10 Mal soviel produzieren. Was wiederum bedeutet, dass die Gesellschaft, in der er lebt, massive Geldbeträge in neue Ausrüstungsgegenstände und in Ausbildung investieren muss. Stattdessen scheint sich die "Amerika AG" nur um Kostensenkungen und um die nächsten Quartalszahlen zu kümmern ... und um ihre eigenen Aktienoptionspläne.

      Dieser Ansatz ist nicht nur halsbrecherisch ... er ist auch hoffnungslos.

      " ... Wir sind an dem Punkt angelangt, wo die Spitze der Effizienz bereits erreicht ist, und weitere Quellen für Kostensenkungen kann man immer schwerer erkennen", so Abelson weiter.

      Schließlich haben die Manager keine Kosten mehr, die sie senken könnten. Was dann?
      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 00:14:23
      Beitrag Nr. 1.240 ()
      Neuer Streit mit Bundeswirtschaftsminister Clement droht

      Trittin will Strom aus Kohle verteuern


      Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will die Auflagen für neue Kohlekraftwerke massiv verschärfen.





      BERLIN/DÜSSELDORF. Bei der Zuteilung von Emissionsrechten für den ab 2005 geplanten Emissionsrechtehandel sollen sie mit derselben Elle gemessen werden wie die wesentlich abgasärmeren Gaskraftwerke. Damit könnte der Bau neuer Kohlekraftwerke unrentabel werden, weil die Betreiber in großem Umfang Emissionsrechte zukaufen müssten. Das geht aus einem "Diskussionspapier" aus dem Ministerium hervor, das dem Handelsblatt (Mittwochausgabe) vorliegt.

      Industrie und Opposition, aber auch die SPD reagierten empört auf die Pläne. Der umweltpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Paziorek, sprach von einem "Frontalangriff auf neue Kohlekraftwerke". Trittin kündige den aktuellen Energiemix auf und bedrohe so die Versorgungssicherheit, warnte Gerd Weber vom Gesamtverband des Steinkohlebergbaus. Die Energieerzeuger selbst hielten sich bedeckt, da in den laufenden Verhandlungen mit dem Umweltministerium Vertraulichkeit vereinbart wurde. Hinter den Kulissen hieß es jedoch, der Plan ziele "klar gegen die Kohle" und "würde alle Stromerzeuger belasten".

      In der Tat gehe es Trittin darum, Wettbewerb zwischen den Energieträgern zu schaffen und die Bevorzugung der Kohle zu beenden, erläuterte sein Sprecher. Ziel sei schließlich die Senkung des Kohlendioxidausstoßes. Zum Ausgleich für den "sensiblen Punkt" sollen die Kohleverstromer für eine Übergangsfrist bis 2012 das Recht erhalten, Emissionsrechte von "alten Dreckschleudern" auf neue, sauberere Kohlekraftwerke zu übertragen.

      Die Pläne dürften den Streit Trittins mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) über den künftigen Energiemix neu anfachen. Der energiepolitische Sprecher der SPD, Rolf Hempelmann, machte bereits klar, dass Trittins Plan "so nicht funktionieren wird".

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 12:11:55
      Beitrag Nr. 1.241 ()
      @bluemoons

      immer sehr interessante artikel.
      danke und bitte weiter so.
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 15:50:13
      Beitrag Nr. 1.242 ()

      Schlechte Nachrichten für Autofahrer

      (gibt es mal auch gute Nachrichten?)

      Nachdem man offensichtlich doch bemerkt hat, daß eine noch weitere Erhöhung der Benzinpreise auch von den steuergeduldigen Deutschen nicht mehr unwidersprochen toleriert werden würden, versucht man derzeit offensichtlich, die Kollateralkosten der Mobilität zu erhöhen, also auf weniger sichtbare Weise die Beweglichkeit von Gütern und Personen, und mithin die Freiheit einzuschränken.

      Drei neue Erhöhungsrunden sind derzeit im Gespräch, nachdem schon zu Anfang des Jahres die Kfz-Steuer kräftig zugeschlagen hat, was freilich schon seit Jahren klammheimlich im Gesetz stand: Glaubt man Medienberichten, werden zunächst die administrativen Kosten des Autofahrens kräftig erhöht. Das betrifft insbesondere die Kosten für den Führerschein, der in Deutschland bereits jetzt so viel kostet wie anderswo eine Privatpilotenlizenz. Auch das medizinisch-psychologische Gutachten, der sogenannte "Idiotentest", soll teurer werden. Weiterhin werden Zwangswartungen und -Kontrollen, die schon immer ein willkommenes Instrument in der hand der Obrigkeit waren, die Daumenschrauben angezogen: TÜV und ASU, angeblich nicht die Abgas- sondern die absolut sinnlose Untersuchung, sollen beide kräftig zulegen.

      Richtig interessant ist aber der Plan von Wirtschaftsminister Clement, die Autobahnen zu privatisieren: was man eigentlich eher einem Minister mit DDR-Vergangenheit wie Stolpe hätte zutrauen können kommt jetzt aus dem Munde von jemandem, der für die wirtschaftlichen Geschicke der Republik verantwortlich ist. Wenigstens Clement hätte nämlich wissen müssen, daß der Autofahrer mit seinen Steuern den Straßenbau und die Straßeninstandhaltung schon mehrfach bezahlt hat - eine Privatisierung von Autobahnen zur Einsparung von Geldern also eine Form der Veruntreuung von Steuergeldern ist. Gewiß, der Steuerbegriff des §3 AO steht dagegen - aber dem Gefühl, noch ein wenig mehr verarscht zu werden, kann sich wohl kein Autofahrer entziehen.

      Hier fangen wir aber gerade erst an mit den noch ausstehenden ideologischen Ökoprojekten der nächsten Jahre: Dies alles soll nämlich noch vor der ja ebenfalls schon vorbereiteten Einführung der Maut für alle Fahrzeuge auf allen Straßen ins Werk gesetzt werden - und es ist nicht schwer zu prognostizieren, daß die Maut dann auch als Mittel zur variablen Verteuerung von Strecken verwendet werden soll: am Sonntag billiger als unter der Woche, und im Feierabendverkehr am teuersten. Vor der Fahrt muß das Auto natürlich erst freigeschaltet werden. Kein Wunder, daß man die totale Überwachung braucht und sich nicht mit einer Vignette für Ausländer bei Einreise (etwa nach schweizer Vorbild) zufriedengibt. Auch daß die Treibhausgasemissionsberechtigungen, die ebenfalls möglicherweise nach ihrer erfolgreichen Einführung 2005 bald für Autos erforderlich werden, im Wege der Maut abgerechnet werden, ist nicht schwer zu erraten - und ein weiterer Grund für die Totalkontrolle aller Fahrzeuge mit Kameras.

      Das hätte Stolpe bei der Stasi nie gekonnt: eine so totale Überwachung wirkliche aller Güter und Menschen wäre in der DDR nie möglich gewesen. Kein Wunder, daß so jemand auch im neuen Zentralkomitee in Berlin landet (oder wie heißt das heute?).
      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Privatisierung wird wohl zum "Wort des Jahrzehnts" gewählt
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 16:37:31
      Beitrag Nr. 1.243 ()
      Die Kapitalmarktzinsen sinken eindeutig – Doch das wird weithin noch ignoriert – Erholung der Weltwirtschaft steht auf tönernen Füßen
      (14.01.2004)

      Die wirklich wichtigen Dinge werden häufig erst ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, wenn sie längst geschehen sind. Dann hallen sie aber nicht selten so lange nach, bis sie entweder niemand mehr hören will oder bis sie sich erledigt haben.

      So geht es in diesen Tagen den transatlantischen Kapitalmarktzinsen. Die Kurse zehnjähriger amerikanischer und britischer Staatsanleihen sind im Zuge ihrer seit dem Sommer beziehungsweise Herbst laufenden Aufwärtsbewegungen dieser Tage charttechnisch eindeutig nach oben hin ausgebrochen. Gleichartige europäische Titel, vertreten durch deutsche „Bunds“, begannen Anfang November als Letzte zu steigen. Ihnen ist der charttechnische Ausbruch zwar noch nicht gelungen, doch scheint er unmittelbar bevorzustehen.

      Die Kapitalmarktzinsen in den wirtschaftlich führenden Regionen der westlichen Hemisphäre sinken also. Gegenüber ihren zyklischen Höchstständen sind sie bereits beachtlich zurückgegangenen.

      Zu Beginn eines neuen Jahres ist es nicht ungewöhnlich, dass diese Zinsen sinken beziehungsweise die Kurse dieser Qualitätsanleihen steigen. Dies ist denn auch das Standardargument mancher, die sich mit anderen Begründungen schwer tun.

      Ihnen muss vorgehalten werden, dass es sich hier nicht um ein Januar-Phänomen handelt, auch wenn die Bewegungen von saisonalen Einflüssen, darunter vor allem der Wiederanlage von Coupons, bisher gefördert wurde. Vielmehr handelt es sich in allen Fällen um solide etablierte, sehr geordnet verlaufene Aufwärtsbewegungen, die sich im Januar bisher nur fortgesetzt haben.

      Das Entscheidende an den sinkenden Kapitalmarktzinsen ist, dass sie von den jeweiligen Märkten ausgehen. Die Notenbanken haben hier, eine konventionelle Geldpolitik vorausgesetzt, keine nennenswerten Einwirkungsmöglichkeiten.

      Von Bedeutung ist ferner, dass die Märkte für Staatsanleihen als erwiesenermaßen sehr zuverlässige konjunkturelle und monetäre Frühindikatoren gelten. Sie haben sich zwar mitunter stark geirrt, doch lagen die Gründe dafür meist in nicht vorhersehbaren Überraschungen oder in Täuschungsmanövern von Notenbanken.

      Was sagen uns nun die immerhin auf breiter Front sinkenden Kapitalmarktzinsen? Ganz einfach: Es steht sehr schlecht um eine dauerhafte Erholung der Weltwirtschaft. Und noch etwas: Alles Gerede über nachhaltig steigende Inflationsraten ist wirklich nur Gerede.

      Gefährlich wird es jetzt für Anleihen von Emittenten, deren Bonität nicht „erste Sahne“ ist. Vor allem institutionelle Anleger haben sich in ihrem unersättlichen Hunger nach möglich hohen (nominalen) Zinserträgen bis zur Halskrause in hochriskanten Anleihen engagiert. Die Renditedifferenzen dieser Risikopapiere zu erstklassigen Staatsanleihen sind über die Monate hinweg stark geschrumpft. Sie bieten schon seit langem nicht mehr die Risikoprämie, die es rechtfertigen könnte, sie zu halten.

      Wenn den Institutionellen dies klar wird, werden sie alle auf einmal auszusteigen versuchen. Doch sie werden erleben, dass das, was sie über längere Zeit hinweg mühelos kaufen konnten, nicht mehr ohne weiteres und vor allem nicht ohne erhebliche Kursverluste wieder verkauft werden kann. Denn die Märkte für Ramsch-Anleihen funktionieren nicht mehr, wenn es ans große Verkaufen geht.

      Wir müssen uns also auf einiges gefasst machen, das über Aktien, Gold und die Rohstoffe hinweg Breitenwirkung entfaltet. Die Risikoscheu dürfte sprunghaft zunehmen.

      All diese Überlegungen wären gewiss Schall und Rauch, wenn die Kurse der transatlantischen Staatsanleihen jetzt wieder einbrechen würden. Doch dafür gibt es wenigstens aus technischer Hinsicht nicht die geringsten Anzeichen. Im Gegenteil.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      www.taurosweb.de
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      schrieb am 14.01.04 18:44:54
      Beitrag Nr. 1.244 ()
      Neue Pillenpreise:
      Mit gefährlichen Nebenwirkungen!

      | Di 13.01.04|21:55






      Seit dem 1. Januar 2004 wurden verschreibungspflichtige, preiswerte Medikamente teurer. Auf den Medikamentenpreis werden jetzt immer 8 Euro 10 aufgeschlagen. 6 Euro 10 gehen direkt in die Kasse des Apothekers. 2 Euro bekommt die Krankenkasse. Der Patient gibt auch recht ordentlich: 5 Euro Zuzahlung werden mindestens fällig – pro Medikament.

      Altes Abrechnungssystem

      Bisher waren die Apotheken am Umsatz beteiligt. Je teurer das Medikament, desto höher der Profit, bei Arznei für Krebserkrankung oder zur Behandlung der Immunschwäche Aids, konnte die Apotheke bis zu 100 Euro für sich behalten – pro Packung. Günstige Präparate brachten dagegen nur wenige Cent in die Kassen des Apothekers.

      Neues Abrechnungssystem

      Seit dem 1. Januar 2004 bekommen die Apotheker grundsätzlich 6 Euro zehn pro verschriebene Packung. Das geschieht unabhängig vom Preis des Präparats. Damit werden teure Präparate deutlich günstiger, billige Arznei dagegen exorbitant teuer.

      Die gewünschte Wirkung

      Krankenkassen und Bundesregierung haben sich auf dieses System eingelassen, weil sie hoffen, dass die Versicherten kostenbewusster nach Medizin beim Arzt fragen werden oder gleich zu rezeptfreien Medikamenten greifen. Die Apotheker haben kein Interesse mehr, nur teure Präparate zu empfehlen, um ihren Gewinn zu vergrößern. Die Ärzte sollen den Patienten mehr zu rezeptfreien Medikamenten raten, um ihr Budget nicht zu belasten.

      Die erwartete Wirkung

      Ärzte werden Vermittlungsschwierigkeiten damit bekommen, den Patienten zu erklären, warum bei einem verschreibungspflichtigen Medikament im Wert von 3 Euro eine Zuzahlung von 5 Euro fällig wird. Deshalb werden die Ärzte in Zukunft mehr teurere Originalpräparate, statt der günstigeren Generika verschreiben. Der Versicherte und die Apotheken haben kein Interesse die Kosten zu senken. Die Zuzahlung und die Apothekengebühr sind festgeschrieben.

      Die Nebenwirkung

      Der mittelpreisige Medikamentenmarkt wird jetzt für die Pharmahersteller attraktiv. So attraktiv, dass die Firma Ratiopharm Empfehlungen an Ärzte verschickt, ab dem 1.Januar 2004 neue verschreibungspflichtige Medikamente, statt bewährten rezeptfreien Arzneien zu verwenden. In einem Anschreiben, das PlusMinus vorliegt, empfiehlt Ratiopharm den Ärzten, statt des günstigen rezeptfreien Paracetamol, das ungleich teurere Novaminsulfon-ratiopharm zu verschreiben.

      Gefährliches Spiel

      Pharmakologen raten grundsätzlich davon ab, in der Therapie den einen Wirkstoff durch einen anderen zu ersetzen. Im Falle von Ratiopharm ist die Empfehlung auf das Schmerzmittel Novaminsulfon umzusteigen, mehr als fahrlässig. Novaminsulfon ist ein Schmerzmittel, das dann angewendet wird, wenn alle anderen versagen. Novaminsulfon stimuliert das Immunsystem der Patienten. Bei längerer Einnahme können Autoimmunerkrankungen nicht ausgeschlossen werden, die Palette der Risiken und Nebenwirkungen reicht von allergischem Ausschlag bis Organversagen. In vielen Ländern (USA, Neuseeland Australien, England, Irland, Schweden) ist Novaminsulfon deshalb verboten.

      Von Uwe Leiterer

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 13. Januar 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040113_1.html
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      schrieb am 14.01.04 19:01:32
      Beitrag Nr. 1.245 ()
      Gebührenfalle Handy:
      Anrufer heimlich geschröpft

      | Di 13.01.04|21:55





      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040113_3.html



      Bei Anrufversuch Gebühren zahlen. Unglaublich aber wahr: neuerdings ist der versuchte Anruf bei einem Anschluss im D2-Netz kostenpflichtig. Die Telefonfirma Vodafone hat für ihre Kunden einen kostenlosen SMS-Dienst eingeführt, für den die Anrufer blechen müssen.

      Der neue Dienst funktioniert so: Hat ein Vodafone-Kunde sein Handy ausgeschaltet oder befindet er sich gerade in einem Funkloch, wird er per SMS über alle eingehenden Anrufe von Vodafone informiert, sobald das Handy wieder im Netz ist. Die SMS besteht aus der Telefonnummer des Anrufers, dem Datum und der Uhrzeit.

      Abkassieren per SMS

      Für die Vodafone-Kunden ist dieser Info-Service kostenlos. Was Vodafone weder seinen Kunden, noch den Anrufern ausdrücklich sagt: Der Anrufer bezahlt diesen Dienst. Wer ein Vodafone-Handy anruft, das gerade nicht im Netz ist, hört folgende Ansage: „Der Vodafone-Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar, wird aber per SMS über Ihren Anruf informiert. Vielen Dank für Ihren Anruf.“ Für diese Botschaft zahlt der Anrufer eine Gebühreneinheit. In der Regel für eine Minute, obwohl die Ansage nur sieben Sekunden lang ist. Die Gebühr richtet sich nach dem jeweiligen Tarif des Anrufers. Wer zum Beispiel von seinem D1-Telefon tagsüber einen D2-Teilnehmer anruft, zahlt im Telly-Tarif satte 79 Cent – für einen erfolglosen Anrufversuch!

      Das Argument der abgeschalteten Mailbox

      Dieser Info-Service wurde von Vodafone automatisch bei allen Vodafone-Kunden eingerichtet, die ihre Mailbox deaktiviert haben. Vodafone betrachtet diesen Dienst als Service für den Kunden. Ein Service allerdings, den sich Vodafone von den Anrufern bezahlen lässt. Der Mobilfunk-Betreiber argumentiert damit, dass Anrufer ja auch dann zahlen müssten, wenn am anderen Ende der Strippe eine Mailbox oder ein Anrufbeantworter anspringt.

      Dazu Edda Castelló von der Verbraucher-Zentrale Hamburg: „Dieser Service ist aus der Sicht des Anrufers etwas ganz anderes als eine Mailbox oder ein Anrufbeantworter. Wenn ich den erreiche, kann ich etwas eigenes darauf sprechen. Das geht hier nicht. Hier handelt es sich um einen automatischen Datendienst, den Vodafone für seine Kunden eingerichtet hat. Der Anrufer, der das bezahlen muss, kann nicht entscheiden, ob er diesen Dienst überhaupt nutzen will.“

      Muss der Anrufer zahlen?

      Auf der Telefonrechnung erscheinen die Kosten für diesen SMS-Info-Dienst als normale Telefongebühr. Verbraucherschützer meinen, dass die Anrufer die Kosten für diesen Dienst nicht bezahlen müssen. Dazu Edda Castelló von der Verbraucher-Zentrale Hamburg:

      „Wir sind der Auffassung, dass die Verbraucher, die Anrufer diesen untergeschobenen Service nicht bezahlen müssen. Wenn man diese Position auf seiner Telefonrechnung entdeckt, dann kann man die Zahlung dieser bestimmten Entgelte verweigern, meistens sind es ja Minutenentgelte, so dass man es daran erkennen kann.“

      So kann man sich schützen

      Sowohl Vodafone-Kunden wie auch Anrufer bei einem D2-Anschluss können sich und ihre Gesprächspartner vor dieser neuen Kostenfalle schützen.

      Vodafone-Teilnehmer können diesen Dienst kostenlos ausschalten lassen, indem sie im D2-Netz die Telefonnummer 121314 anwählen und dort die Abschaltung veranlassen.

      Wer als Anrufer auf Nummer Sicher gehen möchte, dem bleibt nur die Möglichkeit, seine Rufnummer zu unterdrücken. Das bedeutet: Die eigene Rufnummer darf bei einem Anruf nicht mit gesendet werden. Wie man die eigene Rufnummer unterdrückt, steht in der Bedienungsanleitung des eigenen Mobiltelefons.

      Von Nicolas Peerenboom

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 13. Januar 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 19:05:45
      Beitrag Nr. 1.246 ()
      Verlust duch Kombidarlehen:
      Gerichtsurteil hilft Häuslebauern

      | Di 13.01.04|21:55






      Viele Eigenheimerwerber haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Immobilie mit einer Kombination aus Darlehen und parallel abgeschlossener Lebensversicherung finanziert. Dabei zahlt der Darlehensnehmer während der Kreditlaufzeit nur die Zinsen. Gleichzeitig spart er eine Lebensversicherung an, mit der das Baudarlehen am Ende der Laufzeit auf einen Schlag getilgt wird. Diese Finanzierungskonstruktion hatte vor allem steuerliche Vorteile und ging in der Regel auch auf.

      Doch von den dramatischen Einbrüchen an den Aktienmärkten sind eben auch die Kapitallebensversicherungen betroffen. Fast alle Lebensversicherer haben ihre Überschussbeteiligungen nämlich drastisch gekürzt. Grund: Auch die Lebensversicherer haben sich in den vergangenen Jahren an den Aktienmärkten kräftig verspekuliert.

      Das Problem

      Die Folgen spüren jetzt auch all jene, die ihr Eigenheim mit einer Kombipackung aus Darlehen und Lebensversicherung finanziert haben. Einer davon ist Hans-Jochen Kops aus Hamburg. Der hatte sein Mehrfamilienhaus unter anderem mit einem Darlehen über eine Million Mark, rund 511.000 Euro finanziert. Bei der Mannheimer Versicherung hatte er eine Lebensversicherung mit einer versprochenen Ablaufleistung von ebenfalls 511.000 Euro abgeschlossen. Inzwischen teilte ihm die Nachfolgegesellschaft der Mannheimer, die Protektor, mit, dass er im Jahre 2010 (Ende der Kreditlaufzeit) mit nur 346.000 Euro rechnen dürfe. Das bedeutet für Herrn Kops, er muss in den nächsten sechs Jahren rund 165.000 Euro zusätzlich aufbringen, um das dann fällig werdende Darlehen zurückzahlen zu können.

      Das Urteil

      Bislang gehen Banken und Sparkassen davon aus, dass der Eigenerwerber für die Unterdeckung seiner Baufinanzierung gerade stehen muss. Nach einem Grundsatzurteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az.: 15 U 8/02), bleibt unter Umständen aber nicht der Kunde, sondern die kreditgebende Bank oder Sparkasse auf dem Schaden sitzen.

      Der Fall

      Kunde D. hatte von der Sparkasse Pforzheim ein Baudarlehen über 663.000 Mark bekommen. Im Kreditvertrag hieß es: "Die Tilgung erfolgt durch eine Lebensversicherung bei der X-Versicherung, laut besonderer Anlage, Ablauf 31. 5. 2000." Aus der versprochenen Ablaufleistung von 663.000 DM wurde aber nichts. Kunde D. erhielt trotz regelmäßiger Prämienzahlung nur 573.000 Mark ausbezahlt. Die Differenz von 90.000 Mark oder rund 45.000 Euro forderte die Sparkasse vom Herrn D. zur vollständigen Kredittilgung. Nach Meinung der OLG-Richter zu Unrecht. Der Kunde habe mit Blick auf die verwendete Klausel nicht davon ausgehen müssen, dass er das Risiko einer Unterdeckung tragen müsse.

      Entscheidend ist das Kleingedruckte

      Wer nun das Risiko einer Finanzierungslücke zu tragen hat, muss in jedem einzelnen Fall genau geprüft werden. Darauf weist Rechtsanwalt Michael Spähle hin, der das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe für seinen Mandanten D. gewonnen hat. Es müsse sich aus dem Kreditvertrag zwingend ergeben, dass das Darlehen über die abgeschlossene Lebensversicherung zu tilgen sei. Außerdem seien die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Baufinanzierung zustande gekommen sei. Darüber hinaus müssten andere Tilgungsmöglichkeiten im Kreditvertrag ausgeschlossen sein

      Von Nicolas Peerenboom

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 13. Januar 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040113_2.html
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      schrieb am 14.01.04 19:09:15
      Beitrag Nr. 1.247 ()
      Ein Viertel aller Investitionsmittel für Verkehrsprojekte liegt auf Eis

      Maut-Ausfall: Baufirmen droht der Bankrott


      HB BERLIN. Die Hiobsbotschaften um die Lkw-Maut nehmen kein Ende. Nun bedrohen die Einnahmeausfälle und der damit verbundene Baustopp für Verkehrsprojekte offenbar die Existenz deutscher Baufirmen.

      "Vor allem bei Unternehmen im Wasserbau besteht akute Insolvenzgefahr", sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie Michael Knipper in der Wochenendausgabe der «Berliner Zeitung». Die fehlenden finanziellen Mittel hätten dazu geführt, dass keines der für 2004 geplanten Vorhaben im Verkehrssektor begonnen werden könnte.

      Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers liegt rund ein Viertel aller Investitionsmittel für Verkehrsprojekte auf Eis. "Bei den Planungsbehörden herrscht Stillstand", zitiert das Blatt Knipper. Von den Mittelkürzungen seien rund 70 000 Arbeitsplätze in der Bauindustrie und in den Zulieferbranchen bedroht. Besonders betroffen seien die Wasserbaufirmen, da sie auf Grund ihrer Spezialisierung nicht auf andere Projekte ausweichen könnten, hieß es in dem Bericht weiter.

      Wegen des Ausfalls der Mauteinnahmen kann das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) offenbar im laufenden Jahr seine Personalkosten nicht zahlen. Daher wird es nach Informationen des "Tagesspiegel am Sonntag" dem Verkehrsministerium seine rund hundert Mill. Euro Personal- und Sachkosten in Rechnung stellen müssen.

      Dazu addierten sich Personalaufwendungen sowie zusätzliche Kosten von rund 80 Mill. Euro für die neue Abteilung IV der Kölner BAG, die eigens für die Maut aufgebaut wurde, berichtete das Blatt weiter. Dort arbeiteten inzwischen 830 Mitarbeiter, allein 531 für die geplanten Kontrollen auf den Autobahnen.

      Das BAG hatte in den vergangenen Jahren immer einen Überschuss an den Bund überwiesen. Dieser habe sich im Geschäftsjahr 2002 auf mehr als 370 Millionen Euro belaufen, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Für 2003 werde dieser Betrag etwa 150 Millionen Euro niedriger liegen. Größte Einnahmequellen des Amtes waren die Lkw-Vignette, die rund 450 Millionen Euro einbrachte, sowie Konzessionsabgaben der Autobahnraststätten und Tankstellen von gut 16 Millionen Euro.

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 19:14:22
      Beitrag Nr. 1.248 ()
      Bulle & Bär

      Wo, bitte schön, ist der Markt?

      Von Marcus Pfeil, Handelsblatt

      Anleger wollen nicht lernen: Dieses Mal treiben sie Nanoaktien in schwindelerregende Höhen. Doch wehe, wenn die Zahlen kommen.





      DÜSSELDORF. Liebe Anleger! Keine zwei Wochen ist es her, seit die Aktien der schwedischen Obducat, eines Herstellers für Nanoprägestempel für Biosensoren, an der Berliner Börse gehandelt werden. 40 000 Stück wechselten am ersten Handelstag den Besitzer, heute sind es schon über drei Millionen Aktien – börsentäglich. Der Kurs sprang allein gestern 17 % nach oben. Oder nehmen Sie die Papiere der US-Firma Biophan – über 200 % seit Anfang Januar.

      Wollen Sie nicht noch schnell die Seiten wechseln? Gründen Sie doch gleich selbst ein Unternehmen, nennen es Nano-Irgendwas, melden ein Patent an und bringen Ihre Firma an die Börse. Hauptsache Nano! Es funktioniert: Nanophase Technologies + 50 %, Nanogen + 100 % oder allein vergangenen Montag: Nanopierce + 70 %.

      Oder – wenn es mit dem Patent hakt – gründen Sie eine Beteiligungsgesellschaft und investieren Sie in Nano. Die US-Beteiligungsfirma Tiny hat es vorgemacht: + 50 %. Weiteres Potenzial? Unbegrenzt. Denken Sie an den Pionier der Internetbeteiligungen CMGI, der im Jahr 2000 über 50 Mrd. Dollar kostete. Der Grund für die rasante Performance der Nanoaktien? Es gibt keinen. Außer vielleicht, dass die Zinsen niedrig sind, die Liquidität hoch ist und Sie nicht wissen, wohin mit Ihrem Geld.

      Die Nanofirmen selbst sehen das freilich anders, sprechen von Märkten in Milliardenhöhe. Auf 700 Mrd. Dollar schätzt die National Science Foundation, eine Vereinigung aus 150 Nanounternehmen, ihren eigenen Markt im Jahr 2008, auf 1 Bill. Dollar im Jahr 2015. Die DG-Bank kommt in einer Studie auf einen Markt von „nur“ 220 Mrd. Dollar im gleichen Zeitraum. Und hinter dieser Zahl verbirgt sich auch nur die Umsatzschätzung für alle Branchen, in denen Produkte mit Nanotechnologie verkleinert, verfeinert und damit besser gemacht werden können.

      Über den direkten Markt für die Produkte der Nanotech-Firmen spricht niemand. Zu klein, zu wenig messbar scheint diese Zahl zu sein. Und die Nanofirmen selbst sind so klein wie ihr eigentlicher Markt, so klein wie die Partikel, mit denen sie die Materialwissenschaft – denn nicht mehr und nicht weniger ist Nanotechnologie – revolutionieren wollen. Beispiel Biophan: Das Unternehmen versetzt Herzschrittmacher mit Nanopartikeln, damit Patienten mit dem Gerät in der Brust endlich auch in Magnetfeldern der Mammografie untersucht werden können. Biophan-Chef Michael Weiner verspricht seinen Aktionären daher vollmundig, den Markt für Herzschrittmacher von 10 Mrd. Dollar erobern zu wollen. Dass für sein Unternehmen dabei höchstens 150 Mill. Dollar rausspringen, gibt er nur in der Fachpresse zu Protokoll. Biophan macht bislang kaum Umsätze, wird an der Börse aber heute schon mit 17 Mill. Dollar bewertet.

      Längst setzen die Venture-Capitalfirmen auf Sie, verehrte Anleger, und pumpen Geld in alles mit Nano im Namen – 1,2 Mrd. Dollar allein im vergangenen Jahr. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte wollen sie Firmen wie Nanosys über die Börse an Sie verkaufen, vorausgesetzt, Sie spielen auch dann noch mit.

      Liebe Anleger! Sie sind längst Teil einer neuen Bubble, der Nanobubble. Die Frage ist nur, wer von Ihnen noch investiert ist, wenn die Nanotechs im Februar Farbe bekennen und Ihnen ihre Ergebnisse vorlegen müssen – oder wenn die Fed die Zinsen erhöht.


      HANDELSBLATT, Mittwoch, 14. Januar 2004, 06:58 Uhr

      http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buil…
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 19:16:50
      Beitrag Nr. 1.249 ()
      Devisenhandel: Langfristige Leistungsbilanzdefizite sind möglich

      Wechselkursänderungen dienen der Beseitigung von Zahlungsbilanz-Ungleichgewichten. Allerdings darf man dabei nicht das gesamte System aus den Augen verlieren. So kann beispielsweise ein Land auch langfristig mit einem Leistungsbilanzdefizit leben. Voraussetzung: Es kommt zu Kapitalimporten. Wie bereits erwähnt, wurden jahrelang die Leistungsbilanzdefizite der USA immer wieder als Grund für eine Abwertung des US-Dollars genannt.

      Doch was geschah? Der Dollar wertete sogar noch auf. Der Grund dafür war, dass durch die gleichzeitige hohe Attraktivität der USA für Kapitalanlagen die Kapitalimporte stets die Kapitalexporte überschritten und auf diese Weise die Leistungsbilanzdefizite “bezahlt” werden konnten.

      Dies hat sich in den letzten Jahren durch den Zusammenbruch der Aktienmärkte und auch durch zunehmende Zweifel an der Wachstumsstärke der US-Wirtschaft geändert. Die Folge ist die massive Abwertung des Dollars in den letzten eineinhalb Jahren. Die Lehre, die man daraus ziehen kann, ist folgende: Länger anhaltende Leistungsbilanzdefizite können nur existieren, solange sich Inländer im Ausland verschulden wollen oder solange Ausländer bereit sind, im Inland zu investieren.



      Die Entwicklung des Handelsbilanzsaldos in den USA seit 1987


      Im Chart zeigt sich deutlich die rasante Zunahme der Handelsbilanzdefizite in den USA seit Anfang der 90er Jahre. Nach einem kurzfristigen Rückgang in den Jahren 2001 und 2002 nahmen die Defizite zuletzt wieder zu.


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      [ Mittwoch, 14.01.2004, 14:42
      http://www.instock.de/Nachrichten/10137554.html
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 19:24:36
      Beitrag Nr. 1.250 ()
      Greenspan (über)interpretiert

      von Jochen Steffens

      Ich habe mal die Aussagen von Old Greeny "übersetzt". Diese Interpretation ist natürlich bewusst subjektiv und eindeutig überspitzt, also: bitte nicht ganz ernst nehmen.

      Greenspan sagte, dass es aktuell wenig Hinweise für Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits gäbe. Das aktuelle Niveau sei noch finanzierbar.

      Übersetzt heißt das: Amerika ist zuversichtlich, genug dummes ausländisches Kapital zu finden, dass dieses Leistungsbilanzdefizit bei einem schwächer werdenden Dollar mit Verlusten finanziert.

      Weiter führte Greenspan aus, dass es keine bestimmte "Grenze" beim Leistungsbilanzdefizits gäbe, bei der es zu einer abrupten Anpassung der Währung kommen würde. Erfahrung anderer Länder seit den 80ern hätten gezeigt, dass das Leistungsbilanzdefizit in Prozent des BIP auch durchaus zweistellig werden kann, ohne dass es zu einer Korrektur komme.

      Übersetzt heißt das: Wir können noch lange so weiter machen, erst wenn zweistellige Bereiche erreicht werden, sollten wir vorsichtig werden.

      Dann wurde Greenspan etwas "arrogant". Die USA könne sich insgesamt sogar ein höheres Defizit erlauben, da der Dollar schließlich Weltreservewährung sei, so Greenspan.

      Übersetzt: Die Welt kann es sich nicht erlauben, den Dollar abstürzen zu lassen. Deswegen wird sie alles tun, um das zu verhindern (z.B. Stützungskäufe der japanischen Notenbank) – gut für die Wirtschaft der USA. Dass dabei der Rest der Welt in konjunkturelle Gefahr gerät, scheint der FED offensichtlich egal zu sein.

      Greenspan sagte: Die niedrige Inflationsrate in den USA sei zudem ein Hinweis, der gegen die Theorie des schwachen Dollars spricht.

      Übersetzt: Solange die Deflation innerhalb Amerikas, die Inflationseinflüsse durch hohe Energie und Rohstoffpreise auffängt, braucht die FED die Zinsen nicht anzuheben. Anmerkung: Das ist sozusagen eine verdeckte Inflation. Der immense Preiskampf der durch die Überkapazitäten bei den Produkten verschiedener Firmen die Produkt-Preise faktisch sinken lässt (siehe Automobilbranche) verdeckt die von außen über den schwachen Dollar importierte Inflation der Rohstoff- und Energiepreise.

      Dann hat Greenspan noch die Globalisierung gelobt (Schließlich ging es bei dem Treffen um das Thema Globalisierung, er muss ja der Einladung gerecht werden.) Etwas zynisch finde ich, dass er sie auch in Hinblick auf einen ganz bestimmten Effekt lobte: Durch das moderne Informations- und Kommunikationszeitalter werde der Horizont der Anleger erweitert, so dass Anlagen im Ausland weniger exotisch aber auch weniger gefährlich geworden seien.

      Übersetzt: Das Internet und die modernen Kommunikationsmedien ermöglichen vielen der "dummen" Anlegern ihr Geld in Amerika anzulegen, die dazu früher nicht in der Lage waren. Das ist ein weiterer Grund warum Old Greeny zuversichtlich ist, dass sich Amerika diese Niedrigzinspolitik und die enorme Verschuldung leisten kann. Das Internet und die vielen Broker, über die man in auch in den USA realtime handeln kann, machen es möglich. Eine interessante Sichtweise der Dinge: Die "Erfindung" des Internets ermöglicht den USA eine höhere Verschuldung und eine riskantere monetäre Politik.

      Dann befürwortete er noch eine flexible freie globale Weltwirtschaft.

      Übersetzt: Wenn das Ausland dahinter kommt, dass Amerika sich gerade auf deren Kosten sanieren will, dann wird es eng für Amerika. Einige Länder könnten das so nicht mitmachen. Deswegen ist er wohl auch gegen eine Zinssenkung der EZB.

      Wie gesagt, lesen Sie diesen Text mit einem schmunzelnden aber ernsten Lächeln
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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Heute wurde das Außenhandelsdefizit veröffentlicht. Der Dollarverfall scheint nun endlich Wirkung zu zeigen. Die Handelsbilanz weist ein Defizit in Höhe von 38,0 Mrd. US-Dollar aus. Erwartet wurde ein Defizit in Höhe von 41,0 bis 42,0 Mrd. US-Dollar nach zuvor 41,6 Mrd. US-Dollar (revidiert von 41,8 Mrd.).

      Wären die Arbeitsmarktdaten nicht so schlecht gewesen, würden die amerikanischen Märkte nun sicherlich deutlich fallen. Denn eine Zinssteigerung würde durch dieses bessere Ergebnis wieder in den Focus der Anleger rücken. Schließlich wirkt sich eine Zinssteigerung erst mit sechsmonatiger Verzögerung aus. Doch unter diesen Umständen wird diese Nachricht wohl erst einmal gefeiert werden.

      Gleichzeitig sind zudem die Erzeugerpreise um 0,3 % gestiegen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,1 bis 0,2 % nach zuvor –0,3 %. Die Kernrate ist um 0,1 % zurückgegangen. Erwartet wurde ein Plus von 0,1 % nach bereits zuletzt –0,1 %.

      Ist hier nun ein erstes Anzeichen für eine beginnende Inflation zu finden? Auch das würde zu fallenden Märkten führen, denn eine beginnende Inflation würde zwingend zu einer Zinssteigerung führen. Aber heute wird mehr auf die Zahlen von Intel, Yahoo und Apple, sowie das Beige Book geschaut.

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      Absurditäten und groteske Dinge
      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ich lese gerade die Londoner "Times", und die ist voll von Absurditäten und grotesken Dingen. Wie wunderbar!

      "Killer-Leoparden terrorisieren Bombay", so eine Schlagzeile. Eine weiterer befasst sich mit dem Prozess des Kannibalen aus Hessen.

      Ein anderer Artikel berichtet davon, wie man derzeit in Argentinien Geld verdienen kann: "Leichenräuber wollen für die Überbleibsel Lösegeld", so die Schlagzeile. Statt lebende Person zu entführen, graben die Kriminellen jetzt die Knochen von Leichen aus und fordern von den Angehörigen Lösegeld. In dem Fall, um den es geht, hatten die Leichenschänder die falschen Knochen.

      Und auf Seite 11, neben einem Photo des Sumo-Ringers im Ruhestand Konishiki und seiner Braut ist ein Photo des ehemaligen US-Finanzministers Paul O`Neill. Mein Kollege Addison Wiggin ist ja gestern bereits auf O`Neill und seine neuesten Enthüllungen eingegangen. Nun, als O`Neill noch im Amt war, habe ich mich über ihn lustig gemacht, aber jetzt mag ich ihn, weil er ausgebootet worden ist. Der Mann traut sich, zu denken, und das laut auszusprechen, was er denkt.

      Weshalb er diesmal in der Zeitung steht: Präsident Bush ist für ihn "wie ein blinder Mann in einem Raum voll tauber Leute", und von Beginn seiner Amtszeit an soll er den Sturz von Saddam Hussein angestrebt haben. Die Massenvernichtungswaffen und die angeblichen Terrorverbindungen sind laut O`Neill nur Vorwände zur Rechtfertigung des Krieges gewesen.

      Natürlich sind seine Bemerkungen beleidigend und tollkühn. Die Blinden sollten eine Entschuldigung verlangen; das einzige Problem ist, dass sie den Artikel nicht lesen konnten. Und so weit ich weiß, ist bis jetzt noch keine Nation wegen eines Blinden zu Schaden gekommen; während viele Nationen durch Leute mit Visionen in beiden Augen ruiniert worden sind.

      Ich erinnere mich daran, dass es Paul O`Neill war, der wissen wollte, wie tief im Schuldenloch die USA sind. Deshalb ließ er das von einer Gruppe von Volkswirten berechnen. Deren Ergebnis kam auf eine so erschreckend hohe Summe –44 Billionen Dollar Gegenwartswert aller Zahlungsverpflichtungen –, dass der Bericht weitgehend ignoriert wurde.

      In den Nachrichten war auch ein Bericht über den US-Arbeitsmarkt. Sie wissen ja mittlerweile, dass in den USA im Dezember trotz Weihnachtssaison nur 1.000 neue Leute eingestellt worden sind. Mehr dazu im letzten Artikel des heutigen Investor`s Daily! Jetzt aber erstmal zu meinem Kollegen Eric Fry nach New York:
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      Parallelen Nikkei – S&P 500

      von unserem Korrespondenten Eric Fry in Manhattan

      Derzeit bevorzugen die Kleinanleger ganz klar die sexy Aktien der Nasdaq gegenüber den Schwergewichten des Dow Jones. Die beeindruckende Performance des Nasdaq ist nicht das einzige Zeichen dafür, dass der zunehmende Optimismus der Kleinanleger zunehmend tollkühn wird.

      Mein Freund Jay Shartsis, Options-Profi, bemerkt, dass das Verhältnis von Puts zu Calls auf 0,2 gesunken ist. "Beim Boden letzten März lag dieses Verhältnis bei 1,20, was ein ziemlich hohes Niveau der Angst widerspiegelte. Seitdem ist das Verhältnis kontinuierlich gefallen. Ich war überrascht, als es unter 0,40 fiel, aber 0,2 ist einfach unglaublich. Das ist ein Niveau, das wir seit der Manie von 1999 nicht mehr gesehen haben. Ich dachte, dass es ziemlich lange brauchen würde, bis wir wieder so ein Niveau von Optimismus erreicht hätten! Das ist ein wichtiger Indikator, und derzeit ist der leuchtend rot. Könnte das Verhältnis noch auf 0,10 fallen? Ja, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist zu klein, als dass man darauf setzen sollte."

      Und das ist nicht alles: Die Stimmung der Investoren ist "absolut bemerkenswert", so Shartsis weiter. "Ein Research-Fax, das ich von Chris Cadbury erhalten habe, sollte alle Bullen aufwachen lassen. Am Mittwoch zeigte eine Umfrage, dass der Anteil der Bullen bei 81 % lag ... das letzte Mal lag der Anteil der Bullen vor 7 Jahren bei einem Wert über 80 %."

      Das Fazit von Shartsis: "Es klingt nicht nach einer guten Idee, Aktien in einem Markt zu haben, der so bullish ist, dass man es im Chart überhaupt nicht wiedergeben kann. Das Momentum ist extrem überkauft, es ist sehr weit vom 50-Tages-Durchschnitt entfernt, und so weiter. Und ich habe aufgehört, die Tage zu zählen, an denen die Korrektur ausgeblieben ist."

      Wenn der Aktienmarkt Tag für Tag steigt, und die Investoren Monat für Monat Geld verdienen, dann kann sich – bis auf einen standfesten Bären – fast keiner mehr vorstellen, dass die guten Zeiten irgendwann einmal enden werden. Also, auch wenn man an der Wall Street derzeit gutes Geld verdienen kann (übrigens nur in Dollar gemessen – Investoren aus Euroland verlieren durch den Währungseffekt die Kursgewinne der Aktien wieder), schaue ich vorsichtig in die Zukunft.

      Hier ist etwas zum Nachdenken: Der US-Aktienmarkt bildet ein Muster aus, das an das Muster des Nikkei nach dem Platzen der japanischen Spekulationsblase erinnert.

      "Der Nikkei erreichte Ende 1989 bei 39.000 Punkten sein Topp", so sagte ich letztens bei meinem CNN-Auftritt, "31 Monate später erreichte er bei 14.194 Zählern seinen Boden, und während der nächsten 13 Monate stieg er dann um 50 % auf 21.281 Punkte. Danach fiel er wieder, auf 16.216."

      "Bis jetzt sieht es beim US-Aktienmarkt erschreckend ähnlich aus: Der S&P 500 erreichte im März 2000 bei 1.552 Punkten ein Topp. 31 Monate später erreichte er einen Boden, bei 768 Zählern. In den folgenden 14 Monaten stieg er um 47 %, auf sein derzeitiges Niveau. Wenn die Vorgaben des Nikkei auch hier eintreffen, dann wird die Rally des S&P 500 jetzt enden, und zwischen jetzt und April wird er 24 % verlieren."

      Das ist noch nicht alles, liebe(r) Leser(in); der Nikkei ist nicht nur einmal um 50 % gestiegen, sondern drei Mal. 1995/96 stieg er von 14.000 auf 22.000 Punkte, genau wie schon im Jahr 1992. Und von Ende 1998 bis 2000 stieg er um 50 %, von 13.000 auf 21.000 Zähler ... und im letzten April erreichte er bei 7.600 Punkten ein Tief.

      Wenn der Dow Jones identisch wie der Nikkei verlaufen würde, dann würde er bis zum Frühling auf 8.000 Punkte fallen ... und im April 2014 würde er bei 2.400 stehen.


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      Schulden und Rock`n Roll

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Michael Hodges hat einige interessante Fakten zusammengetragen:

      "Amerika ist mehr als je zuvor ein Schulden-Junkie geworden. Die gesamten Schulden liegen bei 34 Billionen Dollar oder 119.442 Dollar je Mann, Frau und Kind. 61 % – oder 21 Billionen Dollar – dieser Schulden wurden seit 1990 angehäuft. In einer Periode, die von Schulden und nicht von produktiver Aktivität angetrieben wurde."

      "Die zwei großen Fragen: Kann die Produktion von Schulden für immer die Produktion von Gütern ersetzen?

      "Können die Amerikaner sich für immer ihren Weg in den Reichtum durch Schuldenmachen erkaufen?"

      "Eine Antwort: NEIN!"

      "Die Schulden sind im letzten Jahrzehnt in Relation zum nationalen Einkommen schneller als je zuvor gestiegen, und die Schuldenintensität hat sich im letzten Jahr sogar noch schneller erhöht!"

      *** "Sie meinen, Sie gehen wirklich mit Franzosen tanzen?" fragte mich ein Amerikaner, der seit 23 Jahren in Frankreich lebt. "Die Franzosen sind so lustig. Alles, was sie tun, muss rational durchdacht und geplant werden, sogar beim Tanzen. Nehmen wir zum Beispiel die französische Rock-Musik. In den Tanzschulen wird der nach dem Muster des amerikanischen Rock`n Roll getanzt ... aber komplett anders. Es sieht ein bisschen wie das amerikanische Tanzen aus, aber extrem strukturiert. Sehen Sie sich die Gesichter der Leute beim Tanzen an. Sie müssen sich wirklich konzentrieren, um es richtig zu machen. Man kann es praktisch in ihren Köpfen arbeiten sehen, während sie tanzen."

      "Nun, ich habe noch nie zu französischer Rock-Musik getanzt", antwortete ich. "Aber ich war auch beim amerikanischen Rock`n Roll nicht besonders gut."
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      Fakten zum US-Arbeitsmarkt

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ich komme noch einmal auf den US-Arbeitsmarkt zurück. Stephen Roach von Morgan Stanley schreibt dazu: "Im Gegensatz zur herrschenden Meinung verbessert sich die Lage am US-Arbeitsmarkt nicht deutlich. In den letzten 5 Monaten des Jahres 2003 wurden insgesamt nur 278.000 neue Jobs geschaffen (ohne Landwirtschaft) – so einen Zuwachs sieht man am US-Arbeitsmarkt während einer wirklichen Wirtschaftserholung normalerweise in einem einzigen Monat. Und fast alle neuen Jobs sind in drei Industriezweigen angefallen – Teilzeitarbeit, Bildung und Gesundheit –, wo in den letzten 5 Monaten 2003 insgesamt 286.000 Stellen geschaffen wurden."

      "Eine breite Einstellungswelle der US-Unternehmen ist nicht vorhanden. Es mag zwar mehr Teilzeitarbeitsplätze geben und neue Arbeitsplätze in Sektoren mit hohen Kosten, wo es keinen internationalen Wettbewerb gibt (Gesundheit und Bildung), aber in den Bereichen Produktion, Einzelhandel, Finanz- und Informationsdienstleistungen werden weiter Stellen abgebaut."

      "Während dieser Phase der `Erholung` sollte es eigentlich 2,4 Millionen Arbeitsplätze mehr geben – selbst wenn man diese Phase mit der schlechtesten Erholung vor 10 Jahren vergleicht."


      "Im Dezember entließen die Fabriken 26.000 Arbeiter ... das war der 41. Rückgang in Folge! Und die Zahl der durchschnittlichen Arbeitsstunden pro Woche ist von 33,9 auf 33,7 gesunken ... und die durchschnittliche Entlohnung pro Woche ist selbst auf Dollarbasis gefallen."

      Stephen Roach hat Recht. Und es kommt noch schlimmer: Die "Partizipationsrate" ist gefallen. Was das ist? Die misst die Zahl der Leute, die aktiv nach Arbeit suchen. Wenn die Zeiten hart sind, dann geben viele Leute die Arbeitssuche einfach auf; und dann verschwinden sie einfach aus der Statistik. Volkswirte schätzen, dass die US-Arbeitslosenquote nahe bei 10 % liegen würde, wenn man diese Leute zu den Arbeitslosen hinzurechnen würde.

      Die Fed kann das Schuldenmachen und das Geldausgeben stimulieren – aber sie kann nicht die Einstellung von neuen Arbeitskräften stimulieren. Niedrige Zinsen und einfache Kredite mögen die Amerikaner zum Kaufen bewegen ... aber ein großer Teil der Ausgaben geht nach Übersee, und dort werden die neuen Arbeitsplätze geschaffen.

      Das ist eine tollkühne, schwächliche "No-Job Recovery", so CNN. Und das Fazit von Stephen Roach: "Der Tag der Abrechnung könnte eher bald als spät eintreten. ( ...) Und dieses Schlüsselrisiko scheint in der Überheblichkeit der Fed, die sich gerade auf der Ehrenrunde befindet, völlig vergessen zu sein."

      http://www.investor-verlag.de/
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      schrieb am 14.01.04 19:28:20
      Beitrag Nr. 1.251 ()
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 19:46:58
      Beitrag Nr. 1.252 ()
      Siegeszug ohne Gewinner?

      Thorsten Stegemann 12.01.2004
      Eine Studie des Worldwatch-Instituts behauptet: Der westliche Lebensstil macht reich und dick, aber nicht glücklich


      Der Fall des Eisernen Vorhangs hat nicht nur weite Teile des real existierenden Sozialismus beseitigt, sondern auch den Glauben an eine Alternative zu den offenbar überlegenen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen nachhaltig erschüttert. Gleichwohl darf bezweifelt werden, dass der Kapitalismus westlicher Prägung, der sich die Welt - ohne ernstzunehmende Gegenwehr - seit bald 15 Jahren untertan macht, berufen oder geeignet ist, die globalen Probleme dauerhaft zu lösen.






      Der neueste State of the World"-Bericht des renommierten Worldwatch-Instituts legt jedenfalls den Verdacht nahe, dass der grenzenlose Konsum selbst in den Ländern, die jahrzehntelang auf ihren historischen Siegeszug hingearbeitet haben, allenfalls äußerlich zu einer Steigerung der Lebensqualität führt.

      Nach Angaben des Instituts zählen aktuell 1,7 Milliarden Menschen zur sogenannten "consumer class", in der deutlich mehr Güter gekauft werden als zur Befriedigung der Grundbedürfnisse notwendig wären. In den Vereinigten Staaten gehören 84% der Gesamtbevölkerung zu dieser Gruppe, in Deutschland sind es sogar 92% und in Japan 95%. Aber auch China steuert mittlerweile 240 Millionen Käufer zur "consumer class" bei und stellt zusammen mit Indien zahlenmäßig mehr Konsumenten als ganz Westeuropa. Allerdings unterscheidet sich die finanzielle Leistungsfähigkeit erheblich, denn die 12% der Weltbevölkerung, die in Amerika und Westeuropa leben, sind für 60% des Verbrauchs verantwortlich, während ein Drittel ebendieser Weltbevölkerung in Südasien und großen Teilen Afrikas nur 3,2% konsumiert und 1,2 Milliarden Menschen ohnehin in völliger Armut leben müssen.

      Worldwatch hat errechnet, dass jährlich 75 Milliarden Dollar für Luxusgüter wie Make Up, Parfüms, kulinarische Vorlieben, Kreuzfahrten oder Eiscreme ausgegeben werden, während für die Gesundheitsvorsorge von Frauen, die Beseitigung von Hunger und Unterernährung, sauberes Trinkwasser, die Impfung von Kindern und den Kampf gegen den Analphabetismus "nur" 47,3 Milliarden nötig wären.





      Über diese Zahlen kann man trefflich streiten, aber noch beunruhigender als die globale Schieflage ist ohnehin der rasante Anstieg des Gesamtumsatzes für immer größere, bessere und schönere Autos, Häuser oder Kühlschränke. Seit 1960 haben sich die Ausgaben für Verbrauchsgüter auf über 20 Billionen Dollar vervierfacht, der Verbrauch von Kohle, Öl und Gas ist seit 1950 um das Fünffache gestiegen, und immer mehr Wälder, Feuchtgebiete und andere naturbelassene Regionen müssen Straßen, Einkaufszentren oder neuen Häusern weichen.

      Die USA sorgen als Vorreiter dieser Entwicklung für einige besonders obskure Zahlen. Denn davon abgesehen, dass US-Bürger alljährlich fast 100 Milliarden Plastiktüten wegwerfen, haben sich amerikanische Kühlschränke und Häuser in den letzten rund 30 Jahren um 10% bzw. 38% vergrößert. Außerdem übersteigt die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge die der Führerscheininhaber. Die Frage, wie 4,5% der Weltbevölkerung für ein Viertel aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sein können, ist also relativ schnell zu beantworten.

      Doch obwohl die Amerikaner Konsumweltmeister sind und geschätzte 65% ein mehr oder weniger sichtbares Übergewicht mit sich herumtragen, hat die Zufriedenheit offenbar nicht zugenommen. Nur ein Drittel der US-Bürger gab an "very happy" zu sein, so viele wie 1957, als der Wohlstand nur halb so groß war. Die Amerikaner gehören zu den Menschen, die am meisten unter Zeitdruck stehen, weil sie für ihren Konsum auch am meisten arbeiten: angeblich 350 Stunden oder 9 Arbeitswochen mehr als der Durchschnittseuropäer.

      Das ungebremste Konsumverhalten geht nach Ansicht des Worldwatch-Instituts weit über das hinaus, was der Planet ertragen kann. Dessen Präsident, Christopher Flavin, warnt deshalb vor dem "beispiellosen Verbraucherappetit, der die natürlichen Lebensgrundlagen unterhöhlt, von denen wir alle abhängen und es für die Armen noch schwieriger macht, auch nur ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen." Brian Halweil, der zusammen mit Lisa Mastny als Projektdirektor des "State of the World"-Berichtes tätig war, will westliche Wirtschaftsprinzipien trotzdem nicht vorschnell und grundsätzlich verurteilen:




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      Die fast drei Milliarden Menschen, die weltweit mit weniger als 2 Dollar am Tag auskommen, müssen ihr Konsumverhalten steigern, um ihre Grundbedürfnisse - Nahrung, sauberes Wasser, hygienische Bedingungen - befriedigen zu können. Und in China stimuliert der Versuch, den Nachfragen der Verbraucher zu entsprechen, nicht nur die Wirtschaft, er schafft auch Jobs und zieht ausländische Investoren an.





      Das Worldwatch-Institut plädiert deshalb für grundlegende ökologische Steuerreformen, welche die Hersteller zwingen sollen, für die durch ihre Produkte entstandenen Umweltschäden und für deren sachgerechte Entsorgung aufzukommen. Außerdem müssten Produktionsmethoden entwickelt werden, die sehr viel schonender mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Nach Ansicht von Christopher Flavin können positivere Zukunftsaussichten erst dann gestellt werden, wenn es der Menschheit gelingt "den Konsum zu kontrollieren, anstatt dem Konsum zu erlauben, uns zu kontrollieren."
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16507/1.html
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 20:17:21
      Beitrag Nr. 1.253 ()
      Armut in Deutschland nimmt zu
      Folgen der Agenda 2010


      mh. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) und der Kinderschutzbund warnen vor einer drastischen Verschärfung des Armutsproblems in Deutschland infolge der Agenda 2010, dem «massivsten sozialpolitischen Kahlschlag seit Bestehen der Bundesrepublik», so Barbara Stolterfoht, Vorsitzende des DPWV. «Mit dieser einzigartigen Kürzung von Sozialleistungen bis unter die Armutsgrenze für Millionen von Menschen werden keine sozialen Probleme wirklich gelöst. Sie werden nur noch grösser.» Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe steige die Zahl der Menschen, die Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe beziehen, sprunghaft von derzeit 2,8 Millionen auf 4,5 Millionen - ein Anstieg von 60%. Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder wächst von heute 1 Million auf 1,5 Millionen. Jedes zehnte Kind in Deutschland sei somit von Armut betroffen, denn «Sozialhilfe schützt längst nicht mehr vor Armut». Der DPWV toleriere diese Politik nicht: «Wir können keine Politik mittragen, die spaltet statt integriert und Armut in unserem Land erzeugt, statt sie zu bekämpfen.»

      Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnt, dass sich die Lebenssituation von einer weiteren halben Million Kindern drastisch verschlechtere - mit weitreichenden Folgen: Arme Kinder seien häufiger krank, schlechter ernährt und lebten oft in vernachlässigten Stadtvierteln. Nicht erst die Pisa-Studie hätte gezeigt, dass im Bildungsbereich arme Kinder zudem besonders benachteiligt seien.

      Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes

      ***

      Die Politiker werden nicht müde, uns zu erklären, es sei eben nicht mehr genug Geld da, alle müssten sparen. Das wird verkündet wie ein Naturgesetz. Nicht nur in Deutschland, in allen europäischen Ländern wird das so behauptet. Und überall werden die Sozialleistungen gekürzt, der Service public privatisiert und verschlechtert, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit, für Renten und Pensionen gekürzt. Aber wo ist denn das Geld geblieben? Und wieso wird gerade bei den Ärmsten gespart?

      «Den Arbeitslosen nehmen wir`s, den Spitzenverdienern geben wir`s», kritisiert der Hauptgeschäftsführer des DPWV, Ulrich Schneider.



      Artikel 7: Zeit-Fragen Nr.1 vom 12.1.2004, letzte Änderung am 13.1.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 20:25:51
      Beitrag Nr. 1.254 ()
      Die Empire-Ökonomie
      von Walden Bello
      New Labor Forum / ZNet 04.01.2004

      ZNet > Globalisierung / Nord-Süd Konflikt > WTO 1995 wurde die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet. Die fast 20 Handelsabkommen, die der WTO zugrundliegen, wurden als multilateraler Satz Regeln präsentiert; sowohl Mächtige als auch Schwache würden diesem gemeinsamen Regeln-Set unterworfen sein, und im Hintergrund stünde ein effektiver WTO-Apparat zur Durchsetzung. In der WTO besitze jeder exakt die gleiche Stimmenzahl, so wurde behauptet, sowohl die mächtigen USA als auch das kleine Ruanda: eine Stimme.

      Krise des Globalisierungsprojekts

      Mittlerweile ist die Euphorie dieser frühen Jahre verschwunden. Die Gespräche des fünften Ministertreffens der WTO in Cancun sind gescheitert, und die Organisation ist blockiert. Ein großes Hindernis für einen Verhandlungs-Neustart ist die Weigerung der USA und der Europäischen Union (EU), ihre massiven Agrarsubventionen zu kürzen sowie deren Beharren - gegen den verbreiteten Widerstand der ‘Entwicklungsländer’ - Themen, die nichts mit Handel zu tun haben, wie Investitionen oder Auftragsvergabe durch Regierungen, in die WTO zu integrieren. Gleichzeitig sind sich Washington und Brüssel nach wie vor uneins hinsichtlich einer Reihe von Themen - siehe das EU-Moratorium bezüglich genetisch veränderter Nahrungsmittel. Was die ‘Entwicklungsländer’ betrifft, hatten sich einige Länder zunächst Hoffnungen gemacht, die WTO würde den globalen Handel tatsächlich gleichberechtigter gestalten. Inzwischen sind sich alle einig, die Mitgliedschaft in der WTO verursacht ihnen hauptsächlich Kosten und bringt keinen Nutzen. Was war los? Mit einem Wort: (das) Empire. Wie sich nämlich herausstellte, sind Globalisierung und US-Unilateralismus unvereinbar. Hier zunächst einige Anmerkungen zur Globalisierung bzw. zum Globalisierungsprojekt:

      Drei Kennzeichen der Globalisierungskrise

      Drei Ereignisse waren kennzeichnend für die sich verschärfende Krise des Globalisierungsprojekts. Erstens, die Asien-Finanzkrise 1997. Dieses Ereignis legte die stolzen “Tiger” Ostasiens lahm und machte deutlich: eine der wichtigsten Globalisierungslehren - Liberalisierung der Kapitalkonten, um den freien Kapitalfluss zu fördern, vor allem aber den des Finanz- und Spekulationskapitals - ist eine Sache, die sich massiv destabilisierend auswirken kann. Die Tatsache, dass damals innerhalb weniger Wochen eine Million Thailänder und 21 Millionen Indonesier unter die Armutsgrenze gepusht wurden, verdeutlicht dies (i). Jenes ehrgeizige Projekt, circa 100 sich entwickelnde Ökonomien einem “Strukturanpassungsprogramm” zu unterwerfen, hatte zur Folge, dass es zu Wirtschaftsstagnation kam, zu verstärkter Armut und Ungleichheit. Schon bald nach der Asien-Finanzkrise gingen dem neoklassischen Modell des ‘Freien Markts’ einige seiner wichtigsten intellektuellen Verfechter von der Fahne. Einer davon Jeffrey Sachs, Anfang der 90ger bekannt als Advokat der “Freien-Markt”-Schocktherapie für Osteuropa. Ein anderer Joseph Stiglitz, ex Weltbank-Chefökonom, oder Jagdish Bhagwati, Professor an der Columbia, der (jetzt) nach globaler Kontrolle des Kapitalflusses rief oder Finanzier George Soros, der (jetzt) verurteilend von einem Mangel an Kontrolle des globalen Finanzsystems sprach - ein Mangel, der ihn reich gemacht hatte.

      Das zweite Ereignis, das die Krise des Globalisierungsprojekts kennzeichnet, war der Kollaps des dritten WTO-Ministertreffens in Seattle, Dezember 1999. 3 Protestströmungen waren hier fatal zusammengeflossen:

      A) Die Entwicklunsländer waren unzufrieden mit den Ungerechtigkeiten der Abkommen der sogenannten ‘Uruguay-Runde’; 1995 hatten sie sich genötigt gefühlt, diese Abkommen 1995 zu unterzeichnen.

      B) Proteste aus Myriaden Bereichen der globalen Zivilgesellschaft

      C) Nichtgelöste Handelskonflikte zwischen USA und EU, vor allem im Bereich Landwirtschaft.

      Das dritte Krisen-Ereignis war der Börsencrash bzw. das Ende des Clinton-Booms. Dieser Crash hing mit Überkapazitäten im industriellen Bereich zusammen. Bestes Beispiel: der krisengeschüttelte Telekommunikationsbereich. Lediglich 2,5% der in diesem Sektor weltweit geschaffenen Kapazitäten wurden letztendlich genutzt. Die Stagnation der Realwirtschaft führte zu Kapitalverschiebungen zugunsten des Finanzsektors. Resultat: ein schwindelerregendes Hoch an der Börse. Tatsache ist jedoch, dass Profite im Finanzsektor nicht zu weit von denen in der realen Wirtschaft abweichen können. Ein Crash der Börsenwerte war somit vorprogrammiert. Er erfolgte im März 2001. Folge: Dauerstagnation und Deflation.

      Die ‘Neue Ökonomie’ des George W. Bush

      Das Projekt ‘Konzernglobalisierung’ war Ausdruck der gemeinsamen Interessen der Eliten des weltweiten Kapitalismus. Einen nationalen Wettbewerb der Eliten schloss dies andererseits jedoch nicht aus. Robert Brenner zeigt, wie die Regierung Clinton Mitte der 90ger Jahre eine Politik des starken Dollars betrieb, um die Erholung der japanischen und deutschen Wirtschaft zu stimulieren - die Ökonomien dieser beiden Länder sollten als Markt für US-Güter und Dienstleistungen dienen. Die eher nationale Reagan-Administration hatte zuvor eine Politik des schwachen Dollars betrieben; sie wollte die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft wiederherstellen - zu Lasten der deutschen und japanischen Wirtschaft (ii). Mit der Regierung George Bush sind wir wieder an dem Punkt, wo mit schwachem Dollar und anderen Wirtschaftsmaßnahmen eine Politik betrieben wird, die die US-Wirtschaft auf Kosten der beiden andern zentralen (Volks-)Wirtschaften wiederbeleben will. Mehrere Kennzeichen dieses Ansatzes gilt es hervorzuheben:

      A) Bushs Wirtschaftspolitik ist massiv gekennzeichnet von der Angst vor einem Globalisierungsprozess, der nicht von den USA gemanagt wird.

      B) Die Regierung Bush hat Angst vor einer multilateralen Wirtschaftsgouvernanz auf globaler Ebene. Die wachsende Ambivalenz der Regierung Bush gegenüber der WTO rührt nicht zuletzt daher, dass die USA bei mehreren Entscheidungen der WTO den Kürzeren zogen.

      C) Für die Bush-Leute ist strategische Macht die ultimative Form der Macht. Wirtschaftsmacht ist für sie ein Mittel, diese strategische Macht zu erlangen. Der globalistische Ansatz im Hinblick auf China beispielsweise legt den Schwerpunkt auf Anbindung an ein Land, das als Markt für US-Kapital, als Investitionsregion, dienen kann. Demgegenüber sehen die (US-)Nationalisten China bevorzugt als strategischen Feind, den es zu kontrollieren gilt.

      Geht man davon aus, dass dies die Handlungsprämissen sind, dann machen folgende herausragende Elemente der US-Wirtschaftspolitik Sinn:

      A) Kontrolle über das Öl des Mittleren Ostens. Dies richtet sich einerseits ganz klar gegen Europa. Aber als strategisches Ziel könnte dahinterstecken, man will Kontrolle über die Ressourcen der Region im Hinblick auf das energie-arme China.

      B) Aggressiver Protektionismus bei Handel und Investitionen. Eine der unverschämtesten protektionistischen Maßnahmen der USA: WTO-Verhandlungen über vitale Fragen der öffentlichen Gesundheit zu verhindern. Im Auftrag der mächtigen Pharma-Lobby widersetzt sich Amerika hartnäckig der Lockerung von Patentrechten auf Medikamente - nur bei 3 Krankheiten gibt es Ausnahmen.

      C) Strategische Überlegungen werden in Handelsabkommen verankert. In einer kürzlichen Rede konstatiert der US-Handelsrepräsentant Robert Zoellick explizit: “Länder, die ein Freihandelsabkommen mit den USA anstreben, müssen den Test bestehen und zwar nicht nur hinsichtlich Handels- und Wirtschaftskriterien, um sich zu qualifizieren. Diese Länder müssen mit den USA zumindest hinsichtlich deren Außenpolitik kooperieren sowie hinsichtlich deren nationaler Sicherheitsziele, dies zählt zu den 13 Kriterien, die die USA der Auswahl potenzieller FTAA-Partner zugrundelegen werden”.

      D) (Die USA) manipulieren den Wert des Dollar, um rivalisierenden Industriewirtschaften Kosten zu verursachen. Auf diese Weise erhält die US-Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit zurück. Dies zeigt deutlich, die Wirtschaft der USA wird auf Kosten der EU und anderer zentraler Ökonomien wiederbelebt.

      E) Man manipuliert multilaterale Organisationen, um die Interessen des amerikanischen Kapitals zu pushen. Im Hinblick auf Weltbank und IWF gelingt dies den USA etwas besser als im Hinblick auf die WTO, da die Dominanz der USA bei Weltbank und IWF effektiver institutionalisiert ist. Beispiel SDRM (Unabhängiger Schulden-Umstrukturalisierungsmechanismus). Der SDRM war einVorschlag des IWF, gedacht, ‘Entwicklungsländer’ bei der Umstrukturalisierung ihrer Schulden zu unterstützen. Das US-Finanzministerium legte Veto gegen SDRM ein - im Interesse der US- Banken - und das, obgleich viele europäische Regierungen hinter dem Vorschlag standen (iii).

      Wirtschaft und Politik der Überdehnung

      Ohne Legitimierungsgrundlage ist das Management eines Imperiums naturgemäß eine instabile Sache. Das römische Imperium beispielsweise löste sein Legitimierungsproblem politisch - indem es die Staatsbürgerschaft auf das gesamte Imperium ausdehnte - begrenzt auf die herrschenden Gruppen bzw. nichtversklavte Populationen. Kombiniert mit der Vision, das Imperium sei Garant für Frieden und Wohlstand für alle, wurde so ein schwer fassbares aber desto notwendigeres moralisches Element geschaffen, ‘Legitimation’ genannt. In der Imperialordnung der USA spielte die Ausweitung der Staatsbürgerschaft noch nie eine Rolle. In der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg, als sein Kampf dem Kommunismus galt, schuf Washington eine politische Formel zur Legitimierung seiner Globalansprüche. Die beiden Komponenten dieser Formel: Multilateralismus - als System globaler Gouvernanz - und liberale Demokratie. Heute hat die liberale Demokratie Marke Washington oder Westminster überall in der sich entwickelnden Welt Probleme, da reduziert auf den Stellenwert einer Fassade für die Herrschaft von Oligarchien. Aber ohne eine moralische Vision, die die Mehrheit in der Welt ans globale Zentrum bindet, führt diese Form des Imperial-Managements notwendigerweise nur zu einem - Widerstand. Das größte Problem von Unilateralismus ist Überdehnung, ist das Missverhältnis zwischen den Zielen Amerikas und den Ressourcen, die es besitzt, diese Ziele zu erreichen. Überdehnung ist ein relativer Begriff - zu einem großen Teil abhängig vom Widerstand. Einige Schlüsselindikatoren für diese Überdehnung:

      A) Im Nahen/Mittleren Osten, in Süd- und Südostasien kochen die Gefühle der Araber/Muslime hoch. Folge: der islamische Fundamentalismus gewinnt massiv an ideologischem Boden.

      B) Der Kollaps des Atlantischen Pakts, aus der Zeit des Kalten Kriegs. Es entsteht ein neues Gegengewicht, ein Pakt, in dessen Zentrum Deutschland und Frankreich stehen.

      C) Herausformung einer mächtigen globalen Zivilgesellschafts-Bewegung gegen die US-Hegemonie.

      D) In Südamerika kommen anti-neoliberale und anti US-Bewegungen an die Macht.

      E) Der Militarismus wirkt sich zunehmend negativ auf die US-Wirtschaft aus. Die Militärausgaben werden zunehmend abhängig von Deficitspending, und diese Ausgaben auf Pump wiederum zunehmend abhängig von ausländischen Finanzquellen.

      Schlussfolgerung: Das Globalisierungsprojekt steckt in der Krise...

      ...wenngleich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es durch einen demokratischen oder etwas liberaleren republikanischen Präsidenten sein Comeback erleben wird. Schließlich gibt es einflussreiche Stimmen von Globalisten in der amerikanischen ‘business community’ - u.a. George Soros - die sich gegen die unilateralen Vorstöße der Bush-Administration wenden (iv). Aber sehr wahrscheinlich ist es nicht. Der Unilateralismus wird wohl noch eine Zeitlang regieren. Es ist ratsam, gesunden Respekt vor der Macht der USA zu haben, andererseits sollten wir diese Macht aber nicht überschätzen. Es gibt Anzeichen, dass sich die USA schon massiv überdehnt haben. Was wie eine Manifestation der Stärke aussieht, könnte in Wirklichkeit also Symptom strategischer Schwäche sein.

      Walden Bello ist Professor für ‘sociology and public administration’ an der ‘University of the Philippines’ und Geschäftsführer von ‘Focus on the Global South’ (Bangkok). Er ist aktiv in der Friedens- und Antikonzern- Globalisierungsbewegung und Autor von etwa 13 Büchern, u.a. ‘Deglobalization’ (2002 bei Zed, London) und ‘The Future in the Balance’ (2001 bei Food First, Oakland)

      (i) Jacques-Chai Chomthongdi, ‘The IMF’s Asian Legacy’ aus dem Sammelband ‘Prague 2000: Why We Need to Decommission the IMF and the World Bank’ (Focus on the Global South, Bangkok, 2000), S.18, 22

      (ii) Siehe Robert Brenner: ‘The Boom and the Bubble’ (erschienen bei Verso, New York, 2002), S.128-133 (deutscher Titel:‘Boom & Bubble’)

      (iii) Zu den zunehmenden Konflikten zwischen US-Finanzministerium u. IWF- Offiziellen siehe Nicola Bullard: ‘The Puppet Master Shows his Hand’, ‘Focus on Trade’, April 2002 http://focusweb.org/popups/articleswindow.php?id=41

      (iv) Siehe George Soros: ‘America’s Role in the World’, Rede an der Paul H. Nitze ‘School of Advanced International Studies’, Washington DC am 7. März 2003. Soros sagt hier, er sei für eine Intervention auf dem Balkan gewesen - auch für eine “Nato-Intervention ohne Autorisierung der UN”. Den Krieg gegen den Irak allerdings lehnt er ab, da er von ungesundem Fundamentalismus rühre, einem Fundamentalismus, der die Beziehungen der USA zur restlichen Welt ruiniere. Soros Argumente sind nicht nur in liberalen Washingtoner Zirkeln der Demokratischen Partei zu finden sondern auch in den “pragmatischen” Zirkeln der Republikanischen Partei und an der Wall Street.

      Der vorliegende Artikel wurde veröffentlicht in der Herbst-Ausgabe 2003 von ‘New Labor Forum’ http://www.qc.edu/newlaborforum
      http://www.zmag.de/artikel.php?id=971
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 20:33:22
      Beitrag Nr. 1.255 ()
      Kommentar
      kf

      Privatisierer
      Fixe Ideen von Wirtschaftsminister Clement und Co.



      Wolfgang Clement hat keine Visionen, aber manchmal Ideen. Daß diese – falls sie in die Tat umgesetzt werden – dem Normalbürger nichts Gutes bringen, hat sich im Zuge des laufenden Sozialkahlschlages gezeigt. Jetzt reitet der ehemalige Boulevardjournalist (Hamburger Morgenpost), wie viele andere SPD-Führer, ein neues Steckenpferd, und auch er denkt laut über Eliteunis nach. Das an sich ist schon Grund für große Befürchtungen. Schlimmeres aber dürfte zu erwarten sein, wenn Clement und seine Kompagnons ihre fixe Idee versuchen, irgendwie in die Tat umzusetzen. Denn Elitebildung kostet Geld, und mit Studiengebühren allein wird da nichts zu machen sein. Also überlegt der wackere Minister schon mal, wie der gemeine Mensch sein zusätzliche Scherflein zur Elitezucht beitragen könnte. In der Berliner Zeitung brachte er nun die Privatisierung der Autobahnen ins Spiel. Autobahngebühren wären an sich etwas für den Umweltschutz. Aber der treibt Herrn Clement wohl weniger um. Eher schon die miesen Popularitätswerte seiner Partei im Wahljahr 2004. Für ein paar Prozentpunkte mehr in den Umfragen darf das staatliche Tafelsilber einfach nicht tabu sein. Viel ist sowieso nicht mehr da, was verkauft werden könnte. Aber wie wäre es mit einer Luftsteuer, Herr Clement? Oder mit Lizenzen an zahlungskräftige Konzerne, die Luft zu vermarkten wie seinerzeit bei UMTS? Es darf doch wohl nicht sein, daß einfach jeder hier so kostenlos vor sich hin atmet, als wäre die Luft in Deutschland ein herrenloses Gut ...
      http://www.jungewelt.de/2004/01-15/003.php
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 20:43:30
      Beitrag Nr. 1.256 ()
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      Vom Fallen der Profitraten zur Weltwirtschaftskrise und die Ursache der strukturellen Arbeitslosigkeit (1. Teil – Der Debitismus des Kapitalismus)
      Thomas am Tuesday, 13. January 2004, 21:59


      Erster von drei Teilen
      Erster Teil: Der Debitismus des Kapitalismus
      Zweiter Teil: Die strukturelle Arbeitslosigkeit des Kapitalismus
      Dritter Teil: Warum es nicht ausreicht die Geldmenge auszudehnen, um die kommende Weltwirtschaftskrise zu verhindern

      Die Wirtschaftswelt kann in zwei Hauptmärkte aufgeteilt werden. Die Realgüterwirtschaft und die Umverteilungsmärkte (Finanz- und spekulative Märkte). In der Realgüterwirtschaft bedeutet eine Tauschmitteltransaktion, dass ein Gut gekauft und entweder dem Konsum oder der Weiterverarbeitung zugeführt wird. Damit ist es nicht mehr verfügbar und muss eventuell neu produziert werden. Die Güter die an den Umverteilungsmärkten gehandelt werden sind dagegen entweder unvergänglich oder Derivate auf unvergängliche Güter. Bei einer Tauschmitteltransaktion an den Umverteilungsmärkten wird somit kein Gut dem Konsum zugeführt, sondern wechselt nur den Besitzer. Eine Tauschmitteltransaktion in der Realgüterwirtschaft bedeutet damit Nachfrage nach Arbeit, während eine Transaktion an den Umverteilungsmärkten keine direkte Auswirkung auf den Arbeitsmarkt hat, sondern nur die Besitzverhältnisse ändert.

      Zu den Umverteilungsmärkten gehören auch Kreditmarkt, Wagniskapitalmarkt und alle anderen Märkte auf denen Tauschmittelmittel für Unternehmen der Realgüterwirtschaft bereitgestellt werden. Bei jeder Anlage von Tauschmittel in der Realgüterwirtschaft entsteht ein Geldvermögen/Schulden-Paar. Da im Kapitalismus das Tauschmittel nur zur Verfügung gestellt wird, wenn der Investor damit rechnet mehr Tauschmittel zurückzuerhalten als er bereitstellt, das heißt sein eingesetztes Tauschmittel verzinst wird, gibt es zusätzlich zu den bereitgestellten und wieder zurückgezahlten Geldern, einen Zinsstrom an Tauschmittel von der Realgüterwirtschaft zu den Umverteilungsmärkten. Diese Zinszahlungen können wieder an Unternehmen der Realgüterwirtschaft verliehen werden, wodurch es zum Phänomen des Zinseszinses kommt. Hierbei wachsen die Guthaben (und damit auch die Schulden der anderen) exponentiell, wodurch sie ihre Größe in konstanten Zeiträumen verdoppeln. Dies kann nur verhindert werden, indem entweder alle Zinszahlungen verkonsumiert werden, oder das Verzinsungsniveau gegen Null fällt. Ersteres wird verhindert, weil es mehrere Personen gibt deren Zinseinnahmen derart hoch sind, dass diese unmöglich vollständig von ihnen verkonsumiert werden können und daher wieder angelegt werden und der zweite Fall wird verhindert, weil bei zu niedrigen Zinserwartungen keiner sein Tauschmittel mehr verleiht.

      Die Zinszahlungen müssen erwirtschaftet werden. Dazu werden die Produkte über den Herstellungskosten verkauft. Dieser Aufschlag wird dann an den Investor abgeführt. Dies bedeutet die Zinsströme aus der Realgüterwirtschaft zu den Umverteilungsmärkten werden aus dem Bruttosozialprodukt finanziert und können dieses nur übertreffen, falls mithilfe eines Kettenbriefsystems Zinsen über neue Schulden bezahlt werden. Durch die reinvestierten Zinsströme wachsen die Geldvermögen/Schulden-Paare und damit auch die Zinsströme exponentiell. Um nun ein Kettenbriefsystem zu verhindern müsste das Bruttosozialprodukt mindestens mit der effektiven Verzinsung der Zinsströme wachsen. Tut es dies langfristig nicht kommt es unvermeidlich zur Bildung eines Kettenbriefsystems. Man spricht auch von einem Überhandnehmen an faulen Krediten.

      Allerdings würde ein exponentiell wachsendes Sozialprodukt bedeuten, dass in festen Zeitbeständen wertmäßig jeweils das Doppelte der Vorperiode verkonsumiert würde. Dagegen spricht nicht nur die Erfahrung, selbst gesunde Volkswirtschaften wachsen danach mit steigendem alter immer langsamer, sondern auch, dass die Bedürfnisse der Menschen endlich sind. Spätestens, wenn alle materiellen Bedürfnisse aller Menschen gestillt sind, stagniert das Sozialprodukt. Der Kapitalismus führt somit unweigerlich zur Überschuldung. Sie beginnt, sobald das Verzinsungsniveau nicht mehr weiter fallen kann, beziehungsweise sobald es zum Marktversagen auf den Kreditmärkten kommt.



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      Kommentare
      Von Norbert am Wednesday, 14. January 2004, 12:50

      Vielleicht sollte man dazusagen, daß Debitismus von debit=Schulden kommt. Debitismus des Kapitalismus heißt demnach, daß unser vielgeliebtes Wirtschaftssystem keine Wahl hat: Es führt zwangsläufig zur Überschuldung. Und wohin erwzungene Überschuldung führt, darf sich jeder selbst ausdenken...
      Wenn irgendjemand von euch VWLer oder andere Wirtschaftsstudenten kennt, die sollten mit diesem Text konfrontiert werden...

      http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=74
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      Avatar
      schrieb am 14.01.04 20:57:07
      Beitrag Nr. 1.257 ()
      Zuwachsraten im Vergleich, Deutschland 1950 bis 2000


      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…

      Nr. 22



      Besonders deutlich werden die unterschiedlichen Entwicklungen in der Gesamtwirtschaft, wenn man - wie in dieser Grafik - die jährlichen Zuwachsraten der Nettolöhne, des Sozialprodukts und der Geldvermögen in der Nachkriegszeit miteinander vergleicht. Während die Entwicklung dieser Zuwachsgrößen beim Sozialprodukt einen fast linearen Trend ausweisen, steigen die der Geldvermögen exponentiell an und die der Nettolöhne seit den 80er Jahren ab.


      In Relationen ausgedrückt lagen die Größen in den 50er Jahren noch bei 1 : 3: 4, in den 90er Jahren aber bereits bei 1 : 9 : 50 . Der Zuwachs der Nettolöhne war in diesem letzten Jahrzehnt bereits so gering, dass er noch nicht einmal gereicht hat, um über die ausgegebenen Löhne die halben Zinsansprüche des hinzugekommenen Geldkapitals zu befriedigen.


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      Zitat zum Tag

      Die täglichen grenzüberschreitenden Geldbewegungen sind heute 25 mal
      größer als die grenzüberschreitenden Güterbewegungen. Geld wird nicht
      mehr nur als Transaktionsmittel benutzt zum Zwecke der Finanzierung,
      sondern Geld wird gehandelt wie eine eigene Ware.


      Alfred Herrhausen
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      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…
      Avatar
      schrieb am 14.01.04 21:01:34
      Beitrag Nr. 1.258 ()
      Preisverfall bei vielen Produkten ist gestoppt

      Verbraucher müssen für Konsum länger arbeiten


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      veröffentlicht: 14.01.04 -09:58 Uhr


      Für einen neuen Golf müssen die Deutschen länger arbeiten als noch vor drei Jahren. Foto: AP
      Hamburg (rpo). Eine neue Studie hat zu Tage gefördert, dass die Verbraucher in Deutschland für ihren Konsum länger arbeiten müssen als noch vor drei Jahren. Damit sei auch der jahrelange Preisverfall bei vielen Produkten gestoppt, heißt es in der Studie

      http://www.bbv-net.de/public/article/nachrichten/wirtschaft/…
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 18:15:15
      Beitrag Nr. 1.259 ()
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 20:30:54
      Beitrag Nr. 1.260 ()
      Zweifel am Niveau der Förderreserven der Ölmultis wachsen

      Korrektur von Royal Dutch/Shell löst Unruhe am Rohstoffmarkt aus / Überprüfung von Angaben durch Dritte verlangt


      VON DIETER CLAASSEN



      Vom nahen Ende der Welterdölreserven will auch jetzt noch niemand reden. Der technische Fortschritt bei der Auffindung und Ausbeutung der Lagerstätten haben dahin gehende Versorgungsängste immer wieder als grundlos entlarvt. Dennoch sieht sich die US-Investmentbank Merrill Lynch jetzt veranlasst, die Reservestände der großen Ölmultis gründlich zu überprüfen. Schließlich hatte die britisch-niederländische Royal Dutch/Shell Ende vergangener Woche völlig überraschend ihre bestätigten Öl- und Gasreserven um 20 Prozent gekürzt.

      Dabei handelte es sich um Bestände, die unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen und Marktverhältnissen (rentabel) gefördert werden können. Die gestrichenen etwa 3,9 Milliarden Fass Öläquivalent musste Shell notgedrungen wieder den "möglichen Reserven" zurechnen.

      Bereits für das dritte Jahr in Folge sieht sich der Konzern außer Stande, die laufende Förderung durch entsprechende Ergänzungen der Reserven wettzumachen.

      Das Beispiel Shell bedeutet laut Steven Pfeifer von Merrill Llynch zwar nicht, dass sämtliche Ölkonzerne ihre Reserven ähnlich stark "überbucht" hätten und diese jetzt nach unten korrigieren müssten. Der Schnitt werfe jedoch ein Schlaglicht auf die nur schleppende Erschließung neuer Öl- und Gasreserven weltweit in der Branche. Pfeifer: "Der Markt beginnt zu erkennen, dass die Entdeckung und Erschließung neuer Lagerstätten insbesondere außerhalb der Opec teurer und schwieriger ist, als bisher angenommen wurde." Die Anleger in Ölaktien, so Pfeifer, sollten daher von ihrer Vorstellung Abschied nehmen, dass sich der Ölpreis schon bald wieder um 20 bis 22 Dollar je Fass (159 Liter) einpendeln werde - und bei Entscheidungen über die Zukunft ihres Investments von einem anhaltend hohen Preis für das schwarze Gold ausgehen. Gegensätzliche Erwartungen seien einer der wesentlichen Gründe dafür gewesen, dass die Ölaktien dem hohen Ölpreis kurz vor und nach dem Irakkrieg von inzwischen gar 32 Dollar je Fass Nordseeöl nicht gefolgt seien.

      Über die Reichweite der gegenwärtigen Ölreserven herrschen selbst unter Fachleuten höchst widersprüchliche Ansichten. Das US-Energieministerium sieht die Welt-Ölförderung erst nach 2030 auf einem Plateau ankommen. Doch laut Colin Campbell, einem britischen Geologen, könnte dieser Punkt schon vor 2010 erreicht sein. Immerhin soll die Nachfrage von gegenwärtig etwa 76 Million Fass auf mehr als 110 Million Fass täglich bis 2020 ansteigen.

      Eine der wenigen "Ölprovinzen" in der Welt, wo die Förderung bereits sinke, ist der britische Küstenschelf. Die Gewinnung in der Nordsee hatte schon 1999 ihren Höhepunkt erreicht. Damals wurden noch etwa 2,9 Millionen Fass täglich gepumpt, heute sind es nur noch knapp zwei Millionen Fass - eine Menge, die in vier Jahren auf etwa 1,6 Millionen schrumpfen soll. Vorigen September importierte Großbritannien erstmals mehr Öl als es exportierte. Seine bestätigten Reserven sind etwa zur Hälfte aufgebraucht.

      Statt in der Nordsee nach weiteren Vorkommen zu suchen, setzen die großen Ölkonzerne verstärkt auf die Erschließung neuer Lagerstätten im Golf von Mexiko, in Afrika und in der ehemaligen Sowjetunion.

      Merrill-Lynch-Banker Pfeifer fällt auf, dass die Zunahme der bestätigten Reserven der großen Ölkonzerne schon seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr mit dem steigenden Verbrauch Schritt hält. Bei dem gegenwärtigen Fördertempo reichten die Bestände gerade noch für eine Versorgungsdauer von zwölf bis dreizehn Jahren - die von Shell jetzt freilich nur noch für zehn.

      Die aufgebrachten Aktionäre von Shell verlangen jetzt den Rücktritt von Philip Watts, des Chef des Konzerns. Fondsmanager, wie Ruben Mikkers von der niederländischen Robeco Gruppe, fürchten einen branchenweiten Korrekturbedarf. "Künftig sollten alle Ölfirmen ihre Reserveangaben von Dritten überprüfen lassen."

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 20:46:52
      Beitrag Nr. 1.261 ()
      Deutschland in der Rezession
      (Instock) Die Befürchtungen haben sich erfüllt: Allem Politikergeschwätz zum Trotz befand sich Deutschland erstmals seit 1993 im vergangenen Jahr wieder in der Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank 2003 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 0,1 Prozent. 2002 war das BIP noch um 0,2 Prozent gestiegen.

      [ Donnerstag, 15.01.2004, 09:48 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10137586.html
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 20:48:36
      Beitrag Nr. 1.262 ()
      Dow Jones 10 000

      Von Claus Vogt
      „Dow Jones überspringt Marke von 10.000 Punkten.“ Diese Nachricht war am 10. Dezember 2003 Aufmacher der ersten Seite im Handelsblatt. Sie muß den verantwortlichen Redakteuren also ausgesprochen wichtig gewesen sein. Wir sehen darin eine willkommene Gelegenheit für einen Rückblick auf das Jahr 1999. Im März dieses bereits weitgehend vergessenen Jahres, auf dem von der US-Notenbank geebneten Weg zu einem ersten Höhepunkt in einer von Spekulationsblase zu Spekulationsblase drängenden Welt expansiver Geldpolitik, erreichte der Dow Jones erstmals in seiner langen Geschichte 10.000 Punkte. Die Stimmung war prächtig, und das Handelsblatt lenkte wahrscheinlich auch damals den Blick seiner Leser auf dieses eigentlich sehr belanglose Erreichen einer runden Zahl. Wir können uns zugegebenermaßen nicht erinnern, ob die Meldung auch damals als Aufmacher vermarktet wurde, aber das euphorische Cheerleading der üblichen Verdächtigen in den USA ist uns noch in lebhafter und eher schlechter Erinnerung.

      In guter Erinnerung blieb uns ein damals in Barron’s erschienener Artikel von Peter Eliades, der seit fast 30 Jahren einen ausschließlich der technischen Analyse verpflichteten Börsenbrief verfaßt. „Nasty Numbers. Will the curse of Dow 100 and 1000 be revisited on 10,000?“ (Garstige Zahlen. Wird sich der Fluch von Dow 100 und Dow 1.000 bei 10.000 wiederholen?). Darin schilderte der Kenner der Finanzmarktgeschichte für die der Magie der runden Zahl Huldigenden den Verlauf des Index zu Zeiten, als er erstmals die Marken 100 beziehungsweise 1.000 Punkte erreichte. In beiden Fällen sollte es viele Jahre dauern, bevor Kurse jenseits der runden Zahl dauerhaft erklommen wurden. Zufall oder doch Magie der runden Zahl? Eliades‘ Beitrag wurde von der euphorischen Bullenherde, die den Sentiment-Indikatoren zufolge damals übrigens deutlich kleiner war als heute, mit reichlich Spott bedacht. Sie hielt die Vorstellung einer mehrjährigen Unterbrechung des Aufwärtstrends oder gar einer ausgeprägten Baisse für lächerlich. Jetzt, fast vier Jahre später, feiert die Herde erneut das Ereignis von 10.000 Punkten im Dow Jones. Hat sie in der von herben Kursverlusten und geplatzten Träumen geprägten Zwischenzeit dazugelernt? Die fundamentale Bewertung der Aktienmärkte beantwortet diese Frage mit einem eindeutigen Nein.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.

      http://www.instock.de/Kommentare/10137509.html
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      schrieb am 15.01.04 21:07:28
      Beitrag Nr. 1.263 ()
      Parmalat und das "System Parma"

      Die Sümpfe im Schlaraffenland

      Firma, Banken, Zeitung, Fußballclub, Justiz – die Staatsanwälte enttarnen in der Stadt des Schinkens und der Milch den Untergrund der Wirtschaft.

      Von Christiane Kohl








      Schinken, viele Hunderte von Schinken flimmern über den Bildschirm, der im Foyer des großen Festsaals steht. Drinnen leuchten bunte Fresken von der Decke, auf denen man wohlgenährte Bauern mit goldgelben Getreidebündeln sieht.

      Lorbeergirlanden schmücken die alten Kassettentüren, mächtiger Stuckzierat klebt an den Wänden. Doch Bürgermeister Elvio Ubaldi durchlebt vermutlich gerade einen der schwierigsten Momente seiner Amtszeit. .....



      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/933/24909/
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 21:14:24
      Beitrag Nr. 1.264 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Heißgelaufen

      Chinas Exportboom führt zu verstärktem Aufwertungsdruck auf die Landeswährung


      China will demnächst seine Währung, den Yuan, aufwerten, wie die Investmentbank Goldman Sachs zu Wochenbeginn erfahren haben will. Die Banker gehen in einer Kundenmitteilung davon aus, daß noch in diesem Quartal eine einmalige Aufwertung um 2,5 Prozent stattfände. Der Yuan ist seit 1993 fest an den US-Dollar gebunden und macht derzeit dessen Talfahrt mit. Für die chinesische Exportindustrie – zu über 50 Prozent in der Hand ausländischer Besitzer – ist das ein enormer Wettbewerbsvorteil.

      USA und EU stöhnen allerdings über ein wachsendes Handelsbilanzdefizit gegenüber der Volksrepublik. Besonders Washington macht daher Druck auf Peking, den Yuan aufzuwerten oder gar freizugeben. Zur Jahresmitte wolle China, Goldman Sachs, die Dollarbindung durch einen sogenannten gewichteten Korb von Währungen ersetzen, in dem vor allem auch der Euro und der japanische Yen eine Rolle spielen werden. Ist der Korb eingerichtet, würden weitere moderate Aufwertungsschritte folgen.

      Derweil spricht sich in China selbst langsam herum, daß die Regierung nicht mehr lange um eine Aufwertung herumkommt. Wer kann, besorgt sich US-Dollar, um sie nach der Aufwertung wieder in Yuan zu tauschen. Die im britischen Besitz befindliche Han Seng Bank of China (HSBC) verzeichnet, wie die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtet, in ihrem China-Geschäft eine deutlich verstärkte Nachfrage nach Krediten in US-Dollar. Schon im ersten Halbjahr 2003 habe das Volumen 33 Millionen US-Dollar gegenüber 20 Millionen im Vorjahreszeitraum betragen. Im November und Dezember sei die Nachfrage noch wesentlich stärker gewesen, so daß sich das Kreditvolumen mehr als verdoppelt habe, sagte der HSBC-Verantwortliche für das Privatkundengeschäft in China, Mike Yeung, gegenüber der Hongkonger Zeitung. Seine Kunden würden ganz offensichtlich auf eine Aufwertung des Yuans spekulieren.

      Das funktioniert – wenn es gut geht – so: Herr Zhou, Geschäftsmann aus Taiwan, nimmt einen Kredit von 10 000 US-Dollar auf und erhält dafür nach derzeitigem Kurs 82 800 Yuan. Herr Zhou kann das problemlos machen, denn Taiwan wird zwar in Peking als »abtrünnige Provinz« geführt, dennoch ist Herr Zhou irgendwie Ausländer. Als Bürger der Volksrepublik dürfte er nämlich keinen Dollar-Kredit aufnehmen. Herr Zhou legt also zu den 82 800 Yuan noch ein bißchen hinzu und kauft sich in Schanghai eine Eigentumswohnung, die binnen eines Jahres wegen steigender Nachfrage nach Komfortwohnungen eine Wertsteigerung von vielleicht 15 Prozent (16 560 Yuan) erfährt. Vielleicht auch mehr. Wenn dann noch der Yuan aufgewertet wird, sagen wir um 9,81 Prozent im Laufe eines Jahres, wie man bei Goldman Sachs schätzt, dann muß Herr Zhou für die 10 000 US-Dollar nur noch 75 400 Yuan zahlen, hat also weitere 7 400 Yuan gewonnen. Macht zusammen 23 960 Yuan. Davon lassen sich die 300 US-Dollar Zinsen, die die Hypothek nach Auskunft der HSBC pro Jahr kostet, locker bezahlen. Unterm Strich bleibt Herrn Zhou also ein satter Gewinn, wenn er die Hypothek schon nach einem Jahr zurückzahlt. Die Dollars, die er dafür benötigt, hat er in der Zwischenzeit mit seiner Firma gemacht, die in die USA exportiert. Und wenn es nicht gut geht, teilt Herr Zhou das Los jener Hongkonger Eigenheimbesitzer, denen im Zuge der Asienkrise 1997 die Immobilienpreise zusammenbrachen. In Chinas Sonderverwaltungszone sind heute viele Wohnungen weniger wert als die Hypotheken, die auf ihnen lasten.

      Eine solche Entwicklung ist auch in den Boomstädten der Volksrepublik nicht ganz auszuschließen. Immerhin zeigen dort seit vergangenem Sommer Grundstoffindustrie, Bauwirtschaft und Immobilienmarkt heftige Überhitzungserscheinungen. Die Nachfrage der neuen Mittelklasse nach Wohnungen, Büros und auch Autos und anderen Konsumgütern steigt in Chinas boomenden Küstengionen derartig schnell, daß mancher Beobachter schon befürchtet, die Anbieter würden zu viele Produktionskapazitäten aufbauen. Die Folge wäre ein Absturz in eine Rezession, ein Szenario, wie China es schon einmal Anfang der 90er Jahre erlebt hatte. Seinerzeit war die Wirtschaft allerdings noch deutlich weniger entwickelt, waren die Auswirkungen also noch vergleichsweise milde.

      Die Folgen eines Zusammenbruchs wären weit über die Landesgrenzen hinaus zu spüren. Nicht nur die Nachbarstaaten hätten zu leiden, denen ein potenter Abnehmer ihrer Exporte abhanden käme. Auch die USA hätten ein Problem: Ihr Handelsbilanzdefizit mit der Volksrepublik – schon jetzt liegt es bei rund 100 Milliarden US-Dollar im Jahr – würde weiter steigen, da Chinas Exportwirtschaft von der Krise unberührt bliebe, die Konsumenten aber weniger US-Produkte kaufen würden. Käme Washington aber auf die Idee, mit Schutzzöllen zu reagieren oder von Peking gar eine weitere Aufwertung des Yuan zu erzwingen, so könnte es passieren, daß den Chinesen die Dollar ausgehen, mit denen sie immer neue US-Staatsanleihen aufkaufen. Rund 360 Milliarden US-Dollar hält die Zentralbank derzeit an ausländischen Devisen, der größere Teil davon ist in nordamerikanischen Papieren angelegt. Sollte sich die Regierung in Peking gezwungen sehen, diese abzubauen oder auch nur keine neuen mehr zu erwerben, wer sollte dann die rekordverdächtige Staatsverschuldung zur Finanzierung des US-Militärhaushaltes bezahlen?

      http://www.jungewelt.de/2004/01-16/010.php
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 21:21:47
      Beitrag Nr. 1.265 ()

      Deutschland auf dem Weg in ein nachhaltiges Energie-Dilemma

      Immer wieder hat der BWL-Bote über den inzwischen beschlossenen Emissionshandel und die zu erwartenden Folgen wie Energierationierung und Explosion der Energiepreise berichtet- allerdings aus einem wirtschaftlichen Blickwinkel. Nunmehr erscheint an dieser Stelle auch ein eher naturwissenschaftlich orientierter Beitrag von Dipl.-Ing. Peter Dietze, dem der BWL-Bote für seine Genehmigung der Veröffentlichung an dieser Stelle herzlich dankt.

      Demnächst will der Bundestag nicht nur das als Entwurf vorliegende Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen beschließen und mit ihm den "nationalen Allokationsplan", der im Grunde nichts als ein Energierationierungsvorhaben ist. Das alles ist seit Langem bekannt, und am meisten erstaunt es vielleicht, daß sich dagegen so wenig Widerstand regt: vor aller Augen werden ganze Industriezweige vernichtet, und es scheint niemanden zu kümmern. Stattdessen wird mit dem neuen Herrscher Jürgen Trittin gefeilscht, ob sich nicht vielleicht die Daumenschraube noch eine halbe Umdrehung lockern ließe. Dies beweist die alte These, daß das Bürgertum bei der Konfrontation mit totalitären Mächten zu Beschwichtigung und appeasement statt zur Vertretung der eigenen Interessen neigt.

      Der hier nun zur Verfügung stehende wissenschaftliche Beritrag von Dipl.-Ing. P. Dietze liefert die naturwissenschaftlichen Hintergrundinformationen, zeigt aber auch die Folgen auf, die uns aufgrund der politisch motivierten Klima-Ideologie in den nächsten Jahren blühen. Der Artikel regt auch die Nichtwirtschaftler an darüber nachzudenken, ob es für unser Volk in seiner gegenwärtigen Lage richtig ist, für über 250 Mr. EUR bis 2020 durch eine drastische Reduktion der Energieversorgung den Planeten durch eine Abkühlung um ca. 0,01 °C zu "retten" oder diese riesige Geldsumme eher in die Entwicklung (oder wiederherstellung) der sozialen Infrastruktur und Versorgung der Bevölkerung zu stecken.

      Deutschland auf dem Weg in ein nachhaltiges Energie-Dilemma (von Dipl.-Ing. Peter Dietze)




      http://www.bwl-bote.de/20040115.htm
      Avatar
      schrieb am 15.01.04 23:14:40
      Beitrag Nr. 1.266 ()
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 16:26:03
      Beitrag Nr. 1.267 ()
      Die Erholung des US-Dollar kann Wochen, wenn nicht Monate dauern - Doch damit ist seine Baisse noch lange nicht vorüber - Gold ist und bleibt der beste Währungs-Hedge
      (19.01.2004)

      Was der Euro gegenüber dem amerikanischen Dollar in den zurückliegenden Wochen geboten hat, war schon rekordverdächtig. Bewegungen wie diese sind wir eigentlich nur von Währungen aus dem Kreis der Bananenrepubliken gewöhnt.

      Doch man muss die Dinge zu sehen versuchen, wie sie sich wirklich darzubieten scheinen. Obgleich jeder seine eigenen Wahrnehmungen hat und sich daraus seine Realität bildet, ist doch eines klar: Es kann nicht die "innere" Stärke des Euro sein, die diese Bewegungen ausgelöst und zuletzt auf eine, wohlgemerkt, vorläufige Spitze getrieben hat.

      Dazu laufen die Dinge in den wirtschaftlich führenden Ländern des Euroraums zu schief. Wenn noch Aussicht darauf zu erkennen wäre, dass sie sich in absehbarer Zeit bessern würden, könnten wir uns noch mit der Vision einer langsam heranwachsenden "inneren" Stärke des Euro anfreunden.

      Die Wirklichkeit scheint sich eher so darzubieten, dass der Dollar verprügelt wird. Und das verdient er auch heftig, denn er ist krank, und die Politiker, die etwas für seine Gesundung tun müssten, haben Dinge im Sinn, die seine Leiden nur noch verstärken können.

      Der Euro ist vor diesem Hintergrund unter Aspekten des Volumens nur eine Alternative. Sie ist die schlechteste, aber die einzig gangbare Lösung für jene, die in großem Umfang den wachsenden Dollar-Risiken zu entkommen suchen.

      Uns wundert nun schon sehr, dass jetzt all jene wieder aus ihren Höhlen herauskommen, die den Dollar für unterbewertet halten und ihm eine rosige Zukunft voraussagen. Was hier läuft, ist eine längst überfällige technische Korrektur im Rahmen einer nicht abschätzbaren Baisse. Jeder und sein Bruder, ganz abgesehen von den Schwestern, war zuletzt "short" im Dollar. Das konnte nicht so weitergehen.

      Da reichte schon die Bemerkung der neuen EZB-Präsidenten Trichet von einer brutalen Aufwertung des Euro, um die Fußkranken unter den Baissiers flüchten zu lassen. Die Korrektur kann einige Wochen, ja vielleicht sogar einige Monate dauern. Ihr Ziel ist es, dem Lager der Dollar-Haussiers Zulauf zu verschaffen. Und wenn dann alle leichtgläubigen Brüder und Schwestern wieder auf den Dollar schwören, geht der Vorhang für den nächsten Akt hoch.

      Noch ein paar Worte zum Gold. Wer bestreitet, dass sich Gold zum Dollar seit längerem so verhält wie eine "Hartwährung", hat noch immer nicht ausgeschlafen. Jetzt, da sich der Dollar erholt, kippt der in der amerikanischen Währung ermittelte Goldpreis. Da vor allem der Terminmarkt für das Edelmetall zuletzt stark spekulativ überfrachtet war, kann es sein, dass das Gold nun aus rein technischen Gründen für eine gewisse Zeit massiv nach unten hin überzieht. Um Hausnummern zu nennen: 390 oder sogar 360 Dollar je Feinunze. Dies kann eine ausgezeichnete Gelegenheit bieten, sich für den nächsten Akt des Dollar-Dramas vorzubereiten.

      Gold erscheint uns, physisch und mit den üblichen Vorbehalten auch auf Termin, unter den derzeit überschaubaren Umständen als beste Absicherung gegenüber dem, was dem Dollar noch bevorsteht. Zumindest sollte es Bestandteil eines wohlsortierten Währungsportefeuilles sein. Das haben auch einige Notenbanken erkannt.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      ---------------------------------

      Wussten Sie schon, dass...?
      (20.01.2004)

      "Das Hauptrisiko für die Wirtschaft und für die Finanzmärkte in den USA besteht in einem weiteren, beträchtlichen Fall des Dollar, was dort zu erheblich höheren Zinsen führen würde."


      Merrill Lynch Investment Managers
      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 16:33:50
      Beitrag Nr. 1.268 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de


      Die Beste aller Welten: 18.01.2004

      DIESE WOCHE
      In den USA gibt es wieder einen Aufschwung, und wir überlegen, was daran gut ist, für die Wirtschaft und für die Menschen. Wir fragen nach, was Alan Greenspan für das Beste in der Welt hält, und wie es sich wohl auf jene auswirken mag, denen die Betriebsrenten gekürzt oder sonstige Leistungen gestrichen werden. Über den Nutzen des Marktes nachzudenken, bleibt dann freilich jedem Leser selbst überlassen.


      "Spieglein..., was ist das Beste im ganzen Land?"


      Am 10. Januar sagte US-Präsident Bush in einer Rundfunk Rede, die amerikanische Wirtschaft werde stärker und immer stärker und wegen der tollen Wirtschaftsentwicklung werde die vorgeschlagene Steuersenkung durchgeführt und für die nächsten Jahre in Geltung bleiben. Am gleichen Tag machte die Washington Post China für den Dollarkollaps verantwortlich, weil das Land seine Währung gegenüber dem Dollar nicht aufwerten wolle. "Hersteller in den USA haben entschieden" - schrieb ein Princeton Professor -, "in China gefertigte Büstenhalter seien eine Gefahr für die amerikanische Lebensweise". Aber fragen Amerikaner, die keine Steuern mehr zahlen müssen, sind Steuersenkungen gut?

      Inzwischen werden Zahlen bekannt, die den Arbeitserfolg im letzten Jahr messen wollen. An der New Yorker Börse ist der Aktienwert von 2755 US-Firmen wieder um 27% auf 12,2 Billionen US$ gestiegen. Nasdaq Aktien sind sogar um 50% im Wert gestiegen und nun schon wieder 3 Billionen US$ wert. Diese Stärke der Wirtschaft meinte wohl der Präsident. Ist sie gut? Würde man fragen, wenn die Antwort nicht schon feststünde. Aber ist dadurch irgend etwas für die Firmen oder die Wirtschaft besser geworden? In Venezuela sind die Aktienwerte sogar um 177% gestiegen, in Thailand um 117%, der DAX angeblich um 37%, bei den Schweizer Aktien sind es nur 19% und in Frankreich nur 16% gewesen. Wer ist besser dran?

      Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Club der Zentralbanken der Länder, legte Zahlen vor. Von Anfang 2000 bis zum 30. Juni 2003 haben Derivatkontrakte von 109,5 Billionen auf 207,9 Billionen zugenommen. Die Zahlen werden noch unterteilt in die der OTC Kontrakte oder der verbrieften Währungswetten und anderes. Sie übersteigen sowieso das Vorstellungsvermögen der meisten von uns doch sind sie gut? Sollten sie besser nicht anstiegen? Ja, wenn alle Welt das gut findet...? Haben Sie selbst etwas Gutes daran gemerkt? Vielleicht hat Ihnen ihre Versicherung weniger Überschußanteile gutgeschrieben. Ist das etwa gut? Für die Versicherung schon, sonst hätte sie es nicht getan. Und Sie, was tun Sie Gutes dazu?

      10% der großen Firmen in den USA (und bei uns einige), haben ihre betriebliche Krankenkasse oder Altersversorgung gekündigt. War das nun gut, stärkt es die Wirtschaft, unser aller Schicksal? Oder die andere Meldung in der Washington Times vom 14.1.: Ein Frank Furstenberg und eine Elisabeth Fussel wollen in einer Studie der Universität Pennsylvania herausgefunden haben, daß sich der Übergang ins Erwachsenenalter verzögert. Die Überzwanzigjährigen heiraten inzwischen erst, wenn sie über 30 sind und gründen - wenn überhaupt - erst dann eine Familie. Es wird nämlich zunehmend schwieriger, eine Karriere zu beginnen und eine Familie zu unterhalten. Das ist gut, sagen Umweltschützer, es stoppt die Übervölkerung und läßt uns und der Umwelt mehr. Aufgeklärte wiegen den Kopf: Wenn durch die Pille die Wirkung des Arterhaltungstriebs gebremst wird, könnte das den Selbsterhaltungstrieb stärken; wäre das gut für die Natur?

      Was ist "gut"? Das sollte jeder "Freigeborene" selbst wissen. Weiß er es oder glaubt er dem anerkannten Nachgeplappere? Meistens stehen wir vor einer Wahl, und fragen dann eher, was ist besser? Zum Beispiel: Was ist besser, eine Schuhsohle oder ein Schnitzel? Charly Chaplin, die Verkörperung des "vergessenen Mannes" der (bald wieder aktuellen) zwanziger Jahre, kaute - natürlich nur im Film - genüßlich an einer Schuhsohle. Ein Schnitzel wäre besser gewesen, doch das war nicht erschwinglich. Am besten, was wäre am besten? Für den Hungrigen alle Tage ein Schnitzel oder ein Steak oder etwas Abwechslung, für den Übergewichtigen Fasten. Das alles bleibt auf der Ebene des Vergleichs und ist, von Notlagen und sonstigen Umständen abgesehen, eine Frage des Geschmacks. Das Beste ist aber ein Haufen Geld, um sich nicht gleich entscheiden zu müssen.

      Philosophisch galt das Summum Bonum als Eigenschaft Gottes, der unsichtbar und unergründlich sein soll. Steigen wir von den unerklimmbaren Höhen in die Welt hinab! Die "beste aller Welten" ist die vorhandene, sagte der Philosoph Leibniz und ärgerte damit alle Impotenten, die aufgeklärten Intellektuellen ebenso wie diejenigen, die um ihren Arbeitsplatz bangen (müssen). Die einen lachten ihn aus, die anderen seufzen nur, ja wenn es nur so wäre. Beide könnten sich eine bessere vorstellen, eine die ihnen gelegener käme. Wie soll sie aussehen? Viel Geld, dann bekommt man alles, was gelegen käme: Schnitzel Schuhsohle und, was die Mode so bringt. In der Religion der Moderne, im Dollar- oder Eurotum ist Geld das Summum Bonum - keine Frage. Doch was ist daran gut (bonum)?

      Warum nennt Leibniz die bestehende die besten aller möglichen Welten? Wer sich umsieht, muß denken, Leibniz sei einfallslos oder fundamentalistisch fromm. Daß sich Leibniz keine bessere Welt vorstellen konnte als die Welt, in der er unmittelbar am Ende des Dreißigjährigen Kriegs lebte, nimmt dem "Universalgenie" niemand ab. Erging er sich in frommer Spekulation: Der allmächtige Gott kann nur für die beste aller möglichen Schöpfungen verantwortlich sein, sonst wäre er nicht, was er ist. Andere Menschen für dumm zu halten, ist das beste und bewährteste Mittel, sich selbst das Denken abzugewöhnen.

      Was meint Leibniz: Wäre eine bessere Welt denkbar/wünschenswert, würde man sie machen. Sagte er "man"? Das nicht, aber das Wort ist alles, was man sich unter dem, was er sagt, vorstellen kann. Wer ist man, wer soll machen? Alle blickten sich um. Nur eines ist sicher, aufgeklärte Intellektuelle und Leute, die vor allem anderen um ihren Arbeitsplatz bangen, gehören nicht dazu, sonst hätten sie Leibniz nicht mit Voltaire ausgelacht. Gottgläubige schicken den unergründlichen Gott vor, das nimmt ihnen Arbeit und Verantwortung und ist genau das, was alle Welt, vor allem die moderne, den Frommen abspricht, nämlich "höchst praktisch" fürs Nichtstun!

      Die Augen richten sich auch auf diejenigen, die über Leibniz gelacht haben. Wollen sie "anerkannte" Intellektuelle und nicht nur gekaufte Angestellte sein, müssen sie etwas mehr sagen. Das haben sie, und wie gute Krämer, die aus dem Bauchladen ihres Ideenschacher leben, etwas gesagt, das sich nach allen Seiten verkaufen läßt, den Frommen wie den aufgeklärten Antifrommen. Die Beste aller Welten ist nach ihnen auch nur die vorhandene (warum zuvor das Gelächter?), weil es eine andere gar nicht gibt; nur, die vorhandene ist denkbar schlecht. Das wäre allerdings nicht der Fall, wenn man sie (die Welt) machen ließe. Wer hindert sie? Wer diese Frage einem aufgeklärten Intellektuellen stellt, ist selbst Schuld. Denn er bekommt den ganzen Inhalt des intellektuellen Bauchlandes an den Kopf geknallt. Schuld sind, die Priester, die Frommen, die Moralisten, die Erfinder, die Techniker, die Sozis, die Nazis, die ... weil ... Kurz alle, die aus Dummheit oder Bosheit oder beidem der Natur in den Arm fallen, die verbessern wollen, statt die Natur einfach machen zu lassen (Fast so praktisch wie bei den Frommen, nur durch den Selbsterhaltungstrieb verkompliziert, intellektueller eben).

      Ist das Vorhandene mit seinen Naturtrieben wirklich gut? Fragen wir anders, ist es besser als das, was die Priester, Erfinder und so weiter anstreben? Ist es hier nicht auch so wie mit Schuhsohle und Schnitzel?

      Alan Greenspan, der Papst des Dollartums und wohl mächtigste Mann der Welt, hielt sich am 13.1. im Historischen Museum Berlin auf, nicht um sich alte Stücke anzusehen, sondern um den 300 richtigsten Deutschen zu sagen, wo es lang geht. Natürlich ging es um die Zukunft der Weltfinanzen und die Auswirkungen der US-Defizite. Ohne Globalisierung, so der Guru, wäre es der Welt nicht möglich, die riesigen Defizite der USA zu schultern (will sie es denn?). (Nicht)Gut, aber wie geht`s weiter, drängten die auserwählten Zuhörer. "Wenn wir ein völlig flexibles System hinbekommen, dann können wir die Probleme lösen, die darin bestehen, daß die Defizite in einem Land wie den USA unvermeidlich wachsen und sich deshalb Forderungen an Länder wie die USA aufhäufen." Aber es gibt natürlich eine Gefahr, "die Gefahr eines schleichenden Protektionismus, die mich seit einiger Zeit beunruhigt". Nicht nur Graf Otto von Lambsdorf nickte, für ihn ist keine Frage, was sich andere noch gefragt haben mochten: Was ist gefährlich am Protektionismus? Die Antwort vom Guru (wörtlich): "Sie verweist auf einen ganz grundsätzlichen Krieg der Ideen ["clash of ideas", klingt das nicht wie "Kampf der Kulturen", den wir inzwischen schon in Palästina, Afghanistan, und Irak haben], Ideen, die die Art und Weise betreffen, wie das Wirtschaften organisiert werden sollte".

      Einer der Richtigen fragte besorgt. "Sie sagen, die Globalisierung ermöglicht, daß die ganze Welt die US Defizite trägt. Aber macht sie nicht auch das Umgekehrte möglich, nämlich Dollar zu verkaufen". Da konnte der Guru nur müde lächeln und mag sich insgeheim gefragt haben: Was wollen die dafür kaufen? Statt dessen erzählte der Guru eine rührende Geschichte. Einst habe ihn ein europäischer Führer angesprochen und gefragt: "Was ist der Markt, ist es nicht das Gesetz des Dschungels, das Naturgesetz. Und was ist Zivilisation, ist sie nicht der Kampf gegen den Dschungel, gegen die Natur". Greenspan entschied sich für das Handfeste, für die Natur, gab aber zu, daß die Gegner des Turbokapitalismus wegen des skandalösen Geschäftsgebarens einiger Firmen während der jüngsten Boom-Jahre Zulaufbekommen hätten.

      Nachdem er mit dieser Geschichte die Gemüter etwas beruhigt hatte, beantwortete er die Frage: "Seit Jahren haben am Protektionismus Interessierte oft versucht den Prozeß des Wirtschaftswandels auf seiner Bahn aufzuhalten. Aber eigentlich sind alle diese Versuche gescheitert. Die Kosten jeder neuen protektionistischen Initiative im Rahmen der höchst unausgeglichenen Billanzen könnten allerdings die Flexibilität der Weltwirtschaft untergraben (nur sie?). Folglich muß der schleichende Protektionismus erstickt und umgekehrt werden." Warum wäre das gut, und, wenn ja, für wen und wozu? Keiner stellte das Selbstverständliche "für uns alle" in Frage und fragt: Wer sind wir?, und weiter: Zu welchem Zweck ist das Gesetz des Dschungels besser als die Einfriedung der Zivilisation?

      Verstehen Sie jetzt den feinen Unterschied zwischen der bester aller Welten bei Leibniz und bei unseren gut bezahlten und geehrten Intellektuellen? Nicht der freie Lauf der Dinge im vorhandenen Dschungel, das ungestörte Austoben des Selbsthaltungstriebs aller gegen alle ist die beste mögliche Welt, sondern eine, die sich immer besser ordnen und einrichten ließe. Nur bleibt weiterhin offen, von wem und wie?

      Aber so abstrakt ist diese Frage auch wieder nicht. Die obenauf sitzen antworten eindeutig: Jeder, der kann, ist so frei, seinem Gusto zu folgen (nach Absprachen mit seinesgleichen), nur soll ihm dabei niemand in den Arm fallen (wer es versucht, bekommt ihre vereinten Kräfte und Raffinessen zu spüren). Die ihnen nicht in den Armfallen dürfen, sind diejenigen, die am Wahlsonntag aus der Wahlkabine direkt zum Frühschoppen hinübergehen, wo sie im Kreis der vertrauten Kumpanen aus voller Überzeugung auf das schimpfen und wettern, was sie eben in der Kabine freiheitlich gewählt hatten. Daß das so ist, sagen Lambsdorf, Greenspan und Co. ist deren freie Entscheidung, die uns zwar viel gekostet aber auch viel gebracht hat. Das ist ja das Gute an unserer Demokratie. ("Papi, hast Du mir etwas mitgebracht, etwas ganz für mich alleine?")
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 16:39:41
      Beitrag Nr. 1.269 ()
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 16:39:56
      Beitrag Nr. 1.270 ()
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 18:53:15
      Beitrag Nr. 1.271 ()
      Vom Fallen der Profitraten zur Weltwirtschaftskrise und die Ursache der strukturellen Arbeitslosigkeit (2. Teil - Die strukturelle Arbeitslosigkeit des Kapitalismus)
      Thomas am Friday, 16. January 2004, 14:36


      Zweiter von drei Teilen
      Erster Teil: Der Debitismus des Kapitalismus
      Zweiter Teil: Die strukturelle Arbeitslosigkeit des Kapitalismus
      Dritter Teil: Warum es nicht ausreicht die Geldmenge auszudehnen, um die kommende Weltwirtschaftskrise zu verhindern

      Das wohl größte Problem unserer Tage ist die wachsende Arbeitslosigkeit. Auf ihrem Rücken werden uns sogenannte „Reformen“ verordnet, die eigentlich nur Variationen des bekannten IWF-Programm sind, mit dem schon mehrere Schwellenländer blockiert und zurück in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit geschickt wurden. Doch wie funktioniert das Ausschließen anderer aus dem Arbeitsprozess eigentlich?

      Da die menschliche Vorstellungskraft bezüglich dynamischer Prozesse generell recht bescheiden ist, zerlegen wir die Kreisläufe der Realgüterwirtschaft erst einmal in „lineare“ Teilprozesse: Unsere „reaktiven Elementarteilchen“ nennen wir Prosumenten (Produzent + Konsument), um zu betonen, dass fast jeder der auf dem Markt etwas kauft, vorher etwas Eigenproduziertes verkauften muss und sei es nur seine Arbeitskraft. Bei der Zirkulation des Tauschmittels erwirbt ein Prosument Tauschmittel (Geld) durch den Verkauf seiner Leitung, welches er wieder zum Kauf der Leistung eines anderen Prosumenten verwendet.

      Um die Zirkulation des Tauschmittels (Konsument -> Produzent/Konsument -> Produzent/Konsument -> usw.) in einem „linearen“ Modell begreifen können stellen wir uns vor, der Produzent liefert seine Güter in einem riesigen „Supermarkt“ ab. Bei der Lieferung handelt er mit der Marktleitung einen Preis aus. In Höhe dieses Preises erhält er einen Leistungsbestätigungsschein mit dem er früher im „Supermarkt“ abgegebene Güter kaufen kann, zu dem Preis, der bei diesen Gütern ausgehandelt wurde. An der Kasse muss er in Höhe seiner vom Markt genommenen Waren Leistungsbestätigungsscheine abgeben. Um uns auch Dienstleistungen und nicht transportierbare Güter in diesem Schema vorstellen zu können, nehmen wir einfach an, der Dienstleister stellt dem „Supermarkt“ Leistungsgutscheine aus. Dies kann eine Urkunde sein, auf der steht „einmal Haare schneiden“, „ein Jahr Maschinen warten“, „acht Stunden Programmierarbeit leisten“, „eine Wohnung in der Frankfurter City“, „das Organisieren eines Gottesdienstes“ oder „ein Schwimmbadbesuch“.

      Durch diesen Kunstgriff haben wir die Tauschmittelzirkulation in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt. Da die Auszeichnung der Güter gleich dem ausgehandelten Preis und gleich den ausgestellten Leistungsbestätigungsscheinen ist, stimmt der Wert aller Güter auf dem Markt mit dem Wert aller Leistungsbestätigungsscheine überein. Und noch etwas: Solange jeder seine Leistungsbestätigungsscheine (Geld/Tauschmittel) auch wieder ausgibt kommt es zur Markträumung.

      Jetzt kann es vorkommen, dass manche mehr verdienen als sie konsumieren. In diesem Fall bleiben Leistungsbestätigungsscheine über. Werden diese an andere weitergegeben, die dadurch mehr konsumieren als sie verdienen, ist dies kein Problem. Werden sie allerdings zuhause in der Schublade aufbewahrt (physische Hortung) oder an den Umverteilungsmärkten (Aktienmarkt, Devisenmarkt, etc.) zur Spekulation missbraucht (dynamische Hortung), so bleiben Güter im „Supermarkt“ liegen, die niemand nachfragt. Überproduktion wird dies leicht irreführend genannt.

      „Überproduktion“ in der Weltwirtschaftskrise 1930:

      Das Kind eines Arbeitslosen fragt die Mutter:
      „Warum heizen wir nicht?“
      „Weil wir keine Kohle haben!“
      „Warum haben wir keine Kohle?“
      „Weil der Vater arbeitslos ist!“
      „Und warum ist der Vater arbeitslos?“
      „Weil es zuviel Kohle gibt!“

      Meist wird versucht dies mit Kostensenkungsprogrammen zu lösen. Doch weniger oder billiger zu produzieren löst das Problem nicht. Solange Leitungsbestätigungsscheine nicht eingelöst werden, bleibt alles beim alten. Die Lager des „Supermarktes“ werden immer voller bzw. die Relation von Angebot zu Nachfrage verschlechtert sich immer mehr und der „Supermarkt“ wird Güter nur noch zu geringeren Preisen ankaufen. Die Folge ist ein Rationalisierungsdruck, der heute fast in der ganzen Wirtschaft zu spüren ist. Dabei muss es nicht unbedingt zur Deflation (Preisrückgang) kommen. Unter diesem unnatürlichen Rationalisierungsdruck gehen immer mehr Anbieter kaputt, wodurch der Wettbewerb abnimmt und der Markt zunehmend von Monopolen dominiert wird, die ihre Preise unabhängig von Angebot und Nachfrage setzen, verschärfend wirken hier Monopolgewährungsgesetze wie das Patentrecht. Statt billiger anzubieten kann bei einem ungenügenden Wettbewerb alternativ auch die Produktionsmenge zurückgefahren werden. Und last but not least haben wir im ersten Teil gesehen, dass es in jeder Volkswirtschaft einen Zeitpunkt gibt, ab dem die Zinslasten schneller steigen als das Bruttosozialprodukt und als Folge kommt es zu einem steigenden Zinsanteil in den Preisen, der die deflationären Tendenzen ausgleichen kann.

      Solange jedoch immer weniger Leistungsbestätigungsscheine nicht mehr eingelöst werden, bleiben immer mehr Waren liegen und der „Supermarkt“ wird immer mehr Leistungsanbieter wieder nach Hause schicken. Oder anders ausgedrückt: Solange die Tauschmittelhortung zunimmt, solange werden immer mehr Menschen aus dem Wertschöpfungsprozess ausgeschlossen und landen auf der Straße. Die Arbeitslosigkeit steigt. Sie kann erst wieder fallen, wenn die dynamische Hortung vermindert wird (z.B. durch Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer an den Umverteilungsmärkten) oder die untätig herumliegenden Gelder abnehmen (z.B. durch eine Nachhaltigkeitsgebühr auf Bargeld). Solch ein kaufkraftstabiles Tauschmittel, welches die Hortung und damit auch die (strukturelle) Arbeitslosigkeit verhindert wird Freigeld genannt.

      Die heutige Strategie besteht darin, nicht die Hortung zu verhindern, sondern die nicht eingelösten Leistungsbestätigungsscheine durch neue Scheine zu ersetzen. Dies äußert sich in einem ballonartigen aufblähen der Geldmenge. Warum dies jedoch nicht funktioniert, darum wird es im dritten Teil gehen.



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      http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=79
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 19:04:42
      Beitrag Nr. 1.272 ()
      Report Mainz vom 19. Januar 2004
      Abkassieren auf
      Rezept -
      Wie verdient die Pharmaindustrie an der Gesundheitsreform?



      Moderation Fritz Frey:

      Das Jahr ist noch jung, aber es gibt Begriffe, die haben schon jetzt gute Chancen Unwort des Jahres 2004 zu werden: Gesundheitsreform zum Beispiel. Guten Abend zu REPORT aus Mainz.

      Das war sicher gut gemeint vom Sparduo Schmidt-Seehofer: Die Krankenkassen zahlen keine rezeptfreien Medikamente mehr. Kein Geld mehr beispielsweise für Hustensäfte oder Lutschpastillen, und zack, rund eine Milliarde Euro wird eingespart.
      Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Woran liegt das? Man hat die Fantasie der Pharmafirmen unterschätzt. Denn was gestern noch ein rezeptfreies Mittel war, das ist heute nach einer kleinen Veränderung plötzlich verschreibungspflichtig.

      Wie der Trick funktioniert und wer am Ende die Zeche zahlt, das haben Ingrid Bertram und Vera Schmidberger herausgefunden.


      Bericht:

      Die Mittagsmedikamente für Arthur Gramstadt. Der 52-jährige Dialyse-Patient braucht regelmäßig ein Mittel, ohne das seine Verdauung nicht funktionieren würde. Bislang wurden die Kosten immer von der Krankenkasse übernommen. Seit 1. Januar muss Arthur Gramstadt selber zahlen. Zusätzlich zur Praxisgebühr und den erhöhten Zuzahlungen für seine anderen Medikamente.

      O-Ton, Arthur Gramstadt, Dialyse-Patient:



      »Meine Krankheit, wo ich einen Kostenapparat von 200 Euro mindestens im Monat habe. Und meine Frau ist auch noch krank, sie braucht auch noch Medikamente. Das ist sehr, sehr, sehr schmerzhaft.«

      Schmerzhaft für Arthur Gramstadts Portemonnaie, aber genau damit will die Gesundheitsreform die Kassenbeiträge nach unten drücken. Die meisten rezeptfreien Medikamente muss der Patient ab sofort selber zahlen. Die Politik hofft auf eine Milliarde Entlastung für die Krankenkassen. Doch das Reformgesetz ist kaum drei Wochen in Kraft, da hat die Pharmaindustrie schon ein Schlupfloch entdeckt.

      Ärzten springen dieser Tage auffällige Werbeanzeigen ins Auge. Der Slogan des Herstellers Pohl-Boskamp: „Die verschreibungspflichtige Alternative“. Oder die „Strathmann-Offensive“: Werbung für verschreibungspflichtige und damit auch künftig erstattungsfähige Produkte. Und der Pharmahersteller Merckle lobt seine Salbe unter anderem als rezeptpflichtig und erstattungsfähig.

      Im Klartext: Die Krankenkassen müssen zahlen. Die ersten Apotheker beginnen sich zu wundern.

      O-Ton, Hildegard Becker-Nonnenmacher, Apothekerin:



      »Die Firma Merckle hat uns ein Päckchen geschickt. Kostenlos haben wir Dolobene-Pur- Gel zugeschickt bekommen. Mal schauen: Das Dolobene-Pur-Gel ist ein sogenanntes verschreibungspflichtiges Medizinprodukt. Nun gab es Dolobene-Gel auch seit je her schon auf dem Markt, rezeptfrei. Und der Wirkstoff ist jetzt plötzlich mehr geworden. Wir haben bisher bei dem rezeptfreien Präparat 15 Gramm in 100 Gramm Gel, und jetzt haben wir 20 Gramm drin. 20 Gramm in Hundert, und damit ist es automatisch verschreibungspflichtig.«

      Bemerkenswert auch die Methode bei dem Bronchitis-Mittel Gelomyrtol. Seit zweieinhalb Jahrzehnten ist die rezeptpflichtige Variante Tetra-Gelomyrtol auf dem Markt. Sie enthält ein Antibiotikum, und so kann der Hersteller sie als verschreibungspflichtig bewerben.

      Bei diesen Pharmakritikern in Berlin erfahren wir, dass sich auch Generika-Hersteller Ratiopharm etwas ausgedacht hat. Wir lassen uns erklären, wie Ratiopharm direkt auf die Ärzte Einfluss nehmen will.

      O-Ton, Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Apotheker:



      »Ja, das ist eine Liste, die hat uns ein Kollege ziemlich entsetzt zugefaxt, weil er sich darüber aufregte, dass die Firma Ratiopharm hier Arzneimittel empfiehlt, die Produkte ersetzen sollen, die nicht mehr erstattet werden.«

      So empfiehlt Ratiopharm als Alternative zum gängigen Paracetamol Novaminsulfon.

      O-Ton, Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Apotheker:

      »Das ist in meinen Augen eine ganz bedenkliche Empfehlung, weil hier wird ein relativ gut verträgliches Schmerzmittel ausgetauscht oder soll ausgetauscht werden, gegen ein Produkt, das wegen seiner Risiken verschreibungspflichtig ist. Dieses Novaminsulfon ist ein Schmerzmittel, das relativ häufig Schockreaktionen und Blutschäden verursacht und gerade deshalb nicht verordnet werden soll bei banalen Schmerzen.«

      Der Hersteller schiebt die Verantwortung von sich. Man sei im Grunde dazu gedrängt worden, Alternativen vorzuschlagen. Ratiopharm erklärt gegenüber REPORT Mainz: Im Verlauf der Diskussion über die Gesundheitsreform...

      Zitat:

      »...haben Ärzte den ratiopharm Außendienst häufig gefragt, welche erstattungsfähige Alternativen (...) wir anbieten.«

      Verschreibungswillige Ärzte als fleißige Helfer der Industrie? Und das auf Kosten der Krankenkassen? Bei diesem kritischen Ärzteverein hält man das für möglich. Winfried Beck ist selber Orthopäde. Er glaubt, dass viele seiner Kollegen für das Werben der Pharmaindustrie empfänglich sein könnten.

      O-Ton, Dr. Winfried Beck, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte:



      »Es kommt zum einen an, weil die Patienten Druck ausüben. Und sie müssen diesem Druck ja nachgeben. Wenn sie das nicht tun, können sie Patienten eventuell verlieren. Und der andere Grund ist: Sie sind relativ unkritisch, zu unkritisch gegenüber der Pharmaindustrie. Sie sind ja beeinflusst von ihr in vielerlei Weise.«

      Frage: Zum Beispiel?

      O-Ton, Dr. Winfried Beck, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte:

      »Es fängt in der Ausbildung an der Universität an. Keine kritische Ausbildung. Es geht weiter im ganzen Berufsleben. Pharmareferenten besuchen sie jede Woche und verwöhnen sie, sie haben Fachzeitschriften, die Pharma beeinflusst sind. Und die Fortbildung ist gesponsert von der Pharmaindustrie.«

      Erste Anzeichen, dass die Doktoren tatsächlich zum Rezeptblock greifen, gibt es bereits. Beim aufwändig beworbenen Tetra-Gelomyrtol gab es in der zweiten Januarwoche im Vergleich zur Vorwoche eine Absatzsteigerung von knapp 50 Prozent. Und es gibt noch deutlichere Zahlen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

      Das Institut ist zuständig für die Zulassung von Medikamenten. Auch hier erhalten wir Hinweise, dass die Industrie nun auf verschreibungspflichtige Medikamente setzt. Das Institut hat die Zahlen des dritten Quartals 2003 ausgewertet, als die Gesundheitsreform Konturen annahm.

      O-Ton, Prof. Harald Schweim, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte:



      »In diesem Zeitraum ist der Anstieg im Bereich der Anträge für verschreibungspflichtige Arzneimittel etwa um neun Prozent gestiegen. Und im gleichen Zeitraum das Antragsvolumen für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel um neun Prozent zurückgegangen.«

      Weil es bei diesen Arzneien um bereits im Ausland zugelassene Produkte geht, könnten sie innerhalb von 90 Tagen auf dem deutschen Markt sein – rezeptpflichtig, versteht sich. Und das heißt, die Krankenkassen, die eigentlich die Beiträge senken sollen, müssen die Kosten erstatten.

      Patienten wie Arthur Gramstadt werden demnach doppelt bestraft. Die neuen Kosten, die ihm die Gesundheitsreform zumutet, muss er schon jetzt aus eigener Tasche zahlen. Aber auf einen deutlich niedrigeren Kassenbeitrag wartet er womöglich vergebens.

      Abmoderation Fritz Frey:

      Tja, unsere Autorinnen haben natürlich auch bei den Krankenkassen nachgefragt, ob sich diese Tricksereien der Pharmafirmen auf die Kassenbeiträge auswirken. Die Antwort: Vor diesem Hintergrund sei kaum an eine deutliche Absenkung der Beiträge zu denken. Mit Verlaub, so wird das nichts mit dem Sparen im Gesundheitswesen.




      --------------------------------------------------------------------------------

      Moderation:
      Fritz Frey Bericht:
      Ingrid Bertram,
      Vera Schmidberger Kamera:
      Thomas Schäfer,
      Uli Vollert Schnitt:
      Zsuzsa Döme





      --------------------------------------------------------------------------------
      http://www.swr.de/report/archiv/sendungen/040119/01/index.ht…
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 20:29:37
      Beitrag Nr. 1.273 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      In der Elite

      Justizskandale, Bereicherung und Korruption


      Das Land Brandenburg ist reich an Skandalen. Jetzt droht der nächste. Es geht um Trennungsgelder, die an die höheren Justizbeamten des Landes zu Unrecht und in beträchtlicher Höhe gezahlt worden sein sollen. Nach Medienberichten liegt der Justizministerin Barbara Richstein (CDU) ein Prüfbericht vor, der das bestätigt. Unter den aufgelisteten Namen ist auch der des Generalstaatsanwalts. Gegen einen Staatssekretär, der 33 000 Euro zuviel kassiert haben soll, wird ermittelt, ein Abteilungsleiter im Justizministerium ist suspendiert. Ein Oberstaatsanwalt soll nicht erfolgte Heimfahrten abgerechnet haben, ein wegen seiner Überstundenabrechnung abgelöster Polizeipräsident wurde beim Ladendiebstahl ertappt.

      Das Sittenbild aus Klein-Preußen läßt sich noch vielfältig kolorieren. Das Abgreifen durch Gesetzeswächter ist seit der Invasion, die 1990 dem Ostvolk Arbeit, Anstand und Religion beibrachte, notorisch. Vergleiche mit Serbien oder dem Irak sind natürlich übertrieben, nur die Renditeerwartungen der Industrie und der private Bereicherungsumfang dürften bei der Eroberung und Besetzung der DDR ungefähr gleich gewesen sein. Der Anschluß war auch in dieser Hinsicht ein Vorbild, nicht nur Frau Birthlers Behörde, die gerade dem Irak angedient wird. Was seinerzeit Busch- und Schmutzzulage genannt wurde, schrumpfte inzwischen zum Trennungsgeld. Im brandenburgischen Etat 2003 standen allein dafür sechs Millionen Euro zur Verfügung, für 2004 wurden bislang 3,6 Millionen Euro veranschlagt. Es handelt sich um eine Justiz, die einen Rekordstau an Verwaltungsgerichtsverfahren erzeugt hat – häufig Fälle, in denen sich Ostdeutsche gegen Enteignungen nach dem Grundsatz »Rückgabe vor Entschädigung« wehren. Darunter sind Verfahren, die 14 Jahre alt sind und alle Anzeichen krimineller Justizverschwörung zuungunsten ostdeutscher Besitzer oder Pächter von Immobilien tragen.

      Ein verrottetes Justizsystem beschleunigt selbstverständlich den laufenden Ruin. Wer Orchester und Theater abschafft, Wissenschaftler massenweise abwickelt, die Industrie beseitigt und dann die Bevölkerung zur Arbeit auffordert, wer ein Investitionsdebakel nach dem anderen produziert, um schließlich von Elitebildung und Innovation zu reden, dürfte anderswo als reif für die Psychiatrie gesehen werden. Seit 1990 wird man damit in der Bundesrepublik und vorzugsweise im Osten Minister.

      Plusmacherei ist das Gesetz der Gesellschaft, und wer am Abgreifen nicht engagiert teilnimmt, läuft Gefahr, bald nicht mehr dazuzugehören. Das wollen sie aber alle. Es bloß Korruption zu nennen, wäre falsch.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-21/002.php
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 20:34:35
      Beitrag Nr. 1.274 ()
      Inland
      Hans Peter

      Terror gegen Arbeitslose

      Sperrzeiten 2003 um etwa 180 Prozent gestiegen. Künftig auch Fünf-Euro-Jobs zumutbar


      Genau 141236mal hat die Bundesanstalt für Arbeit (seit 1. Januar 2004 »Bundesagentur für Arbeit«) in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres Sperrzeiten gegen Arbeitslose verhängt, die einen von der Anstalt als »zumutbar« eingestuften Job abgelehnt hatten. Das geht aus den jetzt von der Bundesagentur veröffentlichten vorläufigen Zahlen für 2003 hervor. Gegenüber 2002 bedeutet das einen Anstieg der Sperrzeiten um 147 Prozent. Da die Zahlen für Dezember noch hinzu kommen, dürfte Ende 2003 die Zunahme solcher Sperrzeiten gegenüber dem Vorjahr noch höher ausfallen – vermutlich ein Plus von 180 Prozent. Fast dreimal so vielen Arbeitslosen wie im Jahr davor hat die Bundesanstalt damit 2003 alle Leistungen zumindest vorübergehend gesperrt.

      Sperrzeit heißt in der Praxis: Zwölf Wochen lang bekommt der oder die Arbeitslose, gleichgültig, ob Arbeitslosengeld- oder Arbeitslosenhilfebezieher, von der Bundesagentur keinen Cent. Wer zweimal Opfer einer solchen Sperrzeit wird, der fliegt sogar ganz aus der Arbeitslosenversicherung. Alle Ansprüche auf Leistungen der Bundesanstalt und damit auch auf Krankenversicherung und auf Beiträge nur Rentenversicherung sind dann verwirkt. Übrig bleibt nur noch die Sozialhilfe, wobei auch die wegen »Arbeitsverweigerung« gesperrt werden kann. Erst nach zwölf Monaten in versicherungspflichtigen Jobs gibt es nach so einem Hinauswurf aus der Arbeitslosenversicherung wieder einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

      Das brutale Hinauswerfen von Arbeitslosen aus der Versicherung erklärt auch, wie die Bundesanstalt es geschafft hat, 2003 die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt niedriger zu halten, als selbst von Eichel und den Mitgliedern des Haushaltsausschusses im Bundestag erwartet worden war.

      Wie dramatisch der Anstieg der Sperrzeiten war, die die Bundesanstalt wegen »Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung« verhängte, verdeutlicht die monatliche Statistik aus Nürnberg. So stieg die Zahl solcher Sperrzeiten von 4 897 im Januar 2003 bis Juli auf 16 249, also mehr als das Dreifache.

      Noch deutlicher wird der dramatische Kurswechsel der Anstalt im Langzeitvergleich. 1998 verhängte die Bundesanstalt bei fast gleich hoher Zahl von offiziell gemeldeten Arbeitslosen wie 2003 insgesamt 32652 Sperrzeiten wegen Ablehnung zumutbarer Jobs. In der zweiten Hälfte 2003 schaffte sie die gleiche Zahl von Sperrzeiten alle zwei Monate. Pro Monat ist das ein Anstieg der verhängten Sperrzeiten gegenüber 1998 um 500 Prozent.

      Von der Leitung der Bundesanstalt und der Bundesregierung scheinheilig mit »mehr fordern statt fördern« beschrieben, bedeutet der neue Kurs in Wirklichkeit die Umwandlung der Nürnberger Anstalt von einer Versicherungsanstalt gegen soziale Not bei Arbeitslosigkeit in eine Agentur zur Verfolgung von Arbeitslosen.

      Besonders drastisch traf der Kurswechsel dabei im letzten Jahr die Arbeitslosen im Osten. Obwohl dort ohnehin kaum Jobs zu vertretbaren Arbeitsbedingungen und akzeptablen Löhnen angeboten werden, verhängten die Ämter in den neuen Ländern von Januar bis November 36681 Sperrzeiten wegen Ablehnung »zumutbarer« Jobs – mehr als in vier Jahren davor zusammen. Von Januar (841 Sperrzeiten) stieg die Zahl der monatlichen Sperrzeiten bis September 2003 auf 4802 – ein Anstieg von ebenfalls fast 500 Prozent.

      »Zumutbar« war dabei jeder Job, bei dem der oder die Arbeitslose am Monatsende soviel Lohn netto in der Tasche hat, wie er oder sie vorher als Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen hat.

      Wie niedrig diese Schranken gegen Billigjobs – also das tatsächlich gezahlte Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe – inzwischen sind, macht die Bundesanstalt an anderer Stelle ihrer Übersicht deutlich. So bekamen im September 2003 insgesamt 676148 Arbeitslose weniger als 600 Euro Arbeitslosengeld. Noch krasser war diese Zahl bei Beziehern von Arbeitslosenhilfe. Hier mußten sogar 1464 Millionen Bezieher (von insgesamt 2,06 Millionen) mit weniger als 600 Euro monatlicher Arbeitslosenhilfe über die Runden kommen. Von den »glücklichen« Arbeitslosen, die nicht aus der Arbeitslosenversicherung hinausgeworfen oder gesperrt waren, erhielt also mehr als die Hälfte – genau 2,14 Millionen von insgesamt 3,9 Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe – weniger Geld aus Nürnberg, als laut Steuerrecht »steuerfreies Existenzminimum« ist. Von einem »Schutz gegen soziale Not« entfernt sich die Arbeitslosenversicherung immer weiter.

      Doch selbst diese niedrige Schranke wird im kommenden Jahr fallen. Dann ist nach dem neuen Hartz-IV-Gesetz beinahe jeder Job für Arbeitslose »zumutbar«. Ausgenommen sind nur Jobs, deren Lohn als »sittenwidrig« gilt. »Sittenwidrig« sind, so die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte, nur solche Jobs, bei denen die Beschäftigten 30 und mehr Prozent weniger als den Tariflohn oder den »ortsüblichen« Lohn erhalten. Bei einem Mindestlohn für ungelernte Leiharbeiter von 6,85 Euro sind dann Jobs ab fünf Euro die Stunde zumutbar. Bei normaler Arbeitszeit sind das 760 Euro brutto.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-21/010.php
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 20:40:23
      Beitrag Nr. 1.275 ()
      Inland
      ulis

      Finanzreserve

      Praxisgebühr und Patientenleichen


      Manche kapieren es einfach nicht und stellen so absurde Fragen wie die, ob auch Tote Praxisgebühr bezahlen müssen. Na selbstverständlich. Nehmen wir einen ganz alltäglichen Fall: Jemand erleidet einen Herzinfarkt. Der Notarzt kommt im Eiltempo und beginnt seine Behandlung unverzüglich mit dem Nötigsten: Er fragt nach den fälligen zehn Euro. Zahlt der Patient, ist gesundheits- und finanzrechtlich alles in Ordnung, egal ob der Ärmste stirbt oder nicht. Sinkt der Patient in Gegenwart des Arztes in die ewigen Jagdgründe, ohne sich vorher ehrlich gemacht zu haben, sitzt der Doktor in der Patsche. Er muß kassieren, aber wie? Dem Toten in die Tasche fassen? Vor Ulla Schmidt galt so etwas als Leichenfledderei. Oder die Gebühr muß eben bei den Erben eingetrieben werden – mal was anderes, aber auch eine schöne Aufgabe für einen Notarzt. Natürlich müssen auch Pathologen kassieren. Wenn einem lebenden Patienten kurz vor Quartalsende eine Gewebeprobe entnommen wurde, die erst nach Beginn des neuen Quartals beim Pathologen eintrifft, ist die Gebühr fällig – auch wenn der Kranke inzwischen verstorben ist. Gerechtigkeit muß sein.

      In Hameln ist jetzt ein mittelloser Dialysepatient gestorben. Er konnte die zehn Euro Zuzahlung für die Taxifahrt zur Dialyse nicht aufbringen und ließ deshalb eine Behandlung ausfallen, um sich Geld zu erbetteln. Bei der nächsten Dialyse brach er tot zusammen. Sein Taxifahrer hat Strafantrag gegen die Bundesgesundheitsministerin gestellt. Die ficht das aber nicht an. Sie rechnet: Starb der Mann bei der ersten Behandlung in diesem Jahr? Dann wären zehn Euro fällig ...
      http://www.jungewelt.de/2004/01-21/018.php
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 20:49:43
      Beitrag Nr. 1.276 ()
      Vier Jahre später ...

      von Jochen Steffens

      Ach wie schön das ist, da sind sie wieder – die Perlen, die Heilsbringer und die Zockeraktien. Aixtron, GPC-Biotech, QSC und ich wage es kaum zu schreiben: Morphosys, der "1000 Euro Wert". Morphosys stieg gerade in nur 2 Tagen von 12 Euro auf 15 Euro! Wahnsinn, haben die eine Goldader gefunden und sinkt deswegen vielleicht aktuell der Goldpreis?

      Wenn der Wert damals von 30 Euro auf 444,44 Euro im Hoch angestiegen ist, ich meine dann muss er nun von seinem Tief bei 4,69 Euro lediglich auf 69,48 Euro ansteigen, um die gleiche ver15fachung zu generieren. Unglaubliche Gewinne locken, Reichtum ...

      Scherz beiseite ... Die meisten Investoren, die ich kenne (bzw. kannte, denn viele sind nicht mehr an den Börse) und die um den Jahreswechsel 1999/2000 mit Morphosys sehr viel Geld gewonnen hatten, haben ihre ganzen Gewinne wieder verloren. Und schlimmer noch, sie haben zum Teil auch noch Kredite aufgenommen, die sie nun bitter zurückzahlen müssen.

      Warum? Es ist ein ganz einfaches Phänomen. Der Mensch neigt dazu zu denken, was einmal gut war ist immer gut. Oder drücken wir es einfach so hart aus, wie Realität nun einmal ist: Es geht um die klassische Konditionierung: Stellen Sie sich einen Bullen vor, der einen Schalter-Knopf findet, darüber steht geschrieben: Aktien kaufen! Jedes Mal, wenn der Bulle diesen Knopf drückt, erhält er eine Belohnung, einen Gewinn in Form von Nahrung und Streicheleinheiten. Er wird natürlich immer häufiger diesen Knopf drücken. Doch was passiert, wenn auf einmal statt Essen und Streicheleinheiten ein Stromstoß folgt?

      Der Bulle wird zunächst verwirrt sein und es noch einmal versuchen – wieder ein Stromstoß. Verdutztes abwarten. Doch sobald der erste Hunger quält, ein erneuter Versuch. Wieder ein Stromstoß. Diesmal wird gewartet, bis die Erinnerung an den Schmerz vorbei ist. Vielleicht macht er was falsch? Er wird versuchen von links an den Knopf zu kommen. Und siehe da: Ein Wunder! Essen und Streicheleinheiten. Doch beim nächsten Mal von links: wieder ein Stromstoß.

      Am Ende wird der Bulle, hungernd – auch wenn er schon viele Stromstöße erhalten hat und kaum noch lebt, aggressiv den Knopf angreifen, er muss doch einfach wieder Essen bringen, er muss, er muss!

      Hmmmm ... Vier Jahre sind gerade ins Land gegangen und ich sehe die gleichen Aktien werden wieder gekauft. Sind das nun neue Anleger? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß: der gleiche Knopf wird gedrückt, denn er gibt wieder Essen und Streicheleinheiten. Das Spiel beginnt von vorne. Wenn nun dieser Knopf nur lange genug Essen und Streicheleinheiten gibt, wird alles wieder so wie 2000.

      Dann musste ich gestern mit Erschrecken feststellen, dass auch fast tot geglaubte Neue-Markt-Gurus von damals wieder aus der Versenkung auftauchen und im Internet erneut ihr Unwesen treiben.

      Diese ganzen Zeichen an der Wand zeigen mir, das Ende ist nicht mehr weit. Häufig, wenn diese kleineren Aktien explodierten, zeigte dies das Ende einer Übertreibung an. So höre ich, dass die erste Antizykler Positionen gegen den Markt aufbauen. Aufgrund der US-Wahl bin ich etwas vorsichtiger. Aber eins können Sie mir glauben: Hier in diesem Newsletter wird weiterhin die Vernunft wichtiger sein, als das Geschrei der Massen.

      Es gibt noch einen weiteren Grund der mich stutzig macht, dazu mehr im nächsten Artikel:

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      Der ZEW Index oder ein leiser Alarm schrillt

      von Jochen Steffens

      Sie wissen, was ich von diesem Index halte. Für mich ein klassischer Kontraindikator. Umso höher der Index, desto höher die Euphorie der Analysten. Aber im Moment generiert er ein Signal, das Erinnerungen und leise Alarmglocken schrillen lässt. Er fällt, nachdem er auf einen relativen Höchststand geklettert war. Auch das erinnert mich an das Jahr 2000. Damals erreichte er im Januar sein Hoch und sank die nächsten beiden Monate, im März brach dann die Rallye in sich zusammen. Ist dieser Rückgang damit ein erstes Warnsignal? Man sollte das nicht überbewerten, lediglich beobachten.

      Der ZEW Index sank im Januar von zuvor 73,4 auf 72,9 Punkte. Sollte er nächsten Monat noch einmal fallen wäre das ein deutlicheres Zeichen.

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      Die amerikanischen Zwillingsdefizite: Greenspan und Bush

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Es gibt drei Arten von Ökonomen", so Sir Eddie George, der Vorsitzende der britischen Zentralbank, in der Times of London. "Die, die zählen, und die, die das nicht können."

      Das Gegenstück von Alan Greenspan zeigte uns, zu welcher Gruppe er gehört. Heute muss ich mich über die amerikanischen Ökonomen wundern.

      "Die Fed hat das Platzen der letzten Spekulationsblase durch das Aufblähen einer neuen ausgeglichen ..."

      Das Magazin "Economist" bezog sich dabei auf den amerikanischen Immobilienmarkt, der durch niedrigere Zinssätze beflügelt worden war. Als die Zinsen fielen, fanden die Amerikaner, dass sie sich größere und bessere Häuser leisten konnten – für die gleichen monatlichen Zahlungen. Die Immobilienpreise stiegen ... was es den Leuten ermöglichte, bestehende Hypotheken zu erhöhen. Mit diesem Geld kauften sie dann Aktien und Konsumgüter. Die Amerikaner sehen Alan Greenspan so, als ob er ein Held wäre, und George W. Bush so, als ob er ein Präsident für zwei Amtszeiten sein könnte.

      "Je länger sich eine Spekulationsblase aufbaut", so der Economist weiter, "desto mehr ermutigt sie den Aufbau von anderen Ungleichgewichten, wie exzessiven Schulden. Und wenn sich diese Ungleichgewichte auflösen, dann gibt es das Risiko einer langen Periode mit nur zähem Wachstum. Die Anhänger von Mr. Greenspan meinen, dass Amerika einem verlängerten Abschwung entkommen sei. Das könnte sich als wahr herausstellen, aber noch ist es zu früh, sicher zu sein, einfach deshalb weil die Ungleichgewichte, die durch die Spekulationsblase geschaffen wurden ( ...), noch nicht beseitigt worden sind. Stattdessen ist die Wirtschaft durch weitere Konsumentenschulden und durch eine massive staatliche Neuverschuldung beflügelt worden, was das gesamte Haushaltsdefizit auf 5 % des BIP gebracht hat. So eine Verschuldung ist nicht haltbar. Ab einem bestimmten Niveau müssen die privaten Haushalte mehr sparen und weniger ausgeben, genau wie die Regierung. Zumindest macht dieser Schuldenüberhang Amerikas die amerikanische Volkswirtschaft gegenüber ihrem nächsten Abschwung verletzlicher."

      Sie erinnern sich vielleicht an den jüngsten IWF-Bericht, der ungewohnt kritisch meinte, dass der nächste Abschwung "signifikante Risiken" bringen könnte, nicht nur für die USA, sondern auch für den gesamten Rest der Welt. Die Netto-Finanz-Verpflichtungen der USA gegenüber dem Rest der Welt könnten bald 40 % der amerikanischen Wirtschaftsleistung erreichen, so das Fazit des IWF, "ein noch nicht gesehenes Niveau für die externe Verschuldung eines großen Industrielandes."

      Auch andere entwickelte Nationen – Japan, Deutschland, Frankreich – haben große Haushaltsdefizite. Einige Nationen haben auch Leistungsbilanz- und/oder Handelsbilanzdefizite. Aber nur die USA haben die Doppel-Defizite – Alan Greenspan und George W. Bush. Ihre Zusammenarbeit hat den USA ein Haushaltsdefizit von fast 5 % des BIP und ein Handelsbilanzdefizit von ungefähr der gleichen Größe beschert.

      "Ich glaube nicht, dass der (amerikanische) Abschwung ohne die Steuersenkungen einer der kürzesten und leichtesten der US-Geschichte gewesen wäre", so John B. Taylor, Staatssekretär im US-Finanzministerium.

      Gut nachgedacht, John. Aber wir sollten auch die Zinssenkungen nicht vergessen. Ohne so schnelle und entschiedene Zinssenkungen der Fed hätten die USA eine reale Korrektur haben können, statt einer Scheinkorrektur. Die Leute hätten vielleicht etwas weniger Geld ausgegeben und dafür ihre Schulden bezahlt ... und sie hätten vielleicht wieder mit dem Sparen angefangen. Sie hätten vielleicht ihre Jobs verloren und sie hätten es bedauert, dass sie sich so stark verschuldet hatten. Die Aktien wären auf ein Niveau gefallen, auf dem sie preiswert gewesen wären. An diesem Punkt hätten die Leute wieder etwas Geld zum Ausgeben gehabt, und dann hätte eine reale Erholung beginnen können – statt einer verlängerten, täuschenden Nach-Spekulationsblase.

      Und ohne das schnelle Handeln der Fed wären Greenspan und Bush vielleicht unverdient unbeliebt geworden ... anstatt jetzt unverdient beliebt.

      Und hier ist Addison mit den letzten News:

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      Der Erholung fehlen Zähne

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin

      "Irgendetwas Merkwürdiges geht vor sich", schrieb mein Freund Gary North letzte Woche. "Und zwar seit August. Die US-Geldmenge schrumpft."

      Wirklich merkwürdig. Nun, aber damit beschäftige ich mich nicht zu stark, denn das ist nur ein Merkmal von sehr vielen, die aus der Reihe zu tanzen scheinen.

      Nehmen wir zum Beispiel das Weihnachtsgeschäft. Obwohl das in den USA die größte Stimulierung seitens der Geld- und Finanzpolitik erhielt, produzierte es fast keine neuen Jobs. Mein Freund John Mauldin, der sich letzte Woche durch einen Bericht der Dallas Fed wühlte, bemerkte, dass der durchschnittliche Arbeitslohn auf 13,50 Dollar gefallen war. Das war 1,50 Dollar weniger als ein Jahr zuvor. Und im Dezember 2003 gab es 72.000 weniger Teilzeitarbeitskräfte als im Dezember 2002. 84 % des Zuwachses bei den Beschäftigtenzahlen (von August bis November) sind vier Segmenten zu verdanken: Teilzeitarbeit, Gesundheit, Bildung und Regierung.

      Diese Zahlen liefern für mich ein klares Bild. Zumindest für mich hat die Erholung mehr als nur ein paar Zähne zuwenig.

      Aber die massive Infusion von Regierungs-Stimulierungen freut zumindest den Aktienmarkt ... und der kann sich auch über eine positive Berichterstattung in der breiten Finanzpresse freuen.

      Eric Fry, unser Mann in New York, schrieb mir am Wochenende: "Mysteriöserweise hat der jüngste Anstieg der ausländischen Käufe von US-Wertpapieren den Dollarkurs nicht steigen lassen – bis letzte Woche (als die kurzfristige Dollarerholung einsetzte, die sich bis gestern Morgen fortsetzte)." Glückwunsch an diejenigen, die letzten Freitag und Montagmorgen nicht die Nerven verloren, sondern kaltblütig die Eurokorrektur zum Einstieg nutzten!

      Sogar as Gold verlor zuletzt ja deutlich, und zwar gab der Goldpreis an 5 Handelstagen fast 20 Dollar ab.

      Doch zurück zur schrumpfenden amerikanischen Geldmenge. Gary North schreibt dazu: "Die Fed entschied sich 2001, die Wirtschaft durch das Hereinpumpen von neuem Geld zu stimulieren. Diese Politik rächt sich jetzt. Sie hat niedrige Zinsen für die Sparer gebracht, die deshalb ihr Geld aus den Banken abziehen. Das hat zu einer Anomalie geführt: Einem Rückgang der Geldmenge, oder zumindest einem Rückgang in den verschiedenen Statistiken der Geldmenge. Was mich wundert, ist, dass es über die Existenz dieser Anomalie in der heutigen Finanzpresse so wenig Diskussionen gibt, ganz zu schweigen von den möglichen Folgen für die Finanzmärkte."

      "Der jüngste Anstieg des Goldpreises ( ...) läuft parallel zum Verfall des Dollar gegenüber dem Euro ab", so North. "Es passiert hier etwas Fundamentaleres als nur eine traditionelle Absicherung gegen Inflation (Gold hat den Ruf eines sicheren Hafens bei drohender Inflation). Das ist ein Zug gegen den Dollar, der nicht auf Inflationsangst beruht. Ich denke, wir sehen den Beginn einer Bewegung, die weg vom Dollar als zentraler Weltreservewährung geht. Was seit 1940 Bestand hatte, beginnt, sich zu ändern."

      -----------------

      Do it yourself!

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in London

      *** Der Goldpreis ist weiter gefallen, auf 407 Dollar ... mit ein bisschen Glück wird er unter 400 Dollar fallen, und dann werde ich mehr kaufen.

      *** "JP Morgan und Bank One schließen sich in einer 60 Mrd. Dollar schweren Transaktion zusammen, um der größte Kreditkartenherausgeber zu werden", schreibt mein Kollege Dan Ferris. "Ich kann es nicht glauben, dass der Investor`s Daily darüber nichts zu sagen hat. Ich meine, wer auf der Welt wäre nicht die größte Kreditkartenfirma der USA? Das ist so, als ob man direkt neben dem Hauptsitz der Anonymen Alkoholiker eine Kneipe besitzt. Wie könnte man falsch liegen, wenn man darauf setzt?"

      "Andererseits – wo ist das Wachstumspotenzial? Wer in den USA hat noch keine Kreditkarte? Wer hat noch keine Kreditkarte, die noch nicht bis zum Limit ausgereizt ist?"

      Aus diesem Grund habe ich eine andere Firma gefunden, die ich viel interessanter finde – siehe meinen nächsten Artikel!

      *** Das Problem mit Geld ist, dass man mit Geld nicht mehr die Freude hat, die man ohne Geld hatte. Ich erinnere mich daran, wieviel Spaß es machte, als ich mein Vermögen erst verdienen musste. Ich habe einmal in Baltimore ein Haus für 27.500 Dollar gekauft. Ich habe fast die ganzen Renovierungsarbeiten alleine gemacht ... und oft suchte ich auf dem Sperrmüll Sachen, um die Kosten niedrig zu halten. Wie stolz ich war, wenn ich einen schönen alten Schaukelstuhl an der Straßenecke fand. Man brauchte nur ein bisschen Leim und Farbe – und er war so gut wie neu.

      Und wenn ich ein Problem mit dem Abfluss oder mit der Elektrik hatte – na, dann brachte ich das selbst in Ordnung.

      Jede Ersparnis war ein Triumph ... Handwerken war eine Freude ... und jede Arbeit, die ich selbst machte, war tief befriedigend.

      Aber jetzt bin ich derjenige, der die alten Schaukelstühle auf die Straße stellt. Und nur mein Gerede von der "do it yourself"-Haltung bringt die Familie schon in Alarmstimmung.

      "Ruf einfach einen Klempner an", sagt meine Frau Elizabeth.

      "Versuch nicht, selbst das Dach zu reparieren. Lass das einen Profi machen."

      "Oh Daddy, bitte kauf keinen zweiten Gebrauchtwagen. Das ist nur der Müll von jemand anderem ..."

      Aber der Pater Familias hat noch nicht komplett aufgegeben. Vor kurzem habe ich meiner gesamten Familie vorgeschlagen, dass wir nächsten Sommer gemeinsam nach Neuschottland in Urlaub fahren, wo wir alle zusammen eine Hütte bauen."

      "Du spinnst wohl", so die Antwort von allen.

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 21:13:37
      Beitrag Nr. 1.277 ()
      18.1.04 Bildung ist der Wachstumsmarkt der Zukunft

      Obwohl die Politik noch streitet, scheint klar: Studiengebühren werden kommen. ... Fragt sich nur, wer das bezahlen soll. Denn ernsthaft kann niemand verlangen, dass die Studenten die Gebühren tatsächlich vor Antritt oder während des Studiums selbst aufbringen. Es muss also eine Kreditlösung gefunden werden, bei der entweder der Staat oder private Banken die Gebühren vorschießen.

      "Die Banken wären sofort in der Lage, Studenten flächendeckend mit Krediten zu versorgen, die nach dem Studium zurückgezahlt werden", sagt Karl-Heinz Große Peclum von der Hypo-Vereinsbank. "Der Staat müsste dazu seine Bonität zur Verfügung stellen und das Ausfallrisiko übernehmen. Das wird auch in den USA so gemacht."

      Dort existiert mit Sally Mae sogar eine Refinanzierungsbank, die den einzelnen Banken die Studentenkredite abkauft und sie als Anleihen auf dem Kapitalmarkt verbrieft. "Wenn wir den Investoren damit eine Rendite garantieren können, bleibt dem Staat nur das Ausfallrisiko von zehn bis fünfzehn Prozent. Das ist extrem billig", sagt Große Peclum. ... (Wams, 18.1.04)




      Kommentar: Daher weht der Wind bei den Studiengebühren – den Banken sollen lukrative, von der Allgemeinheit abgesicherte Kredite zugeschanzt werden. Dabei ist unser System zwingend darauf angewiesen, dass immer mehr Kredite genommen werden, da die Geldvermögen durch den Zins anwachsen und wieder als Kredit in den Geldkreislauf zurückgeführt werden müssen. Weil jedoch die Kreditsicherheit im Zuge einer Krise immer schlechter wird, schreien die Banken nach mehr Sicherheit, die ihnen der Staat einräumen soll – bis zum Staatsbankrott.



      -------------
      Mit Speck fängt man Mäuse


      Immer mehr Mittelständler geben Anleihen und Genussscheine im Alleingang aus. Doch so risikolos, wie die Anlagen scheinen, sind sie nicht

      ... Die Ursache ist klar: Die Geldinstitute knausern mit neuen Krediten. ... Die Zahlen sprechen da ein klareres Bild: Das Volumen der Kredite an das verarbeitende Gewerbe ist in Deutschland auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung.

      ... Doch so risikolos, wie es auf den ersten Blick scheint, sind derartige Anleihen keineswegs. Letztlich gewährt der Anleger dem Unternehmen einen Kredit. Im Konkursfall ist das Geld daher weg. Wie hoch das Risiko ist, kann der Anleger bei den Mittelständlern kaum einschätzen, denn die wenigsten lassen sich von einer der bekannten Ratingagenturen wie Moody`s oder S.& P bewerten.

      ... Noch häufiger versuchen Mittelständler über die Ausgabe von Genussscheinen an Kapital zu kommen. So wirbt beispielsweise die Rendsburger Getreide AG, ein Agrarhändler, zu dem auch Nahrungsmittelfabriken gehören, derzeit für ihre Papiere. Sie laufen über sechs und zehn Jahre und sollen 7,5 Prozent Zinsen abwerfen. ... "Diese Form ist vom Gesetzgeber am wenigsten reglementiert, so dass der Unternehmer hier am meisten Spielraum bei der Gestaltung hat", nennt Rechtsanwalt Kobabe den Vorteil dieses Finanzierungsinstruments für die Unternehmen. Für den Anleger heißt dies jedoch: noch genauer hinschauen. Denn meist wird die Rendite nur gezahlt, wenn das Unternehmen Gewinn macht. Deshalb werden Genussscheine oft auch als eine Mischform von Aktien und Zinspapieren bezeichnet. Zudem kann das Unternehmen die Höhe der Rendite auch noch an andere Kriterien binden, wie den Umsatz oder auch an das allgemeine Zinsniveau.

      ... Genau beachten sollten Anleger auch die Verkaufsprovisionen, die von den Unternehmen erhoben werden. Eine üppig klingende Rendite kann dadurch nämlich leicht auf ein Niveau gesenkt werden, das für das erhöhte Risiko nicht mehr angemessen ist.

      Ein weiterer Nachteil all der Papiere, die Mittelständler ausgeben, ist schließlich die Illiquidität. Sie sind nicht an der Börse notiert, und ein Handel findet nicht statt. ... (Wams, 18.1.04)




      Kommentar: Unternehmensanleihen sind genauso riskant wie Aktien und keinesfalls so ohne weiteres zu empfehlen. Vor allem die mittelständische Industrie steht vor einer Pleitewelle, da hier der Verschuldungsgrad am höchsten ist und jede kleinere Rezession sofort massiv Folgen zeigt

      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 20.01.04 21:23:40
      Beitrag Nr. 1.278 ()
      USA

      Die 300-Milliarden-Dollar-Lücke

      Die Probleme deutscher Unternehmen bei der Finanzierung ihrer Betriebsrenten plagen Firmen in den Vereinigten Staaten schon länger. Amerikanische Rentner müssen um ihre Pensionen bangen.

      Von Andreas Oldag



      Nach Schätzungen der Regierung in Washington hat die betriebliche Altersversorgung eine Unterdeckung von rund 300 Milliarden Dollar. Sie wird damit für viele Unternehmen zu einer ernsten Belastung.

      Großkonzerne wie General Motors und Ford, die krisengeschüttelten Stahlkocher und die bedrängten Fluggesellschaften stecken in der Klemme. Sie können die Löcher zwar aus dem laufenden Geschäft stopfen, doch dann fehlt das Geld für Investitionen.



      Investitionsrückgang befürchtet
      Schon debattieren Fachleute über die Gefahr, dass die amerikanischen Autokonzerne bald nur noch für ihre Rentner arbeiten müssen. „Die Gewinne der Unternehmen werden über viele Jahre zu den Pensionären gelenkt und nicht in Investitionen, wie es eigentlich sein sollte“, warnt Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz.

      Die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie verschlechtere sich so, die Gewinne brächen ein und damit auch die Aktienkurse.

      Für die Misere gibt es mehrere Gründe: Schrumpfende Beschäftigtenzahlen und steigende Krankenversicherungskosten für die Pensionäre sind vor allem bei den Industrieunternehmen ein Problem. Einer sinkenden Zahl von Mitarbeitern steht eine wachsende Zahl von Betriebsrentnern gegenüber. Das Arbeitsministerium in Washington schätzt, dass bereits im Jahr 2015 ein Fünftel der Erwerbstätigen älter als 55 Jahre sein wird.

      Amerikanische Unternehmen finanzieren die Renten ihrer Mitarbeiter häufig über Pensionsfonds. Diese kommen für die Altersversorgung von rund 43 Prozent aller Beschäftigten auf. Sie legen ihr Geld üblicherweise in Wertpapieren an. In vielen Fällen sind die Fonds jedoch schlecht geführt worden. Viel zu spät haben die Anlagemanager auf Marktveränderungen reagiert.

      So litten sie 2000 bis 2002 extrem unter der schlimmsten Börsen-Baisse seit den dreißiger Jahren. Zwar sind die Kurse inzwischen wieder gestiegen. Doch nun drücken die niedrigen Zinsen auf die Renditen der festverzinslichen Werte in den Pensionskassen.

      Im Falle einer Insolvenz soll eine staatliche Kasse für die Betriebsrentner einspringen und Finanzierungslücken schließen. Die so genannte Pension Benefit Guaranty Corporation (PBGC) steht nun allerdings selber vor einem Finanzierungsproblem. Ihr Defizit ist im vergangenen Jahr von 3,6 Milliarden auf 11,2 Milliarden Dollar gestiegen.

      PBGC-Direktor Steven Kandarian warnte vor einer „zunehmenden Erosion“ der Finanzkraft und mahnte Reformen an. Das bedeutet im Zweifelsfall Zuschüsse aus Washington – schlechte Aussichten also für die von Präsident George W. Bush versprochene Verringerung des Budgetdefizits.

      Viele Unternehmen haben inzwischen die Betriebsrenten auf durch die Mitarbeiter selbst verwaltete Pensionssparkonten umgestellt. Diese werden mit steuerlichen Vergünstigungen staatlich gefördert. Doch es gibt dabei keine Garantien für die Auszahlungen.

      Der Trend hat sich in den vergangenen Jahren beschleunigt. Das Geld in betrieblich bezuschussten und in eigenen Altersvorsorge-Sparplänen können die Amerikaner verwenden, wenn sie 59,5 Jahren alt geworden sind. Die Auszahlungen sind dann voll einkommensteuerpflichtig.

      (SZ vom 20.01.2004)

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/124/25099/
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 20:14:31
      Beitrag Nr. 1.279 ()
      Neue Rufe nach Zwangsarbeit

      http://www.bwl-bote.de/index.htm

      Es mag schon verwundern, daß knapp 14 Jahre nach dem Ende des kalten Krieges und dem Ende der DDR in Deutschland noch immer eine auf der allgemeinen Wehrpflicht aufbauende stehende Armee vorhanden ist, und noch viel verwunderlicher ist es, daß trotz des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG Frauen nie zur Wehrpflicht eingezogen wurden, es also mit der Gleichheit vor dem Gesetz nicht so weit her ist - wie auch die Dauer des Zivildienstes stets die Dauer des Kriegsdienstes überstieg, was ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 ist, wo nämlich gerade steht, daß die Dauer des Zivildienstes die des Wehrdienstes nicht übersteigen darf. Doch obwohl wir wissen, daß das Grundgesetz nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht, verwundern doch die neuen Rufe nach Zwangsarbeit - und die, die sie äußern.

      Angriffskrieg mit Berufssoldaten?
      So soll jetzt, da man die Bundeswehr auf Landesverteidigung in Afghanistan und Seekriegsführung vor dem Horn von Afrika umstellt, wo Deutsche Interessen ja ganz zweifellos zu verteidigen sind (wer könnte das je bestreiten??), man also möglicherweise auch das Verbot des Angriffskrieges aus Art. 26 Abs. 1 GG verletzt oder eine solche Verletzung vorbereitet, natürlich ebenso straffrei wie die Bücherdiebstähle und Brandflaschenwürfe des Herrn Fischer oder die Kindersex-Abenteuer des Herrn Cohn-Bendit, endlich die allgemeine Wehrpflicht fallen und die Bundeswehr auf eine Berufsarmee umgestellt werden.

      Die Angst der Sozialdienste
      Kein Wunder, daß bei den Sozialdiensten die Ängste wachsen, hat man sich doch bisher auf kostenlose Kriegsdienstverweigerer als Lückenfüller stets verlassen können, die erst ihren Zivil- und dann, als dieser an Dauer den Wehrdienst in grundgesetzwidriger Weise überstieg, ihren Zuvieldienst geleistet haben. Aber wie wird es nach dem Ende der Wehrpflicht?

      Das Leitbild der Sklavenarbeit
      Weder Wehrpflichtige noch Zivildienstleistende sind, von Ausnahmen abgesehen, freiwillig bei ihrer jeweiligen Sache. Sie sind, nennen wir das Kind mal beim Namen, eine Art moderne Sklaven, die nicht nur - im späteren Berufsleben - einen großen Teil ihrer hart erarbeiteten Einkünfte, sondern auch einen wesentlichen Teil ihrer besten Lebenszeit einem Staat opfern müssen, der sich also Sklaven hält. Wir leben daher in der marxistischen Definition gesprochen noch immer in einem Sklavenhalterstaat - der die Sklaverei nur etwas modernisiert und vor allem kollektiviert hat (wobei man letzteres bezweifeln kann, betrachtet man, wie Günstlinge der Medien mit Prostituierten aus Osteuropa umgehen, aber der hier Gemeinte - "Paolo Pinkel" - ist ein Jude und damit natürlich tabu). Wir diskutieren nicht, ob dies in der Vergangenheit zeitgemäß war - jetzt ist es das jedenfalls nicht.

      Grundlegende Zwangsmentalität
      Die moderne Form der Sklaverei ist kein Einzelphänomen, sondern eine grundlegende Mentalität. Das offenbart sich am besten an den weiteren Kollektivierungsversuchen der letzten Zeit, zum Beispiel den Rufen nach Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung, die sich in Wirklichkeit nicht auf die Versorgung der Kranken sondern die Beraubung der Gesunden richtet. Indirekt scheint übrigens auch der Ruf nach Ausbürgerung nicht regimetreuer Deutscher, der bezeichnenderweise gerade vom Grünen Bütikofer geäußert wurde, gut in diese Linie des autoritären Staates zu passen, der zwingt, kontrolliert und straft. Kein Wunder, daß sich auch das Steuerrecht immer mehr zu einem Überwachungsrecht entwickelt - von der kommenden Energieüberwachung und Rationierung mal ganz zu schweigen.

      Die wirkliche Reform
      Wollte man wirklich reformieren, also das Bestehende verbessern, müßte man nicht an den Symptomen, wie dem drohenden Bankrott des Sozialsystems oder den viel zu hohen Steuern, sondern an der Wurzel, nämlich der seit 1945 kaum veränderten Zwangsmentalität, also am autoritären Staat anpacken. Man müßte aufhören, Angriffskriege vorzubereiten oder sich an der Seite der Amerikaner in grundgesetzwidriger Weise an ihnen zu beteiligen, man müßte aufhören, die Leute in Sozialsysteme zu zwingen, die ihr Geld fressen dennoch und immer weniger leisten, und man müßte vor allem endlich wieder der Wirtschaft die Leistung der Betriebe überlassen, statt staatliche Planbehörden zu errichten. Man bräuchte, kurz gesagt, den Nachtwächterstaat. Das aber setzt Vertrauen voraus, Vertrauen auf die Selbstorganisationskräfte des Marktes und das Gute im Menschen. Vertrauen darauf, daß Überwachung und Gängelung nur in äußerst wenigen Fällen wirklich nötig sind.

      Unveränderte Mentalität
      Die neuen Rufe nach einem sozialen Zwangsjahr für alle beweisen aber, daß nicht im geringsten ein Paradigmenwechsel stattfindet. Vielmehr werden immer neue, immer totalitärere Zwangsvorschläge gemacht - und das jenseits aller Zankgrenzen aus der SPD wie auch aus der CDU, was sehr schön zeigt, daß dies kein parteitaktisches-, sondern ein grundlegendes Phänomen ist. So bleibt Vater Staat ein harter Rabenvater mit eiserner Faust, der die Menschen überwacht, zertritt und entwürdigt, einst in der Diktatur wie auch jetzt in der vorgeblichen Demokratie. Verändert hat sich nur die Oberfläche - die Lüge darunter ist dieselbe geblieben.
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 20:16:37
      Beitrag Nr. 1.280 ()
      Ernstgemeint: Die Burger-Steuer

      Die Verbraucherschutzministerin Künast (Grüne) hat allen Ernstes gefordert, es solle ein Fond gegründet werden, der über die Folgen einseitiger Ernährung aufkläre. An der Finanzierung solle die Nahrungsmittelindustrie beteiligt werden, wobei jene Unternehmen, die "ungesunde" Nahrungsmittel herstellen (z.B. Burger, Cola-Getränke), mehr einzahlen sollen - die Burger-Steuer.

      Das Verbraucherschutzministerium bestätigte Pläne, daß an einem neuen Verbraucherinformationsgesetz gearbeitet werde, das dem Konsumenten einen weiteren Informationsanspruch geben solle, wie die Produkte hergestellt werden. Die Auskunftspflicht solle auch den Behörden gegenüber bestehen. Ein früheres Gesetz, das aber nicht so weit ging wie der derzeitige Entwurf, scheiterte 2002 im Bundesrat........


      http://www.bwl-bote.de/20040120.htm
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 20:27:16
      Beitrag Nr. 1.281 ()
      21.1.04 EU-Finanzminister warnen vor Währungsturbulenzen

      Von Wolfram Trost, Frankfurt, und Thomas Klau, Brüssel




      Trotz der gemeinsam geäußerten Sorge der Finanzminister und Notenbankchefs der Euro-Zone über "starke Wechselkursschwankungen" hat der Euro seinen bisher größten Tagesgewinn verbucht. Die Devisenmärkte hatten schärfere Worte der Warnung von den Währungspolitikern erwartet.

      Die Finanzminister hatten gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission am Montagabend gesagt: "Wir sind besorgt über exzessive Wechselkursbewegungen." Es war seit Beginn der Währungsunion am 1. Januar 1999 erst das zweite Mal, dass die Finanz- und Geldpolitiker der Euro-Zone eine solche Warnung an die Finanzmärkte abgaben. Kurz nach der ersten derartigen Erklärung im Herbst 2000 stützten die wichtigsten Notenbanken der Welt den damals schwachen Euro. ... (FTD, 21.1.04)




      Kommentar: Die Änderung der Wechselkurse ist nur ein Symptom für die aufgebauten Ungleichgewichte auf dem Finanzmarkt. Über viele Jahre hinweg wurde ein künstlicher „Aufschwung“ inszeniert, mit dem Motor einer steigenden amerikanischen Verschuldung. Wie die Geschichte zeigt, korrigieren alle Ungleichgewichte früher oder später – meist plötzlich und drastisch.


      ------------------------------------

      Fondsvermögen der Investmentbranche erreicht neues Rekordniveau

      Branchenverband BVI sieht weiteres Wachstumspotenzial - Eigenen Gesetzentwurf für Altervorsorge vorgelegt


      von Lina Panitz

      Frankfurt/Main - Die Investmentfondsbranche atmet auf: 2003 war ein gutes Jahr. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) präsentiert ein neues Rekordergebnis: Das verwaltete Fondsvermögen der deutschen Investmentbranche stieg auf rund 955 Mrd. Euro an. Das sind knapp 100 Mrd. Euro mehr als im Vorjahr. Damit übertrifft der Branchenverband seinen bisherigen Höchstwert von rund 930 Mrd. Euro aus dem Boom-Jahr 2000. Die Zahl der Investmentsparer schätzt der Investmentverband auf 15 Millionen. ... (Welt, 21.1.04)




      Kommentar: Die Anleger haben offensichtlich immer noch nicht begriffen, dass ungebremstes Wachstum an der Börse nur zum Crash führt. Obwohl viele ihr Vermögen verloren haben, wird nun wieder munter in Fonds investiert. Dabei ist eine Fonds-Anlage eine der schlechtesten Möglichkeiten überhaupt: Die meisten Fonds wirtschaften schlechtere Erträge herein, als die Indizes. Zudem verliert der Anleger die Kontrolle über sein Geld. Warum soll eine Anlage, die ich anderen überlasse besser als als ein selbst getätigte?


      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 20:34:55
      Beitrag Nr. 1.282 ()
      Gesundheit

      Fehlstart zulasten der Alten

      Die Verbände haben mit dem Feinschliff der Gesundheitsreform zu spät begonnen. Jetzt herrscht Chaos


      Von Ulrike Meyer-Timpe

      Am 9. Januar kam es vor dem Altenheim Am Bixbusch in Mönchengladbach zum Eklat. Per Krankenwagen sollte eine 87-jährige Bewohnerin ins Krankenhaus fahren. Sechs Euro Zuzahlung? Die Dame hatte ihr Taschengeld bereits aufgebraucht – für den Arzt und vor allem für Medikamente. Die Fahrer weigerten sich, sie mitzunehmen; der Geschäftsführer des Heims drohte, alternativ einen teureren, aber zuzahlungsfreien Rettungswagen zu bestellen; im Hintergrund lauerten Journalisten. Erst nach langen Debatten lenkten die Fahrer ein.

      Die Bewohner der Pflegeheime sind die Ersten, die das Chaos der Gesundheitsreform voll trifft. Mehrere Hunderttausend meist alte Menschen haben eine zu geringe Rente und zu wenig Vermögen, um ihren Heimplatz selbst zu bezahlen. Der kostet in Deutschland ohne weiteres mehr als 3000 Euro im Monat, die Pflegeversicherung gibt maximal 1432 Euro dazu. Den Rest steuert das Sozialamt bei. Je nach Bundesland und früherem Verdienst gesteht man den Heimbewohnern zwischen 84,60 und 102,46 Euro „Taschengeld“ zu – für den Friseur und die Zahnpasta, die chemische Reinigung, Zigaretten und vielleicht auch das Geburtstagsgeschenk für die Enkelin.

      Von Zuzahlungen für ihre Medikamente waren sie bislang befreit. Jetzt geben sie als chronisch Kranke ein Prozent, sonst zwei Prozent des Jahreseinkommens zu ihrer medizinischen Versorgung dazu wie jeder andere auch. Wobei der Berechnung nicht das verfügbare Taschengeld, sondern der übliche Sozialhilfesatz von knapp 300 Euro zugrunde liegt. Macht eine Zuzahlung von etwa 35 beziehungsweise 70 Euro im Jahr. Obendrauf kommen noch die vollen Kosten für die vielen Dutzend Präparate, die seit Anfang Januar rezeptfrei sind.

      Maximal ein, beziehungsweise zwei Prozent des Einkommens – verteilt übers Jahr ist das nicht viel. Das Problem: Gezahlt wird, bis die Grenze erreicht ist, also konzentriert zu Jahresbeginn. Und dann verstreicht noch Zeit, bis die Bescheinigung der Krankenkasse vorliegt, die von weiteren Kosten befreit. Besonders kompliziert ist die Lage bei dauerhaft Kranken. Die Bescheinigung über ihren Zustand, die sie bisher ganz von Zahlungen befreite, gilt nicht mehr. Jetzt feilen Ärzte- und Kassenvertreter an einer neuen Definition der chronischen Krankheit, Ende Januar soll ein Ergebnis vorliegen. Dann müssen Anträge gestellt und Millionen Bescheinigungen verschickt werden, das kostet weitere Zeit. Und der Patient zahlt erst mal immer weiter.

      Notwendige Formulare fehlen

      Die alte Dame aus Mönchengladbach hatte Glück, sie kam schließlich kostenlos zum Krankenhaus. Weil ihr der energische Geschäftsführer zur Seite stand. Und weil Journalisten Zeugen waren. Zudem hat sie einen Sohn, der sich kümmert. Der hatte die Quittungen der Mutter gesammelt und war am 9. Januar gleich frühmorgens bei der Krankenkasse, um die Freistellung von weiteren Zahlungen zu erreichen. Ohne Erfolg: Bei der Kasse gab es die betreffenden Formulare noch nicht – obwohl die neuen Regeln bereits im Herbst verabschiedet wurden. In Hamburg wiederum wurden die Überweisungsscheine knapp, mit denen die Patienten weitere Zuzahlungen vermeiden. Die Druckerei konnte nicht schnell genug liefern.

      Wieso entfachen die neuen Regeln solches Chaos? Anders als bei dem Reformpaket, dessen Bestimmungen zu Arbeitsmarkt, Sozialhilfe und Steuern binnen nur gut einer Woche zum Jahresbeginn in Kraft traten, gab es immerhin ein paar Monate Vorlauf. Zeit genug also, um Formulare auf Vorrat zu bestellen, die Versicherten gründlich zu informieren und sogar, um schon mal chronisch Kranken die nötige Bescheinigung auszustellen. Warum wurde die Umsetzung der Gesundheitsreform nicht rechtzeitig vorbereitet?

      Das, was jetzt als „Gesundheitsreform“ über das Land hereinbricht, mutet den Versicherten einiges zu. Das den Betroffenen klarzumachen, haben alle Beteiligten erst mal vermieden. Die Regierung wollte die Wähler nicht verprellen. Und hoffte auf die Krankenkassen, die früher alle Änderungen den Versicherten erklärten. Die wiederum wollten auch nicht als Überbringer schlechter Nachrichten von ihren Mitgliedern abgestraft werden. Das Ergebnis: Die Bürger fühlen sich überrumpelt.

      Vor allem aber sind zwar die Zuzahlungen gesetzlich festgeschrieben, doch den Feinschliff der Anwendung besorgen die „Leistungserbringer“ unter sich in ihrem Gemeinsamen Bundesausschuss. Sie sollen zum Beispiel klären, was mit der Praxisgebühr in Notfällen ist, wie man jetzt die chronische Krankheit definiert und welche rezeptfreien Arzneien die Kasse weiterhin bezahlt, weil sie medizinisch notwendig sind. Doch die Vertreter der verschiedenen Lobbygruppen waren bis Dezember damit beschäftigt, ihren Ausschuss umzuorganisieren, sich über die Praxisgebühr generell zu erregen oder über neue Kassenbeiträge nachzudenken. An die eigentliche Arbeit machen sie sich erst jetzt. Das Chaos, das durch diese Verzögerung entsteht, fällt indes auf die Regierung zurück.

      Das Gerangel um die Sitze im Gemeinsamen Bundesausschuss hat womöglich auch verhindert, dass sich die Wohlfahrtsverbände energisch zum Anwalt machten für die Menschen mit schmaler Rente. Sie wollten ebenfalls in dem Gremium vertreten sein, das hatte für sie anscheinend Priorität. „Sie überschätzen, was sie dort bewirken können“, sagt der Sozialexperte Harry Fuchs. Nun sind ihre Mitarbeiter damit konfrontiert, dass viele Pflegebedürftige schon Mitte Januar die Zuzahlungsgrenze überschritten, aber keine Bescheinigung darüber und auch kein Geld mehr übrig haben. „Unsere Verbandsvertreter haben alle ganz tief geschlafen“, empört sich Helmut Walraffen-Dreisow, der Geschäftsführer von fünf Altenheimen ist. Und: „Die da oben wissen doch gar nicht, was hier unten los ist.“

      Diese Sparmaßnahme wird teuer

      Dabei war es schon im Sommer hinlänglich bekannt, dass solche Probleme auftreten würden. Der Bundesbeauftragte für die Belange der Behinderten, Karl Hermann Haack, wies mehrfach darauf hin. Doch die CDU bestand bei den Verhandlungen zum Gesundheitskompromiss darauf, dass es, abgesehen von den Kindern, keine Ausnahmen von der Zuzahlungspflicht geben dürfe.
      „Keiner kann behaupten, er habe nicht gewusst, was da geschieht“, sagt Sozialexperte Fuchs, der den Behindertenbeauftragten berät. „Aber als dann auch noch dieser Florida-Heini auftauchte, war mit der Politik über Sozialhilfeempfänger überhaupt nicht mehr zu reden.“ Selbst wenn es um pflegebedürftige Alte ging.



      Nirgendwo sonst agieren so einflussreiche Lobbyisten mit unterschiedlichsten Interessen wie im Gesundheitsbereich. Dass es künftig keine Befreiung von der Medikamenten-Zuzahlung mehr gibt, war beispielweise den Kassenvertretern besonders wichtig. In manchen Regionen wurde bislang über die Hälfte der Arzneien an Menschen verkauft, die nichts zahlen mussten, im Rheinland zum Beispiel 52 Prozent. Jetzt ist die Befreiung abgeschafft. Und die Versicherten sollen nun für Medikamente und Praxisgebühr 3,1 Milliarden Euro aufbringen.

      Um all das sozialverträglich abzufedern, zog die Regierung die prozentualen Obergrenzen ein. Doch manchem Patienten wird es kaum gelingen, die Quittungen korrekt zu sammeln und dann den Antrag zu stellen. Den Kassen kann das nur recht sein. Zudem dauert die Bearbeitung ihre Zeit, und die Versicherten strecken den Kassen so lange die Gebühren vor. Anschließend heißt es dann: Briefe schreiben und bei Ärzten, Apotheken und Krankentransporten das zu viel gezahlte Geld rückfordern. Für Altenheim-Chef Walraffen-Dreisow ein bürokratischer Irrsinn: „Das alles nur, damit unsere Sozialhilfeempfänger auf den Monat umgerechnet sechs oder sogar nur drei Euro zuzahlen! Da hätte man ihnen doch gleich das Taschengeld kürzen können, das wäre ehrlicher und obendrein viel effektiver gewesen.“

      Dass der Aufwand den Ertrag bei weitem übersteigt, gibt auch Ulla Schmidts Sprecher Klaus Vater zu: „Stimmt, dem ist nichts hinzuzufügen.“ Er hofft darauf, dass die Heime den überforderten Bewohnern die Bürokratie abnehmen und ihnen obendrein das Geld vorstrecken. Dieses Ansinnen lehnt Walraffen-Dreisow kategorisch ab. Sein Personal soll die ohnehin knappe Zeit für die hinfälligen Bewohner nicht dazu verwenden, Quittungen zu sammeln, Anträge zu stellen und zu viel gezahltes Geld zurückzufordern.

      Seine Befürchtung: Die Heime werden notgedrungen immer mehr amtliche Betreuer bestellen, die sich als eine Art Vormund um die finanziellen Belange der überforderten Bewohner kümmern. Das kostet dann die Sozialämter 360 Euro im Monat – ein Vielfaches dessen, was die Zuzahlung den Kassen bringt.

      (c) DIE ZEIT 15.01.2004 Nr.4

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/04/Gesundheits-Pfusch
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 21:18:47
      Beitrag Nr. 1.283 ()
      Weltsozialforum in Bombay

      Stolperstein auf dem Weg ins Steuerparadies

      Das Netzwerk der Globalisierungskritiker, die für Gerechtigkeit auf der ganzen Welt kämpfen, wächst.

      Von Manuela Kessler







      Stimmgewalt ist gefragt. Im Seminarraum A24, einem überdachten Geviert aus Jutebahnen, die sich über Holzplanken spannen, funktioniert die Lautsprecheranlage nicht und von den umliegenden Räumen schallen Wortfetzen hinüber.

      Die Referenten des Seminars über „die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und des Steuerwettbewerbs“, das auf dem Weltsozialforum in der indischen Finanzmetropole Bombay stattfindet, müssen ihre Stimmbänder quälen.



      Gefüllte Reihen
      Die Stuhlreihen, vor denen die Vertreter der Bürgerbewegung Attac Deutschland, der Swiss Coalition von Hilfswerken und des Internationalen Netzwerks für Steuergerechtigkeit sitzen, sind gefüllt. Der amerikanische Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat in Bombay soeben den Steuerwettbewerb angeprangert als „Aushöhlung des Staates“.

      Das schweizerische Bankgeheimnis bezeichnete der einstige Chefökonom der Weltbank als „Skandal“. Die Steuerhinterziehung ist den Globalisierungskritikern ein Dorn im Auge. Sie beklagen, dass die weltweite Liberalisierung der Kapitalflüsse und die Revolution im Kommunikationsbereich der Steuerflucht in den letzten zwanzig Jahren Vorschub geleistet hat.



      Beliebte Cayman-Inseln
      „Microsoft, im Besitz von Bill Gates, des wohlhabendsten Mannes der Welt, wies 1999 einen Umsatz von 12,3 Milliarden Dollar aus“, erläutert Lucy Komisar, eine New Yorker Wirtschaftsjournalistin, den Seminarteilnehmern. „Steuern bezahlte der multinationale Konzern dafür keine.“

      Wie ist das möglich? Durch die Flucht ins Steuerparadies, sagt die amerikanische Aktivistin. Fast ein Drittel der in den USA tätigen Großunternehmen, die jährlich mehr als 50 Millionen Dollar umsetzen, hätten zwischen 1989 und 1995 keine Einkommensteuer bezahlt.

      Und immer mehr Konzerne, sagt Komisar, entzögen sich dem Fiskus, indem sie so genannte Offshore-Tochterfirmen gründen, etwa auf den Cayman-Inseln. Die kleine Inselgruppe in der Karibik, die nur 31000 Einwohner hat, zählt 575 registrierte Banken und 20000 gemeldete Firmen.



      Wachsender Graben
      Sven Giegold, Mitglied des Attac-Koordinationskreises, spricht von einem wachsenden Graben zwischen Arm und Reich. Auch in Deutschland: In den vergangenen drei Jahrzehnten habe sich mobiles Kapital den Steuerbehörden zunehmend entzogen, die Abgaben auf Arbeitseinkommen hingegen seien gestiegen. „DaimlerChrysler hat 1997 trotz ansehnlicher Gewinne weder Körperschaft- noch Gewerbesteuer entrichtet“, hält Giegold fest.

      „Der Pförtner bezahlte mehr Steuern als der Konzern selbst.“ So genannte Doppelbesteuerungsabkommen erleichtern Attac zufolge die Steuerflucht. Kleine und mittelständische Unternehmen, die keine Briefkastenfirma in einer Steueroase unterhalten, seien im Wettbewerb mit den multinationalen Konzernen massiv benachteiligt.



      Lange Trickliste
      Die Trickliste, wie Großunternehmen ihre Gewinne verschieben, ist lang. Dividenden werden an eine Holdinggesellschaft in einer Steueroase ausgeschüttet. Konzerneigene Vertriebs-, Einkaufs- oder Versicherungsgesellschaften im Ausland stellen dem Mutterhaus überhöhte Rechnungen. Die eigene Patentverwertungsfirma erhebt Lizenzgebühren offshore.

      Die im Ausland operierende Finanzierungsgesellschaft nimmt Kredite auf und gibt sie dem Konzern zu hohen Zinssätzen weiter, sodass die anfallenden Zinszahlungen im Heimatland als Verluste bei der Steuer abzugsfähig sind. Mehr als die Hälfte des Welthandels mit Gütern und Dienstleistungen wird laut Attac firmenintern abgewickelt.

      Das mittlerweile in Steueroasen angelegte Kapital schätzt Vito Tanzi, der Chef der Steuerabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF), auf sieben bis acht Billionen US-Dollar: Dieses Volumen übersteigt den Wert des jährlichen Welthandels.



      Passive Fluchthilfe
      Die Schweiz leistet reichen Privatpersonen passive Fluchthilfe. Fachpublikationen über das Vermögensgeschäft gehen davon aus, dass die helvetischen Banken 37 Prozent des weltweit auf Privatkonten angelegten Geldes verwalten. Gut zwei Drittel davon würden nach Schätzung der Deutschen Bank nicht versteuert, sagt Bruno Gurtner von der Swisscoalition der Hilfswerke.

      Der Grund: Die Schweiz unterscheide zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Letzteres sei nach schweizerischem Gesetz kein Verbrechen. Das Bankgeheimnis werde nur gelüftet, wenn Verdacht auf Geldwäsche, Insidergeschäfte, Korruptionsdelikte und Terroristenkonten bestünde oder wenn nach Potentatengeldern gesucht werde.



      Gefahr für die Dritte Welt
      „Das aus den Fugen geratene Steuersystem bedroht die Entwicklungsländer“, sagt Bruno Gurtner. Die britische Entwicklungsorganisation Oxfam vermute, dass der Dritten Welt allein an Steuern jährlich 15 Milliarden Dollar entgingen.

      Das Geld fehle den unterentwickelten Volkswirtschaften an allen Ecken und Enden, betont Gurtner. „Die Industrieländer nehmen durchschnittlich 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Steuern ein, die Entwicklungsländer hingegen nur elf Prozent.“



      Wachsendes Netzwerk
      ´Attac Deutschland, die Swiss Coalition von Hilfswerken und das Internationale Netzwerk für Steuergerechtigkeit plädieren in Bombay für ein Stopfen der Steuerlöcher. Vor zwei Jahren haben die drei Organisationen auf dem Europäischen Sozialforum die Zusammenarbeit aufgenommen.

      Ihr Netz ist inzwischen auf 50 Gruppierungen angewachsen – und nach dem Seminar am vierten Weltsozialforum meldete sich bei ihnen ein Dutzend weiterer Interessenten.

      (SZ v. 22.1.2004)


      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/271/25246/
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 21:25:39
      Beitrag Nr. 1.284 ()
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      Die Wahlen in Georgien, das Öl, Baker und Rumsfeld


      von F. William Engdahl, Deutschland


      Die politische Erschütterung, die kürzlich die kleine zentralasiatische Republik Georgien erfasste, steht in direktem Zusammenhang mit der US-amerikanischen Öl- und Gaspipeline-Politik und deutet darauf hin, dass Washington dem Export kaspischen Öls und der Fertigstellung der Pipeline von Baku am Kaspischen Meer zur türkischen Stadt Ceyhan trotz der Anwesenheit von US-Soldaten im Irak hohe Priorität einräumt.

      Es ist beeindruckend, in welchem Ausmass die USA direkt in den Regimewechsel in Georgien involviert waren, dessen Lage zwischen dem Kaspischen Meer und dem Westen strategisch sehr bedeutsam ist, weil dieses Land unabhängig vom Iran und in Zukunft vielleicht auch von Russland ist. Es macht aber auch deutlich, wie fragil jede Investition in Energiegewinnung in dieser Region noch für einige Zeit bleiben wird.

      Der ehemalige Aussenminister der UdSSR zur Zeit Gorbatschows, der heute 75jährige Eduard Schewardnadse, erhielt bis vor ungefähr einem Jahr grosszügige finanzielle Hilfe aus den USA. Schewardnadse spielte die Beziehungen zu den USA aus, um sich von Russland zu distanzieren und um soviel zu erhalten, wie er herauspressen konnte. Nur Israel erhielt in den letzten zehn Jahren mehr US-Finanzhilfe pro Kopf als Georgien. Dies war so seit den späten 90er Jahren, als die Clinton-Regierung beschloss, den Bau einer Ölpipeline von Baku (BP Amoco) über das georgische Tiflis durch die Türkei zum Mittelmeerhafen Ceyhan sowie eine von Sha Deniz ausgehende Gas-Pipeline zu unterstützen (aber noch nicht zu finanzieren). Der Bau der Pipeline hat begonnen.

      Nach dem 11. September ersuchte Schewardnadse Washington um die Stationierung der US-Spezialeinheit Green Beret, angeblich, um das Pankisi-Tal im Norden des Landes von al-Kaida-Terroristen zu säubern. Wie zu erwarten, betrachteten Putin und Moskau dies als strategische Einmischung von seiten der USA. Putin schien diesen militärischen Schritt der USA jedoch herunterzuspielen und nannte ihn «no big deal». Gehandelt wurde anders.

      Im letzten Sommer übernahmen der halbstaatliche russische Energiekonzern Gazprom und Anatolij Chubais Raoues in aller Stille das Gas- und Stromversorgungsnetz Georgiens. In diesem Moment schalteten die USA einen höheren Gang ein. Sie waren ausser sich. Schewardnadse, der korrupte alte Fuchs, hatte offensichtlich an einen Mehrbietenden verkauft. Washington war im Begriff, das Kernstück seines Energieplans des letzten Jahrzehnts zu verlieren, die Kontrolle über die kaspischen Pipeline-Routen.

      Es war der Moment, im Juli 2003, in dem Bush den ehemaligen amerikanischen Aussenminister James Baker zu einem Treffen mit seinem seinerzeitigen Amtskollegen Schewardnadse schickte. Man sagte dem alten Fuchs ohne Umschweife, dass Washington für einen Regimewechsel bereit sei. US-Druck, nicht die kleinen Strassendemonstrationen liessen Schewardnadse beiseite treten und ein Geschäft abbrechen. Bush schickte ausserdem seinen höchsten Energieberater, Stephen Mann, nach Tiflis. Am 5. Dezember reiste dann Donald Rumsfeld nach Tiflis, um den Abzug der russischen Truppen aus Georgien zu verlangen, und versprach der von Amerika unterstützten Interimsregierung, die militärische Zusammenarbeit mit Georgien zu verstärken.

      Wie verlautet, war die «Rosenrevolution» der populären Opposition mit Unterstützung der USA und Netzwerken von Soros «Open Society» in Georgien organisiert worden. Die USA unterstützten den 36jährigen, in den USA ausgebildeten Bürgermeister von Tiflis, Michail Saakaschwili, einen Pro-Amerikaner mit holländischer Ehefrau. Der russische Aussenminister Ivanow erwähnte offen die Rolle von Soros bei diesem Regimewechsel, was zumindest die offizielle Interpretation Russlands zeigt. Auch andere erwähnen Soros Rolle.

      Die Entsendung von James Baker war bedeutsam. Baker ist persönlich auch Anwalt für BP Amoco in Baku. Auch Brzezinski ist Berater von BP Amoco. Kurz gesagt, was für Washington in Georgien auf dem Spiel steht, ist bedeutsam genug, um einen derart offenen Affront Putins zu riskieren. Das deutet darauf hin, dass die kaspischen Gas- und Ölfelder für einige Zeit im Zentrum internationaler Ölpolitik stehen werden.

      Wenn man die Ereignisse in Georgien zusammen mit dem Durchgreifen Putins gegen den Yukos-Ölkonzernchef Michael Chordorkoswki im letzten Oktober sieht und weiss, dass George W. Bush im September in Moskau war, um über den Verkauf von 40% von Yukos an Chevron Texaco zu sprechen, dann zeigt das, dass die herzliche Freundschaft zwischen Bush und Putin alles andere als herzlich ist. Zurzeit ist aber nicht klar, wie sich die Ereignisse unter dem sehr populären jungen Saakaschwili entwickeln werden. Klar ist nur, dass Moskau aus dem Spiel um das kaspische Öl noch nicht ausgeschieden ist. Die Intensität der US-Aktion lässt vermuten, dass das Thema der Ausbeutung der wichtigsten Ölfelder der Welt, das Problem der Ölhöchstfördermenge (peak-oil), die Köpfe der Bush-Regierung sehr stark beschäftigt.



      Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.2 vom 19.1.2004, letzte Änderung am 20.1.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 22:21:46
      Beitrag Nr. 1.285 ()
      Inland
      Ulla Jelpke

      Ein teures Beamtenprivileg

      Beihilferegelung teurer als Bürgerversicherung. Bundestagsabgeordnete lehnen Praxisgebühr für sich ab


      Die Diskussion der letzten Tage über die Zehn-Euro-Praxisgebühr hat ein Abgeordnetenprivileg aufgedeckt, das zugleich ein Beamtenprivileg ist. Während die gesetzlich Versicherten jedes Quartal für den Besuch einer Arztpraxis zehn Euro zusätzlich zahlen müssen, somit mindestens 40 Euro jährlich (zahnärztliche Behandlungen müssen extra bezahlt werden), ist für die Bundestagsabgeordneten eine Pauschale von 20 Euro im Jahr festgelegt worden. Dabei orientierte man sich an der für Beamte geltenden Regelung. Nach allgemeinem Proteststurm wegen dieser Sonderbehandlung soll nun eine Angleichung der Praxisgebühr auf 40 Euro kommen.

      Diese Detailkorrektur ändert aber nichts daran, daß es grundsätzlich beim System der Beihilfe für Beamte im Krankheitsfall bleibt. Das bedeutet, daß die Staatsdiener sich privat versichern lassen können, dabei aber einen niedrigen Tarif wählen, da 50 Prozent der Krankheitskosten vom Dienstherrn, also vom Staat oder der Kommune, übernommen werden. Auf preiswerte Weise können Beamte somit die Annehmlichkeiten eines Privatpatienten in Anspruch nehmen. Diese Sonderstellung schien gefährdet, als im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform eine Debatte über eine Bürgerversicherung (nach Schweizer Vorbild) aufkam. In diese allgemeine Krankenversicherung wären auch Beamte einzubeziehen.

      CDU/CSU und FDP lehnten dies als traditionelle Beamtenlobbyisten kategorisch ab. Als immer wiederkehrendes Argument wurde vorgebracht, daß die Beihilferegelung für den Staat kostengünstiger sei. Denn bei einer Übernahme der Beamten in die gesetzlichen Krankenkassen oder in einer Bürgerversicherung müßte ja der Staat einen Arbeitgeberanteil für den Krankenversicherungsbeitrag leisten, beim Beihilfesystem braucht er dies nicht zu tun; dafür beteiligt sich der Staat zu 50 Prozent an den tatsächlichen Krankheitskosten der Beamten.

      Dieses alte Argument ist nun widerlegt worden. Unfreiwillig hat die FDP den Verfechtern der Bürgerversicherung Schützenhilfe geleistet. Denn eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion (Drucksache 15/2312) brachte zutage, daß die Beihilfe nur in Bezug auf die aktiven Beamten günstiger ist. Die Beihilfeausgaben lagen im Jahre 2002 für die aktiven Beamten bei 258 Millionen Euro. Der Arbeitgeberanteil – wären dieselben Beamten gesetzlich versichert – hätte 368 Millionen Euro betragen. Scheinbar spart der Staat also durch das Beihilfesystem Kosten. Nimmt man aber die Versorgungsempfänger hinzu, ändert sich das Bild: Die Gesamtaufwendungen für Beihilfe (Aktive und Pensionäre) betrugen 2002 nämlich 1021 Millionen Euro, der fiktive Arbeitgeberanteil liegt für denselben Zeitraum bei 752 Millionen Euro.

      Fazit: Die Sonderregelung für Beamte und Versorgungsempfänger führte im Jahr 2002 zu einer Zusatzbelastung von 269 Millionen Euro für den Steuerzahler.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-22/012.php
      Avatar
      schrieb am 21.01.04 22:24:01
      Beitrag Nr. 1.286 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Schuldenfalle

      Berlin ist auch Hauptstadt der Privatpleiten. Beratungsangebote dennoch drastisch gekürzt


      Während die Profiteure des Berliner Bankenskandals noch zwei bis drei Jahrzehnte ihre vom SPD-PDS-Senat garantierten Renditen auf Kosten der Bevölkerung genießen dürfen, verzeichnet die Hauptstadt eine dramatische Zunahme nicht nur der öffentlichen, sondern auch der privaten Verschuldung. Das berichtete die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin (LAG SIB) am Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

      Nach »vorsichtigen Schätzungen« sind 160000 Berliner Haushalte überschuldet, so Martin Leinweber, Vorsitzender der LAG SIB. Außer der steigenden Arbeitslosigkeit spiele auch gescheiterte berufliche Selbständigkeit eine wachsende Rolle. Neben der »klassischen« Zahlungsunfähigkeit seien immer mehr Hilfesuchende in den Beratungsstellen unmittelbar vom Verlust der Wohnung bedroht.

      Doch auch andere »Zuwachsraten« deuten auf eine dramatische Entwicklung hin. So sei der Anteil von Jugendlichen und jungen Erwachsenen an den überschuldeten Personen und Haushalten deutlich gestiegen. Oftmals »vererbe« sich die desolate finanzielle Lage über mehrere Generationen, weiß Bettina Heine, die stellvertretende Vorsitzende der LAG SIB, aus ihrer Praxis zu berichten.

      Zur Zeit werden in den 21 anerkannten gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Berlin 9000 Menschen fest betreut, in der Regel mit dem langfristigen Ziel einer Entschuldung entsprechend des 1999 in Kraft getretenen Verbraucherinsolvenzgesetzes. Dieses Gesetz sieht die Möglichkeit der Annullierung der angehäuften Schulden nach einer längeren »Wohlverhaltensphase« vor. Doch außer der Betreuung dieses »harten Kerns«, der laut LAG SIB insgesamt knapp 460 Millionen Euro Schulden hat, gibt es noch Kurzberatungen für bis zu 15000 Menschen pro Jahr. Doch das reicht bei weitem nicht aus. In einigen Bezirken wie Neukölln müßten Interessenten inzwischen bis zu einem Jahr auf die Aufnahme in das Entschuldungsberatungsprogramm warten, so Leinweber.

      Obwohl der Bedarf an Schuldnerberatung kontinuierlich steigt, hat der Senat auch in diesem Bereich den Rotstift angesetzt. Zum einen wurde der Förderbetrag aus dem Landeshaushalt auf fünf Millionen Euro pro Jahr eingefroren, doch wesentlich dramatischer sind die Auswirkungen der Kürzungen in den Stadtbezirken, die den Löwenanteil der Schuldnerberatung tragen sollen, aber nicht können. Dadurch mußte das Beratungsangebot der freien Träger teilweise drastisch reduziert werden. Trotzdem wusch Berlins PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner auf der gestrigen Pressekonferenz ihre Hände wie üblich in Unschuld. Es sei ausschließlich Aufgabe der Bezirke, sozialpolitische Prioritäten zu setzen. Das ist allerdings blanker Zynismus. Die Bezirke haben aufgrund der viel zu niedrigen Pauschalsummen aus dem Landeshaushalt oftmals nur noch die Wahl, entweder bei Einrichtungen der Jugendhilfe, bei Beratungsstellen für Migranten oder eben bei Schuldnerberatungsstellen Mittel zu streichen. Dazu kommt die Praxis vieler Sozialämter, armen Menschen, denen beispielsweise der Wohnungsverlust durch Mietschulden droht, die Schuldenübernahme ohne weitere Prüfung zu verweigern.

      Doch es könnte noch schlimmer werden. Da der Senat aufgrund der Haushaltslage nur noch »Pflichtaufgaben« erfüllen will, könnten der Schuldnerberatung weitere Kürzungen drohen. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat schon des öfteren auf angebliche »Ausstattungsvorsprünge« Berlins im Vergleich zu anderen Bundesländern hingewiesen. Doch diesen Berechnungen liegen nur Pro-Kopf-Ausgaben der Länder für bestimmte soziale Aufgaben ohne Berücksichtigung der spezifischen Sozialstruktur zugrunde. Und selbst Knake-Werner lehnt weitere Kürzungen bei der Schuldnerberatung unter Hinweis auf die extrem hohe Arbeitslosigkeit und den großen Anteil von Sozialhilfebeziehern an der Berliner Bevölkerung ab. Rettungsanker sollen nunmehr die »Hartz-Gesetze« sein, die die Schuldnerberatung nach der geplanten Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zu einer gesetzlichen Querschnittaufgabe der Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit machen sollen. Bisher habe ihm aber »noch niemand sagen können, wie das genau funktionieren soll«, so Leinweber. Von der Personal- und Finanzausstattung ganz zu schweigen. Zu befürchten sei zudem, daß die Förderung von Existenzgründungen, den sogenannten Ich-AG’s, etwas zeitversetzt eine neue Überschuldungswelle produziert.

      Aufgeben wollen die Schuldnerberater jedoch nicht. Zwar stünde man »mit dem Rücken an der Wand«, doch jeder Fall, in dem es gelungen sei, jemandem aus einer »tiefen Lebenskrise zu helfen«, gebe einem neue Kraft, so Heine.

      In Zukunft will man sich verstärkt der »Schuldenprävention« widmen. Vielen Jugendlichen fehle jegliche »finanzielle Allgemeinbildung«. Fragen des alltäglichen Umgangs mit Geld sollen daher verstärkt in den Schulen behandelt werden. Besonders mit dem Abschluß von Mobilfunkverträgen beginne »so manche Schuldnerkarriere«, so Heine.

      * Eine neue, umfassende Broschüre der LAG SIB zum Thema Schulden kann bei ihr angefordert werden: LAG SIB e.V., Genter Straße 53, 13353 Berlin, Tel. 45 30 01 17

      Im Internet : www.schuldnerberatung-berlin.de
      http://www.jungewelt.de/2004/01-22/013.php
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      schrieb am 21.01.04 22:25:09
      Beitrag Nr. 1.287 ()
      Inland
      disch

      Keine Zielgruppe?

      Über 50 und in Würde altern - in dieser Gesellschaft nicht eingeplant


      Deutschland stemmt sich mit allen Mitteln gegen die in Medien vielzitierte »Vergreisung der Gesellschaft«. Nein, nicht durch einen reichlichen Kindersegen, sondern mit Besuchen beim Schönheitschirurgen, Wellness-Urlauben, Vitaminpillen und flächendeckend kindlichem Getue erwachsener Primaten. Um Gottes Willen, nicht »alt« werden, scheint die Devise, und wer dies bisher belächelt hat, weiß nichts von den wahren Gründen. Nein, es geht nicht um Vorteile beim Paarungsverhalten und auch nicht um narzistische Egoismen. Die Leute haben wohl einfach nur Angst um ihren Job. So will sich der Mode-Discounter Takko nach Informationen des Stern von über 50 Jahre alten Mitarbeitern trennen. Das Magazin zitiert in seiner neuen Ausgabe das Protokoll einer Takko-Regionalleiter-Sitzung, in dem es unter dem Punkt Personal heißt: »Mitarbeiter über 50 Jahre sind im Laufe der nächsten drei Monate auf Entwicklung und Optik zu überprüfen. Nicht passende sind nach Abwägung zu kündigen.«

      Also, Leute, verbessert entweder eure Optik, oder geht auf die Barrikade. Wehrt euch gegen den ganzen Kommerz- und Kapitalscheiß, der euch zur Zielgruppe degradiert oder gar zur Nichtzielgruppe. Bleibt auf eurem Geld sitzen. Ihr braucht kein neues Auto, kein neues Handy. Ihr braucht kein gentechnisch versautes Essen, keinen Frischsalat im Winter und kein Fernsehen. Ihr braucht Perspektiven für eure Kinder, vernünftig bezahlte Arbeit, ein erschwingliches Gesundheitssystem und die Möglichkeit, in Würde zu altern. Das kann euch keiner verkaufen.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-22/014.php
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      schrieb am 23.01.04 18:33:28
      Beitrag Nr. 1.288 ()
      Lebensmittel:
      Wie die wahre Herkunft verschleiert wird

      BR | 20.01.2004 | 21.55

      Basmati Reis aus der Himalaja-Region, den essen viele gerne, besonders in Deutschland. Dass er ein wenig teuerer ist, stört den Verbraucher nicht. Doch keiner ahnt, daß dieser Reis aus Indien oder Pakistan, oftmals gar nicht von dort stammt. Falsche Herkunftsangaben auf Verpackungen?
      PlusMinus fragt bei Verbrauchern nach.

      PlusMinus:
      "Glauben Sie denn solchen Herkunftsbezeichnungen?"
      Verbraucher:
      "Ja selbstverständlich. Ich glaube, was draufsteht."
      "Ich habe noch nie mit befaßt damit."
      "Ich weiß nicht, ob es ne gesetzliche Vorschrift gibt, sich an die Wahrheit zu halten. Ich hoffe mal schon."

      Doch weit gefehlt. Oft ist eben nicht das drin, was die Angabe auf der Packung verspricht. Jetzt gibt es eine wissenschaftliche Methode das zu testen, die sogenannte Isotopenanalyse und die funktioniert so:

      Wie alle Stoffe besteht auch Reis aus Atomen und die kann man auf ihre Herkunft hin testen. Denn zu jedem Atom gibt es verschiedene Arten von Atomen, auch Isotope genannt. Sie unterscheiden sich nur in der Anzahl der Neutronen im Kern. So gibt es zum Beispiel Blei 204, Blei 206, Blei 207 und Blei 208, die Bezeichnung hängt von der Anzahl der Neutronen ab. Die Anzahl der verschiedenen Bleiisotope ist von Region zu Region verschieden. Man spricht von Isotopenverteilungen. Was für Blei gilt, gilt auch für alle anderen Atome. Die Isotopenverteilungen sind wie ein innerer Stempel, ein geographischer Fingerabdruck.

      Ob die Reispflanze tatsächlich aus dem Himalaja kommt, kann die Wissenschaft heute mit Hilfe dieser Isotopenanalyse zweifelsfrei klären. Für Basmatireis vom Himalaja ist der deutsche Verbraucher bereit bis zu 50 Cent pro 500g Packung mehr auszugeben.

      Wir machen den Test. Auf der Reis-Packung, die wir in einem Supermarkt gekauft haben, heißt es: Basmatireis aus dem Himalaja-Gebiet. Stimmen aber die Isotopenmuster unserer Päckchen mit denen echter Basmatiproben aus Indien und Pakistan überein?

      Mehrere Tage untersuchen die Mitarbeiter der Isolab GmbH bei München unsere Proben. Woher kommt der Reis? Treffen die Angaben auf dem Etikett zu? Europaweit einzigartig gibt es hier eine umfangreiche Isotopendatenbank. Auch zum Reis. So können die untersuchten Proben eingeordnet werden.

      Andreas Roßmann von der Isolab GmbH erklärt das Untersuchungsergebnis unserer Reisprobe. Zu diesem Zweck zeigt er uns echte Isotopenverteilungen aus verschiedenen Regionen der Welt:
      "Hier sind Reisproben aus Italien, aus Spanien, aus Griechenland, hier Proben aus den USA, hier sind die Proben aus den USA. Hier ist die eine Gruppe, Basmati-Proben Indien Pakistan und hier sind die Handelsproben, die genauso deklariert sind, und man sieht, es ist hier ein auffälliger Unterschied. Und in der Tendenzen gehen diese Werte eher in Richtung der US- amerikanischen Proben."

      Der Reis ist also falsch deklariert. Der Kunde wird bewußt getäuscht.

      Privatdozent Stefan Hölzl testet seit 10 Jahren Lebensmittel auf ihre Herkunft. Überall da, wo der geographische Ursprung eines Produkts einen höheren Preis verspricht, gibt es eine hohe Betrugsanfälligkeit. Beispiele hat er genug, ob deutscher Emmentaler aus polnischer Milch, italienischer Qualitätswein aus osteuropäischen Trauben oder deutsches Fleisch aus England, es wird gepanscht, getäuscht und betrogen, das weiß Stefan Hölzl vom Bayer. Staatsammlung für Paläontologie und Geologie aus Erfahrung:
      "Ich denke, daß in allen Bereichen krasse Fälle da sind, es ist nur die Frage, wann man Interesse daran hat, die aufzudecken. Aber die Dunkelziffer ist sehr hoch."

      Neuester Fall: billiges Saftkonzentrat wird zur Zeit in deutschen Geschäften als Direktsaft angeboten, als angeblich fruchteigener, unverdünnter Saft. In einem Schreiben warnt die Schutzgemeinschaft der Fruchtsaft-Industrie ihre Mitglieder.

      "Der SGF liegen zuverlässige Hinweise vor, dass große Mengen Orangensaft ...verdünnt und bis zu 1:1 verschnitten in Verkehr gebracht werden. Der Verbraucher wird schlicht betrogen."

      Auch wenn es auf den ersten Blick nur um Cent-Beträge geht. Betrügerische Firmen ergaunern sich so Millionen. Mittlerweile ordnen Experten falsche Etikettierungen, den Betätigungsfeldern der organisierten Kriminalität zu. Das Verbraucherschutzministerium ist nicht zuständig und verweist auf die Länder. Deren Ämter aber haben mit der Überwachung der Lebensmittelsicherheit bereits genug zu tun.

      Neben dem Verbraucher gibt es übrigens noch einen Geschädigten beim Etikettenschwindel, den Steuerzahler. Denn wer bestimmte Lebensmittel aus der EU ausführt, bekommt Geld von den Finanzbehörden ausbezahlt.

      Das Hauptzollamt Jonas in Hamburg bearbeitet Erstattungen an Export-Firmen und zahlt Subventionen, oft auch an Kriminelle. Von 2001 bis 2002 meldet die EU eine Steigerung bei betrügerisch erlangten Erstattungen um 41 Prozent. Neuere Zahlen gibt es noch nicht.

      Zollkontrolle an der EU-Außengrenze. In einer Art Karussell läßt die Mafia Butter in Europa spazierenfahren. Bei der Ausfuhr kassiert sie Subventionen. In Osteuropa erhält die Butter falsche Etiketten, Herkunft Osteuropa und wird gleich wieder eingeführt, zollfrei. Dann wieder ausgeführt und so weiter.

      Hans-Peter Balling von der Zollfahndung Karlsruhe zeigt uns Butterproben, die aus einem gigantischen Betrugsfall stammen. Er hatte sie, um die Herkunft der Butter zweifelsfrei zu klären mit Hilfe der Isotopenanalyse untersuchen lassen. Ergebnis: die Isotopenmuster der Butterproben paßten nicht zusammen mit den Angaben über die Herkunft der Import-Exportfirma. Die Butter war falsch deklariert. Den Importeur brachte Hans-Peter Balling vor Gericht:
      "Allein in diesem Ermittlungsverfahren entstand ein Schaden von 2,5 Mio. Euro. Dieser Betrag wurde im Rahmen eines längerwierigen Finanzgerichtsverfahrens von den entsprechenden Einfuhrfirmen nachgefordert."

      Zurück zu unserer Reisprobe. Hier werden sogar Verbraucher und Staat betrogen. Der Grund: Für den Import von amerikanischem Reis müßte der Importeur eigentlich Einfuhrabgaben in Höhe von 204 Euro pro Tonne bezahlen. Der Import von indisch oder pakistanischem Reis ist kostet nur 88 Euro. Der Staat wird um 116 Euro pro eingeführter Tonne betrogen.
      Und der Verbraucher gibt für den angeblich exotischen Reis im guten Glauben mehr aus. Die Firma kassiert doppelt ab. Die Isotopenanalyse schafft Klarheit und dennoch wird sie bisher kaum eingesetzt.

      Bericht: Sabina Wolf
      Stand: Mitte Januar ’04



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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 20.01.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=145
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 18:38:40
      Beitrag Nr. 1.289 ()
      Krankheitskosten:

      BR | 20.01.2004 | 21.55

      Die Gesundheitsreform lahmt! Die Versicherten müssen sich an vieles gewöhnen.

      Beim Arzt den Zehner zücken wie am Kiosk. Im Krankenhaus, in der Apotheke überall die offene Hand. Aber wenn es etwas bringt, sagt sich der Patient.
      Mit 10 Milliarden Euro werden die gesetzlichen Kassen in diesem Jahr entlastet. Das sollen sie an die Versicherten weitergeben. Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt spricht von durchschnittlich 0,7 Prozentpunkten Beitragssenkung und sie ist überzeugt , 2004 wird das Jahr der Beitragssenkung. Doch die Kassen brauchen den Milliardensegen erst einmal um ihre Schuldenberge abzutragen. Und so denken etliche nicht an Senkung.

      Ganz im Gegenteil:
      Zum Beispiel erhöhte die BKK MOBIL OIL um 0,7 Prozentpunkte auf 13,6 Prozent und ebenso die BKK Allianz auf 13,7. Die SIEMAG setzte den Beitrag um 0,9 Prozentpunkte auf 13,8 hoch. Die BKK HENSCHEL Plus langte gar mit einem ganzen Prozent zu.

      Allerdings haben 20 Kassen ihren Beitrag auch etwas gesenkt. Besonders forsch will die Securvita mit 1,6 Prozent herunter. Letztes Jahr hat sie erst einmal kräftig zugelangt, um jetzt auf 12,9 Prozent zu senken. Alles nur ein Werbegag?

      Ellis Huber, Vorsitzender der Securvita BKK, argumentiert, die Kasse hätte letztes Jahr Überschüsse erwirtschaftet, entsprechend könne sie die Entlastung durch die Gesundheitsreform weitergeben. Das Bundesversicherungsamt genehmigte diese hohe Absenkung nicht. Es fürchtet eine zu große Verschuldung der Kasse.

      Securvita zieht vor Gericht. Alle Kassen warten gespannt auf den Ausgang.

      Die DAK konnte ihre Beiträge immerhin um 0,5 Prozentpunkte auf 14,7 Prozent senken. Mehr ist nicht drin, sagt die Versicherung. Und so sieht Herbert Rebscher von der DAK – früher Vorsitzender des Ersatzkassenverbandes - die Spielräume für die gesetzlichen Kassen auch nicht so groß, wie es sich Ulla Schmidt wünscht.

      Er hält 2004 einen Durchschnitts-Beitrag von 14 Prozent für realistisch. Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt geht von 13,6 aus. Experten der Rürup-Kommission orakeln dagegen, die Beiträge könnten durchschnittlich auf 15 Prozent steigen.
      Sicher sind nur die Zuzahlungen für den Patienten.

      Bericht: Jutta Himmel
      Stand: Mitte Januar ’04


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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 20.01.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=149
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 18:46:14
      Beitrag Nr. 1.290 ()
      Gesundheitsreform

      Selber schuld

      Mediziner und Kassen zeigen der Gesundheitsministerin, wie man Politik macht – auf Kosten der Patienten


      Von Jutta Hoffritz

      Die Krankenkassen sehen sich außerstande, die Beiträge spürbar zu senken. Die Ärzte laufen Sturm gegen die Gesundheitspolitik. Und die Ministerin droht, Funktionäre zu entmachten, um dann gleich wieder zurückzurudern. Hatten wir das alles nicht erst im vergangenen Jahr?

      Stimmt. Nur mit dem Unterschied, dass in der Zwischenzeit zwei gewichtige Komissionen tagten, dass sich Gesundheitspolitiker aller Parteien zur großen Koalition zusammentaten und ihren Kompromiss anschließend als echten Durchbruch anpriesen.

      Die reformselige Einigkeit währte genau einen Sommer lang. Jetzt, da das Gesetz in Kraft getreten ist und Versicherte die ersten Härten spüren, ergehen sich Regierung und Opposition in Schuldzuweisungen. In Berlin wird wieder gestritten wie eh und je. Und das ist auch gut so – schon der politischen Hygiene wegen.

      Profitiert haben von den Kuscheleien der Parlamentarier nämlich nur die Lobbyisten. Nötig gewesen wäre eine grundlegende Strukturreform: mehr Wettbewerb und Transparenz fürs Gesundheitswesen. Das alles aber hätte Ärzten, Apothekern und Arzneiherstellern wehgetan. Stattdessen verbündeten sich Links und Rechts gegen die Interessen der Patienten.

      Die Politik erlag den Einflüsterungen der weißen Zunft und ihrer Helfer. Die so genannte Selbstverwaltung im Gesundheitwesen, die nach den ursprünglichen Plänen von Ulla Schmidt gründlich beschnitten werden sollte, ist noch selbstbewusster geworden. Dieser verschlungene Apparat aus Vertretern von Kassen und kassenärztlichen Vereinigungen soll eigentlich die Politik umsetzen. In Wirklichkeit jedoch hintertreibt er sie häufig, wie auch jetzt bei der Einführung der Praxisgebühr.

      Zwar begannen die Funktionäre schon im Sommer, sich mit der Gebühr zu befassen. Doch hatten sie dabei nicht die Kranken, sondern auschließlich die Konsequenzen für ihre eigene Klientel im Blick. Wochenlang stritten sie darüber, wer einspringt, wenn ein Patient mit blutenden Wunden, aber ohne Portemonnaie in der Praxis steht. Kassen und Kassenärzte erhitzten sich derart über das so genannte Inkassorisiko, dass im Dezember schließlich das Schiedsgericht tagen musste. Und über der Aufregung vergaßen die Verantwortlichen glatt zu regeln, wie mit Notfallpatienten zu verfahren ist, die ihre Gebühr bezahlt haben. Schließlich kann man sie schlecht noch einmal zur Kasse bitten, wenn sie am nächsten Tag bei ihrem Hausarzt den Verband gewechselt bekommen.

      Noch problematischer sind die Regelungen für Chroniker. Sie sollen für Zuzahlungen maximal ein Prozent ihres Jahreseinkommens ausgeben, während man anderen Versicherten bis zu zwei Prozent zumutet. So sieht es das Gesetz vor. Doch welches Leiden als chronisch anzusehen ist und ab wann steht nicht in dem Paragrafenwerk. Das zu bestimmen überließen die Reformer der Selbstverwaltung. Kassen und Kassenärzte sahen es aber offensichtlich nicht als ihre Aufgabe an, sich zum Anwalt von Aids- oder Alzheimer-Patienten zu machen. Und so blieb die Liste kurz. Auch an eine Sonderregelung für Heimbewohner mit schmalem Taschengeld wurde nicht gedacht.

      Vier Wochen nach Inkrafttreten der Reform soll der Missstand nun behoben werden. Denn Ulla Schmidt erkannte die Brisanz der Lage erst, als es längst zu spät zum Umsteuern war. Verzweifelt versucht sie nun, der Selbstverwaltung die Verantwortung zuzuschieben. Doch die Hauptschuld trägt sie selbst: Wer Aufgaben delegiert, muss deren Umsetzung kontrollieren. Besser noch hätte die Ministerin von vornherein darauf verzichtet, die Lobbyisten zum Lordsiegelbewahrer ihrer Reformen zu machen.

      Dabei war das alles doch ganz anders geplant. Präziser als jeder ihrer Amtsvorgänger hat Ulla Schmidt die Schwächen der Selbstverwaltung diagnostiziert. Noch vor einem Jahr schien sie wild entschlossen, die kassenärztlichen Vereinigungen zu entmachten. Doch die regionalen Arztkartelle überstanden die Reform unbeschadet, sie dürfen weiter Kollektivverträge mit den Kassen aushandeln und so den Wettbewerb innerhalb der Ärzteschaft minimieren. Zusätzlich kam die Ministerin den Medizinern sogar mit einer neuen Honorarordnung entgegen. Zum Dank dafür machen ihr die Doktoren jetzt mit Klagen gegen die Praxisgebühr die Hölle heiß.

      Auch beim Umgang mit den Chronikern hätte es die Ministerin leichter haben können, wenn sie ihren ursprünglichen Plänen treu geblieben wäre. Nach englischem Vorbild wollte sie ein Institut ins Leben rufen, in dem unabhängige Wissenschaftler Therapiestandards für chronische Leiden erarbeiten sollten. Doch dann beugte sie sich dem Druck und ließ diese Aufgabe bei der Selbstverwaltung. Und nachdem sich die Funktionäre einen Sommer lang erbittert gegen ein „Staatsinstitut“ gewehrt und vor Therapien nach Kassenlage gewarnt hatten, taten sie sich nun dadurch hervor, dass sie in ihrer – von der Gesundheitsministerin inzwischen zur Nachbearbeitung zurückgegebenen – Chronikerliste die Mehrzahl der Leiden einfach wegdefinierten. Gelobt sei, was den Kassen Geld und der Selbstverwaltung Arbeit spart. Eine reife Leistung!

      Ein paar sonnige Sommermonate lang scheint Ulla Schmidt geglaubt zu haben, dass sich das Gesundheitssystem allein auf Kosten der Kranken sanieren lässt, dass es sich nicht lohnt, harte Kämpfe mit den Interessenvertretern und der Opposition auszutragen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kassenbeiträge werden trotz der Opfer der Patienten weiter steigen. Und die Lobbyisten, die ihr mit Hilfe der Opposition den faulen Kompromiss abgehandelt haben, tanzen der Ministerin heute auf dem Kopf herum. Nun wird es Ulla Schmidt nie mehr gelingen, die Macht der Lobby zu brechen. Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um.

      (c) DIE ZEIT 22.01.2004 Nr.5

      ZUM ARTIKELANFANG

      http://www.zeit.de/2004/05/Schmidt_Reform
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 18:50:46
      Beitrag Nr. 1.291 ()
      kommunen

      Tafelsilber ist tabu

      Lokaltermin in Bielefeld und Oberhausen – zwei Städten geht das Geld aus


      Von Karsten Polke-Majewski



      PROTEST VOR DEM RATHAUS IN OBERHAUSEN: Städte in Not ist eine kommunale Initiative
      © Roy Glisson
      Oberhausens Hoffnung ruht auf einer Industrieruine. Stahlgrün, die Fenster eingeworfen, die Rolltore verwittert, thront der verfallene Block des alten Stahlwerks wie eine Trutzburg der Schwerindustrie über einer riesigen planierten Brache. Spiegelnder Asphalt neuer Straßen durchschneidet die Fläche: „Oberhausen Vision“, ein Industrie- und Gewerbepark für Gesundheits- und Wellness-Themen soll hier entstehen.

      Doch das enorme Haushaltsdefizit der Stadt bedroht das Projekt, das 10000 Arbeitsplätze schaffen soll. Zuschüsse von Europäischer Union und Land stehen aus. Beide fordern zehn Prozent Eigenbeteiligung – Geld, das die Stadt nicht hat und für das sie selbst ihr letztes Tafelsilber nicht einsetzen darf. Denn Oberhausen steht unter Kuratel der Kommunalaufsicht. Die Gemeindeordnung erlaubt der Stadt nur noch Ausgaben, zu denen sie rechtlich oder vertraglich verpflichtet ist. Investitionen gehören nicht dazu. Ein Offenbarungseid und Beispiel dafür, wie die stetig wachsende Haushaltskrise der Kommunen deren Selbstständigkeit und wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit bedroht.

      http://www.zeit.de/2004/05/Haushaltskrise_Kommunen
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 18:57:57
      Beitrag Nr. 1.292 ()
      wall street

      Gefangene der Wall Street

      Viele europäische Unternehmen würden die New Yorker Börse gern wieder verlassen. Doch das ist gar nicht so einfach


      Von Thomas Hammer



      ©
      Wenn der Chef der US-Börsenaufsicht SEC persönlich nach Deutschland reist, muss die Angelegenheit dringlich sein. Doch es war kein Bilanzskandal, der Paul Atkins bewog, im Februar des vergangenen Jahres bei einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstituts zu erscheinen. „Wir möchten mehr deutsche Unternehmen ermutigen, sich dem US-Kapitalmarkt zu öffnen“, sagte Atkins in seiner Rede. Der SEC-Kommissar war gekommen, um für einen Börsengang an der Wall Street zu werben.

      Doch die Liebe zum Börsenplatz New York scheint bei vielen europäischen Konzernen erkaltet zu sein. Vorbei sind die Zeiten der goldenen neunziger Jahre, als europäische Vorstände Schlange standen, um am Tag der lang ersehnten Erstnotiz an der Wall Street die berühmte Eröffnungsglocke der Börse läuten und eine kleine Ansprache halten zu dürfen. Der bislang letzte Börsengang eines deutschen Unternehmens an der Wall Street war die Erstnotiz des Pharmakonzerns Bayer im Januar 2002 – und damit ist bislang nur gut die Hälfte der Schwergewichte im Dax auch an der US-Börse vertreten. „Dieser Kreis dürfte sich vorerst wohl kaum erweitern“, vermutet Rüdiger von Rosen, Vorstandsmitglied im Deutschen Aktieninstitut..........



      http://www.zeit.de/2004/05/G_B_9arse_Wall_Street
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 19:48:33
      Beitrag Nr. 1.293 ()
      die grossen unbekannten

      Made in Turkey

      Waschmaschinen, Autos, Fernseher: Viele Deutsche kaufen Produkte von Koç – ohne es zu wissen. Der türkische Industriekonzern drängt nach Westeuropa




      http://www.zeit.de/2004/05/Koc
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 19:56:14
      Beitrag Nr. 1.294 ()
      Fonds
      Hedgefonds verschulden sich stärker


      23. Januar 2004 Hedgefonds nehmen mehr Kapital auf, um ihre Performance anzukurbeln, berichtete die Financial Services Authority (FSA). Der britischen Finanzaufsichtsbehörde zufolge dürften es die Banken den Hedgefonds außerdem erleichtern, Geld aufzunehmen, indem sie Risiken lockerer bewerten.

      Vor allem Hedgefonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren und Wandelarbitrage-Hedgefonds haben den Anteil des Fremdkapitals erhöht, teilte die britische Finanzaufsicht in ihrer jährlichen Risikoeinschätzung für das neue Jahr mit. Bei Aktienfonds sei die Kreditaufnahme dagegen niedrig geblieben. "Eine ganze Reihe von Brokern hat angedeutet, daß Hedgefonds derzeit mehr Fremdkapital einsetzen als in der zweiten Jahreshälfte 2002", erläuterte die FSA.

      Banken könnten beim „Buhlen“ um die Hedgefonds-Kunden höhere Risiken eingehen

      Die Zahl der für sehr vermögende Anleger konzipierten Hedgefonds hat sich weltweit seit 1998 mehr als verdoppelt. Viele Analysten und Vermögensverwalter haben ihre eigenen Hedgefonds- Gesellschaften gegründet und für einen schärferen Konkurrenzkampf um die Klientel gesorgt. Im dritten Quartal 2003 stieg das weltweit in Hedgefonds investierte Kapital um 3,4 Prozent auf 687,5 Milliarden Dollar oder umgerechnet 541 Milliarden Euro, zeigen Zahlen von Hedge Fund Research.

      Daneben ist auch die Zahl der für Hedgefonds tätigen Broker, die unter anderem Aktienleihe und Kapitalbeschaffung anbieten, kräftig gestiegen, beobachtete die FSA. Goldman Sachs und J.P. Morgan dominieren beim sogenannten "Prime Brokerage". Die Herausforderer, unter ihnen die UBS und Merrill Lynch, hinken immer noch hinterher.

      Im Kampf um die Hedgefonds-Kunden dürften die Prime Broker ihre Vorschriften lockern. Sie könnten sie Anreize bieten, beispielsweise Garantien, daß sie Kreditlinien nicht zurückziehen oder Finanzierungssätze nicht verändern, hieß es bei der FSA. "Es gibt ein Risiko, daß der höhere Wettbewerbsdruck dazu führen könnte, daß die Broker ihre Standards bei der Einschätzung des Adressenausfallrisikos lockern", warnte die FSA.

      Text: Bloomberg

      http://www.faz.net/s/Rub76BA6348017C42E2AED144FD3C852D2F/Doc…
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 20:01:53
      Beitrag Nr. 1.295 ()
      Globale Arbeitslosigkeit auf Rekordstand

      ILO-Bericht warnt vor Folgen bei Jugendlichen ohne Jobchance / Wirtschaftswachstum reicht nicht aus




      Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Jahr 2003 weltweit leicht auf insgesamt 185,9 Millionen und damit auf ein Rekordniveau, wobei sich die Arbeitslosigkeit junger Menschen sogar beträchtlich erhöht hat.

      VON ROLAND BUNZENTHAL

      Arbeitslosigkeit in der Welt (Fr-Infografik)


      Frankfurt a.M. · 22. Januar · Die Weltwirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um immerhin 3,2 Prozent, hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hochgerechnet. Dies reichte aber nicht aus, heißt es im jüngsten Weltbeschäftigungsbericht, die nachrückenden Berufseinsteiger vollständig unterzubringen.

      In seiner Analyse kommt der Bericht jedoch auch zu dem Ergebnis, dass die wirtschaftliche Erholung, die in der zweiten Jahreshälfte 2003 einsetzte, einer weiteren Verschlechterung der Beschäftigungslage entgegen wirkte und diese Tendenz sich auch 2004 fortsetzen dürfte.

      "Es ist noch zu früh zu sagen, das Schlimmste sei vorbei", sagt Juan Somavia, Generaldirektor der ILO. "Sollten sich die gegenwärtigen Schätzungen des weltweiten Wirtschaftswachstums 2004 von gut vier Prozent jedoch stabilisieren, könne sich das globale Beschäftigungsbild etwas aufhellen." Wenn das Millenniumsziel einer Halbierung der Armut weltweit bis 2015 erreicht werden soll, müssten die politischen Anstrengungen aber deutlich zunehmen.

      "Die alles überragende Herausforderung besteht darin, die 514 Millionen Menschen, die in der kommenden Dekade neu in den Arbeitsmarkt eintreten, aufzunehmen und die Armut von Erwerbstätigen zu verringern", so der Bericht.

      Ohne Beschäftigung und auf Arbeitsuche sind etwa 6,2 Prozent der Erwerbspersonen, die höchste jemals von der ILO registrierte Rate. Verglichen mit dem Wert des Vorjahres war dies jedoch nur ein geringfügiger Anstieg. Bei den Frauen gab es sogar einen leichten Rückgang auf 77,8 Millionen. Am stärksten betroffen waren, bei einer bedrückenden Arbeitslosenquote von 14,4 Prozent, rund 88 Millionen Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren. Obwohl die so genannte informelle Wirtschaft in denEntwicklungsländern weiterhin expandierte, blieb die Zahl der "arbeitenden Armen" - Personen, die mit dem Gegenwert von einem Dollar pro Tag oder weniger auskommen müssen - 2003 konstant und liegt bei geschätzten 550 Millionen.

      Vordringlich sei der Abbau von Jugendarbeitslosigkeit, fordert die Genfer Organisation, um zu vermeiden, dass ein "riesiges Heer von frustrierten, unausgebildeten und nicht-beschäftigungsfähigen jungen Menschen entsteht - mit verheerenden Auswirkungen auf die langfristigen Entwicklungsperspektiven".

      Notwendig sei dazu, eine wachsende internationale Hilfe für die armen Staaten mit dem Ziel, den Marktzugang zu den entwickelten Ländern zu verbessern und die ausländische Verschuldung sowie die Schuldendienste zu reduzieren. Die so freigesetzten Ressourcen gelte es "für Reformprogramme, die auf verbesserte Regierungsführung, Beschäftigungsförderung und Armutsbekämpfung abzielen, zu nutzen".



      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 23.01.04 20:04:58
      Beitrag Nr. 1.296 ()
      EINZELHANDEL

      Umsätze gehen in den Keller




      Berlin · 22. Januar · rtr · Die hohe Arbeitslosigkeit, der Reformstreit und die Rabattschlachten haben dem deutschen Einzelhandel 2003 die Geschäfte verhagelt. Mit einem nominalen und realen Minus von einem Prozent verbuchte die Branche damit das zweite Jahr in Folge einen Umsatzrückgang, teilte das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Berechnungen mit. Der Lebensmittelhandel erwirtschaftete nach Herausrechnen der Inflation (real) zwar ein Plus von gut einem Prozent. Die restlichen Sparten verbuchten aber insgesamt ein kräftiges Minus von mehr als zwei Prozent.

      Neben der Angst vor dem Arbeitsplatzverlust habe auch die anhaltende Reformdebatte den Konsumenten die Kauflaune vermiest, so die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Hermann Franzen, forderte von der Politik eine überzeugende Steuer- und Arbeitsmarktreform, um weitere Entlassungen und Pleiten zu verhindern.

      Gleichwohl zeigten sich Analysten der Banken ebenso wie der Handelsverband optimistisch, dass sich die Lage 2004 zumindest stabilisieren wird.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
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      schrieb am 23.01.04 20:09:41
      Beitrag Nr. 1.297 ()
      Das Gold der Bundesbank
      ++ Räumungsverkauf ++

      Von Dirk Harbecke
      So gerne hätte Bundesbank-Chef Ernst Welteke seinen Parteifreunden von der SPD geholfen. Die von Bundeskanzler Schröder groß angekündigte Bildungsoffensive muss schließlich von irgend jemand bezahlt werden, und was bietet sich da mehr an, als Teile der brachliegenden Bundesbank-Goldreserven zu verkaufen? Weltekes Präsidiums-Kollegen stimmen dieser Idee zum Glück nicht zu, doch dass die Bundesbank Gold verkauft, steht seit langem fest und hat die Metall-Märkte latent beunruhigt.

      Die Zentralbanken halten weltweit die größten Bestände des Edelmetalls, die Bundesbank hortet 3.440 Tonnen in ihren Tresoren, nur die Amerikaner haben mit 8.135 Tonnen deutlich mehr – aber keinerlei Interesse an einer Reduzierung. Trotz der Absenz der US-Notenbank würden unkoordinierte Verkäufe den Gold-Preis beerdigen. Seit 1999 hat das sogenannte Washingtoner Abkommen den Händlern Planungssicherheit gegeben, weil sich die beteiligten 15 Notenbanken darauf verpflichteten, nicht mehr als 400 Tonnen Gold pro Jahr abzustoßen. Die Verlängerung des Abkommens steht jetzt an.

      Die Bundesbank möchte dabei das Recht erhalten, innerhalb der kommenden fünf Jahre insgesamt 600 Tonnen Gold zu verkaufen – eine Größe, die den Goldmarkt nicht zu beunruhigen braucht, weil die anderen Notenbanken weit weniger verkaufswütig sind. Aus Notenbankkreisen verlautete dementsprechend, dass man das Abkommen noch im Frühjahr verlängern wird – ein äußerst positives Signal für Gold-Investoren.

      ++ Verspieltes Vertrauen ++++

      Für Gold spricht außerdem das Interesse der russischen und der chinesischen Notenbank, ihre Bestände in dem Edelmetall aufzustocken. Dahinter steht der Gedanke, dass Gold langfristig doch stabiler als der US-Dollar sein könnte, und genau diese Frage wird den Preis auch in den kommenden Monaten bestimmen. Zu auffällig war zuletzt die Korrelation zwischen Dollar und Gold. Kaum gewann der Greenback in der vergangenen Woche an Stärke, schon stürzte der Goldpreis von 435 auf 405 Dollar.

      Eine Wette auf Gold ist deshalb eine Wette auf einen fallenden Dollar, was für langfristig denkende Anleger aber mit wenig Risiken behaftet sein dürfte, berücksichtigt man die horrende Verschuldung von Staat und Bürgern in den USA, die Leistungsbilanzdefizite und die stetig schwindende Glaubwürdigkeit der Regierung Bush. Als Bush in seiner Rede zur Lage der Nation ankündigte, das Haushaltsdefizit in den kommenden Jahren deutlich zu senken, glaubte ihm keiner – der Dollar fiel. Als er weitere Steuerkürzungen ankündigte, glaubte ihm jeder – der Dollar fiel weiter.

      Der Preis einer Währung wird durch das in sie investierte Vertrauen bestimmt, durch die Stabilität der dahinterstehenden Wirtschaftspolitik.
      Good bye, Dollar.


      Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.
      http://www.instock.de/Nachrichten/10137906/pos/2
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      schrieb am 23.01.04 20:13:59
      Beitrag Nr. 1.298 ()
      Tritt in den Hintern!


      Tritt in den Hintern!

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Die Amerikaner steigen mit den Aufgaben der Geschichte", sagte Präsident Bush in seiner Rede zur Lage der Nation vom Dienstag.

      Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber wenn ich an die Lage der amerikanischen Nation denke, dann kommt mir Wort "phantasierend" in den Sinn.

      Der Präsident meint, dass sich die Nation im Krieg befindet – in einem Krieg, der notwendigerweise große Opfer vom amerikanischen Volk verlangt. Gegen wen sich die Nation im Krieg befindet, ist ein Thema großer Verwirrung. Wo ist der Feind? Wieviele Divisionen hat er? Welche Waffen hat er? Was ist seine Kriegsstrategie ... was sind seine Kriegsziele? Warum hat sich dieser Feind dazu entschlossen, gegen die USA in den Krieg zu ziehen? Wieviel wird dieser Krieg kosten? Wie kann er beendet werden?

      Niemand scheint das zu wissen. Und kaum jemand stellt überhaupt diese Fragen.

      Der arme Paul O`Neill. Der ehemalige US-Finanzminister scheint wirklich überrascht zu sein, dass die Bush-Administration nur deshalb auf ihn sauer ist, weil er "die Wahrheit gesagt hat".

      Die Wahrheit, die er sagte, war, dass der Präsident kaum eine Ahnung von dem hatte, was er tat ... und dass niemand im Weißen Haus ein Interesse an den offenen Fragen hatte, aus denen Ahnungen hätten erwachsen können.

      Aber die Wahrheit scheint das Letzte zu sein, das die Amerikaner wollen.

      "Reagan bewies, dass Defizite egal sind", erklärte Dick Cheney, während er halluzinierte. Und so wurden die Staatsausgaben mit der gleichen halsbrecherischen Weise gesteigert, wie der Krieg gegen den Terror verfolgt wurde.

      Bis jetzt scheint es "funktioniert zu haben", was bedeutet, dass die Amerikaner immer tiefer in die Schuldenfalle gelockt worden sind. Eines Tages werden sie das fast sicher bereuen – aber dieser Tag könnte erst lange nach der nächsten Wahl eintreten. Also, wen kümmert das jetzt schon?

      Die Zahl der Hausneubauten liegt in den USA auf einem 20-Jahreshoch. Die bestehenden Hypotheken werden stark erhöht. Die Immobilienpreise steigen. Der Dow Jones notiert über 10.000 Punkten. Die Amerikaner schulden dem AUsland mehr Geld, als dies je bei einem Volk der Fall war. Aber zumindest derzeit können sie ihre monatlichen Zahlungsverpflichtungen noch erbringen.

      Einer der größten Trends unserer Zeit ist der Eintritt von Millionen von Menschen in den Weltarbeitsmarkt. Vor ein paar Jahren waren die chinesischen Bauern keine Bedrohung für die Fabrikarbeiter in Milwaukee ... und auch die pakistanischen Ingenieure bedrohten die IT-Arbeiter in Chicago nicht ernsthaft. Jetzt führt dieser große Anstieg des Proletariats zu niedrigeren Löhnen in den USA.

      Die amerikanische Mittelklasse kann nicht glauben, dass sie dadurch ruiniert wird. Die gesamten amerikanischen Schulden sind höher als jemals zuvor in der Geschichte – sie liegen bei 350 % der Wirtschaftsleistung. Die Realeinkommen stagnieren oder fallen ... während Millionen Chinesen und Inder bereitstehen, um die gleiche Arbeit für ein Zehntel des Lohns zu erledigen. Jedes Jahr wandert ungefähr 1 % des gesamten amerikanischen Vermögens in ausländische Hände. Und dennoch glauben die Amerikaner weiterhin, dass sie etwas Besonderes sind ... dass sie vielleicht ein Geschenk von Gott selbst erhalten haben ... das ihnen das Recht gibt, Fortschritt ohne Sparen zu haben, Reichtum ohne Investitionen, und Löhne, die 1000 % über dem Lohnniveau der Dritten Welt liegen.

      Vielleicht gibt es kein Problem. Ein Delirium dauert nicht ewig. Aber was ist schon von Dauer? Irgendwann hat der Patient das Delirium überstanden ... oder stirbt. Präsident Bush zeigt keine Anzeichen dafür, dass er das Fieber abschüttelt. Auch bei den Wählern sucht man ergebnislos nach solchen Anzeichen. Sie scheinen alle glücklich damit zu sein, auf der Straße des Ruins weiterzufahren, bis diese zu Ende ist. Die Amerikaner steigen nicht mit den Aufgaben der Geschichte. Stattdessen steigt die Geschichte, und sie gibt den Amerikanern einen Tritt in ihren "derrière", wie der Franzose sagt.

      Während ich darauf warte ... hier ist Eric mit den News von der Wall Street:
      http://www.investor-verlag.de/
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      Avatar
      schrieb am 23.01.04 20:17:19
      Beitrag Nr. 1.299 ()
      Zeitenwende-Beiträge von Hansruedi Ramsauer


      Monopoly - das Gesellschaftsspiel



      Monopoly - das Gesellschaftsspiel Artikel drucken
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      19.1.04
      Gehören Sie auch zu den Spielernaturen, dann dürften Ihnen die Regeln des Spiels aller Spiele geläufig sein.
      Am Anfang läuft das Spiel etwas harzig an, das Geld ist knapp. Sind Sie mal im Besitz von ein paar Karten, können Sie diese belehnen und mit dem Kredit weiterkaufen. Es ist also möglich mit relativ wenig Startgeld, dementsprechend mehr zu kaufen durch Ausnützen der Kreditlimiten. Auf dem Spielfeld gibt es aber noch ein paar Stolpersteine wie Strafen und Bussen, die aber jeweils beim Ueberschreiten des „Los-Start-Feldes“ gelindert werden.

      Netto steigt bei jeder Runde die Geldmenge, nur die Unglücklichen, welche Zwangsbesuche im Gefängnis machen müssen, scheitern frühzeitig an einer zu dünnen Kapitaldecke und fallen aus. Die verbliebenen Spieler können sich aber über Geldzufluss nicht beklagen. Das Dilemma ist nur, dass dank dem Aufblähen der Geldmenge (4000 pro Runde und Spieler), die Preise auch steigen. Obwohl also die Spieler bei jeder Runde frisches Geld bekommen, können Sie immer weniger damit kaufen. Nur wer sich von Anfang an die Perlen ergattern konnte, profitiert von der Preisentwicklung. Je länger das Spiel nun dauert, desto höher sind die Abgaben, die Sie auf ihrem Weg den Mitspielern abdrücken müssen. Wer am meisten Karten besitzt, bestimmt die Preise. Die Entwicklung des Spieles kennen wir, Nomen est Omen, am Schluss hat einer das Monopol und GEWINNT. Obwohl die Preise überall gestiegen sind, würde dies in keiner Inflationsberechnung Einlass finden, da sich die staatlich erhobene Preisentwicklung nur auf die Konsumentenpreise konzentriert.

      Wie sieht es jetzt in der realen Welt aus? Sie sehen schon, so weit weg ist dieses Spiel von der Realität nicht. Die sogenannte Asset-Inflation, die Inflation von Vermögens- und Finanzwerten kennen wir zur Genüge. Beim Aktiencrash 2000-2002 wurde nicht etwa Geld vernichtet (ausser bei Konkursen), sondern es floss in andere Vermögenswerte wie Anleihen (tiefe Zinsen) und Immobilien. Das Geld, das uns während des Spiels bei jeder Runde zur Verfügung gestellt wird, kommt im Finanzsystem von den Zentralbanken. Zugriff auf dieses Geld haben aber nur die Geschäftsbanken gegen Bezahlung einer Steuer, besser bekannt unter dem Namen Leitzins. Der Begriff Leitzins ist irreführend, da sich die Zentralbanken das Geld nicht beschaffen müssen, sondern es selber drucken können. Als Sicherheit müssen die Geschäftsbanken dagegen Staatsanleihen zur Verfügung stellen. Das Geld ist auf Grund der hinterlegten Sicherheiten kein Wertpapier, wie das fälschlicherweise angenommen wird, sondern ein Forderungspapier und zwar auf zukünftige Steuerleistungen. Es kann nun unschwer festgestellt werden, dass die steigende Staatsverschuldung die Ursache für die boomenden Finanzmärkte war und immer noch ist.

      Da der grösste Teil der Staatsausgaben für das Sozialsystem verwendet wird, beisst sich hier die Katze in den Schwanz. Nochmals in Kürze: die Staatsverschuldung treibt die Vermögenswerte in die Höhe. Alle, die kein Vermögen (Aktien, Anleihen, Immos) besassen, gehörten zu den Verlierern der Gesellschaft. Genau diese Verlierer werden nun vom Staat unterstützt durch Inkaufnahme einer weiter steigenden Verschuldung, welche die Vermögenswerte weiter in die Höhe treibt usw. usw.

      Hier ist das Gesellschaftsspiel zu Ende aber das wahre Leben geht weiter. Sobald die Verschuldungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind (Hypotheken, Konsumkredite usw) und die Banken wegen zu hoher Risiken, keine Kredite mehr geben, unterstützt durch das kommende Gesetz für Unternehmen (Basel II ), nimmt die Geldmenge ab. Dies führt unweigerlich zu Deflation, sofern die Spielregeln nicht geändert werden.

      Frohes Würfeln wünscht Ihnen

      Hansruedi Ramsauer

      http://www.zeitenwende.ch/page/index.cfm?SelNavID=350&NewsIn…
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      schrieb am 23.01.04 20:24:06
      Beitrag Nr. 1.300 ()
      Systemkrise: "Wahnsinn am Werk"

      Systemkrise: "Wahnsinn am Werk"

      "Was im Weltfinanzsystem geschieht, ist Wahnsinn am Werk. Das System ist ein riesiger Hedge Fond, der bis über beide Ohren in Finanzspekulation steckt. Das Ganze wird noch irgendwie durch ein freundschaftliches Bündnis der Zentralbanken zusammengehalten, aber es läßt sich nicht aufrechterhalten, die Illusionen sind unhaltbar. Die Zeit läuft aus." Dies war die Einschätzung des Chefs eines weltweit führenden Investmentfonds in einem Hintergrundgespräch mit EIR Mitte Januar. Er fuhr fort: "Der Tag der Abrechnung rückt näher, und ich stimme [mit LaRouche] überein, daß dies wahrscheinlich 2004 kommen wird. Es ist unhaltbar. Es gibt eine Immobilienblase, eine Anleiheblase und eine Aktienblase, alles zur gleichen Zeit. Die Blasen wachsen weiter, aber sie werden alle platzen. Ich bin verwundert über die ,Bullen`-Stimmung an den Börsen. Ich weiß mit absoluter Sicherheit, daß das nicht lange so weitergehen kann."

      Er beschrieb die Lage sehr plastisch: Das Finanzsystem ähnele "einer Savanne, in der Camper von wilden Tieren umzingelt wurden. Alan Greenspan und die übrigen Zentralbankchefs sind die Wächter des Lagers. Sie werfen Holz ins Feuer, um die Tiere fernzuhalten. Aber sie wissen, daß um 9 Uhr abends alles Holz aufgebraucht sein wird. Was passiert dann wohl mit den Campern?" Weiter meinte er: "Das Wachstum des Schuldenniveaus, das Wachstum der Ausleihungen im ersten Halbjahr letzten Jahres, war astronomisch, und das Wachstum der Derivate exponentiell. Laut IWF beträgt das Ausmaß der Derivate jetzt 170 Bio. Dollar, aber auch Herr LaRouche könnte Recht haben, daß es viel mehr ist. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was mit all diesem Geld geschieht. Was die USA betrifft, so können die asiatischen Märkte nicht länger Geld auf den Anleihemarkt pumpen, und es gibt keine Möglichkeit, wie [US-]Exporte das riesige Handelsdefizit ausgleichen können...

      Die Leute, die in diesem Spiel gefangen sind, wollen die Wirklichkeit nicht sehen; sie sind in Fahrt, das Spiel trägt sich selbst, aber die Hybris wird ihren Preis haben. Ich kann nicht vorhersehen oder voraussagen, wann es geschehen wird oder welche Entwicklung es auslösen wird, aber Tatsache ist, daß wir auf einen sehr, sehr tiefen Fall zulaufen. Die Wertpapierpreise sind völlig von der Wirklichkeit abgehoben. Und sie können ihre eigenen Zusagen nicht erfüllen. Es wird keinen Anstieg der Unternehmensinvestitionen geben, und die Regierung kann nicht soviel ausgeben, um die Immobilienblase aufrechtzuerhalten."

      http://www.bueso.de/seiten/aktuell/an.htm#3



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      Das Geld reicht hinten und vorne nicht

      Am Sitz des Bundes der Steuerzahler in der Bahnhofstraße in Wiesbaden können Besucher beobachten, wie schnell der Schuldenstand ihrer Stadt zunimmt. In Rüsselsheim beispielsweise steigt der Schuldenberg (131 Millionen Euro) jede Minute um 22,13 Euro an. In Offenbach (559,6 Millionen Euro Schulden) sind es 15,27 Euro. Das bedeutet, der Schuldenberg der Opel-Stadt wächst täglich um 31 867 Euro, der von Offenbach um 22 000 Euro. Die Städte im Rhein-Main-Gebiet sitzen in der Schuldenfalle.
      .....

      Komplett hier lang:

      http://www.wiesbadener-kurier.de/rhein-main/objekt.php3?arti…

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      Feiertagsproteste stoppen keine Kriege

      Der neue Imperialismus ist bereits über uns gekommen. Rede der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy auf dem 4. Weltsozialforum in Mumbai

      .....
      Nehmen wir zum Beispiel an, Indien wäre als Ziel für einen gerechten Krieg ausgewählt worden. Der Fakt, dass 80 000 Menschen seit 1989 in Kaschmir getötet worden sind, die meisten von ihnen Muslime, und die meisten von ihnen durch indische Sicherheitskräfte (was einen Jahresdurchschnitt von ungefähr 6000 ergibt); der Fakt, dass im März 2003 über 2000 Muslime auf den Straßen in Gujarat ermordet, dass Frauen von Gruppen vergewaltigt und Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt und 150 000 Menschen aus ihren Heimen vertrieben wurden, während die Polizei und die Administration zuschauten und sich mitunter aktiv beteiligten; der Fakt, dass niemand für diese Verbrechen bestraft und die Regierung, die das überblickte, wieder gewählt wurde – all das würde perfekte Schlagzeilen liefern für internationale Zeitungen im Zulauf auf einen Krieg.
      .....
      Aber solange unsere „Märkte“ offen sind, solange Enron, Bechtel, Halliburton, Arthur Andersen freie Hand gelassen wird, können unsere „demokratisch gewählten“ Führer sorglos die Linien zwischen Demokratie und Faschismus verwischen.
      .....

      Komplett hier lang:
      http://www.gegeninformationsbuero.de/sozialekaempfe/wsf2004_…

      http://www.miprox.de/News.html
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      schrieb am 23.01.04 20:46:48
      Beitrag Nr. 1.301 ()
      Mannesmann-Prozess

      Die Arroganz der Macht

      Deutsche-Bank-Chef Ackermann ist noch lange nicht verurteilt, aber er hat schon verloren.

      Von Hans Leyendecker





      Als der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, aus seinem Frankfurter Büro herabstieg, wo er nahe den Wolken arbeitet, um denen da unten die Welt zu erklären, ging das ziemlich schief.

      Sein Satz, Deutschland sei „das einzige Land, wo die Leute, die Werte schaffen, vor Gericht kommen,“ war eine Herabsetzung des Gerichts, das die Anklage zugelassen hatte. Sein Lächeln drückte Verachtung aus — auch gegenüber denen, die für kleines Geld schuften und Werte schaffen.

      Das Victory-Zeichen, das er machte, war obszön und ein Abgrund an Arroganz. Es ist die Arroganz der Macht. So geriet Ackermanns publikumswirksam geplanter Auftritt zum Gau.



      Maßstäbe haben wieder Konjunktur
      Bei der Suche nach Parallelen bietet sich der Fall seines Vorvorgängers Hilmar Kopper an, der vor knapp zehn Jahren die Nation mit dem Wort „peanuts“ in Rage gebracht hat.

      Der Bankier hatte unbezahlte Handwerker-Rechnungen des Immobilienpleitiers Schneider über rund 50 Millionen Mark als Kleinkram bezeichnet, die das Geldhaus übernehmen werde. Weil einigen Managern das Gefühl für Größenordnungen und die Wahrnehmung des Unterschieds von rechtens und richtig abhanden gekommen ist, wird jetzt wieder eine Diskussion über Gier und Anstand geführt.

      Vor Jahren noch war das öffentliche Bekenntnis zur Gier mehrheitsfähig. An der Börse spielten Konzerne Monopoly und Topmanager wie der frühere Mannesmann-Vorstandsvorsitzende Klaus Esser ließen sich als Popstars der neuen Zeit feiern. Eine Nation spekulierte auf Hausse.

      Auch damals schon hatte der Abstand zwischen dem Verdienst eines Top-Managers zu dem eines Arbeiters jede Relation verloren, aber die Gehaltsexzesse waren kein Thema.

      Heute beklagen jene Blätter, die ihren Champions einst zujubelten, deren Maßlosigkeit. Maßstäbe, auch moralische, haben ihre Konjunktur. Weil die juristischen Details des Mannesmann-Falles so kompliziert sind, soll die Gier alles erklären.

      Das hilft dem Gericht, das sich in den nächsten Monaten mit dem Fall beschäftigen wird, nicht viel weiter. Es geht um schwere Untreue und Beihilfe zur Untreue. Geprüft wird, ob Sitzungsprotokolle gefälscht, manipuliert wurden, damit Esser, sein Team und ehemalige Spitzenmanager von Mannesmann rund 111 Millionen Mark erhielten.

      Im Zeugenstand werden Wirtschaftsprüfer ihre Sicht der Abläufe darlegen. Sie hatten zwar interveniert, aber dann war eine Lösung gefunden worden, die scheinbar passte. Untreue setzt jedoch den Vorsatz voraus – darüber wird ernsthaft zu streiten sein.



      Piefig und provinziell
      Wussten Esser und die anderen, dass ihr Tun unrechtmäßig sein könnte, oder war ihre Wirklichkeit so weit von der Wirklichkeit der anderen entfernt, dass sie sich ungefährdet wähnten? „Leistungsträger“ eben, „peanuts“, „absolut üblich“, „nicht bei Details aufhalten“.

      Wie wird das Gericht den Paragrafen 87 des Aktiengesetzes auslegen? Er verlangt, dass die Bezüge eines Vorstandes „in angemessenem Verhältnis zu den Aufgaben“ und „zur Lage der Gesellschaft stehen müssen.“ Im Zivilrecht lässt sich darüber trefflich streiten, doch was bedeutet „angemessen“ in einem Strafprozess?

      Es ist noch zu früh, darüber zu befinden, ob das Gericht dem Verfahren gewachsen ist. Aber an den beiden ersten Tagen hat die Vorsitzende Richterin eine gute Figur gemacht. Sie ist nicht laut, aber sie wirkt lauter und souverän.

      Die Kammer wird nicht Markt und Moral wieder zusammenbringen, aber das Verfahren könnte zumindest zeigen, dass es bei den Vorstandsgehältern Transparenz geben muss. Die Eigentümer, die Aktionäre, müssen gefragt werden; es darf keine Kungelrunden im Aufsichtsrat geben.

      Gerechtigkeit ist nicht nur ein Wort. Die da oben und die da unten leben nicht auf verschiedenen Galaxien. Wenn ein Angeklagter wie Ackermann mit der Geste des Imperators auftritt, der allen bedeutet, wie piefig und provinziell sie unter ihm sind, kann es mit der neuen Deutschland AG nichts werden.

      (SZ vom 23.01.2004)

      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/335/25310/
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      schrieb am 23.01.04 21:02:59
      Beitrag Nr. 1.302 ()
      Kommentar
      Dieter Schubert

      Kapitulation

      IG Metall nimmt Abschied vom Flächentarif


      Die IG Metall kapituliert offenbar vor der neoliberalen Realität: Nach einem Bericht der Berliner Zeitung vom Freitag rechnet Gewerkschaftschef Jürgen Peters damit, daß es in Ostdeutschland bald keinen Flächentarifvertrag mehr gibt. Grund: Teile der ostdeutschen Unternehmerverbände hätten signalisiert, einen in den laufenden Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie zustande kommenden Abschluß für Westdeutschland keinesfalls übernehmen zu wollen. In diesem Falle werde die IG Metall versuchen, in denjenigen Betrieben Haustarife abzuschließen, in denen sie über eine ausreichende Mitgliederbasis verfügt. Der Rest muß dann wohl sehen, wo er bleibt.

      Nun hat sich schon während des vorjährigen Metallerstreiks in Ostdeutschland gezeigt, daß nicht nur die »Arbeitgeber« gut damit leben können, wenn im Osten niedrigere Löhne für gleiche Arbeit gezahlt werden. Auch die damalige IG-Metall-Spitze und vor allem zahlreiche Betriebsratschefs im Westen ließen ihre streikenden Ostkollegen im Stich. Deren Arbeitskampf hatte nämlich Auswirkungen auf den eigenen Betrieb gezeigt. Und da hörten offenbar Spaß und Solidarität auf.

      Nun haben Flächentarifverträge, spätestens seit es das Experimentierfeld Ostdeutschland gibt, ihre sozialpolitische Unschuld verloren. Gilt doch für den Menschen zunächst die Situationsbestimmung, ob er »drinnen« oder »draußen« ist. »Drinnen sein«, das ist die Mitgliedschaft im Klub der Arbeitsplatzinhaber. »Draußen«, das heißt Erwerbslosigkeit mit allen ihren Begleiterscheinungen. Doch auch die Beschäftigten teilen sich in Gruppen mehr oder weniger Privilegierter. Tariflohn bei BMW oder Haustarif nach Art der sächsischen Textilindustrie, dazwischen liegen Welten. Mit unterschiedlichen Qualifikationsmerkmalen der Betroffenen oder unterschiedlicher persönlicher Motivation hat diese Teilung der auf Erwerbsarbeit angewiesenen Menschen nur noch wenig zu tun. Eher damit, ob man Sachse oder Schwabe, alt oder jung, Metaller oder Textiler, Frau oder Mann ist. Dagegen anzugehen, haben alle Gewerkschaften versäumt. Statt dessen ließ der Kampf um die Besitzstandswahrung ihrer Klientel vergessen, daß gewerkschaftliche Interessenvertretung nur auf Dauer funktioniert, wenn alle Beschäftigten und alle Erwerbslosen als Klientel gesehen werden. Gegen die Macht des organisierten Kapitals kann auf Dauer nicht bestehen, wer sich ihnen, Partikularinteressen zuliebe, andient. Fällt nun der Flächentarifvertrag, muß sich die Gewerkschaftsbewegung völlig neu erfinden – oder sich auflösen.
      http://www.jungewelt.de/2004/01-24/003.php
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 21:06:09
      Beitrag Nr. 1.303 ()
      Ausland
      Mumia Abu-Jamal

      Wahlen bringen keine Lösung

      Den beiden großen Parteien in den USA geht es nicht um die Interessen der Menschen


      »Das Markenzeichen ›Amerika‹ ist vergleichbar mit dem der Clorox Corporation: darunter wird sowohl giftiges Bleichmittel (Clorox) verkauft als auch Salatdressing (Hidden Valley Ranch). Käme das Salatdressing mit dem Etikett von Clorox in den Handel, würde es niemand kaufen. Würde ›Amerika‹ mit den Bildern von Armut und militärischer Herrschaft identifiziert, würde es seine Attraktivität verlieren.«

      (Vijay Prashad, »Keeping Up With the Dow Joneses«, Cambridge 2003)


      Wenn man die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien über ihre Programme reden hört, dann kann man sich ein Lachen nicht verkneifen. Sie sind fast alle Handlanger der Konzerne und haben ihre Positionen in der Politik erlangt, indem sie die Launen der Konzerneliten bedienten. Es ist amüsant zu sehen, wie diese Herrschaften (die meisten von ihnen sind Herren) sich kleiden: Sie tragen gern Arbeitshemden, die Kragenknöpfe offen, die Hemdsärmel hochgekrempelt. Sie wollen den Eindruck erwecken, als seien sie ganz durchschnittliche Arbeiterkumpel und nicht die reichen Konzernschranzen, die sie in Wirklichkeit seit langem sind.

      Dieses Schmierentheater spricht Bände über die politische Notwendigkeit, sich so zu geben, damit ihnen die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgern der USA überhaupt noch zuhört. Die Mehrzahl dieser Kandidaten hat in Fragen der Gesetzgebung oder auf der Ebene von Gouverneurs- oder Bürgermeisterämtern keine realen Erfolge vorzuweisen, die zu irgendeinem Vorteil für die arbeitende Bevölkerung gewesen wären. Im Gegenteil, meist sind sie direkt beteiligt gewesen an dem seit einer Generation unentwegt wütenden Krieg gegen die Armen, initiiert von Reagan, fortgeführt unter Clinton, um die Armen »zu disziplinieren« und für die Marktgesetze der Konzerne gefügig zu machen.

      Die Medienkonzerne schaffen natürlich auch keine Abhilfe, wenn sie täglich ihre Meldungen über die angeblich fallenden Arbeitslosenzahlen oder den steigenden Dow-Jones-Index hinausposaunen. Den meisten Werktätigen sagt das alles überhaupt nichts, denn die Arbeitslosenzahlen sind bekanntlich ungenau, da sie nicht die Millionen Menschen berücksichtigen, die einfach aufgegeben haben und nicht mehr auf einen Job hoffen, also auch in keiner Statistik mehr auftauchen. Genausowenig wie die chronisch Arbeitsunfähigen oder die zwei Millionen in US-Gefängnissen. Und was den Dow-Jones-Index betrifft, schreibt Vijay Prashad in seinem Buch: »Wenn auch fast die Hälfte der US-Haushalte über Aktienbesitz verfügt (sei es zur Pensionsabsicherung oder aus anderweitigen Gründen), ist dieser Aktienbesitz bei 60 Prozent der Haushalte nicht höher als 4000 US-Dollar. Das eine Prozent an der Spitze, also jene, die über ›freies Geld‹ verfügen, hält fast die Hälfte des gesamten Aktienvermögens (47,7 Prozent) in seinen Händen, während die Masse von 80 Prozent nur über verschwindene vier Prozent des gesamten Aktienbesitzes verfügt.«

      Wann hat man zuletzt einen der Präsidentschaftskandidaten über die Probleme der Ärmsten der Armen dieses Landes reden hören? Jene Millionen ohne Glück, ohne Arbeit, die am Boden liegen? Die Politiker führen alle schöne Reden über den großen amerikanischen »Mittelstand«, als gäbe es nicht Abermillionen, deren Einkommen unterhalb dieser »Mitte« liegt. Millionen Menschen schuften Tag für Tag, aber es gelingt ihnen nicht, das nötige Geld für das Mindeste zu verdienen, das sie zum Leben brauchen. Für die Politiker, die das Land regieren möchten, sind diese Menschen unsichtbar. Sie existieren gar nicht. Oder sie sind zumindest vergessen.

      Wenn sie aber schon vor den Wahlen nicht wahrgenommen werden, was soll erst nach den Wahlen werden? Und nun verbreiten sich die Medien über die »Bekämpfung der Arbeitslosigkeit«. Aber für viel zu viele Männer und Frauen geht es bei der Lösung ihrer Probleme nicht nur einfach um Jobs, wenn diese Jobs ihnen kein ausreichendes Einkommen garantieren, das auch mit den steigenden Kosten wächst.

      Vor fünf Jahren verbreiteten viele Konzerne Angst und Schrecken unter ihren Beschäftigten, indem sie damit drohten, ihre Produktion nach Mexiko zu verlagern. Nachdem sich die Gewerkschaften in Mexiko wehrten und damit die Aussicht auf hohe Profite zunichte gemacht wurde, drohen die Unternehmen jetzt damit, in China zu produzieren, wo Arbeitskräfte noch billiger zu haben sind. Damit zeigt sich das Gesicht der kapitalistischen Globalisierung, der »Strukturanpassung« von Reagan und der »New Economy« von Clinton.

      Die Lösung liegt nicht darin, den Politikern seine Stimme zu geben und doch nach den Wahlen wieder von ihnen verraten zu werden. Sie liegt darin, sich zu organisieren, die Gewerkschaften zu reorganisieren und sie zu wahrhaft internationalen Organisationen zu machen, die die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter vertreten – weltweit.

      (Übersetzung: Jürgen Heiser)
      http://www.jungewelt.de/2004/01-24/008.php
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 21:09:12
      Beitrag Nr. 1.304 ()
      Inland
      jf

      Ein Scherzkeks namens Schmidt

      Bundesgesundheitsministerin verordnet Patienten einen »guten Tag«


      Ein »guter Tag für die Patienten« sei der Donnerstag gewesen, meinte die SPD-Gesundheitsministerin nach der Verkündung der neuen Definition, wer schwer chronisch krank sei und wer nicht, durch den gemeinsamen Bundesausschuß von Ärzten und Krankenkassen. Gegenüber der zunächst geplanten Regel hat sich eine überwältigende Ausweitung des Personenkreises ergeben, der infolge seiner Krankheit »nur« ein statt zwei Prozent seines Bruttoeinkommens für Medikamente zuzahlen muß: Es ist nun lediglich ein Grad der Behinderung oder der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von 60 statt wie zunächst geplant 70 Prozent nachzuweisen. Und man muß wegen seiner Krankheit gerade einmal pro Quartal in Behandlung gewesen sein. Zuvor hatten die Kassen- und Ärztevertreter erst bei zwei Malen eine schwerwiegende chronische Erkrankung sehen wollen. Sogar ganz weggefallen ist der Plan, daß ein Antragsteller in den vorangegangenen zwei Jahren zweimal aufgrund desselben Leidens in stationärer Behandlung gewesen sein müsse, um die Einstufung zu bekommen. Bis zum 31. Dezember 2003 waren chronisch Kranke übrigens noch zuzahlungsbefreit.

      Für diejenigen Betroffenen, die nicht in das beschlossene Raster passen und für die demzufolge die gleichen Zuzahlungsregeln wie für Gesunde gelten, hatte Ulla Schmidt Trost parat. Man müsse abgewiesenen Patienten auch mal klarmachen, sie könnten sich doch glücklich schätzen, aufgrund ihres guten Gesundheitszustandes nicht auf die Vergünstigungen angewiesen zu sein, riet sie den Ärzten am Freitag im Inforadio.

      http://www.jungewelt.de/2004/01-24/012.php
      Avatar
      schrieb am 23.01.04 21:13:02
      Beitrag Nr. 1.305 ()
      Gesundheitsreform: Nachbesserungen beschlossen
      (3 Schritte zurück eine vor, ah wie toll es gibt was zu feiern)


      Halbjahres-Rezept für Anti-Baby-Pille
      Bei der Praxisgebühr gelten damit weitere Ausnahmen. So werden Rezepte für die Anti-Baby-Pille künftig grundsätzlich für alle Frauen für sechs Monate ausgestellt. Damit müssen die betroffenen Frauen nur einmal pro Halbjahr die Praxisgebühr von zehn Euro zahlen. Auch Patienten, die bei derselben Erkrankung häufiger in die Notfallaufnahme müssen, sollen entlastet werden. Zudem wird bei Laboruntersuchungen, die eine Quartalsgrenze überschreiten, keine neue Praxisgebühr fällig.




      Vier Kriterien für chronisch Kranke
      Als schwer chronisch krank gilt nun, wer in Dauerbehandlung ist und mindestens einmal pro Quartal auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Außerdem muss noch mindestens eines der folgenden Kriterien zutreffen: Der Betroffene ist entweder in Pflegestufe zwei oder drei eingestuft, zu mindestens 60 Prozent behindert oder der Arzt hält die kontinuierliche medizinische Versorgung für nötig, damit sich ein Leiden nicht lebensbedrohlich verschlimmert oder die Lebenserwartung verkürzt. Die Anerkennung als chronisch Kranke ist für die Betroffenen wichtig, weil sie zu medizinischen Behandlungen nur halb so viel zuzahlen müssen wie andere Patienten.


      Taxi-Fahrten mit Eigenbeteiligung
      Für Krankentransporte per Taxi, die ursprünglich ganz aus dem Kostenkatalog der Kassen gestrichen werden sollen, gibt es in einigen Ausnahmen eine Erstattung: Krebskranken in Strahlen- und Chemotherapie, Nierenkranken, die sich einer Dialysebehandlung unterziehen, Gehbehinderten und Blinden bezahlen die Kassen weiterhin den Transport, allerdings bei einer Eigenbeteiligung von fünf bis zehn Euro.



      http://onnachrichten.t-online.de/c/00/00/25/252.html
      Avatar
      schrieb am 29.01.04 16:10:52
      Beitrag Nr. 1.306 ()
      ------------------------


      Florian Gerster: 427.059 EUR Abfindung


      Der Focus berichtet heute in seiner Online-Ausgabe, daß der ehemalige Chef der zur Bundesagentur mutierten Bundesanstalt für Arbeit nach seinem Rauswurf am vergangenen Wochenende zunächst noch drei Monate sein altes Gehalt von 20.833 EUR/Monat brutto und danach weitere 35 Monate die Hälfte dieser monatlichen Bezüge, also 10.416 EUR pro Monat erhalte, was Gesamtbezügen von 427.059 EUR entspreche.

      Man mag finden, daß dies dem herrschaftlichen Gehabe eines Behördenleiters entspreche, der im Angesicht von über sieben Millionen Arbeitslosen zunächst sein Dienstzimmer auf Hochglanz renovieren, den Leistungsempfängern aber die Bezüge kürzen läßt. Noch drei Jahre fast eine Millionen Mark ohne jeden Gegenwert in Leistung an einen geschaßten Chef auszuzahlen, ist jedoch gerade in dieser Position zweifellos eine unglaubliche Geschmacklosigkeit und ein Schlag ins Gesicht derer, die nicht mehr wissen, wovon sie noch leben sollen.

      Der Vorgang mag dem Dienstrecht entsprechen, aber das Recht ist ja ohnehin immer ein Instrument in der Hand der herrschenden Clique. Dieser Vorgang läßt aber tiefer in die Abzocke- und Bereicherungsmentalität dieses Staates blicken, als es den möglicherweise nur gedankenlosen Verantwortlichen vermutlich lieb sein kann und ist gewiß alles andere als eine gute Ausgangsbasis in die zweifellos in diesem Land erforderlichen gründlichen Wirtschafts- und Sozialreformen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 29.01.04 20:26:44
      Beitrag Nr. 1.307 ()
      pharmaindustrie

      Der deutsche Patient

      Eine Übernahme des Pharmakonzerns Aventis würde viele Arbeitsplätze in Deutschland gefährden


      Von Jutta Hoffritz

      Wir hoffen, dass unsere Aktionäre dieses Angebot so schlecht finden, dass sie es ablehnen“, sagt ein deutscher Aventis-Mitarbeiter in wütender Verzweiflung. Am Montagmorgen hat der Pariser Pharmahersteller Sanofi-Synthélabo bekannt gegeben, dass er Aventis übernehmen möchte. Seither sind alle Mitarbeiter des deutsch-französischen Unternehmens in Aufruhr. Wenn Sanofi die Schlacht gewinnt, gingen Jobs bei Aventis verloren, fürchtet der Mann, der vor über dreißig Jahren als Chemie-Laborant in Frankfurt anfing und seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Einige seiner jüngeren Kollegen beginnen bereits, sich am Markt nach Stellen umzuhören.

      Fusionen kosten Jobs, das weiß man nirgendwo besser als bei Aventis. Das Unternehmen entstand 1999 durch den Zusammenschluss des Frankfurter Chemiekonzerns Hoechst mit Rhône-Poulenc aus Frankreich – zu diesem Zeitpunkt hatten sich beide Firmen selbst schon mehrere Wettbewerber einverleibt. Heute, gerade fünf Jahre später, könnte Aventis bei der Jagd um Marktanteile selbst zur Beute werden.

      http://www.zeit.de/2004/06/Pharma
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 17:30:02
      Beitrag Nr. 1.308 ()
      Basel II: Das Ende der Kreditversorgung?


      http://www.bwl-bote.de/index.htm

      Schon im Jahre 1988 wurde durch den Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht erstmals ein Papier zur Eigenkapitalunterlegung für die Kreditrisiken bei Banken entworfen, das erst 1992 in Kraf trat und über eine EU-Richtlinie in deutsches Recht übernommen wurde. Das Dokument regelte im wesentlichen, daß Banken Eigenkapital in Höhe von 8% der ausgereichten Kredite führen müssen. Hierzu enthält §10 KWG eine Verordnungsermächtigung. Mit dieser Eigenkapitalunterlegung ("Solvabilitätsgrundsätze") sollte eine größere Sicherheit des Bankensektors erreicht werden. Die Hauptkritik, daß diese Anforderung an das Eigenkapital die Bonität des Schuldners nicht berücksichtigt, führt derzeit zum Basel II Abkommen, das aber vorausssichtlich erst ab 2007 in Kraft treten soll. Dennoch hat es schon im Vorfeld zu massiven Ängsten insbesondere im Mittelstand geführt. Dieser kleine Beitrag enthält die wichtigsten Umrisse.

      Der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht diskutiert derzeit eine neue Richtlinie über die Eigenkapitalunterlegung von Krediten an Bankkunden, die das alte Basel I Abkommen aus dem Jahre 1988 ersetzen soll und voraussichtlich folgende (noch nicht ganz abschließend festgelegte) Elemente enthalten soll:

      Retail-Portfolio: Kredite an kleine unt mittlere Firmenkunden mit einem Gesamtkreditvolumen von unter 1.000.000 € sollen zu einem sogenannten Retail-Portfolio zusammengefaßt werdne und müssen nur noch mit weniger als 8% Eigenkapital unterlegt werden. Dies sichert voraussichtlich die weitere Kreditversorgung von Freiberuflern, Handwerkern und ähnlichen Unternehmern.
      Rating: Kredite an Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 50.000.000 € und einer Kreditsumme über 1.000.000 € werden von einem Rating-Prozeß abhängig gemacht. Hierbei muß die Bank den Kredit mit um so mehr Eigenkapital unterlegen je geringer die Bonität des Kreditnehmers ist.
      Zuschläge bei längerfristigen Krediten: Schließlich sollen auch bei langfristigen Krediten Zuschläge in der Eigenkapitalunterlegung erhoben werden, weil das mit langfristigen Engagements verbundene Risiko größer ist.

      Das Basel II Abkommen besteht aus drei Regelungsbereichen, die als die sogenannten „drei Säulen“ bekannt sind:

      1. Säule: Drei Elemente sollen in die neu zu beschließenden Mindesteigenkapitalanforderung einbezogen werden: Das Kreditrisiko, das Marktrisiko und das operationelle Risiko. Hierzu wird ein Rechenverfahren vorgegeben, das die Kreditnehmer bewertet. Je nach Ergebnis dieser Berechnung, d.h., je nach Bonität des Kreditnehmers, muß die Bank den ausgereichten Kredit mit mehr oder weniger Eigenkapital unterlegen. Dies führt dazu, daß Kredite für „gute“ Kreditnehmer günstiger und für „schlechte“ Kreditnehmer teurer werden.
      2. Säule: Das aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren soll die Einhaltung der Anforderungen überwachen und sicherstellen, daß die Banken ihre internen Methoden zur Risikobewertung ständig verbessern. Es ist damit ein dem Qualitätsaudit nahestehendes Verfahren und kann wie auch das QM zu einer Art kontinuierlichen Verbesserung führen. Die Bankenaufsicht bewertet auch das Risikoprofil der Bank selbst und kann bankspezifisch härtere Anforderungen festlegen. Bei Feststellung von Mängeln des internen Risikomanagementsystems der Bank kann die Bankenaufsicht die Banken zu Verbesserungsmaßnahmen verpflichten. Dies wird vermutlich im Wege einer Verordnung ausgestaltet werden.
      3. Säule: Erweiterte und neue Offenlegungspflichten fallen in vier Kategorien: Genaue Angaben zu den erfaßten Gesellschaften der jeweiligen Bankengruppe, Informationen zur Eigenkapitalstruktur (Zusammensetzung des Kernkapitals, Höhe der Ergänzungskapitalsummen, Art der angewandten Rechnungslegungsgrundsätze und Berücksichtigung unrealisierter Gewinne), Informationen zu den eingegangenen Risiken (Kreditrisiken, Daten zu den jeweiligen Krediten, Marktrisiken, Risikomanagement-System der Bank) und Angaben zur angemessenen Eigenkapitalausstattung (Eigenkapitalquote, Eigenkapitalunterlegung verschiedener Risikoarten). Dies ist mit der Erwartung verbunden, daß die Marktteilnehmer sich über die bestehenden Risiken informieren und mehr Transparenz zu einer generell besseren Marktdisziplin führen werde.

      Das Basel II Abkommen hat insbesondere im Mittelstand beträchtliche Ängste ausgelöst, die Kreditversorgung könnte nach Inkrafttreten der neuen Regelungen ganz zusammenbrechen. Eine Vermutung war bzw. ist, daß Venture Capital nach Einführung der neuen Regelungen auch im Mittelstand bedeutsam werden könnte. Die heftigen Diskussionen, die die neuen Richtlinien ausgelöst haben, haben mehrfache Verzögerungen der ursprünglich schon für 2004 geplanten Inkraftsetzung verursacht. Die Einführung eines ratingfreien Retail-Portfolios ist vermutlich eine Reaktion auf diese Befürchtungen.

      Ganz sicher wird das neue Regelwerk aber zu einer Verschärfung des Auslesedrucks unter Unternehmen führen, den die, denen es gut geht, werden durch Basel II günstigere Kredite bekommen, während Unternehmen in der Krise der Zugang zu Geld weiter erschwert wird. Schon jetzt kursieren schwarze Listen mit generell nicht kreditwürdigen Branchen, auf denen neben dem Baugewerbe auch die Gastronomie und das Kfz-Gewerbe angeblich ganz oben stehen: Bald wird es vermutlich noch mehr so sein, daß es mit dem Kredit wie mit dem Sex ist: wer es am meisten nötig hat, bekommt am wenigsten...

      Basel II wird daher indirekt auch den Monopolisierungsprozeß der Wirtschaft beschleunigen: die Großen werden größer, die kleinen sterben früher. Wie gut (oder schlecht) das für die Arbeitsplätze ist, werden wir erleben. Ob es helfen kann, große Insolvenzen und die daraus entstehenden Folgen zu vermindern, kann als zweifelhaft betrachtet werden. Auch die grundsätzliche systemische Instabilität des Bankensektors wird durch dieses Regelwerk vermutlich nicht verringert: hierzu müßte man Derivate verbieten und den Wahnsinn des Emissionshandels verhindern. Leider ist hierzu in der Politik nicht der geringste Ansatz zu erkennen.
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 17:32:20
      Beitrag Nr. 1.309 ()
      Die Industrie weist Trittins Rationierungspläne endlich zurück




      Die deutsche Industrie hat die Energierationierungspläne von Bundesumweltminister Jürgen Trittin endlich als "inakzeptabel" zurückgewiesen. Der am Donnerstag "völlig überraschend" vorgelegte sogenannte "nationale Allokationsplan" sei für die Wirtschaft "indiskutabel" erklärte Industriepräsident Michael Rogowski am Freitag in Berlin.

      Derzeit werden im sogenannten "nationalen Allokationsplan" (NAP) Emissionsrechte für einzelne Großanlagen festgelegt, was natürlich nichts anderes als eine Rationierungsmaßnahme ist, aber eine schöner klingende Bezeichnung trägt. Schon vor einigen Wochen hatte die EU-Kommissarin Loyola de Palacio indirekt Energierationierung ab 2007 angekündigt - die derzeitigen Repressionsmaßnahmen von Jürgen Trittin dürften die Einführung von Energieverbrauchsquoten für Endkunden wohl noch etwas beschleunigen.

      Im Verkehrsbereich bereitet man ja schon seit einiger Zeit mit Hochdruck die Einführung der Maut für alle Fahrzeuge auf allen Straßen vor und testet die derzeit noch als automatische und vom Fahrer nicht zu umgehende "intelligente Geschwindigkeitsbeschränkung" ausgestaltete elektronische Fernsteuerung von Fahrzeugen, was die Möglichkeit eröffnen soll, Fahrzeuge für einzelne Strecken individuell freizuschalten oder zu sperren - und damit die einer Person nach Ansicht der Verkehrsplaner zustehende Mobilität ebenfalls individuell zu rationieren. Die entsprechende Rationierungsbehörde wird dem Vernehmen nach schon jetzt von Jürgen Trittin vorbereitet.........


      http://www.bwl-bote.de/20040131.htm
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 17:35:23
      Beitrag Nr. 1.310 ()
      Die Industrie steigt aus Rationierungsverhandlungen aus

      http://www.bwl-bote.de/20040201.htm

      Der Spiegel berichtet, daß die Industrie aus den Verhandlungen mit Umweltminister Jürgen Trittin über die Energierationierung aussteigen will. Vermittlungsversuche des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) blieben erfolglos. Wir berichteten erst gestern, daß die Wirtschaft nun offensichtlich begonnen hat, sich gegen die Rationierungspläne der Ökologisten zu wehren.

      Unklar ist freilich noch, ob dies ein grundsätzlicher Widerstand ist, oder ob das Scheitern der Verhandlungen auf Differenzen innerhalb der Industrie zurückzuführen ist. Schließlich haben viele Unternehmen eigentlich ein Interesse an der Einführung einer möglichst harten Rationierung, weil sie dann ihren Betrieb reduzieren oder ganz einstellen und ihre Zuteilungen in Gestalt von "Treibhausgasemissionszertifikaten" verkaufen können. Dies würde kurzfristig zu einer massiven Reduktion der industriellen Produktion und zu Massenentlassungen bei gleichzeitiger fluchtartiger Verlagerung der noch produzierenden Betriebe ins Ausland führen, während ehemals energieintensiven Betriebe die Einstellung der Produktion eine Menge Geld aus verkauften Zertifikaten in die Kassen spülen würde. Besonders interessant ist, daß im Kyoto-Protokoll zahlreiche Länder der sogenannten Dritten Welt von der Rationierung ausgenommen sind, so daß diese also ebenfalls ein Interesse an einer Kontingentierung in Europa haben müssen.

      Unterdessen berichtet die "Welt am Sonntag" in ihrer heutigen Ausgabe, daß das Umweltbundesamt entgegen den Versprechungen von Rot-Grün, die sogenannte Ökosteuer ab 2003 nicht mehr zu erhöhen, eben weitere Erhöhungen der Öko-Religionsabgabe um jeweils 3,07 Cent pro Jahr auf weitere 5 Jahre prüfe, was das Benzin um knapp 18 Cent verteuern würde, falls die Umsatzsteuer nicht steigt, was aber kaum zu erwarten ist. Auch hier ist der Vorwand der CO2-Reduktion die offiziell vorgetragene Begründung. Inwieweit die Mär vom angeblichen Klimaeffekt aber noch taugt, die Menschen ruhigzustellen, wenn sie ihren Job in der Produktion und dann auch noch ihr Auto verlieren, bleibt abzuwarten. Eines aber scheint gewiß: die Konfliktlinie zwischen den Lebensinteressen der Menschen und den Verknappungszielen des Regimes werden nunmehr langsam schmerzhaft sichtbar.

      Nur eines ist gewiß: noch keine deutsche Regierung außer dem Hitler-Regime hat es geschafft, alle Bereich der Wirtschaft so nachhaltig zu demolieren, wie es der Steuerlügen-Kanzler Schröder und sein Demontageminister Trittin derzeit schaffen.
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 19:35:23
      Beitrag Nr. 1.311 ()
      Verunsichert?

      Nein, wütend!


      Ein Kommentar zur Lage der Nation


      von Egon W. Kreutzer
      30. Januar 2004



      Kaum eine Phrase war in den letzten Wochen und Monaten aus Politikermund öfter zu hören, als der verständnisvolle und zugleich überheblich Distanz schaffende Hinweis, die Bevölkerung sei verunsichert.

      Es können wahlweise auch "die Bürger", "die Patienten", "die Wähler", "die Arbeitslosen", "die Beschäftigten" sein; denen hochgradige oder tiefgreifende Verunsicherung nachgesagt wird, denn der Fortschritt in der Sprachvermüllung hat über Nacht aus ehemaligen "Besitzstandswahrern", "Betonköpfen" und "Ewig-Gestrigen" plötzlich die armen, bedauernswerten und - das schwingt im Unterton mit - wahrscheinlich schon gar nicht mehr zurechnungsfähigen "Verunsicherten" gemacht.

      Es kotzt mich an.



      Niemand ist verunsichert!

      Wenn immer mehr Menschen begreifen, dass die dramatisch schlechte Lage der Nation auch ihre Lebenspläne über den Haufen werfen wird,

      wenn immer mehr Menschen begreifen, dass die versammelte Äh-lite der Nation sich nicht beirren lässt, ihre desaströse Sparpolitik solange fortzusetzen, bis die Bevölkerung Deutschlands auf dem Wohlstandniveau eines Entwicklungslandes angekommen ist,

      wenn immer mehr Menschen ihren Zorn und ihre Wut artikulieren, ihrer Enttäuschung über gebrochene Versprechen Luft machen und den Verantwortlichen Unfähigkeit und grobe Fahrlässigkeit vorwerfen, weil diese Menschen im Grunde trotz aller Skandale nicht von vornherein an Vorteilsnahme und Bestechlichkeit denken wollen,
      dann sind diese Menschen doch nicht verunsichert.



      Ganz im Gegenteil! Die inzwischen absolut makabren Umfragewerte der SPD zeigen, dass sich die Menschen sehr sicher sind, dass sie diese Politik nicht länger wollen.

      Die Strategen von Union und FDP sollten sich fürchten, ihr derzeit scheinbar hohes Ansehen in der Wählergunst als Zustimmung zu ihren politischen Vorhaben anzusehen. Schließlich übertreffen sie sich gegenseitig lediglich an Vorschlägen, wie die schlechte Politik der Regierung noch schlechter gemacht werden kann. Wie man noch schneller, mit noch härteren Maßnahmen, noch tieferen Schnitten und brutalstmöglichem Raubtierkapitalismus den gesellschaftlichen Konsens der Republik zerstören kann.

      Das überhaupt nicht verunsicherte Volk straft schlechte Politik ab, egal ob sie von rechts oder von links kommt.

      Gottseidank sind wir so weit.



      Konsequenzen?

      Die so genannte Pflegereform wird gestoppt.
      Niemand, ausser der düpierten Rheinländerin, die immer noch die Gesundheitsministerin geben darf, regt sich wirklich darüber auf.

      Der Machtwortkanzler hat die Pflegereform kassiert. Da braucht es keine lange Debatten.
      2,50 Euro, so glaubt er, sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.



      Hat ihm nie jemand etwas von der Praxisgebühr erzählt, oder von den völlig unerwarteten Preiserhöhungen der Pharma-Industrie? Hätte er da sein Machtwort herausgekehrt, die 2,50 Euro für die Pflegeversicherung hätten sich verkraften lassen.

      Hat ihm nie jemand etwas erzählt davon, dass es in Deutschland für einen Langzeitarbeitslosen praktisch keinerlei rechtlichen Schutz mehr gibt, dass der für jeden gebotenen Lohn jede legale Arbeit annehmen muss? Wobei wohl niemand bisher darüber nachgedacht hat, dass eigentlich auch die Arbeit einer/eines Prostituierten - außerhalb des Sperrbezirks als legal angesehen werden müsste.

      Hätte der Kanzler bei der Behandlung der Arbeitslosen den Mund an der richtigen Stelle zum Machtwort geöffnet, statt sich von Hartz und Mc Kinsey wie ein Tanzbär an der Nase herumführen zu lassen, so mancher Arbeitslose würde jetzt liebend gern die 2,50 Euro für die Pflegeversicherung abdrücken.


      Hat dem Kanzler nie jemand erzählt, dass die Auszahlungsbeträge der Renten inzwischen tatsächlich sinken?

      Warum hat er es da nicht für nötig gehalten, jenem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, der - von den gewählten Volksvertretern nahezu unverdaut - seinen Weg aus den privatwirtschaftlich orientierten Kommissionen direkt ins Gesetzblatt gefunden hat?

      Will der Kanzler mit den zweieinhalb Peanuts aus der Pflegereform jetzt ausgerechnet an einem Thema, über das sich niemanden mehr aufgeregt hätte, den starken Mann markieren und seinen verunsicherten Schäfchen weißmachen, er würde die Bürger vor dem Fortgang der Ausplünderung schützen wollen?

      Da hätte er genauso gut die Rundfunkreform rückgängig machen können.

      Was? Von der Rundfunkreform haben Sie nie etwas gehört?

      Dann denken Sie mal nach!
      Da hat doch eine Kommission getagt, oder?
      Und jetzt werden die Gebühren erhöht, oder?
      Und die Sendungen werden weiterhin schlechter, oder?

      Da haben wir doch alles, was eine echte Reform auszeichnet, oder?

      Sobald etwas teurer und schlechter wird und sich diese Veränderung damit begründen lässt, dass es sonst noch teurer und noch schlechter würde, dann ist das eine Reform, vorausgesetzt, ein Politiker hat dazu genickt.

      Ist doch scheißegal, dass man früher von einer Reform zu Recht erwarten konnte, die Dinge würden dadurch, wenn schon nicht billiger, so doch wenigstens besser werden, Reform früher und Reform heute, das hat doch nichts miteinander zu tun.

      Es regt sich ja auch keiner darüber auf, dass die Kilometerpauschale für Pendler als Subvention gebrandmarkt wird, während man diejenigen Ministerpräsidenten in den höchsten Tönen lobt, die es schaffen, die meisten Milliarden für die Förderung ausländischer Investoren in ihrem Bundesland locker zu machen. Egal, dass man dafür anderswo im öffentlichen Dienst weit mehr Arbeitsplätze wegsparen muss, um die Milliarden zusammen zu kratzen, als schlußendlich neu geschaffen werden.

      Es ist doch wahr:

      Dass Georg Milbradt von Sachsen die Ansiedlung von AMD in Dresden mit gigantischen Beträgen an Landes- und Bundesmitteln fördert und noch dazu erhebliche Bürgschaften beschafft, um dem ausländischen Investor auch ja kein eigenes Risiko zumuten zu müssen, das haben Steinbrück und Koch mit ihrem Subventions-Rasenmäher nicht zur Kenntnis genommen.

      Und ich habe auch sonst weder in der Regierung, noch in der Opposition jemanden gehört, der verlangt hätte, der Subentionitis an dieser Stelle Einhalt zu gebieten.

      Aber die Krankenschwester, die ihre Nachtarbeitszuschläge steuerfrei bekommt, die ist ein Teil des Subventionssumpfes, der trockengelegt werden muss -

      und, um zum Thema zurückzukommen, jetzt muss sie sich dazu auch noch sagen lassen, sie sei verunsichert, nur weil sie fürchtet, sie könnte von der Steuerreform unter dem Strich nicht entlastet, sondern belastet werden.

      Sie fürchtet es nicht, sie weiß es!

      Außerdem hat sie der Träger des Krankenhauses schon Ende letzten Jahres darauf aufmerksam gemacht, dass sie, wenn sie denn ihren Arbeitsplatz behalten möchte, doch am besten einer Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichzeitigem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld zustimmen sollte. Sonst müsste man sich leider von ihr trennen.

      Ja, die Sicherheit dieser Krankenschwester ist, wie die Sicherheit der allermeisten Menschen in diesem Land deutlich geringer geworden und sie schrumpft immer weiter. Politik und Wirtschaft arbeiten ganz unverhohlen in einer fragwürdigen Interessengemeinschaft Hand in Hand daran, die Sicherheit der Menschen in unserem Land auf den Altären der Exportmärkte zu opfern.

      Aber diesen Menschen nun, mit der Vokabel "verunsichert" einzureden,

      sie seien - wie überhaupt das ganze tumbe Volk - einfach zu beschränkt, um begreifen zu können, worum es geht,

      sie würden wie Alzheimerpatienten im fortgeschrittenen Stadium hilflos herumirren

      und müssten deshalb - die Polizei bittet um Ihre Mithilfe - schnellstens eingefangen und belehrt, notfalls auch sicher verwahrt werden, bevor sie sich selbst oder anderen in ihrer grenzenlosen Verunsicherung einen Schaden zufügen,
      das ist der Gipfel.


      Denn die vorgeblich Verunsicherten haben sich ihren gesunden Menschenverstand bewahrt und die Erinnerung an den Artikel 20 GG ebenfalls. Da heißt es immer noch:

      "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."

      Die vorgeblich Verunsicherten stehen vor einer dicht geschlossenen Mauer von Berufspolitikern aller Parteien und sehen betrübt auf den traurigen Rest von Demokratie, den man ihnen gelassen hat. Alle paar Jahre ein Kreuzchen malen dürfen, nach Waschmittelwerbungswahlkämpfen für Kanditaten, die ihre Ziele und Überzeugungen fast beliebig an die jeweilige demoskopische Lage anzupassen vermögen und hinterher in Lügenausschüssen erklären, was genau sie nun ganz bestimmt nicht versprochen und wenn schon versprochen, so doch auf keinen Fall damit gemeint hätten und was sie gewusst und nicht gewusst und was sie auf keinen Fall gewusst haben könnten...



      Die vorgeblich Verunsicherten stehen in Schlangen vor den Arbeitsämtern, sehen zu Millionen auf ihre Rentenbescheide, schauen zu Millionen auf ihre Lohnzettel, zahlen Mehrwert-, Mineralöl-, Öko-, Tabak und Branntweinsteuer, sehen zu, wie ein Innenstadtladen nach dem anderen schließt, arbeiten freiwillig länger, für das gleiche Geld, sehen zu, wie geschlossene Immobilienfonds die Pflegeheime errichten, in denen sie schon bald als Alte und Kranke mit geringstmöglichem Personalaufwand verwahrt werden sollen, damit die Steuersparmodelle der Fondszeichner auch die gewünschte Rendite abwerfen und sie hören, dass es leider unmöglich sei, die Vermögenssteuer einzuziehen, dass es leider unmöglich sei, Steuerflüchtlinge an den Grenzen aufzuhalten, dass es leider unmöglich sei, Zinsgewinne zu erfassen und wie jedes andere Einkommen zu versteuern und in diesem Szenario finden sie als Rest des ehemaligen Sozialstaates gerade noch jene hart umkämpfte Ausnahmeregelung, die besagt, dass die Praxisgebühr für das Pillenrezept nur jedes zweite Quartal, statt alle drei Monate fällig wird.

      "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."

      Wer diesen Satz in der Realität des Jahres 2004 vergeblich sucht, ist verunsichert?

      Es sieht doch eher so aus, dass Deutschland selbst in einem gnadenlosen Kampf mit Kräften steht, die diesem Satz der Verfassung feindlich gegenüberstehen. Deutschland ist die Beute! Und ist die Beute erst einmal gerissen, wird von dem Staatsgebilde "Bundesrepublik" Deutschland" bald nicht mehr übrig sein, als gerade noch der Umriss auf einer historischen Landkarte.

      Deutschland wird ausgehöhlt.

      Konstitutionell hat die EU längst weite Teile der ehemals nationalstaatlichen Befugnisse und Entscheidungsrechte übernommen. Noch hat die EU keine Verfassung, noch ist das demokratisch gewählte Parlament - im Vergleich zur Allmacht der Kommissare - nur eine hilflose Statistentruppe, doch seit Jahren vergeht keine Woche, in der nicht ein Kommissar sein durch eine fragwürdige Rechtskonstruktion erlangtes Recht verwendet, um der Bundesregierung, den Landesregierungen und sogar den Kommunen Deutschlands in die Suppe zu spucken.

      Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht ein deutsches Unternehmen von Europas Kommissaren bezichtigt wird, es habe zu Unrecht nationale Fördermittel erhalten, es habe zu Unrecht irgendeinen Wettbewerber benachteiligt.

      Es ist kein Jahr vergangen, ohne dass sich der Europäoische Gerichtshof nicht kraftvoll eingemischt hätte in Fragen des deutschen Rechts.

      Und in den allermeisten Fällen hat die europäische Einmischung dazu geführt, dass die Lebensbedingungen für die große Mehrzahl der Durchschnittsbürger verschlechtert wurden, dass die Lasten des Staates schwerer wurden, während die Gewinnchancen für das internationale Unternehmer- und Spekulantentum, das sich in Europa tummelt, verbessert wurden.
      Man muss gar nicht erst an Parmalat denken, um diese Aussage zu verstehen, es reicht, die unwürdige Rolle Europas beim Ringen um das Dosenpfand zu beleuchten.


      Niemand hat uns gefragt.

      Einen Volksentscheid zum EU-Beitritt hat es nicht gegeben. Den Euro hat man uns, ohne uns zu fragen, verordnet und auch einen Volksentscheid zur geplanten Verfassung, die uns weitere Einschränkungen der staatlichen Souveränität bescheren wird, will man nicht zulassen.

      Zur Öffnung der Grenzen für immer neue Beitrittsländer werden wir nicht gefragt.

      Warum nicht? Weil "man" weiß, dass die Beitrittsländer zwar neue Märkte bringen, dass aber gleichzeitig die Absenkung des Lebens- und Sozialstandards, insbesondere in Deutschland weiter vorangetrieben wird. Es dauert nur noch ein paar Monate, dann stehen die ehemaligen polnischen Schwarzarbeiter, die man bis vor kurzem noch von den Baustellen und Spargelfeldern verjagt hat, als reguläre Arbeitskräfte des Binnenmarktes zu genau den gleichen Niedriglöhnen auf der Matte, wie vorher auch.



      Doch es ist nicht nur der unkontrollierte Prozess der Machtübergabe an die EU. Gleichzeitig hat sich der Prozess der Globalisierung der Wirtschaft und der Finanzspekulation so weit entwickelt, dass der Nationalstaat ursprünglicher Prägung für das Kapital als ernstzunehmende Größe heute schon praktisch nicht mehr existiert.

      Wo früher Schutzzölle und Handelsbeschränkungen, Devisenkontrolle und staatliche Wirtschaftsförderung dazu dienten das geschlossenes Gebilde einer "Volkswirtschaft" zu entwickeln, zu stärken und zu erhalten, ist heute der Total-Ausverkauf aller nationalen Ressourcen angesagt.

      Die Arbeit in Deutschland ist zu teuer. Wie oft haben wir das in den letzten Jahren hören müssen.

      Es fragt sich doch nur, für wen?



      Wir sind zu teuer, um in der Konkurrenz mit Entwicklungsländern auf den Weltmärkten überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften zu können.

      Niemand außer den Anteilseignern der Unternehmen der Exportindustrie hat etwas davon, dass deutsche Arbeiter den Gürtel enger schnallen und - zum Beispiel - den VW Phaeton, die Luxuskarosse aus Wolfsburg, so billig bauen, dass er in den USA um 30 Prozent billiger verkauft werden kann, als in Deutschland und dabei immer noch Gewinn abwirft!

      Aber damit das gelingt, darf der deutsche Arbeiter nicht auf eine ausreichende Unterstützung bei Arbeitslosigkeit hoffen können, damit das gelingt, muss das deutsche Rentenniveau gesenkt werden, müssen die Kosten der Krankenversicherung runter. Damit das gelingt, müssen auch die Steuern gesenkt werden.

      Was nützt denn dem Phaeton-Kunden in New York eine Schule in Deutschland, was ein Theater, was ein Museum?

      Wozu braucht der Phaeton Kunde in New York eine Landesforstverwaltung in Bayern?

      Er braucht sie nicht!

      Also weg damit. Das alles macht den Export teuer!


      Die Binnenkaufkraft, über deren Verlust gelegentlich geklagt wird, kann der Exporteur nicht wollen, denn Binnenkaufkraft ist Geld, das den Gewinn des Exporteurs schmälert!

      Aber was wird den vorgeblich Verunsicherten erzählt:

      Der Export ist unsere Stärke.

      Falsch! Diese Art Export führt direkt in den wirtschaftlichen Niedergang des Landes.

      Nur diejenigen Unternehmer, die dieses Land als Standort benutzen und eben mit Vorbedacht nicht als eine heimatliche Volkswirtschaft ansehen, der sie verpflichtet sind, profitieren davon.
      Alle übrigen Unternehmer sind kaum besser dran, als ihre Mitarbeiter. Sie merken es nur leider immer erst, wenn sie Insolvenz anmelden müssen.



      Aber die verhängnisvollen Folgen der internationalen Deregulierung, die verhängnisvollen Folgen internationaler Vereinbarungen, die vorschreiben, dass auch noch die kommunale Wasserversorgung privatisiert und dem Profitstreben internationaler Konzerne untergeordnet werden muss, veranlassen keinen Politiker zum Nachdenken, führen zu keiner erkennbaren Kurskorrektur, ganz im Gegenteil, jeder drückt nur noch mehr auf das Tempo. Wir müssen noch schneller, noch härter, noch brutaler vorgehen, damit die Reformen greifen.

      Ein konkret formuliertes Ziel der Reformen, an dem man den Fortschritt und die Ergebnsisse beurteilen könnte, gibt es längst nicht mehr.

      Die vorgeblich Verunsicherten sehen aber ganz genau, wo die Fahrt hingeht.

      Wenn es nicht bald gelingt, denen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, sich den deutschen Staat zur Beute zu machen, zu stoppen, wird es Deutschland, so wie wir es von 1950 bis vor wenigen Jahren noch kannten, bald überhaupt nicht mehr geben.

      Alles ehemalige Staats- und Volkseigentum wird den Weg der Privatisierung gehen.

      Dieser, als Privatisierung deklarierte, von den Politikern geförderte Raub am Staats- und Volksvermögen ist in seiner Wirkung auf lange Sicht schlimmer, als die Demontage durch die Siegermächte der Weltkriege.

      Nach Telekom, Post und Bahn, nach den Stromversorgern und Gaswerken stehen jetzt die Autobahnen, die Universitäten, die Rathäuser, die Krankenhäuser, die Wälder und Brachflächen, die Wasserwerke, die Kasernen und Gefängnisse, ja selbst die Finanzämter zur Privatisierung an.

      Alles was seit 1949 mit Steuergeldern aufgebaut, gepflegt und erhalten wurde, wird verramscht.

      Wenn der Bürger danach noch Leistungen verlangt, zahlt er eben keine Steuern mehr zur Finanzierung, sondern Preise. Preise, in denen Gewinne enthalten sind.

      Und diese Preise für privatwirtschaftliche "Monopol"-Leistungen sind auf lange Sicht eine schlimmere Belastung als die Reparationszahlungen an die Sieger- und andere Mächte nach den beiden Weltkriegen.



      Der Staat mag manche Aufgabe mit zu viel Personal, mit zu hohen Kosten erledigt haben, manches auch zu gründlich, zu sicherheitsbewußt, aber das Geld, das der Staat für die Erledigung seiner Aufgaben ausgegeben hat, stand der Volkswirtschaft sofort wieder zur Verfügung.

      Die Privatisierung senkt nicht nur die Kosten, sie verschlechtert regelmäßige die Leistung und erhöht die Preise, sie schafft Arbeitslosigkeit und entzieht der Volkswirtschaft das Geld, weil es als Gewinn aufgehäuft und außer Landes gebracht wird.





      Das Ziel, auf das wir zuschlittern, ist ein Deutschland, das kaum mehr ist, als ein Landstrich in Europa, dessen Selbstverwaltungsorgane vom Wohlwollen einer - womöglich privatisierten - europäischen Zentralbehörde abhängig sind, mit einer Bevölkerung die sozial ungesichert und von allen Fesseln der Sozialgesetzgebung befreit, für jeden Lohn jede Arbeit zu machen hat, wenn sie nicht verhungern will.

      Dahin führt der Weg.


      Diese Erkenntnis macht zornig.



      Denn wenn die Politik wüßte, wie sie im letzten Moment die Kurve kriegen will, dann könnten wir uns vor lauter "Offenbarungen" längst nicht mehr retten. Aber was will man von Politikern erwarten, die noch nicht einmal in der Lage sind, Verunsicherung von Zorn und Wut zu unterscheiden....
      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14003verunsichert.ht…
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 19:44:00
      Beitrag Nr. 1.312 ()
      Bushs Harakiri-Haushalt

      Von Marc Pitzke, New York

      Der neue Haushaltsentwurf für 2005, den US-Präsident George W. Bush heute vorlegt, schockiert selbst die Republikaner: Er beschert den Amerikanern ein Rekord-Defizit von 521 Milliarden Dollar. Das meiste geht für Bushs Lieblingsprojekt drauf: seinen Krieg gegen den Terror. Umwelt und Soziales bleiben mal wieder auf der Strecke.




      George W. Bush: "Nationaler Notstand"
      New York - Der Rahmen war opulent, der Anlass nicht minder: Drei Tage lang verbunkerten sich die Top-Strategen der US-Republikaner im Fünfsterne-Hotel Loews im Herzen Philadelphias, um den Wahlsieg im November zu planen. Zum Abschluss des luxuriösen Kriegsrats, der Sauna-Visiten und karibische Küche beinhaltete, trat am Samstag Mittag siegesgewiss ihr oberste Feldherr vor die Parteitruppen: Präsident George W. Bush.
      Bush ergab sich vollkommen dem Bombast. Er tönte von "historischen Zeiten", vom "nationalen Notstand" und der "weihevollen Pflicht der Regierung". Vor allem aber erinnerte er seine Vasallen daran, im Wahlkampf "ein klares Signal an die amerikanischen Bürger" zu senden: "Wir werden weise sein, wenn es darum geht, das Geld des Volkes auszugeben. Und wir haben einen Haushalt eingebracht, der genau das sagt." Das war sogar seinen Parteifreunden zu viel. Totenstille legte sich über den feinen Saal - keiner der Claqueure hob die Hand zum Applaus.

      Wen wundert`s? Bushs neuer Haushaltsentwurf für 2005, den er dem Kongress heute vorlegt, lässt nicht nur den Demokraten das Blut gefrieren, sondern auch vielen seiner eigenen Parteifreunde. Denn mit Ausgaben von 2,4 Billionen Dollar erreicht das Budget gleich in doppelter Hinsicht historische Dimensionen: Es ist das teuerste der Geschichte, da um über 200 Milliarden Dollar teurer als dieses Jahr - und es treibt das Defizit auf die atemberaubende Rekordsumme von 521 Milliarden Dollar. Das ist fast doppelt so viel wie der gesamte deutsche Bundeshaushalt 2004.

      Das 13-stellige Defizit

      Das verschreckt selbst die Republikaner. "Viele in der Partei des Präsidenten sind über die Höhe des Defizits und das Wachstum der Staatsausgaben zunehmend beunruhigt", warnt Robert Reischauer, der Chef des Urban Institutes. "Wir hatten es schon letztes Jahr schwer genug, den Haushalt durchzukriegen", seufzt ein republikanischer Kongressberater. "Dieses Jahr wird`s wohl noch schwieriger."

      "Ernsthafte ökonomische Misswirtschaft", entgeistert sich auch die "New York Times". Denn mit diesem Harakiri-Haushalt bricht Bush ein altes Versprechen, mit dem er vor vier Jahren antrat - ein Versprechen, das er bis heute auf seinen Wahlveranstaltung dreist wiederholt: "Ich bin ins Amt gekommen, um Probleme zu lösen und nicht, um sie künftigen Präsidenten und Generationen zu vererben."

      Von wegen: Das Congressional Budget Office (CBO) - der für Budgetfragen zuständige Rechnungshof - prognostiziert, dass sich das akkumulative US-Defizit bis 2014 auf fast 1,9 Billionen Dollar aufbläst. Oder, exakt gesagt: auf 1.893.000.000.000 Dollar.

      Zahlenzauberer im Weißen Haus

      Dies ist eine weit pessimistischere Einschätzung als die, die das CBO noch vor einem Jahr hatte. Schlimmer noch: Sie kommt von einer Behörde, die von Douglas Holtz-Eakin geleitet wird, vormals ein führender Ökonom im Weißen Haus unter George W. Bushs Vater. Der Mann dürfte es also wissen.

      Darüber schlägt nicht zuletzt auch Bush Parteibasis, die traditionell für eine Reduzierung des Staatsapparats kämpft und ihn mit diesem Auftrag vor vier Jahren auch nach Washington geschickt hat, die Hände über dem Kopf zusammen. "Alle Politiker", seufzt Chris Edwards, Fiskalexperte des Cato Institutes, "reden offenbar mit doppelter Zunge." Stephen Moore, der Präsident der einflussreichen, rechten Lobbygruppe Club for Growth ("beschränkter Staat, niedrigere Steuern"), befürchtet, dass es Bush deshalb im kommenden Wahlkampf schwer fallen wird, "die Konservativen bei der Stange zu halten".

      Also versucht Bush schon jetzt, dem Kongress sein neues Budget unverfroren als drastischen Sparhaushalt zu verkaufen. Es sei der "asketischste" Finanzplan seit 1993, prahlen die Zahlenzauberer im Weißen Haus: Die "regulären" Ausgaben würden sich nur um 0,5 Prozent erhöhen. Dahinter steckt jedoch ein Rechentrick: Nicht darin mit eingeschlossen sind nämlich die Gelder für Verteidigung, Rüstung, Innere Sicherheit und Terror-Krieg.

      Wahlkampfwaffe Terror-Angst

      Und die allein sprengen das Budget. Der US-Militärhaushalt soll 2005 um fast sieben Prozent steigen, von 393,5 auf 420,7 Milliarden Dollar. Darin versteckt sich unter anderem eine wahlwirksame Solderhöhung für die Soldaten (um elf Prozent). Sowie 9,14 Milliarden Dollar - 13 Prozent mehr als in diesem Jahr - für das obskure Raketenabwehrsystem im All, für das die Planung trotz der neuen globalen Gemengelage seit dem 11. September 2001 unverändert weiter gehen. Darüber dürften sich vor allem die Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Northrop Grumman freuen, die zu den emsigsten Parteispendern Bushs gehören.

      Die eigentlichen Kriegsfolgen im Irak und in Afghanistan sind dabei in diesen Zahlen noch gar nicht mal enthalten: Für die will Bush den Steuerzahlern später eine gesonderte Rechung stellen. Denn die 87 Milliarden Dollar, die der Kongress dazu voriges Jahr bewilligt hat, decken ja nur das laufende Haushaltsjahr ab, und das endet pünktlich am 30. September.

      Das Budget offenbart Bushs politische Prioritäten: Unschlagbare Wahlkampfwaffe Nummer eins bleibt die Angst vor Terror, nach innen wie nach außen. "Wir werden alle notwendigen Resourcen darauf verwenden, den Krieg gegen den Terror zu gewinnen und unser Heimatland zu beschützen", sagte Bush in seiner Radioansprache zum Wochenende. "Amerika wird wachsam bleiben."

      Futter für die Vorwahltiraden

      Auf der Strecke bleiben dagegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik: Dort plant Bush gnadenlose Kürzungen in klassischen, den Rechten ohnehin missliebigen Förderbereichen. Über 60 Regierungsprogrammen droht im nächsten Jahr das Aus oder eine drastische Schrumpfkur. Hier entpuppt sich der Haushalt tatsächlich als drastischer Sparknebel.

      Am schwersten betroffen: Umwelt-, Energie- und Agrarprogramme. Die Umweltschutz-Ausgaben der Nation, die das Kyoto-Protokoll ablehnte, sollen von 30,4 auf 28 Milliarden Dollar sinken, das Energiebudget von 3,6 auf 3,5 Milliarden. Vorerst vom Tisch ist auch mal wieder die angesichts 43 Millionen unversicherter Amerikaner überfällige Reform des öffentlichen Gesundheitswesens (Medicaid) - ein ewiges Reizthema, das Bushs Strategen aus dem Wahlkampf heraushalten wollen.



      AP
      Bush unter seinen Soldaten: Militärausgaben sprengen das Budget
      Denn wie schnell man sich bei solchen gut klingenden Initiativen verrechnen kann, durfte Bush gerade erst feststellen. Da stellte sich doch heraus, dass die vom Kongress unter großem Eigenlob verabschiedete Reform der Krankenversorgung für Senioren (Medicare) ein bisschen teurer wird als erwartet - fast 540 statt 190 Milliarden Dollar, wie anfänglich noch veranschlagt. Die negativen Schlagzeilen verfolgen Bush bis heute und bieten seinen demokratischen Rivalen ordentliches Futter für ihre Vorwahltiraden gegen Washington.
      Zwei Billiarden tiefer in den Miesen

      Bush verspricht ungerührt, das Defizit bis 2009 auf 237 Milliarden Dollar pro Jahr zu drücken. Wie er zu dieser Zahl kommt und vor allem wie er das schaffen will, sagt er jedoch nicht - abgesehen von solch unverbindlichen Formulierungen wie der Phrase, mit der er die Parteistrategen in Philadelphia beglückte: "Wir werden das Defizit durch weise Politik reduzieren." Na also.

      Als "weise Politik" gilt demnach zum Beispiel Bushs neues Wahlversprechen, die kürzlichen, befristeten Steuerkürzungen nicht auslaufen zu lassen, sondern festzuschreiben. Darüber dürften sich vor allem die reichen Parteispender aus Industrie und Hochfinanz freuen, denn denen kommen die Steuerschnitte am meisten zu Gute.

      Doch würde dieser Plan den Staat nach Berechnungen des CBO über das nächste Jahrzehnt aufgrund der resultierenden Mindereinnahmen um mehr als zwei Billionen Dollar zusätzlich in die Miesen reißen. Gleichzeitig jedoch, so die Behörde, werde sich das US-Wirtschaftswachstum ab 2010 auf 2,5 Prozent abkühlen - unter anderem auch wegen der enormen defizitären Belastung.

      Im Wahljahr hat wenig Bestand

      Als "weise Politik" gilt im Wahlkampf auch Bushs Marschbefehl ins All: Eine Milliarde Dollar will er der Raumfahrbehörde Nasa zusätzlich zustecken, um erneut den Mond und von da aus den Mars zu erobern. Sollte das Projekt wirklich ins Rollen kommen, dürfte es aber wesentlich teurer werden - Folgekosten, die sich dann nicht mehr aufhalten lassen. "Man kann Raumfahrt nicht billig betreiben", sagt der demokratische Senator Bill Nelson, der als einziges Kongressmitglied im All war (an Bord der Space Shuttle 1986). "Eine Milliarde Dollar werden nicht genug sein."

      "Es wird deutlich", schimpft der demokratische Kongressabgeordnete John Spratt, "dass die Bush-Regierung keine Absichten hat, die Defizite zu eliminieren." Doch mit einem seien die Kritiker Bushs getröstet: Dies ist ein Wahljahr, und in Wahljahren hat bekanntlich wenig Bestand, nicht mal ein Staatshaushalt.

      "Ein Wahl-Haushalt muss gar nicht verabschiedet werden", weiß Stanley Collender, Chefredakteur des unabhängigen Newsletters "Federal Budget Report". "Er muss einfach nur vorgelegt werden, damit der Präsident das ganze Jahr darüber reden kann."
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 20:06:55
      Beitrag Nr. 1.313 ()
      Die meisten
      Reformen führen zur Krise


      Kaum zu einer anderen Zeit war so viel von Reformen die Rede wie heute. Da sollen die Löhne gekürzt, die Renten eingefroren, das Renteneintrittsatter erhöht, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt oder Arzthonorare gezahlt werden und manches mehr. Die Experten sind sich anscheinend darin einig, dass nur diese Reformen unsere Wirtschaft von der Lähmung befreien können.
      Doch sind etwa die Löhne überhaupt das Problem? Wohl kaum, denn das Lohnniveau steigt seit Jahren schon nicht mehr bemerkenswert, und die Nettolöhne sinken sogar durch die schnell wachsende Steuer- und Abgabenlast.
      Das, was den Betrieben über denKopf wächst, sind nicht so sehr die Arbeitslöhne, wohl aber ist es die Verschuldung mit den damit verbundenen Kapitalkosten. Seit den 60er Jahren sind die Verbindlichkeiten der Unternehmen mehr als doppelt so schnell gewachsen wie das Bruttosozialprodukt. Damit
      fressen die Kapitalkosten des höchsten deutschen Schulden-
      bergs - die Schulden der Unternehmen sind ganz ungefähr so
      groß wie die Schulden von Staat und Privaten zusammen - immer größere Anteile der Unternehmensgewinne auf. Wenn dann noch - sowie heute - die Märkte gesättigt sind, dann wird es für mehr und mehr Betriebe immer brenzliger, und zwangsläufig erreichen die Insolvenzen jedes Jahr neue
      Rekordstände. Wenn in dieser Situation dann noch durch Scheinreformen die Löhne und Sozialleistungen ge-
      senkt werden, dann bricht die angeschlagene Kaufkraft der Bevölkerung noch weiter ein. Zwangsläufig führt dies zu weiteren Umsatzeinbußen bei den Unternehmen und
      einer Verschärfung der Krise - die deflationäre Abwärtsspirale beginnt sich unaufhaltsam zu drehen. Es ist in diesem Zusammenhang erstaunlich, mit welcher Vehemenz
      heute die These der „zu hohen Löhne" vertreten wird.
      Mit solchen Scheinreformen kann es nur immer weiter nach unten gehen.

      Günter Hannich

      Quelle: Humanwirtschaft Jan/Feb. 2004
      ----------------------------


      Geld- eine gute Sache?



      Das Geld war* eine gute Sach`,
      hätte es nicht so manches Ach!

      Gut ist`s, wer hat, soviel er braucht,
      ist`s deutlich mehr - der Sinn ver-
      raucht!

      Das Essen, Trinken, Kleiden, Wohnen
      sollte man bar mit Geld entlohnen.

      Reserven braucht`s für Ferien, Krank-
      heit und das Alter,
      das Geld wirkt dann als Werterhalter.

      Doch wird gehortet statt zu borgen,
      bereitet unser Geld uns Sorgen.

      Denn dieses kann recht viel zuweilen,
      am besten doch, die Welt zu teilen.

      Ist Arm und Reich der Menschen Welt,
      so hängt`s zum meisten doch am Geld.

      Das Treiben fängt stets unten an!
      Den Zins zahlt meist der kleine Mann!

      Die Großen immer größer werden,
      den Kleinen drücken die Beschwerden.

      Fast ist es wie mit Fron und Sklaven,
      den Säumigen, den wird man strafen.

      Der Knoten, schon sehr groß gewachsen,

      wer bringt ihn endlich mal zum Platzen?

      Damit das Geld nur einfach Geld!
      Und niemand mehrvergisst die Welt.

      Das richt`ge Geld ist frei von Zinsen.
      Vermehrung geht dann in die Binsen.

      Es ist ein Diener dann für alle
      und droht nicht mit des Zinses Falle.

      Heut* mancher Mensch mit massig Geld

      durch Zinseszins noch mehr erhält.

      Beim Freigeld sind die Zinsen weg.
      Das Geld dient richtig seinem Zweck.

      In vielen Kassen würd` es klingen,
      den Menschen wieder Arbeit bringen!

      Gehortet` Geld soll auch verderben -
      dann werden wir den Wohlstand
      erben!

      Quelle: Humanwirtschaft -- Januar/Februar 2004




      http://www.evotrade.de/Tag_im_Markt/Naturgesetz-Formel/Human…
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 20:09:35
      Beitrag Nr. 1.314 ()
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 20:18:22
      Beitrag Nr. 1.315 ()
      Aktueller Pranger


      Illegale Schattenregierung in Deutschland.



      Dass die Richtlinien der Politik vom Präsidenten des BDI festgelegt (und mit Basta durchgepaukt werden), daran haben sich unkritische Medien und weite Teile der Bevölkerung offensichtlich längst gewöhnt.
      Welche haarsträubenden Formen weitere auf dem kalten Weg etablierte Oligarchien (ohne Mandat!) angenommen haben, wird nach und nach seit dem Gerster-Skandal an die Oberfläche gespült:
      Die "gewählte" Regierung legt ihren politischen Offenbarungseid ab, demonstriert die politische Inkompetenz und stellt seinen tausenden "Fachleuten" in ihrer riesigen, nebenher weiter alimentierten Ministerial-Bürokratie ein Zeugnis der Unfähigkeit aus. Rürup-, Hartz- und andere Kommissionen, deren Zusammensetzung keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, übernehmen für ein paar Millionen Euro den Job!
      Die völlig "uneigennützigen" Mitglieder solcher Kommissionen kommen dann rein zufällig zu dem Expertenurteil, dass man zur Erledigung der Regierungsarbeit auf den Rat von Unternehmensberatern angewiesen ist. Und genauso rein zufällig empfehlen die Experten ihre eigenen Firmen als alternativlose Ratgeber im Abo. Dass solche Ratschläge nachhaltig ein paar Millionen Euro kosten, unterliegt keiner besonderen Kontrolle: Es ist schließlich üblich so. Basta! Dass die Ratschläge irgendwelche Probleme lösen würden, ist nicht vereinbart. Sonst könnte man den "Experten" ja z.B. gleich die Leitung der BA übertragen. Risiken und Nebenwirkungen sind - wie üblich - von Arbeitslosen, Rentnern, Arbeitnehmern, sozial Schwachen zu bezahlen. Um diesen Unfug "marktgerecht verkaufen" zu können, werden konsequenterweise PR-Agenturen beauftragt. Rein zufällig werden solche Agenturen von einschlägig interessierten Politikern betrieben.
      Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
      Interessanterweise belasten die Ergebnisse solcher Beratungsrunden keine Gesellschaftsgruppen, die diese Kommissionen beschicken oder die die Folgekosten ihrer "Ratschläge" ertragen könnten.
      Die Ratschläge folgen konsequent den Vorgaben des BDI. Sie beugen sich den Drohungen mit Betriebsschließungen, Entlassungen, Steuerflucht u.ä. und setzen die Forderung nach Solidarität mit menschenverachtenden Parolen einseitig durch: "Den Rentnern ging es noch nie so gut wie heute." Sie sollen gefälligst die deutsche Industrie retten (?)
      Dass solchen Ratschlägen jede soziale Kompetenz fehlt, ergibt sich von selbst. Renten runter, Sozialhilfe runter, Arbeitslosengeld runter, Löhne runter... Mieten rauf, Fahrkarten rauf, Strompreise rauf, Arzneikosten rauf... Amnestie für Steuerbetrüger, Unternehmenssteuern runter... Kaufkraft runter, Spekulationsgewinne rauf... Arbeitsplätze weg, auf in den Arbeitsdienst!



      Wozu haben wir diese Marionetten-Politiker eigentlich gewählt?

      http://www.beutestaat.de/aktuell.htm
      Avatar
      schrieb am 02.02.04 20:32:04
      Beitrag Nr. 1.316 ()
      Erste Turbulenzen ...

      von Martin Weiss

      In der letzten Januarwoche des neuen Jahres mußten die deutschen Standardwerte Verluste hinnehmen. Gut zwei Prozent betrug das Minus auf Wochenbasis. Ja, in den letzten Tagen vermochte es der Dax nicht, aus der "range" 4100–4170 nach oben hin auszubrechen. Im Gegenteil, der deutsche Leitindex legte den "Rückwärtsgang" ein. Gewiß, einige Faktoren aus Übersee (siehe unten) waren sicherlich auch mit dafür verantwortlich.

      Aber es sind auch gewichtige "hausgemachte" Argumente und Alarmsignale, die sehr, sehr nachdenklich stimmen. So waren die deutschen Einzelhandelsumsätze im Dezember 2003 erneut real um 2,3 Prozent gegenüber dem November und um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat rückläufig. Im Jahr 2003 mußte der deutsche Einzelhandel ein reales Umsatzminus von einem Prozent hinnehmen. Einige Volkswirte bezeichnen die momentane Lage des deutschen Einzelhandels als katastrophal.

      Aussicht auf schnelle Besserung bzw. Stabilisierung ist kaum in Sicht. Denn auch im Januar 2004 blieb die Verbraucherstimmung einer aktuellen GfK-Umfrage zufolge frostig. Die Anschaffungsneigung wie auch die Einkommenserwartungen der deutschen Konsumenten sind erneut drastisch zurückgegangen. Ja, diese Entwicklung vollzieht sich vor dem Hintergrund, daß – wie aus einer Umfrage aus dem September des vergangenen Jahres hervorgeht – mehr als 40 Prozent der deutschen Verbraucher ein monatlich frei (!!!) verfügbares Einkommen haben, welches unter (!!!) 100 Euro liegt.

      Angesichts dieser beängstigenden Faktenlage bleibt für die deutsche Wirtschaft, bzw. die deutschen Aktien, zu hoffen, daß der Exportmotor weiter "brummt" und einen weiteren realwirtschaftlichen Absturz dämpft.

      Nicht zuletzt hängt dies wiederum unter anderem auch von der weiteren Entwicklung der Wechselkurse, insbesondere des Euro im Verhältnis zum $ ab. Gewiß, kurzfristig mag es immer wieder Phasen geben, in denen der enorme Anstieg des Euro im Verhältnis zum $ einer Korrektur bedarf. Dies war bspw. ganz kurzfristig betrachtet am vergangenen Mittwoch der Fall, als bekannt wurde, daß der Offenmarktausschuß der Us-Notenbank schlichtweg die Wortwahl hinsichtlich der weiteren Zins-Tendenz änderte. Der alte "passus", die Zinsen noch erheblich länger auf dem jetzig niedrigen Stand zu halten, wurde gestrichen.

      Aber, solange die fundamentalen Ungleichgewichte, insbesondere das US-Zwillingsdefizit, weiter existent sind, wird sich am Mega-Trend der US-Dollar-Abwertung wenig ändern. Bspw. wird auch das offizielle Staatshaushaltsdefizit – Angaben des Weißen Hauses zufolge – im Wahljahr 2004 bei über 500 Milliarden $ liegen.

      Daneben sind in den letzten Tagen auch die ersten Turbulenzen am US-Rentenmarkt offenkundig geworden. Neben den ausufernden Staatsdefiziten ist insofern auch der erste Hinweis auf eine mögliche Zinswende der Federal Reserve verantwortlich gewesen. Beobachten Sie die Entwicklung der US-Staatsanleihen genau!

      Indes scheint auch die US-Wirtschaft nicht so unter Dampf zu stehen, wie es gemeinhin in den Medien zu lesen ist. Nicht nur, daß die annualisierte Bip-Wachstumsrate im vierten Quartal 2003 nur vier statt erwarteter 4,8 Prozent betrug, auch die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter und der Lageraufbau fielen weitaus schwächer als angenommen aus. Auch vor dem Hintergrund der Probleme am Arbeitsmarkt ist die Nachhaltigkeit dieser Konjunkturerholung zu bezweifeln.

      Apropos nachhaltig, die Hausse beim Gold ist trotz der aktuellen Korrekturphase voll intakt. Nutzen Sie also die Gelegenheit, in den nächsten Tagen bei vielleicht 388–390 $ je Feinunze zuzugreifen ...

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      Der Kapitalismus funktioniert nicht

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Der Kapitalismus funktioniert nicht. Es gab eine Entstellung des Systems des Kapitalismus".

      Diese Bemerkungen werden Alan Greenspan zugeschrieben, dem Zentralbanker der gesamten Welt ... laut dem ehemaligen US-Finanzminister Paul O`Neill.

      Wenige bezweifeln das.

      Nehmen wir zum Beispiel die Kleinaktionäre, die Aktien mit einer Dividendenrendite von weniger als 2 % kaufen. Wie kann das Sinn machen? 2 % sind weniger als die Inflationsrate. Und deutlich weniger als die Preissteigerungsrate bei Immobilien. Und weniger als das, was man in "risikofreien" Staatsanleihen erhalten kann. Die einzige Möglichkeit ist, dass dieser Aktionär möglicherweise einen "noch größeren Idioten" findet, der ihm diese Aktien zu noch lächerlicheren Kursen abkauft.

      Und wie wahrscheinlich ist das? Das "smarte Geld" verkauft seit Monaten Aktien – denn die Unternehmensinsider verkaufen viel mehr eigene Aktien, als sie verkaufen. Es kauft das "weniger intelligente Geld" ... und zwar Millionen von dieser Sorte. Das ist zu Beginn eines Booms eine gute Sache; denn dann gibt es ja noch jede Menge Idioten, die noch keine Aktien gekauft haben. Und zu Beginn eines Booms erhält man normalerweise auch noch eine Dividendenrendite von 5 %. Aber zu Ende eines Booms gibt es keine größeren Idioten mehr.

      Währenddessen genießen die Manager ihre Firmenflugzeuge und die Geschäftsessen ... die Kreditkarten, die aufs Unternehmen laufen, Gesundheitsfürsorge auf Kosten des Unternehmens und Ruhestandsprogramme auf Firmenkosten.

      Eine Verfälschung des Kapitalismus sollen die gierigen Topp-Manager sein. Und angeblich fehlen mehr Regierungsregulierungen.

      Ich sehe das anders. Die meisten der Verfälschungen, die wir sehen, sind normal – gierige Topp-Manager nutzen es nun einmal aus, wenn sie von den Firmenbesitzern (den Aktionären!) nicht kontrolliert werden. Ich nehme das vielmehr als Beweis dafür, dass der Kapitalismus funktioniert. Dummköpfe werden schnell von ihrem Geld getrennt. Was so außergewöhnlich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist, ist die Tatsache, dass es so viele Dummköpfe gibt, die denken, dass sie soviel Geld haben.

      In den USA sieht es so aus, als ob zumindest wirtschaftlich fast alles, das richtig gehen konnte, auch richtig gegangen ist. Die Zinsen sind gefallen ... was den Konsumenten mehr Geld gegeben hat, das sie ausgegeben haben. Die Immobilienpreise stiegen, was den Konsumenten die Illusion von mehr Reichtum gab. Und die niedrigeren Zinsen erlaubten es ihnen, bestehende Hypotheken zu erhöhen – und das zusätzliche Geld konnten sie in den Konsum stecken. Sie haben Güter zu immer billigeren Preisen gekauft, importiert aus China und sonst wo. Und dann waren die Chinesen freundlich genug, die Dollar, die sie als Bezahlung erhalten hatten, wieder in die USA zu transferieren, indem sie hauptsächlich US-Staatsanleihen kauften! Das war alles zu schön, um wahr zu sein. Und es führte Amerika in eine Illusion ... Amerika dachte, dass das, was für eine Minute wahr war, für immer andauern würde.

      Man kann die Quelle für diese Illusion bei den gierigen Topp-Managern suchen. Dort wird man sie nicht fanden. Stattdessen muss man höher suchen ... in den höchsten Sphären des Zentralbankings. Dort ... am Ufer des Potomac ... bei der US-Zentralbank ... da ist die Quelle des heutigen populären Wahnsinns zu finden. Und da ist der Verfälscher höchstpersönlich ... Mr. Alan Greenspan ...

      Jetzt zu Addison mit mehr News:

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      Montag, 2. Februar 2004

      Flüsterschätzungen und dumme Worte

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin

      "Alles ist schon einmal vorher gesagt worden, aber da niemand zuhört, muss ich zurückgehen und noch einmal von vorne beginnen", das schrieb der französische Philosoph André Gide.

      Die "Flüsterschätzungen" sind zurück an der Wall Street. Das ist ein Relikt aus der Spekulationsblasen-Ära von 1996–2000. "Flüsterschätzungen" sind die geschätzten Unternehmensergebnisse, die am Parkett vor Bekanntgabe der offiziellen Zahlen die Runde machen. So hatte z.B. bei Yahoo die "Flüsterschätzung" bei 12 Cents Gewinn je Aktie gelegen – aber tatsächlich wurden es dann nur 11 Cents Plus je Aktie. Unmittelbar danach verlor die Aktie 4 %. Obwohl die Prognose des Unternehmens selbst getroffen worden war.

      "Es war üblich, dass mehr als eine Generation notwendig war, um eine Lektion zu lernen und auch wieder zu vergessen", so beginnt ein charmanter Artikel von Bambi Francisco bei CBSMarketWatch. In diesem Artikel weist er auf die Parallelen zwischen der Rally von 2003 und der von 1999 hin.

      "Im vierten Quartal 1999 hatten die USA ein Wirtschaftswachstum von 6,9 %", schreibt Frau Francisco, "was der höchste Zuwachs seit 3,5 Jahren war. Und Anfang 2000 sagte ein Ökonom: `Die Wirtschaft hat zu viel Momentum, als dass sie auf ein Stoppschild reagieren würde.` Heute lag das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal bei 8,2 %, im vierten Quartal werden es wohl immer noch gute 4,0 % gewesen sein. Die Verkäufe von neuen Häusern erreichten im Jahr 1999 einen Rekordwert. Und 2003 könnten sie diesen Rekord noch übertroffen haben."

      "1999 waren es die Ausgaben für den bevorstehenden Jahrtausendwechsel, die insbesondere die IT-Ausgaben erhöhten. 2003 waren es massive Steuersenkungen und die Stimulierung durch niedrige Zinsen, die die Konsumnachfrage belebte."

      "Die sogenannten `dotcoms` betreiben wieder Werbung, und sie verzichten wieder zugunsten von Umsatz auf Gewinne. `Das Momentum der letzten 11 Monate hat die Bewertungen (Kurs-Umsatz-Verhältnis) auf das Niveau der Spekulationsblase des Jahres 2000 gehievt`, schrieb Mark Fitzgerald, ein Analyst bei Bank of Amerika Securities."

      - Wir haben letzte Woche im Investor`s Daily nicht darüber berichtet, dass Amazon für das vergangene Jahr einen Gewinn von 8 Cents vermeldet hatte. Vergeben Sie uns, liebe(r) Leser(in), aber nur weil die Momentum-Junkies des dynamischen Marktes diese Aktie lieben, bedeutet das nicht, dass ich den Kauf einer solchen Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 674 empfehlen will. Und direkt nach der Bekanntgabe des Ergebnisses verlor Amazon 6 % an "Wert" ... und seitdem ist die Aktie weiter gefallen. Jetzt plötzlich sieht man in der Spalte für KGV einen Wert ... vorher, als die Gesellschaft keine Gewinne machte, sah man da nur einen Strich. Ich kann nur annehmen, dass jetzt, wo die Kleinanleger ein KGV von über 600 sehen, dann doch realisieren, dass dies keine so tolle Bewertung ist.

      Der Goldpreis fiel deutlich zurück. Es dauerte ein bisschen, bis der Goldmarkt die jüngsten Kommentare der Fed (siehe unsere ausführlichen Besprechungen letzte Woche) verstanden hatte. Aber sobald er das getan hatte, reagierte er über. Der Goldpreis kam im Tief sogar auf etwas unter 400 Dollar zurück ... bevor er dann doch wieder etwas über die Marke von 400 Dollar kletterte.

      Zu den jüngsten Fed-Kommentaren meint Dan Denning von Strategic Investment: "Nichts hat sich wirklich geändert. Die Fed sieht bei den Konsumentenpreisen keine Inflation. Der Arbeitsmarkt ist ein Witz. Die Verkäufe von Häusern sind im Dezember um 5 % gefallen. Die Anträge auf neue Hypotheken sind vorletzte Woche um 5 % zurückgegangen, da die Zinsen wieder etwas gestiegen sind. Wenn man das zusammennimmt, dann gibt es keinen volkswirtschaftlichen Grund für bald steigende Leitzinsen."

      "In der Tat – die einzige gute Erklärung für einen Wechsel der Phrasen in der Fed-Mitteilung ist, dass die Fed mit Worten den Dollar unterstützen will, ohne ihre tatsächliche Politik ändern zu müssen", so Denning weiter.

      Es ist mehr als wahrscheinlich, dass mehr als ein paar dumme Worte notwendig sein werden, um den Dollar zu stützen.
      ------------------

      Gold – Zielzone fast erreicht!

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris

      *** Nach einem Zeitraum, in dem die Dinge "zu gut, um wahr zu sein" waren, was kann man da erwarten, liebe(r) Leser(in)? Eine Periode, in der die Dinge "zu schlecht, um wahr zu sein" sind. Stellen sie sich vor, dass der Dollar weiter fällt ... was für die USA die Energiekosten und andere Schlüsselimporte verteuern wird. Stellen Sie sich einen Kollaps der Kurse der US-Anleihen vor – wenn die Ausländer keine Lust mehr dazu haben, Geld zu verlieren, indem sie es in US-Anleihen anlegen. Stellen Sie sich höhere Zinssätze vor ... was die Amerikaner, die Hypotheken mit flexiblen Zinssätzen haben, hart treffen wird (die Summe der Hypotheken liegt bei 7 Billionen Dollar). Stellen Sie sich Millionen Arbeitslose vor ... Pleiten ... und die Forderungen, dass die Regierung "etwas tun" soll. Stellen Sie sich Präsident Bush oder Kerry oder Clinton vor ... mit einer Invasion in Abessinien!

      *** Der Goldpreis erreichte zwischenzeitlich mein Kaufziel von 400 Dollar, er fiel sogar minimal darunter ... leider ist er heute wieder über diese Marke gestiegen. Aber was soll`s, ob 402 oder 400 Dollar. Kaufen Sie!

      *** Aber Moment. Was wäre, wenn die USA wirklich in eine lange Deflationsperiode abgleiten, wie das in Japan nach dem Platzen der Spekulationsblase der Fall war? Warum sollte der Goldpreis dann steigen?

      Antwort: Vielleicht würde er dann nicht steigen. Aber ich kaufe Gold nicht, weil ich weiß, was passieren wird – sondern, weil ich es nicht weiß. Was ich weiß, ist, dass man lange braucht, um das Angebot an Gold zu vergrößern. Aktuell wächst das Gesamtangebot an Gold weltweit mit 1,65 % jährlich. Hingegen kann man das Angebot an Papiergeld sehr schnell erhöhen. Man muss nur eine einzige Null auf den Geldscheinen hinzu addieren – und schon hat man das Angebot an Papiergeld um den Faktor 10 erhöht.

      *** Ich weiß nicht, was passieren wird. Aber Indien beginnt, mich zu interessieren. Und heute nehme ich meine Anweisungen von einem 2000 Jahre alten Hindu-Gedicht an, das Bhagavad Gita heißt: "Tu das, was Du tun sollst. Und mach Dir keine Sorgen über die Früchte. Diese werden selbstständig kommen."

      George Washington drückte das anders aus: "Wir können den Erfolg nicht garantieren. Aber wir können ihn uns verdienen."

      *** Ich habe mich mit den beiden führenden Kandidaten für den Job des US-Präsidenten beschäftigt.

      Beide wollen derzeit Stimmen bekommen. Sie bezahlen dafür mit Integrität, eine Währung, von denen beide nicht viel zuviel haben.

      Einer von ihnen hat letzte Woche eine Gesetzesvorlage, die sogenannte "Omnibus Appropriations Bill", vorgelegt – darin werden die "Outsourcing"-Verträge der US-Bundesregierung mit Übersee eingeschränkt. Das widerspricht dem Prinzip des Freihandels und des klugen staatlichen Finanzmanagements. Aber wir befinden uns in einem Wahljahr.

      Der andere hat einen Gesetz vorgeschlagen, das von Call Centern verlangt, bei Anrufen mitzuteilen, von wo aus angerufen wird (ich habe die Gesetzesvorlage nicht gelesen, aber ich denke, dass die Angabe von Längen- und Breitengraden nicht ausreichend ist).
      http://www.investor-verlag.de/
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      Avatar
      schrieb am 02.02.04 20:38:51
      Beitrag Nr. 1.317 ()
      Winterschlussverkauf lässt Verbraucher kalt

      Geschäfte setzen auf größeres Interesse in dieser Woche und locken mit noch höheren Preisnachlässen


      Eine ernüchternde Halbzeitbilanz des letzten Winterschlussverkauf zieht der Handel. Auch Rabatte von bis zu 75 Prozent konnten in der ersten Woche die Käufer nicht so recht in die Läden locken.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 03.02.04 18:28:45
      Beitrag Nr. 1.318 ()
      Thema
      Theo Wentzke

      Die Rettung des Gesundheitsmarktes

      Reformdebatte um »Bürgerversicherung« und »Kopfpauschale« in der Krankenversicherung: Vom gemeinen AOK-Mitglied zum freien Versicherungsbürger


      Im Zeichen der Agenda 2010 ist das große nationale Lohnkostensenken in vollem Gang. Aus der Bruttolohnsumme der »abhängig Beschäftigten« im Lande werden Lohnteile gestrichen, die bislang auf die Konten der Sozialversicherung umgeleitet und dort staatlich administriert wurden. Das hat, je nach Sparte des öffentlichen Versicherungswesens, unterschiedliche Auswirkungen.


      Systemwechsel angestrebt

      Für die gesetzliche Krankenversicherung, die dringend mehr Geld zur Deckung der an sie gerichteten Leistungsansprüche fordert, steht felsenfest: Eine Verteuerung der Bruttolöhne durch die Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge ist für die Lohnzahler unzumutbar. So jedenfalls ist die Krankenversorgung der künftigen, aktiven und ehemaligen Lohnempfänger im Lande nicht mehr finanzierbar.

      Andererseits aber haben diejenigen, die eben diese Krankenversorgung als Pharmafirmen, Medizintechnik-Ausrüster, Apotheker, Ärzte und sonstige »Gesundheitsdienstleister« als ihr Geschäft betreiben, ein unveräußerliches Menschenrecht darauf, daß sich der Kapitaleinsatz, der in diesem menschenfreundlichen Metier in volkswirtschaftlich nicht unerheblichem Umfang erfolgt, auch lohnt. Es muß also, bei aller »Unfinanzierbarkeit« einerseits, eine Finanzierung des Ladens her. So viel steht auch fest.

      Die Grundlage aller diesbezüglich schon ins Werk gesetzten legislativen Aktionen und aller weitergehenden Planungen ist, daß jedenfalls den Versicherten im Allgemeinen und den Maladen unter ihnen im Besonderen ein größerer Anteil an den Kosten aufzuladen ist, die ihre gemeinschaftsschädlichen Krankheitszustände verursachen und deren Bezahlung die finanziellen Fonds speist, um die die »Marktteilnehmer« des Gesundheitsgeschäftes konkurrieren.

      Daß das die jüngste Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, ausgehandelt zwischen Ministerin Schmidt und CSU-Seehofer, trotz vermehrter Zuzahlungen der Patienten, der Streichung von Krankengeld und Zahnersatz aus dem Katalog der Kassenleistungen, keinesfalls in ausreichendem Maß bewerkstelligt, darüber sind sich alle einig, einschließlich der Urheber des aktuellen »Reformschrittes«. Deswegen gilt es, diesen »Ansatz« weiterzuentwickeln; und darum konkurrieren zwei weiterreichende Vorschläge, die für das deutsche Gesundheitssystem eine echte »Jahrhundertreform« (Merkel, SZ, 6.10.2003) versprechen.

      »Bürgerversicherung« und »Kopfpauschale« heißen die Alternativen, die quer durch die Parteien Befürworter und Gegner finden. Angestrebt wird nicht weniger als ein »Systemwechsel«, der ein »Umkrempeln des gesamten solidarischen Gesundheitssystems, das seit Bismarck besteht« (Norbert Blüm), nach sich ziehen soll.

      Das »Solidarische« am gegenwärtigen Gesundheitssystem, das da zum »Umkrempeln« ansteht, liegt in der bisherigen »Lösung« eines »seit Bismarck« immer gleichen – sehr kapitalistischen – Problems mit den arbeitenden Armen der Gesellschaft, deren verläßlich abgelieferte Leistung am Arbeitsplatz so unverzichtbar ist für den privaten Reichtum im Lande: Für die Erfüllung ihres gesellschaftlichen Auftrags brauchen sie Zugang zu einer Krankenversorgung, die sie sich eigentlich von ihrem Lohn nie leisten können. Durch Zwangsbeiträge zur gesetzlich eingerichteten Krankenversicherung von ihrem Lohn wird dieses Problem dauerhaft zu ihrem gemacht: Die Arbeitenden werden von Staats wegen ganz solidarisch als Klasse mit der Finanzierung der Krankheitskosten befaßt, die ihre mangelnde Belastbarkeit im Arbeitsprozeß und ihre bekannte Neigung zum ungesunden Leben unausweichlich mit sich bringen. Das macht die zuständige Organisation zur Sozialversicherung, die auch in moderneren Zeiten nie ernsthaft bestritt, für die Mehrheit der »sozial Schwächeren« zuständig zu sein. Der Staat, der die dafür vorgesehenen Lohngelder einsammelt und die mit dem historischen Leistungsniveau wechselnden »Leistungen« zuteilt, versteht sich seitdem als Sozialstaat. Und sogar den Unternehmern, die den dafür beschlagnahmten Lohn solange zahlen, wie die dafür eingekaufte Arbeit sich für sie lohnt, bringt die Veranstaltung den Ruf ein, zu ihren ebenfalls – sogar klassenübergreifend – solidarischen Mitfinanziers zu gehören.

      Von dem Mist, den das Arbeits-, ähnlich dem sprichwörtlichen Kleinvieh, mit seinen millionenfach bezahlten Beiträgen macht und den die sozialstaatliche Administration zu milliardenschwerer Kaufkraft aufhäuft, nährt sich seit langem eine respektable »Gesundheitsindustrie« mit weltmarkttüchtigen Pharma-Produzenten, »mittelständischen« Apothekern und stolzen ärztlichen Freiberuflern, die einen politisch wohlgelittenen und förderungswürdigen Anspruch auf den finanziellen Erfolg ihres Geschäfts haben. Den zu realisieren ist die volkswirtschaftliche Mission der Beiträge, die die Versicherten bezahlen.

      Wenn aber die infolge von Arbeitslosigkeit und Lohnsenkung schrumpfende Lohnsumme nicht mehr hinreicht, den geschäftstüchtigen »Leistungserbringern« des Gesundheitswesens ihre Produkte und Leistungen zu versilbern, dann müssen neue Finanzquellen dafür erschlossen und damit die bornierte Abhängigkeit der Branche vom bezahlten Gesamtlohn relativiert werden. Die Neuorganisation der Krankenversicherung soll »auf Dauer die Gesundheitskosten definitiv von Löhnen und Arbeitskosten abkoppeln. Das löst Wachstumsbremsen« (B. Rürup, Regierungsberater). Und nicht nur Bremsen für das künftige Wachstum der Gesundheitsbranche, sondern für die gesamte Wirtschaft, weil »somit künftige Erhöhungen ausschließlich zu Lasten der Versicherten gehen« (ein ver.di-Sprecher), »ohne daß der Faktor Arbeit stärker belastet werden müßte.« (K. Lauterbach, Regierungsberater stellvertretend für alle)


      Konzept Bürgerversicherung

      Der erste Schritt zur Unabhängigkeit der Geldbeschaffung für ein gesundes Geschäft mit den Kranken, das – bei allem staatlich erklärten Sparwillen – auch wachsen können muß, vom Lohn, der sinken muß, wäre gemäß dem »Konzept Bürgerversicherung«, daß »in eine Bürgerversicherung alle Erwerbstätigen einzahlen, also nicht nur die Angestellten, sondern auch die Beamten, Politiker, Selbständigen und Freiberufler. Die Krankenversicherungsbeiträge werden nicht mehr nur auf das Arbeitseinkommen, sondern auch auf Miet- und Zinseinkünfte erhoben. Die Beitragshöhe bleibt abhängig vom Einkommen. Der Solidarausgleich zwischen Mehr- und Wenigerverdienenden, zwischen Jung und Alt sowie zwischen Gesunden und Kranken findet damit innerhalb der Versicherung statt.«(www.bundesregierung.de, 28.7.)

      Auch wenn die Höhe der Beiträge bei Lohnempfängern weiterhin von der Lohnhöhe abhinge und der Beitrag weiterhin vom Bruttolohn bezahlt, also der »Arbeitgeberanteil« erhalten bliebe: Allein schon die Methode, mehr Beitragszahler zu requirieren, von der Art des Einkommens bei der Verpflichtung zur Beitragszahlung abzusehen und Lohn- und Zinseinkommen ebenso wie die »Dienstbezüge« von Beamten gleichermaßen als beitragspflichtige Revenue zu nehmen, würde, so die Hoffnung der Reformer, dafür sorgen, daß der Lohn nicht mehr im gleichen Maße wie bisher durch steigende Beiträge »getrieben« würde:

      »Wenn die Lasten der gesetzlichen Krankenkassen auf mehrere Schultern verteilt werden, würden die Lohnkosten erheblich sinken« (Kommentar im Mitteldeutschen Rundfunk, 31.7.), weil man darauf setzt, daß die zwangsweise ausgehobenen Neumitglieder der Bürgerversicherung mit überdurchschnittlich hohen – weil ja einkommensabhängigen – Beiträgen und klassenbedingt unterdurchschnittlichem Krankheitsrisiko »innerhalb der Versicherung« ihren erzwungenen Solidarbeitrag zur Mäßigung des nationalen Lohnkostenniveaus und zur Finanzierung des Gesundheitssektors abliefern würden.

      Das führt folgerichtig zu allerlei ergänzenden Überlegungen: Wie hoch die Beiträge zur Sicherstellung der Finanzierung sein müssen; wie hoch sie höchstens sein dürfen, um die besserverdienenden »Leistungsträger« der Gesellschaft nicht über Gebühr zu belasten; und um wie weit man das Leistungsangebot der Versicherung – in Verbindung mit privaten Zusatzversicherungen – nach unten schleusen müßte, um es auf dem erwünschten Beitragsniveau bezahlbar zu halten.

      Einen Schritt weiter bei der angestrebten »Abkoppelung« der Geldbeschaffung vom Lohn geht ein Ergänzungsvorschlag, der von seiten der Grünen lanciert wird: Trotz der beitragssenkenden Rekrutierung neuer Zahler »mißfällt J. Fischer an der Bürgerversicherung noch immer, daß sie (wegen des ›Arbeitgeberanteils‹) die Lohnkosten verteuert. Sein Vorschlag: Bis zu einer bestimmten Obergrenze zahlen alle prozentual vom Einkommen in die Bürgerversicherung ein. Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren, Erhöhungen gehen somit künftig ausschließlich zu Lasten der Versicherten.« (www.verdi.de)

      Damit haben die Lohnzahler endgültig nichts mehr mit dem Wachstum des Finanzbedarfs im Gesundheitswesen zu tun. Und neben den Revenuen der neuen, zahlungskräftigen Mitglieder ist mit dem Grünen-Vorschlag eine Finanzierungsquelle von noch längst nicht erschöpfter Ergiebigkeit bei der Stammkundschaft der GKV erschlossen: deren als »Nettolohn« zur Verfügung stehender Lebensunterhalt.


      Das Kopfpauschalenmodell

      »Die Kopfpauschale koppelt die Gesundheitskosten auf Dauer definitiv von Löhnen und Arbeitskosten ab.«(Rürup in Phönix online, 22.9.) »Im Kopfpauschalenmodell würden in Deutschland alle Versicherten nach Berechnungen der Rürup-Kommission rund 210 Euro im Monat zahlen. Der bisherige Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung würde an die Arbeitnehmer ausbezahlt. Das Modell sieht steuerfinanzierte Zuschüsse für Geringverdiener vor. Dieses Geld könnte der Staat durch höhere Steuereinnahmen kompensieren, da der Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung versteuert würde.« (www.wdr.de)

      »Kopfpauschale« und »Bürgerversicherung« bemühen sich also erkennbar um ein gemeinsames materielles Ziel: Durch Absehen von der Art und bei den Kopfpauschalierern auch noch von der Höhe der Einkünfte soll der Lohn als Kostenfaktor für die Arbeitgeber aus der Haftung für das Wachstum von Kosten und Geschäftsgelegenheiten im Gesundheitswesen entlassen werden – um ihm zugleich, so weit er Lebensunterhalt der Lohnempfänger ist und als gesellschaftlicher Gesamtlohn gedrückt wird, weiterhin die nötigen finanziellen Mittel für die Branche abzupressen.

      Die zahlreichen Vorwürfe, die in beiden Vorschlägen allerlei »Ungerechtigkeiten« im Vergleich zur heute gültigen Regelung entdecken, kontern die Befürworter der Reform mit konkurrierenden Modellrechnungen, aber auch mit dem ideellen Ertrag, den die Operation haben soll: Schäbige AOK-Mitglieder aus den arbeitenden Ständen sollen zusammen mit hochvermögenden Rentiers und Grundbesitzern zu Bürgern in einer eigens nach ihnen benannten Versicherung werden; und ohne Ansehen der Klassenzugehörigkeit soll jeder Kopf so gleich gelten, daß man auf ihn die gleiche Pauschalprämie erheben kann: Als verantwortlicher Einkommensempfänger unter anderen, in aller Freiheit und wirtschaftsunschädlich zum Zahlen dessen verpflichtet, was er von den ihm zustehenden »Leistungen« in Anspruch nimmt. Diese schöne Abstraktion sollen sich die heutigen Pflichtversicherten einen weiteren Teil ihres Lebensunterhaltes kosten lassen und damit beweisen, daß sie auch mit der sinkenden Summe ihres Gesamtlohns bereit und in der Lage sind, eine solide Geschäftsgrundlage für diejenigen zu bieten, die ihn als ihr Geschäftsmittel beanspruchen.

      Doch kaum ist die Befreiung der Sozial- zu Bürgerversicherten zu Ende gedacht, stößt sie sich hart mit dem Sozialen, und dieses, wie es eben häufig kommt, mit dem Geschäft: Die Steuerzuschüsse für die, die sich die Kopfprämien nicht leisten können, dürfen nicht zu hoch ausfallen, da ja auch sie »finanzierbar« bleiben müssen. Deswegen denkt man auch hier an den Rückbau der Gesundheitsleistungen in der Sozialversicherung auf das Niveau einer Grundversorgung und die Überantwortung einer teureren Zusatzmedizin an die Freiheit des Sich-leisten-Könnens. Dann würde es der arbeitenden Klasse auch leichter fallen, die dann steuerfinanzierte Solidarität mit den Zuschußempfängern aus ihren Reihen weitgehend klassenintern abzuwickeln: mit ihren – siehe oben – Abgaben auf die ausbezahlten und dann zu versteuernden ehemaligen »Arbeitgeberanteile« am Krankenversicherungsbeitrag. Andererseits ist jede Kürzung bei den beitragsfinanzierten Gesundheitsleistungen gleichbedeutend mit einer Einschränkung des dortigen Geschäftsfeldes.

      Das provoziert heftigen Widerstand bei den »Leistungserbringern« und privaten Versicherungsunternehmen, die sich nicht »kaputtsparen« lassen wollen und überhaupt die Freiheit ihres gewerbefleißigen Eigentums durch »gleichmacherische Staatsmedizin« bedroht sehen. Den politischen Reformern des sozialen Versicherungswesens sind die widerstreitenden Gesichtspunkte ihrer Tätigkeit wohlvertraut, weshalb sie ja in Zeiten knapper öffentlicher Finanzen und Not leidender Geschäfte vermehrt den Lebensunterhalt der Versicherten, der deren Privatsache ist, in die Pflicht nehmen. Mit »Positiv«- oder »Negativlisten« für Arzneien, die volkswirtschaftlich wichtigen Firmen schaden könnten, gehen sie eher vorsichtig um. Und dort, wo die öffentlichen Kassen direkt als Zahler gefragt sind, etwa bei Krankenhausbau, -ausstattung und -personal, zeigen Politiker häufig entschiedenen Sparwillen.


      Die wirklich spannenden Fragen

      Der Gestaltung dieser Interessengegensätze stellen sich die Reformpolitiker und ihre Berater mit dem an ihnen bekannten Willen zur Verantwortung. Die Debatte darum ist mit den Projekten »Bürgerversicherung« und »Kopfpauschale« jedenfalls schon ein Stück vorangekommen: Die »sozial Schwachen« als Mitglieder und Betreuungsfälle der gesetzlichen Krankenversicherung sind beim Abgleich der »Modelle« ein wenig aus dem Gesichtsfeld der Diskussion verschwunden, in der es um »Bürger« geht und die Inanspruchnahme ihrer abstrakt gleich geltenden Revenuen für die Finanzierung der ihnen künftig angebotenen »Gesundheitsdienstleistungen« und um »mehr Konkurrenz zwischen den Anbietern«.

      Die Armen und ihre Finanzprobleme im kapitalistischen Verteilungswesen für »Sozialleistungen« gibt es damit natürlich nach wie vor. Nur: Als Gesichtspunkt eines sozialstaatlichen Pflichtenwesens spielen sie in dieser Debatte keine große Rolle mehr. Dort, wo die Modellbauer der künftigen Krankenversicherung nicht an ihnen vorbeikommen, weil sie die vorgesehenen Beiträge absehbar einfach nicht zahlen können, gilt das Hauptinteresse auch gleich einem ganz anderen finanziellen Havaristen: Ob sich der Fiskus die Zuschüsse für seine nicht so zahlungskräftigen »Bürger« leisten können wird? Wie hoch sie höchstens sein dürfen und wer sie wohl »gegenfinanzieren« muß? Das sind doch die wirklich spannenden Fragen.
      http://www.jungewelt.de/2004/02-03/004.php
      Avatar
      schrieb am 04.02.04 01:03:53
      Beitrag Nr. 1.319 ()
      Toll Collect als Beschäftigungsmaßnahme

      Peter Rassidakis 02.02.2004
      Warum das an sich innovative Toll Collect-System, das die Bundesregierung zur Erhebung von Mautgebühren einführen will, wirtschaftspolitisch verfehlt sein könnte


      Die derzeitige Regierungspartei hat nach dem letzten ZDF-"Politbarometer" im Hinblick auf die politische Stimmung ihr "Allzeit -Tief" von 23 % der Wählerstimmen erreicht. Ein neuer Tiefstand, der als eine öffentliche Kritik an die Regierung verstanden werden kann. Warum? Weil die Bundesregierung zwar sagt, dass sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen möchte, dies aber praktisch nicht tut, sondern Maßnahmen ergreift, die geradezu das Problem verstärken.






      Verspätet, eigentlich als letztes Land des europäischen Festlands mit Durchgangsverkehr, hat Deutschland sich entschlossen, Mautgebühren einzuführen. Bei einer Arbeitslosenquote von etwa 10% und einer wirtschaftlichen Stagnation, erscheint es im Allgemeinen als ökonomisch sinnvoll, wenn jede Maßnahme, die der Staat ergreift, eine Beschäftigung von erwerbslosen Arbeitsuchenden mit sich bringt.

      Im Fall der Mautgebühren könnte das "gängige" System dieser Gebührenabwicklung von großem Vorteil sein. Wie dies funktioniert, zeigen die Beispiele aller anderen Länder, die solche Gebühren erheben. In Hauptverkehrspunkten werden 6 bis 10 kleine Häuschen gebaut, die hintereinander auf der linken Seite der Fahrbahn installiert werden. Dazu ist es nicht notwendig die Autobahntrasse breiter zu gestalten. Es würde reichen, wenn der Standstreifen mitbenutzt würde. Für die Installation dieser Häuschen würde nicht mal der Verkehr erliegen. Eine einfache Baustelle, wie jede andere auf deutschen Straßen.

      Nach der Fertigstellung dieser Anlagen würde der Staat, bzw. ein mit Staatsauftrag handelndes Unternehmen Personal für die Betreibung dieser Stellen bereitstellen. Wie viel Personal? Um wie viele Arbeitsplätze handelt es sich dabei? Einfach und vorsichtig gerechnet: ungefähr 24 Mitarbeiter pro Kontrollstelle bei Drei-Schichtenbetrieb mal etwa 250 Kontrollstellen ergibt 6.000 Mitarbeiter. Zusammen mit den administrativen Angestellten würde dies ca. 7.000 Arbeitsplätze bedeuten. 7.000 weniger Arbeitslose und etwa 200 Millionen mehr Einkommen, das womöglich mit einer hohen Konsumrate versehen sein würde und dadurch in den Wirtschaftskreislauf in Form von Nachfrage fließen könnte. Zu diesem Mehreinkommen wären noch die Errichtungs- und Wartungsausgaben dieser Anlagen zu zählen. Zusätzliche 250 Millionen (geschätzt) zur Errichtung und etwa 5 Millionen zur Wartung im Jahr. Noch mehr Arbeit und Einkommen für Angestellte und Unternehmen.





      Was hat die Regierung statt dessen getan? Toll Collect!

      Toll Collect ist eines der modernsten Mautsysteme der Welt (laut Homepage der Betreibergesellschaft ). Es ist fast ausschließlich automatisiert und elektronisch gestützt. Keine Mautstellen-Terminals, wenige Mitarbeiter und viel verkaufte Elektronik. Wenn es auch irgendwann funktionieren würde. Bisher gibt es nur Investitionen, eine sehr große Verzögerung der Umsetzung und Ausfälle von Millionenhöhe für die Bundesrepublik. Kostenpunkt des Systems: 7,42 Milliarden Euro also knapp das 30-Fache unserer Schätzung von oben.

      Sollte Toll Collect einmal funktionieren, werden womöglich die Konsortiums-Unternehmen an sehr viel Geld kommen. Viele andere werden in Form von Werklieferungsverträgen auch Geld bekommen, aber keinen festen Arbeitsplatz. Nach Fertigstellung müssen sie sich um einen anderen Job kümmern. Toll Collect ist nämlich nicht mit 7.000 Arbeitsplätzen, sondern mit einer kostengünstigen elektronischen Abwicklung mit geringen Betriebs- und Wartungskosten gleichzusetzen. Das bedeutet ca. 900 feste Arbeitsplätze. Macht die Entscheidung Sinn, ein solches System bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage zu installieren? Aus meiner Sicht nicht.


      Geringe Betriebskosten sind nicht notwendigerweise ein Plus


      Zunächst ein rein ökonomisches Argument: Das Mautsystem soll im Jahr 400 Millionen abwerfen. Die Investitionen betragen 7,42 Milliarden. Die jährlichen Einnahmen machen also ca. 5,3% der Investitionskosten aus. Reine Abschreibungsdauer wäre somit etwa 19 Jahre. Wenn der Staat das Doppelte unserer Schätzung von oben ausgeben würde, also 500 Millionen, um die gängige Lösung zu verwirklichen, hätte er die gleichen Einnahmen, da der Mauterhebungsmodus keinen Einfluss auf den LKW-Verkehr dieses Landes hat. Der jährliche Investitionsertrag würde bei diesem bewusst hoch gewählten Investitionsvolumen 80% betragen. Dies bedeutet eine Abschreibung in 1,25 Jahren.

      Dass in 1,25 Jahren LKWs noch fahren werden, wissen wir genau. Ob es aber in 19 Jahren LKWs in diesem Umfang noch geben wird, ist zumindest fraglich, vor allem im Hinblick auf die Ressourcenwarnungen der Wissenschaftler. Wenn das Toll Collect-System "bezahlt ist", könnte es u.U. keinen Ertrag mehr abwerfen.

      Die geringen Betriebskosten für das System sind als Argument für dessen Einführung hinfällig. Was bedeutet geringe Kosten? Es bedeutet geringe Fixkosten, geringe Personalkosten. Das stimmt auch. Der Staat müsste bei der gängigen Variante 7 mal mehr Gehälter bezahlen als bei der Toll Collect-Lösung. Letztere würde jedoch Wartungskosten einer komplexen und sensiblen hochtechnischen Errungenschaft verursachen. Ob durch diese Ausgaben Einkommen in Deutschland erwirtschaftet werden bzw. in Deutschland etwas in den Wirtschaftskreislauf fließt, will ich bezweifeln. Und es geht hierbei nicht um ein Verlangen nach deutschem Einkommen. Es soll lediglich derjenige davon profitieren, dessen Straßen befahren werden.

      Der Staat rechnet aber nicht mit Return on Investment und Abschreibungsdauer. Er rechnet mit Nettoerträgen. Diese sind bei der Toll Collect-Lösung höher, da die Betriebskosten dieser Lösung keine Stetigkeit und Plansicherheit beinhalten. Reparaturkosten kann man nicht vorhersagen, es sind keine Fixkosten. Bei der Toll Collect-Lösung sind dadurch die prognostizierten Einnahmen etwa doppelt so hoch als bei der gängigen Lösung. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es besser ist, ein im Betrieb günstiges System einzuführen und die Verwendung der Einnahmen dem Staat zu überlassen. Bei der Alternative mit den 7.000 Arbeitsplätzen würden die Maut-Einnahmen zum Teil zur Kostendeckung dienen und dadurch direkt als Lohn in die Hände von derzeitigen Arbeitslosen gelangen, die diesen womöglich dem Wirtschaftskreislauf zuführen. Bei der Toll Collect-Lösung wird der Staat 400 Millionen minus die Kosten der 900 Beschäftigten einnehmen und weiterhin 6.000 Arbeitslosen Arbeitslosengeld zahlen.

      Wenn der Staat Personal beschäftigt, das Kosten deckend arbeitet, ist dies m.E. nicht mit Kosten für Technologien zu vergleichen, die in 3 Jahren wertlos sind. Der Staat hat einen Ertrag von seinen Angestellten und diese ein Einkommen, das ihre Existenz sichert und volkswirtschaftlich einen Zuwachs an Gesamtnachfrage bedeutet. Schließlich ist es bewiesen, das kleine Einheiten wie Haushalte besser wirtschaften können, als größere wie eine Volkswirtschaft. Ökonomisch ausgedrückt, würde die Allokationseffizienz der Maut-Einnahmen durch die gängige Lösung gesteigert.

      Der Einwand, dass keine Verzögerung auf Deutschlands Autobahnen eintreten soll, müsste erst einmal bewiesen werden. Ein System wie Toll Collect ist auch mit Kosten für die Nutzer verbunden. Sie müssen Zeit aufwenden, um das System zu berücksichtigen, und Geld ausgeben, um die nötige Hardware und damit verbundene Ausbildung der Mitarbeiter zu finanzieren. Es mag vielleicht keine Verzögerungen direkt auf der Autobahn geben, der Zeitaufwand für die richtige Nutzung des Systems dürfte aber mindestens genau so viel Zeit und Verzögerung in Anspruch nehmen.

      Ein wirklich innovativer Vorsprung bei Toll Collect gegenüber der gängigen Lösung, ist die genaue Erfassung der gefahrenen Kilometer und die gerechte und korrekte Abrechnung. Das ist ein hundertprozentiges logistisches Optimum. Die Frage ist, ob es diesen Preis Wert ist.


      Innovation ist nicht gleich Innovation


      Was nutzt es uns, wenn wir das modernste System der Welt haben, dies jedoch erst nach 20 Jahren gewinnbringend einsetzen können? Meine Antwort: nichts. Toll Collect ist ein großer verschwenderischer Fehler, der keine Hilfestellung für die Lösung der derzeitigen Wirtschaftsprobleme bieten kann und wird. Der Staat wird für Toll Collect 0,004% mehr Geld ausgeben als sonst im Jahr. Andere Dinge kosten immerhin viel mehr Geld....

      Der Innovationsgehalt von Toll-Collect ist sehr groß. Das Verfolgen der gängigen, wie oben beschriebenen Lösung dagegen gering. Nach der soeben angeführten Diskussion könnte man meinen, Innovationen wären etwas Negatives. Das muss jedoch differenziert betrachtet werden. Im Fall von Toll Collect geht es nicht darum, durch eine effizientere Produktionsmethode einen Mehrertrag zu erzielen, wie es bei anderen Innovationen der Fall ist.

      Der Ertrag, der durch diese Neuerung entstehen wird, ist bekannt und statisch. Sprich, es werden nicht mehr LKWs durch Deutschland fahren, weil wir mit Toll Collect arbeiten. 400 Millionen kostet es LKWs im Jahr, durch Deutschland zu fahren. Das ist eine konstante Größe. Es geht jetzt darum, dieses Geld einzutreiben. Wir sehen in der innovativen Lösung eine kostspielige Durchführungsmöglichkeit. Es muss etwa 13 mal so viel Geld als bei beim gängigen Verfahren bereitgestellt werden, um das Ziel zu erreichen, 400 Millionen einzusammeln. Die Effizienzsteigerung bei Toll Collect mit den geringen Betriebskosten. bringen Kostenersparnisse im laufenden Betrieb, dessen Einführung mindert jedoch nicht die Kosten des Staates, wie dies bei der traditionellen Lösung durch die Arbeitsplatzschaffung geschieht. Die Gesamtkosten des Staates werden bei Inbetriebnahme beider Mautsysteme identisch sein. Bei der einen Lösung Arbeitslosengelder, bei der anderen Personalkosten. Es ist ein Nullsummenspiel. Bei einer so großen Differenz der Einrichtungskosten zwischen den beiden Lösungen, scheint die Wahl des innovativen Weges einfach fahrlässig zu sein.

      Innovationen schaffen schöpferische Zerstörung alter Verwendungsweisen dadurch, dass sie eine andere, effektivere und effizientere Produktionsstruktur aufweisen,. Die Kunden nutzen die innovativen Produkte, weil sie dadurch einen Vorteil haben. Für die Unternehmer, die Innovationen einführen und durchsetzen, heißt das, dass sie immer größere Erträge abschöpfen und dadurch eine Monopolrente erzielen können. Alles das ist bei der Toll Collect-Innovation nicht vorhanden. Es handelt sich um ein Prestigeobjekt, das bis auf die Vorreiter-Rolle in Sachen IT-Anwendung übermäßige Kosten verursacht, keine Mehrerträge produziert und auch nicht zur Lösung der aktuellen Wirtschaftsprobleme beitragen kann.

      Es ist also nicht verwunderlich, dass die Regierung negative Resonanz seitens der Bürger verspürt. Auf der einen Seite wird gespart und gekürzt und auf der anderen Seite wird das hart verdiente und dem Staat in Form von Steuern zur Verfügung gestellte Geld aus dem Fenster hinausgeworfen. Die Regierung scheint wesentliche ökonomische Zusammenhänge nicht anzuwenden oder zu beherrschen. Aus dieser Perspektive scheinen die 24% für die regierende Partei derzeit gerechtfertigt zu sein.

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16666/1.html
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 18:37:11
      Beitrag Nr. 1.320 ()
      Thema
      Knut Mellenthin

      »Sieg oder Holocaust«

      Neokonservative wollen »vierten Weltkrieg« wieder ankurbeln. Richard Perles »Wie man den Krieg gegen den Terror gewinnt«


      Mit dem Buch »Wie man den Krieg gegen den Terror gewinnt« hat sich zum Jahresanfang der Chefideologe der US-amerikanischen Neokonservativen, Richard Perle, zurückgemeldet. Sein Koautor ist der ehemalige Redenschreiber von Präsident George W. Bush, David Frum, der den Begriff »Achse des Bösen« erfand.

      Niemand glaubt, daß der außenpolitisch unerfahrene Frum bei diesem Buch wesentlich mehr als Formulierungshilfe geleistet hat. Beide Verfasser sind Mitarbeiter des American Enterprise Institute, eines zentralen Think Tanks der Neokonservativen, welcher beste Kontakte zur Regierung unterhält.

      Viele Jahre lang hatte Perle als graue Eminenz im Hintergrund die Strippen der Kriegshetze gezogen. Seit den Terrorangriffen vom 11. September 2001 war er zunehmend auch öffentlich aufgetreten. Der Krieg gegen den Irak, auf den er und das neokonservative Netzwerk seit Jahren hingearbeitet hatten, war sein größter Triumph. Doch dann erwischte es ihn eiskalt:
      Mit seiner maßlosen Gier, politischen Einfluß auch in astronomisch hohe Beraterhonorare und Schmiergelder umzusetzen, stellte er sich selbst ein Bein. Wegen allzu obszöner Verquickung von Politik und Geschäft mußte Perle Ende März vorigen Jahres seinen Rücktritt vom Vorsitz des einflußreichen Pentagon-Beratergremiums Defense Policy Board bekanntgeben. Seine Stimme verschwand fast vollständig aus der Öffentlichkeit.


      »Der Wille zum Sieg ebbt ab«

      Jetzt ist der »Fürst der Finsternis«, wie er sich seit seiner Mitarbeit in der Reagan-Regierung vor über 20 Jahren gern nennen läßt, mit einem Paukenschlag auf die politische Bühne zurückgekehrt. Seit das Buch zum Jahreswechsel auf den Markt kam, reißen sich die Medien wieder um Richard Perle. Er weiß als erfahrener PR-Mann, daß man solche Aufmerksamkeit nicht durch ausgewogene, differenzierte, sachlich fundierte Argumente erringt. In provozierend aggressiver, primitiv schwarzweißmalender, bewußt beleidigender Tonart beschuldigt er 99 Prozent der amerikanischen Politiker und Meinungsmacher der Feigheit, der Blindheit und des Defätismus.

      Perle nimmt nur wenige von diesem vernichtenden Urteil aus: den Präsidenten, Vizepräsidenten Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, zwei oder drei weitere Spitzenfunktionäre des Pentagon und von den Politikern der Demokratischen Partei nur Senator Joe Lieberman. Tatsächlich ist dieser in allen Fragen, die den Nahen Osten betreffen, von einem Neokonservativen kaum zu unterscheiden. Zentren des Defätismus sind für Perle das Außenministerium unter Colin Powell, der Geheimdienst CIA, die Bundespolizei FBI, der allergrößte Teil der Regierungs- und Verwaltungsbürokratie, die Medien und die Demokratische Partei.

      Mehr als zwei Jahre nach dem Schock des 11. September 2001 haben die Politik- und Medieneliten der USA die Lust am »Krieg gegen den Terror« verloren, behauptet Richard Perle. »Der Wille zum Sieg ebbt ab«, heißt es im Buch. Aus Perles Sicht gibt es für diese These tatsächlich viele Indizien. Innenpolitisch ist die Tendenz zum allgegenwärtigen Überwachungsstaat und zur Aushebelung rechtsstaatlicher Standards zunehmender Kritik ausgesetzt. Einige ursprünglich als nur vorübergehend bezeichnete Notstandsmaßnahmen des nach dem 11. September erlassenen Patriot Act laufen im nächsten Jahr aus. Ihre Verlängerung wird von Bush befürwortet, ist aber umstritten.

      In der Außenpolitik zeigt sich ein Trend zu Verhandlungen mit Staaten wie Iran, Syrien und Libyen, denen vor einigen Monaten noch mit militärischer Intervention gedroht worden war. Daß die leichte Entspannung der Beziehungen ausschließlich darauf zurückzuführen ist, daß diese Staaten sich zu weitgehenden Zugeständnissen bereit zeigen, stimmt Perle überhaupt nicht versöhnlich. Es macht ihn eher noch aggressiver, weil er befürchtet, daß die Zeit gegen seine Kriegshetze und für die Diplomatie des von ihm gehaßten State Department arbeitet.

      Perle verurteilt auch, daß die US-Regierung im Irak mit der UNO und mit ehemaligen Kritikern des Krieges wie Frankreich, Deutschland und Rußland zusammenarbeiten will, um die Lasten nicht allein tragen zu müssen. Die laufenden Kosten der Irak-Besetzung – vier Milliarden Dollar monatlich – werden von breiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft, nicht zuletzt von vielen Vertretern des »großen Geldes«, mit Besorgnis betrachtet.

      Hinzu kommt Afghanistan, dessen Besetzung den USA jeden Monat Kosten von einer Milliarde Dollar verursacht. Der Militäretat ebenso wie die Staatsverschuldung steigen unaufhaltsam im Rekordtempo. Die Armee steht vor einer Überstrapazierung ihrer personellen Kräfte. Die Neigung, zusätzlich mehrere neue kostspielige Kriegsfronten zu eröffnen, wie von den Neokonservativen gefordert, ist gering wie schon lange nicht mehr.

      Außerdem ist im November Präsidentenwahl; da kommt eine Diskussion über neue außenpolitische und militärische Lasten und Risiken für George W. Bush sehr ungelegen. Sogar Pentagon-Chef Donald Rumsfeld, der sich vor einem Jahr aufführte, als hätte er zusätzlich auch noch das Außenministerium übernommen, hält sich seit Monaten mit Äußerungen zurück.


      Der vierte Weltkrieg …

      Die Formel vom »Krieg gegen den Terror« kann nicht verdecken, daß der Haß Richard Perles sich in erster Linie gegen die islamischen Länder und die moslemischen Bevölkerungsgruppen in den USA und Europa richtet. Er steht in dieser Hinsicht ganz in der Tradition neokonservativer Trendsetter wie Eliot Cohen und Norman Podhoretz, die bald nach dem 11. September 2001 den Begriff des »Vierten Weltkriegs« gegen den »militanten Islam« prägten.
      In Analogie zum Zweiten Weltkrieg gehen die Neokonservativen davon aus, daß die islamischen Länder zunächst militärisch unterworfen und besetzt werden müssen, um dann eine kontrollierte »Demokratisierung« durchführen zu können. »Der militante Islam will unsere Zivilisation stürzen und die Nationen des Westens in moslemische Gesellschaften umwandeln. Er will der ganzen Welt seine Religion und sein Gesetz aufzwingen«, formuliert Richard Perle in seinem Buch. Damit werde er sogar zu einer Gefahr für die Existenz der USA. Die Wurzel der Wut der Moslems auf die westliche Zivilisation liege im Islam selbst. Der militante Islam finde breite Unterstützung unter den Moslems der gesamten Welt. Man könnte fragen, warum dann als erstes ausgerechnet derjenige Politiker gestürzt werden mußte, der vom militanten Islam so weit wie überhaupt nur denkbar entfernt, ja sogar dessen wichtigster Gegenspieler im arabischen Raum war, nämlich Saddam Hussein.

      Aber in Wirklichkeit geht es Richard Perle gar nicht speziell um die militante oder fundamentalistische Form des Islam, sondern um alles, was in den arabischen Ländern aus Sicht der Neokonservativen zu bekämpfen und, im wörtlichen Sinn, zu vernichten ist: »Religiöse Extremisten und laizistische Militante, Sunniten und Schiiten, Kommunisten und Faschisten – im Nahen Osten verschmelzen diese Kategorien miteinander. Sie alle strömen aus demselben enormen Reservoir an leicht entflammbarer Leidenschaft.«

      Dieses Feindbild soll nach dem Willen der Neokonservativen zum Banner eines neuen weltweiten Kreuzzug-Zeitalters werden. Der vierte Weltkrieg werde erheblich länger dauern als der erste und der zweite, nämlich mehrere Jahrzehnte, verkündete der frühere CIA-Chef James Woolsey, auch er eine prominente Figur im Netzwerk der Neocons, schon vor einem Jahr in einer Vortragsreihe an US-amerikanischen Universitäten. Der »Krieg gegen den Terrorismus« sei »die größte Aufgabe unserer Generation«, schreibt Perle.

      Es handelt sich um den klassischen Fall einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die Neokonservativen fordern vehement eine Strategie, die die Zahl der Feinde und die Stärke ihres Widerstands maximal vermehrt, um damit permanent eine immer weiter gehende Eskalation zu rechtfertigen. Auch vor der härtesten historischen Analogie schreckt Richard Perle nicht zurück: »Es gibt für die Amerikaner keinen Mittelweg: Es geht um Sieg oder Holocaust«. Das sprengt völlig den Rahmen des irgendwie noch sachlich Begründbaren und Vertretbaren, knüpft statt dessen an die klassische Philosophie des Wilden Westens und der Indianerkriege an: Es kann nur einer überleben.


      … und wie man ihn gewinnt

      Im Existenzkampf um »Sieg oder Holocaust« soll sein Buch ein »Leitfaden zum Sieg« sein, schreibt Perle. Hier seine wichtigsten Forderungen an die amerikanische Außen- und Militärpolitik:

      Perle lehnt Verhandlungen mit Teheran, wie sie inzwischen unter Beteiligung der EU begonnen haben, strikt ab. Er behauptet, zur Herbeiführung eines Umsturzes im Iran sei kein amerikanischer Truppeneinsatz notwendig; es reiche aus, die »Oppositionsbewegung« zu unterstützen. Wen er damit eigentlich meint, läßt er zumeist offen. Die parlamentarische Opposition der sogenannten Reformer jedenfalls nicht, denn die wirft er mit den Hardlinern in einen Topf und behauptet, sie hätten keinen Rückhalt im Volk. Bleibt als »Opposition« vor Perles Gnaden nur der 43jährige Sohn des 1979 gestürzten Diktators Reza Pahlavi, ein Freund der Neokonservativen.

      Der neokonservative Chefideologe verlangt außerdem den Sturz Baschar Assads und die Erzwingung einer generellen »Westorientierung« Syriens. Um das zu erreichen, soll gegen Syrien eine Wirtschaftsblockade verhängt werden. Vor allem soll es von der Ölzufuhr aus dem Irak abgeschnitten werden. Unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung sollen US-Spezialeinheiten auf syrischem Gebiet operieren.

      In beiden Ländern soll eine »Demokratisierung« entsprechend wirtschaftlichen und strategischen Interessen der USA erzwungen werden. Perle macht in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, daß es Wahlen erst geben darf, wenn hinreichend sichergestellt ist, daß sie ein den USA genehmes Regime an die Macht bringen.

      Dem Iran soll ebenso wie dem Irak eine strikt laizistische Verfassung aufgezwungen werden. Nach Lage der Dinge bedeutet das: Keine Zusammenarbeit mit den Schiiten – also zwangsläufig Konfrontation mit ihnen. Im Irak soll die US-Regierung, ohne Rücksicht auf den Willen der Bevölkerung, in erster Linie auf den Exilpolitiker Ahmed Chalabi setzen, der zwar kaum Rückhalt im Land hat, aber ein alter Freund von Richard Perle ist. Eine Zusammenarbeit mit der UNO oder andere Formen internationaler Einflußnahme werden strikt abgelehnt.
      Libyen soll trotz seines Angebots, auf die Entwicklung von ABC-Waffen zu verzichten und amerikanische Truppen zur Kontrolle ins Land zu lassen, »als das behandelt werden, was es ist: ein unversöhnlich feindliches Regime«. Die US-Regierung soll ausdrücklich feststellen, daß sie Saudi-Arabien nicht als Verbündeten, sondern als Feind betrachtet und behandelt. Kommt Riad nicht sämtlichen amerikanischen Forderungen nach, soll durch militärische Intervention eine Abtrennung der erdölreichen östlichen Landesteile herbeigeführt werden.

      Frankreich soll zum Gegner erklärt und mit politischen und wirtschaftlichen Mitteln massiv bekämpft werden. »Wir sollten die europäischen Regierungen zwingen, zwischen Paris und Washington zu wählen«. Eine engere europäische Integration sei nicht im Interesse der USA.
      Die Annäherung Großbritanniens an Kontinentaleuropa soll verhindert werden, beispielsweise durch Sonderkonditionen für britische Waffenexporte in die USA. Großbritannien soll eine enge Militärkooperation angeboten werden, die auch Australien und Kanada einschließen könnte. Deutschland nimmt Perle als Gegner nicht ernst, weil er davon ausgeht, daß eine auf Schröder folgende CDU-Regierung zur strikten Unterordnung unter die Politik der USA zurückkehren wird.

      In Asien soll nach dem Vorbild der NATO eine neue »Verteidigungspartnerschaft« gebildet werden. Sie soll Japan, Australien und andere »willige« asiatische Länder umfassen. Dieser Militärpakt soll sich vor allem gegen China richten.

      Die UNO soll ultimativ aufgefordert werden, ihre Charta so zu ändern, daß den USA vorbehaltlos jede Art von »präventiver« Kriegführung gestattet wird. Falls die UNO dieses Diktat nicht akzeptiert, sollen sich die USA vollständig aus der Weltorganisation zurückziehen.
      Falls Nordkorea der Aufforderung nicht nachkommt, unter amerikanischer Kontrolle sein Atomprogramm zu beenden und entsprechende Anlagen zu demontieren, soll gegen das Land eine Wirtschaftsblockade verhängt werden. Gleichzeitig sollen Militärschläge gegen die koreanischen Atomanlagen vorbereitet werden. Die US-Truppen in Südkorea sollen (um sie vor nordkoreanischen Artillerieangriffen zu schützen) von der Grenze zurückgezogen und in Kriegsbereitschaft versetzt werden. Ein Palästinenserstaat sei kein Beitrag zur amerikanischen Sicherheit. Israel müsse absolut freie Hand für sein militärisches Vorgehen in den besetzten Gebieten erhalten und dürfe dafür nicht kritisiert werden. Die spezielle Logik dieser Forderung liegt darin, daß Perle die israelische Besatzungs- und Unterdrückungspolitik zum Modell für das Vorgehen der USA im gesamten Nahen und Mittleren Osten machen will.
      Außerdem fordert Perle die Beschränkung und rigide Kontrolle der Einwanderung in die USA. Vor allem die in den Vereinigten Staaten lebenden Moslems sollen unter scharfe Überwachung gestellt werden.

      Und er verlangt umfassende personelle Umbesetzungen und Umstrukturierungen in den von ihm am heftigsten kritisierten Institutionen: dem State Department, der CIA und dem FBI. Die US-Armee und der gesamte Verwaltungsapparat sollen auf die Erfordernisse eines langandauernden, global geführten Krieges umgestellt werden.


      Ein neuer 11. September?

      Ein Realist und Praktiker wie Richard Perle ist sich bewußt, daß der Trend nicht durch Predigten aufzuhalten und umzukehren ist, schon gar nicht im Wahljahr. So wie es des
      11. Septembers bedurfte, um die Basis für die erste Phase des »Kriegs gegen den Terror« zu schaffen, ist jetzt ein neuer Anschub erforderlich. Perle beschreibt die Möglichkeiten mit soviel krimineller Phantasie, daß man vermuten muß, er sehne ein solches Ereignis geradezu herbei:

      »Schon morgen könnte es passieren, daß eine Sprengladung mit radioaktivem Material in Los Angeles hochgeht, Nervengas in einem Tunnel unter dem Hudson freigesetzt wird oder eine furchtbare neue Krankheit in Großbritannien ausbricht. Hätten die für die Angriffe vom 11. September Verantwortlichen 30 000 Amerikaner oder 300 000 oder drei Millionen töten können, dann hätten sie es getan.«

      Eine Strategie, die letztlich auf solche Katastrophen angewiesen ist, um (wieder) mehrheitsfähig zu werden und die Regierungspolitik maßgeblich zu beeinflussen, kann nur beschränkte Attraktivität entfalten. Daß das Buch von Perle und Frum in den ersten Wochen nach seinem Erscheinen hohe Wellen geschlagen hat, heißt nicht automatisch, daß man bereit ist, ihre Strategie zu übernehmen oder sie überhaupt ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
      Es kann durchaus sein, daß die Regierung einzelne ihrer konkreten Vorschläge ganz oder teilweise befolgt. Aber es geht den Autoren letztlich nicht um einzelne Vorschläge, sondern um die These, daß nicht nur die gesamte amerikanische Politik, sondern auch die Gesellschaft der USA auf die Erfordernisse eines langwierigen »totalen« Krieges umgestellt werden muß.

      Aus den Anklagen, die die Autoren gegen den allergrößten Teil der amerikanischen Gesellschaft richten, spricht auch ihre Verzweiflung darüber, daß der extreme Flügel des Neokonservativismus seit dem Irak-Krieg an unmittelbarem Einfluß auf die Entscheidungen des Präsidenten und an Politikfähigkeit verloren hat. Das liegt nicht zuletzt daran, daß das von Perle vor dem Krieg ausgemalte Szenario – die Amerikaner würden im Irak mit offenen Armen als Befreier begrüßt werden, eine spontane Welle von weiteren proamerikanischen Umstürzen werde die ganze Region erfassen – sich als total unrealistisch, ja als Gegenteil der Realität blamiert hat.

      * David Frum/Richard Perle: An end to evil: How to win the war on terror. Random House, Dezember 2003, 22,84 Euro (Amazon)

      http://www.jungewelt.de/2004/02-06/003.php
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 18:38:50
      Beitrag Nr. 1.321 ()
      Kommentar
      Daniel Behruzi

      Soziale Hasardeure

      Weniger Jobs, aber Beschäftigte sollen länger arbeiten


      Trotz frisierter Statistik ist die offizielle Zahl der Erwerbslosen im Januar auf knapp 4,6 Millionen gestiegen. Das sind mehr als 4,6 Millionen Argumente gegen die seit Jahren betriebene, unter Schröder noch forcierte, neoliberale Politik. Denoch kommen die Eliten mit den immer gleichen Rezepten: Wenn das Gift den Patienten nicht gesund macht, dann muß die Dosis erhöht werden.

      Die »kollektive Idiotie« (so der ehemalige IG-Medien-Chef Detlev Hensche) kennt dabei offenbar keine Grenzen. Ausgerechnet eine Verlängerung der Arbeitzeit soll nach Vorstellung der Unternehmerverbände nun die strukturelle Massenarbeitslosigkeit bekämpfen. Die Metallindustrie ist dazu auserkoren, den Vorreiter rückwärts zu spielen und die Arbeitszeit – nebenbei noch umsonst – auf bis zu 40 Wochenstunden zu verlängern. Das wäre ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm gigantischen Ausmaßes: 435 000 Jobs würden dadurch nach Gewerkschaftsrechnung allein in der Metallindustrie verlorengehen. Das ist einfache Mathematik: Wenn die Unternehmen die Produkte, die sie gewinnbringend verkaufen können, von weniger, länger arbeitenden, Beschäftigten herstellen lassen, wird ein Teil der Belegschaften nicht mehr gebraucht und »freigesetzt«.

      Daß Unternehmer, Politiker und Meinungsmacher in dieser Republik den gesamtwirtschaftlich größten anzunehmenden Unsinn erzählen dürfen, ohne ausgelacht zu werden, dafür tragen auch die Gewerkschaftsspitzen Verantwortung. Sie haben jeglichen Anspruch aufgegeben, ideologische Alternativen zu vertreten. Im Gegenteil: Sie selbst propagieren inzwischen weitere Flexibilisierung und Deregulierung. Aber auch das vernichtet Jobs. Eine optimalere Ausbeutung der vorhandenen Arbeitskräfte ermöglicht es, einen Teil von ihnen einzusparen. Ganz abgesehen davon, daß sich der Arbeitsstreß für die »glücklichen« Jobbesitzer verschärft.
      Um ihrer Aufgabe als Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten gerecht zu werden, müßte die Gewerkschaft alle Formen der Arbeitszeitverlängerung und Flexibilisierung konsequent ablehnen, egal ob sie im Gewand von Arbeitszeitkonten, regelmäßigen Überstunden oder sonstwie daherkommen. Die von den Unternehmern begonnene Debatte eröffnet aber auch Möglichkeiten. Die Argumentation gegen Arbeitszeitverlängerung, die die IG Metall nun notgedrungen in die Betriebe trägt, leuchtet den Kollegen ein. Das schafft das Potential, das in der Gewerkschaft lange vernachlässigte Thema der Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
      http://www.jungewelt.de/2004/02-06/002.php
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      schrieb am 06.02.04 18:41:08
      Beitrag Nr. 1.322 ()
      Inland
      Dieter Schubert

      Mehr Erwerbslose im Januar

      Trotz veränderter Zählweise waren zu Jahresbeginn offiziell 4,597 Millionen Menschen ohne Job


      Die offizielle Zahl der Erwerbslosen ist im Januar um mehr als eine Viertelmillion gestiegen. Wie die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag in Nürnberg bekanntgab, waren im ersten Monat des Jahres 2004 4,597 Millionen Menschen offiziell als arbeitslos registriert. Damit gab es von Dezember 2003 zu Januar 2004 auch »saisonbereinigt«, wie es im Amtsdeutsch heißt, wieder einen Anstieg. Die amtliche Erwerbslosenquote stieg um 0,6 Prozentpunkte auf 11,0 Prozent. Für die Betroffenen dürfte es kaum ein Trost sein, daß im Vergleich zum Januar 2003 amtlich 26400 Erwerbslose weniger registriert worden sind.

      Die »jüngste ungünstige Entwicklung« sei wohl nicht als konjunkturelle Verschlechterung zu interpretieren, erklärte der amtierende Nürnberger Agenturchef Frank-J. Weise bemüht. Dies sei vielmehr auch das Ergebnis einer notwendigen Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik. Langfristig würde die veränderte Geschäftspolitik aber zu einem nachhaltigen Abbau der Unterbeschäftigung führen.

      Dafür sollten wohl auch die neuen Berechnungsmethoden sorgen, die für Januar erstmals angewandt wurden. Denn seit Jahresbeginn, so Weises Eingeständnis, würden Teilnehmer an »Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen« nicht mehr als Erwerbslose im Sinne der offiziellen Statistik gelten. Durchschlagenden Erfolg hat die Statistikbereinigung offensichtlich nicht gehabt.

      So stieg die Erwerbslosigkeit in Westdeutschland im Januar gegenüber Dezember um knapp 177000 auf 2,927 Millionen Betroffene an. Im ohnehin von langanhaltender Massenarbeitslosigkeit geprägten Ostdeutschland zählten die Arbeitsämter 105400 Erwerbslose mehr. Offiziell gelten damit 1,670 Millionen Ostdeutsche als arbeitslos. Das waren im Vergleich zum Januar 2003 55000 Erwerbslose weniger. Da zeigte sich der Westen inzwischen »dynamischer«: Hier nahm die Zahl der Erwerbslosen sogar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 28600 zu.

      Auch die Erwerbstätigkeit entwickelt sich weiterhin rückläufig. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden hatten im November 2003 38,61 Millionen Menschen einen Erwerbsjob. Damit lag die Zahl um 236000 unter dem Vorjahresstand. Der Rückgang der Erwerbstätigkeit habe sich in den vergangenen Monaten allerdings kontinuierlich vermindert, hieß es. Saisonbereinigt sei die Zahl der Erwerbstätigen im November »nur« noch um 4000 gesunken.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-06/010.php
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 18:45:06
      Beitrag Nr. 1.323 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Befehlsausgabe

      Leitlinien des Bundesverbandes der Deutschen Industrie für künftiges Regierungshandeln vorgestellt

      (hohes Fieber?)

      Zwischen den beiden großen Lobbyverbänden des deutschen Kapitals herrscht offenbar eine exakte Arbeitsteilung. Während der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände und sein Präsident Dieter Hundt am Mittwoch zum Generalangriff auf die Tarifautonomie bliesen, legte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) einen Tag später in Berlin mit dem Titel »Für ein attraktives Deutschland. Freiheit wagen – Fesseln sprengen« ein umfassendes Konzept zur Deregulierung und Privatisierung nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche vor. Lebende Adler, wie noch im vergangenen September beim großen »Reformkongreß«, ließ BDI-Präsident Michael Rogowski am Donnerstag nicht fliegen. Doch an pathetischen Worten mangelte es nicht. Sein Geschwätz von »Geschichtsbüchern«, in die Bundeskanzler Gerhard Schröder »als großer Reformator« eingehen werde, wenn er die BDI-Leitlinien nur befolgen würde, oder das – ernstgemeinte – Angebot an die anwesenden Journalisten, das Konzept mit persönlicher Signatur und Widmung zu versehen, veranlaßte sogar die in der Regel eher stoische Leitung der Bundespressekonferenz zu der deutlichen Aufforderung, den Vortrag »etwas zu straffen«.

      Der BDI verlangt in erster Linie einen Stufenplan zur Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 30 Prozent. Nur so könne man innerhalb der EU mithalten, wo es teilweise deutlich niedrigere Sätze bei der Kapitalbesteuerung gebe. Auch die im Vermittlungsausschuß beschlossene Mindeststeuer für Unternehmensgewinne ist dem BDI ein Dorn im Auge. Schließlich fehle dieses Geld den Unternehmern für Neuinvestitionen, lautete Rogowskis verblüffende Begründung – eine Logik, nach der eigentlich jegliche Form der Besteuerung der wirtschaftlichen Entwicklung schadet. Nach Voodoo klang auch Rogowskis Vorschlag, die Gewerbesteuer, die die Haupteinnahmequelle der Kommunen darstellt, komplett abzuschaffen und durch »irgend etwas anderes« zu ersetzen. Zur Gegenfinanzierung schlägt der BDI wie allgemein üblich den Abbau von Subventionen vor. Rogowski forderte am Donnerstag auch expliziert die Absenkung der Sozialhilfe.

      Generell unterstellt der BDI, daß sinkende Steuersätze quasi automatisch zu höherer Wirtschaftsleistung und somit letztendlich mehr Steuereinnahmen führen würden. Diese Mittel sollten dann in die Hochschulbildung investiert werden, um »Rahmenbedingungen« für Spitzenleistungen zu schaffen, »Wettbewerb zu ermöglichen und zu erzwingen«. Konkret wird vorgeschlagen, daß die Universitäten keine direkten Zuschüsse mehr erhalten. Statt dessen soll jeder Schulabsolvent mit Hochschulzugangsberechtigung und dem Wunsch zu studieren, pro Semester im Rahmen der Regelstudienzeit Bildungsgutscheine im Wert von 3 000 Euro erhalten, die er an einer Universität einlösen kann. Die Universitäten müßten natürlich das Recht haben, zusätzlich Studiengebühren zu erheben und selbständig über ihr Personal zu entscheiden, inclusive der Besoldung. Schlechte Universitäten würden dann bald vom Markt verschwinden und Eliten sich »von selbst bilden«, zeigte sich Rogowski überzeugt. Durch private Stipendien solle zudem sichergestellt werden, daß auch »die besten Köpfe« aus einkommensschwachen Schichten Spitzenqualifikationen erhalten können.

      Außer den beiden Kernpunkten Steuer- und Bildungspolitik enthält das 150 Seiten umfassende BDI-»Gesamtreformkonzept« auch zu anderen Politikfeldern detaillierte Handlungsvorgaben. Angestrebt werden unter anderem die schnelle Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bei gleichzeitiger Absenkung des Rentenniveaus, die weitgehende Abschaffung von Kündigungsschutz und Tarifautonomie, mehr Selbstbeteiligung im Gesundheitswesen und vor allem in (fast) allen Bereichen »weniger Staat«. Die Rituale der parlamentarischen Demokratie von der Kommune bis zum Bundestag will man zwar nicht abschaffen, aber »bündeln«, übrig bleiben soll möglichst nur ein Wahltermin alle vier oder fünf Jahre.

      Lediglich bei der Flankierung eigener Expansionsgelüste will und kann man auf den Staat nicht verzichten. Der BDI fordert von der Regierung einen entschiedenen Einsatz für einen »freien Welthandel« und gegen »innovationshemmende« Umweltauflagen auf EU-Ebene. Vorgeschlagen wird die Einrichtung eines mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteten »EU-Rates für Wettbewerbsfähigkeit«, der »für eine ausgewogene Gesetzesfolgenabschätzung unter Einbindung der betroffenen Industriezweige« sorgen soll.

      Doch manchmal könnten selbst diese Machtgarantien für das deutsche Kapital zu kurz greifen. Für diesen Fall verlangt der BDI schon mal präventiv mehr Investitionen in die Wehrtechnik und den Ausbau des Repressionsapparates.

      Optimistisch gab sich Rogowski am Donnerstag in bezug auf die Umsetzungschancen des BDI-Konzeptes. Schließlich sei man sich mit fast allen Politikern und auch dem Bundeskanzler darin einig, daß das Land tiefgreifende, schnelle »Reformen« bräuchte. Schröder empfahl er, im Kabinett und in der Partei »ordentlich mit der Faust auf den Tisch zu hauen« und sich »der Bremser zu entledigen«, wie das »jeder Vorstandsvorsitzende in seiner Firma auch machen würde«.
      http://www.jungewelt.de/2004/02-06/011.php
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 18:51:09
      Beitrag Nr. 1.324 ()
      Beim Treffen der G-7 in Boca Raton prallen unvereinbare Interessen aufeinander - Über den Dollar, den Euro, die Kapitalmarktzinsen und einen wahrscheinlich geheimen Kompromiss
      (06.02.2004)

      An diesem Wochenende treffen sich die Finanzminister und die Notenbankchefs der sieben führenden Industrieländer (G-7) in Boca Raton. Der Platz im amerikanischen Bundesstaat Florida ist für die Jahreszeit gut gewählt: nicht zu heiß, nicht zu kalt.

      Doch bei diesem Treffen wird es heiß zugehen, denn es prallen extrem unterschiedliche Interessen aufeinander. Den Teilnehmern geht es um deren Durchsetzung, wie denn auch bei Gesprächen und Verhandlungen selbst zwischen befreundeten Ländern keine Sentimentalitäten und Tugenden eine Rolle spielen, sondern nur die jeweiligen Interessen. Können sie nicht auf Kongruenz getrimmt werden, enden solche Treffen ergebnislos.

      Und das könnte auch das Schicksal dieser G-Tagung sein. Aber nur vielleicht. Sie ist Routine und seit langem geplant, obgleich manche Medien den Eindruck erwecken, als handele es sich um ein unter dem Druck der Dollar-Schwäche zustande gekommenes Nottreffen. Die Erwartungen sind publizistisch hochgespielt worden, was man schon daran erkennen kann, dass dieser Tagung ein so hoher Rang eingeräumt wird wie dem legendären Plaza- und dem Louvre-Treffen. Diese Bezeichnungen stehen für Entscheidungen der G-7, die wirkliche Wirtschaftsgeschichte geschrieben haben.

      Doch wie die Dinge im Augenblick stehen, wird jedenfalls Boca Raton nicht in diese Spitzenklasse gelangen. Dies dürfte einer späteren Tagung an einem anderen Ort vorbehalten bleiben.


      Wenn wir nun einmal betrachten, worum es geht, ist es sinnvoll, mit dem zu beginnen, was wir wirklich wissen:


      1) Die Finanzmärkte befinden sich in einem aufgewühlten Stadium. Sie wissen nicht, wie es mit dem US-Dollar und den Zinsen weitergehen soll. In diese wirtschaftlich schädliche Unruhe hat der Arbeitsmarktbericht aus den USA für den Januar zusätzliche Bewegung gebracht.

      2) Die USA benötigen einen nachhaltig schwachen Dollar, um ihre Leistungsbilanzprobleme auch nur einigermaßen in den Griff bekommen zu können. Der schwache Dollar soll zudem über zunehmende Auslandsnachfrage nach US-Erzeugnissen sehr konkret die Konjunktur fördern. Die US-Regierung hat sich nur in wirklich akuten Phasen um den Dollar gekümmert. Und das geschah immer nur dann, wenn ihr Leidensdruck hoch genug worden war. Ihr Interesse kann in der gegenwärtigen Lage nur dahin gehen, der Dollar-Schwäche freien Lauf zu lassen. Der Leidensdruck sitzt an anderer Stelle, wie unten noch dazulegen sein wird.

      3) Europa, und hier vor allem der Euroraum, sieht in der Kehrseite der Dollar-Schwäche, nämlich der Aufwertung des Euro und des Pfund Sterling, eine Behinderung des Exports mit Verlust von Anteilen am Weltmarkt. Der schwer angeschlagenen Wirtschaft im Euroraum kann eine fortschreitende Aufwertung des Euro nur schaden. Der Leidendruck der europäischen Politiker ist zwar schon spürbar, aber es ist noch nicht massiv genug, um das zu bewirken, was letztlich unabdingbar ist: Bis auf die Knochen gehende Reformen. Andernfalls würde das Ausscheiden des Euroraums aus dem Rennen der Großen in der Weltwirtschaft drohen. Die Europäer werden daher in Boca Raton nicht glaubwürdig erscheinen, wenn sie jammern und ein konzertiertes Ende der Dollar-Baisse verlangen sollten.
      Die Interessen der Japaner decken sich weitgehend mit denen der Europäer.

      Das ist also, was wir über das große Bild oder die Interessenlage wissen. Sollen wir vor diesem Hintergrund einmal raten, was in Florida passiert?

      Nichts bis wenig, wenn da nicht doch noch ein handfestes Interesse der Amerikaner wäre. Sie müssen im gegenwärtigen Stadium ihrer Wirtschaftslage steigende Kapitalmarktzinsen fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Höhere Kapitalmarktzinsen würden die hoch verschuldeten Verbraucher in den USA in die Knie zwingen, und dies zu einem Zeitpunkt, da die Wirtschaft noch nicht einmal halbherzig zu investieren beginnt.

      Eine unkontrollierte weitere Abwertung des Dollar ließe die Kapitalmarktzinsen in den USA von einem nicht mehr weit entfernten Punkt an steigen, weil das internationale Kapital eine wachsende Risikoprämie fordern würde, um sich überhaupt in die USA zu bewegen und die Defizite dort zu finanzieren. Folglich muss das Interesse der Amerikaner darauf gerichtet sein, die unabdingbare Abwertung des Dollar in kontrollierten Bahnen verlaufen zu lassen. Hier müssen sie, wenn es erforderlich werden sollte, nachgeben und einen Kompromiss eingehen.

      Wie ein solcher Kompromiss konkret aussieht, wird die offizielle Erklärung zu diesem Treffen der G-7 nicht offenbaren, denn dieses Gremium will die Akteure an den Finanzmärkten gewiss nicht dazu einladen, ihre Pläne zu durchkreuzen.

      Sollten aber wider Erwarten doch konkrete Vorhaben bekannt gegeben werden, wäre dies wohl ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es bereits unter dem Dachstuhl brennt.

      Es wird spannend, vielleicht sogar turbulent. Bleiben Sie angeschnallt!



      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
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      Wussten Sie schon, dass...?
      (06.02.2004)

      Paul McCulley, Managing Director von Pimco, erinnert bei einer Diskussion über die Klemme, in der Alan Greenspan, stellvertretend für die amerikanische Notenbank, steckt, an eine uralte Definition für den Begriff DILEMMA:

      Was machst du, wenn deine Schwiegermutter mit deinem neuen Mercedes über eine Klippe fährt? Lachen oder Heulen?

      Greenspan steckt nach Ansicht von McCulley derzeit in einem noch größeren Dilemma. In seinem neuen Mercedes befinde sich neben seiner Schwiegermutter nämlich noch sein bester Freund, sein Hund namens „Irrationally Exuberant Stocks“.


      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 20:31:52
      Beitrag Nr. 1.325 ()
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      Ost-Erweiterung der EU auf Kosten Ostdeutschlands


      von Prof. Dr. rer. pol. Eberhard Hamer, Hannover*

      Nur tröpfchenweise - um keine Unruhe zu erzeugen - sickern wöchentlich neue Meldungen von Nachteilen durch, welche die EU selbst, die Bundesregierung oder wissenschaftliche Institute aus der Osterweiterung für Ostdeutschland erwarten.

      Jüngst musste Kanzler Schröder zugeben, dass sich zwar die Kosten der EU voraussichtlich für Deutschland nach der Erweiterung verdoppeln werden, dass aber die ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen aus den EU-Fördertöpfen wohl nichts mehr bekommen würden. Schon bisher sind diese ostdeutschen Bundesländer in der EU-Regionalförderung geringer bedacht worden als etwa Spanien, Italien oder Irland. Die neu in die EU aufgenommenen Länder liegen mit ihrer Wirtschaftskraft pro Kopf alle unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts und würden deshalb die gesamten Fördermittel des Regionalfonds in Höhe von 200 Milliarden Euro bis 2006 bekommen. Von allen EU-Mitteln - auch von diesen Regionalfördermitteln - zahlt die Bundesrepublik Deutschland netto etwa ein Drittel. Von den Subventionen, die EU-weit jährlich verteilt werden, entfallen aber auf Deutschland gerade einmal 15 Prozent.

      Das Osteuropa-Institut errechnet die Mehrkosten der Erweiterung der EU mit mindestens 400 Milliarden Euro, wovon die Deutschen mindestens 120 Milliarden Euro aufbringen müssten, was ohne Staatsverschuldung in Deutschland oder erhöhte Steuern für die deutschen Bürger nicht aufzubringen ist. Altbundeskanzler Schmidt warnte deshalb auch dringend davor, dass durch den Beitritt der Zusatzländer die EU in einen finanziellen Abgrund stürzen könnte. Er wies darauf hin, dass die Angliederung der ehemaligen DDR mit 15 Millionen Einwohnern bisher schon nicht gelungen sei, man deshalb weitere neue Mitgliedsstaaten mit weiteren 60 Millionen Menschen nicht kurzfristig zusätzlich übernehmen könne.

      Inzwischen haben die Gewerkschaften ebenfalls Bedenken angemeldet, nachdem das Ifo-Institut mit einer Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Osten von jährlich 1 Million Menschen nach Deutschland rechnet - der grössten Völkerwanderung der europäischen Geschichte. Die Gewerkschaften fürchten um den Erhalt der Arbeitsplätze ihrer Mitglieder und Lohndumping. Und auf Veranlassung der Gewerkschaften hat deshalb auch Kanzler Schröder eine siebenjährige Übergangszeit für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ins Gespräch gebracht.

      Das Hauptproblem der Ost-Erweiterung für die ostdeutschen Bundesländer traut sich aber niemand öffentlich zuzugeben, und es wird bisher auch zu unterdrücken versucht: Die Ost-Erweiterung wird keinesfalls entsprechend den Behauptungen der EU-Kommissare blühende Wirtschaftszentren in den wirtschaftsschwachen ostdeutschen Bundesländern bringen, sondern nach Untersuchungen des Mittelstandsinstituts Hannover im Gegenteil zum grössten Betriebssterben seit der Wiedervereinigung führen.

      Wenn ein Niedriglohnland und ein Hochlohnland direkt zusammengeschlossen werden, hat dies immer Standortverlagerungswirkungen zur Folge. Die Produktion aus dem Hochlohnland wird ins Niedriglohnland verlegt. Das hinterlässt im Hochlohnland Arbeitslosigkeit, während im Niedriglohnland entsprechende Arbeitsplätze geschaffen werden. Die EU sieht deshalb per saldo einen Vorteil. Nur wird dieser Vorteil in den neuen Beitrittsländern durch entsprechende Nachteile im Höchstlohnland Deutschland erkauft, wo etwa 2 Millionen Hochlohnarbeitsplätze wegfallen werden.
      Je schneller die Ost-Erweiterung kommt und die Konkurrenzgrenzen fallen, desto direkter kämpfen deutsche Hochlohnbetriebe und polnische oder tschechische Niedriglohnbetriebe auf dem gleichen Markt im Wettbewerb gegeneinander. Die deutschen Handwerks- und Produktionsbetriebe haben zum Beispiel zurzeit Bruttolohnkosten von mindestens 25.- Euro pro Lohnstunde. Davon bekommt der Arbeitnehmer selbst aber nur 7 bis 8 Euro, weitere 13.20 Euro sind öffentliche Lohnzusatzkosten. Allein diese aber sind schon fast dreimal so hoch wie die Bruttolohnstundenkosten eines polnischen Bauarbeiters (4 bis 5 Euro). Je schneller also die Konkurrenzgrenzen fallen, desto schneller werden die Billiglohnanbieter aus dem Osten die Hochlohnanbieter aus dem Westen aus dem Felde schlagen. Selbst das Qualitätsargument kann ein fünffache Lohndifferenz nicht aufwiegen. Die Mittelstandsforschung rechnet deshalb damit, dass die östliche Billiglohnkonkurrenz in einem etwa 100-Kilometer-Streifen entlang der polnischen und der tschechischen Grenze die deutsche Konkurrenz überrollt. Wer mit fünffach höheren Lohnkosten konkurrieren soll, hat von vorneherein verloren, er kann so gut sein, wie er will. Der Mittelstand der neuen Bundesländer wird also der Hauptleidtragende und Verlierer der Ost-Erweiterung.
      Gegenüber solchem Mittelstandssterben in den deutschen Ostregionen spielen die unstreitigen Vorteile der grossen Konzerne - insbesondere Banken, Versicherungen, Exportindustrie - keine Rolle, weil diese Konzerne keine zusätzlichen deutschen Arbeitnehmer beschäftigen wollen und ohnehin keine oder kaum Steuern in Deutschland zahlen. Ihr national nicht zu Buche schlagender Konzernvorteil kann also den national wirkenden Mittelstandsnachteil des neuen Wirtschaftsschwachraums im deutschen Osten nicht ausgleichen.


      Für den Mittelstand in den neuen Bundesländern ist die Situation der beschlossenen Ost-Erweiterung der EU brandgefährlich. Das bedeutet nichts anderes, als dass die mittelständischen Unternehmer sich jetzt schon darauf einstellen müssen, um so schneller ihre Betriebe aufzugeben, je schneller die Ost-Erweiterung sie mit der Billigkonkurrenz überfällt. Der Verlust von 250000 Betrieben in Deutschland würde bedeuten,


      den Verlust etwa der Hälfte aller in den neuen Bundesländern bisher entstandenen Betriebe und wirtschaftlichen Leistungen,
      den Verlust von bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern und in Berlin,
      entsprechende politische Mehrausgaben des Staates im Osten sowie Abzug der Arbeitswilligen aus den ohnehin schon wirtschaftlich schwachen Osträumen nach Westen,
      Finanzkatastrophe in ostdeutschen Städten und Gemeinden in einer 100-Kilometer-Zone, für die eine Ausgleichsförderung nicht in Sicht ist.
      Wenn die Ostgrenzregionen so zum Armenhaus Deutschlands werden, besteht zudem die Gefahr, dass einige versuchen, eine von demokratischer Politik betrogene Bevölkerung gesellschaftlich und politisch zu radikalisieren.
      Es muss Kanzler Schröder und der derzeitigen Bundesregierung zugute gehalten werden, dass sie selbst diese Zwangssituation nicht geschaffen haben, sondern als einen von vielen Eurofehlern des Vorgängers übernehmen mussten. Aus letzterem Grund scheint auch die CDU diese Fehler nicht zuzugeben und nicht diskutieren zu wollen. Die Regierung Schröder würde sich aber dennoch schuldig machen, wenn sie in Kenntnis dieser für den deutschen Osten verhängnisvollen Entwicklung nicht rechtzeitig Korrekturmassnahmen ergreift, wenn sie also die Ost-Erweiterung nur für die Arbeitnehmerimmigration, nicht aber für die bestehenden Betriebe im Osten abfedert.

      Mögliche Massnahmen
      1. Befreiung der Betriebe in den neuen Bundesländern von sämtlichen öffentlichen Lohnzusatzkosten, weil diese immerhin etwa die Hälfte der Gesamtlohnkosten ausmachen und die Lohnkosten das Sinkgewicht bei der Ost-Erweiterung sind. Immerhin können die Betriebe für die höchsten Lohnzusatzkosten der Welt selbst nichts, ist also der Staat nicht nur Urheber dieser Kostenlast, sondern auch für die Entlastung verantwortlich.

      2. Verstärkte Regionalförderung mit nationalen und EU-Mitteln, um die Konkurrenznachteile der deutschen Betriebe durch degressiv abnehmende Subventionierung jedenfalls vorübergehend auszugleichen.

      3. Steuerbegünstigung der in Ostregionen gefährdeten Betriebe wie früher im Zonenrandgebiet. Oder noch besser: Steuerfreiheit des im Unternehmen bleibenden Gewinns für 10 Jahre für die Unternehmen in den ostdeutschen Bundesländern. (Das war das einzige Förderprogramm und Geheimnis, mit dem Ludwig Erhard nach dem Kriegszusammenbruch des Wirtschaftswunder geschaffen hat.)

      Regierung und Öffentlichkeit müssen erkennen, dass eine abrupte Ost-Erweiterung zwar für Gesamteuropa ein Vorteil sein kann, für die deutschen Bürger aber erhebliche Zusatzkosten und Zusatzsteuern, zugleich aber auch den Zusammenbruch vieler Tausender Betriebe in den neuen Bundesländern, Einkommensverluste und entsprechende Verarmung dort bringen wird. Aus deutscher Sicht besteht deshalb weder für eine schnelle noch für eine unabgefederte Ost-Erweiterung irgendein Anlass, brächte sogar neues «Zonenrandsterben» der Betriebe mit sich.

      *Prof. Dr. Eberhard Hamer ist Wirtschaftswissenschafter und Leiter des Mittelstandsinstituts Niedersachsen. Gemeinsam mit Eike Hamer veröffentlichte er: «Was passiert, wenn der Crash kommt?», Olzog Verlag, München 2002 (ISBN 3-7892-8096-8)


      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 20:35:28
      Beitrag Nr. 1.326 ()
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      Deutschland bezahlte 250 Milliarden Euro an EU
      Neues Nachschlagewerk macht nachdenklich
      :confused:


      Dass Deutschland seit langem den Zahlmeister der EG bzw. der EU spielt, während zu Hause der Schuldenberg unaufhörlich wächst, ist nichts Neues. Die Öffentlichkeit macht sich jedoch keine Vorstellung davon, welche Summen da im Laufe der Zeit zusammengekommen sind.

      Jetzt liegt erstmals eine sorgfältig recherchierte, komplette Übersicht vor - erstellt von Dr. Franz-Ulrich Willeke, emeritierter Professor am Heidelberger Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften.

      Ergebnis: Von 1958 bis 2002 überwies Deutschland netto und auf die Preise von 2002 hochgerechnet, d.h. kaufkraftbereinigt, 497289 Millionen D-Mark bzw. 254260 Millionen Euro nach Brüssel. Diese halbe Billion Mark entspricht dem gesamten Bundeshaushalt 2003 und ist fast zehnmal soviel, wie Deutschland 2003 für die Bundeswehr ausgab. Ein anderer Vergleich: Mit dem, was die EU bisher bekam, könnten alle Schulden aller deutschen Kommunen zweieinhalbmal zurückgezahlt werden. Noch erstaunlicher ist, dass der grössere Teil dieser Nettozahlungen (nämlich knapp 279 Milliarden D-Mark) ausgerechnet seit der Wiedervereinigung, also ab 1990, geleistet wurde. Obwohl die deutsche Einheit zu einer beispiellosen Belastung der Staatsfinanzen führte, hatte Helmut Kohl die Angewohnheit, immer dann das Scheckbuch zu zücken, wenn es galt, eine der zahllosen europäischen Regierungskonferenzen vor dem Scheitern zu bewahren.

      Ohne die Milliarden-Tribute hätte sich Deutschland weniger verschulden müssen. Oder die Steuern hätten gesenkt werden können, und der Lebensstandard wäre höher gewesen - je nachdem, wie man rechnet.


      Quelle: Deutschlandbrief 6.03
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      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 20:54:41
      Beitrag Nr. 1.327 ()
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 21:06:08
      Beitrag Nr. 1.328 ()
      US/Snow: Wahrscheinlich höheres Verschuldungslimit erforderlich

      Washington (vwd) - Der US-Kongress wird nach Angaben von Finanzminister John Snow voraussichtlich im Sommer das Verschuldungslimit des Staates erneut anheben müssen. "Irgendwann im Spätsommer", antwortete Snow am Mittwoch bei einer Anhörung im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses auf die Frage, wann die aktuelle Kreditermächtigung nicht mehr ausreichen werde. Der genaue Zeitpunkt hänge auch davon ab, wie schnell sich der Kongress mit diesem Thema beschäftigen wolle.

      Der Kongress hatte das Schuldenlimit erst im Mai vergangenen Jahres um 984 Mrd USD auf 7,384 Bill USD angehoben. Bei einem geplanten Bundesdefizit von 521 Mrd USD im laufenden Haushaltsjahr würde diese Obergrenze jedoch überschritten werden - nach Schätzung von Finanzstaatssekretär Brian Roseboro irgendwann zwischen Juni und Oktober.

      http://www.vwd.de/vwd/news.htm?id=21980754



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      AKTUELLE FINANZLAGE DER STÄDTE

      Die Kommunen befinden sich 2004 wie 2003 in der bisher schwersten Finanzkrise. Das Finanzierungsdefizit der Kommu-nen ist 2003 wie erwartet sprunghaft von 4,7 auf fast 10 Mrd. Euro angestiegen. Mit 9,7 Mrd. Euro - 8,9 Mrd. Euro in den westdeutschen und 0,8 Mrd. Euro in den ostdeutschen Kommu-nalhaushalten - hat es das erwartete Rekordniveau erreicht.
      .....
      Mehr denn je waren die Städte also 2003 ge-zwungen, laufende Personal- und Sachausgaben und ihre Sozialtransfers mit Kassenkrediten zu decken. So weisen auch die aktuellen Zahlen für die Entwicklung der Kassenkredite aller Kommunen im Jahr 2003 einen sprunghaften Anstieg um 4 Mrd. Euro auf inzwischen 15,3 Mrd. Euro aus. Noch zu Beginn des Jahres 2001 lagen sie bei 7,2 Mrd. Euro, vor 10 Jahren sogar nur bei gut 1 Mrd. Euro.
      .....
      http://www.staedtetag.de/imperia/md/content/pressedien/2004/…






      http://www.staedtetag.de/10/presseecke/pressedienst/artikel/…


      Und insgesamt ?

      .....
      Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes verzeichnete der Staat im Jahr 2003 ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 86,0 Mrd. Euro, nach einem Defizit von 74,3 Mrd. Euro im Vorjahr.
      .....
      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 21:19:39
      Beitrag Nr. 1.329 ()
      SPD in der Krise


      von Jochen Steffens

      Heute hat Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigt, seinen Posten als SPD-Vorsitzender abzugeben. Nachfolger soll Fraktionschef Franz Müntefering werden. Auch Generalsekretär Olaf Scholz will sein Amt zur Verfügung stellen. Laut Schröder liegt dieser Schritt im Interesse des Reformprozesses in Deutschland. Insgesamt hatten sich in letzter Zeit aufgrund der schlechten Umfrageergebnisse die kritischen Stimmen innerhalb des SPD vermehrt. Müntefering soll nun die Wogen glätten.

      Angela Merkel reagierte auf einer Pressekonferenz, in dem sie diesen Schritt Schröders als "Autoritätsverlust auf ganzer Linie" bezeichnete. Das ist der Anfang vom Ende, so Merkel.

      Festzuhalten bleibt: Solche Maßnahmen sind zumeist kein gutes Zeichen. Die tief im Keller befindlichen Umfragewerte, offensichtliche Probleme mit Reformen, Schwierigkeiten mit der eigenen Basis – ob die SPD dieses Karren mit so einem Schritt wieder aus dem Dreck ziehen kann, dürfen Sie selbst beurteilen.

      Für die Börsen ist dieses politische "Stühlerücken" eher unwichtig. Viel entscheidender sind hier die US-Arbeitsmarktdaten:

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      US-Arbeitsmarktdaten

      von Jochen Steffens

      An den Börsen stand heute alles im Zeichen der amerikanischen Arbeitsmarktdaten. Kommt es nun zu einer Erholung auf dem US-Arbeitsmarkt oder bleibt sie aus? Sind neue Stellen geschaffen worden oder gibt es wieder so eine Enttäuschung wie Anfang Januar? Einige Analysten sehen in den heutigen Zahlen die wegweisenden Vorgaben für die nächsten Monate. Das ist natürlich übertrieben, aber es wird zumindest den Markt in den nächsten Tagen beeinflussen.

      Den Dax schien diese Überlegungen nicht zu bekümmern, er konnte nach den leicht besseren Vorgaben aus Amerika heute erst einmal deutlich zulegen.

      Um 14.30 Uhr wurden dann die US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht:

      Die Zahl der Beschäftigten in den USA ist im Januar um 112.000 gestiegen. Erwartet wurden jedoch um die 171.000 neue Arbeitsplätze nach zuvor Plus 16.000 (Revidiert von 1.000). Immerhin sind es nicht mehr ganz so desaströse Zahlen wie im Januar mit 16.000 neuen Beschäftigten. Doch diese Zahl reicht natürlich bei weitem nicht, um eine Konjunkturerholung zu untermauern. Fast schon ein wenig zynisch klingt es, wenn das US-Arbeitsministerium diesen Wert als den "höchsten Anstieg seit Ende 2000" bezeichnet. Nach dem desaströsen Wert vom Dezember wären bereits 32.000 neue Beschäftigte eine Verdopplung gewesen ...

      Die US-Arbeitslosenquote ist leicht auf 5,6 % gesunken. Erwartet wurden unveränderten 5,7 %. Das ist im Zusammenhang mit den oben genannten Zahlen jedoch eher ein Hinweis darauf, dass immer mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt "ausscheiden" u.a. weil sie entnervt aufgegeben haben ...

      Man darf sich fragen, wie lange die USA noch Geld in die Wirtschaft pumpen wollen, müssen oder können, bis der US-Arbeitsmarkt deutlich anzieht. 250.000 neue Stellen wäre ein Wert, der auf eine leichte Erholung am Arbeitsmarkt hinweisen würde. Alles darunter ist nicht geeignet eine selbsttragende Konjunktur zu schaffen. Von solchen Zahlen sind die USA weit entfernt.

      Der Dax rutschte nach diesen Zahlen um ca. 30 Punkte abwärts. Gold stieg kurzzeitig um 15 Euro an, der Euro kletterte im Hoch auf 1,268 an.

      Was macht nun die Börse damit? Reagiert sie darauf, dass eine Zinserhöhung in weite Ferne rückt oder sind die Zahlen so schlecht, dass der Glaube an eine konjunkturelle Erholung Schaden nimmt? Insgesamt gilt: so lange die Liquidität, das billige Geld, die Börsen überflutet, sind weitere Kurssteigerungen nicht auszuschließen. Andererseits wird immer offensichtlicher, dass eine Zinserhöhung die Märkte weit in den Süden in Urlaub schicken würde (An den Börsen wird Norden nach dem Kompass für steigende Kurse und Süden für sinkende Kurse verwendet.)

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      Zu gut, um wahr zu sein

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      "Alles, was ich Ihnen sagen kann", sagte ich gestern Abend bei einer Dinner-Party einem Rechtsanwalt, "ist, dass die Dinge in der Natur eine gewisse Symmetrie zu haben scheinen. Für jede rechte Hand gibt es eine linke. Für jede Stimmung der Überschwänglichkeit gibt es eine Stimmung der Verzweiflung. Für jeden Boom gibt es einen Abschwung. Amerika genoss in den 1990ern einen spektakulären Boom. Der Abschwung, der folgte, war nicht spektakulär. Er wurde kaum bemerkt."

      Was mich zu dem Gedanken führt, dass uns noch eine Fortsetzung des Abschwungs bevorsteht.

      Aber was mich fasziniert und erregt ist die Vorstellung, dass das, was uns bevorsteht, spektakulär sein wird. In den letzten paar Jahren haben sich die wirtschaftlichen Trends so wunderbar aufgereiht, dass ich es kaum glauben kann.

      Die Amerikaner konnten sich weiter verschulden und weiter Geld ausgeben, obwohl sie bereits tief im Schuldenloch saßen ... und ihre Vermögensanlagen stiegen im Preis. Sie gaben Geld, das sie nicht hatten, für Dinge, die sie nicht brauchten, aus. Und dann gaben ihnen die netten Leute in China und Japan das Geld zurück, so dass sie es nochmal ausgeben konnten. Die Hypothekenzahlungen gingen mit sinkenden Zinsen zurück, während die Immobilienpreise stiegen. Währenddessen hat die Bush-Administration einen Teil der Steuergelder den Steuerzahlern zurückgegeben ... während sie gleichzeitig mehr Geld ausgab, wobei ihr auch die freundlichen Ausländer halfen (indem sie die US-Staatsanleihen kauften).

      Ich erwarte, dass bald eine Periode kommen wird, in der die großen Trends so ungünstig sein werden, dass wir kaum glauben können, dass sie so schlecht werden konnten.

      Wie ich darauf komme? Das ist keine Prognose meinerseits ... aber eine Möglichkeit.

      Jetzt scheint jeder eine Fortsetzung des Dollar-Verfalls zu erwarten. Ein paar Amerikaner treffen Vorsorge. So sind z.B. bei der amerikanischen Everbank die Einlagen in ausländischen Währungen von 135 Millionen Dollar vor einem Jahr auf aktuell 525 Millionen Dollar gestiegen.

      Aber ich kann nicht glauben, dass der Markt das tun wird, was jeder erwartet. Und ich kann auch nicht glauben, dass der Dollar unter dem Gewicht der "Zwillingsdefizite" (von je einer halben Billion Dollar, nämlich dem Handelsbilanz- und das Haushaltsdefizit) steigen wird. Aber während allgemein ein weiterer Kursrückgang des Dollars erwartet wird, rechnet kaum jemand mit einem scharfen Einbruch. Die Überraschung, die wir wahrscheinlich sehen werden, könnte sein, dass der Dollar stark einbricht – wie George Soros meint ... mit einer Panik der Art "Raus aus dem Dollar".

      Wenn der Dollar fällt, dann steigen für die USA die Preise für Importgüter, darunter besonders Öl. Der fallende Dollar würde auch zu einem Kollaps des Anleihenmarktes führen ... selbst Zentralbanker wären gezwungen, US-Anleihen zu verkaufen, um ihre Reserven zu schützen. Das würde die Kapitalkosten der US-Wirtschaft erhöhen ... und Aktienkurse und Immobilienpreise würden fallen. Die Amerikaner haben die Inflation genossen, solange sie sich auf die Aktienkurse und Immobilienpreise beschränkte. Sie werden sie nicht genießen, wenn sie sich auf ihre Lebenshaltungskosten bezieht – besonders dann nicht, wenn die Preise ihrer Häuser gleichzeitig fallen werden.

      Leser(innen) mögen diesen Trend als schlechten Fall einer "Stagflation" erkennen. Aber eine Stagnation beschreibt eine Welt von steigenden Konsumentenpreisen ohne Wirtschaftswachstum. "Abschwungflation" wäre das passende Wort für eine Wirtschaft, die sich in einem Abschwung befindet, während die Konsumentenpreise steigen.

      Eine "Abschwungflation" wird keine schöne oder sorgenfreie Zeit sein. Mit steigenden Zinssätzen werden auch die Hypotheken teurer, aber die Immobilienpreise fallen. Die Preise für Importe – und praktisch für alle "Dinge" – werden steigen, während das verfügbare Einkommen – nach Schuldendienst – fallen wird. Wenn diese Phase kommt, dann werden die Amerikaner wahrscheinlich einen Stimmungswechsel erleben. Die Wirtschaft, die in den späten 1990ern und Anfang 2000 "zu gut um wahr zu sein" war ... wird dann "zu schlecht um wahr zu sein" werden.

      Zu schade, dass das wahr sein wird.

      Jetzt zu meinem Kollegen Addison Wiggin, der gerade in London ist:

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      G7-Treffen in Florida

      von unserem Korrespondenten Addison Wiggin, derzeit in London

      "Statt Alan Greenspan Vorwürfe zu machen, sollten wir über unsere bereitwillige Unterdrückung des Zweifels nachdenken, die uns erlaubte, alles zu ignorieren, das wir über vernünftiges Investieren gelernt hatten", schrieb der Kolumnist Steven Rattner gestern vor 3 Jahren in der New York Times. Natürlich bezog er sich dabei auf die kollektive Illusion, die die Investoren während der Jahre der Spekulationsblase von 1996–2000 ergriffen hatte.

      Während ich den Fed-Vorsitzenden nicht so glimpflich davonkommen lassen würde – besonders wegen seiner Komplizenschaft bei der "Post-Spekulationsblase" des Jahres 2003 – stimme ich Mr. Rattners Vorwüfen gegenüber den Kleinanlagern zu. Und eine "bereitwillige Unterdrückung des Zweifels" sehen wir an der Wall Street seit 6 Monaten wieder. Werden die Investoren wieder mit der nassen Socke der Realität ins Gesicht geschlagen werden?

      Die Marktbewegung der letzten Woche zeigt, dass das möglich ist. Die Finanzpresse ist übersät mit Vergleichen der Spekulationsblasen von 1999 und 2003. Einige stellen diesen Vergleich offen an, andere ohne Absicht: "Ein Überangebot an Geld strömt zu den Technologie-Startups (im Silicon Valley)", so eine Schlagzeile in der gestrigen Financial Times. Und ich stöhne ... und denke nur: déjà vu.

      Ich könnte mir vorstellen, dass der durchschnittliche Amerikaner etwas nervös wird ... denn nehmen Sie z.B. die 10-Tages-Charts von Dow Jones, Nasdaq und S&P 500, dann wissen Sie, was ich meine.

      - Seit dem 27. Januar hat der Dow Jones 278 Punkte verloren, und es gab mehrere gescheiterte Versuche, das 52-Wochenhoch von 10.748 Punkten, das an diesem Tag im Handelsverlauf erreicht wurde, wieder zu erreichen. – - In derselben Zeit hat der S&P500 29 Punkte verloren ... und der Nasdaq 139. – - Während der ersten Spekulationsblase erreichte der Dow Jones am 14. Januar sein Topp. Wird der 27. Januar 2004 wieder so ein Datum sein? – Mir fällt auch auf, dass die Fed am 28. Januar die berühmte Phrase "für einen längeren Zeitraum" aus ihrer Einschätzung strich (der Einschätzung, wie lange sie die Zinsen niedrig halten will). Hmmm ... war das das Topp der Spekulationsblase des Jahres 2004?! Ist die Natur wirklich so symmetrisch – so grausam und ironisch? Ich warte ab, wie ein werdender Vater, um es herauszufinden.

      Währenddessen treffen sich die Finanzminister der G7-Staaten in Boca Raton, Florida. Nach ihrem letzten Treffen in Dubai (am 24. September), bei dem beschlossen worden war, den Dollar fallen zu lassen, ging der "geordnete Rückzug" des Dollar richtig los. Seitdem ist der Dollar gegenüber dem Euro um 8 % gefallen, und aktuell pendelt er um die Marke von 1,25. Was würde passieren, wenn der Rückzug "ungeordnet" werden würde? Das frage ich mich gerade.

      Der unsichere Faktor beim G7-Treffen wird der EZB-Vorsitzende Jean-Claude Trichet sein. "Die USA und Asien sind eine Symbiose eingegangen, in der Asien die amerikanische Wirtschaftserholung finanziert", so Thomas Mayer von der Deutschen Bank in der New York Times. "Das ist für Asien ok, und auch für die USA. Das Problem haben die Zuschauer." Und ein Zuschauer ist natürlich der Euro.

      Vorgestern veröffentlichte die Investmentbank Morgan Stanley eine Analyse, in der die Kunden davor gewarnt wurden, dass "die Eurozone wegen politischer Dissonanzen über die Verfassung und den Euro auseinander brechen könnte". Und weiter: "(Wir) glauben, dass die Märkte für die Zukunft eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auseinanderbrechen von Eurozone und/oder Euro einpreisen müssen ... trotz der Kosten, die eine Euro-Aufgabe erfordern würde, könnte sich ein Land trotzdem dafür entscheiden, dass die Vorteile des Wiedereinführens einer nationalen Währung die Kosten übertreffen könnten."

      Robert Mundell, der Nobelpreisträger, den man als "Vater" des Euro bezeichnen kann, antwortete auf diese Warnung von Morgan Stanley, indem er meinte, dass ein Zusammenbruch des Dollar viel wahrscheinlicher sei. Dem schließt sich mein Kollege Dan Denning an: "Den Dollar belastet derzeit so viel, was den meisten Investoren gar nicht klar ist. Die nehmen das gar nicht als Bedrohung wahr, und werden es wahrscheinlich auch nicht, bis es zu spät ist. Aber die Zwillingsdefizite zermahlen die Währung zu Brei."

      Die Prognose von Denning: "Irgendwann in diesem Jahr werden sie hören, dass der Dollar bricht. Das wird jeden Dollar-Investoren soviel Geld kosten, wie er es sich nicht vorstellen kann. Das große Risiko ist, dass der schwache Dollar zu einem Selloff bei US-Vermögenswerten UND zu einem mächtigen Anstieg der Inflationsrate führen wird. Was bedeutet, dass die Amerikaner eines Morgens aufwachen und herausfinden, dass ihr Kaffee plötzlich 40 % teurer geworden ist."

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      Die Natur mag keine Monopole, Spekulationsblasen oder Vakuen

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Es gibt eine Zeit für Weise und eine Zeit für Idioten. Zuletzt hatten wir einen Markt für Idioten. Die schlechtesten Aktien – die mit den höchsten Kursen, den niedrigsten Gewinnen und den unplausibelsten Aussichten – waren die, die den Investoren am besten gefielen.

      Nur jemand, der es nicht besser weiß, kauft zu solchen Kursen Aktien. Weshalb es derzeit eine gute Zeit ist, um ein junger Spekulant zu sein ... ohne Furcht, ohne Geschichte, und ohne Geld. Wenn man nichts verlieren kann und sich keine Sorgen macht ... dann konnte man in der neuen Spekulationsblase der Jahre 2002–2003 ein Vermögen machen.

      *** Nehmen Sie zum Beispiel die "Cisco-Kids". Die Gewinne von Cisco sind gefallen. Die Umsätze gestiegen. Die Investoren haben diese Aktie in den letzten Tagen verkauft, weil sie vom langsamen Gewinnwachstum enttäuscht waren. Cisco hat im letzten Quartal nur 10 Cents pro Aktie verdient ... woraus sich ein KGV von 65 errechnet. Hmm ...

      *** Ein nachdenklicher Leser hat mir geschrieben: "Ich lese den Investor`s Daily regelmäßig, und ich bin von den Ideen, die sie vorbringen, beeindruckt. Ich weiß, dass Sie viele Fragen und Kommentare erhalten, aber ich habe gestern etwas über die chinesische Geschichte gelesen, und dabei las ich über den Zeitraum direkt nach dem chinesisch-japanischen Krieg. Das Konzept war simpel und einfach, und ich war überrascht, als ich die Ähnlichkeit zwischen der Politik von Tschiang Kai Tschek und der derzeitigen Geldpolitik der USA sah:"

      "Der stärkste ( ...) Angriff gegen die Politik (der Kuomintang) war Inflation. Während die Preise während des ersten Kriegsjahres um 40 % stiegen, stiegen sie nach Pearl Harbour (1941) um mehr als 100 % pro Jahr. Deshalb kostete ein Schmuckstück, das zu Beginn des Krieges 1,04 Yuan gekostet hatte, zu Kriegsende 2,647 Yuan. Nichts lässt das Ansehen einer Regierung beim Volk schneller sinken als eine Inflation. Die trat ein, weil einfach mehr Geld gedruckt wurde. Das Resultat davon war, dass Rohstoffe gehortet wurden, was zu Knappheit und noch höheren Preisen führten; und zu Korruption, die außer Kontrolle lief; und zu einem sinkenden Lebensstandard von Leuten mit fixen Einkommen, wie Beamten, Soldaten, Intellektuellen, und Studenten. Und es war gefährlich, einige dieser Gruppen – bzw. alle – herauszufordern."

      *** Ich kann die Verachtung, die die Bush-Administration verdient, nicht mehr deutlich machen. Meine Reserven an Sarkasmus sind aufgebraucht; und plötzlich stelle ich fest, dass sie durch eine seltsame Bewunderung ersetzt worden sind. George W. Bush ist der perfekte Hochstapler ... was ihn sehr passend macht in Bezug auf die heutige betrügerische Börse, Wirtschaft, Währung und Kultur. Er ist auch der Mann, der am besten zur heutigen großen Herausforderung passt ... nämlich die USA auf dem Weg in den Ruin weiter zu führen.

      Es ist eine unterschwellige Poesie am Werk. George Bush sagte vor kurzem in seiner Rede zur Lage der Nation, dass er "die Aufgaben der Geschichte" übernimmt. Durch einen lyrischen Fehler scheint er da die Wahrheit gesprochen zu haben.

      Denn er verrichtet tatsächlich die Arbeit der Geschichte: Er hilft, den Dollar, die US-Wirtschaft, die amerikanische Sicherheit, die Freiheit der Amerikaner und alles andere, was uns lieb ist, zu zerstören. Selbst unsere Seelen könnten in Gefahr sein. Ich sage "uns", denn Sie wissen, dass ich amerikanischer Staatsbürger bin. Das alles ist die natürliche Konsequenz davon, dass man die Ausgaben erhöht, während man bereits tief im Schuldenloch steckt. Und dass man in den Krieg zieht, wenn man es nicht braucht. Wenn man Ärger sucht ... dann wird Bush ihn sicher finden. Aber er verrichtet die Arbeit der Geschichte. Warum? Weil die Natur weder Monopole, Vakuen noch Spekulationsblasen mag. Wenn ein Mann an der Spitze der Welt steht, dann kommt ein Instinkt in seinen leeren Kopf ... der ihn dazu veranlasst, sich zu bewegen, zu dehnen und etwas zu tun ... bis er herunterfällt.

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      Rückblick auf die Weltwirtschaftskrise

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Nach einer Konferenz auf Long Island schossen die Kurse an der Wall Street in der zweiten Jahreshälfte 1928 um weitere 50 % nach oben. In den drei Monaten vor dem August 1929 kam es zu einem weiteren Anstieg von 25 %.

      Parallel wurden neue Kredit-Instrumente entwickelt, wie beispielsweise neue Formen von Ratenkrediten, die es zunehmend mehr Menschen ermöglichten, am neuen Reichtum teilzuhaben. John R. Raskob, Direktor bei General Motors und Vorsitzender der Demokraten, schrieb im "Ladies Home Journal": "Jeder hat ein Recht auf Reichtum". 1929 glaubten – genau wie im Jahr 1999 – viele Menschen daran, dass neue Technologien wie Radio, Telefon, Autos und elektrische Geräte eine völlig neue Ära des Reichtums ermöglichen würden.

      In der Folge der Zinssenkung, mit der England Hilfestellung gegeben werden sollte, wurde die Fed wegen der anschwellenden Kreditvergaben und den "irrationalen Übertreibungen" an den Aktienmärkten allmählich nervös. 1925 hatte der Diskontsatz der Fed für Ausleihungen an die Geschäftsbanken noch bei 3 % gelegen. Mit einer Serie von Leitzinserhöhungen wurde er bis 1928 auf 5 % erhöht. Das konnte den Run nicht bremsen. Die Fed schraubte den Leitzins im August 1929 auf 6 % und brachte die Blase damit zum Platzen.

      Die Zinserhöhungen waren verantwortlich für den Niedergang, der folgte. Und in der Boomphase hatten die Zinserhöhungen kaum Wirkung, weil die Erträge, die mit dem geliehenen Geld erwirtschaftet werden konnten, so hoch waren. Wer innerhalb der drei Monate im 2. Quartal 1929 an der Wall Street 25 % verdienen konnte, auf den wirkte eine einprozentige Zinserhöhung kaum abschreckend. Aus Europa floss zu diesem Zeitpunkt viel Geld in die USA, um von den steigenden Aktienkursen zu profitieren. Die Zinserhöhung um einen Punkt war auch da nicht geeignet, die Kapitalströme umzulenken.

      Irgendwann war das Ungleichgewicht so groß, dass sich die Investitionen auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht auf die andere Seite der Waage bewegten. Die Aktienkurse stürzten ab. Die Zahl der Firmenpleiten stieg. Die Preise fielen. Bis zum Jahr 1931 waren die Großhandelspreise gegenüber 1929 um 24 % gefallen – und fielen darauf um weitere 10 %. 1931 waren 15 % der arbeitenden Bevölkerung gefeuert und arbeitslos; zwei Jahre später stieg die Arbeitslosequote auf 25 %. Mehr als 10.000 Banken gingen Pleite.

      Banken waren damals eher das, was man heute als einen Investmentfonds (mit Aktien-Portfolio) bezeichnen würde. Es gab keine Einlagen-Sicherung. Die Verluste waren also real. Endgültig. Der Reichtum verschwand ganz einfach. Das war vor über 70 Jahren der Fall. Die Erinnerung daran scheint untergegangen zu sein.

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 21:25:54
      Beitrag Nr. 1.330 ()
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 21:28:55
      Beitrag Nr. 1.331 ()
      Tante Emma auf dem Rückzug

      Studie sieht Vormarsch der Discount-Supermärkte ungebremst

      Die Konzentration im deutschen Lebensmittel- Einzelhandel (LEH) hat sich laut einer Untersuchung verschärft.




      Berlin / Düsseldorf · 5. Februar · ap · Auf dem Vormarsch sind vor allem Discounter wie Aldi,Lidl und Plus. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wird schon in fünf Jahren fast jeder zweite Euro, der für Lebensmittel ausgegeben wird, in ihren Kassen klingeln. Bisher liegt der Discounter-Anteil bei 36 Prozent.

      Betrug der Anteil der zehn führenden Unternehmen am Branchen-Umsatz 1990 noch 45 Prozent, waren es Ende 2002 bereits 84 Prozent. Diese Entwicklung geht eindeutig zu Lasten der kleinen Fachgeschäfte mit weniger als 400 Quadratmetern. Ihre Zahl hat sich seit 1980 fast halbiert. Die großen Gewinner sind neben den Discountern die Hypermärkte (über 4000 Quadratmeter), die ihre Zahl während dieser Zeit mehr als verdreifachten.

      Und das Sterben der Tante-Emma-Läden geht weiter. "Inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte wie kleinflächige Supermärkte oder Kioske werden bis 2010 in den Innenstadtlagen aussterben und nur noch in ländlichen Regionen als Nahversorger bestehen können", heißt es in der Studie.

      Unter den Top-20-Unternehmen des LEH konnten in den vergangenen drei Jahren drei Gruppen große Umsatzzuwächse verzeichnen: Unternehmen wie Metro (Real, Kaufhof), Rewe (HL, Minimal, Penny, Toom) und Edeka, die Discounter Aldi, Lidl und Schlecker sowie Anbieter mit stark regional geprägten Sortimenten und Warenpräsentationen. Im selben Maße, wie die Discounter zulegten, litt laut KPMG die Wertschätzung für Markenprodukte. So lag der Umsatzanteil der Eigenmarken 2002 (ohne Aldi) bei mehr als 29 Prozent, fast drei Prozent höher als nur ein Jahr zuvor.

      Mittel- bis langfristig rechnen die Experten mit einem Ende der "Geiz ist geil"-Stimmung. Kunden stellten zunehmend Ansprüche an Service, Qualität und Vielfalt.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 21:52:24
      Beitrag Nr. 1.332 ()
      Arbeitsmarkt
      Siemens und Rodenstock verlagern Stellen aus Deutschland


      06. Februar 2004 Die deutsche Industrie verlagert weiter Arbeitsplätze ins Ausland. Der Siemens-Konzern und Rodenstock, der größte deutsche Hersteller von Brillenfassungen und -gläsern, haben angekündigt, ihre Fertigung im Ausland zu verstärken.

      In der Sparte Festnetztelekommunikation ICN von Siemens gehen in Bruchsal bei Karlsruhe bis zu 500 der 1.600 Arbeitsplätze verloren. Bei Rodenstock in der niederbayerischen Kreisstadt Regen werden bis zum Jahr 2006 rund 350 der 800 Stellen gestrichen. Der 1877 gegründete Münchner Brillenhersteller wird die Rezeptglasfertigung und die Logistik am tschechischen Standort Klattau erweitern und die Serien- und Halbteilefertigung in der thailändischen Hauptstadt Bangkok ausbauen. Im Traditionswerk Regen bleiben die Entwicklung und die Erprobung neuer Produkte und Fertigungstechnik.

      „Produktion in Bruchsal nicht mehr wettbewerbsfähig“

      Der Halbleiterhersteller Infineon hat dagegen am Freitag angekündigt, sein Entwicklungszentrum für Speicherchips in Dresden in den kommenden zwei Jahren mit Investitionen von 120 Millionen Euro zu erweitern und rund 120 neue Mitarbeiter einzustellen. Über Fördermittel werde noch verhandelt, sagte Johann Harter, verantwortlich für die Technik der Speicherchips.

      Siemens begründet den Abbau der Arbeitsplätze in Bruchsal damit, daß die Produktion der Leiterplatten nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Maßstab für die Herstellung dieser Massenprodukte, die zum Beispiel in Modems für das Breitband-Internet eingebaut werden, seien Fertigungen in China oder Südkorea, berichtete ein Sprecher.

      Verstärkung der Schnittstelle

      Siemens erwägt, diese Komponenten zum Beispiel in seinen chinesischen Werken herzustellen. Mit dem Betriebsrat in Bruchsal werde über Lösungen verhandelt, sagte der Sprecher. "Eine Reduzierung der Arbeitsplätze wird sich aber nicht vermeiden lassen." Der Standort Bruchsal bleibe für das Planen, Einrichten und Optimieren der Fertigung neuer Produkte erhalten. Siemens ICN hat in den vergangenen drei Jahren wegen des Einbruchs des Telekommunikationsmarktes die Zahl der Arbeitsplätze um rund 20.000 auf 33.000 verringert.

      Rodenstock hat schon seit 1999 in Regen im Brillengeschäft rund 500 Arbeitsplätze abgebaut. Ein Arbeitsplatz koste dort 40.000 Euro im Jahr, sagte ein Sprecher. In Tschechien, wohin der überwiegende Teil der Stellen verlagert werde, seien es nur 9.000 Euro, in Bangkok nochmals deutlich weniger. Mit dem Umbau des niederbayerischen Werkes zum sogenannten Engineering Center verstärkt Rodenstock nach Angaben des Sprechers die Schnittstelle zwischen Laborforschung und Serienfertigung.

      Keine Einzelfälle, sondern ein „Dauerbrenner“

      Die Beispiele Rodenstock und Siemens sind keine Einzelfälle. "Produktionsverlagerung ins Ausland ist ein Dauerbrenner", sagte Stephan Wimmers, Fachmann für die Industrie beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Nicht nur Konzerne beschäftigten sich damit, sondern mehr und mehr auch kleine und mittlere Unternehmen. Wimmers erinnerte an im Mai 2003 veröffentlichte Ergebnisse einer Umfrage. Jedes vierte deutsche Industrieunternehmen will demnach in den nächsten drei Jahren Fertigung ins Ausland verlagern. "Mehr und mehr kommen auch wertschöpfende Teile wie die Forschung und Entwicklung in Betracht", berichtete Wimmers. Die Unternehmen begründeten ihre Pläne vor allem mit den hohen Arbeitskosten sowie der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland.

      Text: him., Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2004, Nr. 32 / Seite 11


      www.faznet.de
      Importiert die Konsumenten gleich mit für die dort hergestellten Waren und Gütern.
      Wenn die Leute keine Arbeitsplätze haben, werden sie die im Ausland produzierten Güter und Waren auch nicht kaufen können. Ohne Moos, nix los. Produktionsstandorte sind gleichzeitig auch Absatzmärkte und Absatzmärkte schafft man nicht, in dem man ein anderes zerstört.
      gleiche Lebenshaltungskosten = gleiche Löhne
      :mad: :confused:
      Avatar
      schrieb am 06.02.04 22:00:42
      Beitrag Nr. 1.333 ()
      06.02. 21:11
      USA: Privatverschuldung über 2 Bio.$
      (©GodmodeTrader - http://www.godmode-trader.de)



      Das Gesamtvolumen der privaten Kreditschulden ist in den USA im Dezember anualisiert um 3,9 Prozent oder 6,6 Milliarden auf 2,0 Billionen Dollar angewachsen. Dies gab heute die Federal Reserve Bank bekannt. Die Ratenkredite kletterten um 5 Milliarden Dollar, nicht-revolvierende Kredite (wie Kreditkartenschulden) stiegen um 1,6 Milliarden Dollar.

      Der Anstieg lag damit nicht ganz so hoch, wie der von Ökonomen prognostizierte Zuwachs von 7,6 Milliarden Dollar. Allerdings ist die Gesamtverschuldung erstmals in einem Monat um mehr als 2 Milliarden Dollar nach oben geklettert.
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 23:19:56
      Beitrag Nr. 1.334 ()
      Schwer vermittelbar

      Glosse zum Wechsel im Parteivorsitz der SPD

      von Egon W. Kreutzer
      9. Februar 2004

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14004schwervermittel…


      Nun wissen wir also endlich, was Langzeitsarbeitslose und die Reformen der Agenda 2010 gemeinsam haben: Beide sind schwer vermittelbar.

      In Bezug auf die Langzeitarbeitslosen hat Florian Gerster einsehen müssen, dass es wenig Sinn macht, die Langzeitarbeitslosen lediglich aus der Statistik zu entfernen, er musste seinen Hut nehmen, weil die Vermittlungserfolge ausblieben.

      Gerhard Schröder hat in Bezug auf die Reformen einsehen müssen, dass es wenig Sinn macht, die absehbaren Folgen der Reformpolitik mit dem Paradoxon wegzuerklären, dass der Sozialstaat - aufgrund grundlegend veränderterBasisdaten - nur zu retten sei, indem man ihn zerschlägt. Auch er hat einen Hut genommen und kann jetzt, frei von jedem Rechtfertigungszwang mit der Demontage weitermachen, während Franz Müntefering den Schwarzen Peter hat und versuchen muss zu vermitteln, was nicht zu vermitteln ist.



      Das haben nun einige wohlmeinende Kommentatoren als Befreiungsschlag bezeichnet. Ein Befreiungsschlag kann es aber nicht gewesen sein, ein Befreiungsschlag hätte irgend jemanden treffen müssen, aber - von Olaf Scholz einmal abgesehen - ist nichts und niemand beschädigt worden.

      Weniger wohlmeinende Kommentatoren glaubten, in der Aufgabe des SPD-Vorsitzes "den Anfang vom Ende der Regierung Schröder" entdeckt zu haben.
      Auch sie haben sich geirrt. Zur Regierung Schröder haben die politischen Gegner - solange die so genannten Reformen nicht abgeschlossen sind - weder eine Alternative anzubieten, noch wollen sie ernsthaft in Konkurrenz treten. Eine Opposition, deren Kritik an der Regierung sich darin erschöpft, zu erklären, dass der Weg zwar richtig, die Schritte und Schnitte aber immer noch nicht schnell genug, nicht tief genug, nicht weit genug gingen, die kann doch nicht ernsthaft daran interessiert sein, die gleiche fiese Politik gegen eine aufgebrachte Bevölkerung fortsetzen und vollenden zu müssen. Im Gegenteil!

      Frau Merkel und Herr Stoiber drängen Schröder zwar zur Eile (treiben ihn vor sich her, wie Angela gelegentlich charmant zu formulieren pflegt), aber doch nur, weil sie es gar nicht erwarten können. Denn erst wenn Gerhard mit der Abrißbirne soweit vorangekommen ist, dass sie ihm und den Sozis die Schuld am Zustand Deutschlands für die nächsten fünfzig Jahre in die Schuhe schieben können, kann es für sie wieder attraktiv sein, die Richtlinienkompetenz auszuüben.

      Es war also weder ein Befreiungsschlag, noch der Anfang vom Ende. Was aber war es dann?


      Die Folgen einer absurden Logik

      Nun, es war nur wieder eines dieser seltsamen Ereignisse, die sich zwangsläufig aus jener absurden Logik ergeben, von der unser Land seit annähernd zwanzig Jahren mehr und mehr durchdrungen wird und die sich auf den Kernsatz reduzieren lässt: "Rettet das Ziel, haut voll daneben!"

      Bitte verzeihen Sie, dass in den folgenden Beispielen Textpassagen auftauchen, die den Verdacht nahe legen, es handele sich dabei um verstaubte Leihgaben aus dem Fundus eines Büttenredenschreibers: Um die frappierende Ähnlichkeit von so genannter Realpolitik und purer Narretei überzeugend zu beweisen, muss man sie leider vergleichend gegenüberstellen.



      Rettet das Ziel, haut voll daneben!

      Beispiel 1, das Hohelied der unbezahlten Mehrarbeit

      Politische Variante

      Politiker all jener Parteien, die mit mehr als zwei Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten sind, fordern:

      Wer Arbeit hat, soll mehr arbeiten, damit die Arbeitslosen auch einen Arbeitsplatz bekommen. Stoiber hat es am präzisesten vorgerechnet:

      "Zwei Stunden unbezahlte Mehrarbeit pro Woche", so verkündete er, "das schafft 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum und 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze."

      Närrische Variante

      "Sag Oma, warum strickst du denn so schnell?"
      "Ich muss mich beeilen Fritz, sonst werd ich nicht fertig, bevor die Wolle zu Ende ist."

      Stoiber hätte zum Beweis eventuell folgendes ausrechnen lassen: Wenn ein Knäuel Wolle in einer Stunde verstrickt wird, die Oma aber bei normalem Tempo noch zwei Stunden zu stricken hätte, dann wird sie bei doppeltem Stricktempo genau dann fertig, wenn die Wolle zu Ende ist. Strickt sie jedoch noch schneller, muss zwangsläufig Wolle übrig bleiben und schon kann eine zweite Oma eingestellt werden.



      Beispiel 2, die Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt

      Politische Variante

      Die bestehenden Regelungen zum Kündigungsschutz behindern die Kräfte des Marktes und sind wachstumsfeindlich. Ein Unternehmen, das wachsen soll muss zuallererst das Recht haben, alle seine Mitarbeiter zu entlassen, sonst wird das nichts. Im Grunde ist die Entlassung überhaupt die Vorbedingung für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen.

      Närrische Variante

      "Das Stoppschild an der Kreuzung behindert den freien Fluss des Verkehrs. Wer zügig vorwärts kommen will, braucht das Recht auf freie Fahrt, und zwar an jeder Kreuzung. Weg damit!"
      "Aber ist das nicht eine gefährliche Kreuzung?"
      "Typisch Bedenkenträger! Seit ich denken kann, steht hier das doofe Stoppschild, aber passiert ist noch nie etwas. Also kann`s doch weg, oder?"

      Der Bundesarbeitsminister könnte in dem Zusammenhang eventuell ins Schwärmen geraten, wenn er an die vielen Jobs in Werkstätten, Krankenhäusern und Bestattungsunternehmen denkt, die mit dem bundesweiten Wegfall überflüssiger Stopschilder entstehen könnten.



      Beispiel 3, die vorgezogene große Legislaturperiode 2030-2050

      Politische Variante

      Die demografischen Fakten sagen, dass im Jahre 2030, spätestens aber im Jahre 2050 oder später, eine Situation entsteht, in der ein Berufstätiger einen Rentner ernähren muss. Deshalb müssen wir schon heute die Renten kürzen.

      Närrische Variante

      "Jörg Kachelmann sagt vorher, dass es zwischen 2030 und 2035 zu einer Dürreperiode kommen könnte."
      "Mein Gott! Was tun wir da jetzt bloß?
      "Blöde Frage! Wir werden ab sofort das Löschwasser für die Feuerwehr streng rationieren und alle Hydranten abbauen."
      "Genial! Jedes Haus das uns heut schon abbrennt, mindert den zukünftigen Löschwasserbedarf unserer Kinder und Kindeskinder. Das ist Generationengerechtigkeit."

      Was eine Dürreperiode sonst so mit sich bringt, dass man Wasser nicht nur zum Löschen braucht und dass man Brände zur Not auch ganz gut mit Backpulver bekämpfen kann (das ist schließlich heute schon in jedem Pulverfeuerlöscher drin), daran denkt niemand - und die Kachelmannsche Langzeitprognose will auch niemand in Zweifel ziehen, schon gar nicht Ulla Schmidt.



      Beispiel 4, gleiches Recht für alle, die Kopfpauschale

      Politische Variante

      Für alle krankenversicherungspflichtigen Bürger wird ein einheitlicher Monatsbeitrag zur Krankenversicherung festgelegt.



      Närrische Variante

      "Zur Optimierung des Materialverbrauchs werden Leitern künftig nur noch mit einer Sprosse hergestellt. Diese kann wahlweise als oberste oder unterste Sprosse eingesetzt werden."
      "Aber da kommt doch keiner mehr hinauf!"
      "Mag sein, aber in Anbetracht der erheblichen Einsparungen beim Materialverbrauch darf diese kleine Nutzungseinschränkung wirklich nicht überbewertet werden."




      Tja, und jetzt sollten Sie auch verstehen können, warum Gerhard Schröder den Parteivorsitz abgegeben hat:

      Politische Variante

      Wir haben ein Vermittlungsproblem. Ich alleine hab` gar keine Zeit gehabt, die Reformen richtig zu vermitteln. Aber der Franz, der kann`s.

      Närrische Variante

      "Bist du mein Freund?"
      "Ja."
      "Hast du jemals versucht, einen Wackelpudding an die Wand zu nageln?"
      "Nee, nie!"
      "Dann will ich dir nicht länger im Weg stehen. Nimm du jetzt mal den Hammer.

      Aber vergiss nie: Rette das Ziel, hau daneben!"


      Bis jetzt hat Franz Müntefering keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er unverändert in die alte Kerbe hauen und die Reformziele retten will. Wenn er da mal kein Vermittlungsproblem bekommt...
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 23:37:13
      Beitrag Nr. 1.335 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de

      Same procedure as last year, as every year: 08.02.2004
      DIESE WOCHE

      In diesem volkswirtschaftlich orientierten Beitrag untersucht der Spatz wirtschaftliche Hintergründe, die vielen nicht geläufig sein dürften, die uns aber bald alle betreffen werden. Er zeigt, was wirklich reformbedürftig wäre, aber in den derzeitigen Reformdebatten dennoch nie vorkommt.

      Politik, ein schmutziges Geschäft


      "Kein Problem mit der Rentenkasse, in Kürze zieht die Beschäftigung wieder an und dann sind die Einzahlungen wieder gesichert". Womit will die Beschäftigung anziehen, die Dame hat keine Arme und unsere Regierung erst recht nicht. Doch die hat wenigstens ein Mundwerk und das findet geduldige und gläubige Zuhörer. Jeder Papst im finstersten Mittelalter wäre über solchen Glauben froh gewesen, man hätte sich die Unappetitlichkeit der Autodafes sparen können. Heute droht zwar kein Scheiterhaufen, denn die Leute sind auch ohne sowas gefügig: Anstelle der Inquisition droht nämlich die Aufgabe, politische Verantwortung entweder selbst zu übernehmen oder sie nachhaltig von gewählten Politikern einzufordern. Wieviel einfacher und beschaulicher ist es da, zu klagen, zu jammern und Gott und die Welt zu beschwören - und, weitermachen wie bisher. In diesem Punkt sind sich Regierung und Wähler einig und deshalb "zieht die Beschäftigung bald an".

      Leute, die es wissen sollten, weil sie damit Geschäfte machen - und bisher keine schlechten - sehen es anders, Bill Gross zum Beispiel. Er ist Chef der Pacific Investment Management Company (PIMCO), des größten Fonds im Obligationshandel der Welt mit Anbindung an die Allianz-Versicherung. Zunächst läßt er sich im letzten Monatsbericht seiner Firma "Investment Outlook" über Greenspans Wirtschaft im Allgemeinen aus, weil sie inzwischen eine ganz andere Wirtschaft sei, als die seiner Vorgänger, nämlich "eine globalisierte Wirtschaft, in der billige Arbeitskräfte in Asien und Lateinamerika die Arbeiter hier zu Hause (gemeint sind die USA, warum aber nicht auch Deutschland) ersetzen". Ironisch fährt er fort: "Es ist eine Ökonomie voller technologischer Wunder wie Internet, Handy, hochschnelle Datenübertragung und dergleichen. Wir können vielleicht nicht mehr zum Mond gelangen, aber die Dinge hier auf der Erde schwanken und wanken. Die problematischste Reform der letzten 20 Jahre war der Übergang der USA (warum nicht auch Deutschlands) von einer produzierenden zu einer Service und von dort zu einer Finanzdienstleistungs-Gesellschaft" Am Beispiel General Electric verdeutlicht er das: "1980 stammten 92% seiner berichteten Gewinne aus der Produktion. 2003 kamen etwa 50% der Erträge von angeschlossenen Finanzdienstleistern, die weitgehend am An- und Verkauf von Firmen verdienen und mit der Fähigkeit, sich durch den Handel mit Swaps hindurchzumanövrieren" (Er hätte auch Siemens wählen können).

      "Doch Leute - geht es weiter - alle Vorwürfe einmal beiseite, ich muß euch vorwarnen, diese Geschichte hat kein Happy End. Hinsichtlich der Zeit ist es vielleicht noch nicht Mittag aber in Bezug auf das Endergebnis ist es allerhöchste Zeit. Die Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) sind in den letzten 20 Jahren in die Höhe geschossen und liegen so hoch wie nur kurze Zeit während der Depression der 30er Jahre. So weit so gut mögen New Ager sagen, was ist das Problem mit 400% oder 500% Anteil am BIP. Warum sollen wir nicht (um sie zu zahlen) Geld vom Flugzeug abwerfen, wie es der gute Ben Bernanke einst vorgeschlagen hat? Ich will nur sagen, daß in nächster Zukunft irgendwann jemand zu diesem endlosen Anstieg der Schuldenspirale sagen wird: Jetzt ist aber Schluß! Vielleicht ist es PIMCO oder ein anderer, der so denkt wie wir, vielleicht ist es ein ausländischer Bond-Besitzer, den die inflationäre Aushöhlung seiner Einlagen stört, vielleicht wird ein Anleger in hochrisikante Hedgefonds von einer kommenden Krise wie der bei LTCM (Milliarden-Pleite eines vielgerühmten Derivatespekulanten 1998) zu Tode erschreckt. Schwer zu sagen, doch ich sage Ihnen, das wird passieren und damit einher wird eine Wirtschaftskrise gehen, wie wir sie schon lange nicht mehr erlebt haben". Das war nicht der Spatz, sondern ein "Anerkannter", und was er vorträgt, klingt nicht gerade nach "Anziehen der Beschäftigung".

      Brain Roseboro Unterstaatsekretär für US-Inlandfinanzen sagte auf einer Pressekonferenz am 4.2. Irgendwann zwischen Juni und September werden die Schulden der USA den gesetzlichen Deckel von 7,4 Billionen US$ durchstoßen. 1970 gab es in den USA pro Haushalt 25.700 US$ Schulden, 1980 waren es 58.000, 10 Jahre später 153.000 im Jahr 2000 schließlich 274.900 und drei Jahre später Ende 2003 waren es 340.600 US$ pro Haushalt. In anderen Gegenden der Welt mag das nicht ganz so viel sein, trotzdem: "Wer wird das bezahlen?"

      US-Präsident Bush hat damit keine Probleme. Er erhöht den Rüstungshaushalt (ohne die Kosten für Irak und Afghanistan) um weitere 7% und streicht dafür bei den ohnehin viel zu knappen Ausgaben für den Straßen- und Eisenbahnbau 32% weg, beim Wohnungsbau und Städtesanierung fliegen 20% weg und er kürzt bei 63 sonstigen Unterstützungsprogrammen der Regierung, 65 dieser Programme werden ganz gestrichen - zurecht, wie Bush meint. Denn Unterstützung ist unamerikanisch, sie fördert nur Faulheit. Auf diese Weise kommt er auf Ausgaben von 2,3 Billionen, denen erwartete Einnahmen von 1,7 Billionen US$ entgegenstehen (ob die wirklich kommen, ist alles andere als wahrscheinlich, da auch er nur vom bevorstehenden oder schon einsetzenden Aufschwung träumt). Jedenfalls sind der Fehlbetrag neue zusätzliche Schulden. Man wird sich gefragt haben, wer die Gelder vorschießen soll.

      Die Antwort lautete regierungsvertretertypisch: "Weiter wie bisher"! Japan hat den USA bereits 673,5 Mrd. Dollar, China 403,3, Taiwan 206,6 und Südkorea 157,4 Mrd. US$ gepumpt (die europäischen Zahlen sind nicht bekannt, abgesehen von England dürften sie inzwischen deutlich geringer sein). Das sieht nun so aus: Amerikaner kaufen in Japan mit Dollar ein, die Regierung übernimmt diese Dollar gegen frisch gedruckte Yen (die durch die Dollar gedeckt wären). Japan gibt die Dollar an die USA zurück und bekommt dafür US-Schatzbriefe. Wo bleiben die Yen? Natürlich in der heimischen Inflation. Die japanischen Geldbesitzer werden entsprechend ärmer, das heißt ihre Yen werden weniger wert (aber was sind sie überhaupt wert?). Daß die Japaner das noch nicht besonders beim Broteinkauf gemerkt haben, liegt daran, daß diese Yen noch weitgehend Wertpapiere aller Art kaufen. Die Inflation verschwand in den "Wertsteigerungen" der Papiere. Deren Wert hat "weltweit" in den letzten Jahren pro Jahr um 16 - 17% zugenommen, meint Patrick Artus von der Bank Caisse des Depots et des Consignatures und Chef-Wirtschaftsberater des französischen Präsidenten am 3.2. in Le Monde (Zumal wenn der Dollar schneller fällt als sie steigen). Irgendwann kann oder will keiner solche Papiere mehr kaufen - und damit endet dann der Film. Das war, was Bill Groß in seinem oben erwähnten Monatsbericht mit "no happy ending" meinte.

      Und deshalb denkt der Japanische Finanzminister Sakakibara laut darüber nach, daß die Dollar Situation "untenable" (unerträglich) geworden sei. Jedenfalls will das Anthony Rowland von der Business Times of Singapore bei einem Interview Anfang Februar so gehört haben. "Das ist wie bei einem Kaufmann, der anschreiben läßt und nur noch Kunden hat, die nur noch anschreiben lassen. Wovon soll der Kaufmann leben?" fauchte ein Beamter im japanischen Finanzministerium auf die Frage, was man unter "untenable" verstehen solle. Was Sakakibara verlauten ließ, ist nicht so neu. Das hatte mit anderen Worten 1996 schon der damalige Japanische Premier Minister Hashimoto bei seinem Besuch in New York gesagt - und wurde gefeuert. Rowland hatte bei der Gelegenheit noch gehört, daß man in Südostasien - sogar in Japan! - wieder Interesse an Gold zeigt. Das soll neben Japan vor allem auch für die Volksbank in China zutreffen. Der Japaner bestätigte es zwar, besänftigte aber sofort, es bestünde keine unmittelbare Absicht so zu handeln. Er klebt wohl an seinem Sessel?

      US Finanzminister John Snow kommt sich recht clever vor, wenn er den Dollar gegenüber dem Rest der Welt sinken läßt, damit der Rest der Welt in den USA einkaufen solle. Was aber, wenn die genannten und andere Länder am Wert ihrer Dollarbesitzungen verzweifeln und Gold kaufen. Dann fällt beim Dollar der Boden heraus - oder es droht ein neuer Waffengang im "Krieg gegen den Terrorismus".

      Am gleichen Tag, an dem Brain Roseboro die neue US-Schuldenperspektive mit "feurigem Finger" an Belsazars Wand schrieb, meinte der Europa Finanz-Kommissar Pedro Solbes in der Wirtschaftswoche weniger feurig. Der Maastrichter Vertrag hat sich in der Vergangenheit ganz gut bewährt. Doch die Regelung mit der 3% Grenze für Neuverschuldung läßt sich nicht beibehalten, eine höhere Staatsverschuldung solle zugelassen werden - "wenn Investitionen in wirtschaftlich sinnvolle Bereiche" getätigt werden. Etwa in Windmühlen und Beraterverträge? Der Freie Bürger hat zwei Verpflichtungen, eine wirtschaftliche und eine politische. Wer eine außer Acht läßt - sich etwa mit dem Hut an den Straßenrand setzt, obwohl es jede Menge zu tun und zu arbeiten gäbe, darf sich nicht wundern, wenn man ihm in den Hut sch... Die meisten sind dann empört, weil sie ja wirtschaftliche arbeiten gehen und nur politisch faulenzen. Aber umgekehrt würden sie das mit dem Hut für richtig halten - lauter halbe Sachen!
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 23:41:44
      Beitrag Nr. 1.336 ()
      Titel
      Klaus Fischer

      Flexibel auf die 40 zu

      Tarifstreit in Metallindustrie: Unternehmer beharren auf Mehrarbeit. Die Gewerkschaft sträubt sich noch


      Der Chef des Bundesverbandes Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, hat es den Gewerkschaften am Montag nochmals ins Stammbuch geschrieben: Flexible Arbeitszeiten müssen her. Noch haben sich Unternehmer und Gewerkschaft nicht auf einen neuen Tarifvertrag für die deutsche Metall- und Elektroindustrie geeinigt. Noch marschieren, wie am Montag in mehreren Bundesländern, Beschäftigte zahlreicher Betriebe tapfer vor den Werkstoren zum Warnstreik auf und machen sich mit flotten Sprüchen Mut. Und noch verkünden beide Seiten Forderungen, von denen alle Beteiligten wissen, daß sie nicht durchzusetzen sind. Dennoch zeichnet sich, gerade auch nach Hundts Einlassungen, deutlich ab, was herauskommen dürfte.

      Die 35-Stunden-Woche wird fallen. Nicht ausdrücklich als Ergebnis des Tarifstreits deklariert und nicht sofort überall, aber in der Praxis, verpackt in einer Vereinbarung über »flexible Arbeitszeitregelungen«. Die monatelange Kampagne des Unternehmerlagers in dieser Frage hatte zwar einige taktische Aspekte wie die Forderung nach unbezahlten Überstunden. Im Grunde aber läuft alles auf eine Zerschlagung vermeintlich »starrer Arbeitszeitregelungen« hinaus. Natürlich, und das ist der entscheidende Punkt, mit dem Segen der Gewerkschaftsführung.

      Unbestritten dürfte sein, daß die Kapitalseite kein wirkliches Interesse daran haben kann, die IG Metall mit Forderungen – wie jener nach unentgeltlicher Zusatzarbeit – in die Enge zu treiben. In der möglichen Irrationalität eines eskalierenden Arbeitskampfes, läge ein zu großes Risiko für die Unternehmen. Auf der anderen Seite: Noch einen Streik zu verlieren, kann sich allerdings die Gewerkschaft schon aus Selbsterhaltungstrieb nicht leisten. Zumal nach
      der – zum Teil hausgemachten – Niederlage der Metaller im vergangenen Jahr beim Streik in Ostdeutschland.

      Dennoch markiert genau diese Niederlage den entscheidenden Wendepunkt im Hinblick auf Arbeitszeitregelungen und Gewerkschaftsmacht. So mußte die größte Industriegewerkschaft der Welt einerseits feststellen, daß im deindustrialisierten Osten Deutschlands längst »globalisierte« neoliberale Verhältnisse existieren. Bereits in der Historie geglaubte Streik- »Gegenmaßnahmen« des Kapitals, wie massiver Streikbrechereinsatz, Prügelein mit Gewerkschaftsstreikposten und einseitige Parteinahme der Medien, feierten ein glänzendes Comeback. Trotz der Streikbereitschaft der wenigen Ostmetaller fehlte schlicht die Basis für einen formvollendeten Tarifstreit à la Baden-Württemberg. Kaum einer der Ostbetriebe ist in den ohnehin im Manchester-Denken verhafteten Unternehmervereinen organisiert. Bei einer realen Erwerbslosigkeit von mindestens dreißig Prozent fehlt zudem fast jede gesellschaftliche Akzeptanz für Streiks um Löhne, die den zwangsweise Arbeitslosen im Osten wie aus dem Schlaraffenland erscheinen.

      Deshalb hat sich die IG Metall wohl schon innerlich vom Flächentarif Ost verabschiedet. Die sogenannten neuen Bundesländer sind im Prinzip gewerkschaftliches Niemandsland geworden. Nun gilt es im Westen, wenigstens den dort noch existierenden Flächentarif zu bewahren. Das könnte bedeuten bei der Arbeitszeit nachzugeben. BDA-Präsident Hundt machte deshalb am Montag nochmals deutlich: Es müßten Wege gefunden werden, flexible Gestaltungsmöglichkeiten auf die Unternehmensebene auszuweiten. Tarifautonomie könne nur dann erhalten werden, »wenn wir Rahmenregelungen in den Tarifverträgen zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbaren, die dann auf betrieblicher Ebene ausgefüllt werden«. Kurz und knapp: In den Betrieben wird entschieden, was zukünftig bei der Arbeitszeit läuft.
      Als Kompromißlinie deutet sich an, daß solche Zusatzstunden – die sehr schnell zur Regel werden dürften – bezahlt werden. Denn es sei nicht die Vorstellung der »Arbeitgeber«, die Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich auszudehnen, so Hundt. Flexibel könnte ein voller, teilweiser oder gegebenenfalls auch kein Lohnausgleich vereinbart werden. Denn es gehe ja schließlich darum, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen.

      Befürchtungen, daß Betriebsräte der Erpressung ausgesetzt sein könnten, nannte Hundt »illusorisch«, denn diese seien »starke Partner in den Unternehmen, die Einblick haben und die Unternehmenssituation kennen«. Stimmt. Genau in dieser Partikularisierung sehen die »Arbeitgeber« ihre Chance.

      Für den heutigen Dienstag ist in Frankfurt/Main der Gesamtvorstand der IG Metall zu Beratungen über das weitere Vorgehen einberufen worden, und am Mittwoch beginnt im Südwesten die möglicherweise entscheidende Verhandlungsrunde für die Metall- und Elektroindustrie.
      Avatar
      schrieb am 09.02.04 23:45:02
      Beitrag Nr. 1.337 ()
      ARBEITSLOSENSTATISTIK

      Nur mit Tricks unter fünf Millionen

      Von Carsten Matthäus

      Bei der Vorstellung der neuesten Zahlen zum Arbeitsmarkt musste sogar Wirtschaftsminister Clement zugeben, dass man sich eines statistischen Kunstgriffs bedient hatte. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit: Ohne Zahlenkunst müsste die Regierung längst Horrorzahlen melden.......




      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,285078,00.html
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      schrieb am 09.02.04 23:52:33
      Beitrag Nr. 1.338 ()
      Ausland
      Jens Holst

      Schweizer Käse

      Die »Kopfpauschale« im Gesundheitswesen treibt immer mehr Haushalte unter die Armutsgrenze


      Das Ringen um Quoten und Stimmen beschert der sozialpolitischen Debatte in Deutschland immer neue Losungen. Seit Monaten kämpft eine unheilige Allianz aus Christdemokraten, »Arbeitgebern«, Liberalen und anderen Privatisierungsanhängern für »Kopfpauschalen« in der Krankenversicherung. Dabei verweisen sie gerne auf die Schweiz, die 1996 solche einkommensunabhängigen Kassenbeiträge einführte. Die Eidgenossen haben bekanntlich die Möglichkeit, ihre monatlichen Abgaben durch höhere jährliche Eigenanteile zu senken, ganz im Sinne der Eigenverantwortlichkeitsideologie aus der besagten Ecke.

      Doch in der Alpenrepublik ist nicht alles Gold, was glänzt. Vielmehr greift das Übel der Verschuldung um sich und trifft heute zunehmend die Mittelschicht. Neben hohen Kosten für Mieten und Grundnahrungsmittel stellen dabei Gesundheitsausgaben die wichtigste Armutsfalle dar. Eine aktuelle Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Fairness von Gesundheitssystemen und krankheitsbedingte Verarmung verweist die Schweiz auf den drittletzten Platz in Europa. Jeder dreißigste eidgenössische Haushalt droht inzwischen wegen hoher gesundheitsbezogener Ausgaben unterhalb der Armutsgrenze zu landen. Schlechter sind nur die Menschen in Griechenland und Portugal gegen Gesundheitsrisiken abgesichert. In Belgien verarmt statistischen Erhebungen zufolge etwa eine von 400, in Schweden eine von 250 und in Deutschland eine von 200 Familien infolge der Ausgaben für Krankenversicherung und Behandlung.


      Die WHO-Forscher gelangten zu einer grundlegenden Erkenntnis: Je fairer sich die finanzielle Belastung über die Haushalte verteilt, desto geringer ist der Anteil von Familien, die aufgrund von Krankheit in Armut fallen.

      Grundlage ihrer Berechnungen waren die Konsumausgaben. Die Armutsgrenze definierten sie länderabhängig an Hand des Ausgabenanteils für Lebensmittel am Familienbudget. Dabei stellte sich heraus, daß in Europa vor allem das schweizerische Gesundheitswesen beträchtliche Gerechtigkeitsprobleme aufweist.
      Die wichtigste Ursache für die große finanzielle Belastung seiner Landsleute durch Gesundheitsausgaben sieht der Zürcher Ökonom Willy Oggier in den einkommensunabhängigen Versicherungsbeiträgen. »Die Kopfpauschale prügelt vor allem den Mittelstand, die Unzufriedenheit mit den Krankenkassenbeiträgen wächst.« In der Schweiz tragen die Privathaushalte etwa zwei Drittel der gesamten Gesundheitskosten, mehr als in jedem anderen europäischen Land. Die Hälfte davon machen Direktaufwendungen aus, die erkrankte Bürger an jährlichen Eigenanteilen, prozentualen Zuzahlungen, zahnärztlichen Behandlungskosten, Rehabilitation und anderen nicht in der Pflichtversicherung abgedeckten Leistungen aufbringen müssen. Die Zuzahlungen sind zwischen 1996 und 2001 um satte 42,9 Prozent gestiegen. Vor allem auf sozial Schwache kommen im Krankheitsfall sehr hohe, teilweise ruinöse finanzielle Belastungen zu.

      Auch die Bezahlung der Kassenbeiträge stellt die Versicherten vor wachsende Probleme. Klagte 1997 noch rund ein Drittel der Schweizer über Schwierigkeiten, die »Versicherungsprämien« aufzubringen, bereitet die monatliche Überweisung heute jedem zweiten Eidgenossen ständige oder gelegentliche Probleme. Kein Wunder, in den vergangenen sieben Jahren stiegen die durchschnittlichen Beiträge bei Erwachsenen um 6,5 und bei Kindern um 4,1 Prozent. Da Kopfpauschalen für jeden Bürger anfallen, sind Familien besonders belastet.

      Zwar besteht Anspruch auf öffentliche Zuschüsse für die Krankenkassenbeiträge, wenn diese ein Zehntel des Monatseinkommens übersteigen. Aber die Hälfte der Finanzierung und vor allem die Entscheidung über Höhe und Zuteilung der Subventionen liegen bei den Kantonen. Hier bestehen große Unterschiede zwischen ärmeren und reicheren Regionen. Mancher Kanton drückt sich erfolgreich um die Auszahlung zustehender Zuwendungen. Doch eins gilt heute überall in der Schweiz: Dank der Kopfpauschalen sind alle Versicherten von Verarmung bedroht, deren Einkommen knapp über der Subventionsgrenze ihres Heimatkantons liegt. Sie haben keinen Anspruch auf Zuschuß zum Versicherungsbeitrag und müssen im Verhältnis zum Einkommen hohe Zuzahlungen leisten.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-10/010.php
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      schrieb am 09.02.04 23:56:36
      Beitrag Nr. 1.339 ()
      Inland


      Schröder will Kurs halten
      (am Rande zum Abgrund!)
      Auch die Grünen verlangen Fortsetzung des sogenannten Reformkurses der Agenda 2010


      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will nach seinem Verzicht auf den SPD-Vorsitz am 11. März im Bundestag seinen »Reform«kurs in einer Regierungserklärung darlegen. Wie die Berliner Zeitung (Montagausgabe) unter Berufung auf SPD-Kreise berichtete, werde Schröder eine Bilanz der bisherigen sogenannten Sozialreformen ziehen und einen Ausblick auf geplante Maßnahmen zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation geben. Ein Jahr zuvor, am 14. März 2002, hatte der Kanzler ebenfalls in einer Regierungserklärung sein Sozialkahlschlagsprogramm »Agenda 2010« vorgestellt.

      Das Blatt berichtete weiter, Schröder wolle nun vor den Abgeordneten den Weg bis zur nächsten Bundestagswahl 2006 und die Folgejahre vorzeichnen. Den Angaben zufolge hatte das Kanzleramt bereits vor Wochen mit den Planungen für die Rede begonnen.
      Die Grünen haben unterdessen eine entschiedene Fortsetzung des unter dem Mantel angeblich notwendiger Reformen betriebenen Sozialabbaus gefordert. Wenn die Bundesregierung die notwendigen »Reformen« nicht anpacke, gerate der Sozialstaat in Gefahr, warnte Außenminister Joseph Fischer am Montag vor einer Sitzung des Parteirates in Berlin. Es sei schwer, das Land grundlegend zu »reformieren«. Trotzdem müsse man handeln, auch wenn Neuerungen schwer darstellbar seien.

      Fischer wies darauf hin, daß sich auch der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder klar zur Fortsetzung des »Reform«kurses bekannt hätten. Beide hätten klargemacht, »daß wir den Kurs beibehalten, für den wir ein Mandat haben und für den wir gewählt worden sind«, unterstrich der Außenminister.
      Zu einer Kabinettsumbildung wollte sich Fischer nicht äußern. Dies sei eine Frage, die allein den Bundeskanzler angehe. »Er hat klar gesagt, daß das jetzt nicht ansteht.« Umweltminister Jürgen Trittin erklärte auf entsprechende Fragen: »Da gibt es gar keinen Anlaß dazu.«
      Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wies darauf hin, daß in diesem Jahr nicht so viele »Reformen« anstünden wie 2003. Dennoch müsse eine Reihe von Projekten in Angriff genommen werden. Als Beispiel nannte sie die Renten»reform«, die Ausweitung der Kinderbetreuung und erste Schritte zur »Reform« der Pflegeversicherung. Sie sei sehr froh, daß Schröder und Müntefering deutlich gemacht hätten, daß es keine Kurskorrektur, sondern lediglich eine neue Arbeitsteilung gebe, sagte sie. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth betonte, es gehe nicht darum, Köpfe auszuwechseln oder das Reformtempo zu drosseln. Statt dessen müßten gute und vor allem gerechte »Reformen« gemacht werden.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-10/011.php
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      schrieb am 11.02.04 18:07:28
      Beitrag Nr. 1.340 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Phantomlinke

      Scheingefechte in der SPD nach Schröders Rücktritt


      Es klang etwas müde, als Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement am Dienstag seinen laut Berliner Zeitung unmittelbar bevorstehenden Rücktritt als stellvertretender SPD-Parteivorsitzender dementierte. Es habe zwar »interne Gespräche« über dieses Thema gegeben, aber sein Rücktritt stehe »zur Zeit nicht zur Diskussion«, ließ Clement verlauten.
      Ohnehin hätte auch dieser Rücktritt, wie bereits der seines Partei- und Kabinettschefs Gerhard Schröder, rein symbolischen Charakter. Denn außer ein paar Statisten von den Hinterbänken der SPD-Bundestagsfraktion und ein paar verschreckten Provinzsozis, denen die Wut der Wähler auf Schröders »Reformpolitik« die Karriere verhageln könnte, vermittelt niemand auch nur den Anschein, daß der Personalwechsel in der SPD-Führungsetage zu einem Politikwechsel der Bundesregierung führen könnte oder gar sollte. Zwar warnten Unternehmerfunktionäre nach Schröders angekündigtem Rücktritt pflichtschuldigst vor einem Rückfall der SPD in die »Bremserrolle« der »Vorreformära«, doch natürlich wissen sie, daß auf den Kanzler und seine Partei Verlaß sind. Auch der designierte Parteivorsitzende Franz Müntefering ließ keinerlei Zweifel daran, daß er die Politik des forcierten Sozialabbaus vorbehaltlos unterstützt und seine Aufgabe ausschließlich darin sieht, dieses Programm der eigenen Basis und den Wählern besser zu verkaufen. Lediglich bei den geplanten höheren Belastungen für Rentner wird offensichtlich über ein paar kosmetische Korrekturen nachgedacht.

      Dennoch wird in vielen Medien jetzt so getan, als stehe die SPD vor einer »Zerreißprobe«. Ausgiebig wird selbsternannten SPD-Linken wie Detlev von Larcher Platz eingeräumt, um »Kurskorrekturen« und die »Schließung der Gerechtigkeitslücke« anzumahnen.
      Doch eine »SPD-Linke« existiert längst nur noch als beliebig aufblasbares Medienphantom. Falls es sie in der jüngeren Parteigeschichte je gab, dann hat sie spätestens bei den Abstimmungen zur »Gesundheitsreform« und zu den »Hartz-Gesetzen« ihren Bankrott erklärt. Sie taugt nicht einmal mehr als Feigenblatt für die zutiefst unsoziale Politik der in Regierungsverantwortung befindlichen Parteielite, wie die Massenaustritte und der Wählerschwund belegen.

      So muß man der stellvertretenden Parteivorsitzenden Ute Vogt wohl zustimmen, wenn sie in der Stuttgarter Zeitung in Richtung »Parteilinke« fordert: »Schluß mit dem Rumgenöle«. Recht so: Mitgefangen ist schließlich mitgehangen.
      http://www.jungewelt.de/2004/02-11/002.php
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      schrieb am 11.02.04 18:13:07
      Beitrag Nr. 1.341 ()
      Ausland
      Dago Langhans

      Erblasten

      US-Haushaltspolitik zementiert Schuldenberg bis weit ins nächste Jahrzehnt


      Die Sorge der Topmanager des Weltkapitals angesichts eines zu schwachen US-Dollars, wie sie am Wochenende bei der Beratung der G-7-Finanzminister aufblitzte, hat reale Ursachen. Am Montag vergangener Woche hatte US-Präsident George Bush dem US-Kongreß seinen Haushaltsentwurf für das Steuerjahr 2005 vorgelegt und rekordverdächtige Zahlen präsentiert: der Gesamtetat von 2,4 Billionen US-Dollar soll mit Hilfe von Schulden in Höhe von 521 Milliarden Dollar im Haushaltjahr 2004 gedeckt werden. Noch im Jahr 2001 konnte Bush mit einem Etatplus von 137 Milliarden Dollar ins Präsidentenamt starten.
      Verantwortlich für den Schuldenberg sind im wesentlichen langfristige Steuererleichterungen für Unternehmen und ein enorm aufgeblasener Rüstungsetat. Die Steuerpolitik der Bush-Regierung verschiebt die Rückzahlung der angehäuften Fehlbeträge auf die nächsten Legislaturperioden. Die Steuerentlastungspolitik für die Reichen möchte Bush gerne bis 2010 festschreiben.

      Selbst die regierungsfreundliche Business Week textete zum Haushaltsentwurf vergangene Woche: »Lügen, verfluchte Lügen und Bushs Budget«. Bush präsidiere »heute über den größten Erguß roter Zahlen in der Geschichte des Landes«. In reinen Zahlen betrachtet sei dies der tiefste Sturz ins Defizit.

      Aus den Reihen der Demokraten gab es erwartungsgemäß heftige Kritik gegen das haushaltstechnische Zahlenwerk. Senator Edward Kennedy rüffelte den Haushaltsentwurf als »das schlimmste gegen Familien, Arbeiter, Gesundheitsversorgung und gegen Bildung gerichtete Budget der Neuzeit«.

      Einer der prominentesten Kritiker der aktuellen US-Wirtschaftspolitik ist Princeton-Professor Paul Krugman. In seiner regelmäßigen Wirtschaftskolumne in der New York Times konzentrierte er sich einen Tag nach Veröffentlichung der Regierungsarithmetik auf die Widersprüche der US-Haushaltspolitik: »Der gestern bekanntgemachte Etat, der für das Haushaltsjahr 2004 ein 521 Milliarden Dollar schweres Defizit vorsieht, ist nicht glaubwürdiger als die vorherigen Budgetentwürfe. Wenn die Regierung für die Zukunft wesentlich geringere Defizite verspricht, sollte man sich daran erinnern, daß uns vor zwei Jahren ein Haushaltsminus von 14 Milliarden Dollar für 2004 versprochen wurde.« Krugman bezweifelt insbesondere die von der Bush-Truppe für 2005 prognostizierten Zuwächse an staatlichen Steuereinnahmen von 13,2 Prozent und die Reduzierung des Etatdefizits auf 237 Milliarden Dollar bis 2009. Als Hauptursache der gigantischen Verschuldung macht Krugman die zusammengebrochene Steuerquote der Bundesregierung aus. Während im Jahre 2000 die Staatseinnahmen immerhin noch 20,9 Prozent des Bruttosozialproduktes ausmachten, sind diese 2004 nun auf 15,7 Prozent gefallen. Nach Krugman die niedrigste Quote seit 1950. Sowohl die von der Bush-Regierung durchgesetzten Steuererleichterungen und -kürzungen als auch die anhaltenden Folgen des Börsen-Crash, der Rezession und des schwer zu berechnenden Faktors Steuerflucht macht der Ökonom als Hauptgründe dieser Tendenzen aus. Die Besteuerung der Unternehmen mit Kapitalsteuern bewegt sich nach Krugmans Berechnungen auf dem Niveau der 30er Jahre, obwohl die Gewinne gewachsen sind. In diesem Sinne konstatiert er eine gewisse wirtschaftliche Erholung: wachsende, gering besteuerte Unternehmensprofite, die unter Umgehung der Arbeiterschaft in die Kassen der Industrie abflössen.


      Ohne Berechnung der aktuellen Kosten für den »Krieg gegen den Terror« in Afghanistan und Irak wächst der Verteidigungsetat im Entwurf für den ab Oktober 2004 greifenden Haushalts um sieben Prozent auf 401,7 Milliarden US-Dollar. Im vergangenen Jahr war für laufende Militärinterventionen ein Zusatzhaushalt von 87,5 Milliarden Dollar vom US-Kongreß verabschiedet worden. Geht es nach den Bush-Strategen, soll der nächste Nachtragshaushalt nach der Wahl im November abgesegnet werden. Unter Berücksichtigung der Aufwendungen für »innere Sicherheit« bzw. »Homeland-Defense« stiegen die verteidigungsrelevanten Haushaltsausgaben von 2000 bis 2004 von 3,4 auf 4,7 Prozent des BSP. Allein die Ausgaben für »innere Sicherheit« machen nach den Bush-Plänen 40,2 Milliarden Dollar aus.
      Zu den Profiteuren dieser Haushaltspolitik gehören die großen Rüstungskonzerne Lockheed, Boeing, Northrop Grumman, Raytheon und General Dynamics. Sowohl die Neuauflage des »Sternenkriegs« – im Etatentwurf mit 10,2 Millarden Dollar alimentiert –, Modernisierungsprogramme wie der Jagdflieger »Joint Strike Fighter«, Boeings Kampfhelicopter V-22 Osprey oder Lockheeds Jagdbomber F/A 22 Raptor sowie militärische Grundlagenforschungen für tödliche zukünftige Kampfsysteme lassen die Kassen der Konzerne klingeln.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-11/006.php
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 18:14:58
      Beitrag Nr. 1.342 ()
      Inland


      Die Gretchenfrage ist schon gestellt

      Heute entscheidende Verhandlung im Metall-Tarifkonflikt. Experten warnen vor längeren Arbeitszeiten


      Der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters betrachtet die am Mittwoch in Baden-Württemberg anstehende sechste Verhandlungsrunde als die entscheidende im laufenden Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie. Nach einer Sitzung des Gesamtvorstandes der Gewerkschaft am Dienstag in Frankfurt am Main sagte er, die »Gretchenfrage« – geht es oder geht es nicht – sei »schon gestellt«. Er verlangte vom Unternehmerverband Gesamtmetall ein Abrücken von der bislang »rigiden« Haltung vor allem beim Thema Arbeitszeitverlängerung. Im Gegenzug deutete Peters an, die Gewerkschaft könne ihre Forderung nach vier Prozent höheren Vergütungen fallenlassen. Wenn sich in den Gesprächen für den traditionellen Pilotbezirk keine Chance auf einen Kompromiß zeigen sollte, sei die IG Metall notfalls auch zum Arbeitskampf bereit.

      Derweil hat Gesamtmetall erneut eine Modernisierung des Flächentarifvertrags gefordert. Der Unternehmerverband will eine neue Balance zwischen den Tarifvertragsparteien und Einzelunternehmen, indem den Betriebsparteien deutlich mehr Entscheidungsspielräume als bisher gewährt werden. Die Forderung, die Wochenarbeitszeit in den einzelnen Betrieben in einem Korridor zwischen 35 und 40 Stunden freizugeben, sei »vollkommen inakzeptabel«, betonte dagegen der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber. In dieser Position hat die IG Metall überraschend Rückendeckung von mehreren Wirtschaftsexperten erhalten. Er glaube nicht, daß zusätzliche Jobs durch längere Arbeitszeiten entstehen, sagte der Regensburger Ökonom Wolfgang Wiegard, der dem Beratergremium der fünf sogenannten Wirtschaftsweisen vorsitzt, der Berliner Zeitung (Dienstagausgabe). Noch deutlicher äußerte sich der Berliner Sachverständige Jürgen Kromphardt. Er riet der IG Metall im Deutschlandradio Berlin, sich auf keinen Fall auf die Heraufsetzung der Arbeitszeit einzulassen.

      Die IG Metall hat indes Protest gegen den von Siemens angedrohten Austritt aus dem Unternehmerverband angekündigt und damit auf eine entsprechende Erklärung von Siemens-Chef Heinrich von Pierer reagiert.

      (ddp/AP/jW)

      http://www.jungewelt.de/2004/02-11/017.php
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 18:19:48
      Beitrag Nr. 1.343 ()
      http://www.bwl-bote.de/index.htm

      Michael Glos: »Öko-Stalinist und ehemaliger Terrorist«
      Mit außerordentlich heftigen Angriffen auf Bundesaußenminister und Vizekanzler Josef "Joschka"


      Fischer und Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat CSU-Landesgruppenchef Michael Glos auf sich aufmerksam gemacht. Solange es "Öko-Stalinisten und ehemalige Terroristen" gebe, machten schwarz-grüne Bündnisse keinen Sinn, sagte Glos. Die Grünen reagierten empört. Warum eigentlich? Vertragen Sie es nicht, wenn jemand die Dinge beim Namen nennt?

      Es wäre nämlich einfach, solche Vorwürfe zumindestens mit einiger Substanz zu füllen. So sind die Brandflaschenwürde des Herrn Fischer inzwischen allgemein bekannt, und daß derzeitige Außenminister die sogenannte "Putztruppe", ein kriminelles Rollkommando gegen Abweichler befehligte, hat sich ebenfalls herumgesprochen. Macht also mindestens versuchten Mord und Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung. Würden wir weiter in den beruflichen Werdegang unseres Vizekanzlers eindringen, kämen weitere unappetitliche Details ans Tageslicht. Qualifiziert ihn das nun als ehemaligen Terroristen?

      Nicht viel anders ist es mit Trittin, dem seine einstige Mitgliedschaft im Kommunistischen Bund möglicherweise erst in die Führungsebene des Regimes geholfen hat, und die widerwärtige Geschichte mit der "klammheimlichen Freude", die Trittin angeblich über den Mord an Generalbundesanwalt Buback empfand, wollen wir hier ebenfalls nicht näher untersuchen, um denen, die noch an den Demontageminister und seine vorgeblichen Öko-Ziele glauben, nicht den letzten Rest ihrer Lebenslüge zu nehmen. Wie übertrieben ist da noch der Stalin-Vergleich, und wie weit darf man in der politischen Auseinandersetzung übertreiben?

      Lassen wir den schrecklichen Georgier mal weg, und bewerten nur die Fakten: Gewalttäter und Kriminelle an den Hebeln der Macht in einem Regime, das nicht besser sein kann als seine Spitzenvertreter, fördern nicht gerade den Glauben an den vorgeblich noch vorhandenen Rechtsstaat, wo doch jeder kleine Ladendieb ein Leben lang keinen Job mehr als Kassierer kriegt. Da wundert der moralische Niedergang der Wirtschaft so wenig wie der Verfall der politischen Sitten, denn der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf.

      Man könnte jetzt "klammheimliche Freude" über das langsame Bröckeln des Schröder-Regimes empfinden, und auf einen baldigen Regierungswechsel hoffen, doch was wäre die Alternative? Unter Schröder steigt die Ökosteuer, aber unter einem Bundeskanzler der Opposition vermutlich die Umsatzsteuer - und das dürfte auch schon der ganze Unterscheid sein. Schließlich vergessen wir nicht, daß die Energierationierung, die von Trittin jetzt mit großer Arroganz und noch größerer Inkompetenz verfolgt wird, von Helmut Kohl angeschoben wurde, also maschendrahtzaunübergreifende Einigkeit über die Demontage der Wirtschaft bestand und vermutlich noch immer besteht, denn sogar die FDP, die sich als liberal aufwirft, hat dem Verteuerungs- und Rationierungsprotokoll von Kyoto zugestimmt.

      Wir haben keine Regierungs-, sondern eine Systemkrise, gut daran zu erkennen, daß alle Regierungen in allen EU-Staaten nur noch abzocken und nur noch lügen. Es gibt keine Konfliktlinien mehr zwischen Rot und Schwarz oder Rechts und Links, sondern zwischen Obrigkeit und Volk, zwischen Oben und Unten, zwischen Leben und Tod. Wir leben zweifellos in einer Spätzeit, in der die Kaiser zwar nicht mehr Rom anzünden, sondern die Wirtschaft ruinieren, und manchmal auch das Leben kleiner Kinder, und wie Marie Antoinette einst fragte, weshalb die Armen, wenn sie kein Brot hätten, denn keinen Kuchen essen würden, ignorieren die Mächtigen auch heute die Bedürfnisse des Volkes und treiben stattdessen ihre ideologischen Arbeitsplatzvernichtungsprogramme voran, wie das Doofenpfand, die Ausweitung des bankrotten Zwangsversicherungssystems und neue absurde Steuern.

      Wie lange das noch gutgeht, weiß der BWL-Bote freilich nicht. Daß kein Regierungs-, sondern ein Regimewechsel zur Wiederherstellung der einst in den Artikeln 1 bis 20 GG niedergelegten Grundrechte überfällig ist, weiß hingegen das Volk ganz genau. Bis dahin wünschen wir Ihnen aber einen guten Flug, Herr Trittin.
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 18:25:02
      Beitrag Nr. 1.344 ()
      Systemkrise: "High Noon" für das globale Finanzsystem

      .....
      In dem jüngsten Investment Outlook von PIMCO, dem größten Anlagefonds der Welt, wurde dieser Tage ausdrücklich vor den Folgen einer "finanzbasierten Wirtschaft" gewarnt: einem beipiellosen Finanzkollaps und realwirtschaftlichen Einbruch. Kein Zweifel: Selbst in diesen Kreisen wächst die Sorge über die völlig unhaltbare Lage an den Weltfinanzmärkten - und damit die Debatte darüber, mit welchen finanziellen und wirtschaftlichen Notmaßnahmen die Gefahr einer neuen Großen Depression abgewendet werden kann.
      .....
      Beispielhaft für diesen Wandel sei General Electric (GE). Im Jahre 1980 kamen 92% des Gewinns von GE aus der industriellen Sparte. Im Jahre 2003 machte GE beinahe die Hälfte des Gewinns durch seine Finanzabteilungen mit Hilfe hochspekulativer Abenteuer aller Art.

      Gross warnt sodann: "Aber Freunde - nehmt es mir nicht übel - ich muß euch schon im Voraus sagen, daß diese Geschichte oder dieser Film kein gutes Ende haben wird." Die "finanzbasierte Wirtschaft ist abhängig von mehr und mehr billigem Geld", und wenn das nicht mehr in ausreichendem Maße bereitgestellt werden kann, dann wird sie ihr ultimatives Schicksal erleben: "High Noon". (In dem berühmten Western High Noon müssen die scheinbar übermächtigen Bösewichter um "Zwölf Uhr mittags" allesamt ins Gras beißen.) Das Verhältnis von Wirtschaftsleistung zu Schulden, betont Gross, ist in den letzten 20 Jahren geradezu explodiert und hat nun "historische Ausmaße erreicht, die bislang nur während der Depression der 30er Jahre schon einmal für kurze Zeit erreicht wurden". An irgendeinem Punkt dieses Schuldenwachstums "wird irgend jemand sagen no mas (nichts geht mehr). Vielleicht wird es PIMCO sein oder eine PIMCO-ähnliche Institution. Vielleicht sind es auch die ausländischen Besitzer von Anleihen, die es leid sind, der währungs- und inflationsbedingten Erosion ihres Kapitals zuzusehen. Vielleicht werden es die Risikoanleger der mit Hochzinsanleihen oder ,Emerging Markets` spekulierenden Fonds sein, die über die Gefahr einer künftigen LTCM-Krise zu Tode erschrecken. Schwer zu sagen. Aber ich kann euch sagen, es wird passieren - Hubschrauber oder kein Hubschrauber [ein Hinweis auf die wiederholte Zusicherung der Federal Reserve, einer allgemeinen Liquiditätskrise notfalls mit der Druckerpresse zu begegnen, so als würde man aus über den Städten kreisenden Hubschraubern Geld abwerfen]." Und wenn es passiert, so Gross abschließend, muß man sich auf einen realwirtschaftlichen Einbruch gefaßt machen, der alles übersteigt, was man zumindest in den letzten 20 Jahren erlebt hat.

      http://www.bueso.de/seiten/aktuell/an.htm#1



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      USA, Klotz am Bein

      Die USA sind der Garant für weltweites Wirtschaftswachstum. Mit diesem Image und aktuellen Rekordzuwächsen sorgen sie ebenso weltweit für Euphorie. Doch was, wenn sich alle vor lauter Begeisterung irren? Eine völlig andere Sicht ist nicht minder plausibel. Und als Unternehmer muss man auf den Ernstfall vorbereitet sein.

      Komplett hier lang:

      http://www.manager-magazin.de/koepfe/mzsg/0,2828,284987,00.h…

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      Rot-Grün: neuer Vorstoß für bundesweite Volksentscheide

      Die Bundesregierung plant offenbar einen erneuten Vorstoß zur Einführung bundesweiter Volksentscheide. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering äußerte gegenüber der Braunschweiger Zeitung, man wolle im Vorfeld intensive Gespräche mit der Union führen, um die notwendige verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Bundestag zu sichern. Nach dem Scheitern eines ersten Gesetzentwurfs im Juni 2002 hatten sich SPD und Grüne nach der Bundestagswahl auf einen erneuten Anlauf geeinigt. Anders als im Koalitionsvertrag von 2002 vorgesehen soll der Gesetzentwurf aus der vergangenen Legislaturperiode aber nicht die Grundlage der neuen Initiative bilden. Eine öffentliche Reaktion liegt bisher nur von Seiten der FDP vor. Die Liberalen forderten die SPD auf, in diesem Zusammenhang auch über die Direktwahl des Bundespräsidenten zu sprechen.

      Quelle: Newsletter von www.mehr-demokratie.de

      Na, da bin ich ja mal gespannt ! Bei "intensiven" Gesprächen kann man sich auch "intensiv" absprechen. Ob die sich wirklich freiwillig die Butter vom Brot nehmen lassen ? Ich habe da so meine Zweifel, vorsichtig ausgedrückt. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren !
      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 18:32:01
      Beitrag Nr. 1.345 ()
      9.2.04 Ruf nach Ende der Dollar-Talfahrt

      ...Die sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) haben sich für stabile Devisenmärkte ausgesprochen und damit ein Signal gegen die Talfahrt des Dollar gesetzt. "Außerordentliche Schwankungen und ungeordnete Bewegungen in den Wechselkursen sind in Hinblick auf das Wirtschaftswachstum unerwünscht", hieß es in der Abschlusserklärung. Wechselkurse müssten die wirtschaftlichen Fundamentaldaten widerspiegeln. ... (Welt, 9.2.04)




      Kommentar: Schwankende Wechselkurse sind nur ein Symptom dafür, dass Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft vorliegen. Nun zu versuchen, die Wechselkurse zu fixieren gleicht dem Versuch eines Kranken, sein Fieder zu bekämpfen, indem er das Fieberthermometer zerstört.

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      Deutsche Firmen vor Gewinnexplosion


      ... Das Beste kommt noch: Die Gewinne der deutschen Großunternehmen werden in diesem Jahr drastisch steigen. Geht es nach den Prognosen der Analysten, können die 30 im Deutschen Aktienindex zusammengefassten Unternehmen zum Jahresende 2004 ein Ertragsplus von gewaltigen 47 Prozent in ihre Bücher schreiben. Im vergangenen Jahr lag der Zuwachs bei knapp 30 Prozent.

      Das Wunder der Geldvermehrung hat zwei Gründe. Zum einen ernten die Firmenchefs zunehmend die Früchte der in den vergangenen Jahren angeschobenen Rationalisierungsprogramme. Wer früher die Lohnlisten der Konzerne gewinnschmälernd bevölkerte, bezieht sein Einkommen inzwischen aus anderer Quelle. Zum anderen wird die aller Voraussicht nach anspringende Konjunktur im Laufe dieses Jahres für neue Nachfrage, steigende Umsätze und damit auch für bessere Erträge sorgen. "Das Umfeld ist 2004 einfach günstiger als 2003", sagt Roland Ziegler, Chefanalyst der ING-BHF-Bank in Frankfurt. ... (Wams, 8.2.04)




      Kommentar: Es ist erstaunlich, wie sicher sich die Experten immer sind, dass „die Konjunktur wieder anspringt“ – während gleichzeitig die Gewinne der Unternehmen durch Rationalisierungsprogramme, also Entlassungen von Arbeitskräften, explodieren sollen. Die Frage stellt sich, wer die ganzen Produkte kaufen soll, wenn immer weniger verdient wird und immer mehr Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist? Das alles ist nur Augenwischerei.

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      9.2.04 Zustimmung der EU-Bürger zur Osterweiterung sinkt


      ... Wenige Monate vor dem Beitritt zehn neuer Länder zur Europäischen Union ist die Zustimmung der EU-Bürger zur Osterweiterung gesunken. In Deutschland liegt das vor allem an der schlechten Wirtschaftslage. Das geht aus dem jüngsten Eurobarometer hervor, das die Europäische Kommission am Mittwoch in Berlin vorstellte. Während sich im April vergangenen Jahres noch 64 Prozent für die Erweiterung aussprachen, waren es im Herbst nur noch 61 Prozent. In Deutschland sank die Zustimmung sogar von 65 Prozent auf 57 Prozent.




      ... Lage in Deutschland verstärkt Ablehnung




      Ein weiterer Grund für die deutsche Skepsis gegenüber der EU-Erweiterung ist Holst zufolge der wachsende Pessimismus der Deutschen, was die Einschätzung der Lage im eigenen Land betrifft. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und einer schlechten Konjunkturentwicklung habe dazu geführt, dass nur 73 Prozent der Deutschen mit ihrem Leben zufrieden sind. Dies ist der schlechteste Wert seit zwei Jahren. Im EU-Durchschnitt beträgt die Zufriedenheitsrate 79 Prozent. ... (FTD, 5.2.04)




      Kommentar: Die Einschätzung der Bevölkerung ist – wie oftmals – wieder einmal viel realistischer als das der Politiker. Jedem denkendem, informierten Menschen ist heute klar, dass die EU-Erweiterung zum guten Teil von Deutschland getragen werden muss. Damit wird sich unsere Situation noch weiter verschlechtern. Es verwundert dabei wenig, dass immer weniger Menschen hierzulande zufrieden sind. Entgegen aller Propaganda verschlechtert sich die finanzielle Lage der meisten drastisch.



      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 18:37:40
      Beitrag Nr. 1.346 ()
      [Aufgedeckt
      Die unterschätzte Gefahr durch Laserdrucker


      SR| 10.02.2004 | 21.55
      Autor: Mirko Tomic


      Adressen

      ITG im BBU e.V.
      Interessengemeinschaft Tonergeschädigter im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. Arbeitsgruppe Innenraumschadstoffe und Gesundheit
      c/o Hans-Joachim Stelting
      Meiendorfer Weg 2
      D-22145 Hamburg
      Tel. 040 / 67998110
      Fax 040 / 67998115
      E-Mail: info@krank-durch-toner.de
      www.krank-durch-toner.de
      www.bbu-online.de

      Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin www.baua.de

      Landesgewerbeanstalt Nürnberg
      www.lga.de

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      Aus den Büros von heute sind sie nicht mehr weg zu denken, viele stehen längst auch schon zuhause rum: die Laserdrucker. Schnell und meist unproblematisch drucken sie über Tage, Wochen, Monate Seite für Seite. Kaum einer macht sie Gedanken darüber, dass viele der Geräte den Toner mehr oder weniger permanent in die Raumluft blasen und die Gesundheit der Menschen ruinieren.

      Der so genannte Toner in einer Kartusche sorgt, meist schwarz auf weiß, für das Druckbild aus dem Laserdrucker. Die Technologie ist zwar in den letzten Jahren immer mal wieder ins Gerede gekommen und zwar wegen der Emissionen, d.h. der Ausdünstungen der Geräte. Aber irgendwie ist dann wieder alles ruhig geworden. Schließlich brauchen wir ja den Laserdrucker. Da muss man nicht unbedingt so kritisch sein, denken viele. Ein Fehler, wie sich zeigt.

      Ein Opfer
      Wir treffen Joachim Stelting aus Hamburg im Hauptbahnhof Nürnberg. Stelting ist seit 1997 anerkannt berufsunfähig. Nachweislich asthmakrank wegen Toner aus einem Laserdrucker. Die Emissionen haben ihn dienstunfähig gemacht, wie das im Amtsdeutsch für Beamte heißt. Jede Alltagssituation kann heute für ihn gefährlich werden, seine Krankheit sofort wieder ausbrechen lassen. Er ist vor Laserdruckern überall auf der Hut. So will er auch nicht in die Schalterhalle, wo die Fahrkarten verkauft werden. Er weiß nicht, was dort an Druckern und Kopierern steht. Seine Befürchtung ist, dass da auch wieder Geräte stehen, die ein Problem für ihn sein könnten.

      Alltagsproblem Laserdrucker
      Die Vorsicht ist angebracht. Wir entdecken beim Näherkommen die verbreitete Laserdruckertechnologie gleich mehrmals. So kann ein harmloser alltäglicher Fahrkartenkauf Tonerkranke wie Joachim Stelting regelrecht umhauen.

      Joachim Stelting hat die ITG in Hamburg gegründet - eine Interessengemeinschaft für Tonergeschädigte. Er sagt, dass sie mittlerweile nachweisen können, dass sein Schicksal kein bedauernswerter Einzelfall ist. Sie haben hunderte von Fällen mittlerweile dokumentiert und haben in jedem achten Fall eindeutige fachärztliche Beweise dafür liefern können, dass der Toner tatsächlich die Gesundheit schädigt.

      Das Krankheitsbild
      Es fängt meistens mit einem Kratzen im Hals an. Kaum beachtet. Dann wird es immer schlimmer. Wie bei Johanna Blaukowitsch aus der Nähe von Nürnberg. 26 Jahre war sie als Büroangestellte beschwerdefrei, dann kaufte ihr Chef einen neuen Laserdrucker. Das Ende ihrer Berufstätigkeit. Seit zwölf Monaten ist die einstmals sportliche Frau krank geschrieben, kämpft mit ihrer Berufsgenossenschaft um ihre Anerkennung als Toner-Geschädigte.

      Johanna Blaukowitsch erzählt [plusminus, wie sich ihre Erkrankung anfühlt, wenn sie Kontakt mit Laserdruckern hat: „Ich spüre sehr schnell, dass meine Nasenschleimhaut zu brennen anfängt, und es führt dann zu sehr starkem Kopfdruck. Ich bekomme dann auch Druck auf die Augen, so stark, dass ich nicht mehr Autofahren kann. Und es fängt dann an von der Lunge her zu reagieren. Ich bekomme dann sehr starken Husten.“

      Die Drucker-Hersteller
      Knapp 500 Tonerstaub-Opfer haben sich inzwischen in der Hamburger Interessengemeinschaft zusammen geschlossen. Für den Bundesverband der Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V., kurz BITKOM, ist Toner aber weiterhin kein Problem. Mit irreführenden Aussagen auf Hochglanzpapier wie „Nüsse enthalten mehr Nickel als Toner“ und „Toner sind nicht krebserregend“ wird verharmlost. Wen wundert`s, dass nahezu alle namhaften Hersteller von Laserdruckern bei der Broschüre mitgearbeitet haben?

      Dabei könnten viele Hersteller es besser wissen. Denn bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund liegt seit Ende der 90er Jahre eine Studie über die krebserzeugende Wirkung von Tonerstaub vor. Nach Abschluss der Tests 1998 dauerte es bemerkenswerterweise bis November 2003, bevor die Ergebnisse veröffentlicht wurden. Die Tests zeigen, dass die Grenzwerte für die Schadstoffkonzentrationen nicht ausreichend sind.

      Die Studie
      Prof. Dr. Peter Wardenbach, Leiter der Gruppe „Stoffgrenzwerte, Toxikologie“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund erläutert die Ergebnisse der Studie: „Hier besteht die Gefahr oder wir befürchten, dass auch bei Einhaltung dieses allgemeinen Staubgrenzwertes eine lungenkrebserzeugende Wirkung dieser Stäube nicht ausgeschlossen werden kann.“

      Ganz sicher sehen die Wissenschaftler ein höheres Krebsrisiko besonders für das Wartungspersonal von Laserdruckern, die häufig mit großen Mengen von Tonern in Kontakt kommen.

      Laserdrucker im Test
      Was ist aber mit den abertausenden Arbeitsplätzen in Büros, wo täglich Millionen Seiten gelasert werden? Wie viel wird da an gesundheitsschädlichen Emissionen in die Raumluft geblasen? Fragen, die die Landesgewerbeanstalt Bayern schon seit Jahren stellt. Sie testete hunderte Toner und Laserdrucker auf Inhaltsstoffe und Emissionen.

      Zwar ist der Schadstoffausstoß in den letzten Jahren bei vielen Geräten geringer geworden. Trotzdem gilt: Bei mehr als einem Drittel der Produkte werden die optimalen Werte deutlich überschritten. Dr. Frank Jungnickel, LGA Landesgewerbeanstalt Bayern in Nürnberg, wird deutlich: „Es gibt Produkte, die um den Faktor 50 über diesen Werten liegen können. Und wenn man den Besten nimmt, sogar um den Faktor 300 bis 400 drüber. Das sind für mich Dreckschleudern, weil das wirklich mit Abstand die höchsten Emissionen sind. Und ärgerlich ist auch, dass das auch vermeidbar ist.“

      Die Gefahr
      Die gesetzlichen Regelungen lassen den Verkauf von "Dreckschleudern" zu. Warum sich also anstrengen und Geld in die Weiterentwicklung der Technologie stecken, werden sich vielleicht die Hersteller denken, wenn‘s auch so zu verkaufen geht - trotz der eindeutigen Gefahr?

      Auf die Frage "Wer also viel druckt mit seinem Laserdrucker und dauernd damit in einem Raum ist, der hat auch ein größeres Risiko an Krebs zu erkranken?" gibt Prof. Dr. Peter Wardenbach von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu: „Grundsätzlich ja“.

      Zwei Positiv-Beispiele
      Bei der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen mit 30.000 PC-Arbeitsplätzen hat man reagiert. Die Gefährdung der Mitarbeiter wird durch den regelmäßigen Spezialstaubsaugereinsatz am Laserdrucker reduziert. Außerdem wird nicht nur der Tonerbedarf ausgeschrieben. Auch die chemischen Bestandteile des Toners werden dem Lieferanten vorgeschrieben.

      Auf die Hersteller hatte man vergeblich gesetzt, wie sich Peter Schulte von der Finanzverwaltung NRW erinnert: „Nach dem, was ich erlebt habe, fehlt es einmal an Sensibilität und zum zweiten auch an Wissen. Wir haben in der Anfangsphase die Hersteller z.B. angeschrieben und gefragt, für welchen Stoff sie eine maximale Obergrenze garantieren können in ihren Produkten. Wir haben bis heute keine einzige Antwort bekommen. Und die Frage wurde gestellt im Jahr 2000.“

      Und selbst die Polizei ist auf sich allein gestellt, wenn Laserdrucker Probleme machen: Als ein Beamter in der räumlich beengten Wache der 10.000-Seelen-Gemeinde Burgau bei Augsburg über die Laserdrucker-typischen Beschwerden klagte, wurde auf Anraten des medizinischen Dienstes der Polizei der Drucker kurzerhand mit einem eigenem Luftabzug im selbstgebauten Kasten eingesperrt und so die Gefahr gebannt.




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      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 10.02.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      Saarländischer Rundfunk
      [plusminus
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      E-mail: plusminus@sr-online.de

      http://www.sr-online.de/statisch/Programm/Fernsehen/ARD/Plus…
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 18:46:12
      Beitrag Nr. 1.347 ()
      [Plattgemacht
      Chronik einer angekündigten Arbeitsplatzvernichtung


      SR| 10.02.2004 | 21.55
      Autorin: Armgard Müller-Adams





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      Bundesweit tobt der Arbeitskampf in der Metall- und Elektroindustrie. Die IG Metall will mit Streiks verhindern, dass die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich ausgeweitet wird. Ein Problem, das sich bei SKF im saarländischen Püttlingen längst nicht mehr stellt. Denn dort wird der Betrieb einfach dicht gemacht. 300 Männer und Frauen verlieren ihre Arbeit, obwohl das Werk schwarze Zahlen schreibt.

      Die Schwambachs sind eine typisch saarländische Familie. Sie ist Friseurin im Erziehungsurlaub, er Maschinen-Operator beim Gleitlagerhersteller SKF im saarländischen Püttlingen. Sein Betrieb schreibt schwarze Zahlen, sein Job schien sicher. Aber seit ein paar Wochen fährt er mit einem flauen Gefühl im Bauch zur Arbeit. Denn SKF macht sein Werk dicht.
      "Das trifft uns jetzt besonders hart", erklärt Armin Schwambach. Die drei haben gerade gebaut, eine neues Auto gekauft. Alles im Vertrauen darauf, dass der Arbeitsplatz sicher ist. Schließlich wirft das Werk Gewinne ab.

      Die Fakten
      Wie Armin Schwambach sollen fast alle der 320 Beschäftigten Ende dieses Jahres ihre Jobs verlieren. Trotz stimmiger Bilanzen. Was bisher hier produziert wurde, wird künftig größtenteils aus China zugekauft. Die restliche Produktion wird in die Schweinfurter SKF-Zentrale ausgelagert. Dabei hatte der schwedische Mutterkonzern erst kürzlich mehrere Millionen in den Püttlinger Standort investiert.

      Wenig Hoffnung
      Auch Schwambachs Kollege Hans-Peter Reinecke wurde von den Schließungsplänen kalt erwischt. Der 55jährige erinnert sich noch genau, wie die Hiobsbotschaft verkündet wurde: "Der Geschäftsführer, Herr Arnold, der hatte ein Lächeln im Gesicht. Als ob er uns etwas schenken wollte. Dabei musste er doch wissen, dass er jetzt 320 Leute auf die Straße setzt."

      Nur noch zehn Monate sind es bis dahin. Reinecke erkundigt sich schon mal nach seinen Aussichten auf einen neuen Job. Wegen seines Alters macht er sich keine großen Hoffnungen. Zu Recht: Der Computer spuckt nur wenige Stellen aus und die meisten davon sind für jüngere Kollegen oder bei Leih-Arbeitsfirmen.

      Gewinnmaximierung vs. Arbeitsplätze
      Nicht nur für die Beschäftigten, für ganze Region ist die Werksschließung eine Katastrophe. Erst vor wenigen Jahren hatte in unmittelbarer Nachbarschaft Mannesmann mit der Schließung seines Röhrenwerkes 600 Arbeitsplätze platt gemacht. Auch dieser Betrieb hatte schwarze Zahlen geschrieben. Die damals Entlassenen haben zum Teil bis heute keine adäquate Stelle mehr gefunden. Nicht zuletzt deshalb kam der erste Rettungsversuch von Landesregierung und Kommune: das Land als stiller Teilhaber, Zuschüsse zu Investitionen, Übernahme von Altlasten. SKF lehnt ab.

      Der Bürgermeister von Püttlingen erinnert fassungslos an das Grundgesetz: "Ei-gentum verpflichtet. Da sollte man auch mal an die Menschen denken, die hier seit fast 45 Jahren an dem Standort arbeiten."

      Der Protest
      Vor wenigen Wochen zogen über 1000 Menschen von der Saar vor die Tore der Schweinfurter SKF-Zentrale - für einen zweiten Rettungsversuch: ein Sparplan, entwickelt von Wissenschaftlern, um den Gewinn im Püttlinger Werk weiter zu erhöhen. Die Geschäftsführung ließ das kalt. Vor ihre wütenden Mitarbeiter trauten sich die Manager aber nicht. Auch nicht vor die Kamera von [plusminus. Da schickten sie ihren Pressesprecher vor. Die Botschaft: Der Wettbewerb ist Schuld. Der Kostendruck zwinge SKF dazu, in Billiglohnländern wie China produzieren zu lassen.

      Die SKF hat in den vergangenen Jahren an vielen Standorten Personal abgebaut durch Werkschließungen oder Verkauf: Unternehmenspolitik weg vom Standort Deutschland.

      Der Standort Deutschland
      SKF ist nur ein Beispiel von vielen für "Arbeitsplatzvernichtung made in Germany". Andere Konzerne - die gleiche Masche: In Berlin - Spandau kämpfen die Mitarbeiter des Druckmaschinenherstellers König & Bauer seit acht Monaten um ihre Arbeitsplätze. Rund zwölf Prozent Umsatzrendite reichen dem Management dort nicht mehr: Ein Trend, den die Gewerkschaften schon seit Mitte der 90er Jahre beobachteten, klagt auch der IG Metall Vorsitzende Jürgen Peters: "Weil die Unternehmen denken, dass Kostensenkung das Einzige ist, was sie noch unternehmen sollten". Der Standort Deutschland: bald verwaist. Denn die Gewinne müssen fetter werden, koste es so viele Arbeitsplätze wie es wolle.



      (solche Firmen verdienen einen Importverbot (Deutschland)
      oder hohe Strafzölle, damit sie Ihre "billig" hergestellten Waren und Güter auf Kosten der Bürger
      auch nicht billig (importieren) verkaufen können.Unverschämtheit hoch ....Von wegen Freihandel, koste es was es wolle.Wer seine Grenzen nicht kennt, sollte welche gesetzt bekommen.:mad: :mad: :mad:
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      Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Sendung [plusminus vom 10.02.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      Saarländischer Rundfunk
      [plusminus
      66100 Saarbrücken
      E-mail: plusminus@sr-online.de


      http://www.sr-online.de/statisch/Programm/Fernsehen/ARD/Plus…
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      schrieb am 11.02.04 19:51:37
      Beitrag Nr. 1.348 ()
      banken

      Die verbogene Bank

      Verprellte Mittelständler, vewöhnte Investmentbanker, verwirrte Mitarbeiter: Auf der Jagd nach den großen Gewinnen hat die Deutsche Bank ihre Identität verloren


      Von Marc Brost und Robert v. Heusinger



      „Wir arbeiten hart dafür, uns das Vertrauen unserer Kunden zu verdienen“
      Aus dem Leitbild der Deutschen Bank



      „Inzwischen nähert sich das Medienimage der Deutschen Bank dem von Holzmann oder der Deutschen Bahn“
      Aus einer aktuellen Studie des „Medien Tenor“

      http://www.zeit.de/2004/07/Deutsche_Bank
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 19:56:29
      Beitrag Nr. 1.349 ()
      ig metall

      Angst vor der Revanche

      Mehr Arbeit für das gleiche Geld und weniger Macht für die Gewerkschaften – bei den Streiks in der Metallindustrie geht es um mehr als nur ein paar Prozente


      Von Kolja Rudzio



      EIN FREIES WOCHENENDE FÜR DIE FAMILIE - 1956 forderten die Gewerkschaften die Fünf-Tage-Woche
      © Bunk/ullstein
      Kein Streik ohne Ritual. Rote Fahnen wehen im Nachtwind, Fackeln tauchen die Szenerie vor dem Werkstor in unruhiges Licht. Dann ergreift der Betriebsratsvorsitzende das Wort. Willi Sattler. Er schimpft über das Angebot der Arbeitgeber – läppische 1,2 Prozent – und erntet das erwartete Echo der Trillerpfeifen. Nach einer halben Stunde in klirrender Kälte ist der Protest vorbei, etwa 170 Mitarbeiter der Nachtschicht im Augsburger Lampenwerk von Osram trotten zurück an ihre Glasschmelzen. Drinnen hat eine Notbesetzung aufgepasst, dass die Feuer nicht ausgehen. Alles Routine also beim jährlichen Streit um Tarifprozente?

      Nicht ganz. Die schrillsten Pfiffe in dieser Warnstreik-Nacht gelten nicht dem Lohnangebot, sondern dem damit verbundenen „Junktim“ der Arbeitgeber. Künftig sollen die Betriebe zur 40-Stunden-Woche zurückkehren dürfen – und zwar ohne Lohnausgleich. „Wenn das kommt“, warnt Betriebsrat Sattler seine fröstelnden Kollegen, „dann fällt bei uns jeder achte Arbeitsplatz weg.“ Von 1050 Mitarbeitern müssten 130 gehen, rechnet er vor, wenn alle fünf Stunden mehr arbeiten. Und wer bleibt, müsse eine Kürzung des Stundenlohns um 12,5 Prozent hinnehmen, weil ja die Mehrarbeit nicht bezahlt werde.

      Die Botschaft ist klar: In diesem Tarifstreit geht es nicht um ein paar Prozente mehr, sondern um die Abwehr drastischer Einsparungen. Es gilt, längst erkämpfte Errungenschaften zu verteidigen. Der DGB spricht von einer „Konterrevolution auf leisen Sohlen“.

      Ausgerechnet die 35-Stunden-Woche, für die vor allem die IG Metall erbittert gekämpft hat, steht zur Disposition. Gleichzeitig soll der Flächentarifvertrag aufgebrochen werden. Denn nach den Vorstellungen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall würden sich künftig Betriebsrat und Geschäftsführung allein über bezahlte oder unbezahlte Mehrarbeit verständigen – ohne dass es einer Zustimmung der Tarifparteien bedürfte. Für den DGB heißt das: „Die Arbeitgeber wollen ihr Erpressungspotenzial gegenüber den Beschäftigten erhöhen.“

      Viele Gewerkschafter glauben, dass die Unternehmen die vermeintliche Schwäche der IG Metall nach dem verlorenen Streik im Osten zum Gegenangriff nutzen möchten. „Diese Niederlage hat natürlich Begehrlichkeiten geweckt“, sagt Wolfgang Nieke, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei DaimlerChrysler in Untertürkheim. Aber es sei ein Irrtum zu glauben, die Streikfähigkeit sei geschwächt. Ein Kollege habe zu ihm gesagt: „Bei dem Streik im Osten ist manches falsch gelaufen. Aber wenn die IG Metall baden geht, dann gehen wir alle baden.“

      Laut IG Metall haben sich schon mehr als 100000 Menschen an den Warnstreiks beteiligt, die seit vergangener Woche laufen. Oft sind es nur kurze Protestpausen wie bei Osram, die nicht auf schmerzhafte Produktionsausfälle zielen, sondern vor allem eines signalisieren sollen: Kampfbereitschaft. Doch über Sieg oder Niederlage der IG Metall wird nicht allein die Stärke ihres Trillerpfeifen-Heeres entscheiden. Eine wichtige Rolle spielt, das hat der gescheiterte Streik im Osten gezeigt, die öffentliche Unterstützung. Und da droht den Gewerkschaftsfunktionären einmal mehr, dass sie als Bremser dastehen. Als Blockierer flexibler Arbeitszeitmodelle, als Ideologen eines vorgeschriebenen 35-Stunden-Glücks, als Apparatschiks, die ihre Macht über starre Flächentarife definieren. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht die IG Metall schon in ihrem „letzten Gefecht für die Dogmen von gestern“.

      Die Gewerkschafter halten dagegen, die Tarifverträge erlaubten bereits viel flexiblere Arbeitszeiten, als es häufig dargestellt werde. Tatsächlich gilt die 35-Stunden-Woche in vielen Betrieben nur noch als Rechengröße. Oft schwankt die Arbeitszeit je nach Auslastung zwischen 30 und 45 Stunden. Bei DaimlerChrysler in Untertürkheim arbeitet ein Großteil der Beschäftigten in der Produktion regelmäßig 40 Stunden. Davon sind 35 bezahlt, 5 Stunden werden auf Zeitkonten gutgeschrieben. Diese Mehrarbeit wird durch Freizeit ausgeglichen – innerhalb einer Zwei-Jahres-Frist. Gut ein Viertel der Produktionsmitarbeiter geht darüber hinaus auch an Samstagen ins Werk, soweit es die Auftragslage erfordert – und kommt so auf eine 48-Stunden-Woche. Dafür gibt es dann Zuschläge, aber keinerlei Pflicht zum zeitlichen Ausgleich. Solche flexiblen Modelle sind kein Einzelfall. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2002 verfügen 55 Prozent der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie über Arbeitszeitkonten.

      Für einen Teil der Belegschaft lässt der Tarifvertrag sogar zu, dass er auf Dauer 40-Stunden-Verträge abschließt. Bis zu 18 Prozent der Mitarbeiter können das vereinbaren; die IG Metall hat signalisiert, dass sich über diese Grenze reden ließe. Für Betriebe in Not gibt es außerdem spezielle Tarife zur Beschäftigungssicherung, die unbezahlte Mehrarbeit zulassen. Und auch ohne drohenden Konkurs können über Ergänzungstarifverträge Sonderregeln vereinbart werden. Ein Beispiel ist der Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf im schwäbischen Ditzingen. Dort gilt trotz florierender Geschäfte seit Jahren ein Sondertarif, der pro Mitarbeiter 70 Stunden unbezahlte Mehrarbeit im Jahr vorsieht. Bisher hängte die IG Metall solche Extravereinbarungen ungern an die große Glocke, jetzt veröffentlichte sie die Zahlen: Bei 1141 von insgesamt 5704 Mitgliedsbetrieben von Gesamtmetall gilt bereits ein Ergänzungstarifvertrag. Der Flächentarifvertrag hat demnach schon weit mehr Löcher, als bislang vermutet.

      Diese Ausnahmen unterscheiden sich jedoch in einem wichtigen Punkt von dem Modell, das jetzt die Arbeitgeber fordern: Bisher geht nichts ohne Zustimmung der IG Metall. Die will aber ihre Kontrollhoheit nicht aufgeben – damit die Ausnahmen vom Tarif, so heißt es dort, wirklich die Ausnahme blieben. „Unsere Betriebsräte allein könnten dem Druck nicht standhalten“, glaubt IG-Metall-Vizechef Berthold Huber. Wenn die Betriebsparteien allein entscheiden dürften, fürchtet er eine „Spirale nach unten“. Die Arbeitgeber halten dem entgegen, die IG Metall könne vielleicht den Wettbewerb unter den tarifgebundenen deutschen Unternehmen unterdrücken – aber nicht den mit der ausländischen Konkurrenz.

      Der heikelste Punkt ist dabei nicht die bloße Flexibilität der Arbeitszeiten, sondern vor allem die Frage, ob dazu auch unbezahltes Malochen gehört. Gesamtmetall formuliert seinen Vorschlag sehr deutlich: Es gehe „ausdrücklich nicht darum, Betrieben in Not unter die Arme zu greifen“, sondern um mehr Wettbewerbsfähigkeit. Fünf Stunden unbezahlte Mehrarbeit könnten „wie ein dickes Kostensenkungsprogramm“ wirken. Gleichzeitig sei das für die Beschäftigten der am wenigsten schmerzhafte Weg – denn sie erhielten ja das gleiche Geld wie zuvor. Am Ende würden sogar neue Arbeitsplätze entstehen. Wer billiger produziere, der werde auch mehr Aufträge bekommen.

      Viele neue Jobs oder 400000 neue Arbeitslose?

      Gegensätzlicher könnten die Positionen kaum sein. Während Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser kostenlose Überstunden als Patentrezept für neue Arbeitsplätze preist, warnt IG-Metall-Chef Jürgen Peters vor 400 000 neuen Arbeitslosen. Seine Rechnung beruht auf der statischen Annahme, dass trotz niedrigerer Kosten kein Stück mehr produziert würde als bisher. Ein extrem pessimistisches Szenario. Wie realistisch ist andererseits das rosarote Bild von Gesamtmetall?

      Eine sichere Prognose scheint so gut wie unmöglich. In seinem jüngsten Jahresgutachten hat sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Thema beschäftigt. Kurzfristig, so schreiben die Experten, würden bei unbezahlter Mehrarbeit erst mal Überstunden abgebaut und vereinzelt womöglich auch Entlassungen vorgenommen. Bei langfristiger Betrachtung sei zwar zu erwarten, dass die Unternehmen wegen des niedrigeren Stundenlohns mehr produzierten oder weniger rationalisierten. Aber die dann benötigten zusätzlichen Arbeitsstunden könnten allein durch die unbezahlte Mehrarbeit „weit überkompensiert“ werden. „Insgesamt betrachtet sind positive Beschäftigungseffekte zwar nicht auszuschließen“, so das vorsichtige Fazit der Wirtschaftsweisen, „ihre Größenordnung ist indes zurückhaltend zu beurteilen.“

      Dabei fragt der Sachverständigenrat noch nicht einmal, ob längere Arbeitszeiten sich dämpfend auf die Produktivität der Arbeit auswirken. „Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Arbeitszeitverkürzung die Produktivität enorm gestiegen ist“, sagt Hagen Lesch, Tarifexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Die ungeklärte Frage lautet: Gibt es einen umgekehrten Effekt, wenn wir die Arbeitszeit wieder verlängern?“ Das könnte die erhofften Kosteneinsparungen dämpfen.

      Und welchen Effekt wird der Tarifkonflikt haben? Die Warnstreiks seien bisher, sagt IW-Experte Lesch, noch kein Problem für die Konjunktur. Bei einem unbefristeten Streik müsse man abwägen, was schwerer wiege: die Streikkosten oder die Kosten eines zu hohen Abschlusses.

      In der Regel steht am Ende ein Kompromiss, der beiden Seiten die Möglichkeit gibt, das Gesicht zu wahren. Gesamtmetall-Chef Kannegiesser hat bereits öffentlich erklärt, ohne Vereinbarung über die Arbeitszeiten werde es keinen Abschluss geben – irgendetwas muss sich da also tun. Denkbar wäre eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag, die an Bedingungen geknüpft ist. So könnte den Betriebsparteien auch ohne Zustimmung der Tarifpartner erlaubt werden, zur 40-Stunden-Woche zurückzukehren, wenn das befristet und bei vollem Lohnausgleich geschieht. Bei teilweisem oder völligem Lohnverzicht wäre die Gewerkschaft zu hören. Allerdings: In einigen ostdeutschen Ländern ist unklar, ob dort ein Pilotabschluss übernommen würde.

      Zumindest im Westen jedoch könnten beide Tarifparteien solche kleinen Ausbauten des bestehenden Systems zusammen mit einem Lohnkompromiss als Sieg verkaufen. Aus Sicht der IG Metall wäre das dann nicht mehr als nur ein kleines Quäntchen „Konterrevolution“.

      (c) DIE ZEIT 05.02.2004 Nr.7

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/07/IG-Metall
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 19:59:04
      Beitrag Nr. 1.350 ()
      Das Geld wird knapp
      Von Claus Vogt


      Liquidität, also steigende Geld- und Kreditmengen, sind die notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Spekulationsblasen. Ein Blick auf die breitgefaßte US-Geldmenge M3 ist vor diesem Hintergrund sehr lehrreich. Wie wir sehen, stieg sie bis zur Jahresmitte 2003 deutlich und ungebrochen an. In der ersten Phase der Spekulationsblase von 1995 bis einschließlich 2000 stieg M3 um rund 60 Prozent in sechs Jahren, das sind 8,5 Prozent per annum. In den 2 1/2 Jahren von 2001 bis Mitte 2003 stieg M3 um rund 28 Prozent oder rund 10 Prozent pro Jahr. Aus diesen Zahlen wird deutlich, daß die US-amerikanische Notenbank alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um das sich abzeichnende Ende der Bubble Economy noch einmal aufzuhalten.




      Der Chart zeigt aber auch, daß bei der Entwicklung der Geldmenge seit einigen Monaten etwas sehr Außergewöhnliches zu beobachten ist: sie fällt. Das Ende einer Spekulationsblase wird gewöhnlich durch eine Verknappung der Liquidität ausgelöst. Normalerweise sorgen Zinserhöhungen durch die Zentralbank für diese Verknappung. So war es in den USA sowohl 1929 als auch 2000, so war es in Japan 1990. Können wir dieses Wissen nutzen, um sorglos eine Fortsetzung der Kurssteigerungen vorherzusagen? Können wir gelassen das Zinssignal der Notenbank abwarten? Müssen wir uns endlich auf die Seite der wieder sehr groß, selbstsicher und laut gewordenen Bullenherde schlagen?

      Unsere regelmäßigen Leser wissen, daß in unserer Arbeit monetäre Indikatoren eine große Rolle spielen. Diese wiederum unterteilen wir in die zwei Kategorien Zinsen und Geldmengen. Fallende Geldmengen signalisieren uns vermutlich ebenso deutlich wie Zinserhöhungen der Notenbank eine deutliche Verschlechterung der Liquiditätssituation. Wir haben während der vergangenen Monate den Fehler gemacht, die Wirkung der starken Geld- und Kreditmengenausweitung auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu unterschätzen. Diese war stark genug, einen fundamental deutlich überbewerteten Aktienmarkt trotz der seit Mitte 2003 klaren Verkaufssignale der Sentiment-Indikatoren weiter nach oben zu schieben. Wie lange kann sich eine liquiditätsgetriebene Hausse fortsetzen, wenn die Geldmengen schrumpfen, die Liquidität also abnimmt?


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.


      [ Dienstag, 10.02.2004, 15:52 ]
      http://www.instock.de/Kommentare/10138528.html
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 20:01:26
      Beitrag Nr. 1.351 ()
      Toll Collect

      "Wir haben keine Geduld mehr"

      Verkehrsminister Stolpe kündigt den Vertrag noch diese Woche, falls der Mautbetreiber nicht für entstandenen Schaden einsteht.

      Von Ulf Brychcy






      Die Bundesregierung steht kurz davor, den Vertrag mit dem Mautbetreiber Toll Collect zu kündigen. „Wir haben keine Geduld mehr“, sagte Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) vor einer Sitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses.

      Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, will sich der Bund noch in dieser Woche von Toll Collect und den dahinter stehenden Konzernen Deutsche Telekom und DaimlerChrysler trennen. Die Kündigung lasse sich nur abwenden, wenn die Unternehmen auf die Forderungen der Regierung eingingen, betonte Stolpe.



      Eine Blamage
      Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte sich zuvor erneut in den Konflikt eingeschaltet. Das Kanzleramt habe Stolpe entsprechende Direktiven erteilt, hieß es in Koalitionskreisen. Die rot-grüne Regierung blamiere sich schon zu lange mit dem Maut-Desaster, das Problem müsse nun vom Tisch.

      Der Verkehrsminister will den Spitzenmanagern von Toll Collect, Deutscher Telekom und DaimlerChrysler bis zum Wochenende eine letzte Chance geben. Die Konzerne müssten auf alle neuen Forderungen zu ihren Gunsten verzichten. „Das, was da aufgeführt wurde, wird uns vertrags- und vergaberechtlich in eine böse Lage bringen“, sagte der Minister.

      Stolpe zeigte sich ungewohnt kompromisslos. Deutsche Telekom und DaimlerChrysler müssten endlich für ihr pannenbehaftetes Erhebungssystem einstehen. „Wir wollen umfassende finanzielle Garantieleistungen“, sagte er. So lehnt es das Ministerium ab, dass Toll Collect seine Haftung auf 500 Millionen Euro begrenzen will.



      Ausfälle in Milliardenhöhe
      Allein für dieses Jahr werden sich die Mautausfälle für den Bund auf etwa 2,2 Milliarden Euro belaufen. In einem Positionspapier des Verkehrsministeriums heißt es, dass die Konzerne höhere Vergütungen verlangten, obwohl deren bisher schon enttäuschende Leistungen noch weiter zurückgeschraubt würden.

      Telekom und DaimlerChrysler versuchten, Milliardenrisiken auf den Bund zu verlagern. Wegen technischer Probleme konnte das Mautsystem nicht wie vertraglich zugesichert im August 2003 starten. Toll Collect verspricht derzeit eine Einführung in zwei Stufen, und zwar Anfang 2005 und Anfang 2006.

      Stolpe hat bereits einen Alternativplan entworfen. Demnach soll zunächst die Lkw-Autobahnvignette wieder eingeführt werden und dann per neuer Ausschreibung ein einfacheres Mikrowellensystem installiert werden. Verkehrspolitiker aller Parteien forderten eine Kündigung des Vertrags.



      Ermittlungsverfahren
      „Es drängt sich der Eindruck auf, dass Toll Collect dies geradezu provoziert“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt. Die Berliner Staatsanwaltschaft teilte mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen Toll Collect wegen Verdachts auf Betrug eröffnet habe. Es liege die Anzeige einer Privatperson vor.

      Telekom-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke signalisierte Verhandlungsbereitschaft. Das Thema Maut und Toll Collect gehöre gelöst, „und zwar durch uns gelöst“, sagte er in Berlin, ohne konkreter zu werden. Er sehe sich dabei in einer besonderen Verantwortung.

      (SZ v. 12.2.2004)
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/560/26534/
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 20:11:02
      Beitrag Nr. 1.352 ()
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      Rechte im Ausverkauf

      Thorsten Stegemann 11.02.2004
      Die Entwicklungshilfe-Organisation Oxfam macht Markenfirmen und Handelsketten für eine weltweite Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verantwortlich


      Dass die Globalisierung auch in den armen Ländern der Welt Arbeitsplätze geschaffen hat, wird selbst von ihren Kritikern nicht ernsthaft bestritten. Die Frage, ob diese Arbeitsplätze soziale Mindeststandards aufweisen und in einem menschenwürdigen Umfeld angesiedelt sind, ist gleichwohl Gegenstand heftiger Diskussionen.


      Die Entwicklungshilfe-Organisation Oxfam hat eine umfangreiche Studie vorgestellt, die den Verdacht nahe legt, dass die großen Markenfirmen und Verkaufsketten der Bekleidungs- und Lebensmittelindustrie ihre marktbeherrschende Stellung nutzen, um die ohnehin schon beträchtlichen Unternehmensgewinne auf Kosten einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen weiter zu steigern. Von dieser Entwicklung sind vor allem Frauen betroffen, die mittlerweile 60-90% der Beschäftigten in den arbeitsintensiven Bereichen der globalen Lieferketten stellen.

      Die Studie "Trading Away Our Rights - Women Working in Global Supply Chains" basiert nach Angaben der Organisation auf Untersuchungen in 12 Ländern (Bangladesch, Chile, China, Kolumbien, Honduras, Kenia, Marokko, Sri Lanka, Südafrika, Thailand, Großbritannien, USA) und mehr als 1.000 Interviews.

      Entsprechend eindrucksvoll ist die von Oxfam aufgebotene Materialfülle, die sich aus Millionen Einzelschicksalen zusammensetzt. Einige Beispiele: In Chile haben etwa drei Viertel aller Obstpflückerinnen nur befristete Arbeitsverträge. Während der Saison arbeiten sie rund 60 Stunden in der Woche, trotzdem verdient jede Dritte nur das Mindestgehalt oder sogar noch weniger. In den Bekleidungsfabriken Bangladeschs besitzen mehr als die Hälfte der dort beschäftigten Frauen überhaupt keinen Arbeitsvertrag, Mutterschutz und Krankenversicherung gibt es nur in seltenen Fällen. Ähnlich katastrophal gestaltet sich die Situation in den Sonderwirtschaftszonen der Volksrepublik China. Dort müssen Frauen nach Oxfam-Erkenntnissen 150 Überstunden im Monat ableisten, gleichzeitig haben 90 % von ihnen keine Sozialversicherung.





      Allerdings sieht die Lage in der selbsternannten Zivilisation mitunter nicht besser aus. Im US-Bundesstaat Florida leisten Tomatenpflückerinnen während der Erntezeit bis zu 148 Überstunden, werden aber auch in dieser Zeit nur nach der eingesammelten Stückzahl bezahlt, so dass die Unternehmen 20-50% derjenigen Lohnkosten einsparen, die einem Arbeitnehmer mit Vertrag zustehen würden. Auch Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter in Großbritannien gehen ihrem Job unter Bedingungen nach, die den Begriff Ausbeutung durchaus rechtfertigen. Und das auch noch mit staatlicher Zustimmung, denn die Arbeitgeber müssen ihnen von Rechts wegen nur 80% des Mindestlohnes zahlen.

      Die Ursache für diese Entwicklung sieht Oxfam im rücksichtslosen Konkurrenzkampf der Großkonzerne und Handelsketten, die in gegenseitigen Überbietungsgesten immer besser, schneller und vor allem preisgünstiger produzieren wollen. Sie nutzen ihre Machtstellung am oberen Ende der Wirtschaftskette, um den Kostendruck an Zulieferer und Subunternehmer weiterzugeben, die sich ihrerseits an den Arbeiterinnen und Arbeitern schadlos halten. Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland erklärt dazu:




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      Das ist der Punkt, wo die Globalisierung versagt, ihr Potenzial auszuschöpfen, Menschen aus der Armut zu befreien und Entwicklung zu fördern. Viele Unternehmen haben "Codes of Conduct" und verlangen von ihren Zulieferern die Einhaltung international anerkannter Arbeitsstandards. Aber ihre eigenen rücksichtslosen Einkaufs- und Zulieferpraktiken machen es oft unmöglich, dass diese Arbeitsstandards eingehalten werden können.






      "Die heutige Geschäftsethik besteht oft nur aus drei Forderungen: schnell, billig und flexibel"


      Besonders schwere Vorwürfe erhebt die Entwicklungshilfe-Organisation gegen Wal-Mart, Explorer, No Boundaries, Toys "R" Us, First Impressions, Target und Tommy Hilfiger, die viele ihrer Produkte in den chinesischen Sonderwirtschaftszonen produzieren lassen. In drei untersuchten Zulieferbetrieben wurden 80-250 Überstunden pro Monat registriert, während die gesetzliche Höchstgrenze bei 36 liegt. Außerdem wurden Arbeiter wegen leichter Vergehen gekündigt, die gesetzlichen Mindestlohngrenzen unterschritten und Betriebsprüfer getäuscht. Mutterschutzregelungen und Sozialversicherungsleistungen existierten praktisch nicht. In der werbewirksam formulierten Firmenkultur des Global Players Wal-Mart, der allein in den ersten vier Wochen dieses Jahres rund 18,4 Milliarden Dollar umsetzte, ist von diesen Dingen keine Rede. Im Gegenteil: "Gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen", so heißt es da, "ist wesentlicher Bestandteil der Wal-Mart-Firmenphilosophie."

      Das gilt angeblich auch für Tommy Hilfiger. Das Unternehmen formulierte bereits 1997 einen Code of Conduct, der in 35 Sprachen übersetzt wurde und die Einhaltung von Arbeitsstandards und ethischen Grundsätzen in den rund 500 Produktionsstätten garantieren soll. Allerdings ist der Mutterkonzern selbst nicht ganz sicher, ob diese Bemühungen von Erfolg gekrönt sind:




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      Obwohl wir stolz auf unsere Bemühungen sind, wissen wir, dass unser Programm, ebenso wie die Firmen, die von ihm überwacht werden, nicht perfekt ist. Aber wir glauben, dass unsere Bemühungen einen Unterschied machen, der sich auf das Leben der Arbeiter in der Bekleidungsindustrie auswirkt, und wir suchen konsequent nach Möglichkeiten, unser Programm noch zu verbessern. Aber das können wir nicht alleine schaffen, nicht in einer Welt, in der die Arbeitsbedingungen in jedem Land unterschiedlich sind. Die nationalen Regierungen und die lokalen Unternehmer müssen eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den ansässigen Firmen spielen.





      "Nicht perfekt" ist offenbar auch die Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter in der spanischen Markenfirma Zara, Großbritanniens größtem Supermarkt "Tesco" oder Spaniens führender Kaufhauskette "El Corte Inglés". Oxfam fasst die Philosophie dieses Branchenriesen, der 2002 immerhin 14 Milliarden Dollar umsetzte, die Existenz von Gewerkschaften aber für überflüssig hält, mit den Worten zusammen: "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen ethische Grundsätze vertritt."

      Die Regierungen in den betroffenen Ländern sind an der Gesamtsituation selbstverständlich nicht unschuldig. In dem wahllosen Bestreben, möglichst viele finanzkräftige Investoren anzulocken, werden die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern per Gesetz eingeschränkt, so dass die Unternehmen auch ohne ethische Grundsätze bestens zurechtkommen.

      Trotz dieser düsteren Ein- und Aussichten hält Oxfam eine Kurskorrektur für möglich. Die Organisation sieht in der Globalisierung durchaus kein Teufelswerk, glaubt aber auch nicht, dass Gerechtigkeit und Fairness den Selbstheilungskräften des Marktes überlassen werden dürfen:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Neben den erforderlichen Änderungen der Unternehmensstrategien ist es daher nötig, dass die Regierungen die Rechte der Beschäftigten schützen, insbesondere das Recht, in Gewerkschaften einzutreten und Tarifverhandlungen zu führen. Die Regierungen müssen die international anerkannten Arbeitsstandards durchsetzen, insbesondere solche, die Beschäftigte mit Familien schützen. Die Konsumenten ihrerseits sollten solche Marken unterstützen, die anspruchsvolle Mode unter guten Arbeitsbedingungen produzieren lassen.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16725/1.html
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      schrieb am 11.02.04 20:15:53
      Beitrag Nr. 1.353 ()
      Toll Collect: Europaweite Privatisierungstendenzen

      Andreas Hagen 11.02.2004
      Ob Mobilität, Medien oder freie Marktwirtschaft: Nichts geht mehr ohne das supranationale Prinzip. Dabei ist die LKW-Maut erst der Anfang der Privatisierung der Straßen Europas


      Innerhalb der Nationalstaaten Europas gibt es Tendenzen, die Ausgaben der öffentlichen Kassen für die Mobilität ihrer Bürger durch die Beteiligung von privatem Kapital am Straßenbau zu begrenzen. Die Bestrebungen der EU-Kommission hingegen gehen in Richtung einer Vereinheitlichung der Mautsysteme, welche im Moment von der Technik her eher einem Flickenteppich gleichen. In beidem zeigt sich die gewichtige Rolle der europäischen Ebene, aber auch wie (globalisierte) Firmen und (immobile) Nationalstaaten aufgrund der Harmonisierungsbestrebungen des Europäischen Binnenmarktes untereinander in ein Spannungsverhältnis gesetzt werden.







      Privatisierung durch die Hintertüre


      Wer bezahlt die Maut? Aus einer gewissen Reflexhandlung würde man wohl sagen: Der Verbraucher wird am Ende bezahlen müssen. Natürlich fährt ein LKW nicht zum Selbstzweck über eine Autobahn, sondern er transportiert Waren. Und ebenso natürlich wird jede Erhöhung des Transportpreises dieser Waren, zumindest teilweise, an den Verbraucher weitergegeben, dies gilt auch für Transporte ausländischer LKW nach Deutschland. Durch die Zweckgebundenheit der LKW-Maut-Einnahmen in Deutschland kommt das Geld zwar überwiegend zukünftigen Verkehrsprojekten zugute, stellt so also eine gewisse Entlastung des Staatshaushaltes dar. Durch die Maut wird sich aber nur der Einnahmen-Strom ändern, weil Verkehrsprojekte ja bisher schon steuer- und abgabenfinanziert sind. Statt auf dem Lohnzettel wird eben an der Ladenkasse abgerechnet.

      Dabei geht das Bundesverkehrsministerium von einer Mehrbelastung für Speditionen von ca. 7-9 % aus, meint aber auch, laut Studien würde die tatsächliche Verteuerung der Waren nur bei ungefähr 0,15 % liegen. Während die Speditionsbranche großzügige kompensatorische Steuersubventionen erwarten darf, rechnen andere, wie der Kosmetikkonzern Beiersdorf, mit einer Anhebung der Preise um ein Prozent . Dies dürfte allerdings wohl eher die untere Grenze darstellen.





      Aber die Maut ist auch in anderer Hinsicht ein Hintertreppchen, über das sich der Staat davonmacht, um seine bisher originären Aufgaben an private Firmen abzugeben. Obwohl das Public Private Partnership (PPP) ( Ein Public Private Partnership (PPP) Desaster) gegenüber anderen Privatisierungsmaßnahmen abzugrenzen ist, wird die LKW-Maut als eine Voraussetzung für weitergehende Privatisierungen angesehen:




      --------------------------------------------------------------------------------

      (...) Die Betreibermodelle für den Ausbau von Autobahnen werden mit der Einführung der streckenbezogenen LKW-Maut möglich. (...) Der Ausbau, die Erhaltung, der Betrieb und die Finanzierung werden an einen privaten Betreiber übertragen.
      Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig, 2002




      Grundlage dafür ist das 1994 verabschiedete Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG), welches mit einer Gesetzesnovelle (FStrPrivFinÄndG) im Jahr 2002 abgeändert wurde, so dass auch die Autobahnprivatisierung möglich ist.

      Eine weitergehende Vision ist es, die Mautpflicht auf PKW und auf Bundesstraßen auszudehnen. Letztere können schon jetzt durch Rechtsverordnung zur Mautstrecke werden, wenn eine Verlagerung des Autobahnverkehrs auf andere Straßen nicht ausgeschlossen werden kann:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Es ist deshalb gesetzlich vorgesehen, dass die Mautpflicht aus Sicherheitsgründen auf bestimmte Abschnitte von Bundesstraßen ausgedehnt werden kann.
      Bundesverkehrsministerium, 2002




      Allerdings ist eine generelle Maut auf Bundesstraßen laut EU-Recht heute noch nicht möglich. Dennoch, die Idee einer Privatisierung über das PPP hinaus stößt bei Politikern auf Zustimmung. So verweist Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auf die Zukunft, und sieht dort eine Annäherung an das innereuropäische Ausland, welches "im Bereich des Autobahnbaus, des Autobahn-Services und der Autobahn-Unterhaltung" schon lange privatwirtschaftlich organisiert sei. Das ist jedoch nicht der einzige Punkt, bei dem die europäische Ebene in Zukunft eine gewichtige Rolle spielen wird.


      Der Europa-Faktor


      Der "Poker" um die Maut war und ist vor allem eine industriepolitische Entscheidung von nationaler Tragweite. Verwunderlich ist dies nicht, geht es doch um nichts weniger als um die Standardisierung der europäischen Logistikbranche, deren Umstellung auf die neuesten multimedialen Rationalisierungshilfsmittel bei der Just-in-Time-Belieferung ungeahnte Potentiale einsparen helfen kann. Wer auf dem größten nationalen Mobilitätsmarkt Europas, also Deutschland, die Weichen für sich stellen kann, der wird Zeichen für ganz Europa und darüber hinaus setzen:




      --------------------------------------------------------------------------------

      Toll Collect arbeitet präzise, zuverlässig, wirtschaftlich und ist einfach zu bedienen. (...) Nach dem Zuschlag in Deutschland werden wir das System auch in anderen europäischen Ländern anbieten. (...) Als interessante Zukunftsmärkte kommen auch die Länder Mittel- und Osteuropas sowie Asiens in Betracht.
      Dr. Klaus Mangold, Vorstandsvorsitzender DaimlerChrysler Services AG am 20. 09. 2002




      Diese als wirklich sehr ambitioniert zu bezeichnende Aussage von Klaus Mangold, besonders zum damaligen Zeitpunkt, wird auch heute noch von Experten angezweifelt. Aber sollte das Toll Collect-Mautsystem, obwohl es im Vergleich mit anderen bestehenden Systemen das teuerste ist und obwohl viele Fachleute nicht glauben, dass es die beste technische Lösung darstellt, tatsächlich einmal funktionieren, dann hat es gute Chancen auf eine europaweite Verbreitung. Praktischerweise hat die EU-Kommission gerade jetzt den Start für ein einheitliches europäisches Mautsystem von ursprünglich 2005 auf Anfang 2007 verschoben. Demnach soll es ab 2005 eine Übergangszeit mit lediglich drei nebeneinander bestehenden Systemen geben: Satellitenortung, Mobilfunk oder Mikrowelle. Feste Zahlstellen und Vignetten dagegen sollen am Ende der Vergangenheit angehören.

      Im Zeitfenster von 2008 bis 2012 soll es dann eine Umstellung auf Satelliten- und Mobilfunktechniken geben, so die Kommission. Anscheinend wird bei diesen Vorschlägen schon jetzt die deutsche Lösung ins Auge gefasst. Auf den europäischen Hauptverbindungsstrecken (Transeuropäisches Netz) soll es dann eine "europäische Einheitsmaut" geben, unter die auch Busse und Kleintransporter ab 3,5 Tonnen fallen sollen.

      Andere Details werden weiterhin von den Nationalstaaten geregelt werden. Darunter fällt vor allem die Gebührenhöhe, nicht aber die Art der Maut oder der Gebührenerhebung. Außerdem sollen nationale Mautsysteme, wie zum Beispiel in London, nicht in die Zuständigkeit der EU fallen. Und auch das europäische Satelliten-Navigationssystem "Galileo" wirft seine Schatten voraus: Eines Tages soll es seinen Nutzen zur "Effizienz und Sicherheit" der Verkehrssysteme in Europa einbringen können, das jedenfalls sollte die EU unterstützen, so ein angenommener Änderungsantrag der Kommission.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/16699/1.html
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 20:20:46
      Beitrag Nr. 1.354 ()
      Deutschland

      Politiker geniessen fast kein Vertrauen mehr

      (und das zu Recht)

      km. Die «Frankfurter Rundschau» berichtete am 3. Februar über Umfragen, die darauf hindeuten, dass die deutschen Politiker innerhalb der Bevölkerung fast kein Vertrauen mehr geniessen. Das Forsa-Institut hatte im Auftrag des Magazins stern ermittelt, dass der deutschen Regierung gerade noch 18% der Befragten Vertrauen entgegenbringen, gegenüber den Parteien insgesamt ist die Rate noch geringer: Sie liegt bei 12%. Ähnlich gering ist das den Wirtschaftsverbänden entgegengebrachte Vertrauen. Bei den Arbeitgeberverbänden liegt es bei 22%, gegenüber den Gewerkschaften bei 24% und gegenüber der Wirtschaft insgesamt bei nur 23%.

      Eine im vergangenen Jahr vom Bundeswahlleiter Wilhelm Heitmeyer zitierte Umfrage (GMF-Survey 2003) kam zu dem Ergebnis, dass für rund 55% der Befragten die Aussage, «Politiker umgehen die bestehenden Gesetze, wenn es um ihren eigenen Vorteil geht», voll und ganz zutrifft. Ähnlich hohe Ergebnisse bei «trifft voll und ganz zu» ergaben sich auch bei den Aussagen: «Politiker nehmen sich mehr Rechte heraus als normale Bürger» (60,7%), «Die demokratischen Parteien zerreden alles und lösen die Probleme nicht» (58%), «Die Demokratie in Deutschland führt eher zu faulen Kompromissen als zu sachgerechten Entscheidungen» (49,2%) und «Letztendlich entscheidet die Wirtschaft in unserem Land und nicht die Politik» (46,0%). Bei allen Aussagen waren es weniger als 20% der Befragten, die fanden, dass die Aussagen überhaupt nicht oder eher nicht zuträfen.

      In die gleiche Richtung gehen die Ergebnisse einer Umfrage, die das Institut für Demoskopie in Allensbach vor und nach den Weihnachtstagen durchführte. Die Leiterin des Instituts, Elisabeth Noelle-Neumann, kommentierte: «Die öffentliche Geringschätzung der Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie.»

      Wissenschafter wie Heitmeyer warnen vor einer «Demokratieaushöhlung». Andere sprechen davon, die Demokratie lauge aus, wenn nur noch die Wahl zwischen enttäuschenden Parteien und Programmen besteht, wenn es an Alternativen fehlt beziehungsweise der Eindruck besteht, dass es keine Alternativen gibt oder die Chance fehlt, sie zu entwickeln und umzusetzen, und wenn die Menschen mehrheitlich den Eindruck gewinnen, «die da oben» setzten sich ohnehin durch.

      ***

      Die Ergebnisse der neuesten Umfragen zum Vertrauen der Bevölkerung in die Politik sind nicht erstaunlich, und doch ist es wichtig, immer wieder an die alarmierenden Konsequenzen für die Zukunft der Demokratie zu erinnern. Diese Entwicklung als «Spiel der Demokratie» oder «Vermittlungsproblem» darzustellen, wie das von Berufspolitikern zu hören ist, ist wenig hilfreich. Auch die Aussage eines Analytikers, die Demokratie sei verletzlich und das Vertrauen der Bürger ihre entscheidende Grundlage, führt in eine falsche Richtung.

      Längst ist wissenschaftlich belegt, dass die direkte Demokratie zu zufriedeneren Bürgern führt, die auch freiwillig ihre Steuern zahlen usw. Gebhard Kirchgässer, Lars P. Feld und Marcel R. Savioz haben dies in ihrer Studie «Die direkte Demokratie: Modern, erfolgreich, entwicklungs- und exportfähig» (Basel 2000) dargelegt.



      Artikel 10: Zeit-Fragen Nr.5 vom 9.2.2004, letzte Änderung am 10.2.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 20:24:53
      Beitrag Nr. 1.355 ()
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      Weltwirtschaftsforum und Weltsozialforum
      von Karl Müller, Deutschland


      Seit ein paar Jahren finden am Anfang des Jahres das Weltwirtschaftsforum in Davos und das Weltsozialforum, dieses Jahr im indischen Mumbai (Bombay), statt. Das Weltsozialforum war und ist die Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum. Während sich in Davos dieses Jahr mehr als 2000 «Führungskräfte» aus aller Welt, darunter mehr als 30 Staats- und Regierungschefs, trafen, kamen in Mumbai mehr als 100000 Menschen zusammen, allerdings auch hier schon geschieden nach «einfachen» Teilnehmern und persönlich kaum noch erreichbaren «Führern» der Bewegung.

      In Davos stand das der Öffentlichkeit zugängliche Forum (für maximal 300 Teilnehmer) unter dem Thema «Globalisierung oder Entglobalisierung für das Wohl der Ärmsten?» Es gab auch mahnende Worte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan. Er warnte die Wirtschaft, sie habe doch selbst ein «machtvolles Interesse daran, dabei zu helfen, das System der internationalen Sicherheit nicht in einen brutalen Wettbewerb nach den Gesetzen des Dschungels abgleiten zu lassen». Der Krieg gegen den Terrorismus könne ebenso wie der Terrorismus selbst die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten gefährden. Und die Vereinten Nationen hätten nicht nur für die privilegierten Länder im Sicherheitsrat Sicherheit zu gewährleisten, sondern müssten «auch Millionen Mitmenschen vor den mehr verbreiteten Übeln wie Armut, Hunger und Krankheit schützen».

      Netzwerk der Eliten gegen «Risiken»
      Die Schlusssitzung des Davoser Forums ging allerdings nicht auf demokratische Antworten auf solche Fragen ein. Statt dessen ging es darum, wie die Eliten «Risiken» bewältigen könnten. Führer aus Unternehmen, Regierungen und der Zivilgesellschaft, so heisst es in einer Presseerklärung, «müssten ein effektiveres Netzwerk schaffen, um Risiken frühzeitig wahrzunehmen, zu interpretieren und zu handhaben, als Teil ihrer Partnerschaft für Wohlstand und Sicherheit in der Zukunft». Vorgeschlagen wurde die Zusammenarbeit der Führungseliten aus der ganzen Welt. So wandte sich das Weltwirtschaftsforum auch gegen einen Kampf der Kulturen. Statt dessen soll von Davos eine «Initiative für den Dialog, für Aktion und Verständigung zwischen der westlichen und der islamischen Welt» ausgehen, und zwar von einem Rat der 100 Führer, also von Eliten aus Okzident und Orient.

      Radikale Worte in Mumbai
      In Mumbai lehnte die indische Schriftstellerin Arundhati Roy «Dialoge» über die Globalisierung ab: «Gelegentlich werden einige von uns eingeladen, das Problem auf Ðneutralen Plattformen zu debattierenð, die von Medienkonzernen gestellt werden. Imperialismus debattieren ist ein bisschen wie das Für und Wider von Vergewaltigungen abzuwägen. Was können wir dazu sagen? Dass wir so was wirklich vermissen?» Roy erklärte, dass sich zwei Projekte unversöhnlich gegenüberstünden, das Projekt des Weltsozialforums «Eine andere Welt ist möglich» und «Das Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert».

      Die Politik der US-Regierung griff sie deutlich an: «Erstmals in der Geschichte hat ein einziges Imperium mit einem Waffenarsenal, das die Welt an einem Nachmittag auslöschen kann, komplette, unipolare wirtschaftliche und militärische Hegemonie. Es wendet verschiedene Waffen an, um unterschiedliche Märkte aufzubrechen. Es gibt kein Land auf Gottes Erden, das sich nicht im Fadenkreuz amerikanischer Marschflugkörper und IWF-Scheckbücher befindet.»

      Roy fuhr dann fort: «Arme Länder, die geopolitisch von strategischem Wert für das Imperium sind oder einen ÐMarktð haben, der privatisiert werden kann, oder um Gottes Willen wertvolle natürliche Ressourcen wie Öl, Gold, Diamanten, Kobalt, Kohle besitzen, müssen sich wie angeordnet verhalten, oder sie werden zu militärischen Zielen. Jene mit den grössten natürlichen Ressourcen sind am meisten gefährdet. Sollten sie nicht bereitwillig ihre Ressourcen der Konzernmaschinerie ausliefern, werden zivile Unruhen initiiert oder Kriege vom Zaun gebrochen.»

      Im weiteren kam Roy auf die Rolle der Medien zu sprechen: «Natürlich wird jeder Krieg des Imperiums zum gerechten Krieg erklärt. Das hängt zum grossen Teil von der Rolle der Medienkonzerne ab. Es ist wichtig zu verstehen, dass Medienkonzerne nicht lediglich das neoliberale Projekt unterstützen. Sie sind das neoliberale Projekt. [...] Anders als zu alten Zeiten muss der neue Imperialist sich nicht durch die Tropen schleppen, Malaria, Durchfälle und einen frühen Tod riskierend. Neuer Imperialismus kann über E-Mail ausgeführt werden. Die vulgären, klassischen Rassisten des alten Imperialismus sind überholt. [...] Teil des Projekts neuer Rassismus ist neuer Genozid.»

      Widerstand und radikaler Wandel
      Dann ging es Roy um den Widerstand. Keine einzelne Nation könne sich dem «Projekt der korporativen Globalisierung aus eigener Kraft widersetzen.» Radikaler Wandel könne nicht von Regierungen ausgehandelt werden, er könne «nur durch Menschen erzwungen werden». Dazu bedürfe es der Aktion: «Wir müssen dringend unsere Strategien des Widerstands diskutieren. Wir müssen reale Ziele ins Visier nehmen und wirklichen Schaden anrichten.» Roy erinnerte an den von Mahatma Gandhi organisierten Salzmarsch, der die britische Salzsteuer in Indien unterlief. «Das war ein direkter Schlag gegen den ökonomischen Unterbau des britischen Empires. Er war real. Während unsere Bewegung einige wichtige Siege errungen hat, dürfen wir gewaltlosen Widerstand nicht zu ineffektivem, wohlgefälligem politischem Theater verkümmern lassen. Er ist eine sehr kostbare Waffe, die ständig geschärft und justiert werden muss.» Roys Rede endete mit den Worten: «Das `Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert` strebt danach, Ungleichheit fortzusetzen und amerikanische Hegemonie um jeden Preis, selbst wenn er apokalyptisch ist, zu errichten. Das Weltsozialforum verlangt Gerechtigkeit und Überleben. Aus diesen Gründen müssen wir uns als im Krieg befindlich betrachten.»

      ***

      km. Das Weltwirtschaftsforum und das Weltsozialforum sind nicht nur Rituale. Es geht um ernstzunehmende Konzeptionen, und vieles spricht dafür, dass die Auseinandersetzungen schärfer werden und das antagonistische, unversöhnliche Denken an Einfluss gewinnt.

      Es ist keine Nebensache, wenn nun auch in Deutschland ganz offiziell nach Eliten gerufen wird. Kaum einer weiss, dass viele moderne Theoretiker der Elitenbildung an die skrupellosen Ideen Machiavellis anknüpfen. Der ehemalige deutsche Bundespräsident Walter Scheel hat in einer Fernsehdiskussion zu bedenken gegeben, dass bis vor 15 Jahren deutsche Wirtschaftsmanager moderate Ge-haltszahlungen erhielten - was gut zum Konzept der sozialen Marktwirtschaft und der For-derung nach «Wohlstand für alle» passte -, die Gehälter dann aber rasant in die Höhe schnellten. Die heutigen Gehälter und Abfindungen in Millionenhöhe seien den Bürgern, die mit Einkommenseinschnitten zu kämpfen hätten, nicht mehr verständlich zu machen. Das Vertrauen zwischen Wirtschaftsführern und Bevölkerung sei zerstört. Hier knüpfen radikale Gegenbewegungen an, wie sie sich auch im indischen Mumbai zeigten.

      In seinem 1998 in deutscher Sprache erschienenen Buch «Die Tragödie eines Volkes - Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924» schildert der britische Historiker Orlando Figges nicht nur die Irrwege und Verbrechen der bolschewistischen Revolution, sondern auch das Leiden des russischen Volkes unter der Zarenherrschaft; ein Leiden, das dem Erfolg der revolutionären Parolen den Boden bereitete. Die Geschichte der Revolution ist nicht eins zu eins auf die Gegenwart zu übertragen, doch verweist sie mahnend darauf, was passieren kann, wenn die Vernunft schläft und das Wohl aller, das Gemeinwohl, aus dem Auge verloren wird.

      Beide Seiten, die modernen Klassenkämpfer von oben und die Klassenkämpfer von unten, sollten bedenken, dass Klassenkämpfe unzählige Opfer fordern. Was die Menschheit derzeit in Politik und Wirtschaft erlebt, Globalisierung und Kriegspolitik, Polarisierung und Radikalisierung der Menschen, Völker und Kulturen, ist kein Naturgesetz.

      Der deutsche Aufklärungsphilosoph Im-manuel Kant hat in seiner Schrift «Was ist Aufklärung?» geschrieben: «Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotismus und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zustande kommen; sondern neue Vorurteile werden, eben sowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen grossen Haufens dienen.» Braucht es nicht statt dessen ein menschliches Bündnis und den Dialog von Menschen aus allen Schichten, Religionen, Völkern und Kulturen?

      Artikel 9: Zeit-Fragen Nr.5 vom 9.2.2004, letzte Änderung am 10.2.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 11.02.04 20:27:12
      Beitrag Nr. 1.356 ()
      Streit um künftige Ausgaben der EU


      km. Für die Jahre 2007 bis 2013 plant die EU-Kommission viel höhere Ausgaben der Europäischen Union als die bisherigen Geberländer. Deutschland und die Regierungen fünf weiterer Nettozahler hatten in einem Brief vom Ende letzten Jahres gefordert, die Ausgaben auf der derzeitigen Höhe von 1% der Wirtschaftsleistung aller EU-Länder einzufrieren. Demgegenüber hat sich die Kommission für eine Anhebung der Ausgaben auf bis zu 1,24% der Wirtschaftsleistung ausgesprochen. Sie will dies auf einer Sitzung am 10. Februar auch offiziell beschliessen. Wenn sich die Kommission mit ihren Vorschlägen durchsetzt, würde dies in den Jahren 2007 bis 2013 eine Ausgabenerhöhung um rund 50 Milliarden Euro auf 150 Milliarden Euro jährlich - bislang sind es rund 100 Milliarden Euro jährlich - bedeuten. Für Deutschland zum Beispiel würden sich die Zahlungen an die EU von derzeit 22 auf über 35 Milliarden Euro erhöhen. :confused: :mad: Bei einem Einfrieren auf 1%, so die Kommission, seien nicht einmal die bereits feststehenden Verpflichtungen zu leisten - geschweige denn die neuen Aufgaben, mit denen die Staats- und Regierungschefs die EU betraut hätten.

      Artikel 7: Zeit-Fragen Nr.5 vom 9.2.2004, letzte Änderung am 10.2.2004

      http://www.zeit-fragen.ch/
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      schrieb am 11.02.04 20:29:26
      Beitrag Nr. 1.357 ()
      Schweiz

      OECD fordert Privatisierung



      Unser Land kann sich nicht ausnehmen, auch wir stehen unter dem Druck, uns ständig modernisieren zu müssen! Dieser Ruf schallt einem aus vielen Ecken entgegen. Doch die Rezepte, die dazu vorgeschlagen werden, sind häufig falsch und unehrlich.

      Der Ruf nach «Modernisierung», «Entschlackung», «Senken der Staatsquote» und «Privatisierung» dringt nun seit bald 20 Jahren beständig an unser Ohr. Diese Beständigkeit macht einen glauben, dass da was dran sein müsse. Nicht zuletzt die Treffen in Davos kennzeichnen diese Richtung des Denkens.

      Seit einigen Jahren wird jedoch immer deutlicher, dass diese Entwicklung eine Einbahnstrasse ist: Einige grosse Unternehmen wachsen gigantisch, doch die Mehrheit verarmt - so geschehen in Grossbritannien, zurzeit in Deutschland usw. Während Einrichtungen für das Allgemeinwohl privatisiert werden und nicht mehr der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, werden die Filetstücke der Staatsbetriebe, die schwarze Zahlen schreiben, meistbietend verkauft. In Staatshand bleiben die Teile übrig, die sich sowieso nicht lohnen. Abschreckende Beispiele gibt es genug: Die ehemalige britische Staatsbahn verrottete in privater Hand derart, dass sich die Unglücke in solchem Ausmass steigerten, dass die Regierung schliesslich überlegte, ob sie ihren ehemaligen, inzwischen heruntergewirtschafteten Betrieb wieder aufkaufen sollte. Oder man denke an die unsäglichen Gesundheitsreformen, die ganz Europa heimsuchen.

      Überall wird schleichend eine Zweiklassenmedizin eingeführt. Die Medizin sei zu teuer - also bekommt nur noch der Medizin, der sie bezahlen kann. Privatisierung der Krankenhäuser und Reduktion der Kassenleistungen - das alles vor dem Hintergrund, dass die Staatsquote gesenkt werden soll. Alles Geld soll ungefiltert in den Verbrauch fliessen und damit in die Portemonnaies einiger weniger.

      Aber auch die Klein- und Mittelbetriebe leiden: Immer höhere Staatsabgaben, immer weniger Unterstützung durch den Staat und die Banken, eine Konjunktur, die den Normalverdienern das Geld aus der Tasche zieht, während die Grossen kaum noch Steuern zu zahlen haben. Gleichzeitig wird einer unstatthaften Konkurrenz aus Billiglohnländern der Markt eröffnet. Diese müssen in ihren Heimatländern kaum Sozialabgaben zahlen und können ihre Waren unverschämt billig auf den Markt schmeissen. Doch der Schluss einiger Politiker, dass wir zuviel Sozialleistungen zahlen müssen, kann wohl nicht der richtige sein.

      Ende Januar legte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Sitz in Paris ihren Bericht über die Schweiz vor. Verwundert reibt man sich die Augen. Geradezu plakativ sind die Vorschläge der Organisation: mehr Wettbewerb im Gesundheitssektor, Abbau der Landwirtschaftssubventionen usw. Diese Forderungen könnten genauso gut aus dem ultrawirtschaftsliberalen Lager kommen.

      Da fragt man sich natürlich, in wessen Namen macht die OECD ihre Untersuchungen, und wer führt dort die Feder? Warum stellen die Damen und Herren nicht fest, dass schon genug Strukturen der allgemeinen Lebensvorsorge zerstört sind und dass es an der Zeit wäre, den krankhaften Wettbewerb wieder in menschliche Bahnen zu lenken?

      Wem soll diese Verlautbarung aus Paris die notwendige Schützenhilfe im innenpolitischen Kampf geben? Wer darf sich jetzt auf die Brust trommeln und sagen: Ja, auch die OECD in Paris ist der Auffassung, dass …

      Wer bezahlt die Angestellten der OECD? Doch nicht etwa wir Steuerzahler?

      Anton Bärlocher, Emmen



      Artikel 6: Zeit-Fragen Nr.5 vom 9.2.2004, letzte Änderung am 10.2.2004

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      schrieb am 11.02.04 20:36:45
      Beitrag Nr. 1.358 ()
      Präsidentenwahlen in Russland

      Die Russen lieben die Reichen nicht
      Soziale Lage beschleunigt Trend zum totalitären Staat


      von Prof. Dr. Werner Gumpel, München*
      Das sozialistische Denken scheint in Russland ungebrochen: Am besten, wir sind alle gleich. Einige dürfen etwas mehr haben als andere, aber der Unterschied darf nicht zu gross sein. Auch unter den Kommunisten gab es viele, die «gleicher» waren, doch fielen sie nicht in dem Masse auf, wie das heute bei den «neuen Russen» der Fall ist, die ihren Reichtum demonstrativ zur Schau stellen. Je grösser die Differenz zwischen den niedrigsten und den höchsten Einkommen, desto grösser auch die Neidgefühle der Armen. Immerhin lebt noch immer mehr als ein Drittel der Russen unter der Armutsgrenze, während sich die «neuen Russen» nicht nur Villen und grosse Autos, sondern auch Urlaubsreisen in die teuersten Gegenden des Mittelmeerraumes leisten und ihre Kinder auf teuren Universitäten studieren lassen. Der grosse Zorn der breiten Massen der Bevölkerung gilt jedoch den sogenannten «Oligarchen», die es verstanden haben, im Rahmen des Privatisierungsprozesses Milliardenwerte an sich zu reissen und ihre riesigen Einkünfte an der Steuer vorbei ins Ausland zu transferieren.

      Eine Ende des vergangenen Jahres durchgeführte Meinungsumfrage zeigt dementsprechende Ergebnisse: 80% der Befragten betrachten die zunehmende Ungleichheit der Bürger als zu gross und als «illegitim», wie die Zeitung «Izvestija» kürzlich berichtete. 25 bis 28% der Bevölkerung vertreten die Ansicht, dass sich die materielle Lage der Mitglieder der Gesellschaft nicht stark unterscheiden soll. Auch sollen alle Menschen im Hinblick auf Ausbildung und Beruf die gleichen Startchancen haben. Nur 30% sind der Meinung, dass dies durch Privateigentum an den Produktionsmitteln und den Marktmechanismus erreicht werden kann - und die Zahl der Verfechter der Marktwirtschaft nimmt ab. Am gerechtesten wäre es, so mehr als ein Drittel der Befragten, wenn Eigentum und Einkünfte gleichmässig auf alle verteilt würden, wobei allerdings derjenige, der viel arbeitet, auch mehr bekommen dürfe. Da dies nicht so ist, wird auch sogleich nach dem Staat als dem Vollzieher der Gerechtigkeit gerufen, und zwar von Jahr zu Jahr mehr. Wer loyal zu ihm steht, der soll auch von ihm unterstützt werden. Fast selbstverständlich, dass er auch voll für die medizinische Versorgung aufkommen soll.

      Wenn in Betracht gezogen wird, dass die Einkommen der «Reichen» im Jahr 2003 im Durchschnitt das Fünfzehnfache der Einkommen der «Armen» ausgemacht haben (1991 lag der Unterschied noch bei 1:4,5; die Einkommen der Oligarchen gingen dabei sicherlich nicht in die Rechnung ein), so zeigt sich die Ursache der Verärgerung weiter Bevölkerungskreise. Interessant ist dabei, was als Reichtum betrachtet wird: Als reich gilt eine dreiköpfige Familie, die in einer gewöhnlichen Dreizimmerwohnung von 70m2 lebt, über einen kleinen Garten verfügt und ein älteres ausländisches Auto oder ein neues russischer Bauart besitzt.

      Warum aber bleibt man arm, und wie wird man reich? 78% der befragten Personen sind selbstkritisch der Meinung, dass die Armut vor allem auf Trunksucht und Faulheit zurückzuführen ist, 48% auf ungenügende eigene Anstrengungen, aber 77% machen auch das «schlechte Wirtschaftssystem» für das vor allem auf dem Lande herrschende Elend verantwortlich. Der Reichtum dagegen, so meint man, beruht auf «guten Beziehungen» und Betrug. Freilich werden auch gute Ausbildung, persönliche Fähigkeiten und Leistung als Voraussetzung für den Erwerb von Reichtum genannt, doch überwiegt insgesamt die Skepsis gegenüber dem herrschenden Wirtschaftssystem: Es wird als extrem ungerecht betrachtet.

      So stehen denn die Russen auch auf der Seite Putins, wenn er gegen die «Oligarchen» vorgeht, die nicht nur Steuern hinterziehen, sondern auch grosse Summen Geldes ins Ausland transferieren. Dazu passt auch, dass nach wie vor 64% der Russen den Zerfall der Sowjetunion mit ihrem totalitären Regime bedauern. Der wirtschaftlich aktive Teil der Bevölkerung dagegen sucht sein Glück im Ausland. Von 1989 bis 2002 haben 5,5 Millionen Russen ihr Land verlassen. 1,4 Millionen von ihnen haben sich in das «ferne Ausland», also in westliche Staaten begeben, der Rest in andere GUS-Länder.

      Glaubt man Umfragen vom Juli des vergangenen Jahres, so ist allerdings anzumerken, dass sich die Stimmung im Lande im Vergleich zum Jahr 1999 gebessert hat. Nur noch etwas mehr als 20% der Menschen leben in «Schrecken, Verzweiflung und Depression», gegenüber 34,5% im September 1999. Doch meinen 47%, dass sie durch die seit 1992 durchgeführten Reformen verloren haben. Nur 6,8% äussern, dass sie «eher gewonnen» haben. Dennoch: Die hohe Suizidrate im Lande mit 62,6 Selbstmorden auf 100000 Einwohner bei Männern und 11,6 bei Frauen* (Zahl für 2002) zeigt, dass die Stimmung nach wie vor depressiv ist und oftmals als ausweglos betrachtet wird.

      Die soziale Lage in Russland ist daher weiter angespannt. Sollte es nicht bald gelingen, den Menschen zu mehr Wohlstand zu verhelfen und ihnen wieder eine Perspektive zu geben, wird dies die von den europäischen Staaten angestrebte Stabilisierung und Demokratisierung des Landes verzögern, mit sehr unerwünschten Wirkungen auf die westliche Staatenwelt, denn der bereits jetzt zu beobachtende Zug zum erneut totalitären Staat wird sich dann beschleunigen - mit all seinen negativen Konsequenzen. •

      * Zum Vergleich: In der Schweiz nahmen sich 1999 bei einer Wohnbevölkerung von 7,2 Millionen insgesamt 42 Menschen das Leben, das sind 0,6 auf 100000
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      schrieb am 11.02.04 21:14:06
      Beitrag Nr. 1.359 ()
      Zwischen Zinserhöhung und Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Habe ich das nur falsch in Erinnerung? Sinkende Ölförderquoten sind schlecht für die Wirtschaft, da sie zu einem steigenden Ölpreis führen. Ein steigender Ölpreis wirkt sich auf die Produktionskosten aus, da Öl sowohl Rohstoff, als auch Energielieferant ist. Steigende Produktionskosten können nicht direkt an den Kunden weitergegeben werden, schmälern also die Gewinn der Firmen. So die Theorie.

      Gestern beschloss die Opec, die Fördermenge um 1,2 Mio. Barrel je Tag zu senken. Die Folge, der Ölpreis stieg. Soweit so gut. Nur, die US-Märkte stiegen ebenfalls. Ach ja, jetzt erinnere ich mich, schlechte Nachrichten und steigenden Kurse.

      Sie sollten sich überlegen, was das eigentlich bedeutet – einfach mal die Essenz dieser Entwicklung bedenken. Die Börsen steigen, wenn die Gefahr einer Zinserhöhung aus dem Markt genommen wird. Sie sinken nicht, wenn die Wirtschafts-/Konjunkturdaten oder das Umfeld sich verschlechtert. Das wiederum bedeutet doch, dass die Entwicklung der Wirtschaft im Moment nur zweitrangigen Einfluss hat und die Zinsen eindeutig das maßgebliche Kriterium für die Entwicklung an den Börsen sind und vielleicht auch schon immer (zumindest seit März 2003) waren.

      Die Börsen schweben also zwischen Zinserhöhungsängsten und der Hoffnung, dass eine Zinserhöhung noch lange auf sich warten lässt. Börse ist Zukunft. In seltener Einhelligkeit sind die Analysten der Überzeugung, dass es bald zu einer Zinserhöhung kommen wird. Wann das sein wird und wie das in diesem Moment dann zu bewerten ist, darüber herrscht wieder gewohnte und gepflegte Uneinigkeit.

      Erst einmal ganz logisch: Eine Zinserhöhung beendet die Phase der sinkenden Zinsen endgültig. Obwohl diese Phase eigentlich sowieso schon vorbei ist. Die Frage bleibt, leitet eine Zinserhöhung nun eine Phase weiter steigender Zinsen ein?

      Das wiederum hängt von der Entwicklung der Wirtschaft, der Deflation/Inflation und des Arbeitsmarktes ab.

      Auch große Uneinigkeit herrscht darüber, was die Börsen aus einer Zinserhöhung machen. Klar ist, dass es erst einmal zu einem Einbruch kommen wird. Doch kann man nicht eine Zinserhöhung auch als den Beweis dafür sehen, dass es der amerikanischen Wirtschaft nun nachhaltig besser geht? Sollte man dann nicht sogar in die entstehenden Kursverluste hineinkaufen? Dieser Ansicht sind zumindest einige der bullisheren Analysten.

      Andere sehen nach einer Zinserhöhung große Gefahren auf die US-Wirtschaft, die Bond-Märkte, die Hypothekenmärkte und sogar die Staatsverschuldung der USA zukommen. Die bearishen Analysten rechnen mit einem Zusammenbruch an den Märkten, die den amerikanischen Indizes erst einmal 20 vielleicht 30 % kosten solle.

      Ganz entscheidend wird der Zeitpunkt sein, wann die Zinsen erhöht werden. Ebenso entscheidend wird sein, wie sich der Arbeitsmarkt bis dahin entwickelt hat. Noch entscheidender wird sein, was die US-Preissteigerungsraten anzeigen – Deflation oder Inflation.

      Und was machen die Börsen bis dahin? Sie zucken unentschlossen hin und her. Zumindest scheint das ihre Hauptaufgabe in diesem Jahr zu sein. Irgendwann wird in den nächsten Tagen/Wochen eine kleine Entscheidung fallen, nach oben oder nach unten. Über 4200(4185) oder unter 3980 Punkten. Ich hoffe es zumindest, denn dieses Hin und Her in dieser kleinen Range ist unbefriedigend. Wohin es gehen wird kann Ihnen im Moment keiner sagen. Das muss abgewartet werden. Mittelfristig bleibt jedoch festzuhalten, sobald sich eine Zinserhöhung abzeichnet, anbahnt oder sogar geschieht, ist erst einmal mit fallenden Kursen zu rechen.

      Ganz kurz noch eine Nachricht zum Schluss:

      Führende US-Militärs warnen, dass bis zum September das Geld für Irak-Einsatz ausgehen werde, sofern der Kongress keine neuen Mittel freigibt. Im Moment kostet der Irak-Einsatz monatlich rund 3,7 Mrd. Dollar (2,9 Mrd. Euro), Afghanistan schlägt mit weiteren 800 bis 900 Mio. Dollar zu Buche. Doch offenbar sollen keine neuen Gelder für den Irak freigesetzt werden. Logisch, die Staatsverschuldung ist ja schon auf Rekordhoch. Übrigens im Jahr sind das 55 Mrd. Dollar. Ein ganz schön beachtlicher Posten ...

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      81 % Bullen!

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Das Problem mit Problemen ist, dass es von ihnen nie genug gibt.

      Zumindest noch nicht.

      Wenn die Aktienmärkte einen Boden erreichen – so wie es im August 1982 der Fall war –, dann sind die Investoren vorsichtig. Wenn die Preise steigen, dann werden sie mutiger, sind aber immer noch zurückhaltend. Jeder Sektor, jeder Meilenstein, die Nachrichten jedes Tages – das sind alles noch potenzielle Bedrohungen. Die Investoren sind immer noch bereit dazu, beim geringsten Anzeichen von Problemen auszusteigen. Nach und nach verbessert sich die Stimmung, wenn sich keine wirklich ernsthaften Probleme entwickeln.

      Irgendwann führt die Abwesenheit von Problemen zu einer sorgenfreien Einstellung ... einer Sicherheit, dass "Probleme" ein Ding der Vergangenheit seien ... und einer Einstellung, dass die Investoren mit immer höheren Kursen rechnen können, für immer – egal, was passiert.

      Das beschreibt den Zustand, den Millionen von Investoren im März 2000 hatten, als die erste Phase des derzeitigen Bärenmarktes begann. Aber das war offensichtlich noch nicht genug. Denn die Investoren blieben in Käuferlaune und positiv ... und ihre Illusionen waren größer als zuvor, denn jetzt hatten sie zusätzlich zu ihren sonstigen Illusionen die "Illusion der Überlebenden" hinzugewonnen. Da sie den Bärenmarkt und die Rezession von 2000–2002 überlebt hatten, glaubten sie ab Ende 2002, dass ihnen eine besondere Gnade zuteil geworden war ...

      Sie sind "durch ihr eigenes Überleben ermutigt worden", so Seth Klarman im Barron`s Magazin. "Wenn drei Verlustjahre die Gier der Investoren nicht auslöschen konnten, dann scheint es wahrscheinlich, dass nur wirklich qualvolle Umstände das schaffen werden."

      Die Aufgabe, auf die sich Klarman bezieht, ist es, die Stimmung der Investoren zu ändern ... und die Aktienkurse. Die Aktienkurse waren extrem teuer, und man könnte erwarten, dass sie zumindest moderat billig werden, bevor sie wieder extrem teuer werden. Und das bedeutet Probleme. Jede Menge.

      Irgendwie müssen die Investoren dazu gebracht werden, dass sie verkaufen wollen. Das haben sie bis jetzt ungern getan.

      Au contraire – bei den heutigen Kursen scheinen sie sogar weiter kaufen zu wollen.

      "Der ( ...) Market Vane Index der Investorenstimmung war zuletzt 81 % bullish", erklärt Steve Leuthold im Barron`s Magazin. "Ich habe noch nie einen so hohen Wert gesehen. Normalerweise sind Werte über 65 % schon extrem. Ich fühle mich bei Massenbewegungen nicht wohl, und diese Bullen sind sehr zahlreich ... fast jeder ist derzeit ein Bulle. Ich kann mich an keinen Jahresbeginn erinnern, an dem die allgemeine Stimmung so ähnlich war, und das ist furchterregend"

      Aktien, Anleihen, Immobilien. Es gibt in den USA keine Anlageklasse, die noch billig ist. Die Renditen der Anleihen sind fast überall auf der Welt lächerlich niedrig. Selbst Junk Bonds, also Anleihen mit erhöhter Risikoklasse, bringen nur wenig mehr Zinsen als Staatsanleihen ein. Und das Risiko? "Was für ein Risiko?" fragen die Kleinanleger. Offensichtlich sind die Investoren in Bezug auf alles bullish.

      "Die Geschichte zeigt uns, dass eine Korrektur an diesem Punkt überfällig ist", so Steve Leuthold.

      Und jetzt ... mehr News von unserem Mann in New York, Eric Fry:

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      Sieht so Reichtum aus?


      von unserem Korrespondenten Eric Fry, auf dem Parkett in Manhattan

      Gestern kamen verdächtig wenige wichtige News über den Ticker, und deshalb kann ich meine Aufmerksamkeit einigen weniger im Mittelpunkt stehenden Geschichten widmen. Zunächst einmal sind "die Banken bereit, den Unternehmen Geld zu leihen, und diese nehmen das willig an", so der Volkswirt Paul Kasriel von Northern Trust. Und weiter: "Letzte Woche veröffentlichte die Fed Zahlen (für Januar 2004) ... die Banken erleichterten großen und mittleren Firmen den Zugang zu Krediten. Netto 18 % der heimischen Banken erleichterten in den drei Monaten bis Januar ihre Kreditvergabestandards für Industrie- und Dienstleistungskredite. Das war der größte Zuwachs seit der zweiten Hälfte 1993. Interessanterweise nehmen die Unternehmen das gerne an. Das erste Mal seit Anfang 2001 haben die Kredite der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen auf 13-Wochen-Basis ( ...) in der zweiten Januarhälfte wieder zugenommen."

      Natürlich sind die amerikanischen Unternehmen nicht die einzigen, die in den USA ihre Schulden und ihre Ausgaben erhöhen. Da Schuldenmachen und Geldausgeben zur nationalen Geschichte zu gehören scheint, spielt dieses Spiel niemand besser als die US-Bundesregierung. Vor einer Woche veröffentlichte Präsident Bush seinen Haushaltsplan für das aktuelle Fiskaljahr. Darin wird ein Defizit von 521 Milliarden Dollar prognostiziert. Bemerkenswerterweise beunruhigte das den Anleihenmarkt kaum.

      Erstaunlich ist, dass dieses Hauhaltsdefizit von einer halben Billion (!) Dollar kaum einen Hauch von Protest hervorruft. Und die Kurse der US-Staatsanleihen sind seit der Veröffentlichung dieses Haushaltsplans sogar leicht gestiegen, d.h. die Renditen sind gefallen. In diesem Zeitalter der finanziellen Ketzerei scheinen die alten Regeln des finanziellen Konservatismus und der Entbehrungen nicht mehr zu greifen. Deshalb können teure Aktien ohne Grenze weiter steigen; verschwenderische Regierungen können sich grenzenlos verschulden ... und keine dieser finanziellen Fragwürdigkeiten scheint jemals negative Konsequenzen zu haben. (ALLES ist gut, Mann!)

      Frühere Generationen von Investoren machten sich gelegentlich über die finanziellen Exzesse von überteuerten Aktien und überschuldeten Regierungen Sorgen. Aber die derzeitigen Amerikaner machen sich keine Sorgen, und sie ändern ihr Verhalten auch nicht. Denn sie haben gelernt, dass hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse und hohe Haushaltsdefizite nur große Zahlen sind ... große Zahlen von keiner besonderen – und ganz bestimmt keiner sofortigen – Bedeutung.

      "Die meisten Leute, die alt genug zum Wählen sind, können sich an die 1980er erinnern. Das war auch eine Zeit, in der die (amerikanische) Regierung mehr ausgab, als sie hatte", bemerkt die New York Times dazu. "Wenige Leute können sich irgendwelche nachhaltigen Probleme vorstellen, die durch diese Schulden verursacht wurden. Deshalb ist es keine Überraschung, dass nur 2 % der Amerikaner das Haushaltsdefizit als das Hauptthema nannten, über das sie die Kandidaten im derzeitigen Wahlkampf diskutieren sehen wollen."

      Wenn die Haushaltsdefizite den Kleinanlegern nichts oder nur wenig ausmachen, dann wird ihnen auch die schwindende Kaufkraft des Dollars keine wirklichen Sorgen machen. Die amerikanischen Kleinanleger kümmern sich nur um die Kaufkraft ihrer Häuser.

      Deshalb erhöht die Bush-Administration – während sie die Meinungsumfragen immer im Blickfeld behält – die Staatsausgaben, um die sich niemand kümmert, während sie den Dollar fallen lässt, was auch keinen stört. Als Ergebnis davon hofft die Bush-Administration, eine wirtschaftliche Erholung zu kreieren, die jedem wichtig ist ... und wenn diese wirtschaftliche Erholung dann auch noch Präsident Bush seine zweite Amtszeit beschert, nun, umso besser.

      Aber vielleicht haben die Strategen der Wall Street und die Analysten Recht. Vielleicht sind die massiven Defizite wirklich nicht schlimm. Vielleicht sind die alten Regeln wirklich alte Regeln, die nicht mehr gültig sind. Und vielleicht sollte das Team Greenspan/Bush seinen wirtschaftlichen Prototyp zum US-Patentamt bringen, als die erste funktionstüchtige Wirtschaft, in der man etwas für "Nichts" erhalten kann.

      Aber vielleicht sind große Haushaltsdefizite immer noch schlecht, und vielleicht ist eine einbrechende Währung immer noch nicht gut. Ich jedenfalls halte an diesen alten Regeln fest. Auf dem Papier sind die Amerikaner (und ich gehöre auch dazu!) ärmer als im letzten Jahr. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist gegenüber dem letzten Jahr gestiegen, und die Dollar, die wir besitzen, sind weniger wert als im letzten Jahr.

      Sieht so Reichtum aus?
      (wenigstens bekommen sie dafür (noch) reale Güter und Waren)

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      Russische Ostereier

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in Madrid

      *** Die amerikanische Industrieproduktion ist im Januar wieder gefallen – und damit ist sie 42 Monate in Folge zurückgegangen! Aber wen kümmert das schon? Wir haben schließlich jetzt eine "Dienstleistungsgesellschaft", oder? Während die Zahl der Fabrikarbeiter schrumpft, gibt es neue Jobs in Pflegeheimen, Restaurants und Brokerhäusern. Was ist daran falsch?

      Nichts, wirklich nichts. Außer dass die Amerikaner irgendwie für all die Dinge, die sie aus Übersee importieren, bezahlen müssen.

      Die Jobs im Dienstleistungssektor sind vor dem internationalen Wettbewerb geschützt, denn man kann niemanden importieren, der einem das Auto wäscht oder den Rasen mäht. Aber man kann auch selbst solche Dienstleistungen nicht exportieren. Das ist der springende Punkt. Wenn man sie nicht exportieren kann ... dann kann man sie auch nicht dem Ausland verkaufen. Und man kann sie also nicht dafür nutzen, für die Dinge zu bezahlen, die man importiert.

      *** Ich war heute Morgen um 7 am Charles de Gaulle Flughafen in Paris, weil ich nach Madrid fliegen musste. Schon um 7:05 war das Einchecken erledigt. Keiner fragte mich, ob ich Waffen trage. Niemand durchsuchte mein Gepäck. Niemand warnte mich davor, dass ich keine unliebsamen Kommentare abgeben sollte. Es gab keine langen Warteschlangen. Ich musste meine Schuhe nicht ausziehen. Es war so, als ob ich in einem zivilisierten Land leben würde.

      *** Alles scheint überbewertet zu sein. Bis auf den Kaffeepreis, der in der Nähe von 100-Jahres-Tiefs steht. Weiß jemand, wo ich eine Kaffee-Plantage kaufen könnte?

      *** "Wenn Sie kein Gold kaufen", sagt der große Mogambo Guru, der hier im Investor`s Daily gelegentlich Artikel schreibt, in denen er die Dinge sehr vereinfacht, "dann sind Sie ein Idiot."

      *** Mein Freund Byron King, der gerade in Guatemala war, hat mir diese Überlegungen geschrieben ...

      "Erlaube mir, dass ich einen Artikel in der New York Times vom 6. Februar 2004 kommentiere. Letzte Woche schaffte es ein russischer Geschäftsmann mit dem Namen Viktor Vekselberg, die gesamte Faberge-Sammlung zu kaufen, die über mehrere Jahrzehnte lang von Malcolm Forbes zusammengetragen worden war."

      "Die Faberge-Sammlung wurde vor kurzem von Mitgliedern der Familie Forbes versteigert. Darunter waren Arbeiten, die vom Haus Faberge im 19. und 20. Jahrhundert für die russischen Zaren erstellt worden waren. Viktor Vekselberg bezahlte für diese Sammlung über 90 Millionen Dollar ..."

      "Mister Vekselberg beabsichtigt, die Faberge-Sammlung – darunter einige kunstvoll gefertigte Ostereier – vor dem 11. April nach Russland zurückzubringen, denn dann ist in diesem Jahr sowohl nach dem russisch-orthodoxen als auch nach dem westlich-christlichen Kalender Ostern. Der neue Besitzer will die historischen Stücke in Jekaterinburg ausstellen, wo die Mitglieder der Romanow-Dynastie von den Bolschewiken 1918 hingerichtet wurden."

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      5 Signale dafür, dass für die USA der Zahltag naht

      von Dan Denning

      Die Richtung, in die der Aktienmarkt läuft, ist schwer, wenn nicht unmöglich, zu prognostizieren.

      Alles, was man zu bestimmen versuchen kann, ist, einem Szenario eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuzuordnen. So ist es derzeit am wahrscheinlichsten, dass der "fingierten Wirtschaft" die Luft ausgeht. Die Stimulierungen durch niedrige Zinsen und Steuersenkungen haben ihre Potenz eingebüßt, und sie haben nicht dazu geführt, dass eine größere Zahl von neuen Arbeitsplätzen geschaffen wurde.

      Aber wie komme ich zu meinen Schlussfolgerungen? Es gibt 5 größere Indikatoren, die ich nutze. Ich nenne sie "5 Zeichen des finanziellen Tags der Abrechnung". In Anlehnung an das Buch von Bill Bonner, das auf Englisch "Financial Reckoning Day" heißt und demnächst auch auf Deutsch erscheinen wird.

      Was diese 5 Indikatoren anzeigen, ist, wie nah wir einem massiven Umschwung weg von "Finanzanlagen" hin zu "harten Vermögensgegenständen" sind, oder raus aus dem Dollar, rein ins Gold. Mit anderen Worten: Diese Indikatoren sagen mir, wie wahrscheinlich es ist, dass der "Finanzielle Tag der Abrechnung" nah ist.

      Zunächst einmal sehe ich mir die Volatilität an. Für die US-Aktien gibt es da einen eigenen Indikator, den Volatility Index (VIX). Je niedriger er ist, desto selbstzufriedener sind die Investoren. Und derzeit steht er ungefähr auf Allzeit-Tief. Anfang des Monats stieg er ein bisschen ... aber letzten Freitag begann er bei 17,7 und fiel dann wieder auf 16 zurück. Die Furchst ist auf dem Rückzug. Die Gier ist auf dem Vormarsch. Die Aktienkurse steigen.

      Als nächstes sehe ich mir den Spekulationshunger der Investoren an. Wenn die Investoren glücklich und bullish sind, dann zeigt sich das normalerweise im Put/Call-Verhältnis (Verhältnis von Verkauf- zu Kaufoptionen). Denn bullishe Investoren kaufen Calls. Die Bären hingegen kaufen Puts.

      Natürlich kann auch ein Bulle Puts kaufen, um sein Depot abzusichern. Aber normalerweise ist das Put/Call-Verhältnis ein guter Maßstab, um die spekulative Stimmung zu messen. Letzten Freitag fiel dieses Verhältnis auf 0,63. Wenn man sich allerdings die Zahlen genau ansieht, dann wird man sehen, dass das Put/Call-Verhältnis für Indizes bei 1,72 lag, während es für Aktien bei 0,46 lag. Ich bevorzuge es, das Put/Call-Verhältnis bei Aktien zu nehmen, um herauszufinden, wie sich die Spekulanten fühlen, denn die setzen meist auf Aktien, während die Institutionellen tendenziell eher auf Indizes setzen.

      Ich bevorzuge diesen Maßstab auch gegenüber allgemeinen Umfragen über den Anteil von Bullen und Bären ... denn da geht es nur darum, was die Leute sagen, und das muss nicht zwangsläufig das gleiche sein, was sie mit ihrem Geld tun. Es ist eine Sache, zu sagen, dass man ein Bulle ist. Eine andere Sache ist es, sein Geld wirklich in überteuerte Aktien zu investieren.

      Zum dritten Indikator: Damit meine ich die "finanzielle Wirtschaft" (im Gegensatz zur "realen Wirtschaft"). Was ich damit meine: Es gibt einen Index, den OEX, der die Aktien enthält, die diese Bärenmarktrally tragen. Das ist die kraftvollste Konzentration von Aktien, die von niedrigen Zinsen am meisten zu gewinnen haben – und die am meisten zu verlieren haben, wenn die Zinsen steigen. Der OEX hat eine Marktkapitalisierung von 5,7 Billionen Dollar. Das sind 55 % der Marktkapitalisierung des S&P 500, der es auf 10,2 Billionen Dollar bringt. Um das in eine Perspektive zu setzen: Das bedeutet, dass die weniger als 100 Gesellschaften des OEX es auf über 50 % der Marktkapitalisierung der 500 Unternehmen des S&P 500 bringen. Der OEX hat als Schwergewichte Finanztitel und Technologieaktien. Er enthält wirklich die Aktien, die einen neuen Bullenmarkt tragen, und die in einem Bärenmarkt am schlechtesten abschneiden.

      Kurz noch zu den verbleibenden zwei Indikatoren: Da untersuche ich das Interesse des "smarten Geldes" am Gold. Das lässt sich anhand des COT-Reports untersuchen (COT = Commitment of Traders). Wenn die großen Spekulanten und Goldminengesellschaften in Bezug auf den zukünftigen Goldpreis positiv gestimmt sind, dann kann das eins von zwei Dingen (oder beides) bedeuten: Zunächst einmal, dass ein allgemeiner Bullenmarkt am Rohstoffmarkt bevorsteht; oder, dass die Goldbullen von weichen Finanzanlagen in Gold fliehen, denn Gold ist die ultimative harte Anlageform.

      Ich glaube, dass beides heute zutrifft. Und je zuversichtlicher die großen Adressen in Bezug auf das Gold sind, desto schlechter sind die Aussichten für den OEX und die "finanzielle Wirtschaft".

      Dann, als fünften Indikator, untersuche ich noch den Renditeunterschied zwischen US-Staatsanleihen und den Anleihen der sogenannten Emerging Markets (Schwellenländer wie Brasilien, Thailand).

      Dieser Renditeunterschied schlingerte ungefähr einen Monat bei ca. 4,5 Prozentpunkten herum. Aber in den letzten zwei Monaten sind die Kurse der Anleihen aus den Emerging Markets deutlicher gefallen, was die Rendite von Anleihen aus diesen Staaten auf durchschnittlich 9,25 % steigen ließ. Einige würden das als eine Flucht in Qualitätstitel beschreiben. Ich sehe das anders. Denn die US-Staatsanleihen sind keine "Qualitätstitel" mehr, angesichts eines prognostizierten Haushaltsdefizits von 521 Milliarden Dollar und Gesamtschulden von über 7 Billionen (alleine auf Bundesebene). Derzeit ist der Markt noch damit zufrieden, den Dollar für die Ausgabensünden der US-Regierung zu bestrafen, während die Kurse der US-Anleihen noch verschont bleiben. Noch.

      Diese fünf Indikatoren führen mich zu der Annahme, dass der amerikanischen "finanziellen Wirtschaft" bald die Luft ausgehen wird. Bis jetzt hat sie nur die Kombination von niedrigen Zinsen, leichten Krediten und Steuersenkungen beflügelt ... aber früher oder später, wenn die Schulden weiter zunehmen, dann werden diese Stimulierungen nicht mehr effektiv sein.

      Dass der "finanziellen Wirtschaft" die Luft ausgehen wird, ist nicht sicher. Aber es ist sehr wahrscheinlich.

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      schrieb am 12.02.04 16:14:21
      Beitrag Nr. 1.360 ()
      Das notorisch werdende Spiel der Opec mit dem Feuer – Sie schadet der Weltwirtschaft und damit sich selbst
      (12.02.2004)

      An dieser Stelle haben wir schon mehrfach die These vertreten, die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) spiele mit dem Feuer. Heute müssen wir uns wiederholen. Grund dafür ist jedoch nicht der Überraschungseffekt, den die Beschlüsse vom 10. Februar bescherten, sondern die jetzt erneut bestätigte Strategie der Kartells, sich nicht mehr so um die makroökonomischen Verhältnisse zu kümmern, wie dies jedenfalls bis 1999 der Fall war.

      Die Beschlüsse selbst vermögen dem Ölmarkt zunächst wenig anzuhaben. Sie gelten vom 1. April an und beginnen das physische Angebot wegen der weiten Transportwege real erst in vier bis sechs Wochen zu beeinflussen. Die Förderung soll von bisher 24,5 Millionen Barrel auf 23,5 Millionen Barrel gedrosselt werden. Bis dahin will das Kartell auch die seit Monaten stark aus dem Ruder laufende Förderdisziplin wiederherstellen. Zuletzt wurden mindestens 1,5 Millionen Barrel täglich über die offizielle Obergrenze hinaus produziert.

      Besorgnis über die Beschlüsse der Opec, wenn sie denn wirklich durchgesetzt werden sollten, ist angebracht. Die geplante geringere Förderung würde selbst bei gleich bleibendem Bedarf einen angemessenen Wiederaufbau der Ölbestände in den bedeutenderen Verbraucherländern erschweren, wenn nicht gar verhindern. Die Quittung in Form wesentlich höherer Preise käme spätestens im Herbst.

      Nun darf man natürlich auch die Nöte der Opec nicht unterschätzen. Diese Länder beziehen ihre Erlöse aus dem Ölexport fast ausschließlich in US-Dollar, doch ihre Ausgaben werden zu einem bedeutenden Teil in „Hartwährungen“ wie dem Euro, dem Pfund Sterling und dem Yen abgerechnet. Real spürt das Kartell also die Abwertung der Greenback schon recht hart. Hinzu kommt, dass nahezu alle Mitglieder Haushaltsprobleme und andere finanzielle Schwierigkeiten haben.

      Doch es fragt sich, ob es klug ist, zu einem Zeitpunkt, da sich die Wirtschaft in den USA gerade erst unter Mühen wieder aufrafft, die Voraussetzungen für weiter steigende Energiekosten zu schaffen. Das Kartell scheint es riskieren zu wollen, an dem noch immer sehr komfortablen Ast, auf dem es sitzt, zu sägen. Dies gleicht dem Spiel mit dem Feuer.

      Eine völlig andere Frage ist natürlich, dass viel in die Suche nach neuen Ölvorkommen und in deren Erschließung investiert werden muss, um die künftige Versorgung sichern zu können. Dafür ist gewiss ein anhaltend hoher Ölpreis erforderlich. Doch es wäre im besten Interesse der Opec, für höhere Preise erst zu sorgen, wenn die Weltwirtschaft wieder auf festen Füßen steht.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber

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      Wussten Sie schon, dass...?
      (12.02.2004)

      Das größte Risiko, das aus der internationalen Verlagerung von Arbeitsplätzen erwächst, ist eine politische Gegenbewegung, die zu verstärkten Spannungen im weltweiten Handel führt.


      Stephen Roach, Morgan Stanley

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 13.02.04 17:18:22
      Beitrag Nr. 1.361 ()
      Minister Clement lobt Bushs Wirtschaftspolitik

      Tagespresse, Fernsehnachrichten und Kommentatoren schlagen Alarm: Amerika hat ein Rekorddefizit, der Dollar ist im freien Fall, die Banken stehen vor Gericht. Schon fürchtet man schlimmste Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, und überall kursieren Vergleiche mit den 30er Jahren. Selbst der vielzitierte Otto "Normalverbraucher" muß inzwischen wissen, daß es steil bergab geht mit der amerikanischen Wirtschaft.

      Ganz anders der Bundeswirtschaftsminister! Anläßlich eines Vortrags im Hause der Deutschen Wirtschaft in Berlin, zu der das Aspen-Institut - eine Frontorganisation der amerikanischen Neokonservativen - eingeladen hatte, beschwor Wolfgang Clement den "gewaltigen Aufschwung" der US-Wirtschaft.
      .....

      Wir wissen es nicht, auch bei intensiven Nachforschungen über die Motive des Ministers ergab sich ein sehr widersprüchliches Bild. In den politischen Kreisen der Hauptstadt kursieren u.a. folgende Vermutungen, was Herrn Clement zum öffentlichen Bewunderer der Bush-Regierung gemacht hat:

      1. Er hat einen neuen Berater: Jeffrey Gedmin vom Aspen Institut.
      .....

      Neuen Solidarität Nr. 7/2004


      Das ist natürlich ironisch gemeint. Nichtsdestotrotz: Jeffrey Gedmin ? Das ist dieser Typ hier:



      Sicherlich schon mal gesehen. Vor und während des Irakkrieges kam der plötzlich aus irgendeinem Loch gekrochen und trat ohne Unterlaß in so ziemlich jeder Talkshow auf die es so gibt. Selbstverständlich den Krieg verteidigend. Ein Bericht zum Thema: "PR-Agenten am Werk"

      Das Aspen Institut Berlin: HIER gehts zum Vorstand und Kuratorium. Lauter sehr bekannte Namen. Sowohl Firmen, als auch Personen. Z.B Dr. Gerhard Cromme, Vorsitzender des Aufsichtsrats Thyssen Krupp AG; Professor Dr.Ing. E.h. Hans-Olaf Henkel, Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz; Dr. Josef Joffe, Chefredakteur Die Zeit; Professor Dr. Rita Süssmuth MdB Mitglied im Auswärtigen Ausschuss Deutscher Bundestag, CDU/CSU-Fraktion; Karsten D. Voigt, Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Auswärtiges Amt; Dr. Tessen von Heydebreck, Mitglied des Vorstandes Deutsche Bank AG; Dr. Ing. E. h. Jürgen Weber, Aufsichtsratsvorsitzender Deutsche Lufthansa AG usw. usw.

      Nun habe ich mir mal die Mühe gemacht den Jahresbericht des "Aspen Institut Berlin" anzuschauen. Dort finden wir unter "IV. Zuwendungen Dritter" unter anderem die "Smith Richardson Foundation". Hierzu fand ich HIER folgendes:

      .....
      Im Aufsichtsrat der Stiftung sind neben vier Mitgliedern der Richardson-Familie u.a. Zbigniew Brzezinski, Samuel Huntington und Fred Charles Iklé. Letzterer, ehemaliger Staatssekretär für Politik im Verteidigungsministerium des Ronald Reagan, unterzeichnet im Frühjahr 1997 das Gründungsstatement des Project for The New American Century (PNAC).
      HIER gehts zum "Board of Governors". Genannte Namen sollten mittlerweile jedem ein Begriff sein !! Und falls noch nicht bekannt, könnt ihr HIER was kurzes zum zum "Project for The New American Century" lesen !
      Weiterhin finden wir dort als edlen Spender den "German Marshall Fund". Beim recherchieren kam mir mehrfach die "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik" in die Quere, das deutsche Pendant zum "Council on foreign Relations". Zufall ?

      Außerdem finden wir dort jemanden Namens "Roger Hertog". Hierzu verweise ich auf einen Artikel von heise.de: "Die Fürsten des IV.Weltkriegs"

      Ein weiterer Name der dort auftaucht ist " Zak Gertler". Besagter Mensch sitzt im Management board des "German British Forum". In selbigem Board sitzt auch Lord Watson of Richmond, Chairman, Europe Burson-Marsteller. Burson Marsteller ? Da war doch was:

      Burson-Marsteller gilt als das weltweit größte Public Relations Unternehmen. U.a. arbeitete die USamerikanische PR-Agentur mit über 100 Filialen in allen Kontinenten für die wichtigsten zivilen und militärischen Atomfirmen in den USA wie AT&T oder McDonnell Douglas. 1979, nach dem Beinahe- GAU des AKW Three Miles Island, entwickelte das PR-Unternehmen die Krisenkommunikationsstrategien für Babcock-Wilson, dem Betreiber des AKWs. Ebenso wurden die PR-Krisenspezialisten auch von Union Carbide 1984 nach der Bhopal Katastrophe in Indien sowie von Exxon 1989 nach der Exxon-Valdez-Ölkatastrophe in Alaska angeheuert.(7)
      .....
      Neben Hill & Knowlton gehört seit dem Jahr 2000 auch Burson-Marsteller zur WPP-Group, die heute über 80 Unternehmen mit insgesamt 55.000 Angestellten in 92 Ländern ihr eigen nennt. Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Großbritannien betreibt alleine 18 weltweit agierende Public Relations-Firmen. Martin Sorell, Gründer und Direktor von WPP, ist sich der Macht seiner Unternehmensgruppe bewusst. Ohne zu übertreiben, stellt "der Machiavelli der Madison Ave."(47), so das Time Magazin über Sorell, klar: "WPP ist eine potentielle Machtzentrale, eine gigantische Propaganda-Maschine.
      Überhaupt, in diesem Board kommen einem ebenfalls viele Firmen sehr bekannt vor.
      Zusätzlich ließen sich noch ein paar andere nicht Lumpen, z.B. die NATO (mit sehr hohen Zuwendungen), Lockhead Martin, Merck und -der deutsche Steuerzahler wird begeistert sein- die Kreditanstalt f. Wiederaufbau und das BM fur Familie.
      Ohne Ende Verquickungen. Alles ZUFALL ?? NEVER !! Muß uns da noch irgendwas wundern ? Wir werden verarscht wo es nur geht !!



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      Hammerhart !

      CREDIT EQUIVALENT EXPOSURE OF THE 25 COMMERCIAL BANKS AND TRUST COMPANIES WITH THE MOST DERIVATIVES CONTRACTS (SEPTEMBER 30, 2003)

      Die schlimmsten Beispiele:

      $ MILLIONS, RATIOS IN PERCENT


      BANK NAME TOTAL
      DERIVATIVES TOTAL CREDIT EXPOSURE TO CAPITAL RATIO
      (%)
      JPMORGAN CHASE BANK 34,151,143 783.0
      BANK OF AMERICA NA 13,803,216 237.1
      CITIBANK NATIONAL ASSN 10,812,626 240.8
      HSBC BANK USA 1,199,636 219.9
      .....


      http://www.occ.treas.gov/ftp/deriv/dq303.pdf (Table 4)


      Dazu habe ich zufällig ein paar nette Bildchen gefunden:

      - FINANCIAL WEAPONS OF MASS DESTRUCTION -





      Finally, consider that the seven banks shown comprise derivative portfolios that total more than $64.2 trillion in notional values while total assets are only $2.7 trillion. We have always surmised that a worst case scenario could impact as much as 2% of the notional values involved.

      If we are correct, the worst case scenario could impact roughly half of the seven major bank`s assets.
      .....



      Zur Erklärung zu Tobin Q bitte HIER (vom 28.01.04) nachschauen !

      Aus: Ticket To Ride - ADDITIONAL PROOF OF THE GREATEST STOCK MARKET MANIA OF ALL TIME -



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      Stündlich 355.000 Euro Schaden durch Verbraucher-Pleiten Handy und teures Auto als Einstieg in die Schuldenfalle - 2004 erstmals mehr Privatleute als Firmen

      Stündlich 355.000 Euro Schaden durch Verbraucher-Pleiten Handy und teures Auto als Einstieg in die Schuldenfalle - 2004 erstmals mehr Privatleute als Firmen

      Bremen (AP) Verbraucherinsolvenzen haben im vergangenen Jahr in Deutschland einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 3,1 Milliarden Euro verursacht. Bei insgesamt 33.684 eröffneten Verfahren habe der durchschnittliche Schaden pro Fall 92.431 Euro betragen, teilte das Inkasso-Unternehmen Seghorn am Mittwoch in Bremen mit. «Welche Dimension die Insolvenzschäden durch Verbraucher bereits angenommen haben, wird noch deutlicher, wenn man den Bezug zur Zeit herstellt: Stündlich ging der deutschen Volkswirtschaft danach 2003 mit 355.418 Euro der Wert von zwei Einfamilienhäusern verloren.»

      Die Zahl der Privatinsolvenzverfahren habe im vergangenen Jahr nach den jetzt vorliegenden Zahlen dramatisch um 69,6 Prozent zugenommen, hieß es weiter. Das Gesamtschadensvolumen stieg demnach um 31 Prozent von knapp 2,4 Milliarden Euro auf nunmehr 3,1 Milliarden Euro. Pro eröffnetem Verbraucherkonkurs sank das durchschnittliche Schadensvolumen von 110.758 Euro auf 92.431 Euro. Unberücksichtigt blieben bei dieser Berechnung die Kosten des eigentlichen Insolvenzverfahrens.

      Handy und Auto bilden laut Seghorn-Inkasso nur der Einstieg in die Überschuldung. «Verbraucherinsolvenzen sind kein Problem der Handy-Schulden. Wer in die Privatinsolvenz geht, ist ein Großschuldner, für den das Handy und ein zu teures Auto oft der Anfang vom Einstieg ins finanzielle Aus waren», erklärte Seghorn-Geschäftsführer Stephan Jender bei der Vorstellung der Zahlen in Bremen. «Bis sich die unbezahlten Forderungen auf über 90.000 Euro summierten, muss aber der tragbare Kreditrahmen noch mit vielen weiteren Ausgaben überzogen worden sein, bis das endgültige Aus kam.»

      Für 2004 prognostizierte Jender eine Fortsetzung der dramatischen Entwicklung. «Wir rechnen damit, dass sich die Zahl der Verbraucherinsolvenzen in diesem Jahr deutlich über die 40.000er Marke bewegen wird. Damit werden in diesem Jahr in Deutschland voraussichtlich erstmals mehr Verbraucher als Firmen pleite gehen.» Für 2004 rechnet das Unternehmen mit einem Rückgang der Firmeninsolvenzen auf unter 39.000 Verfahren.

      http://de.news.yahoo.com/040211/12/3vmfm.html

      m K. Ohne Schulden läuft das System eben nicht!
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      Nur Link:

      Essen ohne Gentechnik - Ein Einkaufsratgeber für gentechnikfreien Genuss

      http://www.greenpeace.org/multimedia/download/1/403763/0/Ein…
      Avatar
      schrieb am 14.02.04 21:21:51
      Beitrag Nr. 1.362 ()
      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14005OffenerBriefHar…


      Egon W. Kreutzer, Schrobenhausener Str. 15, 86556 Kühbach-Unterbernbach

      Zweiter Offener Brief zum Stellenabbau in Deutschland
      veröffentlicht im Internet unter


      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14005OffenerBriefHar… als e-mail an den Verteiler meines Newsletters versandt, sowie dem Forum Demokratische Linke (Forum DL21), dem LabourNet sowie dem Betreiber der Site "Feldpolitik" zur weiteren Veröffentlichung und Verbreitung angeboten am 12. Februar 2004


      Herrn Dr. Peter Hartz
      Volkswagen AG
      Berliner Ring 2

      38440 Wolfsburg



      Freitag, 13. Februar 2004

      Halbzeit


      Sehr geehrter Herr Dr. Hartz,

      Anfang Oktober 2002 erklärten Sie in einem vielbeachteten Interview mit dem Stern :

      "Ich bleibe dabei, dass wir mit einer Projektkoalition aller Profis der Nation die Zahl der Arbeitslosen bis zum 30. Juni 2005 um zwei Millionen senken können."

      Ein Jahr später, am 2. Oktober 2003, habe ich mich mit einem offenen Brief an Sie gewandt und um eine aktuelle Einschätzung der eingetretenen und noch zu erwartenden Wirkungen der nach Ihnen benannten Gesetze gebeten. Eine konkrete Antwort blieb aus, stattdessen erhielt ich aus Ihrem Hause den Hinweis auf eine öffentliche Veranstaltung in Berlin, die zum einjährigen Vorliegen der Vorschläge eine Zwischenbilanz gezogen habe, deren Ergebnisse ich bei Prof. Schmid oder Prof. Jann anfordern könne.

      Am 25. November 2003 teilte mir das Institut des Prof. Schmid mit, dass in diesem Jahr (2003) nicht mehr mit der Veröffentlichung des Berichtes "1 Jahr Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" gerechnet werden könne. Ich habe ihn bis heute nicht erhalten. Was bleibt mir anderes übrig, als mich erneut an Sie persönlich zu wenden?


      Die Hälfte der verfügbaren Zeit ist verstrichen, doch Fortschritte sind nicht zu erkennen.

      Seit dem 2. Oktober 2002 - und das sind heute genau 500 Tage - führe ich eine Statistik über Arbeitsplatzvernichtung und Stellenabbau in Deutschland. Bis zum 30. Juni 2005 bleiben weitere 503 Tage, um den von Ihnen versprochenen Abbau der Arbeitslosigkeit in die Wege zu leiten. Ziemlich genau ein Jahr nachdem Sie meines Wissens letztmals öffentlich bekundet haben, es sei möglich, die Zahl der Arbeitslosen bis zum 30. Juni 2005 um 2 Millionen zu senken, hatte die Zahl der in Deutschland zum Abbau freigegebenen Arbeitsplätze die Millionengrenze übersprungen. Seitdem sind wieder vier Monate vergangen.

      Am fünfhundertsten Tag der Zählung - zur Halbzeit also - verzeichnet meine Statistik mehr als


      1.570.000 abgebaute bzw. zum Abbau vorgesehene Arbeitsplätze.

      Den jeweils aktuellen Stand dieser Statistik finden Sie, wenn Sie diesem Link folgen. Meine Statistik gibt keinen Hinweis darauf, dass sich das Tempo des Stellenabbaus vermindern würde, im Gegenteil, die bekannt gewordenen Personalplanungen der Unternehmen und der öffentlichen Arbeitgeber weisen eindeutig auf einen weiter beschleunigten Stellenabbau und damit - trotz Ich-AG und Mini-Jobs - auch auf eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit hin.

      Soweit zu meiner Statistik, die zwar in ihrer Art einzigartig, aber durchaus nicht die einzige Statistik zum Thema ist.

      Das über jeden Zweifel erhabene Statistische Bundesamt sagt uns, die Beschäftigung sei rückläufig. Die Bundesagentur für Arbeit weist derzeit rund 4.6 Millionen Arbeitslose aus und die begleitenden Meldungen aus den Medien legen die Annahme nahe, dass die den Zahlen aus dem Jahr 2002 vergleichbare Arbeitslosenzahl wohl eher bei 6 Millionen liegen dürfte, würde sie weiterhin nach der Zählweise aus den Zeiten Jagodas und unter Verzicht auf jene neuen, rigiden Maßnahmen zur Aberkennung des Arbeitslosen-Status, die Florian Gerster eingeführt hat, ermittelt.

      Da ich annehme, dass Sie die offziellen Zahlen nicht bestreiten wollen, erlaube ich mir die Frage:

      Warum, Herr Dr. Hartz, melden Sie sich zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zu Wort?

      Glauben Sie wirklich, mit der bloßen Ablieferung der Konzepte sei der Job getan? Glauben Sie wirklich, alle Umsetzungsprobleme könnten ausschließlich auf Unfähigkeit oder Unwilligkeit der mit der Realisierung beauftragten Menschen zurückgeführt werden? Oder glauben Sie an die finsteren Mächte und an die vom Kanzler immer wieder bemühten, ominösen "Veränderungen in den ökonomischen Grundlagen", die selbst der eigenen Partei nicht zu vermitteln waren?

      Sehen Sie inzwischen nicht auch die tatsächlich vorhandenen Schwächen der Konzepte?



      Meine Prognosen in Bezug auf die Wirkung der sog. "Hartz-Konzepte" sind bisher weit gehend eingetroffen.

      Die allererste stammt vom 24. Juni 2002 und nahm den von Anfang an erkennbaren Plan einer in erster Linie "statistischen" Problemlösung auf`s Korn. Die letzte stammt vom 2. Oktober 2002 und erklärt, dass es unmöglich sein wird, eine funktionierende Projektkoalition aller Profis der Nation herzustellen. Alle von mir verfaßten Kommentare zum Hartz-Konzept sind über den hier gesetzten Link zu erreichen.

      Glauben Sie mir, es freut mich wirklich nicht, Recht behalten zu haben, aber niemand kann übersehen, dass Ihre Prognosen nicht eingetroffen sind und dass das große Ziel des Abbaus der Arbeitslosenzahlen auch nicht annähernd erreicht werden kann.



      Ich appelliere daher erneut an Sie:

      Sehr geehrter Herr Dr. Hartz,

      falls Sie inzwischen neue Erkenntnisse gewonnen haben, aus denen heraus Sie heute zu anderen Urteilen und anderen Vorschlägen kommen, als sie von der Kommission vorgelegt und von der Regierung in Gesetzestexte gegossen wurden, dann melden Sie sich zu Wort!

      Es ist höchste Zeit, alle Kraft darauf zu konzentrieren, Deutschland als jenen demokratischen und sozialen Bundesstaat zu erhalten, den die Verfassung gebietet. Wir dürfen nicht weiter tatenlos zusehen, wie Deutschland endgültig zum beliebigen Standort für die Geschäfte "vaterlandsloser" Global Player verkommt, oder diesem Trend sogar noch Vorschub leisten.

      Es wäre schön, Sie - nach allen Mühen und Plagen, nach allen Irrungen und Wirrungen, nach allem Streit und aller Polemik - auf der Seite der Verteidiger des Artikel 20, GG zu wissen.



      Mit besten Grüßen

      Egon W. Kreutzer
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 20:43:46
      Beitrag Nr. 1.363 ()
      16.2.2004
      Arbeitsmarktreform droht neuer Rückschlag

      Mit der Insolvenz der deutschen Tochter des niederländischen Personaldienstleisters Maatwerk steht der größte deutsche Betreiber so genannter Personal-Service-Agenturen (PSA) möglicherweise vor dem Aus
      . Damit droht der Arbeitsmarktreform ein neuer Rückschlag.

      Die Bundesagentur für Arbeit (BA) habe mit Maatwerk Deutschland rund 200 Verträge abgeschlossen, sagte ein BA-Sprecher am Montag. Von der Insolvenz seien rund 9500 PSA-Beschäftigte betroffen. Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ) berichtete unter Berufung auf eine Veröffentlichung im Internet, dass die deutsche Maatwerk-Tochter beim Hamburger Amtsgericht Insolvenzantrag gestellt hat. Die Aufregung bei der BA sei groß. Einschließlich der Maatwerk-Mitarbeiter seien rund 10.000 Menschen von Arbeitslosigkeit bedroht. Maatwerk gilt in Arbeitsmarktkreisen als ein Personaldienstleister, der ausgesprochen offensiv das Instrument der PSA einsetzte.

      Im Fall der PSA-Beschäftigten werde wie bei Mitarbeitern normaler Unternehmer verfahren: Sie müssten sich umgehend arbeitslos melden. "Für uns sind sie Arbeitnehmer wie in einem normalen Unternehmen", sagte der BA-Sprecher. Derzeit werde noch geprüft, ob sie einen Anspruch auf Insolvenzgeld hätten. Gleichwohl würden die örtlichen Arbeitsagenturen - die früheren Arbeitsämter - versuchen, die Betroffenen rasch zu vermitteln. Dies sei allerdings bei PSA-Beschäftigten nicht ganz leicht, da nur schwer vermittelbare Arbeitslose für den Einsatz bei PSAs in Frage kämen. Auch werde versucht, sie in anderen Personal-Service-Agenturen unterzubringen. "Derzeit sind nur 32.000 der insgesamt 44.000 PSA- Plätze besetzt", sagte der Sprecher.

      Personal-Service-Agenturen sind eines der zentralen Säulen der Hartz-Reform. Das Konzept der vermittlungsorientierten Zeitarbeit setzt darauf, Arbeitslose in Zeitarbeitsunternehmen zu beschäftigten. Die Firmen erhalten dafür einen Zuschuss. Die von ihnen für diesen Zweck gegründeten Personal-Service-Agenturen vermitteln die bisherigen Arbeitslosen zeitlich befristet an Drittfirmen. In der Zeit, in der PSA-Beschäftigte unvermittelt sind, ist das Zeitarbeitsunternehmen dazu verpflichtet, sie in Kursen für den Arbeitsmarkt fit zu machen.

      http://www.ftd.de/pw/de/1076749978632.html?nv=cd-divnews
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 20:58:23
      Beitrag Nr. 1.364 ()
      http://www.bwl-bote.de/index.htm


      ------------------


      Zinsinformationsverordnung: Völlige Aufhebung des Bankgeheimnisses bei Zinserträgen



      Nachdem die Banken schon jetzt gemäß §24c KWG sämtliche Kundenstamm- und Bewegungsdaten zum automatisierten Abruf bereithalten müssen, also jederzeit Auskünfte über alles geben müssen, aber selbst nicht wissen, was, wann über wen abgerufen wurde (wir berichteten), tritt nunmehr die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in Kraft, durch welche sämtliche Zinserträge automatisch den Finanzbehörden gemeldet werden.

      Grundlage für die neue Offenlegungspflicht ist der seit Januar geltende §24c EStG, der nunmehr im Detail durch die ZIV geregelt wird. Die Verordnung geht aber weiter als das Gesetz. So muß etwa nach §3 ZIV der wirtschaftliche Eigentümer einer Zinszahlung ermittelt werden - von den Banken, die damit fast schon polizeiliche Ermittlungsaufgaben erhalten! Auch das Verfahren bedient sich schon der neuen Überwachungsmittel: so soll die Identifikation der Wirtschaftlichen Eigentümer von Zinseinkünften über die neue Personenkennzahl erfolgen, die nach DDR- aber u.a. auch nach USA-Vorbild derzeit eingeführt wird. Wir sind damit der vortuellen Steuerfahndung per Suchmaschine, die offensichtlich das Ziel der derzeitigen Verschärfung von Kontroll- und Überwachungsnormen ist, wieder ein großes Stück nähergekommen.

      Aus strategischer Sicht lehrt uns das, daß es offenbar keine gute Idee mehr ist, mit Geld vorzusorgen. Was viele tun, ist auch das erste Ziel begehrlicher Abzockeversuche des gierigen Schnüffelstaates. Diese Lektion sollten wir aber auch schon früher gelernt haben, beispielsweise beim dem dreisten Renten-Raub der Zwangsversicherung an den Betriebsrentnern. Daß hier inzwischen eine Klage in Karlsruhe vorliegt, nützt vermutlich wenig, denn die Verfassungsrichter haben schon mehrfach ihre Systemtreue bewiesen. Natürlich entmutigen solche Schatzhebungen die Sparer, weitere Gelder in ihre Altersvorsorge zu investieren, so daß mit einer weiteren Ausdünnung der durch den Staat ja schon lange nicht mehr gesicherten Renten zu rechnen ist. Das Problem wird also nicht gelöst, sondern nur verschoben. Wir haben die Wirtschaft aber nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen. Nur daß sich das bis in die politische Kaste noch nicht herumgesprochen hat.

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      Wie wir prognostiziert haben: Pfand auch auf Getränke-Kartons

      Schon letztes Jahr haben wir die Einführung eines Zwangspfandes auf Getränkekartons prognostiziert. Dies scheint nunmehr ab 2005 einzutreten. Nicht vorhersehen konnten wir freilich die Verlogenheit und Arroganz von Jürgen Trittin, der allen Ernstes behauptet hat, die Einführung eines weiteren Zwangspfandes verhindern zu wollen. Aber betrachten wir die Details:

      Nach der derzeitigen Rechtslage bei der Verpackungsverordnung tritt nämlich die Zwangspfandregelung "automatisch" ein, sobald eine bestimmte Mehrwegquote unterschritten ist, und zwar ein halbes Jahr nach Veröffentlichung der aktuellen Mehrwegdaten. Mit der Bekanntgabe dieser Daten wird bis zum Sommer gerechnet, was zum 1. Januar 2005 zum Tetrapack-Pfand führen würde.

      Schon diese Regelung ist bemerkenswert: die Verpackungsverordnung enthält nämlich nur Regelungen über die "automatische" Einführung, nicht aber über die vielleicht ebenso automatische Abschaffung von Zwangspfandregelungen, denn sonst müßte die Zwangsbepfandung von Colagetränken in Plasteflaschen sofort eingestellt werden, weil dort die von der Verpackungsverordnung festgelegte Mindest-Mehrwegquote schon lange beiweitem überschritten wird.

      Auch weiteren Ärger hat es schon gegeben. So hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt, weil das derzeitige Zwangspfandsystem ausländische Anbieter benachteiligt. Auch soll die Zwangsregelung schon Tausende Arbeitsplätze gekostet haben, da der Handel immer mehr die Dosen aus den Regalen wirft (wir berichteten). Das ficht Herrn Trittin jedoch nicht an, der stattdessen mit der Halsstarrigkeit eines trotzigen Kleinkindes an seinem ökoideologischen Lieblingsprojekt festhält.

      Selbst ganz einfache Vernunftargumente sprechen gegen jegliche Form des Zwangspfandes. Will man nämlich wirklich Energie und Ressourcen sparen, dann sollte man erst überlegen, ob zumindestens bei Plastebehältern der entsprechende Energie- und Ressourcenverbrauch für den erneuten Transport, die Reinigung, Neuetikettierung und erneute Befüllung der benutzten Flaschen nicht höher ist als die Ressourcenentstehung für deren energetische Verwertung, sprich Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage. Das wäre nämlich nicht nur kostengünstiger, sondern würde auch - anders als einst bei Glasflaschen - Energie produzieren (statt welche zu verbrauchen), was wiederum bekanntlich nicht erwünscht ist. Und zur Müllverbrennung hat die SPD ja ohnehin ein gebrochenes Verhältnis, aber das ist ein anderes Problem.

      So könnte der Kommunist Jürgen Trittin sich die selbstgeschaffenen Probleme mit der EU, einem aufsässigen Volk und schließlich auch der Wirtschaft ganz einfach durch die ersatzlose und sofortige Abschaffung aller Zwangssysteme vom Hals schaffen. Doch das tut er natürlich nicht. Vielleicht äußert er bald wieder klammheimliche Freude, diesmal über das Chaos in der Wirtschaft, das er angerichtet hat.
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 20:59:22
      Beitrag Nr. 1.365 ()
      Satire des Monats





      Sich arm sanieren oder neues riskieren
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:08:58
      Beitrag Nr. 1.366 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de



      Mit voller Kraft zurück! 15.02.2004

      DIESE WOCHE
      Diese Woche denkt der Spatz über die Golddeckung der Währung nach, und über ihren Verbleib. Er untersucht, wie weit der geldwert schon ausgehöhlt worden ist, und was man tun könnte, wieder solides Geld zu schaffen, und weshalb es nicht getan wird. Wie immer voller unkonventioneller und politisch völlig unkorrekter Gedanken ist dieser Beitrag eine einzige Aufforderung zum Selberdenken und zum Selberhandeln...


      Am Golde hängt, zum Golde drängt...?


      Alle Umkehr ist schwer. Je größer das Schiff, das plötzlich rückwärts fahren soll, desto länger treibt es in der bisherigen Richtung weiter, wenn sich die Schrauben schon mit vollen Touren andersherum drehen. Bei Menschen ist das nicht anders. Nichts hatte mich als Kind wütender gemacht, als die Tatsache, etwas zu Hause vergessen zu haben und deshalb den bereits gegangenen Weg noch einmal gehen zu müssen. Etwas Ähnliches ist mir später einmal in Essen passiert, als ich Richtung Dortmund statt nach Düsseldorf auf die B1 gefahren bin. Ich habe mich maßlos geärgert. Der Ärger stand in keinem Verhältnis zu den Kosten an Zeit und Sprit. Hier war mehr im Spiel, nämlich Psychologie. Wie erst, wenn die Umkehr das ganze bisherige Leben und Schaffen betrifft. Hierbei läßt die Resignation - weil sich das versäumte kaum zurückholen oder einholen läßt - meist nicht viel Ärger aufkommen. Doch bis es zum Umschalten kommt - siehe Ozeandampfer.

      Umkehr täte heute wohl Not. Denn wer wollte weiterhin unserer Weltführung hinterherlaufen? Die Herren über Einkommen, Renten und die Lebensinhalte unseres Arbeitslebens, kurz die G-7 Führer des Weltfinanzsystems trafen sich letztes Wochenende in Boca Raton in Florida, um über die Situation zu sprechen. Natürlich ist von den Gesprächen außer ihrer Abschlußerklärungen nichts bekannt, doch die fordert: Waschen ohne naß zu werden. Da steht: "Wir halten fest, die Wechselkurse sollten die wirtschaftlichen Grundtatbestände widerspiegeln. Übermäßige Volatilität und ungeordnete Bewegungen auf den Währungsmärkten sind für das Wirtschaftswachstum nicht wünschenswert". Aber schon wenige Absätze später forderten sie: "Mehr Flexibilität bei den Wechselkursen sei für große Länder und Wirtschaftsgebieten zu wünschen, denn das Fehlen dieser vom Marktmechanismus bedingten Flexibilität verhindert es, im internationalen Finanzsystem eine weiche, weitreichende Anpassung zu erzielen". Greenspan trat in seiner Rede vor dem Kongreß am 11.2. vehement für "Flexibilität" und gegen Protektionismus ein. Mit letzterem meinte er nicht Bushs Protektionismus gegen Terroristen. Greenspan und Co. sagen nicht so recht, wovor nicht geschützt werden soll. Das soll sich jeder nach Wunsch ausdeuten. Nur, wer sagt uns, daß denen "Wirtschaftswachstum (das Volatilität verhindert) wünschenswert" ist? Immer diese trügerischen Selbstverständlichkeiten! Eher wünschen sie sich schon die "Anpassung".

      Sollte man, kann man das Ruder herumreißen? Der russische Nachrichtendienst Novosti berichtete von der Pressekonferenz des russischen Präsidentschaftskandidaten Sergeij Glazjew am 5.2. in Moskau. Der sagte: "Die entscheidende Priorität kommt in der heutigen Weltpolitik der Formierung einer neuen Finanzarchitektur zu. (...) Unter dem Druck der übertriebenen Dollaremissionen der letzten 30 Jahre bricht zur Zeit das Finanz- und Wirtschaftssystem der gesamten Welt zusammen". Die Russen hätten, weil die Regierung nicht auf seine Warnungen gehört hätte, bereits 20 Mrd. Dollar verzockt, dann wieder wörtlich: "Heute kann nur Rußland der Welt den Übergang zu einem neuen, gerechten und verläßlichen Weltfinanzsystem anbieten, das sich auf eine breite Grundlage vieler gleichberechtigter nationaler Währungen stützt". Er führt dann aus, warum Europäer und Chinesen das nicht können, und daß er nicht zuletzt aufgrund eines Gesprächs mit Prodi von der EU wisse: "Die Europäer wollen so etwas, die Chinesen und die Inder. Es zeigt sich, daß sich ein Konsens zwischen großen Ländergruppen finden läßt, um zu einem neuen Weltfinanz- und Geldsystem überzugehen, das stabiler, verläßlicher und gerechter wäre. Das wäre die höchste Priorität für Rußland, um es in der Welt durchzusetzen." Wer wollte das? Und das auf der Seite Rußlands? - siehe Ozeandampfer.

      Etwas Neues ist nötig, das zeigt die Hektik der "Finanz-Experten" hinter den Kulissen der G-7 und anderer Clubs. Wem soll man den Schwarzen Peter zuschieben: der internationalen Großfinanz oder der Bevölkerung. Die Antwort des Westens dürfte klar sein. Dabei sollte zusätzlich noch etwas herausspringen. Was, welche Lösung ist denkbar? Spekulieren wir also! Laß den Dollar in den Keller rauschen, erkläre ihn schließlich für wertlos und führe im allgemeinen Chaos ein neues goldgedecktes, also Gewißheit ausstrahlendes Zahlungsmittel ein, zum Beispiel den Mundo! "Geht doch nicht", weiß Otto Normverbraucher ohne an den 11. Juli 1836, den 13. August 1841 und viele ähnliche Ereignisse in den USA zu denken - "die USA ist hochverschuldet, wo wollen die die Golddeckung hernehmen?" Er braucht nicht zu fragen wer ist die USA, eher, wohin ist all das Gold gegangen. Wo ist das "Nazi-Gold" geblieben oder viel interessanter, weil es viel mehr war, wohin ist das in Südostasien über Jahrhunderte gehortete Gold geraten, das sich die Japaner im 2. Weltkrieg mit äußerster Brutalität aus den Schatztruhen der Familien und Clans geholt hatten. Und dann das ganze Gold, das die Zentral- und Nationalbanken in den letzten Jahrzehnten auf Anregung der Federal Reserve Bank und der US-Papiergoldpolitik abgestoßen haben, nachdem man vereinbart hatte, den Goldpreis zu Gunsten der Wertpapierspekulation in den Keller zu drücken?

      Wo ist es geblieben, und wo die Goldbergwerke, die für Nachschub sorgen könnten? Sie hatten in den letzten Jahren sehr schlechte Karten, weil der Goldpreis Jahrzehnte unter den Gestehungskosten lag. So etwas hält man als Unternehmen nicht lange aus, wenn nicht... Nun, wenn nicht was? Wenn einem nicht die Banken dabei helfen. "Sind die schizophren? Einmal drücken sie den Goldpreis unter die Herstellungskosten, andererseits sichern sie sich die Goldbergwerke". Schizophren oder Schlau, jedenfalls haben sie etwas vor - und sicherlich keine Geschenke. Vermutlich ahnen Sie schon, wo das Gold geblieben ist. Etwas davon haben sicherlich weiterblickende Scheichs im Wüstensand vergraben, denn - man kann ja nicht wissen, und Großvater und Urgroßvater waren nicht so dumm, wie uns die vom Westen weis machen wollen. Auch wird so mancher Südostasiate, der dazu in der Lage war, den alten Familienschatz wieder etwas aufgefüllt haben. Und der Rest?

      Dann ist da noch Rußland. Es hatte beträchtliche Goldreserven, weil es ja auch eine nicht unerhebliche eigene Goldproduktion hatte. Nun, das hat die internationale Mafia unter ihrem Präsident Gorbatschow und noch westlicher unter ihrem Mitbruder Jelzin nach 1985 gründlich geändert. Außerdem gab es 1998 eine Krise der russischen Zahlungsfähigkeit, in der alles, was nicht niet und nagelfest - und selbst dieses - verscherbelt wurde, darunter natürlich auch das verfügbare Gold. An wen wurde es verscherbelt? Jedenfalls dachte Glazjew nicht an eine Goldwährung, sondern an einen Währungskorb wie den in Bretton Woods 1944 geflochtenen - nur sollte der nicht nur in einer Hand sein.

      Der Polit-Buhmann Lyndon LaRouche hatte um 1975 (als es noch möglich war) schon einmal einen goldenen Rubel als Internationales Zahlungsmittel in einem Entwicklungsdreiecksgeschäft vorgeschlagen: Rußland rüstet Entwicklungsländer mit derber aber leistungsfähiger Technik aus, kauft für den Ertrag westliche Hightech und der Westen deckt sich aus den Entwicklungsländern mit exotischen Früchten, Rohstoffen und - das stand nicht im Programm - Arbeitskräften ein. (Seitdem ist er eine Person, die keine "anerkannte" Person kennen darf). Die Idee entsprach damals ganz offensichtlich nicht westlichen Interessen. Aber sie war bei Grünspan und Co. bekannt. Doch inzwischen verlangen andere Verhältnisse andere Maßnahmen.

      Vor einigen Jahren dachte man in Rußland später in Malaysia über eine neue internationale Goldwährung nach. Vor 14 Tagen sprach - wie berichtet - sogar der Japanische Finanzminister von so etwas. Was würde geschehen? Die USA wären auf einen Schlag schuldenfrei, behielte aber alles, was sie für ihr luftwaffengedecktes Papiergeld an realen Werten erworben hatten: Fabriken. Eisenbahnlinien, Rechte an Medien, Politikern und anderes. Freilich wären auch alle Dollar-Forderungen der USA an andere wertlos. Doch was sind die schon wert? Nehmen Sie Argentinien. Sein Präsident, Nestor Kirchner, kommt mit dem IWF nicht klar, weil er seinen Landsleuten nicht Sherlocks Pfund Fleisch aus den Rippen schneiden lassen will. Etwas anderes ist dort nicht mehr zu holen, denn es ist bereits verpfändet - nur auf dem Botschaftsgebäude in den USA klebt noch kein Kuckuck. Was also sind solche Forderungen wert? Das gilt inzwischen für die meisten Schuldner. Die Schulden haben ihren Dienst getan, sie können gehen. Außerdem trifft es die Konkurrenz, die weit mehr zu fordern hat, noch schlimmer: Zum Beispiel Ihre Versicherung, das heißt Ihre "hohe Kante".

      Was wäre gewonnen? Im dann einsetzenden Chaos, sucht jeder nach "wirklichen" Werten, "Goldgedeckten". Da kann Glazjews Währungskorb nicht mithalten. (Damit er gar nicht erst ins Gespräch kommt, wetterten Rumsfeld und McKain auf der jüngsten Wehrkundetagung wie in alten Zeiten gegen die Kommunisten, pardon natürlich gegen Rußland (Ihre Zeitung auch schon?). Das neue Geld wird der ausgeben, der das Gold gesammelt hat: Private Bankenkonsortien vereinigt als FED oder Weltbank oder etwas anderes. Da bekanntlich Geld die Welt regiert, regieren die alleinigen Gelddrucker dann auch alleine die Welt. Wie sagte doch der später US-Präsident John Quincy Adams 1821 in einer Rede vor dem US Kongreß über die US-Unabhängigkeit: "Sie war der Grundstein eines neuen (politischen) Gebildes, das dazu auserkoren ist, die gesamte Erdoberfläche zu bedecken". (Wer war und ist die US und was meint ihre Unabhängigkeit? Immer diese Selbstverständlichkeiten)

      Die Weltrevolution drängt an ihr Ende. Ist es die von Karl Marx? Völlig ausgeschlossen? Lesen Sie mal wieder das Kommunistische Manifest und was dort über Bankierssozialismus steht. Doch halt, fast hätte ich vergessen daran zu erinnern. Spekulation! Das alles war nur Spekulation. Was Grünspan und Co. vorhaben wissen wir nicht und werden es von den Medien nicht erfahren. Also weitermachen - siehe Titanic. Ist ja auch bequemer so.

      lösung?
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:18:02
      Beitrag Nr. 1.367 ()
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      16.2.04 Spare in der Not, dann bist du tot

      Reformen, Anpassungen, sparen, sparen, sparen ... Schön langsam kann das keiner mehr hören und immer mehr ahnen, dass sich eine Gesellschaft auch zu Tode sparen kann. ... Volkswirtschafter Heiner Flassbeck, Chef der Abteilung für Makroökonomie und Entwicklungspolitik der UN-Organisation UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) in Genf, sieht ein Ende des Sparens erst nach einer Krise.


      OÖN: Was passiert, wenn alle sparen?

      Flassbeck: Wenn alle sparen, gibt es eine Katastrophe. Dann bricht die Wirtschaft zusammen. Jemand muss sich verschulden, sonst sinkt das Einkommen aller Beteiligten, die Folge ist eine Abwärtsspirale.

      OÖN: Aber fast alle stimmen in das Spar-Credo des Neoliberalismus ein. Warum?
      Flassbeck: Neoliberalismus ist eine einfache Lehre. Wenn es schlecht geht, muss man sparen - vom einfachen Haushalt angefangen bis zum Staat. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen der Einzel- und der Gesamtwirtschaft: In der Gesamtwirtschaft sind die Einnahmen des einen immer die Ausgaben des anderen, einzelwirtschaftlich gilt das nicht. Das neoliberale Modell unterstellt zum Beispiel, dass bei sinkenden Löhnen die Beschäftigung steigt. Das funktioniert aber nicht. In Deutschland hinken die Reallöhne seit Jahren hinter dem Produktivitätszuwachs hinterher, die Beschäftigung aber sinkt und folglich sinkt die Binnennachfrage. Nur mit der Produktivität steigende Löhne stabilisieren - wie in den USA - Konjunktur und Beschäftigung.

      OÖN: Gegenmodell wäre der Keynesianismus, massive öffentliche Investitionen des Staates?

      Flassbeck: Der Keynesianismus hat sich in Europa leider nicht gegen das simple Denken durchgesetzt. Es ist unglaublich schwer, sich als Ökonom und Politiker gegen das unternehmerische Denken durchzusetzen. Niemand schafft es, auf einem Cocktailempfang einem Unternehmer oder Vorstandsvorsitzenden zu sagen, dass er von Volkswirtschaft nichts versteht. Dabei ist die Lehre uralt. Die neoliberale Wirtschaftslehre hatte ihre Blüte in den 20er-Jahren und hat damals in eine Weltkatastrophe - die Weltwirtschaftskrise - geführt, aus der der Keynesianismus entstand. Da stellt sich die Frage, was modern ist.

      OÖN: Umdenken ist nicht in Sicht?

      Flassbeck: Das Umdenken kommt erst nach der großen Krise. Weil es auch 2004 keinen wirklichen Aufschwung geben wird, sind wir allerdings vom Umdenken gar nicht so weit entfernt. Alle hoffen derzeit auf Rettung vom Ausland, namentlich aus den USA. Aber jetzt machen uns der fallende Dollar und der steigende Euro einen Strich durch die Rechnung, während die Inlandsnachfrage, der private Verbrauch vor allem, bestenfalls stagniert. Im Japan der 90er-Jahre hatte die Krise auch mit einer starken Aufwertung des Yen begonnen.

      OÖN: Kommen wir aus der Krise wieder heraus?

      Flassbeck: Wenn man einmal in dieser Abwärtsspirale ist, kommt man nur sehr schwer wieder heraus. Sinkende Löhne und in deren Folge Deflation haben auch 1929/30 in die Weltwirtschaftskrise geführt. Leider haben die meisten Ökonomen diese Lehre nicht verstanden. Deswegen müssen wir in Europa schon so lange leiden. Es wird so kommen wie in Japan - eine halb-deflationäre Situation, aus der man auch mit null Zinsen nicht herauskommt. Man müsste staatlicherseits die Konjunktur anwerfen, einen massiven Anstoß geben. Aber das geht nicht, weil die Defizite schon so hoch sind. Man wartet folglich auf Godot, auf ein Wunder aus dem Ausland; aber das wird nicht kommen.

      OÖN: Also kein positiver Ausblick?

      Flassbeck: Erst nach der Krise kann es besser werden. ... (OÖNachrichten vom 14.02.2004)




      Kommentar: Heiner Flassbeck hat vollkommen recht: Sinkt die Kaufkraft, dann können die Bürger immer weniger einkaufen und in der Folge kommt es zu einer deflationären Spirale aus sinkenden Löhnen, zurückgehender Kaufkraft, Arbeitslosigkeit, sinkenden Preisen usw.
      Jedes „Sparen“ verstärkt die Entwicklung weiter, weil noch weniger investiert wird. Jedoch hilft auch eine verstärkte Kreditaufnahme nicht weiter, da dann die Kapitalkosten steigen und die Wirtschaft abwürgen. Im heutigen System gibt es dabei keine Lösung, es muss zwangsläufig zur Krise führen. Mehr in der Neuerscheinung Deflation – die verheimlichte Gefahr“.
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      16.2.04 Zwangs-Zivildienst für Arbeitslose





      Im Zuge der Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes wird in den Parteien über kostengünstige Alternativen bei der Versorgung Alter und Kranker nachgedacht. Politiker von Union und FDP forderten, die Zivildienststellen künftig mit Langzeitarbeitslosen zu besetzen. Der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann sagte der "Bild am Sonntag", Arbeitslose sollten eine Gegenleistung dafür bringen müssen, dass sie Geld vom Staat erhielten. "Deshalb ist gemeinnützige Tätigkeit in sozialen Einrichtungen zumutbar." ... (FTD, 15.2.04)




      Kommentar: Kaum etwas zeigt die Krise unseres Systems so, wie der jetzige Vorschlag, Arbeitslose zu einer Art „Arbeitsdienst“ zwangszuverpflichten. Dabei wird gar nicht darüber diskutiert, warum es überhaupt Arbeitslosigkeit gibt, stattdessen werden nur die Folgen anders verteilt. Das sind typisch populistische Scheinlösungen der politisch Verantwortlichen, die etwas tun wollen, jedoch nichts ändern wollen oder können.


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      Rechtsprofessoren verlangen Ende der Rechtschreibreform


      Experten schicken Petition an den Bundestag

      ... Mit einem Appell an den Bundestag, die deutschen Landtage sowie die Nationalräte von Österreich und der Schweiz haben mehr als 50 deutsche und schweizerische Rechtsprofessoren die "sofortige Beendigung des Projekts Rechtschreibreform" gefordert. Durch die Art der Einführung sei bei vielen Bürgern "der Eindruck der demokratisch nicht legitimierten Bevormundung durch die Exekutive" entstanden. Überdies erweise sich das Reformwerk als "schlichtweg unbrauchbar". Durch die jüngsten Änderungen werde das bereits angerichtete Chaos nur noch vergrößert.

      In der Petition, die der WELT im Wortlaut vorliegt, attestieren die Juristen der Reform "schwerwiegende Mängel, die das Ergebnis einseitiger, verkürzter und falscher Betrachtungen der deutschen Sprache sowie unausgewogener Formelkompromisse der verantwortlichen Kommissionsmitglieder" seien. Durch diese Defizite würden die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache und "die Stellung des Deutschen im Ausland" gefährdet. (Welt, 16.2.04)




      Kommentar: Das Denken einer Bevölkerung hängt direkt von der Sprache und auch vom schreiben ab. Wird die Schrift verändert, ändert sich langfristig auch die Denkweise der Leute. Die Rechtschreibreform ist offensichtlich der schleichende Versuch, die Denkweise der Bevölkerung zu verschlechtern. Noch schlimmer wird es, wenn niemand mehr richtig durchblickt wie denn nun korrekt geschrieben wird und wie nicht – Chaos ist die Folge und entsprechendes chaotisches Denken.

      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:32:16
      Beitrag Nr. 1.368 ()
      Die Gefälligkeiten des Herrn Tanzi

      Lobbyismus oder Bestechung: Bei den Untersuchungen im Parmalat-Skandal kommen viele dubiose Engagements ans Licht


      Parmalat-Gründer Calisto Tanzi hat sich laut italienischen Presseberichten mit großzügigen Gefälligkeiten zwanzig Jahre lang den Schutz höchster politischer Stellen erkauft. Bestochen haben will der Milchkönig indessen niemanden - doch sein ehemaliger Finanzchef widerspricht.....



      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:38:00
      Beitrag Nr. 1.369 ()
      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Die Praxisgebühr als Bauernopfer?

      Schleichender Rückzieher der Regierung. Krankenkassen planen Hausarztmodelle


      Frage an den Sender Jerewan: Wird die durch die »Gesundheitsreform« eingeführte Praxisgebühr Bestand haben? Antwort: Im Prinzip ja. Allerdings könnte es sein, daß sie in absehbarer Zeit nicht mehr erhoben wird. So oder so ähnlich könnte man die aufgeregte Debatte um die augenfälligste Verlagerung der Kosten des Gesundheitswesens auf die Patienten im Rahmen des »Gesundheitsmodernisierungsgesetzes« (GMG) zusammenfassen. So brachte der Sprecher des Bundessozialministeriums, Klaus Vater, am Montag das Kunststück fertig, zwar eindeutig zu erklären: »Die Praxisgebühr wackelt und wankt nicht«, aber wenige Sätze später anschaulich zu schildern, wie mehrere große Krankenkassen bereits konkret an ihrer Abschaffung arbeiten.

      Dabei geht es um das sogenannte Hausarztmodell. Ursprünglich hatte die SPD ohnehin geplant, Hausarztbesuche von Praxisgebühren auszunehmen. Dies sollte auch für Facharztbesuche gelten, die mit einer Hausarztüberweisung erfolgen. Im Vermittlungsausschuß fiel dieses Vorhaben dann als gesetzliche Festlegung unter den Tisch. Allerdings wurde den Krankenkassen in dem Gesetz das Recht eingeräumt, Hausarztmodelle mit Verzicht auf die Praxisgebühr anzubieten. Bekannt wurde am Montag, daß die AOK Baden-Württemberg bereits erfolgreiche Vorverhandlungen mit dem Hausärzteverband über die Ausgestaltung der »Lotsenrolle« der Hausärzte unter Verzicht auf die Praxisgebühr geführt hat. Auch mehrere großen Ersatzkassen befinden sich bereits in Verhandlungen. Gesundheitsexperten gehen davon aus, daß schon im Herbst mit entsprechenden Angeboten einiger Kassen zu rechnen ist.

      Da sich die Kritik am GMG in der Öffentlichkeit auf die Praxisgebühr konzentriert, obwohl die drastisch erhöhten Zuzahlungen und Leistungsausschlüsse wesentlich größere Härten für viele Patienten bedeuten, deutet sich nun ein organisierter Rückzug der »Sozialpolitiker« unter Verweis auf diese Option an. Nach Ansicht des SPD-Gesundheitsexperten Eike Hovermann wird die Praxisgebühr durch die Hausarztsysteme in naher Zukunft hinfällig. Sobald eine Kasse damit beginne, würden die anderen nachziehen, sagte Hovermann am Montag in Berlin.

      Allerdings wandte sich der Politiker im Einklang mit anderen führenden Sozialdemokraten gegen die Forderung nach der gesetzlichen Abschaffung der Gebühr. Dagegen hatte der SPD-Arbeitsmarktexperte Ottmar Schreiner für eine verbindliche Abschaffung der Abgabe plädiert, weil Geringverdiener benachteiligt würden.

      Doch auch die Diskussion über einen grundlegenden Systemwandel hat durch das Gebührendesaster neue Nahrung bekommen. Der SPD-Sozialexperte Peter Dreßen erklärte, daß die Gebühr bei Einführung einer Bürgerversicherung ohnehin hinfällig würde und man in der Bundestagsfraktion bereits an konkreten Modellen für eine derartige Versicherung, die auch Beiträge von Beamten und Selbständigen erheben würde, arbeite. In ähnlicher Weise äußerten sich auch mehrere Vertreter der Grünen.

      Die Regierung und dabei besonders die von der Empörung über die »Gesundheitsreform« stark gebeutelte SPD könnte mit der allmählichen Beerdigung der Praxisgebühr mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens wäre ein besonders augenfälliges Symbol ihrer asozialen Politik geschleift, und zweitens könnte das Ausbleiben der vollmundig angekündigten »deutlichen Beitragssenkungen« bei den gesetzlichen Krankenkassen mit dem Hinweis auf den Wegfall der Praxisgebühr gerechtfertigt werden.

      Ohnehin würde es sich bei der Abschaffung der Praxisgebühr nur um eine kosmetische Korrektur handeln. Die Kernpunkte der »Reform«, also die Voll- bzw. Teilprivatisierung der Absicherung von immer mehr Lebensrisiken, der damit einhergehende Ausschluß ärmerer Menschen von vielen therapeutischen Angeboten, die Sicherung der exorbitanten Profite der Pharmakonzerne und die Stabilisierung klandestiner Strukturen bei Apothekern und Kassenärztlichen Vereinigungen zu Lasten der Versicherten blieben unangetastet.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-17/001.php
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:49:13
      Beitrag Nr. 1.370 ()
      Inland


      Hundt will Arbeitslosengeld weiter senken

      Unternehmerlager fordert drastische Kürzungen im Etat der Bundesagentur
      :confused: :mad:

      Die Unternehmer haben weitere massive Einschnitte beim Arbeitslosengeld und bei der Arbeitsmarktpolitik gefordert. Ziel sei es, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von derzeit sechs auf vier bis 4,5 Prozent senken zu können, sagte »Arbeitgeber«präsident Dieter Hundt der Neuen Osnabrücker Zeitung (Montagausgabe).

      Hundt schlug vor, bei Arbeitslosigkeit grundsätzlich eine Wartezeit von vier Wochen bis zur Zahlung des ersten Arbeitslosengeldes einzuführen. Das Arbeitslosengeld selbst müsse auf 60 Prozent des letzten Nettoeinkommens reduziert und dürfe höchstens ein Jahr lang gezahlt werden. Das spare acht Milliarden Euro, was eine Beitragssenkung um einen Prozentpunkt ermögliche.

      Gleichzeitig kritisierte Hundt, daß der »überdimensionierte Etat der Arbeitsmarktpolitik durch unnötig hohe Lohnzusatzkosten einen Teil der Arbeitslosigkeit selbst schafft, zu deren Überwindung er eigentlich beitragen müßte«. Die Bundesagentur für Arbeit gebe jährlich über zwölf Milliarden Euro aus, die nicht den Kernaufgaben der Vermittlung und Leistungsgewährung dienten. Dazu zählt er u. a. die Auszahlung des Kindergeldes und die »nicht vermittlungsorientierte Arbeitsförderung«. Diese müßten aus dem Haushalt der Bundesagentur herausgenommen werden, forderte der Verbandschef. Dann könnte auf einen Bundeszuschuß – derzeit fünf Milliarden Euro – völlig verzichtet werden. Zudem wäre eine weitere Beitragssatzsenkung um fast einen Prozentpunkt möglich.

      Scharf kritisierte Hundt das Vermittlungsergebnis zum Arbeitslosengeld II als »nicht mehr administrierbare Mischlösung«. Dies sei ein »hochbrisantes Gemisch« aus alleiniger und teilweiser Zuständigkeit der Agenturen für Arbeit neben alleiniger oder teilweiser Zuständigkeit der Kommunen – verbunden mit einem kommunalen Widerrufsrecht nach drei Jahren. Das drohe ein »bürokratischer Supergau« zu werden. Hundt forderte, die Zuständigkeit allein den Kommunen zu übertragen.

      (AP/jW)
      http://www.jungewelt.de/2004/02-17/011.php
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:51:42
      Beitrag Nr. 1.371 ()
      Inland
      Ulla Jelpke

      Bürokratie und Patient

      Wie für einen alltäglichen Unfall die Praxisgebühr gleich mehrfach erhoben werden kann


      Immer absurdere Erfahrungen mit der Praxisgebühr sorgen in der Bevölkerung für steigende Empörung. Ein junger Mann hatte in der letzten Woche einen Verunglückten, der auf zu dünnem Eis eingebrochen war, aus einem Fluß gezogen. Danach litt der Lebensretter selbst an Unterkühlung und mußte ins Krankenhaus. Als erstes wurde ihm dort die Praxisgebühr abverlangt.

      Ein fast vergleichbares Erlebnis schilderte uns ein Leser aus Düsseldorf. Es war eher eine Verkettung unglücklicher Umstände, zeigt aber auch, wie umständlich und bürokratisch die Praxisgebühr ist. Der Leser berichtet, daß er am vorletzten Sonntag mit seinem Neffen Franz Schlittschuhlaufen war. Der Neffe stürzte unglücklich und verletzte sich an der Hand. Der Onkel brachte den Neffen ins nächstgelegene Krankenhaus. Selbstverständlich mußte Franz vor der Erstversorgung die zehn Euro Praxisgebühr bezahlen. Dann die Diagnose: Das Handgelenk war gebrochen, eine Operation unumgänglich. Allerdings hätte es einen Termin hierfür erst am nächsten Tag gegeben.

      Daher fuhren die beiden nach Hause, um für die Operation das dortige Klinikum aufzusuchen. Hier wäre Franz zwar noch sofort am Sonntag abend operiert worden, er hatte aber in der Zwischenzeit dummerweise zwei Kekse gegessen. Daher war die erforderliche Vollnarkose nicht mehr möglich und er mußte für die Operation auf den nächsten Tag vertröstet werden. Zugleich wurden erneut zehn Euro Praxisgebühr verlangt. Franz, Auszubildender mit schmalem Geldbeutel, verwies darauf, daß er ja schon im Unfallkrankenhaus diesen Betrag geleistet hatte. Das nützte nichts. Aber eine nette Verwaltungsangestellte kam auf die Idee, den Besuch im Klinikum unter »Operationsvorbereitung« zu verbuchen. Dann sei keine Praxisgebühr fällig, wenn Franz nachträglich eine Überweisung des Hausarztes vorlege.

      Am nächsten Morgen traf Franz um sieben Uhr zur Operation wieder im Klinikum ein. Der Hausarzt hatte noch nicht geöffnet. Also übernahm es der Onkel, den Überweisungsschein zu organisieren. Selbstverständlich mußte er dafür beim Hausarzt erst einmal weitere zehn Euro Praxisgebühr begleichen.

      Mit dem Überweisungsschein begab er sich ins Klinikum. Dort stellte sich heraus, daß der Hausarzt die falsche Krankenkasse eingetippt hatte, denn Franz war kürzlich Mitglied bei einer anderen Krankenkasse geworden. Somit war dieser Überweisungsschein unbrauchbar.

      Der Onkel wollte, um Zeitverlust zu vermeiden, nun lieber im Klinikum eine weitere Praxisgebühr bezahlen, als noch einmal zum Hausarzt zu fahren. Da hieß es, das ginge leider nicht so ohne weiteres, und es sei auch eine ganz andere Abteilung zuständig, das könne dauern. Also wieder zurück zum Hausarzt, einen neuen (diesmal korrekt ausgefüllten) Überweisungsschein besorgt, ab ins Klinikum, Überweisung abgeliefert – Angelegenheit verwaltungsmäßig vorerst erledigt.

      Am Mittag durfte Franz nach erfolgreicher Operation nach Hause. Als er wieder klar denken konnte, fiel ihm ein, daß er ja bald arbeitsfähig sein und von seiner Firma an wechselnden Orten eingesetzt werden würde. Es galt zu bedenken, daß er möglicherweise zur Nachsorge, zum Verschreiben von Schmerztabletten und zum Fädenziehen nicht zu Hause sein werde. Das Risiko, bei fremden Ärzten jeweils wieder zehn Euro Praxisgebühr zahlen zu müssen, war ihm zu groß. Also suchte er noch einmal den Hausarzt auf, der freundlicherweise mehrere vorsorgliche Überweisungen ausstellte.

      Für mobile Menschen, die sich – berufsbedingt – nicht immer am selben Ort aufhalten, und bei Unfällen bedeutet die Praxisgebühr eine ganze Menge Bürokratie. Nur ein Gutes hatte das ganze Hin und Her: Franz dachte mehr an seine Quittungen und Überweisungen als an seine Schmerzen. Insofern wurde er wenigstens von seiner Verletzung abgelenkt. Dennoch bleibt es dabei: Mit dieser »Reform« kommt erst die Bürokratie, dann der Patient.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-17/012.php
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 21:59:07
      !
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      Avatar
      schrieb am 16.02.04 22:01:14
      Beitrag Nr. 1.373 ()
      Neue Pfandregelung

      "Es wird den Saft erwischen"

      Nach Limo und Bier droht jetzt auch Saftkartons und Wein das umstrittene Dosenpfand. Die Pfandpflicht sei "über kurz oder lang" nicht auszuschließen, erklärte das Umweltministerium.






      Minister Jürgen Trittin gab unionsregierten Ländern die Schuld daran und forderte den Bundesrat auf, seine Novelle der Verpackungsverordnung nicht länger zu blockieren.

      So lange die Änderung nicht in Kraft ist, gilt die alte Regelung, wonach bei Unterschreiten einer bestimmten Mehrwegquote automatisch die Pfandpflicht greift. "Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es in diesem Jahr den Saft erwischen, eventuell auch den Wein", sagte ein Ministeriumssprecher der "Rheinischen Post". Auf diese Entwicklung hatte Trittins Ministerium schon Ende vorigen Jahres hingewiesen.

      Seine für das Frühjahr erhoffte Novelle der Verpackungsverordnung, die noch in der Länderkammer auf Eis liegt, soll das Dosenpfand vereinfachen. So soll die Pfandpflicht nicht mehr vom Inhalt, sondern von der Art der Getränkeverpackung abhängen.

      Danach wären Getränkekartons ebenso wie Weinflaschen pfandfrei. "Ich will das Pfand auf Saftkartons und Wein verhindern", betonte Trittin. Die Blockadehaltung im Bundesrat sorgen allerdings dafür, "dass es doch kommen könnte".



      Kritik der Opposition
      Namentlich kritisierte der Grünen-Politiker die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (Bayern), Erwin Teufel (Baden-Württemberg) und Roland Koch (Hessen). Er erinnerte auch daran, dass das weitergeltende alte Recht auf die früheren CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und Angela Merkel zurückgeht.

      Mit Hinweis darauf warfen der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Michael Müller, und deren umweltpolitische Sprecherin Ulrike Mehl der Opposition "doppelte Moral" vor. Sie versuchten den Eindruck zu erwecken, sie hätten mit dem heutigen Wirrwarr nichts zu tun, und blockierten gleichzeitig alle Verbesserungsvorschläge. Die SPD-Politiker forderten Union und FDP auf, zu Sachberatungen zurückzukehren und vernünftige Lösungen zu finden.

      (sueddeutsche.de/AP)
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 22:03:09
      Beitrag Nr. 1.374 ()
      Die Saudis wollen das Öl nur mäßig fließen lassen – Ein Strategiewechsel mit gravierenden Folgen
      (16.02.2004)

      Das große Bild vom Ölmarkt ist geprägt von extrem geringen Vorräten in den bedeutenderen Verbraucherländern, von rapide wachsendem Einfuhrbedarf Chinas und einer Opec, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Dollar-Preis für Rohöl auf möglichst hohem Niveau zu halten.

      Die strategischen Pläne des Kartells, die wesentlich von Saudi Arabien bestimmt werden, haben in der Vergangenheit stets auch die Situation der Weltwirtschaft einbezogen. Seinen aufgeklärteren Mitgliedern war klar, dass sie ihre Preisvorstellungen mit der jeweils gegebenen konjunkturellen Lage in Einklang bringen mussten, um nicht an dem Ast zu sägen, auf sie sitzen. Die Erfahrungen, die sie in den siebziger Jahren mit zügellosen Preissteigerungen gemacht haben, geboten dies.

      Natürlich hat auf der massive Einfluss der USA besonders auf die Saudis eine nicht geringe Rolle gespielt, wenn sich das Kartell in der Vergangenheit in kritischen Situationen in seinen Förderbeschlüssen immer wieder als gemäßigt dargeboten hat. Dieser Einfluss schwindet bekanntermaßen seit einigen Jahren.

      Den letzten Beweis für einen strategischen Kurswechsel hat der saudische Ölminister Ali Naimi in der vergangenen Woche erbracht. Mehrere Quelle zitieren ihn mit der Aussage, die Opec ziele darauf ab, die Ölvorräte in den Verbraucherländern auf niedrigem Niveau zu halten.

      Wir halten dies für die wichtigste ernst zu nehmende Aussage, die seit Jahren aus Kreisen des Kartells bekannt wurde. Wenn die Opec tatsächlich nach dieser Maxime handelt, könnte sie erstmals seit einem Vierteljahrhundert vorsätzlich verhindern, dass die Ölbestände in den Verbraucherländern nach einem Winter mit wohl überdurchschnittlich hohem Bedarf wieder auf ein für den kommenden Winter ausreichendes Niveau aufgestockt werden.

      Bleiben die Saudis bei ihrer Haltung, so empfiehlt sich allen, die Öl oder Destillate benötigen, schon weit im Vorfeld des Winters 2004/05 jede sich bietende Chance zur Vorsorge zu nutzen.

      Man muss schon allein wegen der Äußerung des saudischen Ölministers wohl Abschied von der vielerorts noch immer verbreiteten Vorstellung nehmen, dass Öl vom gegenwärtigen Niveau aus noch einmal wesentlich im Preis sinkt.

      Dafür sprechen auch zahlreiche andere Aspekte, darunter der Umstand, dass Öl teurer werden muss, um Anreize zur Suche nach neuen Vorkommen und deren Erschließung zu schaffen. Die viel zu geringen Investitionen der zurückliegenden Jahre beginnen, Opec hin und Opec her, ihren Preis zu fordern.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 22:15:15
      Beitrag Nr. 1.375 ()
      #1362 Hallo Bluemoons,

      alles hat ein Für und Wider sowie Pro und Contra, aber ich finde es gut, dassa Du den Brief von Kreutzer an Harz gepostet hast. Darüber sollte man nachdenken, egal in welchem politschem Lager man beheimatet ist.

      Viele Grüsse - Blumenfreund
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 22:16:58
      Beitrag Nr. 1.376 ()
      Der Fleischgerichte-Programmierer

      Falk Lüke 15.02.2004
      Teuer und ineffizient: Die Webseite der Bundesagentur für Arbeit serviert virtuellen Arbeitsquark


      Nach den Querelen um Florian Gerster und seinen Nachfolger Frank Weise ist die Zukunft der Bundesagentur für Arbeit gesichert. Nun besinnt sie sich wieder ihre wahren Stärken: Arbeitslosen keinen Job zu vermitteln. Bei rekordverdächtigen Besucherzahlen zeigt sich, wie altbacken die umfirmierte frühere Bundesanstalt noch ist.



      Die Nürnberger Arbeitslosenverwaltung war vor wenigen Jahren noch als inkompetente Behörde verrufen, dies hat sich nachhaltig geändert. Kompetenz wurde extern eingekauft, für viel Geld und über den marktüblichen Preisen. Prompt wurde der ungeliebte "Reformator" Florian Gerster Januar von Gewerkschaftern und Arbeitgebern gemeinsam aus dem Amt gejagt. Doch auch unter dem neuen Chef Frank Weise macht der "Virtuelle Arbeitsmarkt" noch keine gute Figur.

      Als großer Wurf sollte sie gefeiert werden, die neue Website der Bundesagentur für Arbeit. Und legte einen klassischen Fehlstart hin, war tagelang so gut wie nicht zu erreichen. Vielleicht auch besser so, denn - mittlerweile ist das 65 Millionen Euro teure Projekt erreichbar - der Praxistest fällt vernichtend aus.

      Die Eingabe als Arbeitgeber: "Programmierer / Job / PLZ-Bereich 10" fördert nur wenige Programmierer zutage. Damit überhaupt etwas gefunden wird, wird angeboten, was der Kategorie Job und Postleitzahl entspricht. So bekommen wir einen Betriebswirt, der insbesondere durch die Eigenschaft "Grillgerichte: Hervorragend" besticht. Name "Anonym", Einsatzort "Diverse", Berufsbezeichnung "Diverse". Das sind für die Bundesagentur immerhin 50% Trefferquote. Außerdem bietet man Erntehelfer, Fitnesstrainer und einen immerhin 20 Jahre alten Programmierer "mit über 3 Jahren Berufserfahrung" an. Die Suchumkehrung als Arbeitnehmer bringt uns bundesweit immerhin ein Stellenangebot in Köln ein.



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      Hinweis 1: Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte beachten Sie, dass Sie nicht mit mehreren gleichzeitig geöffneten Fenstern arbeiten können und dass Sie die Zurück Schaltfläche nur innerhalb der Anwendung nutzen. Gehen Sie zurück zur Homepage.





      Woanders gibt es offensichtlich dringenden Bedarf: Die Fähigkeiten der ausführenden Unternehmensberatung Accenture sind doch eher begrenzt. "Aus Sicherheitsgründen" darf der geneigte Besucher nicht die gewohnten Browserbefehle für Vor- und Zurück benutzen, ohne zwangsläufig auf Null zurückzukehren. Eine Disziplinarmaßnahme, über die sich potenzielle Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen freuen.


      Zum Glück gibt es Bea


      Als besonders innovative Maßnahme präsentierte die Bundesagentur (BA) die Onlinehilfe "Bea", die Arbeitnehmern und Arbeitgebern ohne jede Interaktionsmöglichkeit das Onlineangebot vorstellt. Wie auch bei den Suchalgorithmen ist hier kräftig am falschen Ende gespart worden: Beas Stimme qualifiziert sich sowohl für Telekolleg II-Sendungen zur Kernphysik - als auch für die Sendung mit der Maus. Informativ ist sie dennoch, weist sie Besucher doch darauf hin, dass die Bewerber bis dato ihre Bewerbungsunterlagen nicht über das BA-System verschicken können.

      Dass es besser und für einen Bruchteil der Summe geht, haben kommerzielle Anbieter bereits bewiesen. Die Bundesagentur für Arbeit hat mit ihrem "Virtuellen Arbeitsmarkt" nicht nur die Nutzer unterschätzt. Auch moderne Finanzierungstechniken hat die Arbeitsagentur bis dato nicht umgesetzt. Mit einer Million Pageviews pro Tag, doppelt soviel wie von der Bundesagentur angenommen, ist arbeitsagentur.de auch als Werbeplattform im Web interessant. Um wenigstens einen kleinen Teil der 65 Millionen Euro wieder einzuspielen.
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16753/1.html
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      schrieb am 16.02.04 22:26:02
      Beitrag Nr. 1.377 ()
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      schrieb am 16.02.04 22:48:15
      Beitrag Nr. 1.378 ()
      Avatar
      schrieb am 16.02.04 23:20:54
      Beitrag Nr. 1.379 ()
      Pflegeversicherung
      Regierung erwartet bis 2007 hohe Defizite


      Die Union sieht die Pflegeversicherung kurz vor dem Kollaps (Foto: Archiv)


      Schon für 2003 vermeldete die gesetzliche Pflegeversicherung ein Rekorddefizit. In den kommenden Jahren wird die Pflegeversicherung erheblich an ihre Finanzreserven gehen. Das ergaben Berechnungen der Bundesregierung. Die Rücklage würde von 4,27 Milliarden Euro im Jahr 2003 auf nur noch 920 Millionen Euro im Jahr 2007 schrumpfen - das geht aus einem Bericht der Regierung hervor, der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin vorliegt. Damit steht die Pflegeversicherung nach Ansicht von Unions-Experten "vor der Pleite".


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      Rekorddefizit schon 2003
      Den vorläufigen Finanzdaten des Sozialministeriums zufolge verzeichnete die gesetzliche Pflegeversicherung im vorigen Jahr ein Defizit von rund 700 Millionen Euro. Ursache war ein Rückgang der Einnahmen um ein Prozent durch die rückläufige Beschäftigung. Genaue Zahlen mit den vollständigen Dezember-Ergebnissen sollen im März vorliegen. Für die Jahre bis 2007 sieht der Bericht weitere jährliche Defizite zwischen 760 und 900 Millionen Euro voraus. Die Regierung hatte den Bericht im Sozialausschuss des Bundestages vorgelegt.


      Pflegeversicherung - Krankenkassen vermelden Rekorddefizit für 2003


      CDU: Beitragssatz muss erhöht werden
      Um eine Pleite der Pflegeversicherung zu vermeiden, müsse spätestens 2007 der Beitrag von derzeit 1,7 Prozent "kräftig erhöht werden", sagten die CDU-Gesundheitspolitiker Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz in einem dpa-Gespräch in Berlin. Dies gehe aus dem vorläufigen Finanzbericht der Bundesregierung zur Pflegeversicherung hervor.


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      Kinderbonus noch nicht berücksichtigt
      Nach jährlich wachsenden Defiziten werde die Rücklage 2007 auf den gesetzlichen Mindestumfang von einer halben Monatsausgabe fallen. Dabei sei der vom Bundesverfassungsgericht verlangte Kinderbonus bei den Pflegebeiträgen noch nicht berücksichtigt. Nach Ansicht von Storm und Widmann-Mauz muss die Bundesregierung schon im Wahljahr 2006 den Beitrag zur Pflegeversicherung erhöhen, wenn sie Eltern bei den Beiträgen besser stellen will.


      "Schönrechnerei" vorgeworfen
      Die Unionspolitiker warfen der Bundesregierung überdies "Schönrechnerei" vor. Bei den Berechnungen gehe sie von einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung aus. Schon für 2004 werde ein Einnahmeplus von 1,5 Prozent unterstellt. Für 2007 werde sogar ein Einnahmewachstum von mehr als 3 Prozent angegeben.
      http://onwirtschaft.t-online.de/c/16/04/96/1604960.html
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      schrieb am 17.02.04 18:56:16
      Beitrag Nr. 1.380 ()
      Nach Maatwerk-Pleite: Neue Debatte über Hartz

      Die Insolvenz des Arbeitsvermittlers Maatwerk bringt das gesamte Konzept der Personal-Service-Agenturen (PSA) in Misskredit. CDU-Arbeitsmarktexperte KarlJosef Laumann bezeichnete die PSA als Herzstück der Hartz-Reformen, das "auf ganzer Linie gescheitert sei". Wirtschaftsminister Wolfgang Clement müsse sofort eine Kurskorrektur vornehmen. Die FDP lehnte die PSA als "staatlich subventionierte Beschäftigungsgesellschaften" erneut ab.

      Die Bundesregierung hält an dem Konzept jedoch fest. "An dem Instrument der PSA wird nicht gerüttelt", erklärte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. Für eine Bewertung der im April 2003 eingeführten PSA sei es zu früh, erst 2006 werde man Bilanz ziehen.

      Die Personal-Service-Agenturen waren im letzten Jahr auf Vorschlag der von der Regierung eingesetzten Hartz-Kommission eingeführt worden. Die Agenturen sollen Arbeitslose über Leiharbeit qualifizieren und in eine dauerhafte Beschäftigung überführen. Dafür erhalten die Firmen einen staatlichen Zuschuss.

      Das Modell konnte von Anfang an die Hoffnungen nicht erfüllen. So sollten bundesweit 50.000 Leiharbeiter in solchen Agenturen beschäftigt werden. Insgesamt wurden aber nur rund 32.000 Stellen besetzt, davon konnten lediglich 6300 Mitarbeiter in ein festes Arbeitsverhältnis vermittelt werden.

      Ausschreibungspraxis soll geändert werden
      Für diese enttäuschende Bilanz macht die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Thea Dückert die Ausschreibungspraxis verantwortlich. Bislang habe bei den Ausschreibungen für die Agenturen jene Firma den Zuschlag erhalten, die "besonders günstig war", so Dückert.

      Dies seien jedoch rein quantitative Kriterien, die durch qualitative ergänzt werden müssten. Dazu gehörten eine gute regionale Verankerung, hohe Erfolgsquoten und nachweislich gute Erfahrungen in der Praxis.

      BA hält am Konzept fest
      Die Bundesagentur für Arbeit wies die Kritik an der Ausschreibungspraxis zurück. Man gehe nicht davon aus, dass diese Insolvenz die Konstruktion der PSA in Frage stellt, erklärte der zuständige Experte der Behörde, Hans-Uwe Stern. Die Integrationsquote sei nicht so schlecht, dass man das Instrument verwerfen müsse. Im vorigen Jahr hätten etwa 40 Prozent der Arbeitslosen, die bei einer PSA beschäftigt gewesen seien, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.

      Maatwerk sei nicht an den PSA gescheitert, sondern durch eigene Schwierigkeiten insolvent geworden, betonte Stern. Das Konzept rechne sich nur, wenn die PSA-Beschäftigten auch ausgeliehen würden, Maatwerk habe eine vergleichsweise geringe Verleihquote gehabt.

      Die deutsche Tochterfirma des niederländischen Arbeitsvermittlers Maatwerk hatte am Montag Insolvenz angemeldet. Maatwerk betrieb jede fünfte der rund 1000 Personal-Service-Agenturen und war damit die größte PSA. Die Insolvenz trifft 9500 Arbeitslose, die bei Maatwerk als Leiharbeitnehmer beschäftigt waren. Zudem sind auch die 600 Maatwerk-Mitarbeiter selbst arbeitslos.

      17.02.2004, http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID19125_T…
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      schrieb am 17.02.04 21:46:29
      Beitrag Nr. 1.381 ()
      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Hartz hat fertig

      »Durchbruch« auf dem Arbeitsmarkt: Personal-Service-Agenturen vor dem Aus – Schwarzarbeit boomt


      Die Kette von »Erfolgen« der Arbeitsmarktpolitik der SPD-Grünen-Regierung wird immer länger. Mit der am Montag abend bekanntgegebenen Insolvenz des Arbeitsvermittlungsunternehmens Maatwerk steht das »Herzstück der Hartz-Reformen«, die Personal-Service-Agenturen (PSA), vor dem Aus. Die PSA sollten bis zu 500 000 Arbeitssuchende als Leiharbeiter an reguläre Beschäftigungsverhältnisse heranführen, haben aber lediglich Geld verschlungen. Auch der im Hartz-Konzept prognostizierte »Klebeeffekt«, also die Überführung von bis zu 50 Prozent der Leiharbeits- in reguläre Arbeitsverhältnisse, ist weitgehend ausgeblieben. Ganze 6 375 Menschen von 44 000 in PSA »angestellten« haben bis heute auf diesem Wege eine feste Beschäftigung gefunden. Fast 200 Millionen Euro hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) in den vergangenen 13 Monaten dafür ausgegeben oder besser: zum Fenster rausgeworfen.

      Durch die Maatwerk-Pleite verlieren auf einen Schlag 9 500 PSA-Angestellte ihren Standby-Arbeitsplatz. Dazu kommen die 600 Beschäftigten der Vermittlungsfirma. Für die Betroffenen dieser Pleite hat die BA nur Hohn und Spott übrig. Man werde sich bemühen, ihnen neue Arbeitsplätze zu vermitteln, was aber angesichts der Arbeitsmarktlage »nicht so einfach« sei, sagte BA-Pressesprecher Paul Moser am Dienstag in Nürnberg. Eine Perfidie angesichts der Tatsache, daß die PSA-Klientel aus denjenigen Arbeitslosen besteht, die nach BA-Einschätzung keine Chancen auf direkte Vermittlung in ein reguläres Arbeitsverhältnis haben.

      Doch während die Protagonisten der »Arbeitsmarktreformen« auch offiziell ihr Scheitern einräumen müssen, verzeichnet ein anderer Sektor des Arbeitsmarktes deutliche Zuwachsraten: Die Schwarzarbeit. Darauf wies der Vorsitzende der IG BAU, Klaus Wiesehügel, am Dienstag in Berlin anläßlich der bevorstehenden Kabinettsentscheidung über einen Entwurf für ein neues »Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz« hin. Jährlich werden 370 Milliarden Euro, das entspricht einem Sechstel des deutschen Bruttosozialprodukts, laut übereinstimmenden Schätzungen von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Behörden in der Schattenwirtschaft umgesetzt. Davon entfällt mehr als ein Drittel auf die Bauwirtschaft und das Handwerk. Während »interessierte Kreise« mittels der »unsäglichen Putzfrauendebatte« versuchten, den Gesetzesentwurf zur »weißen Salbe« zu machen, sei eigentlich allen Akteuren bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit klar, daß es sich in erster Linie um »organisierte Kriminalität mit mafiaähnlichen Strukturen« handele, so Wiesehügel. Es sei nicht akzeptabel, daß laut Gesetzentwurf der Auftraggeber von schwarz erbrachten Leistungen auf alle Fälle straffrei ausgehe und lediglich mit einem Bußgeld rechnen müsse. Wiesehügel kritisierte auch einige Gummiparagraphen in dem Entwurf. Darin heißt es etwa, daß strafbewehrte Schwarzarbeit nicht vorliege, wenn die Tätigkeiten »nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtet sind«, bzw. nur dann vorliege, wenn »Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang« erbracht werden. »Da lachen doch die Herrschaften, die ganze Anwaltssozietäten für ihre Geschäfte einspannen«, bemerkte Wiesehügel dazu.

      Wie auch sein Amtskollege von der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, unterstützt der IG-BAU-Chef die Einrichtung einer schlagkräftigen Bundesfinanzpolizei, um das bisherige Kompetenzgerangel bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beenden. Zersplitterte Dienststellen seien dem kriminellen Geflecht aus Auftraggebern, Subunternehmern und Schlepperbanden oftmals nicht gewachsen. Auch die Koordination auf europäischer Ebene müsse verbessert werden.

      Beide Gewerkschaftschefs betonten, daß die Schwarzarbeitsbekämpfung sich eindeutig gegen die »großen Fische« richten müsse, ohne die alltägliche Schwarzarbeit im Bereich der privaten Haushalte zu bagatellisieren. Es fehle offenbar in großen Teilen der Bevölkerung an »Unrechtsbewußtsein«, so Freiberg. Zudem ließen »Hartz-Instrumente« wie »Ich-AGs« und »Minijobs« ein weiteres Anwachsen der Schwarzarbeit befürchten. Dem könne aber mit steuerlichen Instrumenten weitgehend abgeholfen werden. »Die Bundesfinanzpolizei soll jedenfalls nicht die Aufgabe haben, der privaten Putzfrau mit der Knarre in der Hand aufzulauern«, so Wiesehügel. Andererseits sei es aber nicht hinnehmbar, daß man unter dem Vorwand, die Putzfrau oder die Nachbarin, die einer gehbehinderten Frau beim Kochen hilft, vor Kriminalisierung schützen zu wollen, das ganze Gesetz verwässere. Er hoffe, daß das im Kabinett nicht passiere. Allerdings habe auch er davon gehört, daß der Bundeskanzler persönlich und sogar handschriftlich entsprechende Änderungswünsche in die Kabinettsvorlage geschrieben habe. Kommentieren mochte er diesen Vorgang aber nicht.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-18/001.php
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      schrieb am 17.02.04 21:48:16
      Beitrag Nr. 1.382 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Folgenlose Kündigung

      Das Toll-Collect-Drama geht weiter


      Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Scheiterns der Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Maut-Konsortium Toll Collect schnellten die Aktien der daran beteiligten deutschen Großunternehmen DaimlerChrysler und Deutsche Telekom gegen den allgemeinen Tagestrend in die Höhe, letztere sogar um 4,2 Prozent. Belohnt werden die Firmen von den Spekulanten für ihren erfolgreichen Widerstand gegen jegliche nennenswerte Verpflichtung zur Begleichung der wirtschaftlichen Schäden, die sie durch ihr Versagen bei der Einrichtung eines Mautsystems verursacht haben. Allein im Bundeshaushalt 2004 fehlen 2,1 Milliarden fest eingeplanter Einnahmen aus der LKW-Maut, die Gesamtschäden belaufen sich auf mindestens 6,5 Milliarden, doch den verantwortlichen Politikern, allen voran Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD), ist das nicht viel mehr als ein Achselzucken wert. Monatelang ließ der sich von den Konzernen am Nasenring vorführen. Nachdem ein Mautstarttermin nach dem anderen platzte, wurde nach energischen Nachfragen einiger Abgeordneter deutlich, daß es sich bei dem Vertrag zwischen Toll Collect und dem Bund lediglich um eine Art unverbindliche Absichtserklärung deutscher Großkonzerne zur Entwicklung eines Mautsystems handelt.

      Selbst jetzt, wo der Vertrag von der Bundesregierung – natürlich nicht ohne ziemlich große Hintertürchen – »gekündigt« wurde, sitzen die Konzerne am längeren Hebel. So sehen viele Juristen und Politiker offenbar wenig Chancen, daß die Toll-Collect-Firmen gerichtlich zu höheren Schadensersatzzahlungen gezwungen werden könnten und raten aufgrund der langwierigen Prozedur einer Neuausschreibung für ein deutschen Mautsystem zu einer Einigung zwischen Bund und Konzernen.

      Die haben Zeit und Geld und werden wohl auch den viel beschworenen »Imageschaden für die deutsche Wirtschaft« verschmerzen. Der Bund aber hat weder das eine noch das andere und wird gegen Ende der neuerlichen Frist von zwei Monaten wohl klein beigeben. Schröder und sein Verkehrsminister haben sich bei einem der wichtigsten Innovationsprojekte mit großen finanziellen Auswirkungen auf die gesamte künftige Verkehrsinfrastruktur wissentlich in die totale Abhängigkeit von zwei Großkonzernen begeben. Das ist in Staaten, bei denen die jeweiligen Regierungen in erster Linie Befehlsempfänger des Kapitals sind, eigentlich nichts ungewöhnliches. Doch diesmal ist es aufgeflogen, und vielleicht muß Stolpe deswegen seinen Hut nehmen. Aber nur deswegen.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-18/002.php
      Avatar
      schrieb am 17.02.04 22:01:35
      Beitrag Nr. 1.383 ()
      Thema
      Peter Decker*

      Fürs Kapital leben

      Dritte-Welt-Gruppen, Globalisierungskritiker und Menschen, die Armut nicht für naturnotwendig halten wollen, stellen die Frage: Warum sind so viele Menschen in Entwicklungsländern arm? Versuch einer einfachen Antwort


      Arm sind die Leute in den Entwicklungsländern, weil sie ausgeschlossen sind von dem Reichtum, den es erstens überhaupt und zweitens auch in ihren Ländern gibt. Die Zeiten sind vorbei, in denen Menschen hungern und sterben mußten, weil es wegen Mißernten, unzureichender Naturbeherrschung und fehlenden medizinischen Wissens die Mittel zur Befriedigung der drängendsten Bedürfnisse nicht gab. Sogar der Welternährungsfonds der UNO berichtet, daß es genug Lebensmittel auf dem Globus gibt, um alle Menschen satt zu machen; und selbstverständlich könnten im Bedarfsfall noch viel mehr Lebensmittel hergestellt werden.

      Gehungert wird also auch vor vollen Lagerhäusern, und nur deshalb, weil es an Geld fehlt, um die vorhandenen Lebensmittel zu kaufen. Dasselbe gilt auch für weniger lebensgefährliche Formen des Mangels: das Fehlen guter Behausung, medizinischer Betreuung, Bildung und sonstiger Konsumartikel. Schuld an dem Ausschluß vom Reichtum ist das Privateigentum. Dieses Rechtsinstitut des Kapitalismus gilt heute bis in den hintersten Winkel der Erde. Jedes Stück natürlichen und produzierten Reichtums gehört irgend jemandem. Überall gibt es eine Staatsmacht, deren Recht einigen Bürgern die beliebige Verfügung über den materiellen Reichtum gestattet, und allen anderen Bürgern, die diese Reichtümer auch brauchen, den Zugriff darauf verbietet. Wenn in Afrika immer wieder Lebensmittelvorräte geplündert werden, dann zeigt das nicht nur, daß es da etwas zu holen gibt, sondern daß es den Hungernden eben verboten ist, zu nehmen, was sie brauchen.

      Der Ausschluß vom Reichtum gewinnt heute an Schärfe, weil den Armen nicht nur produzierte Konsumtionsmittel, die andere haben, vorenthalten werden, sondern die Quellen des Reichtums selbst, die Produktionsmittel, und damit die Instrumente der Arbeit, mit denen sie sich die Gegenstände ihres Bedarfs herstellen könnten. Grund und Boden sowie die produzierten Mittel der Produktion – Werkstätten, Maschinen, Rohstoffe – gehören allesamt anderen Leuten, den sogenannten Reichen.

      Glück hat, wer ausgebeutet wird

      Die Trennung der Menschen von ihren Produktionsmitteln sieht in verschiedenen Ländern des Südens verschieden aus, hat aber immer dasselbe Resultat: Nomaden können ihre Lebensform nicht fortsetzen, wenn Grundeigentümer Zäune, Staaten Grenzen ziehen und ihnen den nötigen Weidewechsel ihrer Herden verunmöglichen. Anderswo werden Kleinbauern zugunsten von großflächigem Bergbau, Staudämmen oder Plantagen, die für den Weltmarkt produzieren, von den halbwegs fruchtbaren Böden verdrängt. Wieder anderswo haben die traditionellen Kleinhandwerker, Weber, Schneider, Leder- und Metallbearbeiter, keine Chance gegen die importierten Industrieprodukte der Weltkonzerne, ganz gleichgültig, wie billig sie zu arbeiten bereit sind. Ihnen fehlt eben der Zugang zu den Produktionsmitteln, die heutzutage nötig sind, um sich an der Konkurrenz um die Kaufkraft zu beteiligen.

      Solche Menschen sind mittel- und hilflos. Sie können die für ihren Lebensunterhalt nötige Arbeit nicht verrichten und sich daher die Mittel ihrer Bedürfnisbefriedigung nicht beschaffen. Das Ganze hat mit Fleiß und Faulheit, mit Mentalität und »fatalistischer Lethargie« nichts zu tun: Millionen in der »Dritten Welt« kämpfen verbissen und ohne rechten Erfolg um ein anständiges Leben. Um Arbeit zu finden, nehmen viele von ihnen Lebensgefahren auf sich. Als Flüchtlingsproblem landen sie in den Slums der großen Städte des Nordens und werden, wenn sie Glück haben, gnadenlos ausgebeutet, wenn sie Pech haben, wieder zurückgeschickt. Andere verharren in erzwungener Untätigkeit, nicht weil das Hungern so bequem ist, sondern weil die Trennung von den nötigen Arbeitsmitteln jede lohnende Anstrengung außer Reichweite rückt. Auf sie deuten dann die moralischen Volkserzieher, nennen sie Faulenzer ohne Strebsamkeit und Arbeitswillen und erklären Passivität, Abstumpfung, ja Verwahrlosung der Menschen, die aus ökonomischer Hilflosigkeit und nicht überwindbarem Elend resultieren, zur – selbstverschuldeten – Ursache des Elends.

      Die Armut der Staaten der »Dritten Welt« ist etwas ganz anderes als die Not großer Teile ihrer Völker. Diese Staaten folgen der heute als einzig zeitgemäß geltenden Raison und setzen für die Vergrößerung ihrer Macht und ihres Reichtums auf die Vermehrung privaten Eigentums. Dafür ist die Armut ihrer Bürger produktiv. Also legen sie sie darauf fest, sich den Eigentümern der Produktionsmittel als Instrument ihrer Profite anzubieten. Geldverdienen durch Lohnarbeit, soll der einzige erlaubte Lebensunterhalt des Volkes sein, damit es mit seiner Arbeit nicht nur sich ernährt, sondern dem Eigentümer der Produktionsmittel einen Zuwachs an Geld schafft, von dem auch der Staat seinen Teil abkriegt. Ob und in welchem Maß dieser Lebensunterhalt zustande kommt, hängt allerdings nicht vom Wunsch des Staates nach möglichst viel »Beschäftigung« ab, und schon gar nicht von dem Bedürfnis der Arbeitssuchenden, Geld zu verdienen.

      Darüber entscheiden allein die Rechnungen derer, denen die Produktionsmittel gehören: Sie lassen mittellose Arme für sich arbeiten, und zwar soviel und zu einem Lohn, daß deren Arbeit ihren Reichtum mehrt und nur dann. Der moderne Lohnarbeiter kann weder durch Fleiß noch durch die Bereitschaft, sich für fast gar kein Geld herzugeben, seine Benutzung »erzwingen«. Diese hängt ganz von den Geschäften der Eigentümer ab, die von Land zu Land verschieden, im Ganzen aber von der Art sind, daß nur ein Bruchteil der Arbeitssuchenden eine Anstellung findet.

      Die wahren »Arbeitgeber« sind heutzutage ohnehin die global disponierenden Konzerne. Sie vergleichen weltweit die Renditen, die sie aus Kapitalanlage erwarten können, legen ihr Geld vorurteilslos überall nach dem Gesichtspunkt des größten Ertrags an – und sortieren damit die Welt.

      »Absolute Überbevölkerung«

      In Ländern der sogenannten Vierten Welt, Somalia, Äthiopien u. a., findet das internationale Profitinteresse fast gar nichts Ausnutzbares. In diesen Ländern läuft deshalb so gut wie gar kein Wirtschaftsleben, keine Produktion des Notwendigen und kaum ein Überleben. Aus der Welt des Eigentums, in der alles käuflich ist, aber auch gekauft werden muß, werden selbstverständlich auch diese Weltregionen nicht entlassen. Ein paar Dollar kommen dort immer noch zustande, auch dorthin kann man noch verkaufen; und als Bedingung der Möglichkeit zukünftiger Geschäfte müssen Grund und Boden und, was es sonst noch gibt, natürlich Privateigentum sein und bleiben.

      In Ländern, die zu unrecht »Entwicklungsländer« heißen, macht sich das Geschäftsinteresse zumeist an speziellen Naturbedingungen fest: Kapital wird investiert in die Produktion von Südfrüchten für den Weltmarkt, sogenannten Cash Crops, d. h. Geldpflanzen, in die Ausbeutung von Bodenschätzen oder in die Verwertung landschaftlicher Reize durch die Tourismusindustrie. In diesen Fällen weckt nicht die nationale Arbeitskraft das Interesse der internationalen Kapitalisten, sondern eine besondere Naturbedingung. Abgesehen von den wenigen, die für Bergbau, Plantagenwirtschaft und die Bedienung der Touristen gebraucht werden, hat das Weltgeschäft für die lokale Bevölkerung keine Verwendung: Zusammen mit den Ländern der »Vierten Welt« bildet sie die absolute Überbevölkerung des Weltkapitalismus.

      In den sogenannten Schwellenländern entdecken die internationalen Konzerne durchaus Teile des Volkes als billige Arbeitskraft, die sie zusätzlich zu der in den Metropolen oder auch statt ihrer ausbeuten. Sie lagern Teile ihrer Produktion in Billiglohnländer aus, exportieren Arbeitstempo und Produktivität, die sie im Stammland aus ihren Leuten herausholen, zahlen dafür aber nur die ortsüblichen Hungerlöhne. Die lokalen Regierungen bekämpfen ihre staatliche Armut, indem sie ihre Menschen zum konkurrenzlosen Billigangebot ans internationale Kapital herrichten: Sie schlagen jeden Widerstand gegen die elenden Arbeitsbedingungen nieder und werben mit dieser Dienstleistung um die Anlage auswärtigen Kapitals auf ihrem Territorium. Wenn in solchen Ländern tatsächlich einmal alternative Regierungen an die Macht kommen, die nationalen Fortschritt anders verstehen und eine Minimalversorgung für ihre Bevölkerung anstreben, läßt die Koalition der freiheitlichen Weltmächte nichts unversucht, um derartige soziale »Experimente« zum Scheitern zu bringen – notfalls per Militärintervention. Trotz aller mit äußerer und innerer Gewalt niedrig gehaltenen Löhne findet auch in den Schwellenländern nur eine Minderheit regelmäßige und geregelt entlohnte Arbeit. Die Mehrheit bildet die kapitalistische Reservearmee, die nur in ganz besonderen Wachstumsphasen das Glück hat, einmal eine Weile beschäftigt zu werden. Oder sie ist einfach nur völlig überflüssige Überbevölkerung.

      Alles das ist in den gerühmten Industrieländern nicht grundsätzlich anders: Auch dort ist ständig ein Teil der Arbeiterschaft unbeschäftigt und vom Abstieg ins Elend nicht nur bedroht, sondern betroffen. Auch in den Hochlohnländern ist die Armut Grundlage und Produktivkraft der Wirtschaft. Dazu bekennt sich diese Gesellschaft unverhohlen, wenn Politiker, Wirtschaftsführer und Meinungsmacher über viel zu hohe Löhne klagen. Von der Wirtschaftskrise, über die Defizite im Staatshaushalt bis zur Pleite der Sozialkassen und der Arbeitslosigkeit werden alle Übel auf den hohen Lohn zurückgeführt und sollen durch seine Senkung überwunden werden. So bestätigen die Fachleute, daß der Reichtum dieser Gesellschaft auf der Armut der Arbeitenden beruht und fordern mehr davon.

      Weltweit hat die Mehrheit der Menschen das Pech, daß sie durch die Gewalt der Verhältnisse auf eine proletarische Existenz angewiesen ist, ihre Arbeitskraft aber nicht nachgefragt wird. Denn über Leben-Können und Nicht-Leben-Können der eigentumslosen Milliarden entscheidet das Kapital mit seiner Nachfrage nach Arbeit. Es definiert, welche Menschen ein Lebensrecht haben, weil sie für seinen Profit gebraucht werden, und welche Menschen nach allen gültigen Maßstäben unnütz und überflüssig sind. Sie sind daher eine bloße Last – und werden entsprechend behandelt.

      Ein Nord-Süd-Konflikt?

      Diese Antwort wird dem nicht genügen, der die Frage nach dem Grund für die Armut in der »Dritten Welt« anders meint: Es ist nämlich ein Unterschied, ob nach dem Grund der Armut oder nach dem Grund der besonders großen Armut gefragt wird, im zweiten Fall gilt das Übermaß der Armut als kritikwürdiger Skandal und der Grund, der gesucht wird, ist einer für eine Abweichung von einem Normalmaß. Diese Fassung der Frage ist beliebt bei der Solidaritätsbewegung, bei Antiglobalisierungsgruppen sowie bei den christlichen Kirchen mit ihren Kollekten: »Brot für die Welt«.

      Tatsächlich ist der Unterschied in Gesundheit, Lebenserwartung und Lebensstandard ja riesig: Die in der »Dritten Welt« verhungern, die in der »Ersten« sehen ihnen dabei am Farbfernseher zu – und freuen sich, daß es ihnen gut geht, vergleichsweise wenigstens. Dennoch ändert das nichts an ihrer ökonomischen Stellung – und die teilen sie mit den Paupers in der »Dritten Welt«. Ihr Unterschied entsteht auf Basis ihrer Gleichheit: Beide können nur leben, wenn sie fürs Kapital leben. Deshalb verdienen die einen Lohn, mit dem sie recht und schlecht auskommen, und die anderen verhungern.

      Wer allerdings das Übermaß der Armut in der »Dritten Welt« für den eigentlichen Skandal hält, kommt in ein ganz anderes Fahrwasser. Er mißt die Lage der Opfer des Kapitals aneinander und findet die Abweichung zwischen Nord und Süd ungerecht: Da erscheint der Lohnarbeiter der »Ersten Welt« als reich, weil er mit dem Hungerleider der »Dritten Welt« verglichen wird, umgekehrt erscheint dieser als arm nur durch den Vergleich. Der Protest, der vom Vergleich lebt und Ausgleich fordert, gerät sehr bescheiden:

      Er versteht den Lebensstandard kostengünstiger Lohnarbeiter als einen echten und eigentlich unnötigen Luxus. Da gilt es eher, vom unverdienten Reichtum etwas abzugeben, und als ungehörig, mehr Teilhabe am existierenden Reichtum zu fordern. Den Armen im Süden, denen die Solidarität der Protestierenden gilt, wünscht man ein bescheidenes Auskommen. Freiheit von Hunger und sauberes Trinkwasser, das reicht schon.

      Die trostlose »Subsistenz«, die durch den Einzug der Weltwirtschaft in ihre Länder zerstört worden ist, wird als »Leben im Einklang mit der Natur« verklärt; eine proletarische Existenz oberhalb der offiziell definierten Armutsgrenze gilt als »Mittelstand«. Der Vergleich der Armut hier und dort legt, ob ausdrücklich oder nicht, den Maßstab des Leben- und Überleben-Könnens an – und das in dieser Welt des Reichtums, in des es von allem und für alle genug und mehr als genug geben könnte.

      Wer also nicht die erpreßte Lebenslage von Lohnarbeitern überall, sondern die Abweichung ihrer Lebenslagen zum Skandal erklärt, den Grad des Elends in der »Dritten Welt« für das Erklärungsbedürftige hält, der unterscheidet einen normalen, funktionierenden Kapitalismus von einem defizitären, nicht funktionierenden, abnormen im Süden und fragt, warum den Entwicklungsländern fehlt, was der Norden hat. Dabei ist da nichts abnorm. Nirgendwo steht geschrieben, daß das Kapital die Menschen, die es seiner Ordnung unterwirft auch – wenigstens mehrheitlich – für seine Geldvermehrung benutzen muß.

      Global gesehen ist das ohnehin die Ausnahme. Dem Süden fehlt nichts für die weltwirtschaftliche Rolle, die er im Weltkapitalismus spielt. Denn mehr war nicht versprochen, als daß das Privateigentum alle Produktions- und Lebensbedingungen erst einmal monopolisiert und hinterher zusieht, was sich für seine Vermehrung aus diesen Bedingungen machen läßt.

      Das Lebensmittel der Menschheit

      Wenn in den Entwicklungsländern ein mangelhafter Kapitalismus der Grund des besonders großen Elends sein soll, dann wird dem Kapitalismus ein Zweck unterschoben, den er nicht hat: Er soll die Weltbevölkerung ernähren und täte das auch, wenn er richtig funktionieren würde. Damit steht alles auf dem Kopf: Nicht, daß die Welt dem Geschäftsinteresse untergeordnet ist, ist das Problem, sondern daß sie es noch nicht genug ist. Wer meint, dem Süden fehle etwas dazu, daß es bei ihm so auskömmlich zugeht wie im Norden, der weiß auch schon, was: Kapital, dieses unverzichtbare Lebensmittel der Menschen. Das Elend kommt dann nicht von der Herrschaft des Kapitals, sondern von einem Mangel an Kapital. Und wer sich auch noch der verkehrten Frage widmet, warum sich das Kapital nicht gleichmäßig über die Erde verteilt, warum es nicht auch den Süden beglückt, der es so dringend benötigt, dem fallen statt der einen Ursache des Elends tausend Sonderbedingungen ein, die eine »gesunde Entwicklung« des an sich segensreichen Kapitalismus im Süden behindern: Schlechte Regierung, Korruption der Mächtigen sowie die Trägheit der Massen, fehlende Demokratie, koloniale Benachteiligung, Protektionismus des Nordens, Überschuldung der Staaten usw.

      Übrigens wird der Vergleich zwischen einer gesunden kapitalistischen Normalität und der unnormalen Fehlentwicklung heute eher in umgekehrter Richtung durchgeführt. Die deutschen Lohnarbeiter bekommen von ihren Chefs gesagt, daß sie zu teuer sind für deren Gewinn, und daß ihre Arbeit in Tschechien, Portugal und erst recht in Südostasien viel billiger erledigt wird. Andere Völker arbeiten länger und machen es für weniger Lohn – und das geht auch! Dort wandert das Kapital hin, Arbeitslosigkeit haben sich die Arbeiter selbst zuzuschreiben, wenn sie so unflexibel sind, ihren Lebensstandard nicht in Richtung »Dritte Welt« zu reformieren.

      35-Stunden-Woche, Tariflohn, Krankenversicherung und Altersversorgung, alles wird als Luxus betrachtet und behandelt, der dem Geschäftserfolg abträglich ist. Inzwischen ist das Lohnniveau im Norden eine Fehlentwicklung, die korrigiert gehört, und die Armut in der »Dritten Welt« ein Vorbild. Die Experten in Sachen Marktwirtschaft haben kein Problem damit zuzugeben, daß der Reichtum dieser Gesellschaft auf der Armut der Arbeitenden beruht. Im Gegenteil, sie klagen, daß es hierzulande zu wenig davon gibt.

      Tatsächlich ist es immer dasselbe: Die Eigentumsordnung des Kapitalismus macht die Menschen unfähig, für ihr Leben selbst zu sorgen; sie zwingt alle, ihre Chance darin zu suchen, daß sie sich dem Kapital dienstbar machen. Während die Freunde der sozialen Gerechtigkeit die Lebensverhältnisse unter dem Kapital hier und dort vergleichen, vergleicht das Kapital die Leistung und Billigkeit der Völker praktisch – das heißt, es spielt sie gegeneinander aus. Wenn dann die Menschen endgültig von dieser Ordnung umfassend erpreßt sind und niemand mehr leben kann, wenn er nicht fürs Kapital lebt, dann finden sich welche, die die Sache umdrehen: Sie erklären mit dem Verweis auf diese Alternativlosigkeit das Kapital zum Lebensmittel der Menschheit.
      :eek:

      * Peter Decker gehört zur Redaktion der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt

      http://www.jungewelt.de/2004/02-18/004.php
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      schrieb am 17.02.04 22:12:51
      Beitrag Nr. 1.384 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Balanceakt

      China: Die Wirtschaft des Riesenlandes brummt und läßt in Peking manchen Kopf rauchen


      Für Chinas Wirtschaft stehen inzwischen die Lichter auf rot. Obwohl viele Produktionsanlagen bereits seit letztem Sommer so sehr auf Hochtouren laufen, daß allenthalben vor Überhitzung gewarnt wird, ist im Januar der industrielle Ausstoß um weitere 7,2 Prozent gewachsen. Und das, obwohl die meisten Fabriken wegen der Neujahrsfeiern eine ganze Woche stillstanden oder mit verminderter Leistung arbeiteten. Rechnet man diesen Saisoneffekt raus, dann wuchs die Gütererzeugung gar um 19,1 Prozent, berichtet das Staatliche Büro für Statistik in Peking. Wie schon in den Vormonaten ging das Wachstum vor allem auf das Konto der Auto-, Grundstoff- und Investitionsgüterindustrie, deren realer Ausstoß trotz der Neujahrsferien um 9,1 Prozent wuchs, womit die Angst vor einer Überproduktionskrise weitere Nahrung erhält. Die Konsomgüterbranche legte um 4,9 Prozent zu. Damit setzt sich der Trend des letzten Jahres fort.

      In einem wahren Fieberrausch nahmen im vergangenen Jahr die Investitionen in Infrastruktur und Produktionsanlagen um 43,8 Prozent gegenüber 2002 zu. Noch extremer sind die Werte der Grundstoffindustrie, in die gar 82,8 Prozent mehr als im Vorjahr gesteckt wurden. In einigen Regionen waren die Kraftwerke zeitweise nicht mehr in der Lage, den sprunghaft gewachsenen Bedarf zu decken. Die Gefahr, daß Tempo und Ausmaß der Investitionen zum Aufbau massiver Überkapazitäten führt, bereitet den Verantworlichen in Peking inzwischen erhebliche Kopfzerbrechen. Nach den gegenwärtigen Prognosen werden zum Beispiel die Aluminiumkapazitäten den Bedarf im Jahre 2005 um rund 30 Prozent übersteigen.

      Eines der zahlreichen Probleme der chinesischen Wirtschaft ist die Inlandsnachfrage. Die hat zwar im letzten Jahr trotz der SARS-Krise im den Frühlingsmonaten kräftig angezogen und war damit einer der Auslöser des Booms. Insbesondere der Verkauf von PKW und Verbraucherelektronik vom Handy über den Computer bis zum Fernseher hat stark zugenommen. In Städten wie Schanghai werden die Fahrräder von den wichtigsten Straßen verbannt, um der aufstrebende Mittelklasse die freie Fahrt zu garantieren. Das Ergebnis dieser Art von Stadtentwicklung zu der auch reine Wohnsiedlungen am Stadtrand gehören ist übrigens das gleiche wie überall auf der Welt: Für die meisten Menschen nimmt die Mobilität ab, Fahrtzeiten werden länger, zurückzulegende Wege weiter.

      Dennoch reicht der neue Konsumrausch nicht aus, die Wirtschaftsexpansion zu tragen. Nur 45 Prozent des Bruttoinlandprodukts gehen in der Volksrepublik in den Konsum, während es beim Schuldenweltmeister USA zum Beispiel fast 70 Prozent sind. China hat eine der höchsten Sparraten der Welt, was für die Akkumulation von Kapital gut, für die Ankurbelung des Binnenmarktes jedoch schlecht ist. Zudem verdeutlicht die Struktur der Guthaben die sich rasant vertiefenden Gräben in der Gesellschaft: 80 Prozent der Bankeinlagen gehören zwölf Prozent der Sparer. Die Bauern, deren Einkommen in den letzten Jahren sogar zurückgegangen sind, die traditionelle Arbeiterklasse und die Wanderarbeiter in den Metropolen bleiben bisher vom Boom ausgeschlossen und haben keinen Zugang zur schönen neuen Glitzerwelt der Konsumtempel. Der stärkste Motor des Wirtschaftswunders bleibt daher der Außenhandel. Mit einem Volumen von rund 681 Milliarden Euro übertraf er 2003 das Vorjahresergebnis um 37 Prozent, womit die Volksrepublik auf Rang vier der Handelsnationen stieg. Gleichzeitig schrumpfte allerdings der Handelsbilanzüberschuß auf nur noch 16 Prozent, da die Importe noch schneller als die Exporte wuchsen. Im Januar wurde gar ein leichter Überschuß der Importe verzeichnet. Dessen ungeachtet gerät die chinesische Führung auf internationaler Ebene zunehmend wegen ihrer Exportpolitik unter Druck. Die japanische Wirtschaft beklagt die billige Konkurrenz, für die sie die unterbewertete chinesische Währung verantwortlich macht, und in den USA muß das dortige wachsende Handelsbilanzdefizit mit China im Präsidentenwahlkampf als Vielzweck-Sündenbock herhalten.

      In Peking übt man sich daher derzeit in einem komplizierten Balanceakt: Einerseits kann die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit in den Städten und die bedrückende Lage auf dem Lande die schon seit Jahren spürbare soziale Unruhe jederzeit aus dem Ruder laufen lassen. Starkes Wirtschaftswachstum ist daher unabdingbar, um die Arbeitslosigkeit nicht weiter wachsen zu lassen. Gleichzeitig entgleitet dieses Wachstum aber der Kontrolle und könnte wegen Überhitzung zu einer ausgewachsenen Überproduktionskrise führen, aus der es dann für einige Jahre keinen Ausweg gäbe. Druck von außen verkompliziert die Lage zusätzlich.

      Die Führung versucht derweil, Feuer unter dem Kessel herauszunehmen: Das Wachstum der Kredit- und Geldmenge soll beschränkt werden, versprach letzte Woche erneut Ministerpräsident Wen Jiabao. Außerdem will man künftig Umweltstandards konsequenter durchsetzen und entsprechende Bauverbote und Stillegungen verfügen. Wieviel von dieser Politik in den Provinzen ankommt, ist allerdings eine ganz andere Frage.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-18/011.php
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      schrieb am 17.02.04 22:15:41
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      Avatar
      schrieb am 17.02.04 22:24:50
      Beitrag Nr. 1.386 ()
      industriepolitik

      Pleiten nach Plan

      Schiffbau, Kohle und nun die "Innovationsoffensive": Der Staat greift gern in die Wirtschaft ein - und verschwendet Milliarden


      Von Klaus-Peter Schmid

      Was geht das eigentlich den Staat an? Da will der französische Pharmakonzern Sanofi seinen deutsch-französischen Konkurrenten Aventis kaufen. Im Europäischen Binnenmarkt ist das absolut legal, so, wie Aventis aus der Fusion von Hoechst und Rhône-Poulenc hervorging, und so, wie der britische Mobilfunker Vodafone die deutsche Mannesmann AG übernahm und zerschlug. Den Staat geht das nichts an.

      Und doch. Frankreichs Wirtschaftsminister Francis Mer verkündete eilends, er stütze die Ambition von Sanofi, einen „europäischen Champion“ zu schaffen; Premierminister Jean-Pierre Raffarin schwärmte von einem „unbestrittenen Weltmarktführer“. Prompt protestierte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Während Paris offensichtlich Sanofi für einen Spitzenplatz in der Pharmabranche aufpäppeln will, fürchtet Berlin um den Rang der deutschen Arzneimittelindustrie, die einst als die Apotheke der Welt galt.

      Auch wenn der Kanzler inzwischen erklärt, er akzeptiere eine freundliche Übernahme, sofern sie keine Arbeitsplätze zerstöre: Die Begleitmusik zum Übernahmekampf ist typisch für die Einmischung des Staates in Entscheidungen der Industrie – eben Industriepolitik pur.

      Seit Januar macht die von der Bundesregierung losgetretene Innovationsdebatte Schlagzeilen, auch sie ist Ausdruck einer industriepolitischen Ambition. Es ist der klassische Mechanismus: Erst versprechen die ins Kanzleramt gerufenen „Partner für Innovation“, die „für Deutschland zentralen Zukunftsmärkte zu identifizieren und sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu ihrer Erschließung zu verständigen“. Dann sagt ihnen der Kanzler zu, er unterstütze die Wirtschaft „in ihrem Bemühen, die technologische Marktführerschaft in diesen Bereichen zu erringen“. Mit anderen Worten: Bald fließen die Subventionen.

      Gestandenen Marktwirtschaftlern ist so etwas ein Graus. Sie akzeptieren nicht, dass der Staat erst entscheidet, was Fortschritt ist, und dann durch gezielte Eingriffe die Wirtschaft genau dahin zu lenken versucht. Dass dann noch ein nach politischen Kriterien besetzter Innovationsrat die Weichen in die Zukunft stellen soll, wie Schröder jetzt plant, erscheint ihnen absurd. „Hinter diesem Ansatz verbirgt sich ein industriepolitisches Denken, das schon vor Jahrzehnten gescheitert ist“, sagt Henning Klodt vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Schon Otto Graf Lambsdorff spottete einst über die vermeintliche Weisheit der Beamten an ihren Schreibtischen, die „mit staatlicher Lenkung das Morgen gestalten wollen“.

      Investitionen zu lenken sei allein Sache des Marktes, argumentieren die orthodoxen Marktwirtschaftler und zitieren Friedrich Hayeks Definition vom Wettbewerb als Entdeckungsverfahren. Und der Staat? Er habe für günstige Rahmenbedingungen zu sorgen. Also für eine moderne Infrastruktur, gut ausgebildeten Nachwuchs, niedrige Steuern, günstige Energieversorgung, gleiche Wettbewerbsbedingungen. Alles andere sei von Übel.

      So wie die forcierte Industriepolitik, die Frankreich lange Jahre praktizierte. Bis Mitte der siebziger Jahre definierte die Pariser Regierung im Rahmen der Planifikation Ziele für die Industrie und garantierte zugleich die nötigen Mittel für die Umsetzung. Viele ambitionierte Projekte entwickelten sich dabei zum Milliardengrab. Etwa das Überschallflugzeug Concorde, das sich nie rentierte und ein Prestigeobjekt ohne Folgemodelle blieb. Oder die Investitionen in eine nationale Computerindustrie rund um Bull, die ohne Chance gegen die amerikanische Konkurrenz war und nur dank stattlicher Staatshilfe überlebt. Nicht zu vergessen Secam, das Farbfernsehen à la française, das sich trotz politischer Bemühungen in aller Welt nicht durchsetzen konnte.

      Zwar gab es auch Erfolge. Die staatliche Atom- und Energiewirtschaft war technisch immer führend, der Superschnellzug TGV fuhr zehn Jahre vor dem deutschen ICE. Nicht zu vergessen der Airbus, ein ursprünglich deutsch-französisches Projekt, aus dem ohne Drängen der Franzosen nichts geworden wäre. Heute hat Airbus den Erzkonkurrenten Boeing überflügelt, und auch im Berliner Wirtschaftsministerium gilt die deutsch-französische Flugzeugfamilie als Musterbeispiel gelungener Industriepolitik. Die Subventionen seien gerechtfertigt, heißt es, weil kein privater Investor ein solches Projekt hätte finanzieren können.

      Aber für Puristen wie Klaus-Werner Schatz vom Institut der deutschen Wirtschaft ist selbst diese Begründung nicht überzeugend: „Dass man gelegentlich mal Erfolg hat, muss einen doch nicht wundern.“ Und Axel Werwatz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) kritisiert: „Das Prinzip Airbus ist kein gutes Prinzip. Es ist total unsicher. Das ist wie eine hoch riskante Geldanlage.“ Und die endet immer wieder in einer Pleite.

      Auch hierzulande lassen sich leicht Beispiele für die Verirrungen ambitionierter Industriepolitik finden. Der Schnelle Brüter von Kalkar (Kosten: 3,5 Milliarden Euro) ging nie in Betrieb; der Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop (Kosten: zwei Milliarden Euro) wurde schon nach drei Jahren Betrieb stillgelegt. Der hoch subventionierte Siemens-Großrechner wurde mehr oder weniger am Markt vorbei entwickelt. Der Transrapid, auch er ein Produkt industriepolitischen Ehrgeizes, fährt immerhin auf einer Strecke in China, wird aber seine vom Staat übernommenen Entwicklungskosten von mehr als einer Milliarde Euro mit Sicherheit nie einfahren. Alles Beispiele dafür, so Henning Klodt, „dass sich technologische Erfolge nicht mit der förderpolitischen Brechstange erzwingen lassen“.

      Dem Kanzler sind solche Bedenken fremd. Ordnungspolitische Skrupel kennt er schon gar nicht, wenn er als Retter in der Not auftreten kann. Wie 1999 beim maroden Baukonzern Philipp Holzmann. Mit Hilfe staatlicher Darlehen und einer Ausfallbürgschaft sollte das Unternehmen überleben. Später ging es dennoch Pleite. Vor zwei Jahren ließ sich Schröder von den Arbeitern des Waggonbauwerks Ammendorf in Sachsen-Anhalt für die Rettung von 900 Arbeitsplätzen feiern. Heute sind 200 Jobs weggefallen, die Zukunft des Werks bleibt ungewiss.

      Milliarden für die Kohle

      Der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz erkannte in dieser Variante der Industriepolitik ein simples Prinzip: „Wenn der Große Pleite geht, kommt der Bundeskanzler; wenn der Kleine Pleite geht, kommt der Konkursverwalter.“ Ein Vorwurf, den sich auch Länderfürsten gefallen lassen müssen. Der Freistaat Bayern pumpte seit Ende der achtziger Jahre Millionenbeträge in die Maxhütte, beteiligte sich sogar an einer Auffanggesellschaft; inzwischen hat das Stahlwerk die Produktion eingestellt. Dem Charterflieger LTU drohte Ende 2001 die Pleite, sie wurde vor allem dank einer Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen abgewendet. Auf festen Beinen steht LTU immer noch nicht. Das Unternehmen Cargolifter, das ein riesiges Luftschiff bauen wollte, kam nur dank großzügiger Hilfe des Landes Brandenburg über die ersten Runden. Jetzt ist es pleite.

      „Hier degeneriert Industriepolitik immer mehr zur Lokalpolitik“, kritisiert Wirtschaftsforscher Schatz, und das gilt im Grunde auch für die größte industriepolitische Sünde: die Steinkohlenhilfe. Dass die künstliche Erhaltung dieser Branche eine zukunftsträchtige Politik wäre, behauptet niemand. Aber kaum ein verantwortlicher Politiker wagt es, die Volksstimmung im Ruhrgebiet gegen sich aufzubringen. So schrieb die Bundesregierung im vergangenen November einen Finanzrahmen für die Unterstützung der Steinkohle fest, der die Steuerzahler bis 2012 fast 16 Milliarden Euro kosten wird.

      Eine lupenreine Erhaltungssubvention, aber zum Glück nicht die Regel. Im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers finden sich lediglich drei klare Direkthilfen für bestimmte Branchen: Steinkohle (2004: 2,2 Milliarden Euro), Werftindustrie (61,9 Millionen) und Airbus-Absatzfinanzierung (36,7 Millionen). Heute, so die Philosophie des Berliner Wirtschaftsministeriums, bestehe die Aufgabe der Industriepolitik „in erster Linie im Setzen von Rahmenbedingungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten und das Wachstums-, Beschäftigungs- und Innovationspotenzial der Industrie erhöhen“. Dafür schüttet der Wirtschafts- und Arbeitsminister an die gewerbliche Wirtschaft in Ost und West immerhin rund vier Milliarden Euro im Jahr aus.

      Schwindel mit Innovationen

      Gleichzeitig hat auch Brüssel neue industriepolitische Ambitionen angemeldet. Ihre Schlüsselbegriffe – „Wissen“, „Innovation“ und „Initiative“ – definierte schon der EU-Gipfel von Lissabon im Frühjahr 2000. Bis 2010 solle die Union „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt“ werden. Und für die Branchen der Zukunft stehen Biotechnologie, Nanotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologie.

      Nur: Was Brüssel will, passt wiederum Berlin nicht ins Konzept. Nach dem Geschmack des Kanzlers setzt die EU-Kommission zu stark auf den Dienstleistungssektor und vernachlässigt die klassischen Industrien. Früh zog Schröder deshalb nach Brüssel, um sich über die Benachteiligung deutscher Interessen zu beschweren. Sein Musterbeispiel: Dass die Kommission den Autohandel liberalisieren wolle, schade der deutschen Automobilindustrie, die noch für lange Zeit von zentraler Bedeutung für die deutsche Wirtschaft bleibe. Es ist das gleiche Phänomen wie auf nationaler Ebene: Europäische Industriepolitik gilt dann als richtig, wenn sie den Interessen vor Ort dient.

      Weil die Visite des Kanzlers keine Wirkung zeigte, suchte er Verbündete. Am 20. September 2003 schrieben Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Tony Blair gemeinsam einen Brandbrief an Kommissionspräsident Romano Prodi, in dem sie vor der „Gefahr einer Deindustrialisierung“ warnten und unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen forderten. Nicht mehr, sondern eine andere Industriepolitik solle Brüssel betreiben.

      Konkret: Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Chemikalienpolitik sei zu bürokratisch und entspreche nicht „dem schnellen, einfachen und kosteneffizienten Verfahren, das zugesagt wurde“. Brüssel solle gefälligst Vorschläge vorlegen, die der Industrie Vorteile und nicht Nachteile im internationalen Wettbewerb bescherten.

      Dazu kommt das Ärgernis Umweltpolitik. In den vergangenen zehn Jahren sind allein im Umweltbereich auf EU-Ebene mehr als 500 Richtlinien und Verordnungsvorschläge verabschiedet worden. Nun proben die Industrievertreter den Gegenangriff. „Wir verfolgen in Europa, aber auch in Deutschland, zu häufig immer ehrgeizigere ökologische Ziele, ohne die Rückwirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu bedenken“, kritisiert Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

      Was der Bundeskanzler – Kyoto-Protokoll hin, Nachhaltigkeit her – dazu sagt, klingt auch nicht viel anders: Europa müsse beim Schutz der Umwelt und des Klimas glaubwürdig bleiben, aber bitte ohne Maßnahmen, „die den Produktionsstandort Europa für unsere Unternehmen so stark an Attraktivität verlieren lassen, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung substanziell bedroht sind“.

      Genau das ist das Grundproblem der Industriepolitik: In Wirklichkeit ist sie vor allem Beschäftigungspolitik – und nur im Ausnahmefall ein Instru-ment des Strukturwandels. Was dagegen als Innovationspolitik angepriesen wird, entpuppt sich nur allzu oft als Etikettenschwindel: Mit positiv besetzten Begriffen werden Subventionen begründet, die wenig Neues schaffen. Am Ende, sagt der Kieler Ökonom Klodt, würden lediglich „alte Konzepte der Industriepolitik in neue Schläuche abgefüllt“.

      Und wo Industriepolitik Neues zu generieren versucht, ist sie überfordert – siehe Toll Collect. Für die Entwicklung des technologisch anspruchsvollen Maut-Systems hat die Bundesregierung zwar keinen Euro investiert; das besorgt in ihrem Auftrag ein Konsortium aus Deutsche Telekom, DaimlerChrysler und Cofiroute. Aber der Verkehrsminister sollte an den Maut-Einnahmen partizipieren, und da die Technik noch lange nicht einsatzbereit ist, könnte der Verlust für die Staatskasse am Ende leicht drei Milliarden Euro erreichen. So wird wohl auch Toll Collect vor allem als Milliardengrab in die Annalen deutscher Industriepolitik eingehen.

      (c) DIE ZEIT 12.02.2004 Nr.8

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/08/Ind_Politik
      Avatar
      schrieb am 17.02.04 22:42:52
      Beitrag Nr. 1.387 ()
      Argumente der Bullen
      ++ Performancedruck ++

      Von Claus Vogt
      Es gibt ein sehr deutliches „Argument“, das die derzeit extrem zahlreichen Bullen für sich reklamieren können: Die Kurse steigen. Und das bereits seit zehn Monaten, fast ohne Unterbrechung. Jeder, der unter kurzfristigem Performancedruck steht – und das tun nahezu alle Mitglieder des Finanzsektors – kann sich diesem „Argument“ fast nicht entziehen. Nichts ist überzeugender als steigende Kurse. Erinnerungen an den Neuen Markt könnten wachwerden, werden aber weitgehend unterdrückt. Da wir ständig bemüht sind, dazuzulernen, lesen wir natürlich regelmäßig mit besonderer Neugier Analysen und Prognosen derjenigen, die zu anderen Einschätzungen und Prognosen kommen als wir selbst. Auf welchen Argumenten basieren die fast unisono vorgetragenen Prognosen weiterhin steigender Kurse? Etwas ratlos finden wir kaum klare Antworten auf diese einfache Frage. „Weil die Zinsen niedrig sind“, lesen wir immer wieder. Das waren sie beispielsweise in Japan während der vergangenen zwölf Jahre auch, und trotzdem sind die Kurse gefallen. „Hohe Liquidität“ - auch dieses Argument verwundert uns mehr, als es uns Antworten gibt. Zumindest die Investmentfonds der USA haben eine historisch betrachtet sehr niedrige Liquiditätsquote. Außerdem erleben wir seit einigen Monaten etwas ganz Seltenes: Die Geldmengen in den USA wachsen nicht mehr, sie fallen sogar.

      „Die Wirtschaft wird wachsen“: Mag sein, aber der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Aktienkursen ist ein sehr langfristiger. Während der 1970er Jahre verzeichnete die Weltwirtschaft trotz mehrerer Rezessionen ein durchaus beachtliches reales Wachstum. Die Aktienmärkte liefen unter großen Schwankungen seitwärts und erlitten real, also um die Inflation bereinigt, empfindliche Verluste. „Die Unternehmensgewinne werden wachsen“: Auch das mag durchaus sein. Um die fundamentale Überbewertung abzubauen, müßten sie aber nicht entsprechend der aktuellen Schätzungen wachsen, sondern regelrecht explodieren. „Es gibt keine Anlagealternative“: Da zu jedem Käufer ein Verkäufer gehört, kann diese Einschätzung nur eine Hälfte der Akteure motivieren. Die andere Hälfte, zu der ungewöhnlich viele Unternehmensinsider gehören, verkauft ihre Aktien, sicherlich nicht ohne eine Alternative für die Geldeingänge zu haben.

      „Bereits zehn Monate lang steigen die Kurse, also werden sie weiter steigen“: Dieses eher selten in so einfacher Aufmachung ausgesprochene Argument ist unserer Meinung nach das beste, das wir seit einiger Zeit im Bullenlager finden können. Finanzmärkte bewegen sich bekanntlich in mehr oder weniger ausgeprägten Trends. Darauf basieren die Trendfolgestrategien, die durchaus erfolgreich sein können. Eine sehr simple Ausprägung dieser Vorgehensweise sei hier beispielhaft dargestellt: Man soll eine Aktie oder einen Aktienindex kaufen, sobald die 200-Tage-Durchschnittlinie steigt, und verkaufen, sobald sie fällt. Nach diesem Prinzip handelnd, hätte man den S&P 500-Index im Mai 2003 bei einem Stand von rund 940 Zählern gekauft, den Dax zur Jahresmitte bei etwa 3.400. Seither wäre man investiert und könnte sich an Buchgewinnen von jeweils gut 20 Prozent erfreuen. Da diese Vorgehensweise sehr träge ist, können Signale zum Ausstieg in den nächsten Wochen kaum erwartet werden. Einem scharfen Kurseinbruch wie beispielsweise dem Crash von 1987 kann man mit dieser Methode allerdings kaum entgehen. Mittel- bis längerfristig orientierte Trendfolgemodelle erlebten diesen spektakulären Börsenkrach voll investiert. Dann erst kam das verspätete Signal zum Ausstieg. Die Buchgewinne verwandelten sich in Buchverluste. Was also tun? Man kann bekanntlich nicht beides haben: Bei jedem Anstieg dabeizusein, selbst wenn er fundamental nicht zu rechtfertigen ist, und jeden Absturz zu vermeiden, selbst wenn er fundamental in höchstem Maße wahrscheinlich ist. Die aktuelle Situation erscheint uns genau dieses Dilemma aufzuweisen.

      ++ "Ich will dabeisein!" ++

      Natürlich ist es legitim und verständlich, in Zeiten steigender Kurse auch voll investiert sein zu wollen. Je höher die Kurse steigen, desto unwiderstehlicher wird dieser Wunsch. Da wir in den vergangenen Monaten nur mit unseren Prognosen steigender Goldminenaktien und steigender Rohstoffe richtiglagen, den allgemeinen Aufwärtstrend an den Börsen aber verpaßt haben, holen wir uns diesen Monat Rat bei dem von uns sehr geschätzten US-Strategen Don Hays. Dieser nennt sich selbst einen unverbesserlichen Bullen. Wir lesen seine Analysen und Kommentare bereits seit vielen Jahren, da wir ihn für einen der Besten seiner Zunft halten. Trotz seiner prinzipiell bullishen Grundhaltung ist er kein Cheerleader, der immer und unter allen Umständen steigende Kurse prognostiziert. Hin und wieder wird er vorsichtig, manchmal sogar geradeheraus bearish. Don Hays, der im Lauf des Jahres 1999 klar auf die seinerzeit sehr hohen Risiken an den Börsen hingewiesen hatte, drehte bereits zur Jahreswende 2000/01 wieder auf bullish. Er unterschätzte das Ausmaß der Baisse also sehr deutlich. Seither hat er unbeirrt an seiner Empfehlung, mehr oder weniger voll investiert zu sein, festgehalten, unbeeindruckt von den Kursrückgängen der Jahre 2001 und 2002. Seinem bullishen Naturell entsprechend erwartet er jetzt eine langfristige Fortsetzung der laufenden Aufwärtsbewegung, mahnt aber erstmals seit langem kurzfristig zur Vorsicht. Trotz seines großen Optimismus sieht er aktuell die Gefahr einer Korrektur, die durchaus einige Monate anhalten könne.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.

      http://www.instock.de/Nachrichten/10138795/pos/2
      Avatar
      schrieb am 17.02.04 23:12:48
      Beitrag Nr. 1.388 ()
      Grundsätzlicher* Gedankengang

      Zuvor ein Zitat:


      .....
      Es zeigt sich jedoch, daß die Inflation auch Vorteile hätte. So könnten Staaten, die einen Überhang interner Schulden haben, diese Schulden einfach weginflationieren.
      .....
      http://www.wiwiss.fu-berlin.de/w3/w3collie/krugman/deutsch.h…
      Immer wieder lese ich das. "Schulden weginflationieren" ! Geht das ?
      1.) Inflation ist als Ausweitung der Geld"menge" im Verhältniss zu einer Gütermenge zu definieren.

      2.) Alles Geld (Geldmenge) ist Kredit, sprich Schulden. Oft genug dargestellt.

      3.) Ein "weginflationieren" ginge demnach nur mit einer für die Inflation ursächlichen Erweiterung der Geldmenge (Punkt 1). Also mit neuen Schulden.


      Wie kann ich aber mit Schulden Schulden "weginflationieren", wenn doch eben diese Schulden die Ursache für Inflation sind ?

      Ist es nicht viel mehr so, daß die Schulden immer schneller steigen MÜSSEN, als sie durch den Inflationseffekt abgewertet werden ?

      Wenn das alles wiklich so einfach ist, warum funktioniert es dann offensichtlich nicht ? Warum folgte dann regelmäßig auf eine Hyperinflation der "Staatsbankrott" ?



      Wie gesagt, nur eine grundsätzliche Überlegung. Aber solche Aussagen wie "Schulden einfach weginflationieren" sollten mindestens als sehr kritisch angesehen werden !!

      * Grundsätzlich deshalb, weil z.B. Währungseinflüße ausgeblendet werden.



      --------------------------------------------------------------------------------

      Neueste Zahlen (Jahresabschluß):



      Veränderung gegenüber Vorquartal [Mrd.€]:

      30.09.03 1262,07 969,65
      30.12.03 1252,30 975,60



      Die letzten drei Jahre [Mrd.€]:

      31.12.01 2236,31
      31.12.02 2241,19
      30.12.03 2241,60

      Alles in allem kann man das Jahr 2003 in der BRD kredittechnisch wohl als "Non-Event" bezeichnen. Leider hat ein kredittechnischer Non-Event in einem Kreditgeldsystem unschöne Auswirkungen auf das BIP. Trotz Hedonik ziemlich grauslig. !!! Leute verschuldet euch gefälligst !!!!



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      Systemkrise: Warnung vor "Völkermord" durch IWF in Argentinien


      Innerhalb weniger Tage, nachdem ein Kommentar im Wall Street Journal zur Rückkehr in die Zeiten der "Kanonenbootpolitik" zur Schuldeneintreibung aufrief, begannen amerikanische Richter im Namen privater Gläubiger, denen Argentinien Geld schuldet, argentinischen Besitz in den USA zu beschlagnahmen. Von dieser Aktion sind sogar Immobilien betroffen, die sich im Privatbesitz argentinischer Diplomaten in Washington befinden. Durch Kapitalflucht verloren daraufhin die Börsenwerte in Buenos Aires allein am 9. Februar 8 Prozent. An diesem Tag, an dem auch eine 3,1 Mrd. Dollar hohe Rückzahlung an den IWF anstand, fror die Weltbank die für Argentinien geplanten 5 Mrd. Dollar Wirtschaftshilfe ein. Argentieniens Staatspräsident Nestor Kirchner ist zwar im Prinzip zahlungswillig, jedoch nur dann, wenn der IWF einen ähnlich hohen Betrag freigibt, dessen Auszahlung bereits seit längerem mit dem IWF vereinbart ist. Zur Zeit verfügt Argentinien nur über 15 Mrd.$ an Währungsreserven, die es für überlebenswichtige Importe braucht, denn das Volk hungert schon jetzt. Sollte das Geld vom IWF nicht überwiesen werden, so die Regierung Kirchner, wird sie ofiziell die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens erklären. Das wäre für den IWF eine systemische Gefahr: Nicht nur betragen die Außenstände Argentiniens beim IWF 16% seiner gesamten Ausleihungen, sondern andere Schuldnerstaaten wie Brasilien oder Mexiko könnten dem Beispiel Argentiniens folgen.

      Daraufhin hat - mit offensichtlicher Rückendeckung der G-7 - der IWF jetzt entschieden, Argentinien in die Knie zu zwingen, denn die Finanzminister und Notenbankchefs der G-7 haben auf ihrem Treffen in Boca Raton (Florida) Argentinien ein klares Ultimatum gestellt: Argentinien wird kein Geld erhalten, solange es 1. nicht mehr als die von der Regierung zugesicherten 25% der ausstehenden Schulden von über 90 Mrd. Dollar an die privaten Gläubiger anbietet; 2. Auslandsfirmen nicht erlaubt, öffentliche Einrichtungen aufzukaufen, um nach ihrem Belieben die Preise öffentlicher Leistungen festzulegen; und 3. nicht vor dem IWF kuscht, indem Kirchner seine "beleidigende" und "unzumutbare" Rhetorik einstellt. Ein führender Finanzanalyst der Londoner City erklärte gegenüber EIR, daß der IWF und die Gläubigerbanken in Argentinien einen "Präzedenzfall" sehen. Die Abschreibung der argentinischen Schulden könne wohl noch verkraftet werden, aber man fürchte, daß auch andere hochverschuldete Schwellenländer die Schuldenbedienung einstellen könnten. Dann drohe nicht nur führenden Wallstreet-Banken, er nannte als Beispiele Bank of America und Citigroup, der finanzielle GAU, sondern das gesamte Weltfinanzsystem würde von einer "systemischen Vertrauenskrise" erfaßt.
      komplett:
      http://www.bueso.de/seiten/aktuell/an.htm#1

      Ich bitte darum, die sche... Eigenwerbung einfach zu überlesen und dies als reine Info zu betrachten !

      Diesbezüglich (IWF) mal wieder der Link: "Die Schatten der Globalisierung" von Joseph Stiglitz
      .................


      Im süßen Sog des Geldes - Von der politischen Macht des amerikanischen Geldadels

      Der Ex-Nixon-Berater Kevin Phillips bezeichnet die USA provozierend als Plutokratie, in der die Regierung nur noch die Interessen der Reichen schützt. In seinem Buch "Die amerikanische Geldaristokratie" zeichnet er die politische Geschichte des Reichtums in den USA nach und wagt eine düstere Prognose für die Zukunft. Das Buch hat in Amerika heftige Kontroversen ausgelöst.

      komplett:

      http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/le…

      __________________



      Fundstück:

      Sehr geehrter......,
      das "primäre" Geld kommt in der Tat von der Zentralbank - bei uns also von der Europäischen Zentralbank. Sie verleiht das Zentralbankgeld an die Geschäftsbanken - gegen Zinsen - und die Geschäftsbanken können dann - auch unter Einbeziehung der Einlagen ihrer Kunden - Geld schöpfen, in dem sie Kredite vergeben - gegen Zinsen. Es versteht sich von selbst, dass nicht nur die Kredite, sondern auch der dafür aufzuwendende Zinsbetrag erwirtschaftet werden muss.

      Es ist also erstens nicht nur die Zentralbank die Quelle "neuen" Geldes, sondern auch die Geschäftsbanken schöpfen Geld durch die Kreditvergabe an ihre Kunden, so dass die Geldmenge steigt.

      Natürlich kann man fällige Kredite und Zinszahlungen über neue Kredite zurückzahlen - sollte man aber nicht tun! Das fällt schnell auf! Besser ist es, die Kredite zu nutzen, um am Markt ein Einkommen zu erzielen, genauer um Gewinn zu machen und aus diesem Gewinn den Kredit zu bedienen bzw. zurückzuzahlen.

      (Die allererste Ausstattung mit Geld durch die Währungsreform 1948 war ein zinsfreies Kopfgeld.)

      Ich hoffe, zur Klärung Ihrer Fragen beigetragen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

      Dr. Maria Kraft
      Ref. Finanzpolitik/AGS
      Abt.II Politik
      SPD-Parteivorstand
      Wilhelmstr. 141
      10963 Berlin
      e-mail: maria.kraft@spd.de

      http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/38714.htm


      1.) "Die allererste Ausstattung mit Geld durch die Währungsreform 1948 war ein zinsfreies Kopfgeld."
      Schaun` mer mal nach ! Aus dem "Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank 2002" (Seite 174)

      I. Bilanz der Deutschen Bundesbank zum 31. Dezember 2002 - Aktiva
      .....
      8 Forderungen an den Bund 4,440 Mrd €
      und weiter unter "V. Erläuterungen zu den einzelnen Bilanzpositionen" auf Seite 186:
      .....
      Sie [die 4,4 Mrd €] bilden den bilanziellen Gegenposten für die damals in bar gezahlten Kopf- und Geschäftsbeträge sowie für die Erstausstattung der Kreditinstitute und öffentlichen Körperschaften mit Zentralbankgeld. Die Ausgleichsforderungen werden mit 1% pro Jahr verzinst.
      .....
      Na ja, macht ja nichts. Man kann ja auch als "Ref. Finanzpolitik/AGS- Abt.II Politik-SPD-Parteivorstand" nicht alles wissen, oder -"gutwillig" gedacht- nicht alles preisgeben wollen !

      2.) "das "primäre" Geld kommt in der Tat von der Zentralbank...."

      Auszüge aus: Deutsche Bundesbank; Gesetz über die Deutsche Bundesbank (Bundesbank Act)
      § 14 Notenausgabe

      (1) ... Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.

      .....
      Nicht primär, sekundär oder sonst was ...där. Es ist das einzige Geld -das einzige gesetzlich zugelassene Zahlungsmittel- das von der ZB kommt.
      Aber das passt ! Ich bitte diese Erklärung zu lesen: "Bargeld (GZ) und das Versprechen darauf"


      3.) "...sondern auch die Geschäftsbanken schöpfen Geld durch die Kreditvergabe an ihre Kunden,..."

      Geschaeftsbanken koennen kein Geld schoepfen, schon garnicht aus dem Nichts, es sei denn, sie selbst treten als Kreditnehmer auf.
      .....
      Geschaeftsbanken schoepfen KREDIT.
      .....
      Es ist der Kredit, der aus dem Nichts erzeugt wird, und der nach seiner Rueckzahlung wieder in diesem Nirvana verschwindet.
      .....
      Alles in allem mal wieder ein schönes Beispiel für
      erstens, das unglaubliche "detailierte" Fachwissen unserer Volksvertreter
      oder zweitens, wie wir wissentlich verarscht werden. Wobei ich persönlich zur ersteren Möglichkeit tendiere !

      _________________________



      Fundstück 2:

      Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland


      Artikel 20

      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

      (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

      (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

      (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

      http://dejure.org/gesetze/GG/20.html

      Na also, das Gesetz ist auf unserer Seite .
      Avatar
      schrieb am 17.02.04 23:15:42
      Beitrag Nr. 1.389 ()
      Avatar
      schrieb am 17.02.04 23:21:39
      Beitrag Nr. 1.390 ()
      Zahnersatz wird teurer als geplant


      Wie teuer wird der Zahnersatz? (Foto: dpa)
      Patienten müssen mit deutlich höheren Zusatz-Beiträgen für den Zahnersatz rechnen als ursprünglich von den gesetzlichen Krankenversicherungen angekündigt worden war. Dies ergab eine Umfrage des ZDF-Magazins "Frontal 21" unter mehreren Krankenkassen. Danach wird der Beitrag zur Zusatzversicherung, der ab 1. Januar 2005 von den Bürgern zu entrichten ist, bis zu zehn Euro pro Mitglied betragen.


      Gesundheitsreform Das hat sich geändert
      Zahlt der Patient die Zeche? Diskutieren Sie mit
      Zahlen Sie zuviel? Private Krankenversicherungen
      Privat vorsorgen Kostenlose, individuelle Beratung


      Politiker haben sich auf Zusagen verlassen
      Während der Verhandlungen zur Gesundheitsreform im Sommer vergangenen Jahres hatten die gesetzlichen Krankenkassen noch Beträge von 4,60 Euro angegeben. Auf diesen Zahlen fußt der Kompromiss, der zwischen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und dem Gesundheitsexperten der Union, Horst Seehofer, ausgehandelt wurde. "Die gesetzlichen Krankenkassen haben - das ist auch dokumentiert - diese Größenordnung von fünf Euro unter Einschluss der Familienmitglieder genannt, und auf dieser Grundlage hat der Gesetzgeber auch entschieden", so Seehofer gegenüber "Frontal 21". Karl-Hermann Haack (SPD), der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, sagte, er fühle sich von den Krankenkassen getäuscht.


      Verwaltungskosten sind höher?
      Im Einzelnen nannte die AOK Brandenburg einen möglichen Beitrag von sieben bis 7,50 Euro. Von den großen Ersatzkassen rechnet die DAK mit sieben Euro und die Barmer mit sechs bis sieben Euro. Die Betriebskrankenkassen meldeten Zahlen von sieben bis zehn Euro und die Innungskrankenkassen fünf bis acht Euro. Basis für die Kalkulation seien die Ausgaben für Zahnersatz in den letzten Jahren, so der Sprecher der AOK Brandenburg, Jörg Trinogga. Zudem müsse man bedenken, "dass die Verwaltungskosten in diesem Segment Zahnersatz etwas höher sind als im gesamten Bereich, denn die Beratungsleistungen und Prüfungen sind deutlich aufwändiger als woanders", so der AOK-Sprecher weiter.


      Kritik von Zahnärzten
      Wenig Verständnis für die höheren Beiträge zeigen auch Vertreter der Zahnärzte. Wilfried Beckmann vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte wirft Politik und Kassen vor, falsch und unseriös kalkuliert zu haben "Wenn man jetzt versucht hier nachzulegen, ist die Frage, wo dieses Geld bleibt", sagte Beckmann zu "Frontal 21".


      http://onnachrichten.t-online.de/c/16/28/84/1628840.html
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 12:22:42
      Beitrag Nr. 1.391 ()
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 13:37:20
      Beitrag Nr. 1.392 ()
      Nachtrag
      wergessen
      #1388 Quelle wwww.miprox.de
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 13:38:01
      Beitrag Nr. 1.393 ()
      uups!
      sollte heißen:
      vergessen
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 22:46:08
      Beitrag Nr. 1.394 ()
      Thema
      Klaus Wagener

      Starker Euro, schwacher Dollar

      Die Interessengegensätze in den G7 waren auch in Boca Raton nicht zu überbrücken


      »(Wir) sind zu dem Entschluß gekommen, daß es furchtbar wichtig ist, daß Argentinien seinen Verpflichtungen gegenüber dem IWF nachkommt und die Reformen vorantreibt, zu denen es sich verpflichtet hat«, drohte der amerikanische Finanzminister John Snow stellvertretend für die versammelten Finanzminister und Notenbankchefs der sieben industriellen Schwergewichte (G7) auf ihrem Treffen am 6./7. Februar 2004 in Boca Raton im US-amerikanischen Staate Florida. Der ehemalige Musterknabe des IWF hat in den Jahren seiner Folgsamkeit gegenüber dem Fonds 88 Milliarden Dollar Auslandsschulden angehäuft, was das Land bekanntlich an den Rand des Ruins und des Bürgerkriegs brachte. Die heutige Zurückhaltung in Buenos Aires gab Anlaß für heftige Empörung der versammelten Finanzgurus. Obwohl Argentinien angekündigt hatte, die Vereinbarungen mit dem IWF voll einzuhalten, meinte Bundesbankpräsident Ernst Welteke, es sei an der Zeit, »die diplomatischen Samthandschuhe auszuziehen«. Hans Eichel sah »die Autorität des Währungsfonds (...) untergraben«. Der IWF sei es seinen Mitgliedsländern schuldig, Härte gegen Argentinien zu zeigen. Wen die Rentner in Wanne-Eickel nicht kümmern, was scheren den die Hungernden am Rio de la Plata?


      Schwankende Wechselkurse

      Die verbissene Argentinien-Schelte der G7 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es hierbei um eine typische Ersatzhandlung ging. Die Verwalter des großen Geldes hatten ansonsten wenig anzubieten. Die Interessengegensätze sind so erheblich, daß fraglich war, ob man sich überhaupt auf eine Resolution einigen würde. Da aber gegenwärtig allenthalben transatlantische Gutwilligkeit demonstriert wird, mußte etwas für die Tribüne her. Immerhin geht es der US-Administration um eine breitere Fundierung ihres globalen Interventionismus, speziell um Schadensbegrenzung und eine bessere Bewältigung ihres Irak-Abenteuers. Die NATO, sprich Deutsche und Franzosen, sollen mit ins Boot, und die Besatzung soll durch die Vereinten Nationen legitimiert werden.

      Natürlich zu günstigen machtpolitischen Konditionen. Da die Europäer – bei eigener, abweichender Zielsetzung – nicht grundsätzlich abgeneigt sind, geht es um die Herstellung eines günstigen Geschäftsklimas. Demzufolge blieben die üblichen flotten Sprüche von Donald Rumsfeld auf der Münchener »Sicherheits«-Tagung diesmal beim Ghostwriter liegen. Ähnlich umgänglich zeigte sich in Florida auch Gastgeber John Snow. Washington sei an einem starken Dollar interessiert, das sei gut für die amerikanische Wirtschaft. Er stimmte sogar einer Abschlußerklärung zu, die vor einer »übertriebenen Schwankungsanfälligkeit« und »ungeordneten Bewegungen« der Wechselkurse warnt. Das macht sich als Überschrift in den Wirtschaftsteilen europäischer Gazetten gut und kostet erst einmal nicht viel. Die Zustimmung zu einem abgestimmten Vorgehen zur Erreichung dieser Ziele war Bushs Finanzchef allerdings nicht zu entlocken.

      Frankreichs Premierminister Jean-Pierre Raffarin, erklärte, für Europa sei der Augenblick gekommen, von Washington eine andere Währungspolitik einzufordern. Und sein Finanzminister Francis Mer sekundierte: »Die Instabilität in der Parität der Wechselkurse ist für niemanden gut, nicht einmal für die Vereinigten Staaten.«

      Nachdem Bushs engste Führungsclique Finanzchef O’Neill geschaßt hatte, klangen die Bekenntnisse seines Nachfolgers Snow zum harten Dollar in den Ohren der Devisenhändler zunehmend formelhafter, und es konnte auf einen fallenden Dollar spekuliert werden. Innerhalb kurzer Zeit stieg der Euro von 85 Cent auf 1,29 Dollar. Die G7-Erklärung von Dubai im Herbst 2003 hatte betont, daß die Währungskurse »die wirtschaftlichen Fundamentaldaten« widerspiegeln sollten, womit für Spekulanten klar war, daß keine Interventionen der Zentralbanken zu befürchten waren.

      In der Kritik standen daher die Bank of Japan (BoJ), die mit umfangreichen Dollarinvestitionen recht erfolgreich versuchte, den Yen-Kurs zu schwächen, und die chinesische Zentralbank, die den Renminbi fest an den Dollar gekoppelt hielt. Beide Banken dachten allerdings nicht daran, vor der Dubai-Erklärung einzuknicken. Damit lag der Abwertungsdruck des Dollar hauptsächlich auf dem Euro. Als der kurz davor war, die 1,30-Dollar-Grenze zu knacken, war es mit der nonchalanten Ignoranz von EZB-Chef Jean-Claude Trichet vorbei.

      Plötzlich war von »brutalen Wechselkursbewegungen« die Rede. Nach dieser »Verbalintervention« war erst einmal Ruhe. Der Eurokurs dümpelte bei 1,25 Dollar. Die Devisenhändler bekamen Angst vor der eigenen Courage und die »Analysten« das Problem, diesen erstaunliche Effekt in ihr Weltbild von der Ohnmacht der Zentralbanken unterzubringen. Doch nachdem Boca Raton den Status quo ante wieder bestätigt hat, geht es in der bekannten Weise weiter. Nach oben.


      »Massenvernichtungsbudget«

      Als Grund für die »ungeordneten Bewegungen« der Wechselkurse wird gern das US-amerikanische »Doppeldefizit«, Budget- und Leistungsbilanzdefizit, genannt. Und in der Tat dürften die Budgetberatungen für 2005 der Bush-Administration nicht gerade den Rücken gestärkt haben. John Snow mußte bei seinem 2,4-Billionen-Dollar-Haushalt ein Rekorddefizit von 521 Milliarden Dollar verkünden. Da gefror selbst eingefleischten Republikanern das Blut in den Adern. Am Ende der Clinton-Ära im Jahr 2000 wies der Haushalt noch ein Plus von 236 Milliarden Dollar auf. Es gab damals ernsthafte Diskussionen der Budget-Planer, was mit den Überschüssen anzufangen sei, wenn einmal die exorbitante Verschuldung der Reagan- und Bush-Zeit abgetragen sei. Dieser Sorge ist man nun in Washington enthoben. Im Sommer 2004 wird die Staatsverschuldung voraussichtlich das vom Kongreß erst im Mai 2003 um 984 Milliarden angehobene Limit von 7,384 Billionen Dollar übersteigen. Für das Jahr 2009 ist vom Congressional Budget Office (CBO) eine Staatsverschuldung von 10,564 Billionen Dollar angepeilt. Und so wie die Dinge sich derzeit darstellen, dürfte das eher eine Untertreibung sein.

      Das Budget 2005 weist Charakteristika eines Kriegshaushalts auf. Auch Ronald Reagan (1983, Kalter Krieg) und George Bush senior (1992, zweiter Golf-Krieg) hatten prozentual ähnlich hohe Haushaltsdefizite hingenommen. Kein Wunder, daß Bushs Begründung auch heute Krieg heißt. Über 400 Milliarden Dollar sind für »Verteidigung« ausgewiesen, 47 Milliarden Dollar für »Homeland-Security«. Dazu sorgt der ausdauernde irakische Widerstand für weitere Unsicherheiten. Schon für das laufende Jahr steigen die Ausgaben für den »Wiederaufbau des Irak« mühelos die 100-Milliarden-Dollar-Grenze.

      Das sind auch für die größte Volkswirtschaft der Welt mit einem Bruttosozialprodukt von 10,8 Billionen Dollar (2003) keine beruhigenden Zahlen. Daß die ökonomische Kraft vorhanden wäre, auch erhebliche Defizite zurückzuführen, hat die Clinton-Administration bewiesen. Mit 4,5 Prozent des Bruttosozialprodukts erscheint das gegenwärtige Minus nicht ungewöhnlich hoch, Hans Eichel hat es immerhin auch auf 3,8 Prozent gebracht. Doch seit Clinton hat sich die Lage radikal geändert. Die Kernfrage lautet: Sind die gesellschaftlichen und politökonomischen Voraussetzungen für eine Haushaltsstabilisierung gegeben? Und wenn, zu welchem Preis ist sie zu erreichen? Und, wer wird diesen Preis zahlen?


      Offensive Verschuldungsstrategie

      Mit milliardenschweren Steuersenkungen hatte sich die Bush-Administration 2001 und 2003 bei ihren finanzstarken Wahlhelfern überschwenglich bedankt. Die Folgen waren enorme Budgetverluste, die durch die Einnahmeverluste aus der konjunkturellen Krise 2001–2003 zusätzlich verstärkt wurden. Das Staatseinkommen fiel von 2000 auf 2003 um 243 Milliarden Dollar, während die Ausgaben gleichzeitig um 369 Milliarden stiegen. Die sprunghaft steigenden Rüstungs- und Kriegsausgaben ließen selbst bei massivem Druck auf die sozialen Sicherungssysteme – über 60 Wirtschafts- und Sozialprogramme stehen ganz oder teilweise zur Disposition, einschließlich der versprochenen Krankenversicherung für die 43 Millionen unversicherten US-Amerikaner – keine andere Wahl als eine offensive Verschuldungsstrategie.

      Selbst die von Bush versprochene Rückführung des jährlichen Defizits auf 237 Milliarden bis 2009 erscheint auch bei optimistischer Betrachtung so wenig wahrscheinlich wie die vom Weißen Haus angekündigten 2,6 Millionen neuen Jobs in diesem Jahr. Auf der Ausgabenseite wird der unilaterale, allein auf militärische Überlegenheit gestützte Kurs globaler Kontrolle weiterhin steigende Rüstungs- und Besatzungskosten verursachen. Selbst bei politischer Durchsetzbarkeit einer weiteren Verelendung werden die so gewonnenen Einsparpotentiale (von der konjunkturellen Negativwirkung abgesehen) die immensen Ausgabensteigerungen kaum ausgleichen können.

      Trotz der nicht unbeträchtlichen Kursgewinne des Dow Jones im Jahr 2003 und routinemäßiger positiver Konjunkturprognosen des obersten amerikanischen Währungshüters Alan Greenspan erscheinen die Aufschwungphantasien (und die damit verbundene Hoffnung auf Haushaltssanierung) wenig begründet. Die Stimulanzien sind weitgehend ausgereizt. Der Zinssatz liegt längst auf seinem tiefsten Punkt seit 40 Jahren, bei einem Prozent, die dadurch ermöglichten Umschuldungsgewinne bei Immobilienkrediten sind realisiert und ausgegeben, die Sparquote betrug im Januar 2004 minus (!) ein Prozent. Die Haushalte geben regelmäßig mehr aus, als sie einnehmen. Die private Verschuldung liegt bei 110 Prozent des Jahreseinkommens oder in absoluten Zahlen bei 7,2 Billionen Dollar 2002 (über 70 Prozent des BIP). Das kreditfinanzierte staatliche »Konjunkturprogramm« Rüstung, mit allerdings geringer Hebelwirkung, liegt ebenso auf bekanntem Rekordniveau. Wer die Wirtschaft ankurbeln will, muß Geld ausgeben. Es erscheint aber zumindest fragwürdig, woher es kommen soll.

      Natürlich ist Geld in den USA wie in der EU und Japan überreichlich vorhanden. Magazine wie Forbes und Fortune beglücken uns regelmäßig mit einer Liste derjenigen, die die größten Anteile des gesellschaftlich erzeugten Mehrwerts auf ihre privaten Konten leiten konnten. Die Gewinnentwicklung der transnationalen Konzerne zeigt sich in der Regel nahezu unbeeindruckt von der Krise. Sie befindet sich – im Gegensatz zu den ausgezahlten Lohnsummen, bzw. aufgrund derselben – nur auf dem Weg nach oben. Bekanntermaßen umkreisen Billionen dieses kapitalisierten Mehrwerts den Erdball auf der Suche nach profitablen Anlagen.


      In der Hand der Konzerne

      Es erscheint allerdings – beim gegenwärtigen Stand des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses – mehr als zweifelhaft, ob diese Mittel zur Haushaltssanierung und Konjunkturförderung herangezogen werden können. Schon in Eichels harmlosen »Steuerabbauvergünstigungsgesetz« sah die neoliberale Kampffront den Untergang des Abendlandes. Von ernsthafteren Dingen wie Körperschaftsteuer, Steuerbefreiung auf Veräußerungsgewinne, Gewerbesteuer etc. erst gar nicht zu reden. Als sich die Steuerbefreiung der Lebensversicherer plötzlich in eine echte Steuerschuld zu wandeln begann – die Aktienkurse in ihren Portfolios stiegen seltsamerweise nicht, sondern fielen – wurde nahezu kommentarlos das entsprechende Gesetz geändert und den Assekuranzen ein Fünf-Milliarden-Euro-Geschenk zugeschanzt – trotz prekärer Haushaltslage und Brüsseler Blauen Briefen.

      Die gegenwärtige Debatte über das Auslaufen von Bushs Steuersenkungen 2001 und 2003 dürfte einen ähnlichen Ausgang nehmen. Der Präsident hat angesichts schwindender »Popularität« schon versprochen, diese nicht wie vorgesehen auslaufen zu lassen. Käme es so, würde das nach Berechnungen des CBO den Haushalt über das nächste Jahrzehnt aufgrund der resultierenden Mindereinnahmen um mehr als zwei Billionen Dollar zusätzlich in die Miesen reißen.

      Die devote Haltung, ja der vorauseilende Gehorsam der Regierungen durchgängig aller großen Industrieländer vor den Interessen der transnationalen Konzerne kann mit wahltaktischen Zufälligkeiten nicht hinreichend erklärt werden. Sie könnte eher als ein Indiz für die realen Machtverhältnisse gelten. Seit der Deregulierung der nationalen Finanzmärkte und der Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs in den 1970er Jahren, der endgültigen Abkehr von einen keynesianistischen Regulierungsmodell, haben sich die ökonomischen Gewichte und die Handlungsoptionen des Finanzkapitals dramatisch verändert. Mit der Einführung der Mikroelektronik in Produktion und Verwaltung, der weltweiten Vernetzung der Kommunikation und Produktion sowie den enormen Rationalisierungsreserven der dadurch ermöglichten globalen Fusions- und Zentralisationsprozesse entstanden in einer fast zwei Jahrzehnte währenden, nur von Anpassungskrisen unterbrochenen Boomphase gigantische international operierende Unternehmen. Dem rasanten Wachstum dieser Global Player, insbesondere dem Wachstum der Finanzmärkte, steht eine funktionale Schwächung staatlicher Strukturen gegenüber. Das ökonomische Übergewicht der transnationalen Konzerne sowie die durch den offenen Kapitalverkehr relativ leicht realisierbare »Exit-Option« erzeugen den nötigen Druck, um Widerstände nicht ohnehin kooperationswilliger staatlicher Stellen leicht einzuebnen.

      Um wieder eine stärkere Beteiligung des großen Geldes an staatlichen Aufgaben durchzusetzen, von einer Durchsetzung eines ansatzweise neokeynesianischen Regulierungsmodells ganz zu schweigen, bedürfte es einer erheblichen Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Da diese kaum absehbar ist, zeichnen sich gravierende Folgen für den Etat, aber auch für Konjunktur und Beschäftigung ab. Der Neoliberalismus entwickelt in der Phase seines größten Triumphes zunehmend retardierende und regressive Elemente, gesellschaftlich und ökonomisch.


      Der alimentierte Riese

      Die konjunkturellen und fiskalischen Probleme der großen Sieben bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die währungspolitischen Konflikte zwischen den drei großen imperialistischen Zentren. Die »brutalen Wechselkursbewegungen« bereiten Trichet Sorgen, weil der rapide Dollarkursverfall (neben einer Reihe erheblicher Vorteile, Bondhandel, Rohstoffpreise, Dollarimporte) letztlich doch die Konkurrenzsituation der EU zu den USA negativ beeinflußt. Genau hierin begründet sich Snows Gelassenheit, und darum blieb es nur bei warmen Worten in Boca Raton. Ein schwacher Dollar ist gegenwärtig die schärfste Waffe der Bush-Regierung gegen ein Leistungsbilanzdefizit, das mit fünf Prozent des Bruttosozialprodukts das Haushaltsdefizit noch übertrifft. Der herbeigebetete Konjunkturaufschwung und die Wende auf dem Arbeitsmarkt sind eher Hoffen als Wirklichkeit. Doch die USA haben bekanntlich die Möglichkeit, Kredite in eigener Währung aufzunehmen, und in gewisser Weise mit bedrucktem Papier zu bezahlen. Eine Abwertung des Dollar bedeutet daher nicht nur eine Verbesserung der mangelnden wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit, sondern auch eine Abwertung der eigenen Schulden.

      Die Nervosität in den Zentralbanken in diesem Spiel ist recht unterschiedlich. Während die EZB weiter bei ihrem, von der Bundesbank ererbten Währungsfundamentalismus bleibt, weder interveniert, noch den im Vergleich zur US-Bundesbank (Fed) immer noch doppelt hohen Leitzins senkt, hat sich die Bank of Japan schon lange zum Handeln entschlossen. 2003 intervenierte sie mit 20 Billionen Yen gegen den schwachen Dollar, allein im Januar 2004 mit 7,15 Billionen Yen (150 bzw. 53 Milliarden Euro)

      Mit ihren Dollar-Beständen (insgesamt 673,5 Milliarden Dollar) kaufen die Japaner vor allem US-amerikanische Staatsanleihen. Rund 80 Prozent des US-Leistungsbilanzdefizits 2003 sollen durch Treasury-Käufe von Ausländern – vor allem Japanern – gedeckt worden sein. 2002 gingen mehr als 20 Prozent der chinesischen und fast 30 Prozent der japanischen Exporte in die USA. Trichets Hartnäckigkeit begründet sich in vergleichsweise mageren neun Prozent der EU, und auch die zehn Prozent der Bundesrepublik stören außer DaimlerChrysler, BMW etc. eher wenige. 75 Prozent des deutschen Außenhandels werden ohnehin in Euro fakturiert. Dagegen erwirtschaftet die VR China im US-Handel immerhin 45 Milliarden Euro Überschuß, die Japaner sogar 65 Milliarden Euro.

      Die asiatischen Exportstaaten finanzieren damit mehr und mehr das gigantische US-Defizit, um ihre Exporte überhaupt zu ermöglichen. Der Verkäufer leiht dem Käufer Geld, damit er bei ihm kaufen kann. Der US-Imperialismus gerät mit einer gesellschaftlichen Gesamtverschuldung von 30 Billionen Dollar zunehmend in die Verschuldungsfalle und in ökonomische Abhängigkeit von seinen Vasallenstaaten. Nicht zufällig bestimmt der beschleunigte Ausbau der einzig verbliebenen Option, der militärischen, in immer stärkerem Maße nicht nur das Budget, sondern auch Innen- und Außenpolitik. Sie durchdringt politisch und kulturell die ganze Gesellschaft. Schon andere Weltmächte durften die Erfahrung machen, daß hierin keine Zukunft liegt.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-19/003.php
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 22:49:33
      Beitrag Nr. 1.395 ()
      Inland
      Klaus Fischer

      Trauer um VW

      Gewinn des Autokonzerns lag 2003 »nur« bei 1,12 Milliarden Euro - nach Steuern


      Volkswagen hat im vergangenen Jahr ein operatives Ergebnis – also einen Gewinn aus laufender Geschäftstätigkeit – von 1,78 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das teilte der Konzern am Mittwoch in Wolfsburg mit. Der Gewinn nach Steuern, also der Reingewinn, belief sich diesen Angaben zufolge auf 1,12 Milliarden Euro.

      Wenn in Anbetracht dieser Zahlen dennoch allgemeine Trauer in Börsen- und Aktionärskreisen herrscht, ist entweder mit der Welt etwas nicht in Ordnung, oder der einfache Mensch, dem 1 120 000 000 Euro als eine ziemliche Menge Geld erscheinen, hat keine Ahnung von Wirtschaft. Wahrscheinlich ist erstere Variante. Denn trotz des satten Gewinns halten Analysten, Börsenspekulanten sowie deren Interessenvertreter in den Medien VW offenbar für nicht besonders profitabel. In der Welt des schnöden Kapitalismus gilt schließlich: Wachsen ist gut, Schrumpfen ist katastrophal. Triebkraft ist die wohl nie zu sättigende Gier nach Profit. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Ergebnis für VW dann auch tatsächlich schlecht. Um 57 Prozent sank der Gewinn nach Steuern im Vergleich zum Vorjahr.

      Jetzt will der Vorstand des größten deutschen Autokonzerns angesichts der »schwachen Zahlen« die Dividende um 19 Prozent auf 1,05 Euro je Stammaktie und 1,11 Euro je Vorzugsaktie kürzen. Das wird Schweißausbrüche auch beim niedersächsischen Finanzminister ausgelöst haben. Das Land hält etwa ein Fünftel der Aktien des Unternehmens und ist ebenso klamm wie die meisten anderen Bundesländer.

      Immerhin stieg der Umsatz des Konzerngiganten um 0,2 Prozent. 87,15 Milliarden Euro setzte Volkswagen im vergangenen Jahr um, lieferte 5,015 Millionen Autos aus und beschäftigte 336 843 Menschen. Aber das zählt in den Augen der Gierigen kaum.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-19/008.php
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 22:54:11
      Beitrag Nr. 1.396 ()
      Made in Germany
      Vom Mythos zum Murks?


      SWR | 17.02.2004 | 21.55




      Das deutsche Mautsystem sollte "über die deutschen Grenzen hinaus richtungsweisend" sein. So jedenfalls sagte ein Vorstand der Telekom, Mitbetreiber von Toll Collect, nach dem Zuschlag im Jahr 2002. Stattdessen ergießt sich nun Hohn und Spott über die deutsche Hochtechnologie. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ein deutsches Aushängeschild vor aller Augen in die Knie geht.

      Gerne denkt so mancher an die gute alte Zeit zurück. Damals gab es noch echte Exportschlager made in Germany, etwa der Radio-Bausatz "Heinzelmann" von Grundig oder der ewig laufenden VW-Käfer. Das war sie, die sprichwörtliche deutsche Wertarbeit. Damit kann sich der Neigetechnik-Zug von Adtranz kaum schmücken. Der tat zunächst nur selten, was man von ihm erwartet hatte, nämlich sich elegant in die Kurven zu legen. Ein technisches Trauerspiel in vielen Akten. Dem Transrapid erging es nicht besser: Er fährt hauptsächlich noch in Werbefilmen. Ein Kabelbrand hat den Zug in Shanghai lahmgelegt. Eine unausgereifte Technik, sagen die Chinesen - Murks aus Germany.

      Dazu noch der Größenwahn in Deutschland: Milliarden haben die Mobilfunkunternehmen für die UMTS-Lizenzen gezahlt und damit den Sprung in den Abgrund gewagt - ohne Fallschirm. Mobilcom ist Pleite gegangen, die anderen warten immer noch auf Handys, mit denen man per UTMS telefonieren kann.

      Selbst die renommierte Automobilindustrie hängt am Haken. Da schließt bei einem Mercedes die Haube nicht richtig, da streikt die Elektronik, ganz gleich ob bei BMW oder VW. Drohen deutsche Autohersteller Weltmeister in der Pannenstatistik zu werden? Einstmals wäre dies nahezu undenkbar gewesen, doch der Mythos von "made in Germany" hat mittlerweile viele Kratzer bekommen.
      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 17. Februar 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion.
      Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.



      --------------------------------------------------------------------------------

      (Stand: 17. Februar 2004)

      SÜDWESTRUNDFUNK
      [plusminus
      70150 Stuttgart
      E-Mail: plusminus@swr.de
      Internet: www.swr.de/plusminus


      http://www.swr.de/plusminus/beitrag/04_02_17/beitrag3.html
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 23:12:02
      Beitrag Nr. 1.397 ()
      "Seitwärts" und warten auf eine Entscheidung

      von Jochen Steffens

      Seitwärts und immer weiter seitwärts. Der Dax notiert unter zunehmend abnehmender Volatilität seitwärts. Immer noch gilt: Es bahnt sich eine größere Bewegung an. Die Richtung wird noch festgelegt. Natürlich können die Amis auch noch einmal nach oben ziehen und den Dax trotz des hohen Dollars mitreißen. Ein richtiger Ausverkauf, mit Kurssteigerungen von 4–5 % an einem Tag, die wieder in sich zusammenbrechen, wäre natürlich das deutlichste Zeichen für einen Trendwechsel. Aber ein "Ausverkauf" ist eher etwas, das im Bereich von Böden geschieht, seltener bei Tops.

      Nein, offenbar wollen die Indizes es wissen. Sie wollen wissen, wie weit sie die Kurse noch reizen können. Im Moment erinnert mich das an einen Free- Climber, der versucht einen Überhang hochzuklettern aber keinen richtigen Tritt findet. Noch will er nicht aufgeben, noch reicht die Kraft. Es wird es Mal über diesen Weg versuchen mal über jenen, aber so richtig will der Durchbruch nicht gelingen. Es sei denn, er findet einen guten Halt oder Tritt.

      Ich frage mich im Moment, worin dieser Halt für die amerikanischen Börsen liegen könnte. Die Inflation darf nicht zu sehr ansteigen, dann müssen die Zinsen rauf. Eine Deflation darf sich auch nicht deutlicher herauskristallisieren, denn dann werden die Börsen auch fallen. Der Arbeitsmarkt darf nicht zu sehr anziehen, dann droht wieder eine Inflation dahinter steht wieder die Gefahr einer Zinserhöhung. Der Arbeitsmarkt darf aber auch nicht zu lange schwach bleiben, denn dann verlieren die Anleger den Glauben an die Nachhaltigkeit der konjunkturellen Erholung.

      Der Konsum darf nicht zu sehr ansteigen, denn dann erwartet uns wieder eine Zinserhöhung, er darf nicht wegbrechen, denn dann können die Unternehmen keine Gewinne mehr erzielen. Die weltpolitische Lage darf nicht eskalieren. Wenn sie sich nachhaltig beruhigenden sollte, wird das allerdings kaum Einfluss auf die Börsen haben. Dazu fällt mir noch etwas ein: China. Wenn China ihre Währung aufwertet, dann könnte das noch ein paar Impulse geben. Doch wirklich nachhaltig? Wie man es dreht und wendet, es wird kein Schuh draus. Zumindest keiner, mit dem man bis zu einer stabilen Wirtschaftserholung marschieren kann.

      Hoffnung mag der ungewöhnlichste Charakterzug des Menschen sein, aber genau diese Eigenschaft des Menschen, selbst in den aussichtslosesten Situationen noch zu hoffen, hatte sicherlich einen großen Anteil an dem Überleben der Menschheit. Etwas böse könnte man sagen, dass Hoffnung die hohe Kunst der Verdrängung ist. Aber keine Frage, ohne diese Hoffnung und die damit verbundene Verdrängung von Realität, würden wir alle in tiefe Depression verfallen.

      Und so ist es die Hoffnung, die die Märkte noch oben hält. Die Hoffnung, dass alles wieder wird wie in den goldenen 90er. Die Hoffnung ist es, die uns die weltpolitisch sich ankündigen Schwierigkeiten, die zunehmenden Klimakapriolen, die zunehmenden Epidemien, mögliche Terroranschläge, die Verknappung der Rohstoffe etc etc verdrängen lässt und uns eine kleine Insel im Chaos des Lebens schafft auf der ein Schild steht: Es wird schon alles gut gehen.

      Hoffen wir, dass es sich auch diesmal bewahrheitet.
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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Wenn man sich jedoch die neusten US-Konjunkturdaten ansieht, dann bedarf es noch ein wenig mehr Verdrängung. Die Zahl der Wohnbaubeginne sinkt um 7,9 % (!) auf 1.903 Mio. Erwartet wurden 2,000 bis 2,030 Mio. Baubeginne nach zuvor 2,076 Mio. (revidiert von 2,088 Mio.

      Auch die Zahl der Zahl der Wohnbaugenehmigungen konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Sie sinken um 2,76 % auf 1,899 Mio. Erwartet wurden 1,910 bis 1,980 Mio. Baugenehmigungen nach zuvor 1,953 Mio. (revidiert von 1,924 Mio.).

      Hier lagen unter anderem die Hoffnungen der Bullen. Sollte sich dieser Abschwung als nachhaltig erweisen und dafür gibt es einige Anzeichen (Bill Bonner berichtete häufiger davon), dann war es das mit Sicherheit an den Börsen. Auch den amerikanischen Indizes schmeckten diese Zahlen nicht, sie starteten im Minus und zeigen auch im weiteren Verlauf Schwäche. Die Bullen haben es im Moment nicht leicht.
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      Sterne am Himmel von Südamerika

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Ich bin derzeit an der Pazifikküste Südamerikas, und es ist 6 Uhr Morgens. Da wäre die passende Antwort: "Wen kümmert das schon?"

      Hier ist es die Arbeit der Natur, die mich beeindruckt ... und nicht die ihrer eingebildetsten Schöpfung.

      Letzte Nacht sah ich zum Himmel, und dort sah ich mehr Sterne, als meiner vorherigen Ansicht nach überhaupt existierten. Es gab so viele ... so hell ... wo kommen die alle her, fragte ich mich?

      Aber heute Morgen beuge ich meinen Kopf wieder nach vorne ... und ich frage mich, was der hellste Stern am wirtschaftlichen Firmament – unser Mr. Alan Greenspan – denken muss. Er hatte vor dem US-Kongress gesprochen und dort gesagt, dass man sich über die Konsumentenschulden keine Sorgen zu machen brauche. Ja, die Amerikaner leihen sich eine Menge Geld, so erklärte er, aber sie haben es seiner Ansicht nach weise genutzt.

      Was sie eigentlich mit diesem Geld getan haben, das ist ein bisschen rätselhaft. Alles, was wir sicher wissen, ist, dass sie es nicht auf ihre Sparbücher eingezahlt haben, oder dass sie damit andere Schulden zurückgezahlt haben.

      Abgesehen von ein paar alten rückständigen Opas nehmen fast alle Amerikaner an, dass sie ihre Schulden niemals zurückzahlen müssen. Sie setzen darauf, dass die Inflation ihre Schulden schneller, als sie sie zurückzahlen, im realen Wert verringern wird. Und sie setzen darauf, dass ihre Vermögensanlagen so schnell im Wert steigen werden, dass sie niemals mit der Finanzierung ihres Konsumniveaus Probleme bekommen werden.

      Irgendwann werden sie falsch liegen. Vielleicht jetzt.

      Richard Benson denkt, dass die amerikanischen Schuldner den "Punkt ohne Umkehr" erreicht haben. Sie haben sich soviel geliehen, dass sie es nicht mehr zurückzahlen können – selbst wenn sie es wollen würden.

      "Im letzten Jahr stiegen die persönlichen Einkommen um rund 2 %. Die individuellen Schulden hingegen stiegen um rund 10 %", schreibt er. "Die persönlichen Schulden für Autos, Kreditkarten etc. übertrafen die Marke von 2 Billionen Dollar – ein Zuwachs von 120 Milliarden Dollar, trotz massiver Schuldenkonsolidierung und Erhöhung von Hypotheken. Die Hypothekenschulden stiegen um rund 800 Milliarden Dollar, und die gesamte individuelle Verschuldung stieg um über 925 Milliarden Dollar, während die Löhne und Gehälter nur um 190 Milliarden Dollar kletterten. Die Rentner und Sparer sahen ihre Zinseinkommen sinken, da die Zinsen für Ersparnisse um 30 Milliarden Dollar zurückgingen. In der Tat – angesichts der Niedrigzinspolitik der Fed zahlt es sich nicht aus, zu sparen."

      "Im Dezember fiel die Sparrate auf das neue Tief von 1,5 %, und im dritten Quartal 2003 wurden Finanzanlagen nur deshalb gekauft, weil sie mit geliehenem Geld bezahlt wurden. Die niedrige Sparrate ist sogar noch überraschender, wenn man bedenkt, dass die verfügbaren Einkommen durch die Steuersenkungen um rund 200 Milliarden Dollar gestiegen sind. Die Wirtschaft braucht 500 Milliarden Dollar an Stimulierungen durch Steuersenkungen und erhöhte Staatsausgaben, nur um weitere Arbeitsplatzverluste zu vermeiden ..."

      Benson betont, dass die Sparrate – niedrig wie sie ist – nichtsdestotrotz zu hoch angegeben wird. Die offiziellen Zahlen sind ein Betrug ... denn es wird angenommen, dass das verfügbare Einkommen steigt, wenn die Immobilienpreise steigen. Wenn man damit nur seine realen Schulden bezahlen könnte! Dafür braucht man allerdings reales Einkommen ... aus dem Cash Flow, einem wirklichen Zahlungsstrom.

      Ich werde auf dieses traurige Thema in meinem nächsten Beitrag weiter unten zurückkommen ... aber zunächst ... ein Update von unserem Korrespondenten in New York:


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      Mittwoch, 18. Februar 2004

      Spekulationsblasen in New York und Shanghai

      von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York

      Am Montag blieb der US-Aktienmarkt wegen eines Feiertags geschlossen – wenigstens da konnten die Millionen Kleinanleger keine überbewerteten amerikanischen Aktien kaufen. Die Kleinanleger in den USA sind so optimistisch geworden, dass sie jedes Mal, wenn die Kurse ein bisschen zurückkommen, sofort einsteigen. Und wenn die Kurse nicht zurückkommen, dann kaufen sie trotzdem. Warum tun die Kleinanleger das? Wissen sie das überhaupt? Ist das "Aktien kaufen" nur eine weitere schlechte Angewohnheit, wie das Essen von zwei Desserts?

      Als ich 5 Jahre alt war, zog ich singend um die Häuser. Ich sang: "Wir müssen arbeiten, weil wir arbeiten müssen. Deshalb müssen wir arbeiten ... Hallo Arbeit!" Niemand von uns wusste, warum ich diese Strophe getextet hatte, oder warum ich dieses Lied sang.


      Letzte Woche erinnerte ich mich daran, als ich sah, dass der Aktienmarkt neue Topps erreichte. Ich stellte mir Millionen von Kleinanlegern vor, die vor sich hin singen: "Wir müssen Aktien kaufen, weil wir Aktien kaufen müssen. Deshalb kaufen wir Aktien ... Hallo Aktien!"

      Niemand von uns weiß genau, warum die Kleinanleger kaufen, aber niemand würde verneinen, dass sie es tun. Sie werden durch Alan Greenspan, die Analysten der Wall Street und das vage Gefühl, dass das Kaufen von Aktien klug ist, dazu veranlasst. Egal, wie hoch die Kurse sind – die Kleinanleger kaufen und kaufen ... bis irgendwann etwas eintritt, das wie eine Spekulationsblase aussieht.

      So etwas wie eine Spekulationsblase hängt derzeit über Lower Manhattan, in der Wall Street. Und so etwas Ähnliches schwebt auch über Shanghai. Denn auch in China entwickelt sich eine Spekulationsblase.

      Kann man Greenspan für beide Spekulationsblasen verantwortlich machen? Sowohl die große amerikanische als auch die chinesische? Dieser Gedanke ging mir durch den Kopf.

      "Die Absicht der Fed, die Zinssätze für einen langen Zeitraum niedrig zu halten, hat die Spekulation in Vermögenswerten mit hohem Risiko angefacht", so Andy Xie, Chefvolkswirt von Morgan Stanley Asia in Hongkong. Er erklärt: "Die Nebenprodukte dieser Spekulation sind die Vermögenseffekte auf den Konsum in den USA und den durch billiges Geld angeheizten Investmentboom in China – die Doppelmotoren oder Doppel-Spekulationsblasen der heutigen Weltwirtschaft, je nach Ihrer Perspektive."

      "Die Geschichte wird zur Fed nicht nett sein", sagt Xie. "Deren Ermunterung von spekulativen Exzessen (wird) als der größte Grund für die massiven Spekulationsblasen der heutigen Weltwirtschaft angesehen werden, deren Konsequenzen sich erst noch zeigen werden."

      "Was passiert, wenn diese zwei Spekulationsblasen zusammenprallen?" fragt sich die Asia Times. "Platzen sie dann beide, oder werden sie sich verbinden und zusammen eine noch größere Spekulationsblase werden – die dann irgendwann noch spektakulärer platzen wird?" Das ist die Frage, die die Wachstumsraten in den USA und China stellen. Diese Wachstumsraten sind miteinander verbunden, aber keine von beiden will das zu laut zugeben.

      "Dieselben Fondsmanager, die in AOL, Enron und Tyco investiert hatten – alles mindestens problematische Anlagen –, kaufen jetzt chinesische Neuemissionen mit Enthusiasmus. Es ist schwierig, größere wirtschaftliche Vernunft als bei der letzten Internet-Spekulationsblase zu sehen, wenn eine chinesische Neuemission wie China Green Holdings um das 1.600fache überzeichnet wird."

      "Aber zusammen mit den Zahlen zum Wirtschaftswachstum diese Woche kam eine andere merkwürdig große Zahl. China, einst Selbstversorger in Sachen Rohöl, ist jetzt der zweitgrößte Erdöl-Importeur der Welt – und es wird bald auch massive Kohle-Importe nötig haben. Die chinesische Spekulationsblase ist bis zu einem Punkt gewachsen, an dem sie bald die scharfen Ecken der infrastrukturellen Kapazität und der Überproduktion ( ...) erreicht haben wird. Dann platzen Spekulationsblasen."

      "China wird überall als das Investment-Ziel des Jahrhunderts bezeichnet", so Karim Rahemtulla letzte Woche im Investor`s Daily. "Glauben Sie das nicht. Meine Erfahrung sagt mir, dass die einzigen Leute, die in China wirklich Geld verdienen können, Chinesen sind ..."

      Anmerkung an den US-Aktienmarkt und sein chinesisches Gegenstück: Vermeidet scharfe Objekte.


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      Mittwoch, 18. Februar 2004

      Was haben wir uns eigentlich gedacht ...

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** "Was sich eindeutig aus simpler Arithmetik ergibt", so Benson, "ist, dass ohne einen plötzlichen Zuwachs bei der Zahl der Jobs und bei den Löhnen die individuellen Schulden nicht mehr durch die persönlichen Einkommen bedient werden können ... das Wachstum der Einkommen und der Zahl der Jobs ist so niedrig, dass wir ganz bestimmt den `Punkt ohne Wiederkehr` überschritten haben."

      Benson meint, dass die niedrigen Zinsen der Fed und die Steuersenkungen einen Ausgabenboom schaffen können – was gleichzeitig die Amerikaner tiefer in die Schuldenfalle führt. Aber sie können keinen Boom bei der Zahl der Arbeitsplätze kreieren. Wenn die Amerikaner Geld ausgeben, dann werden in China Leute eingestellt, nicht in den USA. Kein Boom bei der Zahl der Arbeitsplätze ... keine Lohnsteigerungen ... keine Möglichkeit, die Schulden zurückzuzahlen.

      "Also, was wird mit den Amerikanern und ihrem Schuldenberg passieren?" fragt Benson. "Wenn die Tage des Schuldenmachens ( ...) vorüber sind und wenn Asien seine Währung abwertet, dann sieht es so aus, als ob es nur zwei Auswege geben wird: Eine Erhöhung der Inflation oder ein Staatsbankrott. Beides ist möglich."

      "Wenn die chinesischen Güter bei Wal-Mart 30 % teurer werden, dann werden die Amerikaner eine Inflation sehen. Der Fed wird ein großer Teil der Inflation genehm sein, aber die Zinsen werden steigen. Inflation, wenn sie erlaubt und gefördert wird, wird es den Gläubigern ermöglichen, ihre Konsumentenschulden weiter zu bedienen. Aber die steigenden Zinssätze werden die Immobilienpreise wie ein Tornado treffen. Die Hausbesitzer, die 30jährige Hypotheken mit fixem Zinssatz haben, werden heil aus der Sache herauskommen – wenn sie ihre Häuser nicht für mindestens 10 Jahre verkaufen müssen. Jeder, der sein Haus verkaufen will, wird eine `Deflation bei Vermögensanlagen` sehen, und die Finanzinstitute werden es mit substanziellen faulen Krediten zu tun haben. Die Fed wird wie verrückt Geld drucken, um die Deflation bei Vermögensanlagen zu bekämpfen und um eine Inflation zu fördern. Irgendwann vor oder nach der Präsidentenwahl wird es an den Finanzmärkten interessant werden – aber das wird vielen wehtun."

      Eine bescheidene Prognose von ihrem bescheidenen Autor: Irgendwann zwischen jetzt und dem Untergang der Welt werden die Amerikaner gen Himmel blicken ... sich die Sterne ansehen ... und sich fragen, was sie sich eigentlich gedacht haben ...



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      Mittwoch, 18. Februar 2004

      Die Erfindung von McNamara

      von Peter M. Bennett

      Wo wären die Amerikaner ohne ihre Kreditkarten? Es ist schwer, sich vorzustellen, dass es vor langer Zeit noch gar keine Kreditkarten gab. Vor 1950, um genau zu sein.

      In diesem Jahr bemerkte ein gewisser Frank X. McNamara bei einem Dinner in New York City, dass er kein Geld dabei hatte, um für das Essen zu bezahlen. Vielleicht war es während der Zeit, in der er auf das Eintreffen seiner Frau mit Bargeld wartete, dass er davon träumte, was einmal der Diners Club werden würde.

      Heute haben die Konsumenten in den USA Schulden von insgesamt 2 Billionen Dollar, davon 700 Milliarden Dollar Kreditkartenschulden. Das sind ca. 2.400 Dollar für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Amerika. Laut CardWeb.com hat der durchschnittliche Amerikaner insgesamt 7,6 Kreditkarten, davon 2,7 Bank-Kreditkarten, 3,8 Kreditkarten zum Einkaufen und 1,1 Schulden-Kreditkarten.

      24 % des persönlichen Konsums wird in den USA bequem mit Kreditkarte bezahlt. Visa berichtet, dass 43 % aller Vermietungsgesellschaften jetzt Kreditkartenzahlung akzeptieren. Wenn man seine Kreditkarten richtig einsetzt, dann kann man z.B. bei Fluglinien Punkte sammeln, mit denen man Urlaubsreisen erhalten kann, bei denen man noch mehr Geld ausgeben kann ... mit Kreditkarte, natürlich. Der Inbegriff der Annehmlichkeit und der modernen Finanzen ist eine Erfindung von McNamara.

      Leider wollen die Kreditkartenfirmen sehr gerne bezahlt werden, obwohl sie ziemlich zufrieden sind, wenn man sich damit Zeit lässt. Natürlich nur unter der Annahme, dass man ihnen dafür Zinsen zahlt, die jetzt bei durchschnittlich 14,7 % liegen. Oh, und man sollte seine Kreditlinie nicht zu lange überziehen. Wenn man das nur einen Tag tut, dann schießt der Zinssatz auf über 20 % nach oben.

      Wie kam es, dass der ehemals rechtschaffende, sparsame, sehr unabhängige, "weder Gläubiger noch Schuldner"-Amerikaner zu einem überschuldeten Schuldner wurde? Die Antwort ist – wie die menschliche Natur selbst – komplex und mit vielen Facetten versehen.

      Die modernen Kreditkartengesellschaften sind motiviert: Sie bieten Kredit an und erhalten dafür Zinsen, und das kann ein erstaunlich profitables Geschäft sein.

      Wenn es um die wirtschaftliche Zukunft geht, dann ist das Einzige, das prognostizierbar ist, die Unprognostizierbarkeit dieser Zukunft. Allerdings glaube ich, dass die Konsumenten den Schmerzpunkt bald erreichen werden – da ihr Schuldendienst bei 19 % des verfügbaren Einkommens liegt, die Pleiten steigen und die Überziehungszinsen für Kreditkarten ein wirklich erschreckendes Niveau erreicht haben.

      Über 70 % der US-Wirtschaft sind von den Konsumausgaben abhängig. Sollten die Konsumenten sich dazu entschließen, ihre Ausgaben zu kürzen, dann wird die US-Wirtschaft nicht notwendigerweise gegen die Wand fahren ... aber dann wird sich das Wirtschaftswachstum sicherlich verlangsamen.


      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 23:28:51
      Beitrag Nr. 1.398 ()
      Sind deutsche Schüler besser als ihr Ruf?

      Thorsten Stegemann 18.02.2004
      Eine Forschergruppe der Universität Siegen kritisiert die Bildungsstandards von PISA & Co.


      Die These, mit der eine Arbeitsgruppe der Universität Siegen am Montag an die Öffentlichkeit trat, klang so verblüffend, dass sich Agenturen und Presseorgane umgehend zu aufgeregten Überschriften wie Schüler kaum schlechter als ihre Lehrer oder Kluge Viertklässler lesen so gut wie `schwache` Lehrer veranlasst sahen. Ein bundesweit bekanntes Nachrichtenmagazin verstieg sich gar zu der Behauptung Viele Pauker stammeln wie Grundschüler.






      Überflüssig zu erwähnen, dass die knalligen Headlines mit den tatsächlichen Ergebnissen der Wissenschaftler kaum annähernd übereinstimmen. Auch wenn letztere spektakulär genug sind. Denn die Arbeitsgruppe, die von dem Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann geleitet wurde, hatte mit Hilfe sogenannter Stolperwörter-Tests herausgefunden, dass sich die Lesefähigkeit 10jähriger Schüler nicht zwingend von den Fähigkeiten ihrer Lehrer unterscheidet und auch den Kompetenzen, die Lehramtsstudenten oder Meisterschüler einer Handwerkskammer aufweisen können, mitunter in nichts nachsteht:




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      Das obere Drittel der ViertklässlerInnen kann mit dem unteren Drittel von MeisterschülerInnen einer Handwerkskammer mithalten. (...) Und wenn wir die schwächsten LehrerInnen als Maßstab nehmen, dann erreichen ebenfalls 30% der ViertklässlerInnen deren Genauigkeit, Geschwindigkeit und inhaltliches Verständnisniveau in der Leseaufgabe. Das Niveau der schwächsten 10% der zukünftigen Handwerksmeister erreichen sogar schon zwei Drittel der GrundschülerInnen ...





      Mit ihren Untersuchungen, an denen gut 300 Lehrer, Studenten und Meisterschüler sowie 6.000 Schülerinnen und Schüler teilnahmen, reagierten die Wissenschaftler auf gravierende Unterschiede zwischen den großen Vergleichsstudien der letzten Jahre. Während die IEA-Lesestudie 1991 noch 2-5% leseschwache Schüler registriert zu haben glaubte, ging IGLU 2001 von 10% am Ende der Grundschulzeit aus, und das nur ein Jahr nachdem PISA jeden vierten 15-Jährigen zum potenziellen oder akuten Risikoschüler erklärt hatte.





      Die Siegener Arbeitsgruppe kommt stattdessen zu dem Schluss, dass am Ende der Grundschulzeit bereits zwei Drittel bis über 90% der SchülerInnen über ein "funktionales Leseniveau" verfügen. Das Etikett "lese- und rechtschreibschwach" wird ihrer Meinung nach vorschnell vergeben. Im Hinblick auf die Lese- und Schreibkompetenz existiere ausreichend Verbesserungsbedarf, von einem Leistungsverfall an deutschen Schulen könne aber - selbst im internationalen Vergleich - keine Rede sein. Im Gespräch mit Telepolis warnt Hans Brügelmann trotzdem ausdrücklich vor naheliegenden Missverständnissen:




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      Die pauschale Verurteilung der Schulen ist sicher ebenso wenig gerechtfertigt wie die allgemeine Katastrophenstimmung. Die von PISA und anderen Testprogrammen zugrunde gelegten Maßstäbe sind nicht validiert im Hinblick auf individuelle Fähigkeiten, die im Berufs- oder Privatleben tatsächlich gebraucht werden. Bildungsstandards sind immer fragwürdige Setzungen. Ich behaupte deshalb nicht, dass an unseren Schulen alles in Ordnung ist. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Probleme zu simpel diagnostiziert werden.





      Der Erziehungswissenschaftler plädiert deshalb für Untersuchungen, die sich an den tatsächlichen Herausforderungen des späteren Lebens orientieren und überdies lernbiografisch validiert sind, auch wenn die öffentliche Diskussion im Moment keine Geduld zu haben scheint, die Ergebnisse aufwendiger Längsschnittstudien und Verlaufsanalysen abzuwarten.




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      Die großen Vergleichstests legen Bildungsstandards fest, ohne zu wissen, was ein Schüler zum Zeitpunkt X können muss, um zum Zeitpunkt Y über eine bestimmte Fähigkeit zu verfügen. Außerdem spielt das Thema individueller Leistungszuwachs bei uns kaum eine Rolle, obwohl die Streuung selbst innerhalb der verschiedenen Ausbildungs- oder Berufsgruppen immens ist.





      Testergebnisse sind für Brügelmann folgerichtig nicht der einzige Maßstab zur Beurteilung eines komplexen Bildungssystems.




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      Wir sollten uns stärker auf die Qualität des Unterrichts konzentrieren. Den Schulen muss es gelingen, individuelle Fähigkeiten innerhalb heterogener Gruppen zu unterstützen, denn gleiche Hürden für alle sind unfair und pädagogisch unproduktiv. Lernen und Lehren kann nicht einfach von Behörden verordnet werden.





      Unter diesen Umständen steht der Siegener Professor dem geplanten Aufbau mehrerer deutscher Eliteuniversitäten skeptisch gegenüber:




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      Wenn wir uns die Leistungszuwächse amerikanischer Studenten anschauen, dann besteht kaum ein Unterschied zwischen Harvard und irgendeiner texanischen Kleinstadt. Es ist nur so, dass die Studenten, die nach Harvard gehen, in der Regel weiter sind als ihre Kommilitonen. Das bedeutet: Spitzen-Universitäten produzieren keine Elite - sie bekommen eine!





      In Deutschland spielen solch filigrane Unterscheidungen noch keine Rolle. Stattdessen steht zu befürchten, dass die Forschungen der Siegener Arbeitsgruppe den Katzenjammer noch verstärken werden, weil von ihnen nur die oben zitierten Überschriften im Gedächtnis bleiben. Und die besagen schließlich nichts anderes als: Unsere Schüler können nichts, aber ihre Lehrer sind mindestens genauso dumm. Allerdings will Hans Brügelmann eben diesen Effekt unbedingt verhindern:




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      Wir sollten die Studie nicht unter dem Aspekt betrachten "Schau mal an, wie dumm unsere Lehrer sind!", sondern das genaue Gegenteil herauslesen und damit zur Kenntnis nehmen, dass unsere Grundschüler sehr viel weiter sind als gemeinhin angenommen wird.

      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/16775/1.html
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 23:35:02
      Beitrag Nr. 1.399 ()
      Zitat des Tages
      "Der Terrorismus hat den Kommunismus als Begründung für die Militarisierung des Landes, für militärische Interventionen im Ausland und für die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten im Inland abgelöst. Er dient aber dem selben Zweck, nämlich Hysterie auszulösen."

      Howard Zinn
      Medien / Demokratie
      http://www.zmag.de/index.php
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 23:39:55
      Beitrag Nr. 1.400 ()
      Die Esser-Abfindung aus anderer Sicht

      Einmal erhalten - mehrfach bezahlt! Helmut Creutz kommentiert anlässlich des Prozesses die Abfindung für den ehemaligen Chef von Mannesmann: 30 Millionen Euro plus Zinsen und Zinseszinsen...



      Abfindungen erhalten gekündigte Arbeitnehmer auch heute noch manchmal ausgezahlt. Entweder als Übergangsgeld mit dem sie sich ein halbes oder ganzes Jahr über Wasser halten und einen neuen Job suchen können, oder, wie bei Beamten oder Offizieren in mittlerem Alter, als "Goldener Handschlag" für den Rest des Lebens. - Was war es nun bei Herrn Esser?

      Erinnern wir uns: Klaus Esser hatte seinerzeit als angestellter Chef bei Mannesmann dieses altbekannte Unternehmen verschachert und für diese neunmonatige Tätigkeit eine Abfindung von 60 Millionen DM = rund 30 Millionen Euro erhalten. Nehmen wir diese 30 Millionen als Übergangsgeld für ein Jahr an, dann hätte Herr Esser jeden Monat 2,5 Millionen auf den Kopf hauen können. Da dies jedoch ein etwas ungewöhnlich hohes Monatssalär wäre, war die Zahlung an Herrn Esser wohl eher als Frührentner-Einkommen gedacht. Geht man dabei von einem dreißigjährigen Rentnerleben aus, kommt Esser gerade noch auf eine runde Million im Jahr und mit monatlichen Ausgaben von 83.000 Euro hätte er in 30 Jahren alles aufgezehrt.

      Aber stimmt das so? - Nein! Denn im Gegensatz zu den normalen Rentnern erhält Esser den ganzen Rentenbetrag im voraus und kann ihn zwischenzeitlich "für sich arbeiten lassen", wie man das in der Bankenwerbung freundlich umschreibt. Legt er ihn mit sechs Prozent langfristig an (und das ist bei einer solch großen Summe sicher drin!), dann erhält er aus seiner Anlage jährlich 1,8 Millionen Zinsen, was monatlich mit 150.000 Euro zu Buche schlägt. Das heißt, er braucht die Substanz der 30 Millionen überhaupt nicht anzutasten und hat trotzdem fast doppelt so viel im Monat wie bei der obigen Rentenrechnung! Und ist es ihm zu anstrengend jeden Monat 150.000 Euro auszugeben und bescheidet er sich mit 25.000 Euro, dann nehmen seine 30 Millionen monatlich auch noch um 125.000 Euro zu! Und da dieser Zuwachs selbstverständlich mit verzinst wird, verdoppelt sich nach Adam Riese und der Zinseszinsrechnung seine Abfindung rund gerechnet alle 15 Jahre! Das heißt, in den 30 Lebensjahren die man ihm noch gönnen kann, wachsen seine 30 Millionen in den ersten 15 Jahren auf 60 Millionen und in den zweiten 15 Jahren nochmal auf das Doppelte, also auf 120 Millionen Euro an! Und Essers Enkelkinder könnten sich weitere 15 Jahre später, mit 240 Millionen Euro im Rücken, gleich zur Ruhe setzen und ihren Kindern 30 Jahre später rund eine Milliarde Euro hinterlassen!

      Sollte man aus dieser wundersamen Geldvermehrung nicht entsprechende Schlüsse ziehen und dieses Modell auf alle Rentner übertragen? Das heißt, sollte man nicht allen ihre Rente auf einen Schlag im Voraus auszahlen? Könnten sich nicht die Gewerkschaftsvertreter in allen Unternehmen für eine solche Lösung einsetzen oder sie zumindest nicht verhindern, so wie das der IG-Metallboss Zwickel im Aufsichtsrat bei Mannesmann so selbstlos tat? Oder ist da doch ein Pferdefuss an der Sache, der eine solche ideale Lösung nicht für alle erlaubt? Und vor allem bleibt die Frage: Woher kommt das ganze Geld zu dieser wundersamen Substanzvermehrung überhaupt?

      Bezieht man diese Frage auf das 30 Millionen-Handgeld, dann stammt der Betrag aus dem Verkaufserlös der Firma und war angesichts des gedopten Milliarden-Booms sicher verkraftbar. Bezogen auf die ständige Vermehrung dieser Summe durch die Zinsen und die monatlichen Rentenzahlungen von 25.000 Euro sieht die Sache jedoch anders aus, denn diese sind in erster Linie von den Schuldnern in der Wirtschaft aufzubringen. Die Schuldner aber, soweit keine Privathaushalte, rechnen die Zinsen als Kosten in die Preise und Gebühren ein und reichen sie auf diese Weise an die Endverbraucher weiter. Legt man alle Schuldenzinsen einmal auf die Endnachfrage um, dann bezahlen wir dafür inzwischen mit jedem ausgegebenen Euro etwa 40 Cent, in den Mieten sogar 60 bis 80 Cent! Kurz: Für den 30-Milliarden-Grundstock Essers mussten die Aktionäre bluten, für seine Vermehrung auf das Zwei-, Vier- und Achtfache und die endlos laufende Monatsrente aber werden alle Bürger über Jahrzehnte hinweg zur Kasse gebeten, bis hin zum letzten Sozialhilfe-Empfänger. Denn wer Geld arbeiten lässt, lässt immer andere für sich arbeiten!

      Natürlich fließen diese in den Zinsmonopoly-Topf gezahlten Zinsen zum allergrößten Teil auch wieder in private Taschen zurück. Per saldo ist das aber nur für jene 10 bis 12 Prozent der Haushalte von Vorteil, die mehr Zinsen zurück erhalten als sie mit ihren Ausgaben laufend zahlen, und das wiederum trifft nur auf jene Haushalte zu, die mindestens das Zehnfache ihrer Jahresausgaben zinsbringend auf der hohen Kante haben. Und hat man, wie Herr Esser, mit 30 Millionen hundert Mal so viel im Rücken als man jährlich ausgibt, dann ist die weitere explosive Vermehrung des Vermögens unvermeidlich - bis das ganze Schneeballsystem auf Grund der zunehmenden sozialen Spannungen zusammen bricht! - Bedenkt man, dass allein die an die Banken gezahlten Zinsen im Jahr 2001 mit 391 Milliarden Euro bereits bei zwei Drittel aller Nettolöhne und -gehälter lagen und diese in acht bis zehn Jahren sogar übersteigen werden, kann man sich das Ende ausmalen.

      "Wie weit weg ist Weimar?" fragte eine bundesdeutsche Zeitung bereits vor etlichen Jahren. Dabei ging es nicht um die Entfernung in Kilometern, sondern um die Zeit, die uns noch verbleibt um in Deutschland unsere Demokratie zu retten! Doch das kann uns nur gelingen, wenn das Geld nicht mehr die Welt regiert!

      von Helmut_Creutz - 17. Feb 2004
      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…
      Avatar
      schrieb am 18.02.04 23:43:20
      Beitrag Nr. 1.401 ()
      Grafik des Tages


      http://www.inwo.de/modules.php?op=modload&name=News&file=art…



      Unterschiedliche Größenentwicklungen




      Nr. 137



      Die Grafik zeigt vor allem, in welchem Umfang die Löhne in den letzten zehn Jahren gegenüber der Wirtschaftsleistung zurück geblieben sind. Damit nahmen auch die Möglichkeiten der Arbeitnehmer ab, die von ihnen zusätzlich geschaffenen Produkte selbst nachzufragen. Als Folge dieser geschwächten Nachfrage blieben auch die Einkommen der Unternehmen und die Staates hinter der Entwicklung des BIP zurück. Beides erklärt die ungenügende Bereitschaft zu Investitionen und damit der Zunahme der Arbeitslosigkeit.

      Warum es zu diesen Engpässen auf der Seite der Arbeit und des Staates kam, wird aus der Überentwicklung der Zinseinkommen ersichtlich. Wäre diese Einkommensgröße im Gleichschritt mit der Leistung ebenfalls um 37 Prozent angestiegen, dann hätte sie in 2001 nur bei 212 Mrd Euro gelegen. Mit der verringerten volkswirtschaftlichen Belastung in Höhe von 99 Mrd Euro, wäre dann genug Spielraum verblieben, die Löhne, Unternehmens- und Staatseinnahmen in den zehn Jahren ebenfalls um 37 Prozent anzuheben.
      Avatar
      schrieb am 19.02.04 16:04:02
      Beitrag Nr. 1.402 ()
      Pensionen belasten Bundes-Etat


      Pensionszusagen der Post kosten den Bund Milliarden
      (Foto: ddp; Montage: TOI)
      Die Pensionen für frühere Postbeamte und deren Hinterbliebene entwickeln sich laut einem Zeitungsbericht zunehmend zur Belastung für den Bundesetat. Aus einer internen Aufstellung des Bundesfinanz-Ministeriums ergebe sich gegenwärtig ein rechnerischer Fehlbetrag von 129 Milliarden Euro, berichtet die "Stuttgarter Zeitung" unter Berufung auf das ihr vorliegende Papier. Auch durch den vollständigen Verkauf der Post- und Telekom-Aktien könne der Bund die Pensionszahlungen für frühere Postbeamte und deren Hinterbliebene nicht abdecken.


      Steuererklärung 2003 - So geht`s ganz einfach
      Praktisch zahlen - Mit goldener Kredikarte


      Zusätzliche Milliarden-Belastungen
      Den Berechnungen nach kommen auf den Bundeshaushalt künftig enorme Pensionslasten zu. In den Jahren 2004 bis 2090 würden sich die Versorgungslasten für ehemalige Postbeamte und deren Hinterbliebene auf eine Größenordnung von 573,4 Mrd. Euro belaufen, heißt es in der Vorlage für den Haushaltsausschuss des Bundestages. Wird dieser Wert abgezinst und auf heutige Verhältnisse übertragen, ergebe sich ein Barwert von 150 Mrd. Euro, schreibt die "Stuttgarter Zeitung" weiter. Dieser Betrag übersteige den Wert der Deutschen Telekom AG und der Deutschen Post AG bei weitem.


      129 Milliarden Euro Unterdeckung
      Selbst wenn der Bund als größter Einzelaktionär seine Anteilspakete zum aktuellen Kurs verkaufen würde, könnte er "nur" auf einen Erlös von 21,3 Milliarden Euro hoffen. Daraus erfolgt eine Unterdeckung von 129 Milliarden Euro. Umgerechnet auf die verbleibenen 86 Jahre des Berechnungszeitraumes (2004 bis 2090) bedeutet dies eine jährliche Belastung von rund 1,5 Milliarden Euro.


      Arbeitsrecht - Spezialisten in Ihrer Nähe
      Berufsunfähigkeit - Unterschätztes Risiko


      Bahn-Beamte noch nicht eingerechnet
      "Um eine vollständige Bedienung der Versorgungslasten zu erreichen, müsste der Depotwert der Aktien dem Barwert der künftigen Versorgungslasten (in Höhe von 150 Milliarden Euro) entsprechen und im Zeitablauf jahresdurchschnittlich um 5,5 Prozent ansteigen", zitierte die Zeitung aus dem Papier des Finanzministeriums. Der CSU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter wird wie folgt zitiert: "Ordnungspolitisch war die Privatisierung der Post richtig, haushaltspolitisch entwickelt sie sich für den Bund zum GAU." Zumal in diese Berechnungen die Pensionsleistungen für ehemalige Beamte der Bahn und anderer Staatsdiener noch nicht eingerechnet sind.


      Bundesministerium weist den Bericht zurück
      Das Bundesfinanzministerium hat den Bericht über die Haushaltsrisiken in dreistelliger Milliardenhöhe durch die Post-Pensionen als aufgebauscht zurückgewiesen. Die Kosten für die Post-Pensionen seien im Haushalt abgedeckt, sagte ein Ministeriumssprecher am Donnerstag in Berlin auf Anfrage. "Hier wird ein Risiko hochstilisiert, das es so nicht gibt."

      http://onwirtschaft.t-online.de/c/16/41/25/1641254.html
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      schrieb am 19.02.04 21:50:47
      Beitrag Nr. 1.403 ()
      Titel
      Rainer Rupp

      »Schmerz, Wut, Pein«

      Mißhandlungen und Folter gehören zum Standardrepertoire der britischen und US-Besatzer im Irak


      Großbritanniens Premierminister Tony Blair gerät wegen offensichtlicher Menschenrechtsverletzungen der britischen Besatzungstruppen im Irak immer tiefer in die Klemme. Hatte die Londoner Regierung bislang die Vergehen ihrer Soldaten geheimgehalten oder entsprechende Berichte als Unterstellungen abgetan, kann die Presse nun mit verbürgten Augenzeugenberichten über Mißhandlungen und Folter aufwarten.

      Ein einfacher Soldat aus Blairs Besatzungstruppe im Südirak hatte am Donnerstag gegenüber der Boulevardzeitung The Sun berichtet, wie er und seine Kameraden wegen der Schreie der Gefangenen nachts nicht schlafen konnten. »Es war so, als wenn ein Baby schreit, nur tausendfach stärker und vermischt mit Schmerz, Wut und Pein«, beschrieb der Soldat das Erlebte. Da britische Militärs nicht ohne Erlaubnis mit der Presse sprechen dürfen, hat The Sun den Namen ihres Informanten zu dessen Schutz geheimgehalten. Bereits Anfang Januar, zu jenem Zeitpunkt, als Premier Blair den britischen Truppen in Basra einen Neujahrsbesuch abstattete, hatte der kritische Journalist Robert Fisk in der Londoner Tageszeitung The Independent berichtet, wie Blairs Soldaten drei Tage lang eine Gruppe von neun jungen Gefangenen brutal mißhandelt hatte. Baha Mousa, Vater von zwei kleinen Kindern, war während dieser Folter seinen Verletzungen erlegen. Ohne große Erklärungen hatte das britische Militär am nächsten Tag die entstellte Leiche bei seiner Familie abgeliefert und 8 000 Dollar als »Entschädigung« angeboten.

      Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hatte nach Bekanntwerden dieses bereits im September letzten Jahres geschehenen Vorfalls eine unabhängige Untersuchung der offensichtlichen Folterpraxis der britischen Truppen verlangt. Bis dahin waren alle offizielle Untersuchungen aus »Mangel an Beweisen« ohne Konsequenzen eingestellt worden. Nun aber hat der Soldat in The Sun einen Augenzeugenbericht über den bereits von Robert Fisk berichteten Vorfall abgeliefert.

      Nach einer Nacht mit besonders lauten Schreien war er mit anderen Kameraden zum Zellenblock gegangen. Dort kauerten in einer drei mal drei Meter großen Zelle neun irakische Gefangene mit einem Sack über dem Kopf in einer sogenannten »Streßposition«. Das heißt, sie mußten ständig ihre Hände hochhalten oder mit dem Kopf gegen die Wand auf dem Boden knien. »Sie mußten so lange in dieser Position bleiben, bis sie es nicht mehr aushielten und umfielen«, erzählte der Soldat. Dann wurden sie von der Wachmannschaft getreten oder geschlagen, um dann in eine andere »Streßposition« gezwungen zu werden, wieder so lange, bis sie anfingen zu stöhnen. Auf diese Weise »vorbereitet«, wurden sie einzeln zum Verhör abgeholt. »Dann wurden sie erst richtig geschlagen. Einige der Jungs kamen einfach vorbei und traten ihnen in den Bauch oder schlugen mit den Fäusten zu. Es war ein einziges bäng ... bäng ... bäng; kick ... punch ... bäng. Das Stöhnen, das Wimmern und die Schreie, das hörte einfach nicht auf. Und die Gefangenen bettelten ›Bitte aufhören, bitte aufhören.‹« Die Mißhandlungen dauerten den ganzen Tag an bis spät in die Nacht, am nächsten Tag gingen sie weiter.

      Aus dem Bericht des anonymen Soldaten geht auch hervor, wie der junge Baha Mousa zu Tod kam. »Der Iraker, der (später) starb, war nicht mehr dazu fähig, in der Streßposition auszuhalten.« Er sei dauernd umgefallen, man habe ihn schließlich in eine Toilette geschleppt und fallengelassen. Dort habe sich dann ein Sanitäterteam um ihn gekümmert. »Sie haben ihn allein gelassen. Und als sie zurückkamen, war er tot. Blut war durch den Stoff des Sacks gesickert, den man ihm übergezogen hatte«, berichtete der Augenzeuge in The Sun.

      Seitdem die britischen Medien über den qualvollen Tod von Baha Mousa berichten, bemüht sich die britische Militärführung, den Eindruck zu erwecken, daß dies ein Einzelfall gewesen und sie ernsthaft an dessen Aufklärung und der Bestrafung der Schuldigen interessiert sei. Unerwähnt bleibt jedoch, daß bereits neun irakische Gefangene in britischer »Obhut« zu Tode gekommen sind.

      Irakische Gefangene zu mißhandeln ist jedoch nicht nur eine britische Spezialität. Am 2. Februar dieses Jahres bezeugte Lance Corporal William S. Roy von den US-Marines im US-Militärcamp Pendleton vor einer Untersuchungskommission der US-Army, daß Mißhandlungen und Folter irakischer Gefangener weitverbreitet sind. Die Kommission hat die Aufgabe, die Todesumstände des irakischen Gefangen Nagem Sadoon Hatab im US-Gefangenlager White Horse aufzuklären. In einem Bericht an Mitglieder des US-Kongresses dokumentierte Mitte Januar ein Team der Nichtregierungsorganisation »Christian Peacemaker Team« 72 Fälle von Mißhandlungen und Folter während der Verhöre in einem US-Gefangenenlager in Irak. Die Fälle reichten vom Ausreißen der Fingernägel bis zur psychologischen Folter. Schätzungsweise 18 000 irakische Gefangene sind derzeit in anglo-amerikanischer Gewalt. »Die Koalition (die Besatzer) hat sich verpflichtet, alle Personen unter ihrer Kontrolle mit Würde, Respekt und Humanität zu behandeln«, heißt es in einer Erklärung des US-Militärs. Eine weitere Kriegslüge.
      http://www.jungewelt.de/2004/02-20/001.php
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      schrieb am 19.02.04 22:01:11
      Beitrag Nr. 1.404 ()
      Inland


      Bundesregierung fälscht Statistik

      Oder wie man im Handumdrehen eine halbe Million Erwerbslose los wird


      Im Herbst kommt der Aufschwung. Ab diesem Zeitpunkt will die Bundesregierung die Arbeitslosen anders zählen. Grundlage sollen die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sein. Nach denen gelten Menschen, die auch nur eine Stunde pro Woche arbeiten, als erwerbstätig. Nach deutschem Recht dürfen dagegen Erwerbslose bis zu 15 Stunden wöchentlich arbeiten, ohne ihren Status zu verlieren. Schätzungen besagen, daß die ausgewiesene Arbeitslosenzahl durch diesen Trick um ca. 500 000 bis 600 000 sinken wird. Natürlich hat eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums die Vermutung, hier solle die Statistik geschönt werden, sofort ausgeräumt: »Das haben wir mitnichten vor«. Hätte sie die Bestätigung des Verdachts prägnanter formulieren können?

      Schon die bisherige Arbeitslosenstatistik aus Nürnberg ist eine veritable Täuschung des Publikums. Kurzarbeiter, ABM-Beschäftigte, Teilnehmer an Maßnahmen zur beruflichen Förderung oder an Trainingsmaßnahmen tauchen so wenig auf wie nicht registrierte Arbeitsuchende und jene, die die Suche längst aufgegeben haben. Die Ignorierten zählen insgesamt nach Millionen.

      Vorerst soll die jetzt beschlossene geschönte Zählweise vom Bundesamt für Statistik parallel zu der bewährten Fälschung der Bundesagentur veröffentlicht werden. Wegen der Anpassung an den EU-üblichen Rahmen, wie es hieß. Aber erst eine Vereinheitlichung wäre wirklich Maatwerk (Maßarbeit). Die paar übriggebliebenen Arbeitslosen könnten dann zusammen mit der gleichnamigen Personalserviceagentur in die Insolvenz geschickt werden.

      (ulis)
      http://www.jungewelt.de/2004/02-20/013.php
      Avatar
      schrieb am 19.02.04 22:03:36
      Beitrag Nr. 1.405 ()
      Enttäuschung garantiert
      ++ Überdurchschnittliche Bewertung ++

      Von Sönke Knop
      Seit Monaten schon scheint der S&P 500 kein Halten mehr zu kennen. Stand der breitangelegte Index amerikanischer Gesellschaften vor zwölf Monaten mit rund 800 Punkten noch in der Nähe der Tiefstkurse der vergangenen Jahre, so haben sich die Greenback-Werte inzwischen wieder auf rund 1.150 Punkten aufgeschwungen. Doch trotz des gewaltigen Kursanstiegs hat der Index bisher gerade einmal die halbe Strecke der Talfahrt der vorangegangenen Jahre wettgemacht. Stellt sich also die Frage, klassische 50 Prozent Reaktion oder kann der Kursanstieg noch weiter gehen.

      Aktuell billigen die Akteure dem Markt ein 2004er Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 18,5 zu. Verglichen mit dem historischen Durchschnitt nicht gerade ganz billig. Ergibt sich doch ein Mittelwert für die vergangenen 130 Jahre von etwa 14. Der Index schwankte allerdings schon immer kräftig um diese Marke. So gab es mehrfach Zeiten mit einem KGV von mehr als 25, aber auch Phasen mit einer nur 5fachen Bewertung.

      Nun gibt es einige gute Gründe, die für eine aktuell höhere Bewertung sprechen, als jene langfristigen 14. An vorderster Front sind hierbei die nun schon seit längerem niedrigen Zinsen zu nennen. Aber auch für das Lager der Pessimisten gibt es reichlich Argumente. Vor allem das Doppeldefizit, also das hohe Minus in der Handelsbilanz sowie im Staatshaushalt, dürfte früher oder später Tribut fordern.

      Doch losgelöst von diesen Faktoren zeigt die langfristige Betrachtung des Index folgendes. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Faktoren, die zu einer höheren aber auch zu einer niedrigeren Bewertung des Marktes geführt haben. Dennoch lässt sich auch nach 130 Jahren keine nachhaltige Trendveränderung bei der Bewertung ausmachen. Dies bedeutet aber, dass die Marktbewertung irgendwann in der Zukunft wieder die 14er Marke schneiden wird.

      Nun kann der Bewertungsrückgang natürlich durch zwei Bewegungen erfolgen. Zum einen können deutlich steigende Unternehmensgewinne den Faktor drücken, zum anderen aber auch rückläufige oder sich unterdurchschnittlich entwickelnde Kurse. Zu den Unternehmensergebnissen ist dabei zu sagen, dass sie sich in der Vergangenheit bei einer längerfristigen Betrachtung natürlich ebenfalls entsprechend der Indexveränderung entwickelt haben.

      Es bleibt also die Frage, ob die Unternehmensgewinne in den kommenden Jahren eine über dem langfristigen Durchschnitt liegende Dynamik aufweisen werden oder ob langfristig lediglich mit einer gleichlaufenden oder gar unterdurchschnittlichen Entwicklung gerechnet werden muss. Ist dieses zu bejahen, so bedeutet ein Investment zum jetzigen Zeitpunkt, dass weniger als die langfristige Durchschnittsrendite einer Aktienanlage zu erwarten ist.

      Sorgten in der Vergangenheit Kursgewinne und Dividendenerträge im Schnitt für eine zehnprozentige Rendite, muss bei der oben angenommenen Entwicklung nun mit niedrigeren Werten für die Zukunft gerechnet werden. Gerade für viele Pensionsfonds in den USA eine nicht gerade ermutigende Botschaft.

      Aber was bedeutet dies für die heutige Aktienanlage? Zum einen sind die Basis der obigen Betrachtung lange Zeiträume, zum anderen wird hier auf eine Indexbetrachtung abgestellt. Wer reines Benchmark-Denken an den Tag legt, sollte die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Mit einer gezielten Selektion dürften aber auch in Zukunft weit überdurchschnittliche Renditen zu erzielen sein. Die Basis hierfür sind jedoch gerade auch vom Unternehmen zur Verfügung gestellte Informationen. Der Bereich Investor Relations, in den vergangenen Jahren oftmals nur noch als Kostenfaktor abgetan, sollte also vor einer Renaissance stehen.


      Sönke Knop ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.
      http://www.instock.de/Nachrichten/10138896/pos/2
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      schrieb am 19.02.04 22:08:57
      Beitrag Nr. 1.406 ()
      Vom Kölner Karneval und riesigen Zahlen

      von Jochen Steffens

      Seltsame Dinge gehen hier vor: Gerade kam das Zimmermädchen herein und fragte mich, ob ich auch einen Kaffe trinken möchte. Ich nickte artig, während ich mich weiter auf meine Charts konzentrierte. Zimmermädchen? Seit wann habe ich ein Zimmermädchen? "[ ...] auch einen Kaffe [ ...]"? Geht ein Zimmermädchen derart vertraulich mit ihrem Arbeitgeber um? Zudem, wenn ich mich recht erinnere, hat sie mich geduzt.

      Als dann endlich der Kaffe vor mir stand, fragte ich meine zukünftige Ehefrau, ob ihr Karnevalskostüm vielleicht eine Anspielung darauf sei, dass ich zu viel arbeite. Sie verneinte, schnappte sich ihren Feudel und verschwand darauf in die Kölner Südstadt, um sich in die Weiberfastnacht des Kölner-Karnevals hineinzustürzen.

      Am Montag wird übrigens kein Investor`s Daily erscheinen. Hier in Köln arbeitet niemand. Außer Polizisten, Taxifahrer und Menschen, die im Gastronomiegewebe tätig sind.

      Zur Wirtschaft:

      Die Verschuldung der USA hat nun die Schallgrenze von 7 Billionen Dollar überschritten. Eine gigantische Zahl – ausgeschrieben:

      7.000.000.000.000

      Um mal die Relation deutlich zu machen:

      Ein einzelner Mensch müsste in der Spanne seines gesamten Lebens (72 Jahre im Schnitt) 8.101.851.851 Dollar jeden Monat zurückzahlen, um diese Schulden zurückzuzahlen. Das gleiche gilt natürlich für die USA, jeden Monat 8 Mrd. Dollar 72 Jahre lang! Wenn sich eine Millionen Menschen zusammenschließen, müssten sie immerhin ihr ganzes Leben lang jeden Monat 8101 Dollar aufbringen, um diese Schulden abzuzahlen.

      Geht man von 290 Mio. Einwohner in den USA aus, so hat damit jeder Bürger knapp 25.000 Dollar Schulden, einschließlich der Kinder und Babys. Rechnet man das auf die Familie hoch und geht von einer 4-köpfigen Familie aus, sind das 100.000 Dollar je Familie. Ganz abgesehen von der privaten Verschuldung, die natürlich noch hinzu gerechnet werden müsste.

      Es kommt ein Problem auf Bush zu: Das Schuldenlimit der USA liegt bei 7,384 Billionen Dollar. Das wird in der Mitte des Jahres erreicht werden. Dann muss Bush den Kongress bemühen, um weitere Kredite aufzunehmen. Natürlich wird der Kongress neuen Krediten zustimmen. Aber für die Wahl, die im November wartet, werden das unschöne Nachrichten werden.

      Übrigens, das Bruttoinlandsprodukt der USA betrug 2003 11 Billionen Dollar.

      Aber vielleicht sollte sich die USA doch in den Weltraum aufmachen. Immerhin ist dort der größte Diamant des Universums gefunden worden. Sein Gewicht wird auf 10 Milliarden Billionen Billionen Karat geschätzt (Ein Karat sind 0,2 Gramm) oder die Zahl in Tonnen ausgeschrieben:

      2.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Tonnen!

      Das würde wohl so gerade reichen. Ein Durchmesser von 4000 km besitzt er und trägt den bezeichnenden Namen Lucy, angelehnt an den Beatles Song:" Lucy in the sky with diamonds". Trotz dieser Entdeckung kam es zu keinem signifikanten Einbruch der Diamantenpreise – Analysten schieben das auf die Entfernung: Dieser Diamant ist 50 Lichtjahre von der Erde entfernt.

      In diesem Sinne:

      Kölle Alaaf !

      P.S. Und dann möchte ich Sie noch auf die hoch interessante interne Studie des Verlags aufmerksam machen. Mehr dazu in den nachfolgenden Zeilen:
      ---------------

      7 kleine Schritte zur Krise

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Oh là là, ich bin froh, dass ich bereits vor einer Woche Gold gekauft habe. Da konnte man noch zu Preisen von 400 Dollar je Feinunze einsteigen. Ich machte mir damals Gedanken darüber, dass es vielleicht das letzte Mal in meinem Leben sein würde, dass ich einen so tiefen Goldpreis sehen würde. Heute frage ich mich, ob die Goldverkäufer jemals 400 Papierdollar im Austausch für eine Feinunze Gold akzeptieren werden.

      Bill Fleckenstein hat "7 kleine Schritte zur Krise" identifiziert:

      - Schritt 1. Niemand bemerkt die Tatsache – oder misst ihr Wichtigkeit bei –, dass der Dollar fällt. – Schritt 2. Die Leute bemerken es irgendwann doch, aber sie kümmern sich nicht drum, oder sie halten die Dollarschwäche sogar für etwas Gutes. – Schritt 3. Die Zentralbanken wissen jetzt, dass sie ein Problem haben, aber die Zentralbanken denken, dass der Markt ihnen immer noch gehorcht. Das wird er auch, eine Zeitlang. (Diese Stufe haben wir mit dem letzten G7-Treffen erreicht). – Schritt 4. Der Dollar setzt seinen Rückgang fort. Die Devisenmärkte lassen sich durch "verbale Interventionen" der Finanzminister nicht mehr beeindrucken. -Schritt 5. Die Finanzminister werden dazu gezwungen, zu handeln. Wenn Sie handeln, dann wird der Markt das tun, was sie wollen – aber nur für eine Zeitlang. – Schritt 6. Die Minister werden noch mehr handeln, aber das wird nicht genug sein, und die Devisenmärkte werden nicht tun, was die Minister wollen. – Schritt 7. Schließlich haben wir eine ausgewachsene Krise, und das wird das Ende des Spiels sein.

      Die Amerikaner erwarten von ihrem Dollar Stabilität. Nicht, dass er seinen Wert behält ... aber er sollte wenigstens voraussehbar an Wert verlieren. Deshalb schwitzen sie nicht, als der Dollar fiel; sie begrüßten es sogar. Eine stetige Inflationsrate und Vollbeschäftigung machten es für sich leichter, über ihre Verhältnisse zu leben; sie konnten sich verschulden ... zuversichtlich, dass die Inflation ihre Schuldenlast erleichtern würde.

      Aber jetzt verliert der Dollar auf eine neue und andere Art an Wert – während auch die Preise bei Wal-Mart sinken. Die Amerikaner wissen nicht, was sie davon halten sollten. Sie setzen weiter darauf, dass sie ihre Schulden nicht wirklich zurückzahlen müssen ... während die Konsumentenpreise sinken und gut bezahlte Jobs selten werden – wie in Japan vor 10 Jahren.

      Ich weiß nicht, was passieren wird ... aber, bevor alles vorüber ist, könnte ich mir vorstellen, dass die armen Kleinanleger sich wünschen werden, dass sie zu Kursen unter 400 Dollar Gold gekauft hätten. Mein Kollege Addison Wiggin ist, wie ich höre, in Urlaub. Auf dem Land, in Frankreich. Deshalb geht es direkt weiter mit einem Artikel von mir:

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      Sternenhimmel

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      *** Die japanische Volkswirtschaft wächst derzeit mit einer aufs Jahr hochgerechneten Wachstumsrate von 7 % – das ist schneller als je zuvor seit Beginn des japanischen Abschwungs im Jahr 1990. Ist das jetzt eine reale Erholung? Vielleicht.

      *** Die "finanzielle Wirtschaft" (im Gegensatz zur realen Volkswirtschaft) ist "schrecklich überbewertet", so Dan Ferris: "Nach 11 Monaten Bullenmarkt werden die Schnäppchen knapp."

      Selbst Warren Buffett, der König des "Value Investing", kann an den US-Börsen nichts mehr finden, in das man investieren sollte. Nur ein einziges Mal war das bei ihm schon einmal der Fall gewesen:"

      "1968", so Dan Ferris, "gewann der Fonds von Warren Buffett 40 Millionen Dollar, oder 59 % ( ...). Nach einem solchen Jahr würde ein heutiger Fondsmanager eine ganzseitige Anzeige im Wall Street Journal schalten. Er würde mit seinen Ergebnissen prahlen ... und versuchen, mehr Kapital zu erhalten ... wodurch er mehr Gebühren erhalten würde."

      "Nicht so Warren Buffet. Er ließ wissen, dass eine solche Performance `wie eine Ausnahme behandelt` werden sollte, wie eine Jahrhundertflut."

      "Das ist der Unterschied zwischen Value-Investoren und allen anderen. Alle anderen lieben Aktien, wenn diese steigen. Sie kaufen mehr, und fühlen sich plötzlich wie Finanzgenies. Value-Investoren hingegen nehmen ihre Gewinne mit und warten darauf, dass die Aktien wieder billig werden."

      "Und genau das tun die großen Value-Investoren unserer Zeit im Moment."

      *** Wie angenehm. Nach Monaten im kalten, grauen Europa ... lag ich gestern Nacht am Pool (ich bin derzeit in Nicaragua) und bewunderte den Sternenhimmel.

      "Ich wusste nicht, dass es so viele Sterne gibt", sagte mein Sohn Henry. Es gab blaue und rote Sterne. Kleine, die man kaum erkennen konnte, und große, die hell leuchteten. Ich brauchte noch nicht einmal meine Lesebrille, um die zu erkennen.

      Aber warum sage ich Ihnen das, liebe(r) Leser(in)? Vielleicht haben Sie selbst schon einmal einen solchen Sternenhimmel gesehen. Dennoch – als ich letzte Nacht gen Himmel sah, da fühlte ich mich so, als ob ich diesen Anblick vergessen hatte. Die Sterne müssen die ganze Zeit da gewesen sein ... aber mir war es nicht aufgefallen. Stattdessen füllte ich meine Tage und meinen Kopf mit dem Punktestand des Dow Jones, mit Schlagzeilen, Hausarbeit und Fahrten zum Bäcker. Ich vergaß, dass wir unter Sternen leben.

      "Ist das der große Wagen? Das muss doch der Mars sein ... oder die Venus?" Mein Sohn stellte mir fragen, die ich nicht beantworten konnte. Deshalb wechselte ich schnell das Gesprächsthema:

      "Schau mal, da hinten ... das ist die Milchstraße", sagte ich zuversichtlich. "Und einige dieser Sterne sind tot. Sie sind so weit entfernt, dass es Millionen Jahre brauchen kann, bis ihr Licht uns erreicht. Also ist das, was Du siehst, vielleicht ein Stern, der schon vor einer Million Jahre verglüht ist."

      "Das war dann ja bevor ich überhaupt geboren wurde", so mein zweiter Sohn Edward, der 10 Jahre alt ist.

      "Moment Mal, Dad", sagte Henry. "Wenn man vor einer Million Jahre an den Himmel gesehen hätte, dann hätte man nicht das gesehen, was man jetzt sieht. Man hätte gesehen, wie die Sterne damals dann noch eine Million Jahre früher ausgesehen hätten. Vielleicht hätte man nichts gesehen, weil die Sterne noch gar nicht geboren worden waren. Man kann nur das sehen, was man im Hier und Jetzt sieht. Also das, was man sieht, ist, wie die Sterne hier und jetzt aussehen ... und nicht das, wie sie vor einer Million Jahre ausgesehen haben. Richtig?"

      "Henry, hast Du kein Buch, das Du lesen kannst?"

      ------------

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 21:07:08
      Beitrag Nr. 1.407 ()
      Inland
      Tilo Gräser

      »Reform« bedroht Gesundheit

      Studie der Hans-Böckler-Stiftung zu Problemen und Folgen der Streichung von Krankenkassenleistungen


      Vor den Folgen des Abbaus von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) warnten Ökonomen am Mittwoch in Berlin. Sie hatten im Auftrag der DGB-eigenen Hans-Böckler-Stiftung Probleme und Wirkungen des neuen GKV-Leistungskatalogs untersucht und stellten eine zweiteilige Studie dazu vor. Die langfristigen Folgen und Kosten werden bei dem Abbau im Zuge der sogenannten Gesundheitsreform nicht beachtet, kritisierte Axel Olaf Kern von der Universität Augsburg. Der Leistungsabbau mit dem verkündeten Ziel, zu sparen und den Beitragssatz zu stabilisieren, führe zu »gesundheitlich und sozialpolitisch unerwünschten Folgewirkungen«, heißt es in der Studie. Vor allem die Gesundheit sozial schwacher Schichten sei bedroht, so der Wissenschaftler.

      Die sogenannte Gesundheitsreform der Bundesregierung bedeutet seit diesem Jahr mehr Zuzahlungen, Sonderbeiträge und Leistungskürzungen. Neben der Praxisgebühr ist nun wesentlich mehr für Medikamente und Krankenhausaufenthalte zu zahlen. Ab nächstem Jahr wird der Zahnersatz nicht mehr von den Krankenkassen übernommen und muß privat versichert werden. Die sogenannten versicherungsfremden Leistungen wie Mutterschaftsgeld, Kinderkrankengeld oder Verhütung für junge Frauen sollen steuerfinanziert werden, während Entbindungs- und Sterbegeld wegfielen ebenso wie etwa der Zuschuß zu Sehhilfen. Angeblich soll das alles zum Wohl der Patienten geschehen, wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) behauptet. Das System der GKV solle so bezahlbar bleiben – für die Unternehmer wohlgemerkt. Die werden ab 2006 ausdrücklich von ihrem Anteil zur Finanzierung des Krankengeldes »entlastet«. Die Versicherten haben dafür einen Sonderbeitrag in Höhe von 0,5 Prozent zu leisten.

      Wissenschaftler Kern machte am Beispiel des Zahnersatzes auf die Folgen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes aufmerksam. Anhand von Untersuchungen aus den USA verwies er auf den Zusammenhang zwischen dem Zustand des Gebisses und dem allgemeinen Gesundheitszustand. Eine schlechte zahnärztliche Versorgung führe nachweislich zu einer schlechteren Gesundheit bei den Betroffenen. So entstünden Folgekosten, die vom GKV-System zu tragen wären und die erhofften Einspareffekte nicht eintreten ließen.

      Kern verwies auf die verschiedenen Faktoren, welche den Gesundheitszustand beeinflussen. Das reiche von der sozialen und der Einkommensstruktur über die Umweltbelastung bis hin zum Niveau der Gesundheitsleistungen. Der Wissenschaftler kritisiert in der Studie, daß die Folgen von Leistungskürzungen und -streichungen bei der Krankenversicherung »nie tatsächlich untersucht oder auch nur detailliert diskutiert« worden sind. Die angestrebten kurzfristigen Einspareffekte würden »zwangsläufig mit erheblichen und unerwünschten Belastungen für die Versicherten einhergehen«.

      Die Studie macht erneut darauf aufmerksam, daß die Finanzierungsprobleme der GKV »nicht ausschließlich ... Folge zu hoher Gesundheitsausgaben« sind. Sie entstünden »zu einem wesentlichen Teil durch eine verringerte Einnahmenbasis« wegen steigender Arbeitslosigkeit und der wachsenden Zahl von Rentnern. Kern kritisiert mit den anderen Autoren den Leistungsabbau im Bereich von Früherkennung und Vorsorge.

      Die Wissenschaftler fordern, Nutzen und Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen zu überprüfen, was bisher nicht geschehen sei. Die Wirkung der »Reform« auf die Einkommenslage müsse untersucht werden. Zugleich müßten die privaten Versicherungsangebote für alle vorhanden und bezahlbar sein. Ebenso sollten bisher fehlende gesellschaftliche Ziele für die GKV und das Gesundheitssystem definiert werden. Leistungskürzungen oder -abbau dürften nicht die Qualität des Gesamtsystems bedrohen. Entscheidungsprozesse und Informationen sollten für die Betroffenen endlich transparent und nachvollziehbar sein.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-26/011.php
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      schrieb am 25.02.04 21:13:49
      Beitrag Nr. 1.408 ()
      EU und direkte Demokratie - mehr als ein Widerspruch?
      Zur Debatte um die EU und die Schweiz



      Der im Dezember 2003 gewählte Schweizer Bundesrat hat bekanntermassen sein seit 1992 ruhendes EU-Beitrittsgesuch nicht zurückgezogen. Doch distanziert sich der neue Bundesrat deutlicher als bisher von sofortigen Beitrittsverhandlungen. Doch diese Haltung ist nicht neu - seit der klaren Ablehnung der Initiative «Ja zu Europa» im März 2001 bemüht sich der Bundesrat um Schadensbegrenzung. Die offene Absicht, der EU beizutreten, hat sich seither hinter Sprachregelungen zurückgezogen, die da lauten «zurzeit sei der Beitritt kein Thema», was nicht darüber hinwegtäuschen mag, dass man auf Jahre und Jahrzehnte hinaus auf einen Beitritt hinarbeitet («strategisches Ziel»). In der lesenswerten Broschüre «Die gezielte Zerstörung unserer direkten Demokratie und unseres Wohlstandes» (August 2003) belegt Nationalrat Luzi Stamm1 diese Strategie mit einer Fülle von Beispielen. Dabei zeigt er auf, wie auf verschiedenen Ebenen der Politik - etwa in der Verkehrspolitik, in der Agrarpolitik usw. - eine undeklarierte Annäherung an die EU verfolgt wird, um den späteren Beitritt zu vereinfachen.

      thk./rt. Als grösstes Hindernis eines Aufgehens der Schweiz in der EU bezeichnet Stamm die direkte Demokratie der Schweiz und deren Unvereinbarkeit mit dem zentralistischen System der EU. Er bringt es auf den Punkt: «Für ein übergeordnetes Gebilde wie die EU, das für seine Mitgliedsländer verbindliche Vorschriften erlässt, ist unsere direkte Demokratie wie eine Faust aufs Auge. Die EU wird niemals tolerieren können, dass in einem Mitgliedsstaat 100000 Bürgerinnen und Bürger zu jedem Thema Unterschriften sammeln und - wenn an der Urne eine Mehrheit zusammen kommt - eine abweichende Lösung durchsetzen können.»

      Völlig anders dagegen die Argumentation von Andreas Gross und Bruno Kaufmann in ihren kürzlich veröffentlichten ganzseitigen Artikeln «Direkte Demokratie im Aufwind» in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 18. Februar.2 Für sie bedeuten EU und direkte Demokratie kein Widerspruch. Im Gegenteil. Sie vertreten die These, dass unter dem irischen bzw. dem niederländischen Ratsvorsitz in diesem Jahr «mit einem Schub für die direkte Demokratie zu rechnen» sei. Dabei nennen die Autoren die Volksabstimmungen zum neuen EU-Vertrag in einigen wenigen Staaten (Irland, Dänemark, Lettland) als Indizien für ihre Aussage, aber auch den Artikel 46.4. der momentan auf Eis gelegten EU-Verfassung, der eine Art Initiativrecht der EU-Bevölkerung enthält. Sie sehen in diesen Anzeichen «das Potential, den europäischen Einigungsprozess nicht einfach nur `bürgernäher`, sondern diesen zum Anlass einer breiten europäischen Demokratiebewegung zu machen»; dabei verweisen die Autoren auf die Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts, insbesondere auf die in der Schweiz.

      Man kann sich den Autoren nur anschliessen, der EU mehr Demokratie zu wünschen und erst recht mehr direkte Demokratie. In ihrem Anspruch, EU und direkte Demokratie zusammenzubringen, bleiben sie dem Leser jedoch eine plausible Erklärung schuldig. Die Vorstellung, dass ein riesiges Gebilde wie die zentralistisch regierte EU mit ein paar direktdemokratischen Elementen demokratischer würde, zeigt, welches Verständnis hinter ihrer Auffassung von Demokratie steht.

      Das Wesentliche einer Demokratie ist in der aktiven Mitgestaltung des gesellschaftlichen und politischen Lebens - von unten (Gemeinde) nach oben (Bund) - durch die Staatsbürger begründet und nicht in einer irgendwie gestalteten Mitbestimmung, die bei der riesigen Anzahl von 400 Millionen Bürgern nur sehr geringe Wirkung entfalten kann. Gerade das Schweizer Modell der direkten Demokratie und des Föderalismus mit seinem Herzstück, der Gemeindeautonomie, die auf dem Prinzip der Subsidiarität basiert, zeigt, dass die Demokratie in kleinräumigen und überschaubaren Einheiten am besten und effizientesten funktioniert. Die EU selbst hat ihr Demokratiedefizit oft genug ausführlich beklagt und zur Besserung gemahnt - leider ist es bis heute dabei geblieben. Was die Respektierung von Volksentscheiden in der EU betrifft, sei an die Abstimmung in Irland über den EU-Vertrag von Nizza im Jahre 2001 erinnert. Der Vertrag wurde vom irischen Souverän verworfen, worauf aus Brüssel eine zweite Abstimmung verlangt wurde, weil die Iren den Vertrag offensichtlich nicht verstanden hätten. Nach PR-Teppichen aus Brüssel stimmten die Iren beim zweiten Mal «richtig»!

      Bei ihrer Grösse und Struktur wird es schwer möglich sein, ein sinnvolles und taugliches direktdemokratisches System zu entwickeln, in dem der einzelne Bürger das höchste Mass an Mitbestimmung besitzt, wie es in der Schweiz gegeben ist. Im Gegenteil, in der EU schälen sich immer deutlicher autokratisch-diktatorische Züge heraus. Von «direktdemokratischen Elementen» kann dabei längst keine Rede sein, geht es doch erst einmal um die grundsätzliche Frage, ob die EU überhaupt die Mindestanforderungen einer Demokratie (zum Beispiel Gewaltenteilung) erfüllt.

      Vor diesem Hintergrund erscheint die Argumentation im Artikel von Andreas Gross und Bruno Kaufmann um so widersprüchlicher. Offenbleibt, was die beiden Autoren damit erreichen wollen. Möchten sie der EU die direkte Demokratie näherbringen oder die Schweiz für die EU einstimmen?

      1 Der ehemalige FDP-Nationalrat Luzi Stamm, Rechtsanwalt und Ökonom, ist heute Nationalrat der SVP. Weitere Stellungnahmen zu diesem Thema können der Homepage www.luzi-stamm.ch entnommen werden.

      2 Der ehemalige GSoA-Aktivist und heutige SP-Nationalrat und Europarat Andreas Gross arbeitet heute als Politikwissenschafter. Bruno Kaufmann ist Journalist und Konfliktforscher in Stockholm. Beide sind Mitbegründer des «Europäischen Institutes für Initiativen und Referenden» (IRI Europe) in Amsterdam.


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      Warum sind die Österreicher von der EU enttäuscht?
      Zur neuen EU-Barometer-Umfrage

      Laut neuester EU-Barometer-Umfrage sehen die Österreicher derzeit bei ihren wichtigsten Anliegen keine positive Rolle der Europäischen Union.


      lb. Jedes halbe Jahr beauftragt die Europäische Kommission in allen EU-Staaten Meinungsforschungsinstitute, um die Stimmung gegenüber der EU und ihren aktuellen Vorhaben zu erheben. Die Auswertung der jüngsten dieser «Eurobarometer»- Umfragen für Österreich wurde am 13. Februar vom Meinungsforschungsinstitut Fessel-GfK der Öffentlichkeit vorgestellt. 1000 Österreicherinnen und Österreicher wurden im Herbst 2003 zu wichtigen EU-relevanten Themen befragt. Das Ergebnis zeigt ein ernüchterndes Bild.

      Nur 35% halten EU-Mitgliedschaft für «eine gute Sache»
      Nur noch 35% der Befragten sind der Meinung, dass die Mitgliedschaft Österreichs in der EU «eine gute Sache» ist (42%: weder gut noch schlecht, 20%: schlechte Sache). 40% sehen in der EU-Mitgliedschaft insgesamt einen Vorteil, 45% einen Nachteil für Österreich. Würde die Europäische Union heute ihr Scheitern bekanntgeben, würde das 36% gleichgültig lassen, 18% wären darüber sehr erleichtert, 34% würden es sehr bedauern (13% keine Angabe).

      Grundsätzlich positiv stehen die Österreicher dem Projekt einer EU-Verfassung gegenüber: 64% sind der Meinung, dass die Europäische Union eine Verfassung haben sollte. Die Meinung gegenüber dem konkret vorliegenden Verfassungsentwurf wurde jedoch nicht erhoben.

      Vetorecht muss bleiben
      Nach Ansicht von 62% der Befragten sollte ein nationales Vetorecht bei wichtigen und heiklen Entscheidungen beibehalten werden. Die Österreicher zählen somit zu den stärksten Befürwortern des Vetorechts, wobei es in keinem der Mitgliedsstaaten eine Mehrheit für dessen Abschaffung gibt.

      Wünsche an die EU: Arbeit, Frieden und Armutsbekämpfung
      Bei den inhaltlichen Wünschen beziehungsweise Forderungen an die EU steht der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ganz oben vor der Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in Europa, dem Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung, dem Kampf gegen Terrorismus, Organisierte Kriminaliät und Drogenhandel, Qualitätsgarantien für Nahrungsmittel und dem Kampf gegen illegale Einwanderung. Hoher Stellenwert kommt auch der Sicherstellung der Rechte des einzelnen und der Achtung demokratischer Prinzipien in Europa sowie dem Konsumentenschutz und Qualitätsgarantien für andere Produkte zu.

      Genau bei diesen Anliegen sind die befragten Österreicher allerdings der Ansicht, dass die EU bisher eine negative Rolle spielt: 47% meinen, dass die EU im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit bisher eine negative Rolle gespielt hat, ebenso im Kampf gegen die Kriminalität.

      Nationale Identität
      In der nahen Zukunft sehen sich 46% der Österreicher nur als Österreicher, 43% als Österreicher und Europäer, 7% als Europäer und Österreicher und 3% nur als Europäer. Am stärksten fühlen sich die Österreicher mit dem Dorf/der Stadt, in der sie wohnen, verbunden (65% sehr verbunden), vor Österreich und ihrer Region (jeweils 58%). Die Verbundenheit mit Europa wird mit 23% angegeben.

      EU-Erweiterung: Nur 19% Zustimmung
      In der Prioritätenliste der Wünsche an die EU rangiert die Aufnahme neuer Mitglieder für die Österreicher an letzter Stelle. Nur 19% sprechen sich für eine Erweiterung um alle EU-Kandidaten aus, 43% sind für die Aufnahme einiger Länder.

      Zustimmung der Bevölkerung fast so gering wie zur Zeit der Sanktionen
      Die Zustimmung der Österreicher zur Europäischen Union hatte zur Zeit der EU-Sanktionen im Jahr 2000 einen Tiefpunkt erreicht und sich in den Jahren 2001 und 2002 wieder etwas erholt. Laut der nun präsentierten Studie nähert sich die EU-Skepsis der Bevölkerung wieder dem Sanktionsniveau. Der Leiter des Fessel-GfK-Meinungsforschungsinstituts, das die Umfrage in Österreich durchführte, glaubt auch vorerst an keinen Umschwung dieser kritischen Stimmung. Die Gründe sieht er hauptsächlich in einer deutlicher werdenden Schlechterstellung der kleinen Mitgliedstaaten und in für Österreich negativen Entscheidungen, wie etwa in der Transitfrage.



      Artikel 4: Zeit-Fragen Nr.7 vom 23.2.2004, letzte Änderung am 25.2.2004
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 21:20:02
      Beitrag Nr. 1.409 ()
      Verdacht auf
      Rechtsbeugung
      - wie der BGH gegen den Verbraucherschutz zu Felde zieht


      Autor: Christoph Arnowski

      So wie dem Krankenpfleger Hans Mühlbauer im Dezember erging es bereits Tausenden in Deutschland. Im Dezember 1994 ließ er sich am Wohnzimmertisch dazu überreden, für damals 455.000 Mark (233.000 Euro) eine Wohnung in Berlin zu kaufen. Der Wohnungsvermittler, der Familie Mühlbauer vom Vorsitzenden ihrer Gewerkschaft als Berater für die Altersvorsorge empfohlen wurde, verschwieg, dass es sich dabei um eine quasi wertlose Schrottimmobile handelte. Den Kauf konnte sich das Ehepaar nur über eine Kreditfinanzierung leisten. Doch auch die Bank wies sie nicht auf die Unseriosität des Angebots hin. Der zuständigen Bankangestellte bekam vom Wohnungsvermittler für sein Schweigen Schmiergeld - eine kriminelle Zusammenarbeit, für die der Bankangestellte nach dem Auffliegen des Betrugs zwei Jahre auf Bewährung bekam.

      BGH spricht Bank von Haftung frei
      Wer glaubt, dass die Bank wegen der erwiesene Zusammenarbeit ihres Mitarbeiters mit dem betrügerischen Vermittler für das Geschäft haften müsse, täuscht sich freilich. Im Zivilprozess nahm das Landesgericht München die Bestechung gar nicht zur Kenntnis, es gab nicht einmal eine Beweisaufnahme. In Parallelfällen verweigerte auch das Oberlandesgericht (OLG) München die Beweisaufnahme. Der Anwalt hoffte, dass diese Entscheidungen durch das oberste deutsche Gerichtshof aufgehoben würde. Doch der BGH ließ die Revision nicht zu. Für den Rechtsanwalt setzt sich der BGH damit dem Verdacht der Rechtsbeugung aus.

      BGH-Richter offenbart sich auf Banken-Seminar
      Ähnlich äußert sich der Göttinger Rechtsanwalt Reiner Fuellmich, der ungefähr 6500 ähnlich gelagerte Fälle vertritt und in den unteren Instanzen etliche Prozesse gegen die Banken gewonnen hat, unter anderem 3 Fälle vor dem OLG Bamberg. Doch all diese Urteile kassierte der BGH. Einen möglichen Hinweis für die bankenfreundliche Rechtssprechung des BGH erfuhr Fuellmich erst später. Im Mai 2001 fand in einem Potsdamer Hotel ein Seminar der Fachzeitschrift "Wertpapiermitteilungen"(WM) statt, zu deren Herausgebern die Interessengemeinschaft Frankfurter Kreditinstitute gehört. Anwesend waren als bezahlte Referenten auch der Vorsitzende des 11. BGH-Senats (Bankenrechtssenat) Gerd Nobbe und ein weiterer BGH-Richter, der laut eidesstattlicher Versicherung einer Teilnehmerin die verbraucherfreundliche Urteile des OLG Bamberg wie folgt kommentierte: "Das OLG hat sich den Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben". Und weiter: "Wir müssen diesem Spuk endlich mal ein Ende machen." Tatsächlich hob der BGH-Senat wenige Wochen später die OLG-Entscheidungen auf. In einer dienstlichen Stellungnahme bestritten sie die Äußerung und jede Befangenheit.

      Experten und Rechtswissenschaft üben Kritik an BGH
      Rechtsanwalt Egon Schneider, der als Grandseigneur der deutschen Zivilprozessordnung gilt, machen die BGH-Entscheidungen des BGH-Senats fassungslos: "Es bleibt für mich nur der Schluss. Entweder sind ihm diese Umstände nicht bekannt gewesen, und er hat sich nicht die Mühe gemacht, sich kundig zu machen. Dann ist dies fahrlässig und auch pflichtwidrig. Oder es war ihm bekannt, und er hat es bewusst unterschlagen, nämlich keine Begründung dazu gegeben und in der Begründung nicht erwähnt. Dann bleibt nur der Schluss übrig, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Das ist die erste Stufe der Rechtsbeugung."

      Auch die Rechtswissenschaft übt in den letzten Monaten immer lauter werdende Kritik am BGH-Senat. Professor Peter Derleder von der Uni Bremen kann sich dem Eindruck nicht verschließen, "dass wir an einem Punkt angekommen sind, wo man von Unrecht aus Karlsruhe sprechen muss."

      BGH hüllt sich in Schweigen
      Unrecht aus Karlsruhe. Trotz mehrfacher Anfrage von [plusminus schwieg der Bundesgerichtshof zu den schweren Vorwürfen - der Vorsitzende des 11. Zivilsenats Nobbe ebenso wie sein Stellvertreter, der es 1999 in einem Aufsatz als wünschenswert bezeichnet hatte, "der legislativen Hydra des Verbraucherschutzes (...) einige besonders hässliche Köpfe abzuschlagen".

      EU-Kommission fordert Neuverhandlung vor Europäischen Gerichtshof
      Vor wenigen Tagen ging nun auch EU-Kommission mit dem BGH ungewöhnlich scharf ins Gericht und schrieb an den Europäischen Gerichtshof, dass es "der BGH (...) an der notwendigen objektiven und vollständigen Analyse und Bewertung aller sachlichen und rechtlichen Umstände hat fehlen lassen." Die Kommission fordert deshalb, dies vor dem Europäischen Gerichtshof im Eilverfahren nachzuholen. Wie das Ehepaar Mühlbauer hoffen darauf auch Tausende Besitzer von Schrottimmobilien, die den Glauben an Gerechtigkeit in Deutschland schon beinahe aufgegeben hatten.




      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 24.02.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www3.mdr.de/plusminus/240204/immobilienbetrug.html
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 21:24:23
      Beitrag Nr. 1.410 ()
      Händlergewährleistung
      - womit Kunden bei Reklamationen rechnen müssen


      Autoren: Stephanie Schuler
      Natalie Prinz

      Egal ob kleine oder große Elektrogeräte, ob billig oder teuer - der Verbraucher möchte, dass die Ware funktioniert. Häufig treten die ersten Defekte aber erst nach einer gewissen Zeit auf. Hier soll eigentlich die seit 2002 gültige, auf zwei Jahre verlängerte Gewährleistungspflicht die Rechte der Verbraucher gegenüber dem Händler wahren. Diese Gewährleistungspflicht bedeutet: Tritt ein Mangel während des ersten halben Jahres nach dem Kauf ein, muss der Händler nachweisen, dass das Produkt beim Verkauf fehlerfrei war. Tritt der Mangel später auf, muss der Kunde nachweisen, dass der beanstandete Defekt bereits beim Kauf vorhanden war - in der Praxis ist dieser Nachweis nur schwer möglich.

      [plusminus will deshalb wissen, was diese Beweispflicht der Verbraucher in der Praxis bedeutet und begleitet Kunden bei den Versuchen, ihre defekten Elektrogeräte zu reklamieren.

      Esther ist unsere erste Testerin: Sie hat im April vergangenen Jahres einen Drucker gekauft, bei dem nun seit geraumer Zeit der Blatteinzug defekt ist. Sie will ihn kostenlos reparieren lassen. Doch der Händler räumt Esther wenig Chancen ein. Sie könne ja nicht beweisen, dass der Schaden ohne ihre Schuld aufgetreten ist. Und da Esther diesen Nachweis tatsächlich nicht erbringen kann, wird sie erst einmal abgewimmelt. Das neue Gewährleistungsrecht hilft hier also nicht ohne eine längere Auseinandersetzung mit dem Händler.

      Eigenes Unverschulden ausschlaggebend
      Kaum anders ergeht es unserer zweiten Test-Kundin Melanie. Ihr Problem: Als sie einen Monitor an ihren Computer anschloss, brannte dessen Netzteil durch. Nach Angaben der Hersteller hätte das Anschließen aber keine Problem machen dürfen. Offenbar ein eindeutiger Produktionsfehler am Monitor, da andere Geräte einwandfrei mit dem betreffenden Computer funktionierten. Das sieht der Verkäufer jedoch anders. Melanie könne nicht nachweisen, dass der Monitor oder seine Bauteile fehlerhaft hergestellt worden sind. Doch damit will sich Melanie nicht zufrieden geben und verweist auf eine Werkstatt, die das doch herausfinden könne. Doch der Händler muss sie enttäuschen: "Das kann keine Werkstatt. Eine Werkstatt kann immer nur den Zustand des Gerätes jetzt ermitteln. Aber wann der Schaden eigentlich entstanden ist - das kann keine Werkstatt."
      Auch hier das Fazit: Ohne Streit mit dem Händler wird Melanie nicht zu ihrem Recht kommen.

      Für Jürgen Schröder von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zeigt Melanies Fall genau den Punkt, an dem das geltende Recht auf Gewährleistung wirkungslos bleibt: "Das ist also etwas völlig Unmögliches. Wenn der Händler es nicht beweisen kann und der Hersteller nicht, wie soll es dann der Verbraucher können? Das zeigt also, dass da etwas Unmögliches vom Verbraucher verlangt wird, und darauf können sich die Händler einfach nicht rausreden."

      Erfreuliche Ausnahme im Supermarkt
      Unsere dritte Testerin hat schon mehr Erfolg als ihre beiden Vorgängerinnen. Eva hat ihren Staubsauger aus dem Supermarkt, ein günstiges Schnäppchen. Gerade im Niedrigpreis-Segment wissen die Händler, dass sich größere Streitereien für den Kunden nicht lohnen. Und sollte es doch zu einer Reklamation kommen, erstatten die Discounter ohne große Rückfragen den Kaufpreis. In Evas Fall verweigert der Händler die Reparatur, was er nach der Rechtslage auch darf. Die Gewährleistung kann auf dreierlei Wegen gewährt werden: Zunächst muss der Kunde Nachbesserungen und Reparaturversuche dulden. Erst wenn diese Versuche fehlschlagen, kann der Kunde eine Preisminderung verlangen oder gänzlich vom Vertrag zurücktreten. Dann muss der Kaufpreis erstattet werden.

      Unmöglichkeit des Nachweises
      Eva sollte aber offenbar die große Ausnahme in unserem Test sein. Denn auch unser vierter Tester, Goyco, hatte kein Erfolg bei seinem Händler. Sein Notebook hat seit dem Kauf einen Schaden im Display, dennoch funktionierte der Taschen-PC mit geringen Einschränkungen einwandfrei. Plötzlich aber wollte der tragbare Computer überhaupt nicht mehr. Nach längerem "Hin und Her" versichert der Händler unserem Kunden, dass es einfach unmöglich sei nachzuweisen, dass der Schaden unverschuldet aufgetreten sei. Eine Gewährleistungspflicht stritt der Händler deshalb ab. Auch wird der Kunde wohl nur durch eine juristische Auseinandersetzung zu seinem Recht auf Nachbesserung oder Tausch des defekten Gerätes kommt.

      Fazit
      Unsere Stichprobe fällt für den Verbraucher ernüchternd aus. Obwohl ein eigenes Verschulden unserer Tester nahezu ausgeschlossen ist, konnte nur in einem Fall der Anspruch auf Gewährleistung auch geltend gemacht werden. Für den Juristen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Jürgen Schröder, hat der Kunde nach Ablauf des Sechs-Monats-Frist praktisch keine Rechte: "Nach der derzeitigen Praxis im Handel kann ich nur sagen: Die Rechte des Verbrauchers stehen nur auf dem Papier, das steht im Gesetz, aber in der Praxis werden sie leider nicht ernst genommen. Wir haben jetzt genau die Rechtslage, die es vor der Schuldrechtsmodernisierung auch schon gab, die bis Ende des Jahres 2001 galt. Und das bedeutet, der Verbraucher hat nur ein halbes Jahr Gewährleistung"

      Justizministerium sieht keinen Handlungsbedarf
      Abschließend fragt [plusminus bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nach, ob sie die derzeitigen Rechtslage für ausreichend hält: "Ich halte eine Nachbesserung nicht für erforderlich. Ich glaube, dass wir mit dieser sechsmonatigen Frist der Beweislastumkehr einen guten Interessensausgleich gefunden haben, zwischen Käufern und Verkäufern. Denn jeder Käufer muss sich auch klar machen, dass, je länger diese Fristen gelten, die Sachen umso teurer werden, da die Händler die erweiterten Ansprüche auch umlegen auf den Preis der Ware. Und das glaube ich, kann im Ergebnis nicht viel nützen. Der Kunde zahlt am Ende so oder so einen hohen Preis für sein gutes Recht.




      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 24.02.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www3.mdr.de/plusminus/240204/gewaehrleistung.html
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 21:32:35
      Beitrag Nr. 1.411 ()
      Der neue Dialer-Betrug
      - wie ein Hamburger Unternehmen auf die Leichtgläubigkeit der Menschen setzt


      Autor: Nicolas Peerenboom

      Normalerweise sorgt Sabine Schlaipfer aus Appenheim für Recht und Ordnung. Doch diesmal ist die Polizistin und ihre Familie selbst Opfer einer dreisten Masche im Internet geworden. Schlaipfers Vater bekam Anfang Januar eine Rechnung ins Haus geschickt, mit der Aufforderung zur Zahlung von 69,95 Euro an die Hanseatische Abrechungssysteme. Angeblich hätte er einen Erotikdienst im Internet genutzt. Die Internetadresse lautet www.4netmedia.com/24hrs/ und bietet Erotisches. "Aber mein Vater hat gar keinen Computer und kann demzufolge gar nicht ins Internet.", erklärt Sabine Schlaipfer. Der Rechner steht nämlich bei ihr im Haus und wird nur von ihr und ihrem Freund Manfred Wradzilo genutzt. Dass dennoch Vater Franz die Rechnung bekam, ist leicht erklärt. Die Familie hat einen gemeinsamen Telefonanschluß, aber nur der Vater steht im Telefonbuch. So wie bei ihrem Vater flatterten in den vergangenen Wochen bei mehr als 100.000 Bundesbürgern Rechnungen der Hanseatischen Abrechnungssysteme GmbH ins Haus, angeblich für die Nutzung des besagten Erotikdienstes.
      "Ich wollte meiner Freundin einen Virenschutz installieren und bin dabei auch im Internet unterwegs gewesen. Dabei muss ich mir so einen Dialer eingefangen haben. Wo weiß ich nicht, und was der macht auch nicht.", erklärt Lebensgefährte Manfred Wradzilo ratlos. [plusminus hat eine Erklärung gefunden.

      So funktioniert der neue Dialer-Trick

      Der Name des Dialers
      Schlaipfer ist mit einem neuen Dialer-Trick reingelegt worden. Alle Sperren gegen teure 0190-Nummern und alle Schutzbestimmungen gegen Internetdialer werden damit ausgehebelt bzw. umgangen. Während Lebensgefährte Manfred Wradzilo im Internet war, hat er sich ohne es zu merken auf irgendeiner Seite ein kleines Telefonwählprogramm mit dem Namen st-olb00005.exe auf den Rechner geladen. Die Nummer am Ende des Dateinamens kann variieren. [plusminus sind auch folgende Dialernamen bekannt: st-olb00001 und st-olb00048.

      Wirkungsweise des Dialers
      Dieses Programm befiehlt dem Rechner, die bestehende Verbindung ins Internet zu unterbrechen und eine neue Verbindung zu einer Festnetznummer in Frankfurt aufzubauen. Die Nummer lautet 069-42726998 und gehört einem Anbieter von Internetdiensten, der Firma PGmedia GmbH in Oberursel bei Frankfurt. Während die Verbindung steht, passiert zweierlei:

      Zum einen wird die Telefonnummer des Anschlussinhabers, in unserem Fall die von Familie Schlaipfer, an die PGMedia übertragen. Und dann wählt der Dialer über diese Frankfurter Nummer gezielt einen kostenpflichtigen Internet-Erotikdienst mit der Webadresse www.4netmediaXXX an. Dabei werden die Adresse und die Inhalte der Einstiegsseite auf den Rechner des Dialer-Opfers übertragen. Die gesamte Aktion dauert höchstens zwei Minuten. Dann wird diese Verbindung unterbrochen.

      Von der Nummer zur Adresse
      Die Firma PGmedia reicht die Anschlussnummern der Dialer-Opfer an ihren Kunden, die englische Firma DWM Ltd. (Digital Web Media Ltd.) weiter. Angeblich soll die DWM Ltd. Anbieter der kostenpflichtigen Erotikseite www.4netmediaXXX sein. Mit Hilfe der Telefonnummer kann die DWM ganz einfach auf die Adresse des Anschlussinhabers schließen, sofern dieser in einem öffentlichen Telefonverzeichnis steht.

      Von der Adresse zur Rechnung
      Die Rechnungen, die den Dialeropfern präsentiert werden, kommen aus Hamburg von der Firma Hanseatische Abrechnungssysteme GmbH, kurz HAS. Auf Nachfrage erzählt uns ihr Geschäftsführer Matthias Meidow, die HAS sei nur für das Erstellen, Versenden und Inkasso der 69,95 Euro zuständig. Und zwar im Auftrage der englischen Firma DWM Ltd, von der die HAS auch die Adressen der Rechnungsempfänger bekäme.

      Wie fängt man sich den Dialer ein?
      Der Dialer versteckt sich hinter Werbebannern auf irgendwelchen Internetseiten. Ein Klick auf einen solchen Werbebanner, schon wird der Dialer ausgeführt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er in Erotikportalen auf seine Opfer lauert. Erotikportale verweisen auf irgendwelche Erotikangebote im Internet. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Dialer auch auf erotikfreien Internetseiten platziert wurde. Bei den Polizeidienststellen und Verbraucher-Zentralen haben sich besonders viele Internetsurfer beschwert, die über AOL oder über Freenet ins Internet gehen. Bei unseren Dreharbeiten stellten wir fest, dass beim Anbieter "Freenet" tatsächlich ein Link auf ein Erotikportal bestand, auf dessen Seite der Dialer versteckt ist.

      Achtung Täuschung!
      Während unserer Recherchen stoßen wir auf scheinbar widersprüchliche Informationen: Sowohl die HAS als auch die PGmedia weisen darauf hin, dass der Dialer doch völlig korrekt sei und sowohl den Preis als auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) darstelle. Erst wenn man diesen zugestimmt habe, könne eine Einwahl auf die Frankfurter Nummer erfolgen. Und in der Tat: Wer das Dialerprogramm st-olb000XX.exe isoliert ausführt, dem werden die AGB´s und der Preis angezeigt. Wir wollten aber auch wissen: Wie verhält sich der Dialer im Internet? Also eingebunden in irgendeine Webseite. Und siehe da: Der Dialer versteckt sich hinter Werbebannern, wird komplett im Hintergrund ausgeführt. An keiner Stelle tauchen Geschäftsbedingungen und Preise oder gar die Frankfurter Festnetznummer auf. So wird auch verständlich, warum so viele Dialeropfer nicht wissen, wann und wo sie sich den Dialer eingefangen haben.


      Die DWM Ltd: Nur eine Briefkastenfirma?
      Trotz wochenlanger Bemühungen gelang es dem [plusminus-Team nicht, mehr über die DWM Ltd. zu erfahren und mit dem angeblichen Erotikdienste-Anbieter in Kontakt zu treten. Unsere Vermutung: Das reale Geschäft mit dem neuen Dialer wird in Deutschland gemacht. Die Firma PGmedia verdient an der Vermietung ihrer Frankfurter Festnetznummer, die Firma HAS verdient am Erstellen und Versenden der Abrechnungen. Übrigens: Die Internetadresse www.4netmediaXXX mit dem kostenpflichtigen Erotikinhalt wurde von einem Rene Wittenhorst angemeldet. Den erreichten wir telefonisch bei der Hamburger Firma Hanseatische Abrechnungssysteme GmbH, für die er freiberuflich tätig ist. Er bestätigt uns, dass er nicht nur die Webseite angemeldet, sondern auch die Inhalte erstellt habe. Die Inhalte habe er aber an eine spanische Firma vermietet. Vermutlich die Firma Sabisand S.L, Miteigentümerin der HAS. In welcher Geschäftsbeziehung nun die spanische Firma Sabisand S.L. zu der angeblichen Betreiberin der Erotik-Seite, der britischen Firma DWM Ltd. steht, konnte [plusminus bisher nicht recherchieren.

      Staatsanwälte ermitteln
      Bei den Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften im ganzen Bundesgebiet sind inzwischen Hunderte von Strafanzeigen eingegangen. Bei der Staatsanwaltschaft in Hamburg liegen inzwischen 22 Strafanzeigen vor. Dort wird jetzt wegen des Verdachts des Betruges gegen die Verantwortlichen dieses neuen Tricks ermittelt.
      Die Datenschützer sehen den Paragrafen 28 des Bundesdatenschutzgesetzes verletzt. Danach dürfen Daten, also auch Telefonnummern, dann nicht für eigene Zwecke genutzt werden, wenn das "schutzwürdige Interesse des Betroffenen" dem entgegensteht.

      Der Rat der Verbraucherschützer
      Corinna Loevenich von der Verbraucher-Zentrale Hamburg rät bei solchen Betrügereien, auf keinen Fall zu zahlen. "Es ist gar kein Vertrag zustande gekommen. Dazu gehören nämlich zwei Parteien. Und die Hanseatische Abrechnungssysteme soll doch erst mal die Unterlagen zeigen, wonach ein Vertrag zwischen Familie Schlaipfer und dem Anbieter des Erotikdienstes zustande gekommen sein soll. Einen solchen Vertrag gibt es aber nicht." Betroffene sollten sich nicht einschüchtern lassen und die Zahlung verweigern, rät die Verbraucherschützerin.


      Was tun bei Rufnummernmissbrauch?
      Verbraucherinformation zum (0)190er-/(0)900er-Rufnummerngesetz
      zu bestellen bei
      Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP)
      Außenstelle Erfurt
      Druckschriftenversand
      Zeppelinstraße 16
      99096 Erfurt
      Tel: 03 61 / 73 98-2 72
      Fax: 03 61 / 73 98-1 84
      E-Mail: druckschriften.versand@regtp.de
      Internet: www.regtp.de
      Die Broschüre finden Sie dort auch als Download



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 24.02.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


      http://www3.mdr.de/plusminus/240204/dialer.html
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 21:43:19
      Beitrag Nr. 1.412 ()
      Privatversicherte in der Klemme:
      - wie private Krankenversicherungen die Beiträge erhöhen und dennoch die Leistungen kürzen

      Autor: Holger Balodis



      (ist doch nicht alles Gold was glänzt!
      privat versichern ist also auch keine Lösung)
      "So sind Privatversicherte ab einem gewissen Alter auf Gedeih und Verderb ihrer Versicherung ausgeliefert."


      Willy (76) und Elfriede Kohlmeier (79) aus Frankfurt sind seit über 40 Jahren privat krankenversichert. Mittlerweile kommt sie das teuer zu stehen. Zum Jahreswechsel stieg der monatliche Beitrag auf 928 Euro. Dazu kommt aber noch eine sehr hohe Selbstbeteiligung von 4.600 Euro jährlich, die sie aufgrund ständiger Behandlungen auch voll ausschöpfen. Umgerechnet steigt damit ihre Gesamtbelastung auf 1311 Euro monatlich.

      Besonders erzürnt die beiden aber, dass seit einigen Jahren obendrein die Leistungen zusammen gestrichen werden: Rechnungen werden mit Hinweis auf fehlende preisliche Angemessenheit gekürzt und in Einzelfällen werden sogar medizinisch notwendige Leistungen komplett verweigert.
      Besonders hart: der stationäre Aufenthalt von Elfriede Kohlmeier in einer Bad Homburger neurologischen Fachklinik wird von der Continentalen Krankenversicherung seit drei Jahren nicht mehr erstattet. Dabei ist Elfriede Kohlmeier nach einem Schlaganfall linksseitig gelähmt und benötigt neben ihren regelmäßigen Krankenbehandlungen nach Ansicht ihres Neurologen dringend einmal jährlich einen stationären Klinikaufenthalt. Den zahlen Kohlmeiers nun aus der eigenen Tasche: Im vergangenen Jahr rund 4.400 Euro - zusätzlich zu den hohen Prämien und der Selbstbeteiligung!
      Die Continentale begründet die Ablehnung gegenüber [Plusminus so: " Eine stationäre Kur ist im von Frau Kohlmeier gewählten Tarif nicht versichert. Daher bestand keine Grundlage für eine Leistung."
      Der behandelnde Arzt und die Klinik bestreiten jedoch, dass es sich bei dem medizinisch notwendigen Krankenhausaufenthalt um eine "Kur" handelt. Sogar die Continentale Krankenversicherung selber stufte noch im Jahre 2000 exakt die gleiche Behandlung anstandslos als Tarifleistung ein und erstattete die Kosten.

      Kein Einzelfall
      Experten beobachten Leistungskürzungen für Privatversicherte trotz steigender Beiträge auf breiter Front. Frank Braun vom Bund der Versicherten berichtet über regelrechte Beitragsexplosionen zum Jahreswechsel mit Prämiensteigerungen von 30 Prozent und mehr. Gleichzeitig berichteten immer mehr Versicherte, dass ihnen Rechnungen gekürzt oder Leistungen ganz verweigert werden.
      Offenbar wollen viele Krankenversicherer dieses Verhalten nun rechtssicher in ihren Versicherungsbedingungen verankern. So verschickten die drei Krankenversicherer Axa, Barmenia und HUK- Coburg zum Jahreswechsel einseitig geänderte Versicherungsbedingungen. Darin stellen sie ihre Leistungen künftig unter den Vorbehalt der "preislichen Angemessenheit". Verbraucherschützer halten dies für einen Freibrief, künftig Leistungen problemlos abzulehnen. Für preisliche Angemessenheit gibt es - so Frank Braun vom Bund der Versicherten - nämlich keine objektiven Kriterien. "Offenbar wollen die Versicherungen selber festlegen, was preislich angemessen ist. Damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet."
      Der Bund der Versicherten (BdV) will gegen die einseitigen Vertragsänderungen vorgehen und hat bereits Klage gegen Axa und Barmenia eingereicht. Der BdV sieht im Vorgehen dieser Versicherungen einen "Testballon". Kämen die Versicherer damit juristisch durch, werde die Branche komplett nachziehen, erklärte Braun.

      Hintergrund der neuen Versicherungsbedingungen: Der Bundesgerichtshof erklärte am 12.3.2003 in seinem Urteil zur "Alphaklinik", dass private Krankenversicherer "medizinisch notwendige Heilbehandlungen" voll und ganz bezahlen müssen. Wenn die Behandlung medizinisch notwendig sei, dürfe die Privatversicherung auch sehr hohe Rechnungsbeträge nicht kürzen.
      Ein Urteil mit weitreichenden Folgen: Seit dem können sich die Privatversicherungen eigentlich nicht mehr mit Verweis auf eine fehlende preisliche Angemessenheit die Rechnungen kürzen.
      Doch genau dieses Recht wollen sich einige Versicherungsunternehmen nun durch die neuen Vertragsbedingungen quasi selber wieder einräumen. Verbraucherschützer kritisieren: damit werde das höchstrichterliche Urteil durch die Hintertür ausgehebelt.

      Die drei Krankenversicherer sehen das anders und verweisen darauf, dass juristische Treuhänder den Bedingungsänderungen zugestimmt hätten.
      Die Barmenia Krankenversicherung teilte mit, man habe "auschließlich im Interesse der Kunden" für mehr Klarheit sorgen wollen. Eine Beschränkung auf das "angemessene Maß" von Preisen stelle "materiell keine Schlechterstellung gegenüber der vorherigen Situation dar."
      Die HUK Coburg teilte mit, kein Kunde müsse "durch unsere Bedingungsänderung unliebsame Überraschungen befürchten...Vielmehr geht es darum, zu einer Rechtslage zurückzukehren, wie sie vor der Entscheidung des BGH vom 12.3.2003 bestand."
      Die AXA- Krankenversicherung teilte mit, es könne nicht im Interesse der Versicherten sein "Luxusmedizin" zu finanzieren: "Es geht also um Leistungskürzungen bei Versicherten, die Leistungen über Gebühr beanspruchen...Die Bedingungsänderung geschieht also zum Schutz der Mehrzahl der Versicherten, die preisbewusst handeln."

      Ungenügende Aufklärung
      Viele Kunden dürften die Verschlechterung ihrer Verträge noch gar nicht bemerkt haben. Die Informationen sind zusammen mit der jährlichen Mitteilung über Beitragserhöhungen im Falle der AXA- Krankenversicherung in einem bunten Mitgliederprospekt neben zahlreichen weiteren Themen erläutert. Dass es sich dabei aus Kundensicht um eine klare Verschlechterung der Ansprüche handelt, wird nicht deutlich herausgestellt oder sogar abgestritten: So schreibt die AXA in dem Mitgliederrundschreiben: "Diese Änderungen haben keine Beschränkungen Ihres bisherigen Leistungsumfangs zur Folge." Auch gegenüber [Plusminus erklärte die AXA: "...dass die Änderungen der Bedingungen lediglich unsere bisherige Leistungspraxis vor dem BGH-Urteil fortführt. Daher kann nicht die Rede davon sein, dass unsere Kunden Nachteile dadurch erfahren."
      Verbraucherschützer sehen jedoch in der Einführung eines "Gummiparagraphen preisliche Angemessenheit" eine deutliche Verschlechterung der Versichertenposition. Frank Braun vom Bund der Versicherten: "Warum haben die Unternehmen dann die Vertragsänderungen gemacht, wenn sich dadurch angeblich keine Verschlechterungen für die Kunden ergeben?"

      Rechtsexperte bezweifelt Recht auf einseitige Vertragsänderung
      Bleibt die Frage, ob die Versicherungen überhaupt befugt sind, einseitig Verträge ändern dürfen. Letztlich haben nach der durch den Bund der Versicherten eingereichten Klage die Gerichte zu entscheiden. [plusminus bat den renommierten Dortmunder Vertrags- und Versicherungsrechtler Professor Wolfgang Schünemann um eine Einschätzung: "Grundsätzlich gilt in unserem Rechtssystem: Einmal geschlossene Verträge sind auch einzuhalten. Ein zweiseitig geschlossener Vertrag kann nur mit Zustimmung des Kunden geändert werden. Dies gilt auch für Versicherungsverträge und deshalb ist jede einseitige Änderung im Grundsatz unmöglich."
      Allerdings gibt es sehr eng umrissene Ausnahmen von diesem Grundsatz. So erlaubt VVG § 178 g (3) bei einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens möglicherweise doch eine einseitige Vertragsänderung. Doch hier stellt der Jurist klar: "In dem BGH-Urteil kann ich keine gravierende Änderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens erkennen, die eine einseitige Vertragsänderungen rechtfertigen könnten."

      Im Bereich der privaten Krankenversicherung gilt zudem: Die Versicherten müssen hier ganz besonders gegen einseitige Vertragsveränderungen geschützt werden. Hintergrund: Privatversicherte können mit steigendem Alter praktisch nicht mehr das Unternehmen wechseln. Wer Vorerkrankungen hat, wird von der Konkurrenz vermutlich abgelehnt. Ein ebenso gravierendes Hindernis: wer wechselt, verliert sämtliche Altersrückstellungen. Bei der Konkurrenz würde es also insbesondere für ältere Versicherte noch deutlich teurer als bei der alten Gesellschaft. So sind Privatversicherte ab einem gewissen Alter auf Gedeih und Verderb ihrer Versicherung ausgeliefert.

      Aufsichtsbehörde prüft
      Die neuen Versicherungsverträge stehen jedoch nicht nur demnächst vor Gericht auf dem Prüfstand. Auch die Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) in Bonn sieht solche einseitigen Abänderungen sehr kritisch und prüft derzeit den Sachverhalt. Gegenüber [Plusminus teilte das BAFin mit, dass die betroffenen Unternehmen nur dann die Verträge einseitig ändern dürften, wenn sie als Folge des BGH-Urteils eine dauerhafte und nicht unerhebliche Kostensteigerung nachweisen könnten. "Gelingt den Unternehmen der Nachweis nicht" so das BAFin "werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen." In diesem Fall würde also die Aufsichtsbehörde die Versicherungen anweisen, die Vertragsänderungen zurückzunehmen.



      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 24.02.04 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www3.mdr.de/plusminus/240204/krankenversicherung.html
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 21:44:07
      Beitrag Nr. 1.413 ()
      US-HYPOTHEKENGIGANTEN

      Greenspan warnt vor Finanzkrise

      Alan Greenspan hat vor einer Überschuldung der US-Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac gewarnt. Die hohen Verbindlichkeiten der Konzerne könnten eine Gefahr für das gesamte Finanzsystem der Vereinigten Staaten werden, sagte der US-Notenbank-Chef.......




      http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,287925,00.html
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 22:06:24
      Beitrag Nr. 1.414 ()
      hätten sie die Behörde "Arbeitsamt" doch lieber in "Schikanier und Statistikspielamt" getauft, anstatt "Agentur für Arbeit" das gilt wohl leider nur für die Mitarbeiter des Amtes :mad: :mad: :confused:



      Arbeitsämter

      Vermitteln oder vergraulen

      Um ihre Zahlen zu verschönern, scheuen die Agenturen keine Schikane – und treiben Arbeitslose systematisch aus der offiziellen Statistik.

      Von Rolf Winkel




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      München Der Vermittler sitzt hinter einem grauen Schreibtisch. Auf der Tischplatte steht ein großer Monitor, daneben liegen viele Akten in rosafarbenen Deckeln. Weit über 700 Arbeitsuchende hat der Mann von der Arbeitsagentur in einer deutschen Großstadt zu betreuen. Wenn er über den Alltag in der Behörde spricht, klingt Verbitterung durch: „Wie soll man denn da nicht zynisch werden?“, fragt er und weist auf eine Dienstanweisung hin. Sie trägt die Überschrift „Geschäftspolitik 2003, Ziel: Bestand Arbeitslose senken“.

      Um den „Bestand“ an Arbeitslosen zu senken, gebe es zwei Wege, meint der Mann vom Amt: Arbeitslose zu vermitteln oder sie zu vergraulen. Das Papier beschäftige sich mit Letzterem. In der Dienstanweisung sind so genannte „Ergebnisziele“ festgelegt. Diese sind für „Teams“ definiert, zu denen jeweils vier bis fünf Vermittler gehören. Jedes Team soll danach pro Monat „60 Fälle 1. MV“ und „7 Fälle 2. MV“ produzieren. „MV“ steht für „Meldeversäumnis“. Das heißt: Arbeitslose, die auf eine Vorladung vom Amt nicht reagieren, werden mit einer „Säumnisstrafe“ belegt: Leistungsbezieher erhalten dann eine Zeit lang kein Geld. Wer ein zweites Mal nicht zum Meldetermin kommt, fliegt auch aus der Arbeitslosenstatistik.

      Anders erfasst

      4,6 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland offiziell als arbeitslos registriert. Keiner liest diese Zahl gerne – und alle finden sie zu hoch: Der Aufschwung lässt auf sich warten. Doch selbst wenn die Konjunktur anspringt, wird es nach Auffassung von Experten kurzfristig keine wesentliche Besserung am Arbeitsmarkt geben.

      Da soll wenigstens die Statistik besser aussehen. So werden seit Jahresbeginn die Arbeitslosen anders erfasst: Wer von der Arbeitsagentur „trainiert“ wird – in neuen Fertigkeiten oder schlicht für die nächste Bewerbung – zählt jetzt offiziell nicht mehr als arbeitslos. Im Januar verschwanden so 81.100 Arbeitsuchende aus der Statistik. Schon lange zählen auch die von den Ämtern geförderten Teilnehmer an Weiterbildungskursen, Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungs-Maßnahmen nicht als erwerbslos. Würden sie mitgezählt, hätte es im letzten Monat noch 331.000 registrierte Arbeitslose mehr gegeben.





      » Jetzt müssen wir aber die Strafen planmäßig und massenhaft produzieren. «


      Keiner der Zahlentricks ist so raffiniert wie der mit dem „Meldeversäumnis“. „Eigentlich sollten das nur Sanktionen im Einzelfall sein“, sagt der Vermittler von der Arbeitsagentur, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Jetzt müssen wir aber die Strafen planmäßig und massenhaft produzieren.“ Insgesamt soll nach der Dienstanweisung allein in seinem Amt jedes Team 1200 so genannte Säumnistage pro Monat erzielen. Entsprechend lang würden dann bei Leistungsbeziehern auch fällige Zahlungen von der Arbeitsagentur eingespart. „Taktung und Häufigkeit der Einladungsaktionen pro Tag/Woche sind so zu planen, dass o. a. Ergebnisziele erreicht werden“, heißt es in dem amtlichen Papier. Und das bedeutet: „Wenn die Zahl der angestrebten Meldeversäumnisse nicht erreicht ist, müssen die Arbeitslosen eben nochmal eingeladen werden“, sagt der Mann vom Amt.

      In Massen vorgeladen

      Der Phantasie der Vermittler sind offenbar keine Grenzen gesetzt. Je mehr Arbeitslose nicht kommen, desto besser stehen die Teams da – statistisch gesehen. „Die Vorladungstermine kann man auch auf den Nachmittag oder – zwischen Feiertag und Wochenende – auf Brückentage verlegen“, weiß der Vermittler. „Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Arbeitslose die Meldung versäumen.“

      Damit die Produktion von Meldeversäumnissen planmäßig vonstatten geht, können – so empfiehlt es die Leitung der örtlichen Arbeitsagentur – „möglichst große Gruppen mit bis zu 200 Personen“ zusammengestellt werden. Für solche Massenvorladungen steht der Hörsaal des benachbarten Berufsinformationszentrums zur Verfügung. Diese Großgruppen-Veranstaltungen liefen unterschiedlich ab, erzählt der Vermittler. Zum Teil würde den Eingeladenen im Hörsaal noch etwas über ihre Rechte und Pflichten erzählt. „Zum Teil gehen die Leute aber auch auf der einen Seite in den Saal rein, auf der anderen Seite wieder raus“ – dort ist die Anwesenheitskontrolle. Das nütze zwar keinem Arbeitslosen und sei wegen der vielen Einladungen auch ziemlich aufwändig. Aber so würden durch Säumniszeiten einige tausend Euro gespart und zugleich werde die Statistik verschönert. „Und darum geht es ja“, sagt er.

      Erfahrungsgemäß fallen durch solche Schikanen (Amtsjargon: „Konsequente Einforderung der Meldepflichten“) vor allem diejenigen aus der Statistik, die ohnehin kaum (noch) etwas von der Arbeitsagentur erwarten können. Die Zahl der in Nürnberg registrierten „Nichtleistungsempfänger“ hat sich so stark verringert. Bezogen früher rund 30 Prozent der registrierten Arbeitslosen keine Leistungen, sind es nun nur noch 18 Prozent.

      Besondere Angebote

      Doch es gibt auch eine große Gruppe von Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfe-Beziehern, die von den Arbeitsagenturen systematisch aus der Statistik und vom Arbeitsmarkt gedrängt werden: Die Älteren ab 58.



      » Die Jüngeren bekommen immer den Vorzug. «


      Menschen wie Karin Lis aus dem niederrheinischen Städtchen Viersen. „Ich gehöre noch zu denen, die lange ganz auf das Konzept Ehe gesetzt haben“, sagt die 59-Jährige. „Meine zwei Mädchen und die Familie waren mir das Wichtigste.“ Erst als ihre Ehe zerbrach, kümmerte sie sich um eine Berufsausbildung. Mit 46 Jahren begann sie eine Lehre zur Groß- und Außenhandelskauffrau. Danach fand sie eine Stelle bei einem kleinen Importeur für Designerleuchten. „Aber als es in der Firma nicht mehr so richtig lief, musste ich als erste gehen“, sagt sie. Seit 1997 ist sie nun ohne Job. Zunächst bezog sie Arbeitslosengeld, danach Arbeitslosenhilfe. Auch rund 100 Bewerbungen änderten nichts an ihrer Langzeitarbeitslosigkeit. Ihre bittere Erfahrung: „Die Jüngeren bekommen immer den Vorzug.“

      „Ein einziges Stellenangebot vom Arbeitsamt habe ich bekommen“, stellt Lis fest. Ansonsten hat die Kauffrau nicht viel vom Arbeitsamt gehört. Das änderte sich allerdings vor ihrem 58. Geburtstag: Die Behörde fragte zunächst ganz freundlich an, ob sie das ihr zustehende Geld künftig „unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Sozialgesetzbuch III“ beziehen möchte oder nicht. Im Begleitschreiben erfuhr Karin Lis dann, dass dieser „erleichterte“ Bezug ein besonderes Angebot für Arbeitslose ab 58 Jahren sei. Sie könne erklären, dass sie nicht mehr arbeiten wolle – und dennoch weiter Geld vom Amt erhalten. Wenn sie sich mit ihrer Unterschrift dazu entscheide, brauche sie für die Jobvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen und könne sogar bis zu vier Monate am Stück in Urlaub fahren. Im Gegenzug müsse sie sich allerdings verpflichten, Altersrente zu beantragen, sobald sie diese „abschlagsfrei“ beanspruchen könne.

      Über die Vorteile für die Arbeitsverwaltung informierte das Schreiben nicht: Mit einem Ja zu dieser Erklärung würde Karin Lis offiziell nicht mehr als Arbeitslose zählen. Frau Lis reagierte auf die amtliche Nachfrage erst einmal gar nicht. „Schließlich will ich ja arbeiten, warum soll ich das dann unterschreiben?“ Doch inzwischen wird bei den Ämtern nachgehakt, damit möglichst viele Ältere den Vorruhestands-Paragrafen unterzeichnen.

      In einem „Handlungsleitfaden“ des Arbeitsamts in Solingen zur „Beratung von 58-Jährigen und Älteren über § 428 SGB III“ vom 21. Mai 2003 gibt es sogar einen Stufenplan zum Umgang mit Unterschriftsverweigerern. Stufe 1: „Unterschreibt der Arbeitslose die Erklärung zu § 428 SGB III nicht, wird er darauf hingewiesen, dass er demnächst zu einer Gruppeninformationsveranstaltung eingeladen wird, an der er teilnehmen muss, weil sonst leistungsrechtliche Konsequenzen eintreten.“ Stufe 2: Auf der Gruppenveranstaltung „wird der Erklärungsvordruck zu § 428 erneut ausgehändigt. Teilnehmer, die immer noch nicht bereit sind, den Vordruck zu unterschreiben, werden unter Terminsetzung (10 Wochen) aufgefordert, die Erklärung unterschrieben zurückzugeben.“

      Unterschreib` und geh`

      Nach einem ähnlichen Plan verfuhr auch das Arbeitsamt Viersen mit Lis. Als sie auf zwei Mahnschreiben, sie möge doch endlich die Vorruhestandserklärung unterschreiben, nicht reagierte, wurde sie zur Gruppeninformationsveranstaltung geladen. „25 Leute haben teilgenommen, der Raum war voll“, erinnert sie sich an den Termin im letzten November. „Zwei junge Damen vom Arbeitsamt redeten nur über Erleichterungen und den längeren Urlaub, den wir nach der Unterschrift hätten. Wir hätten in unserem Alter sowieso keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz.“ Nach einer Viertelstunde bat man zur Unterschrift.

      Karin Lis unterschrieb nicht. Sie gehört inzwischen zu einer Minderheit unter den älteren Arbeitslosen. Im Juli 2003 hatten 74,4 Prozent aller Arbeitslosen ab 58 die Erklärung zu § 428 unterzeichnet. Zurzeit gibt es 392.000 ältere „nichtarbeitslose Leistungsempfänger“, wie sie im Amtsdeutsch heißen. Und damit weitere 392 000 registrierte Arbeitslose weniger. 3,8 Millionen vormals Arbeitslose verschwanden vergangenes Jahr wegen Vorruhestand, Nichterneuerung ihrer Meldung, fehlender Mitwirkung oder Krankheit in dieser stillen Reserve der „sonstigen Nichterwerbstätigen“.



      » Ich würde doch Stellenangebote annehmen, warum soll ich das Gegenteil unterschreiben? «


      Zum Vergleich: Wegen eines neuen Jobs meldeten sich 2003 nur 3,3 Millionen Menschen aus der registrierten Arbeitslosigkeit ab. Lis will trotzdem standhaft bleiben: „Ich würde doch Stellenangebote annehmen, warum soll ich das Gegenteil unterschreiben?“

      (SZ vom 21.2.2004)

      http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/erfolggeld/artikel/18…
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 22:14:33
      Beitrag Nr. 1.415 ()
      Axel Retz

      Rauchzeichen des Aufschwungs?

      Sind Sie Autofahrer? Schwupps - schon haben Sie den ersten Bonuspunkt gewonnen! Fahren Sie, natürlich ohne jedes Statusdenken, so ein bisschen was Größeres, einen Range Rover 4.6 HSE beispielsweise, der sich bei vorsichtiger Fahrweise mit 18 Litern Super bescheidet, für so genannte sportlichere Auftritte aber auch gerne einmal 30 Liter inhaliert? Schon wieder sind Sie ein Feld weiter! Rauchen Sie? Ja? Hoppla - jetzt sind Sie noch ein Ründchen vorgerückt. Letzte Frage: Sind Sie Kettenraucher? Sagen wir mal, ab 60 Glimmstengelchen aufwärts? Ja? Dann haben Sie sich das Eichellaub in Gold verdient - Sie sind Finanzministers Liebling! Warum?

      Weil von jedem Liter Super, den Sie für 1,07 € in den Tank Ihres kleinen Benzinfresserchens schütten, 80,03 Cent beim Bundesfinanzministerium landen. Bezogen auf den versteuerten Warenwert, eine Steuerlast von über 300 Prozent. Jede (komplette) Tankfüllung Ihres Range Rover ist nichts anderes als eine Überweisung von 86 Euro nach Berlin. Schockiert? Darauf sollten Sie erst mal eine rauchen! Apropos: Anfang März steigen die Zigarettenpreise. Nicht nur wegen der Steuer, die Hersteller haben noch `was draufgelegt. Ab Januar 2006 wird`s dann noch mal ein wenig teurer. Von den rund 22 Cent, den Ihre Dunhill, Camel, Lucky Srike oder Gauloise dann kosten wird, gehen 18 Cent aufs Konto des dann amtierenden Finanzministers. Das macht einen Steuersatz von 450 Prozent. Im Monat sind das, für den weiter oben angenommenen Starkraucher von 60 Zigaretten pro Tag unterstellt, 329,40 €. An Steuern. Am Rande bemerkt: Als normaler Arbeitnehmer bezahlen Sie dieses Benzin und diese Zigaretten mit Ihrem Gehalt - das Sie bekanntermaßen bereits einmal versteuert haben.

      Macht nichts, werden sich manche sagen, schließlich tue ich ja ein gutes Werk! Gewiss. Sie helfen mit, die Steuerlücke des gescheiterten verdeckten Steuererhöhungsprogramms Toll Collect zu schließen, das auf Sicht die in den Supermärkten angebotenen Waren für uns alle verteuern wird. Lieb. Außerdem unterstützen sie die Zahlungen Deutschlands an den bürokratischen Moloch EU-Kommission, die ihren Etat angesichts der im Mai fälligen Osterweiterung der EU dringend aufstocken muss. Manche verstehen das. Andere anscheinend nicht. Warum, fragen sich diese anderen, hatte die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 04. Juli 1776 nur 300 Worte, während die EU-Verordnung über den Import von Karamelbonbons 29.911 Worte zählt?

      Joschka Fischer, von Bayerns CSU-Landesgruppenchef Michael Glos gerade als ehemaliger Terrorist beschimpft, lobte die kommende EU-Erweiterung mit dem schönen Hinweis, dass "Deutschland dadurch auf die Sonnenseite der historischen Entwicklung" komme. Na ja. Mehrere Hunderttausend teilweise hochqualifizierter Arbeitnehmer, die sich nicht um geringsten um Arbeitszeiten, Überstunden oder Urlaubsregelungen kümmern, werden eine neue Völkerwanderung beginnen. Und sie werden die Arbeitsplätze besetzen, die deutsche Arbeitnehmer, im 35-Stunden-Korsett der Gewerkschaftshymnen gefangen, nicht mehr wahrnehmen wollen. Unpatriotische Unternehmen werden diese Tendenz verstärken und einheimische Arbeitsplätze abbauen und in Richtung Ost/Fernost verlagern. Unpatriotisch? Welche Wahl bietet sich den Unternehmern denn, wenn Arbeitsuchende in Polen, Tschechien, Ungarn und Bulgarien für die Hälfte, Inder und Chinesen für Bruchteile des deutschen Durchschnittslohns arbeiten?

      So und nicht anders sieht die aktuelle Problematik aus, von denen Ihnen die Vertreter aller Parteien kein einziges Wort erzählen. Wie auch immer: Egal, ob die deutschen Arbeitnehmer mit ihren Löhnen deutlich herunter gehen, wie auch vom Münchener Ifo-Institut gefordert, oder aber ausländische Arbeitnehmer ihre Jobs für die Hälfte oder drei Viertel der heute üblichen Arbeitsentgelte anbieten: Leidtragende werden die bereits heute ums Überleben ringenden Sozialkassen sein. Und das Steueraufkommen der öffentlichen Hand. Otto Normalverbraucher scheint zu ahnen, was da auf ihn zukommen könnte: Während die Anzahl der europaweit verkauften Neufahrzeuge im Januar um 1,4 Prozent zurückging, sackte sie in Deutschland um 12,1 Prozent weg. Das sind Zahlen, wie sie nicht zum angeblichen wirtschaftlichen Aufschwung, sondern zum Beginn einer Depression passen! Und: Wer sich den Kauf eines Autos zweimal überlegt, der tut das auch mit der Anschaffung eines neuen Fernsehgeräts, einer Tiefkühltruhe oder einer Immobilie!

      Nicht anders die Situation in den USA. Zwar attestierte Alan Greenspan in seiner Rede vor dem US-Kongress am vergangenen Dienstag der amerikanischen Konjunktur einen robusten Aufschwung, die in der gleichen Woche veröffentlichten Daten zu den Einzelhandelsumsätzen, den Arbeitsmarktdaten, der Handelsbilanz, den Hausverkäufen und dem Verbrauchervertrauen erinnerten indes eher an eine wirtschaftliche Kontraktionsphase. Besonderes Augenmerk verdient zweifellos die Verschlechterung der Handelsbilanz. Denn wenn es den Vereinigten Staaten trotz des eingebrochenen Dollarkurses nicht gelingt, ihre Exporte auszuweiten und die Importe zu drosseln, was (außer Arbeitsplätzen) wollen die USA dann ausführen, wenn der Greenback einmal wieder stärker wird? Und bitte: Sehen Sie die Konjunkturdaten der vergangenen Woche bitte vor der Kulisse des schärfsten Zinssenkungsmarathons, den die Federal Reserve jemals absolviert hat. Vor dem Hintergrund eines so nicht wiederholbaren Steuersenkungsprogramms durch die Bush-Administration. Und aus der Perspektive eines US-Bundeshaushalts und einer Leistungsbilanz, die beide pro Tag mit 1,5 Milliarden US-Dollar vom Ausland alimentiert werden müssen, um nicht sofort in den Offenbarungseid zu kippen. Schulden, die sich durch die schleichende Dollarentwertung auf wundersame Weise nach und nach in heiße Luft aufzulösen scheinen.

      Kein Börsianer wird später einmal sagen können, von irgend welchen dunklen und unvorhersehbaren Entwicklungen überrascht und um seine schönen Gewinne gebracht worden zu sein. Denn die Fakten liegen auf dem Tisch, für jeden sichtbar. Und es gehört nicht viel Phantasie dazu, die sich daraus ergebenden Entwicklungen zu erkennen. Zugegeben: Die Illusion ewig weiter steigender Kurse, einer tatsächlichen konjunkturellen Erholung und in die Zukunft hochrechenbarer Kursgewinne ist weitaus verlockender als die Realität. Und so lange die Lemminge Hausse spielen, sollte man sich hüten, sich ihnen in den Weg zu stellen. Bedenken Sie hierzu: 1999 und bis Mitte 2000, also auf dem Allzeithoch der Börse, kauften vor allem die deutschen Versicherer an der Börse nahezu alles, was nach Aktie roch. Dem schlossen sich drei Jahre leiser werdender Durchhalteparolen an, bevor der Markt, diesmal nahezu genau am Tief, die Glattstellung dieser Positionen erzwang. Heute, nach fast einem Jahr steiler Aufwärtsrallye, reduzieren viele Assekuranzen ihre Immobilieninvestments, um mehr Aktien kaufen zu können. "Stimmt" das Timing auch diesmal wieder, dürfte das Ende der Aufwärtsbewegung nicht mehr allzu weit entfernt sein.

      Reizen Sie die Rallye aus, so lange es noch geht. Aber vergessen Sie nicht, dass sich auch in der Baisse kräftig Geld verdienen lässt - und das meistens sogar erheblich schneller als in den vermeintlich "guten" Börsenphasen! Sentimenttechnisch wurde bereits zum Ausstieg geklingelt, charttechnisch fehlen hierzu (nur) noch einige Punkte. Zeit genug für eine Zigarette allemal!

      Axel Retz
      http://nachrichten.boerse.de/anzeige.php3?id=804c8d78
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 22:16:20
      Beitrag Nr. 1.416 ()
      Kommentar


      Amokläufer

      BDA-Chef Dieter Hundt mit neuen Ideen gegen Arbeitslose


      Sein Erfolgsrezept sei, daß er niemals zwei Hasen auf einmal jage, sagte dereinst Fürst Otto von Bismarck. Von derlei altersweiser taktischer Selbstbeschränkung scheint der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, noch weit entfernt zu sein. Der neoliberale Hooligan will alles, und zwar sofort.

      Zunächst einmal sollen die Empfänger von Arbeitslosengeld II von der Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur für Arbeit ausgeschlossen werden, forderte Hundt am Dienstag in der Berliner Zeitung. Es gelte den Unterschied zwischen einer »Fürsorgeleistung« und »Kernaufgaben der Arbeitslosenversicherung« deutlich zu machen. Die Agentur selbst soll sich die Hände mit der Anordnung von Zwangsarbeit gegen diejenigen, die sich nach maximal zwölf Monaten Arbeitslosengeld als nicht verwertungsfähig erwiesen haben, nicht schmutzig machen. Die Drecksarbeiten,wie das Rausholen Arbeitsloser aus ihren »zu teuren« Wohnungen und ihre Abschiebung in Rattenlöcher oder gleich auf die Parkbank sollen laut Hundt die Kommunen übernehmen. Da man für derartige »Betreuung« nicht viel braucht, will der BDA-Chef den Kommunen auch ihre Haupteinnahmequelle, die Gewerbesteuer, komplett streichen. Gegen gesetzliche Mindestlöhne ist er sowieso, da ja schon das jetzige Sozialhilfeniveau wirklich niedrige Löhne verhindern würde und deshalb abzusenken sei. Dann wären da noch die Pflegeversicherung und die Rente und, und, und.

      Personen sind zwar austauschbar, aber ohne Dieter Hundt wäre das Leben in Deutschland irgendwie angenehmer.

      (balc)

      www.jungewelt.de
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 22:22:13
      Beitrag Nr. 1.417 ()
      Schwungrad der Finanzkrise

      Durch einen sozialverträglichen Abbau der öffentlichen Schulden könnte die Demokratie wieder handlungsfähiger werden

      text von 12.2003

      VON GABRIELA SIMON


      Finanzkrise (dpa)


      Wie Sisyphos auf den Berg wälzt der Bundesfinanzminister die gewaltige Last der staatlichen Defizite vor sich her. Immer wenn er glaubt, einer Lösung näher zu kommen, tun sich neue Milliardenlöcher auf. Der Felsbrocken rollt wieder zurück, ungeachtet der unmenschlichen Anstrengungen.

      Trotz eines beispiellosen Abbaus sozialer Leistungen im Rahmen der Agenda 2010 wird die Neuverschuldung im nächsten Jahr auf hohem Niveau bleiben. Und trotz hektischer finanzpolitischer Maßnahmen mehren sich die Zeichen politischer Lähmung des Landes: eine Regierung im Dauerclinch mit Brüssel, Bundesländer, die nicht mehr in der Lage sind, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, Kommunen, die eigentlich schon bankrott sind.

      Beim Sparen fallen nach und nach die letzten Tabus. Jeder Posten in den öffentlichen Etats steht zur Disposition. Jeder? Nicht ganz: Ein Haushaltsposten ist über jeden Zweifel erhaben. Das ist der Schuldendienst. 38 Milliarden Euro muss allein der Bund in diesem Jahr für Zinszahlungen ausgeben. In den gesamten öffentlichen Haushalten sind es 70 Milliarden. Das ist, so hat es der Bund der Steuerzahler errechnet, mehr als die Hälfte der gezahlten Lohnsteuer.

      Gestritten wird heute nicht mehr darüber, ob, sondern nur noch darüber, wie stark der Schuldenberg weiter wachsen soll. Aber dieser wachsende Schuldenberg ist das eigentliche Problem. Da der Zinsendienst durch neue Kredite finanziert wird, nährt die Verschuldung ihr eigenes Wachstum. Fast 90 Prozent der rekordhohen Neuverschuldung in diesem Jahr werden für die Zinszahlungen gebraucht. So ist die Schuldenspirale eines der großen Schwungräder der staatlichen Finanzkrise.


      Hundert Jahre Schulden

      Die gesamten Staatsschulden in Deutschland übersteigen heute 1,3 Billionen Euro. Zum Vergleich: Die Auslandsschulden der Entwicklungsländer summieren sich auf 2,5 Billionen US-Dollar. Wenn wir heute aufhören würden, uns zu verschulden, und damit anfangen würden, jährlich 12 Milliarden Euro zurückzuzahlen, dann hätten wir diesen Schuldenberg in hundert Jahren noch nicht abgetragen. Wir hätten dann dieses Jahr für den Bundeshaushalt 55 Milliarden Euro (über 20 Prozent) weniger zur Verfügung.

      Wenn es aber selbst auf lange Sicht unmöglich ist, die Schulden zurückzuzahlen, ohne Sozialstaat und Demokratie ernsthaft in Gefahr zu bringen, dann müssen Wege zu einem Schuldenerlass gesucht werden.

      Überschuldung und Schuldenerlass sind jahrtausendealte Themen. Im Alten Testament wird ein regelmäßiger und allgemeiner Schuldenerlass verfügt, der alle 50 Jahre stattfinden soll. Damals verschuldeten sich viele Bauern bei Großgrundbesitzern; sie mussten ihr Land und oft auch sich selbst und ihre Familien an die Gläubiger verpfänden. "Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen", heißt es im dritten Buch Mose, "und sollt eine Freilassung ausrufen im Land für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen."

      "Heilig" muss das Erlassjahr sein, weil die Eigentumsrechte der Gläubiger verletzt werden. Ihnen wird ein Opfer abverlangt zu Gunsten des höheren Gutes der menschlichen Freiheit.


      Eingeschränkte Handlungsfreiheit

      Um Freiheit geht es aber auch heute, in unseren zeitgenössischen Schuldenkrisen: Um die Handlungsfreiheit des demokratischen Gemeinwesens, um die Freiheit einer Gesellschaft, ihre Prioritäten selbst zu setzen. Bildung, Kultur, Umweltschutz, soziale Sicherheit, auch für die kommenden Generationen - das alles droht im Sog der Finanzkrise unterzugehen. Der wachsende Schuldendienst wird in den kommenden Jahren zunehmend aus den laufenden Einnahmen finanziert werden müssen, auf Kosten wichtiger Aufgabenbereiche des Staates.

      Nun ist ein Erlassjahr mit unserem Rechtssystem vermutlich nicht zu vereinbaren. Aber auch in unserem Recht gibt es ein "Befreiungsangebot" für überschuldete Schuldner: die Insolvenz. In einem Insolvenzverfahren können Schulden auf ein tragbares Niveau reduziert werden. Doch was ist für einen Staat tragbar? Wie viele Schulden verträgt die Demokratie? Dafür kann es keinen juristischen Maßstab geben. Staatliche Insolvenz ist deshalb immer eine politische Entscheidung.




      Die Schuldenkrise

      Deutschlands Staatsschulden haben die Höhe von über 1,3 Billionen Euro erreicht. Jahr für Jahr werden neue Schulden gemacht, die den Schuldendienst weiter in die Höhe treiben; für politische Gestaltung bleibt kaum noch Spielraum. Angesichts der sich zuspitzenden Lage plädiert Gabriela Simon, Volkswirtschaftlerin und Publizistin in Berlin, für eine außergewöhnliche Maßnahme: Schuldenerlass für den Staat.




      In der Bundesrepublik ist eine Insolvenz staatlicher Schuldner nicht vorgesehen. Anders beispielsweise in den USA: Dort gibt es ein Insolvenzrecht für Schuldner mit Hoheitsgewalt, das seit Jahrzehnten für bankrotte Kommunen Anwendung findet. Dabei werden die Hoheitsrechte des Schuldners nicht angetastet. Das Gericht darf beispielsweise nicht darüber befinden, welche Dienstleistungen der Schuldner seinen Bürgern bereitstellen darf. Diese Entscheidung bleibt der Politik überlassen. Für alle Betroffenen gibt es Anhörungsrechte.

      Ein solches Insolvenzverfahren bietet die Chance, einen gesellschaftlichen Kompromiss zu organisieren zwischen den Interessen der Gläubiger und den Interessen der Bürger an einem funktionierenden politischen Gemeinwesen. So könnte der staatliche Schuldenberg sozialverträglich abgebaut werden. Der Staat geht in Konkurs, damit die Demokratie aufatmen kann.

      http://www.frankfurter-rundschau.de/uebersicht/alle_dossiers…
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 22:39:24
      Beitrag Nr. 1.418 ()
      Geldvermögen wächst und wächst
      Otto Meyer

      Die kurze dpa -Meldung fand sich im Wirtschaftsteil der Frankfurter Rundschau an unscheinbarer Stelle: »Die Bundesbürger haben 2003 mehr gespart. Das Geldvermögen der privaten Haushalte sei von 3740 Milliarden auf knapp 3900 Milliarden Euro gewachsen, das sei der höchste Stand seit der Vereinigung, heißt es in einer Studie der Dresdner Bank. Das Pro-Kopf-Vermögen sei um knapp fünf Prozent auf 47 000 Euro gestiegen. Immer mehr Leute legten einen Notgroschen an und bauten sich eine Altersvorsorge auf, sagte Dresdner-Bank-Volkswirtin Renate Finke. Geldvermögen sind Bargeld, Spareinlagen, Anlagen bei Versicherungen, Aktien und Wertpapiere.«

      Schon der manipulierende Sprachgebrauch läßt Unmut aufkommen: »Die« Bundesbürger sollen mehr gespart haben – etwa alle? Mehr als zwei Millionen Haushalte sind derart überschuldet, daß sie Konkurs anmelden müßten, und im vergangenen Jahr sind fast 50 000 Firmen pleite gegangen, aber pro Kopf sollen auf alle Deutschen 47 000 Euro Vermögen entfallen! Mein Kopf weiß bisher nichts von dieser Summe, und wenn ich mir die Köpfe im Familien- und Freundeskreis anschaue, scheinen deren Konten ebenfalls ziemlich leer zu sein. Die Banksprecherin behauptet sogar, sie kenne die Motive von »immer mehr Leuten«: Die legten sich nämlich einen »Notgroschen« an und »bauten« sich eine Altersvorsorge auf – seit Riester haben wir da offenbar eine Großbaustelle. Nur von den Meinen will bisher keiner auf diesen Bau gehen...

      Interessant würde eine solche Meldung erst, wenn man sie in einen Kontext stellte, den aber weder dpa noch FR herzustellen für nötig hielten: Nach ersten Schätzungen ist im vergangenen Jahr das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland real um 0,1 Prozent zurückgegangen und hat nominal – also in aktuellen Preisen – nur noch um ein Prozent zugelegt. Wenn unter solchen Umständen das Geldvermögen um fünf Prozent vermehrt werden konnte, muß an anderer Stelle ein entsprechender Rückgang der Einnahmen erzwungen worden sein. Tatsächlich hat die offensiv agierende Kapitalseite sowohl den Anteil der Bruttolöhne und­ ­ -gehälter durch »moderate« Lohnabschlüsse und »Verschlankung« der Belegschaften senken können wie auch die staatliche Abgaben- und Steuerpolitik zu weiterer »Entlastung« der Unternehmergewinne veranlaßt. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß bei gleichen Verteilungsraten wie im Vorjahr weder die staatlichen Leistungen noch die Gesamtlohnsumme (und damit auch die Zahl der Beschäftigten) hätten abgesenkt werden müssen – wenn es gelungen wäre, den Heißhunger der Kapitalseite im Rahmen der Produktionsmöglichkeiten zu halten. Doch das Geldvermögen muß »wachsen«, auch wenn es anderen das Wasser abgräbt und die Luft zum Atmen nimmt.

      Geldvermögen ist nur ein Teil des Gesamtvermögens, hinzurechnen muß man neben dem privaten Konsumgüterbesitz das Anlage- und Immobilienvermögen, soweit es nicht in Aktien und Krediten als Teil des Geldvermögens erscheint, also insbesondere den personengebundenen Firmenbesitz. Die Entwicklung des Geldvermögens ist ein wichtiger Gradmesser für Tendenzen in einer kapitalistischen Volkswirtschaft. 1993, im ersten Jahr nach dem Vereinigungsboom von 1990 bis 1992, betrug es 1925 Milliarden Euro; in den zehn Jahren seitdem hat die Kapitalseite es demnach geschafft, ihr Geldvermögen auf 3900 Milliarden Euro zu verdoppeln, genau gesagt auf 202,5 Prozent; real, also unter Berücksichtigung der Preissteigerungsrate, wuchs es auf 176 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt dagegen, das 1993 bei 1654 Milliarden Euro lag, erhöhte sich bis 2003 lediglich auf 128 Prozent (2130 Milliarden Euro); real betrug in dieser Dekade das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts nur 15 Prozent.

      Auch im Zehnjahresvergleich läßt sich also zeigen, daß mehr als das gesamte Mehrprodukt auf die Konten der Kapitalbesitzer gelenkt worden sein muß; anders ist die Steigerung des Geldvermögens um real 76 Prozent bei nur 15 Prozent Wirtschaftswachstum nicht zu erklären. Diese Umverteilung von unten nach oben ist weitgehend das Werk der regierenden Politiker mit ihrer Steuer- und Abgabengesetzgebung. Die realen Nettolöhne gingen in diesen letzten zehn Jahren zurück (auch auf Grund der zu niedrigen Lohnforderungen der Gewerkschaften), die staatlichen Transferleistungen für Arbeitslose, RentnerInnen, Kranke oder Kinder und Jugendliche wurden gekürzt, die kommunalen Dienste eingeschränkt, mit höheren Abgaben belastet oder privatisiert.

      Einsichtige Ökonomen, die noch nicht zu Theologen der neoliberalen Glaubenslehre konvertiert sind, weisen nach, daß das Gebot des Kapitalwachstums, das nach dieser Lehre unbedingten Gehorsam und auch Opfer am Lebensstandard der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung verlangt, die Volkswirtschaften in Stagnation und Krise führen muß. Denn wo es infolge sinkender Staatsausgaben und zurückgehender Massenkaufkraft an Nachfrage mangelt, muß die Produktion eingeschränkt werden, was für die letzten zehn Jahre nachzuweisen ist. Nicht nur Verarmung, soziales und kulturelles Elend oder ökologische Zerstörungen sind die Folge. Auch manche Kapitalvermögen brechen zusammen, Aktien, Immobilien, Versicherungen verlieren an Wert, ganze Firmenkonglomerate und unzählige Einzelbetriebe gehen pleite. Nur wenn es gelänge, durch gewerkschaftlichen Kampf die Reallöhne zu steigern sowie durch Massenproteste die staatlichen Sozial-, Bildungs- und Kulturausgaben zu erhöhen, könnten Sta­ gnation und Krise überwunden werden.

      Man sollte meinen, all die vom Kränkeln der Kapitalverwertung angesteckten Klein- und Mittelunternehmer würden aus bloßem Selbstbehauptungswillen die trügerische Hoffnung auf die sogenannte Sparpolitik aufgeben und mithelfen, die Regierenden zur Raison zu bringen. Aber wer einmal von den Gewinnen aus Geldvermögen – also auf Kosten anderer – seinen Besitz hat vermehren können, scheint verloren an die falsche Weltsicht, auch wenn sie ihn selber mit ins Unglück reißt. Und ob Kleinbürger und Mittelschichten aus ihrer Anfälligkeit für faschistisches Gedankengut am Ende der Weimarer Republik Lehren gezogen haben, wird man bezweifeln müssen.

      Damit eine andere Welt nicht nur möglich, sondern wirklich wird, müßten endlich jene aufwachen und aufstehen, die als abhängig Beschäftigte den Reichtum einer Volkswirtschaft erarbeiten. Nicht Geldvermögen und Kapitalbesitz müssen weiter wachsen und wuchern – die menschliche Kreativität wird deren Fesseln zerreißen und endlich die Fähigkeit erlangen, ein gutes und freies Leben für alle zu schaffen.


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      Erschienen in Ossietzky 3/2004
      http://www.sopos.org/aufsaetze/40323061524dc/1.phtml
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 22:45:03
      Beitrag Nr. 1.419 ()
      Quo vadis Dax, Nikkei und Gold

      Von Claus Vogt


      Dax

      Wie immer trauen wir der deutschen Börse kein Eigenleben zu, sondern gehen davon aus, daß sie ihre Richtungsimpulse aus den USA erhält. Der Abstand zur steigenden 200-Tage-Durchschnittlinie bei knapp 3.600 Zählern ist weiterhin relativ hoch, und zahlreiche Indikatoren befinden sich seit geraumer Zeit in deutlich überkauftem Bereich. Selbst kleinere Kursrückgänge haben somit das Potential, bei den Indikatoren gewichtige Verkaufssignale zu erzeugen, denen mittel- oder sogar langfristige Bedeutung zukommen würde. Die von den März-Tiefs herrührende Aufwärtstrendlinie verläuft bei etwa 3.900 Punkten.

      Nikkei

      Die charttechnische Interpretation der japanischen Börse präsentiert sich hier ausgesprochen simpel. Die Kursbewegung seit September 2003 kann sich entweder als obere Trendumkehrformation herausstellen oder als Konsolidierung im Aufwärtstrend. Ein Ausbruch über die bisherigen Hochs bei 11.240 würde folglich ein technisches Kaufsignal ergeben und ein Kursrückgang unter das November-Tief bei 9.615 Punkten ein Verkaufssignal. Die steigende 200-Tage-Durchschnittlinie spricht für die Konsolidierungsvariante.

      HUI

      Dieser Goldminenindex befindet sich seit nunmehr 2 1/2 Monaten in einer überfälligen Konsolidierung. Dadurch wurde die zeitweise extrem überkaufte Situation bereits deutlich abgebaut. Wir sind weiterhin der Überzeugung, uns in einem säkularen Bullenmarkt zu bewegen. Folglich halten wir jede Kursschwäche für eine Kaufgelegenheit. Die steigende 200-Tage-Durchschnittlinie befindet sich bei knapp 200 Punkten. In Bullenmärkten signalisiert diese Linie eine ideale Kaufgelegenheit, die allerdings nicht bei jeder Konsolidierung erreicht wird.

      Gold

      Die im Januar begonnene Konsolidierung des Goldpreises hat bisher an der technisch unbedeutenden und somit nur schwache Unterstützung bietenden Marke von rund 400 US-Dollar pro Feinunze gehalten. In der Spitze erreichte der Kursrückgang knapp 8 Prozent, also eine durchaus typische Größenordnung für eine Korrektur im Aufwärtstrend. Wir sehen keinerlei Anzeichen dafür, daß dieser Aufwärtstrend beendet werden sollte. Die steigende 200-Tage-Durchschnittlinie verläuft zur Zeit bei 380 Dollar. In diesem Bereich finden sich zusätzlich massive charttechnische Unterstützungen. Wir sind weiterhin der Überzeugung, am Anfang einer langfristigen Aufwärtsbewegung zu stehen, die bald auch wieder für den in Euro rechnenden Anleger Grund zur Freude bringen wird.


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.


      [ Mittwoch, 25.02.2004, 15:34 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10139106.html
      Avatar
      schrieb am 25.02.04 23:03:21
      Beitrag Nr. 1.420 ()
      Jetzt merkt`s sogar Herr Greenspan

      von Jochen Steffens

      Es ist schon amüsant und natürlich auch bestätigend, wenn nun auch Alan Greenspan sich Sorgen darum macht, dass Fannie und Freddie eine Gefahr für das Finanzsystem der Vereinigten Staaten werden könnten.

      Kurz zur Erläuterung: Fannie May und Freddie Mac sind die größten amerikanischen Hypothekenfinanzierer. Sie sind "irgendwie halbstaatlich", zwar sind sie im Verlauf der siebziger Jahre privatisiert worden, doch geht man allgemein davon aus, dass die US-Regierung Fannie und Freddie unterstützen würde, sofern sie in Schieflage gerieten. Deswegen haben ihre zahllosen Anleihen ein Tripple A-Rating für höchste Kreditwürdigkeit. Beide Banken kaufen Hypotheken von anderen Banken, fassen sie (zum Teil) in handelbare Wertpapiere zusammen und veräußern diese an internationale Investoren.

      Auf diese Gefahr für das amerikanischen Finanzsystem, von der Greenspan redete, haben weisen wir bereits seit Mitte letzten Jahres hin. Aber so ist der Investor`s Daily, was Sie ihm wirklich vorwerfen können ist, dass er in manchen Bereichen immer einfach "zu früh" auf Probleme aufmerksam macht. Die geneigten Leser, die schon seit längerem dabei sind, werden sich an mehrere Beispiele für diese "zu frühen" Kommentare erinnern. Doch lieber viel zu früh als viel zu spät, oder?

      4 Billionen Dollar Privat Hypotheken sind auf diese beiden Giganten vereint – rund drei Viertel aller Hypotheken in Amerika. Das sind auf dem zweiten Blick ne ganze Menge Schulden, um es mal salopp zu sagen. Sollte man Freddi und Fannie nun als private alleinstehende Unternehmen betrachten (der zweite Blick), dann stehen die beiden vermutlich an Platz eins (Fannie) und zwei (Freddie) der stärkst schuldenfinanzierten Unternehmen der Welt. Nur, wenn ausländische Investoren (Europäische Banken halten nach meinen Informationen bis zu 10 % an den beiden Instituten, bei den asiatischen Banken sollen es 25 bis sogar 30 % sein) nicht mehr mitspielen würden ...

      Davon sind wir im Moment anscheinend noch weit entfernt, auch wenn solche Aussagen von Old Greeny sicherlich zur Verunsicherung führen. Nur es verdichtet sich immer mehr, dass auch die eigentlichen Schuldner Probleme kriegen. Wie Bill Bonner letztens schon angerissen hat, immer mehr Amerikaner können ihre Schulden-/Hypothekenabzahlungen und Zinsen nicht mehr bezahlen. Die Zahl der Zwangsversteigerung nimmt in einigen Regionen Amerikas drastisch zu. Auch das wird nicht an Old Greeny vorbeigegangen sein. Und dann gibt es auch noch die Gefahr, dass die Leitzinsen zum Beispiel aufgrund einer zunehmenden Inflationsgefahr deutlich angehoben werden müssen. Soweit ich informiert bin, haben viele Amerikaner keinen festen Zinssatz vereinbart.

      Wenn man sich das so überlegt, kann man verstehen, warum Alan Greenspan gerade jetzt mit diesem Problem an die Öffentlichkeit geht. Die letzten Inflationszahlen, insbesondere die im Philly Fed, gaben Grund zu leichter Sorge. Die Gefahr einer Zinserhöhung rückt näher und damit die Gefahren für Fannie und Freddie.

      Ebenso verständlich, dass er dem Kongress empfahl dringlich eine Verschuldungsobergrenze für die beiden Finanzinstitute festzulegen. Gleichzeitig beruhigte er, dass aktuelle noch keine Gefahr drohe.

      Zu einem anderen Thema: Manchmal frage ich mich wirklich ...

      Offenbar und eigentlich für alle erkennbar, reagierten in der letzten Woche die Börsen hochsensibel auf eine mögliche US-Zinserhöhung oder "Nichterhöhung". Aber nein, das ist natürlich nur Einbildung! Zumindest wenn man der Bankgesellschaft Berlin und Morgan Stanley glauben will. Die FTD-Online berichtet davon, dass die Bankgesellschaft Berlin davon ausgeht, dass es bis zum ersten Zinsschritt der Fed durchaus noch zu weiteren Kurssteigerungen an den Börsen kommen kann.

      Auch Morgan Stanley geht nach diesem Bericht davon aus, dass es bis zum Zinsschritt nicht zu fallenden Märkten kommen wird, es sich damit kein periodisches Hoch vorher bilden wird. Begründung: Niemals zuvor hätten die Börsen vor dem ersten Zinsschritt ein periodisches Hoch entwickelt. Beide gehen davon aus, dass ein Zinsschritt erst 2005 erfolgen könnte.

      Ja, aber waren es nicht andere Zeiten? Sind nicht viele Dinge in den letzten 4 Jahren ganz anders gewesen als jemals zuvor? Was versuchen die Analysten mit diesen Aussagen? Die kleinen Anleger zu beruhigen, damit die Institutionellen noch rechtzeitig heraus kommen? Ich will keinem bösen Absichten unterstellen, aber etwas seltsam ist es schon, das solche Kommentare immer in solchen Momenten kommen.

      Ich bin so dreist, wenn ich darf, und stelle mich gegen Morgan Stanley: Sobald sich abzeichnet, dass die Zinsen angehoben werden, wird die Börse nicht mehr weiter steigen und damit diesmal ein periodisches Hoch VOR einer Zinserhöhung generieren. Wahrscheinlich sogar sehr viel früher.

      Ich würde sogar mit Morgan Stanley um einen Kiste spanischem Grand Reserva wetten, wobei ich nicht glaube, dass die Analysten meine Vorliebe teilen ...

      Immer noch kein Schlusskurs unter 3980 Punkten. Der Dax prallt an seiner Aufwärtstrendlinie, die seit März letzten Jahres besteht mit einem Doji ab. Ein bullishes Zeichen. Wird die Seitwärtsbewegung wieder aufgenommen? Einziger Kritikpunkt: Der Umsatz war etwas schwächlich für ein Umkehrsignal.

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      US-Konjunkturdaten

      von Jochen Steffens

      Auch die Zahl der Verkäufe bestehender Häuser rückläufig. Die Verkäufe sanken um 5,2 % auf 6,04 Mio. Erwartet wurden 6,15 bis 6,27 Mio. Hausverkäufe nach zuvor 6,37 Mio. (revidiert von 6,47 Mio.). Hier das gleiche schlechte Bild, wie bei dem Verkauf neuer Häuser.

      Doch wie gesagt, eine Zahl macht noch keinen Trend, aber es sollte trotzdem eine kleine Alarmglücke klingeln.


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      Die Welt, die ich kenne

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Die Antwort ist "Nein".

      Die Frage ist die, die ich letzte Woche gestellt hatte: Hat die Welt einen Goldpreis von 400 Dollar das letzte Mal gesehen?

      Gestern fiel der Goldpreis noch einmal unter diese Marke.

      Was mich diese Woche zu der Frage führt: Werden wir auch die 300 Dollar noch einmal sehen?

      Was ich in Frage stelle, ist meine gesamte wirtschaftliche Weltanschauung ...

      Ich denke, dass ich weiß, was vor sich geht. Aber es gibt mehr unter dem Himmel und auf der Erde, als selbst in meiner Philosophie enthalten ist. Gott teilt seine Pläne nicht mit uns. Stattdessen flüstert er uns nur kaum hörbar ins Ohr ... wenn wir halb schlafen oder halb betrunken sind ..."tu einfach das Richtige!"

      Dann, wenn wir wach oder nüchtern werden, fragen wir uns ..."aber was ist das Richtige?"

      Ich weiß es nicht.

      Aber überall um mich herum sehe ich Leute, die Dinge tun, die wahrscheinlich nicht richtig sein können. Am Montag las ich, dass in den USA die Verkäufe von Häusern und die Vergabe von Hypotheken "Rekordwerte schlagen könnten", laut Bloomberg. Die Amerikaner können schon jetzt ihre Rechnungen kaum noch bezahlen. Wie kann es da Sinn für sie machen, sich neue Häuser zu kaufen und neue Hypotheken aufzunehmen?

      Und ich entdecke, dass die Leute immer noch Aktien kaufen, die fast auf dem höchsten Niveau der Geschichte stehen ... ich will dazu nicht mehr sagen. Denn ich weiß auch nicht mehr als jeder andere, was die Aktienkurse tun werden, aber zu diesen Kursen noch zu kaufen, das kann doch nicht "das Richtige" sein.

      Und in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Economist" habe ich gelesen, dass nicht nur die Kleinanleger sehr leichtsinnig werden. Offensichtlich gehen auch die Banken in ihren Handelsabteilungen immer größere Positionen ein, in einer Weise, die "nicht unähnlich" der Weise ist, die die Genies des LCTM-Hedgefonds eingegangen waren ... bevor dieser Hedgefonds Milliardenverluste erlitt und sich in Luft auflöste.

      Selbst die Ausländer können sich dieser Stimmung nicht widersetzen; wie die Fed berichtete, investieren sie weiterhin in US-Vermögensanlagen. "Abhängig davon, von wem man die Statistik erhält", schreibt mein Freund John Mauldin, "befinden sich 39–45 % der amerikanischen Staatsanleihen im Besitz von ausländischen Zentralbanken. Wenn man die Schulden des privaten Sektors mitberücksichtigt, dann ist dieser Prozentsatz noch größer. Und beim derzeitigen Niveau des Handelsbilanzdefizits würde dieser Wert in 5 Jahren auf 65 % wachsen."

      "Die USA waren in den letzten paar Jahren für 96 % des weltweiten Wirtschaftswachstums verantwortlich. Deshalb können die ausländischen Nationen entweder den Dollar fallen lassen und damit weniger für ihre Produkte erhalten, oder sie können die fallenden Dollar nicht mehr akzeptieren, aber dafür müssten sie unter einer unausweichlichen Wachstumsabschwächung ihrer Volkswirtschaften leiden. Ersteres ermöglicht es ihnen, ihre Arbeitskräfte weiter produzieren zu lassen ..."

      Ich weiß nicht genau, was vor sich geht, aber kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht mehr Hinweise erhalte Ich sehe es in der Weltwirtschaft ... in ihrem Geldsystem ... und auch in der Politik. Meiner Ansicht nach ist das Topp von einem Kreditzyklus erreicht. Die Leute scheinen erheblich zu zuversichtlich zu sein ... erheblich zu selbstgefällig ... erheblich zu sicher, dass sie das erhalten werden, was sie wollen – anstatt das, was sie verdienen.

      Ich weiß nicht, wie diese Zuversicht zerstört werden wird. Aber meine Weltanschauung ... oder ist es meine Erfahrung ... sagt mir, dass sie irgendwann, irgendwie, irgendwo zerstört werden wird. Andernfalls wäre es eine noch verrücktere Welt, als ich denke. Die Dinge könnten steigen, ohne fallen zu müssen. Wir würden Sommer haben ... aber keinen Winter. Es würde das Gute geben, aber nichts Böses. Man könnte sich verschulden, ohne zurückzahlen zu müssen. Man könnte soviel trinken wie man will, ohne einen Kater zu bekommen ... und überall im Land würde aus den öffentlichen Brunnen Bier strömen.

      Ich bin seit ein paar Tagen in der Paradieswelt von Nicaragua. Vielleicht hat sich alles verändert. Aber das ist nicht die Welt, an die ich mich erinnere.

      In der Welt, an die ich mich erinnere, steigt der Goldpreis ... weil das smarte Geld weiß, dass irgendetwas schief läuft. Deshalb kaufen die institutionellen Anleger Gold, als Absicherung ... und sie freuen sich, wenn sie es billiger bekommen können.

      Jetzt zu Eric Fry nach New York City:
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      Korrektur beim Goldpreis vorbei?

      von unserem Korrespondenten Eric Fry an der Wall Street

      "Die Toten können nicht reden", darüber lamentiert Bill Bonner oft. Deshalb suchen die meisten Investoren den Rat der Lebenden. Allerdings suchen die Investoren zu oft den Rat von den Lebenden, die ihren Lebensunterhalt an der Wall Street mit falschem Rat für die Investoren verdienen.

      Allerdings sucht eine obskure Minderheit von Investoren den Rat der Verstorbenen – von Männern wie Benjamin Graham oder Leonardo Pisano Fibonacci. Fibonacci lebte vor ungefähr 800 Jahren. Aber seine eindrucksvollen mathematischen Beobachtungen haben eine Art von Unsterblichkeit unter den "technischen" Investoren erhalten ... wenn ich gezwungen würde, mich zu entscheiden, dann würde ich lieber auf diesen toten italienischen Mathematiker als auf die lebenden Analysten der Wall Street hören.

      Fibonacci meinte, dass das Leben sich oft nach vorhersehbaren numerischen Mustern entwickelt. Er hatte auch eine Vorliebe dafür, profunde mathematische Prinzipien mit allgemeinverständlichen Metaphern zu illustrieren. Er schrieb zum Beispiel: "Ein Mann steckt ein Paar Hasen in einen Platz, der von allen Seiten von einer Mauer umgeben ist. Wie viele Paare von Hasen hat man nach einem Jahr, wenn man annimmt, dass ein Hasenpärchen sich jeden Monat um ein neues Hasenpaar vermehrt, und dass ein solches Hasenpärchen ab dem zweiten Monat selbst produktiv wird?"

      Ich kenne die Antwort auf diese hypothetische Frage von Fibonacci nicht. Biologie ist nicht meine Leidenschaft. Aber ich habe das folgende vorhersehbare Muster bemerkt: "Ein Mann steckt ein Paar von Wall Street Analysten in einen Raum, zusammen mit einem Paar Kunden. Nach einigen Monaten und zahlreichen Versuchen der Investmentbanker, sich mit den Kunden fortzupflanzen, haben die Kunden sich um kein einziges Paar fortgepflanzt. Aber sie verlieren alles Geld, das sie hatten, als sie den Raum betreten hatten."

      Die heutigen Analysten haben die Arbeit von Fibonacci für sich in Anspruch genommen, um – wie sie glauben – irgendwie prognostizierbare Muster für die Richtung der Finanzmärkte zu finden. Allgemein gesprochen, sind die Finanzmärkte natürlich extrem prognostizierbar ... sie steigen, dann fallen sie, und dann steigen sie wieder.

      Aber die genauen Wechselpunkte zu bestimmen, das ist schon ein bisschen problematischer ... selbst für Anhänger von Fibonacci. Aber viele technische Analysten widmen ihre Aufmerksamkeit den speziellen Zahlen dieses toten Mannes.

      Basierend auf ein paar "klassischen" Fibonacci-Zahlen wird der S&P 500 laut Elliotwave.com genau heute (oder mit wenigen Tagen Abstand) ein wichtiges Topp erreichen. "Das Allzeithoch beim S&P 500 wurde am 23. März 2000 erreicht", erklärt Jay Shartsis. "Wenn man dann die Fibonacci-Zahl von 987 hinzuaddiert, dann kommt man auf den 25. Februar 2004. Und wenn man sich dann das Tief ansieht, das am 21. September 2001 – kurz nach den Terroranschlägen des 11. September – erreicht wurde, und dann die Fibbonaci-Zahl von 610 addiert, dann kommt man auch auf den 25. Februar 2004, als Ziel für ein Topp beim S&P 500."

      Sind Sie noch da?

      Shartsis betont ein paar Zahlen, die er selbst herausgefunden hat: "Am 1. Dezember stand der Dow Jones bei 9.899 Zählern, und an diesem Tag erreichten 627 Aktien an der New Yorker Börse (NYSE) neue Tageshochs. Diesen Montag erreichte der Dow Jones 10.688 Punkte, aber es gab nur 233 neue Tageshochs bei Aktien. Das ist eine auffällige negative Divergenz, bei einem Dow Jones-Zuwachs von 740 Punkten."

      Fibonacci hat laut Greg Weldon (Herausgeber von "Weldon`s Metal Monitor") auch etwas Wichtiges über den Goldmarkt zu sagen. "Also wie weit kann das Gold laufen? Die langfristigen, wöchentlichen Charts zeigen zahlreiche mögliche ABWÄRTS-Kursziele." Weldon verweist auf einige "Fibonacci-Retracements", um die Marken von 387, 362 und 342 Dollar als Abwärtsziele zu nennen.

      Ganz bestimmt schien es für den Goldpreis in den letzten Tagen am leichtesten sein, etwas nachzugeben. Aber das hat sich heute ja auch schon wieder geändert, der Goldpreis steht ja schon wieder über 400 Dollar. Und man sollte nicht vergessen, dass sich in einer Welt mit gehebelten Finanzmärkten und einem US-Leistungsbilanzdefizit von einer halben Billion Dollar die Wege des geringsten Widerstands sehr abrupt ändern können. Basierend auf meiner Analyse – und auf den Fibonacci-Zahlen, die ICH benutze – wird der Goldpreis entweder fallen oder steigen. Wenn er steigt, dann wird mich das freuen. Und wenn er fällt, dann werde ich ein paar mehr meiner Dollarscheine in Feinunzen Gold eintauschen.

      -------------------------

      Rechtfertigung für die Fed?

      von Dr. Kurt Richebächer

      Offensichtlich gibt es einen allgemein überwältigenden Optimismus, was die US-Wirtschaft betrifft. Die positiven Argumente klingen so:

      13 Zinssenkungen und das niedrigste Zinsniveau seit Jahrzehnten; eine Politik des leichten Geldes; starke fiskalische Stimulierung; lange und starke Rally am Aktienmarkt; nachhaltige, massive Schaffung von Reichtum, dank den steigenden Immobilien- und Aktienpreisen; ein bevorstehender, kraftvoller Boom beim Output, wegen der weit verbreiteten Notwendigkeit, die niedrigen Lagerbestände aufzustocken; und die starke Stimulierung der Exporte durch die Dollarschwäche.

      Sicherlich – eine beeindruckendere Liste von wachstumsfördernden Einflüssen kann man sich kaum vorstellen. Und immer mehr wirtschaftliche News, die über den Erwartungen liegen, scheinen viele Leute hinweg getragen zu haben.

      Ich bin nicht hinweg getragen worden. Viel von dem, was ich heute lese und höre, erinnert mich an ein Buch von Paul Krugman, das 1990 herausgegeben worden war: "Das Zeitalter der verringerten Erwartungen". Das Hauptthema dieses Buches war die Beobachtung, dass "relativ zu dem, was jeder vor 20 Jahren erwartete, unsere Wirtschaft sich fürchterlich entwickelt hat." Krugman drückt sein Erstaunen darüber aus, "wie bereitwillig die Amerikaner ihre Erwartungen der Performance angepasst haben, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass das Management unserer Wirtschaft aus politischer Sicht wie ein großer Erfolg aussieht."

      Es scheint mir, dass besonders die Politik von US-Regierung und Fed allgemein als großer Erfolg gesehen werden.

      Ich möchte an dieser Stelle einfach einmal sowohl die nominale als auch die reale (unter Abzug der Inflationsrate) Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zwischen den USA und der Eurozone vergleichen, und zwar für den Zeitraum von Ende 2000 bis zum dritten Quartal 2003. Gemessen am realen BIP wuchs die US-Wirtschaft in diesem Zeitraum insgesamt um 6,9 %, verglichen mit 4,5 % Plus für die Eurozone. Aber wenn man sich das nominale BIP-Wachstum ansieht, dann wird der Unterschied bedeutend kleiner: Einem US-Wachstum von 13,1 % steht eins von 12,2 % für die Eurozone gegenüber.

      Wie ich wiederholt betont habe, ist das überlegene Wirtschaftswachstum der USA zu einem großen Teil – wenn auch nicht alleine – den gesunkenen Inflationsraten zu verdanken. Die Preise (Preis-Deflator des BIP) sind in den USA von Ende 2000 bis zum dritten Quartal 2003 um 5,8 % gestiegen, während die Preissteigerung der Eurozone bei 7,5 % lag.

      Wenn man sich die parabolischen Kreditexzesse der US-Wirtschaft ansieht, dann sollte die Relation zwischen Inflation und Zinsen genau andersrum aussehen. Aber da die amerikanischen staatlichen Statistiker von den Politikern und besonders von Alan Greenspan dazu gedrängt werden, möglichst niedrige Inflationsraten zu produzieren, haben diese Statistiker hart gearbeitet, um sich diesem Druck beugen zu können. Besonders dadurch, dass sie Qualitätsverbesserungen als Preisreduzierungen werten.

      Und wenn man die Inflationsrate so untertreibt, dann übertreibt man die reale Wirtschaftswachstumsrate. Wenn man die Preise akkurater messen würde, dann würde das Wirtschaftswachstum ganz bestimmt besser mit der schlechten Performance am US-Arbeitsmarkt korrelieren.

      Meiner Ansicht nach braucht die allgemeine Wahrnehmung, dass die US-Wirtschaft sich weiterhin außerordentlich besser als die der Eurozone entwickelt, eine drastische Korrektur.
      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 27.02.04 22:21:30
      !
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      Avatar
      schrieb am 27.02.04 22:34:34
      Beitrag Nr. 1.422 ()
      Inland
      Ulrich Schwemin

      Angst vor der Zukunft

      Sozialreport 2004 vorgestellt: Daten und Fakten zur sozialen Lage in den ostdeutschen Bundesländern

      (im Westen scheint es aber auch nicht besser zu sein ! ob der Schein trügt?)

      In Ostdeutschland tickt eine Zeitbombe. Die Zuversicht der Menschen in die Zukunft nimmt in dem gleichen hohen Tempo ab, wie soziale Ängste zunehmen. Das Vertrauen in die Parteien nähert sich dem Nullpunkt. Das ist die Quintessenz des am Freitag in Berlin vorgestellten Sozialreports 2004 des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg e.V. (SFZ). Seit 1990 trägt das SFZ, finanziell unterstützt von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und dem Sozialverband Volkssolidarität, in diesem Bericht jährlich Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern zusammen.

      Für den aktuellen Report, so der Herausgeber und SFZ-Geschäftsführer Prof. Dr. Gunnar Winkler, wurden im August/September vergangenen Jahres 1360 repräsentativ ausgewählte, in den ostdeutschen Bundesländern lebende Erwachsene befragt.

      Waren 1999/2000 noch 59 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Leben, ist diese Zahl inzwischen auf 43 Prozent gesunken. Ausdrücklich betonte Winkler, daß diese Zufriedenheitsverluste nicht Ausdruck inzwischen gewachsener, aber nicht befriedigter Ansprüche seien, sondern reale Wohlstandsverluste reflektierten. Untersetzt wird das durch die Tatsache, daß mit rund 45 Prozent nahezu jeder zweite Befragte eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage im Vergleich zu vor fünf Jahren registrierte und nur 13 Prozent eine Verbesserung. 35 Prozent erwarten in den kommenden fünf Jahren weitere negative Veränderungen. Noch aufschlußreicher werden diese Zahlen im Vergleich zu 2002: Damals ging noch jeder zweite Befragte (51 Prozent) davon aus, daß sich seine Zukunftsaussichten gegenüber den vergangenen Jahren verbessert hätten; »nur« gut jeder dritte (37 Prozent) sah Verschlechterungen. Unter den 50 bis 60jährigen gaben im aktuellen Report sogar 67 Prozent an, daß sich ihre Lebensperspektive verschlechtert hätte.

      Eine der wichtigsten Grundlagen für diese Wertung ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Nur sieben Prozent der Befragten glauben hier an eine Entspannung der Situation, 68 Prozent dagegen an eine Verschärfung. Über die Hälfte (55 Prozent) der im Erwerbsleben Stehenden fühlen sich von Arbeitslosigkeit bedroht.

      Von zunehmendem Realismus zeugt auch der Wandel der Erwartungen in bezug auf die den Ostdeutschen 1990 unisono versprochene Einkommensangleichung. 1993 gingen noch 76 Prozent der Befragten davon aus, daß diese innerhalb von zehn Jahren erfolgen würde, nach Ablauf dieser Dekade nehmen das nur noch 22 Prozent an. Ähnlich rasant weitete sich der Pessimismus in der Rentenfrage aus. Nur drei (!) Prozent glauben noch an den Spruch von Norbert Blüm »Die Renten sind sicher«.

      Folgt man dem Sozialreport, befinden sich zumindest die ostdeutschen Bundesländer in einer viel tieferen Krise, als Schröder, Müntefering, Fischer und Co. das eingestehen. Denn trotz RTL und Bild scheinen die Menschen ihre Umwelt immer wirklichkeitsgetreuer wahrzunehmen. Jedenfalls finden die sogenannten Sozialreformen der Schröder-Regierung keine bzw. nur geringe Akzeptanz. »Sie werden als Entscheidung gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger angesehen. Die Diskussions- und Mitbestimmungsmöglichkeiten werden als unzureichend bewertet«, betonte Winkler. Auch das Vertrauen in die Parteien ist tief erschüttert.

      Die Frage, wer am ehesten die Interessen der Bürger vertrete, haben immerhin 43 Prozent mit »niemand« beantwortet, und sechs Prozent enthielten sich jeglicher Aussage. Die Hälte aller Befragten sieht sich also weder durch die Regierung noch durch die Opposition vertreten. 16 Prozent beantworteten dagegen diese Frage zugunsten der CDU/CSU, für die SPD und die PDS entschieden sich jeweils 13 Prozent.

      In einem gewissen Widerspruch zu dieser relativ klaren Wertung steht die Tatsache einer hohen Uninformiertheit über die konkreten Fakten des Kahlschlags der Sozialsysteme. Nur 42 Prozent meinen, darüber Bescheid zu wissen. Gleichzeitig steigt die Ausländerfeindlichkeit. 47 Prozent stimmen der Aussage, daß Ausländer »auf unsere Kosten leben und unsere Sozialleistungen ausnutzen« voll und ganz und 37 Prozent teilweise zu – macht zusammen 84 Prozent. Aber offensichtlich trauen die Leute sich auch selber nicht: Dem Spruch »wer arbeiten will, findet auch Arbeit« stimmen immerhin zehn Prozent der Befragten, die sich doch mehrheitlich selbst von Arbeitslosigkeit bedroht sehen, voll und 51 Prozent teilweise zu.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-28/011.php
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      schrieb am 27.02.04 22:40:11
      Beitrag Nr. 1.423 ()
      Inland
      Richard Färber

      Union und FDP rechts überholt

      Der SPD-Bundestagsabgeordnete Reinhold Robbe predigt patriotischen Lohn- und Urlaubsverzicht

      er kann ja auf seine Diät verzichten. Der soll lieber mal "Gedankendiät" machen , damit sein Gehirn wieder bei Sinnen ist.:mad: :mad:

      Eine Protestwelle unter Gewerkschaftern in Ostfriesland hat der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises der SPD und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Reinhold Robbe, ausgelöst. Der Abgeordnete aus dem ostfriesischen Bunde sprach diese Woche in einem Interview mit der Oldenburger Nordwestzeitung von »notwendigen Veränderungen, von denen niemand ausgenommen bleiben kann«. Konkret verlangte er Lohn- und Urlaubsverzicht sowie flexible Arbeitszeitkonten. O-Ton Robbe: »Jeder in unserem Wirtschaftssystem muß sich Gedanken machen, wie kann auch ich dazu beitragen, das Land wieder nach vorne zu bringen – mit gesundem Patriotismus.«

      Der Parlamentarier liefert indes nicht mehr als etwas Schützenhilfe für Gerhard Schröder, Franz Müntefering, Wolfgang Clement und deren grüne Koalitionspartner, die längst zum Generalangriff auf sämtliche Errungenschaften der Arbeiterklasse geblasen haben. Erst vor wenigen Tagen haben Schröder und der designierte SPD-Chef Müntefering in einem Schreiben an die SPD-Untergliederungen für eine Fortsetzung der »Reformpolitik« geworben und angekündigt, sich jetzt verstärkt um die Rente und die Pflege kümmern zu wollen.

      Der ostfriesische DGB-Vorsitzende Peter Goldschmidt bezeichnete die Äußerungen des SPD-Rechtsaußen als »töricht und arrogant«. Er nannte es »skandalös, daß der Abgeordnete, der als Mitglied des Bundestages zu den Privilegierten dieser Gesellschaft gehört«, diese Selbstbeschneidung von den Beschäftigten erwarte. Auch die IG Metall übte scharfe Kritik an Robbes Äußerungen. Der Gewerkschafter und Personalrat Tony Kofoet meinte gegenüber jW, Robbes Äußerungen zeigten, »was in den nächsten Monaten kommt, wenn der SPD nicht von unten der Marsch geblasen wird. Die arbeitenden Menschen sollten Robbe und Co. am 3. April die entsprechende Antwort geben und gegen den Sozialkahlschlag demonstrieren. Kofoet weiter: Wer von Arbeitern, Arbeitslosen und Rentnern »Patriotismus« fordere und gleichzeitig »den Großkonzernen seit Jahren Steuergeschenke macht«, obwohl die große Teile ihrer Produktion in Billiglohnländer verlagert haben, sei »entweder dumm oder will die Öffentlichkeit für dumm verkaufen«. Unter der SPD/Grünen-Regierung habe in fünf Jahren eine Umverteilung von unten nach oben stattgefunden, für die eine CDU-Regierung Jahrzehnte gebraucht hätte.

      Robbe gilt indes allerdings als »Schröders letztes Aufgebot«. Falls im Rahmen einer Kabinettsumbildung Finanzminister Hans Eichel seinen Job verliert und Verteidigungsminister Peter Struck ins Finanzressort wechseln würde, könnte Robbe Strucks Nachfolger werden.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-28/013.php
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      schrieb am 27.02.04 22:42:56
      Beitrag Nr. 1.424 ()
      Inland
      Mag Wompel

      Pleite mit Ansage

      Der Fall der niederländischen Arbeitsvermittlungsfirma Maatwerk war absehbar


      Als an dieser Stelle am 17. Januar (»Unzumutbar. LabourNet Germany nahm ›Arbeitsvermittlung‹ von Personal-Service-Agenturen unter die Lupe«) die Praxis der Personal-Service-Agenturen (PSA) am Beispiel Maatwerk untersucht wurde, stand ihre offensichtliche Disfunktionalität aus der Sicht der betroffenen Erwerbslosen im Vordergrund. Dies ist und bleibt die allerwichtigste Perspektive. Nun ist die niederländische Arbeitsvermittlungsfirma als der größte PSA-Träger in aller Munde – allerdings nur unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Disfunktionalität. Immerhin hat die Insolvenz von Maatwerk Deutschland dafür gesorgt, daß endlich die Sinnhaftigkeit von Personal-Service-Agenturen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Dennoch basiert diese Debatte auf vielen Lügen.

      Erstens kam die Maatwerk-Pleite keinesfalls unerwartet, auch wenn sich die Bundesagentur für Arbeit überrascht zeigt. Sie wußte spätestens seit Herbst 2003 aus zahlreichen Arbeitsamtsbezirken von den Problemen mit dieser Firma. So berichtete die Frankfurter Rundschau nach der Pleite, daß es schon Wochen zuvor auch in Hessen Probleme mit dieser PSA gab und die Frankfurter Arbeitsagentur Maatwerk keine Arbeitslosen mehr zugewiesen und dem Unternehmen mit der Kündigung gedroht hatte. Maatwerk war tatsächlich in vielen Städten ins Visier der Arbeitsverwaltung geraten: in Hannover als PSA seit letztem Sommer, in ihrer Tätigkeit für das Sozialamt der Stadt bereits seit Jahren. In Rostock klagte die Kommune zum Zeitpunkt der PSA-Ausschreibung gegen Maatwerk wegen arglistiger Täuschung bei der Vermittlung von Sozialhilfeempfängern seit 1997. Das hielt die Stadtverwaltung nicht davon ab, dieser Firma einen Zuschlag für die Einrichtung von PSA zu geben. Letztes Beispiel für viele: In Berlin hatten 2003 mindestens drei Bezirke die Zusammenarbeit mit Maatwerk gekündigt.

      Zweitens war die Pleite als PSA keinesfalls ein Ausrutscher eines ansonsten vorbildlichen Unternehmens. Die oben genannten und weitere bekannte Beispiele aus der Maatwerk-Tätigkeit für die Sozialämter beweisen dies.

      Drittens ist Maatwerk in diesem Zusammenhang kein Einzelfall, wie uns Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der BA, weismachen will: »Man kann von Maatwerk nicht auf andere Betreiber schließen«. Doch, man kann. Über mangelnde oder unqualifizierte Vermittlungsbemühungen, schlechte Bezahlung und ausbleibende Qualifizierung in vermittlungsfreien Zeiten wird auch von anderen PSA-Betreibern berichtet. Aus diesen Gründen ist im letzten Jahr im Bundesgebiet einigen PSA (z. B. in Bitburg) mangels ausreichenden Erfolgs gekündigt worden. Und nur eine Woche nach Bekanntgabe der Maatwerk-Pleite hat in Trier der nächste PSA-Betreiber Insolvenz anmelden müssen.

      Viertens wird es der Bundesagentur für Arbeit schwer gelingen, den Schwarzen Peter Maatwerk zuzuschieben und die Grundstruktur der PSA außen vor zu lassen. Denn in der Tat »weisen die Verträge mit den rund 1 000 Personal-Service-Agenturen (…) schwere handwerkliche Mängel auf (WirtschaftsWoche). Wenn sich die Bundesagentur beschwert, daß es – nicht nur bei Maatwerk – gängige Praxis ist, Arbeitslose erst knapp vor Monatsende einzustellen, sie kurz nach dem Monatsanfang wieder zu entlassen und dafür zwei monatliche Fallpauschalen der Bundesagentur für Arbeit zusätzlich zu kassieren, sei daran erinnert, daß sie dies selbst vertraglich ermöglicht hat. Bei den Entscheidungen nach den Ausschreibungen für die PSA fanden qualitative Leistungsmerkmale kaum Berücksichtigung. Sonst hätte Maatwerk kaum Hunderte Zuschläge für PSA bekommen, ohne in den entsprechenden Städten auch nur ein Büro zu haben.

      Denn fünftens und letztens sind die PSA, selbst wenn sie kaum vermitteln können, keinesfalls disfunktional. Natürlich ist eine massenhafte PSA-Pleite peinlich und wirft die Regierung in der Arbeitslosenstatistik zurück – deren Beschönigung war schließlich die wichtigste Funktion des staatlichen Zwangs zur Sklavenarbeit. Dieser Zwang soll weiter intensiviert und damit die Ausdehnung des Billiglohnsektors beschleunigt werden. Hier leisten PSA, auch ohne zu vermitteln, eine herausragende Rolle. Aus dieser erklärt sich auch, warum Maatwerk, obwohl bekanntermaßen kein Vorbildunternehmen, ein Drittel aller PSA betreiben durfte. Denn Maatwerk hatte bereits im Frühjahr 1997 beim ersten Projekt in Hamburg seine Philosophie folgendermaßen erläutert: »Vor allem in sozial benachteiligten Vierteln und Straßen mit hoher Arbeitslosigkeit herrscht nicht selten die Vorstellung vor, daß Arbeit ›nur etwas für Dumme‹ ist. Die erfolgreiche Vermittlung von Leuten aus solchen Vierteln oder Straßen – und der sichtbare stabilisierende Effekt einer regelmäßigen Arbeit – kann hier eine wichtige Vorbildfunktion erfüllen.« Dieses Anliegen ist 2004 dem Bund 600 Millionen Euro wert. Nächste Woche wird im LabourNet Germany ein aktualisierter Bericht zu Maatwerk erscheinen.

      http://www.jungewelt.de/2004/02-28/014.php
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      schrieb am 27.02.04 22:54:15
      Beitrag Nr. 1.425 ()
      Inland


      Gersters teures Erbe
      (sein Abgang wurde noch fürstlich belohnt, da er ja von Miss"Erfolg"gekrönt war.Die Schatztruhe des Staates ist eben nur für solche Personen geöffnet."Sesam öffne dich" und schon ist die Sache gegessen.):(



      Bei Verdacht auf Korruption bei der Bundesagentur für Arbeit wegen Kostenexplosion bei Internet-Jobportal

      Die Bundesagentur für Arbeit hat wegen der Kostenexplosion bei ihrer Online-Jobbörse die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Es bestehe Verdacht auf Korruption, sagte Behördenchef Frank-Jürgen Weise in Zeitungsinterviews. Für den Aufbau des Portals seien Aufträge in einem Volumen von 15 Millionen Euro ohne Genehmigung der Vergabestelle erteilt worden. Auch der Bundesrechnungshof sei alarmiert. Ende Januar war Weises Amtsvorgänger Florian Gerster wegen umstrittener Beraterverträge entlassen worden.

      Weise sagte der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitagausgaben), die Innenrevision der Behörde habe die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die den Berichten zufolge aber vorerst auf ein Ermittlungsverfahren verzichtet. Zunächst müsse die Bundesagentur konkrete Verdachtspersonen benennen und weitere Akten vorlegen. Dann wolle die Staatsanwaltschaft den Fall erneut prüfen.

      Der SZ sagte Weise, es sei zu prüfen, ob es sich um Täuschung oder schlechtes Management handele. Der Vizechef des BA-Verwaltungsrates, Peter Clever, sagte dem Blatt dagegen, es handele sich um Aktivitäten, die weit über Schlamperei hinausgingen. Sowohl das Aufsichtsgremium als auch der Vorstand seien bewußt falsch informiert worden.

      Die Bundesagentur hatte am Mittwoch überraschend mitgeteilt, daß der Ausbau ihres Online-Portals vorerst gestoppt werde. Eine Risikoanalyse habe ergeben, daß bis 2008 Kosten von 165 Millionen Euro drohten. Ursprünglich waren 65 Millionen Euro geplant. Projektleiter Jürgen Koch wurde von seinem Posten entbunden, laut Süddeutscher Zeitung soll er dem BA-Vorstand die Kostenexplosion verschwiegen haben. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf verläßliche Informationen, bei der BA seien detaillierte anonyme Hinweise auf Bestechung und Vorteilsnahme eingegangen. Weise sprach im Gespräch mit der Zeitung von Hinweisen auf eine »zu große Nähe« zwischen Behörde und Auftraggebern.

      Bereits die Etablierung des neuen Jobportals war höchst umstritten, zumal viele Landesarbeitsämter bereits mit einem Jobportal arbeiteten, das laut Medienberichten der neu eingeführten Technik gegenüber in Sachen Zweckmäßigkeit und Zielgenauigkeit weit überlegen war.

      (AP/jW)http://www.jungewelt.de/2004/02-28/015.php
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      schrieb am 03.03.04 15:56:09
      Beitrag Nr. 1.426 ()
      Innenstadt-Maut für Deutschland erstmals offiziell gefordert


      Nachdem im vergangenen Jahr in London eine Innenstadt-Maut eingeführt wurde, als verknappt und verteuert wurde anstatt die Verkehrsinfrastruktur zu verbessern, prophezeite der BWL-Bote, daß dies auch für Deutschland vorgesehen sei. Nunmehr wurde erstmals die Einführung einer solchen Autofahrer-Sonderabgabe in Deutschland auch tatsächlich gefordert.

      Insbesondere hat der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt, die Einführung einer solchen Sondersteuer nach Londoner Vorbild angeregt. Die "Congestion Charge" sei in London ein "voller Erfolg", so daß auch Großstädte in Deutschland vergleichbare Projekte zur Füllung ihrer bekanntermaßen leeren Kassen prüfen sollten. Insbesondere sollten Einrichtungen mit besonders schlechter Kassenlage wie Schwimmbäder oder Büchereien davon profitieren.

      Hier verrät sich grüner Sachverstand gleich doppelt: zum einen ist verräterisch, daß Schmidt von einem "vollen Erfolg" spricht. Verknappung und Verteuerung, also Beschneidungen individueller Freiheiten, sind aus grüner Sicht offensichtlich Erfolge. Schlimmer noch, daß eine völlig zusammenhanglose Quersubvention vorgeschlagen wird: neben den Altschulden der Bahn, den Renten und dem allgemeinen Staatshaushalt, in den die üppigen Steuergelder des automobilen Verkehrsteilnehmers bekanntlich veruntreut werden, anstatt sie für den Straßenbau zu verwenden, soll der Motorist nunmehr auch noch Schwimmbäder und Bibliotheken mitfinanzieren, die er mangels Zahlungskraft und damit mangels Zugang zur Innenstadt möglicherweise niemals mehr benutzen kann.

      So offenbart sich in einer möglicherweise etwas unbedachten Äußerung der ganze totalitäre Charakter des grünen Zeitgeistes: der Buhmann der Nation soll zahlen, zugleich wieder ein Stück Freiheit verlieren - und dafür möglichst noch applaudieren, denn er rettet den Planeten. Freie Fahrt für freie Bürger, der oft diffamierte Satz ist in einer Zeit der Totalüberwachung des Verkehrs aktueller den je. Mir verschlägt es aber fast die Sprache, mit welchem gewaltigen Tempo derzeit bürgerliche Freiheiten demontiert werden.
      http://www.bwl-bote.de/index.htm
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      schrieb am 03.03.04 15:56:44
      Beitrag Nr. 1.427 ()
      „Is was?“ – Die Erholung des Dollar ist nur eine Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt
      (03.03.2004)

      Der US-Dollar erholt sich rasant. Technisch orientierte Analysten überrascht dies nicht. „Jeder und seine Schwester“ waren bis zuletzt auf der Baisse-Seite dieser Währung. Gemeint sind damit die Fonds und die Eigenhandelsabteilungen vieler Finanzinstitute.

      So rasante Wechselkursveränderungen schreien nach fundamentalen Begründungen. Vielen reicht ein Griff in die Schublade der Standardargumente, unter denen natürlich die These von der sich angeblich so gut entwickelnden Wirtschaft in den USA obenauf liegt. Diese Argumente bestechen vielleicht, aber ob sie wirklich stechen, müssen wir noch sehen.

      Am großen Bild, das von den riesigen internen und externen Defiziten der USA geprägt wird, hat sich nicht viel geändert. Und es steht auch nicht zu erwarten, dass sich die finanzielle Situation der USA in absehbarer Zeit grundlegend bessert.

      Was derzeit mit dem Dollar geschieht, ist Technik nach dem Lehrbuch. Die Dollar-Baissiers müssen aus ihren Positionen heraus, während die Dollar-Haussiers ihre Stunde gekommen sehen. Dies erzeugt enormen Kaufdruck, der sich nicht innerhalb weniger Tage verflüchtigt. Es kann Wochen, ja Monate dauern, bis die Sinne wieder hinreichend für die Dollar-Risiken geschärft sind.

      Eines darf nie vergessen werden: Es kann nicht im Interesse der Regierung Bush sein, die Abwertung des Dollar aufzuhalten oder sogar umzukehren. Die Verantwortlichen in Washington wissen sehr genau, dass die externen Defizite der USA letztlich nur über höhere Exporte und geringere Importe (sprich: Konsumverzicht) abgebaut werden können.

      Der einzige gangbare Weg, dies zu erreichen, ist eine Abwertung des Dollar. Dass dies keine Einbahnstraße sein kann und auch nicht sein darf, müsste jedermann einleuchten. Andernfalls würde über kurz oder lang das Chaos am internationalen Devisenmarkt regieren.

      Fazit: Der Dollar kommt gegenwärtig wieder auf die Beine, doch er ist so schwach, dass er sich nicht lange aus eigener Kraft halten kann und wieder in die Knie gehen wird. Nur muss verhindert werden, dass er schlagartig K.O. geht.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      www.taurosweb.de
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      schrieb am 03.03.04 15:58:37
      Beitrag Nr. 1.428 ()
      Kommentar
      Rainer Balcerowiak

      Schröders Hiwis

      DGB-Spitze ließ sich im Kanzleramt vorführen


      Am »Reformkurs« der Bundesregierung könne es »keinen Zweifel geben«. Der dies am Dienstag im Deutschlandradio verkündete, war nicht etwa der Bundeskanzler oder einer seiner Satrapen, sondern einer der einflußreichsten Gewerkschaftsfunktionäre der Republik: Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie. Am Vorabend hatten DGB-Chef Michael Sommer und andere Gewerkschaftsspitzen beim Kanzler gesessen, um untertänigst ein paar kleine »Korrekturen« und »Verbesserungen« anzuregen. Laut Sommer betraf das die künftige Verpflichtung für jeden Arbeitslosen, jegliche Tätigkeit zu jeglichem Lohn annehmen zu müssen, sowie die Gefahr, daß auf Arbeitszeitkonten angesammelte Mehrarbeit im Insolvenzfall verfällt. Zwar habe der Kanzler keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, entsprechende Regelungen in den »Reformgesetzen« zu ändern, aber immerhin habe man bei Schröder »Nachdenklichkeit erzeugen können«, freute sich anschließend der DGB-Chef von Nordrhein-Westfalen, Walter Haas.

      Das spricht Bände. Kein Wort mehr von der drohenden Massenverarmung durch die Absenkung der Arbeitslosenhilfe und des Rentenniveaus oder die Belastungen durch die »Gesundheitsreform«. Dafür nahezu überschwengliche Lobeshymnen auf den Kanzler, weil dieser in Erwägung zieht, den Beschluß seiner eigenen Partei zur Einführung einer Ausbildungsabgabe für nichtausbildende Betriebe verbal zu unterstützen.

      Bleibt die Frage, warum der DGB und alle seine Einzelgewerkschaften überhaupt zu den Protestaktionen am 3. April aufrufen, wenn man wie Schmoldt erklärtermaßen »nicht den Eindruck erwecken will, die grundsätzliche Linie (der Regierung) verändern zu wollen«. Während Schmoldt die geplanten Demonstrationen als »Werbung für ein soziales Europa« verstanden wissen will, scheint Sommer durchaus bewußt zu sein, daß es an der Basis brodelt und es höchste Zeit wird, drohende »wilde« Proteste zu kanalisieren und abzuwürgen. Im Frühjahr 2003, als die »Agenda 2010« auf den Markt kam, ist das recht gut gelungen, weil die irrationale Beißhemmung vieler Gewerkschafter gegenüber einer SPD-geführten Regierung noch nicht überwunden war. Ob sich die unzähligen Menschen, die – anders als Sommer und Schmoldt – von den »Sozialreformen« unmittelbar materiell betroffen sind, auch weiterhin mehrheitlich von der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführung verschaukeln und auf eine rituelle Latsch- und Schimpfdemo am 3. April beschränken lassen, ist allerdings noch nicht ausgemacht.
      http://www.jungewelt.de/2004/03-03/002.php
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 16:24:15
      Beitrag Nr. 1.429 ()
      Mannesmann-Staatsanwälte decken auf, dass die Gewerkschaften seit den 50er Jahren ihre Mitglieder täuschen

      Frankfurt - Die Mitglieder der Gewerkschaften werden seit den 50er Jahren systematisch von den Gewerkschaftsfunktionären getäuscht. Dies meldet das Wirtschaftsmagazin Euro (März-Ausgabe).

      Die Staatsanwälte im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess ermittelten, dass für sämtliche mitbestimmten Unternehmen von den Gewerkschaften zwischen "gewerkschaftspolitischer Linie" und "aktienrechtlicher Mitwirkung" unterschieden wird: Intern werden Entscheidungen mitgetragen, die den Mitgliedern gegenüber heftig kritisiert werden. Die Staatsanwälte ermittelten dabei eine streng geregelte Vorgehensweise, die nach Angaben der Beklagten Zwickel, Ladberg, Ackermann und Funk seit den 50erjahren in sämtlichen mitbestimmten Unternehmen ähnlich abläuft: In den Sitzungen der Präsidialausschüsse, die für Vorstandsverträge und -bezüge zuständig sind, legt der Vorsitzende einen Beschlussvorschlag vor, von dem es keine Kopie gibt. Beschlossen und unterschrieben wird nach kurzer Aussprache, bei der die Gewerkschaften bis auf wenige Ausnahmefälle den Vorschlag unterstützen.

      Laut der Euro vorliegenden bisher unveröffentlichten Anklageschrift gibt es weder schriftliche Informationen noch Kopien - und beide Seiten sind sich seit den 50er Jahren darin einig, dass strikte Diskretion gewahrt werden muss. Dies ermöglicht den Gewerkschaften aktienrechtlich zuzustimmen und gleichzeitig ihren Mitgliedern gegenüber die hohen Managergehälter zu verurteilen.

      Führende Aktienrechtler bezweifeln, dass die Gewerkschaftsvertreter damit ihren Pflichten (§ 111 Aktiengesetz), "die Geschäftsführung zu überwachen", nachkommen. Professor Theodor Baums: "So kommt ein Aufsichtsrat auf keinen Fall aus der zivil- oder strafrechtlichen Verantwortung heraus."

      Der DGB wollte sich zu dieser, im Fall Mannesmann brisanten Vorgehensweise nicht äußern. DGB-Bundesvorstand Dietmar Hexel kündigte an, dass "solchen Vergütungsbeschlüssen nicht mehr zugestimmt wird". Thomas Klebe, IG-Metall-Gewerkschaftssekretär und Aufsichtsrat bei DaimlerChrysler, will jetzt sicherstellen, "dass Aufsichtsräte so rechtzeitig informiert werden, dass sie die Entscheidungen des Vorstandes noch beeinflussen können."

      http://www.neuenachricht.de/A556D3/NENA/NENA_NEU.nsf/0/9B7D8…



      --------------------------------------------------------------------------------

      Ein immer wieder lesenswertes Zitat ! Ist mir mal wieder zufällig über den Weg gelaufen:

      "We are completely dependent on the commercial Banks. Someone has to borrow every dollar we have in circulation, cash or credit. If the Banks create ample synthetic money we are prosperous; if not, we starve. We are absolutely without a permanent money system. When one gets a complete grasp of the picture, the tragic absurdity of our hopeless position is almost incredible, but there it is. It is the most important subject intelligent persons can investigate and reflect upon. It is so important that our present civilization may collapse unless it becomes widely understood and the defects remedied soon." -Robert H. Hemphill, Credit Manager of Federal Reserve Bank, Atlanta, Ga.

      http://home.columbus.rr.com/rossl/gold.htm

      Übersetzung:

      Wir sind völlig abhängig von den Geschäftsbanken. Jeder Dollar der umläuft, sei es als Bargeld oder Buchgeld, muss von jemandem geborgt sein. Wenn die Banken reichlich Geld aus dem Nichts erzeugen, geht es uns gut, wenn nicht, verhungern wir. Es gibt nicht so etwas wie ein dauerhaftes Geldsystem. Wenn man das erst einmal wirklich verstanden hat, erscheint das Absurde dieser hoffnungslosen Situation fast unglaublich, aber so ist es. Es ist wohl der wichtigste Sachverhalt, über den intelligente Menschen sich jetzt klar werden und nachdenken müssen. Es ist so wichtig, dass ein Zusammenbruch unserer gegenwärtigen Zivilisation auf dem Spiel steht, wenn es nicht allgemein verstanden wird und die Fehler rasch korrigiert werden.

      ---------------------
      Economic Data Point 2003 YTD Through 3Q Period End
      ..... .....
      Nominal GDP $484 billion
      Total Credit Market Debt Expansion $1,998 billion
      ..... .....

      Was nichts anderes heißt, als das für einen Dollar Wachstum 4,12 Dollar mehr Schulden notwendig sind. Wie das bei z.B. folgender Graphik auf Dauer aufrecht zu erhalten ist, ist mir schleierhaft. Aber das habe ich auch schon vor zwei Jahren gedacht . Wir werden es mitbekommen, so oder
      -------------------------

      Was muß ich da lesen ?

      .....
      Die Hälfte seiner Steuereinnahmen gibt der Bund laut dem Gutachten schon jetzt für die gesetzliche Rentenversicherung, für die Pensionen früherer Beamter sowie die Alterssicherung in der Landwirtschaft aus.
      .....
      Kann das wirklich war sein ? Schauen wir mal für 2003 nach [alles in Mrd. €]:
      Steuereinnahmen Bund = 191,9
      "Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten" = 77,3 Mrd. € (Guckst du auch HIER)

      Personalausgaben Bund = 27,2 (Aktivitätsbezüge= 20,7 + Versorgung= 6,5)

      Zuschuss an die Postbeamtenversorgungskassen = 5,1

      Landwirtschaftliche Sozialpolitik = 4,0

      (Datenquelle: BMF, Bericht über den Abschluss des Bundeshaushalts 2003 )


      Ergibt Ausgaben von 113,6 Mrd. € incl. Aktivbezüge, oder 92,9 Mrd. € nur mit Versorgung gerechnet ! Oder anders:
      59,19 % incl. Aktivbezüge, oder 48,41 % nur mit Versorgung gerechnet !


      Stimmt also tatsächlich ! UNFASSBAR !!
      http://www.miprox.de/News.html
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 16:30:52
      Beitrag Nr. 1.430 ()
      Abbau Ost, Junge Menschen verlassen die Neuen Länder - was bleibt, ist der Abwärtstrend


      Wer kann, der geht. Seit Jahren verlassen junge, mobile, und oft gut ausgebildete Menschen ihr Zuhause in Ostdeutschland. Hauptsächlich wegen eines Jobs haben seit 1990 fast eine Million Menschen den Weg in den Westen angetreten. Meistens kommen sie nie wieder in ihre Heimatregionen zurück. Folge: Der Osten blutet aus.


      In der Allgemeinen Förderschule von Seelow in Brandenburg steht "lebenspraktisches Lernen" auf dem Stundenplan. Wie fülle ich eine Banküberweisung aus, wo kann ich Sozialhilfe beantragen, wie bekomme ich Schulden in den Griff - das sind die Fragen, die in diesem Fach beantwortet werden sollen. Versuchsweise zumindest. Schulleiterin Anna Katharina Schulz weiß, dass ihre 210 Schützlinge es nicht leicht haben werden. "Unsere Kinder müssen lernen, ein selbstständiges Leben führen zu können."

      Lernziel Lebensnische
      Mit Rechnen und Schreiben haben es die Jugendlichen nicht so. Viel wichtiger ist es für die Mädchen und Jungen, von denen viele verhaltensauffällig sind, ihre Aggressionen in den Griff zu bekommen und ihre Sprachlosigkeit zu überwinden. "Sie müssen lernen, Freunde zu finden und sich zu äußern, ohne zu prügeln", sagte Anna Katharina Schulz. Meistens seien die Jugendlichen gut in handwerklichen Dingen, also geeignet für eine Lehre im praktischen Beruf. Sollte es damit aber nicht klappen - und die Schulleiterin rechnet damit - sollen die Schüler wenigstens "vorbereitet sein auf die Arbeitslosigkeit."

      Was nach völliger Aussichtslosigkeit klingt, ist Teil einer Abwärtsspirale, die sich in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands immer schneller dreht. Auslöser ist die jahrelange Abwanderung leistungsfähiger Menschen in den Westen. Herausgefunden hat das die Bundeswehr bei Rekrutenbefragungen. Ausgerechnet diejenigen jungen Männer, die aus Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und deshalb hoher Fluktuation kamen, haben bei den Intelligenztests schlechter abgeschnitten.

      Bevölkerung schlagartig umverteilt
      Wissenschaftler nennen das Phänomen "Brain Drain". Da, wo Menschen keine Arbeit finden, gehen die Klugen und Mobilen weg und nehmen ihre Kinder mit. Auf einmal ist die Bevölkerung umverteilt. Schwache stehen plötzlich alleine da, haben keine Vorbilder mehr und machen Generations übergreifende Frusterfahrungen.

      "Ich habe Angst, es bleiben nur die Angstvollen und Kraftlosen", sagt Schulleiterin Schulz. Es sei schon jetzt niemand mehr da, der Kultur und Wirtschaft vorantreiben könne.

      Und das ist noch nicht das Ende. Gehen die Menschen weg, gibt es für die Kommunen keine Steuereinnahmen mehr. Kindergärten, Jugendclubs und Krankenhäuser müssen aus Geldnot geschlossen werden. Die Lebensqualität sinkt weiter, Betriebe siedeln um, Regionen bluten aus. Die Menschen, die zurückbleiben, haben verloren.

      Ratlos über eigenes Schicksal
      "Wenn in der Familie beide Eltern arbeitslos sind, gibt es kein Geld mehr für nichts", klagt Schulz. Die Kinder würden vor dem Fernseher abgesetzt, hätten keine Bewegung, würden kaum sprechen und erlebten die Planlosigkeit der Eltern, die ihren Frust nicht selten mit Alkohol herunterspülen. "Die Eltern lieben ihre Kinder", berichtet die Pädagogin, "aber ihnen fehlt es an Kraft mit ihrer Lebenssituation umzugehen."

      Damit sind sie nicht allein. Auch die Politik hat bisher keine Antwort darauf, wie der Abwanderung und den Folgen begegnet werden soll. Obwohl die Warnsignale immer drastischer werden, gibt es bisher keine erfolgreichen Lösungskonzepte gegen das Arbeitsmarktdesaster. Nahezu alle Subventionsprojekte sind gescheitert, Umschulungen ohne Anschluss, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ohne Perspektive.

      Rückbau Ost: Was zu verwalten bleibt, sind sozial vernachlässigte Kinder in Förderschulen und der Abriss leer stehender Wohnungen. Bis zum Januar diesen Jahres bewilligte das Bundesbauministerium den "Rückbau" von 95.000 leeren Wohnungen. Bis 2009 sollen rund 350.000 Wohnungen in Ostdeutschland beseitigt sein. Schon längst ist der Aufbau Ost ein Abbau Ost.

      "Einige unserer Kinder könnten ihr Leben alleine meistern", sagt Schulleiterin Schulz, "wenn das Umfeld anders wäre." Im Moment bleibe nur, sich eine Nische zu suchen mit Tagesjobs, Putzen und Aushelfen. Schulleiterin Schulz spricht darüber, wie sich ihre Schüler über Wasser halten werden. Und dann sagt sie: "Es müsste ein Menschenrecht geben. Das Recht auf einen Platz in der Gesellschaft."

      http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/5/0,1367,WIRT-…
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 16:31:08
      Beitrag Nr. 1.431 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de


      "Zieht Euch warm an", oder: 29.02.2004

      DIESE WOCHE
      Jetzt, da der Wahnsinn von Kyoto über uns kommen soll, überlegt der Spart, welchen Grund die Mär vom Klima wirklich hat. Er findet, wie die Leute auf künftige Verknappungen vorbereitet werden sollen, und überlegt, was wirklich hinter der inszenierten Rationierung stecken könnte. Lesenswert, daß das Umweltbundesamt gerade dieser Tage die neue Öko-Planbehörde einrichtet: wir stehen vor dem dritten sozialistischen Versuch auf deutschem Boden.

      Bleibt nur die Wahl zwischen Brutalo- und Ökofaschismus?


      Der Krieg im Irak scheint verloren zu sein, jedenfalls was die Kriegsziele seiner Planer anbelangt. Das zeigt sich daran, daß der US Präsident die Vertreter des wenig unternehmungslustigen Alten Europas, wie Chirac und Schröder plötzlich wieder zu umschmeicheln beginnt. Wahrscheinlich bittet er sie auch um einen Zuschuß zu Beseitigung der Scherben. Aber der ist nicht die Hauptsache. Von Menschen und ihrem Schicksal ist in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht die Rede, dafür immer offener vom Dollar und der Gefahr, die wieder einmal von ihm für das Wirtschaftssystem ausgeht. Der Dollar war das eigentliche Thema sowohl des Krieges und erst Recht der Nachkriegszeit.

      Daß es nicht gut um den Dollar steht, ist bekannt. Es wurden zu viele davon gedruckt, und deshalb will sie keiner mehr. Wahrscheinlich liegt das Problem aber noch anderswo: einige Leute weltweit haben zu viel Geld und wissen nicht, wo und wie sie es noch gewinnbringend anlegen können. Sicher, produktive Aufgabe gäbe es genug, doch dort zu investieren brächte keinen Geldgewinn, weil die Betroffenen keines haben. Wo und wie ist noch Geld zu verdienen, das scheint die eigentliche Krise zu sein. Indirekt sind Sie über die Verzinsungen ihrer Pensionskasse mit an dem Problem beteiligt.

      Unser Kanzler hat am 25.2. öffentlich gefordert, die Europäische Zentralbank solle die Zinsen senken, damit die Leute ihr Geld wieder in die USA bringen, um den Dollar und damit das Weltfinanzwesen stabil zu erhalten. Dazu möchte auch Herr Greenspan die Ausländer ermuntern. Dazu seine Vorschläge zur Sanierung der Finanzen, die er am gleichen Tag dem House Budget Committee der US-Regierung vorlegte. Nein, er schlug nicht die Rücknahme der Steuersenkungen an Reiche vor, sondern um wieder mit Geldgewinnen locken zu können, also um der notleidenden Finanzwirtschaft willen, dürfte nicht mehr so viel Geld für Renten und die medizinische Notversorgung der Armen verschwendet werden. "Wir haben keine andere Wahl, als strukturelle Anpassungsreformen in den größeren Rentenprogrammen vorzunehmen". Er denkt an die Anhebung des Rentenalters und die Absenkung der Inflationszuschläge bei den Renten, und "das wichtigste Haushaltsproblem" von allen sei die Gesundheitsfürsorge (health care). Hat der das nun von Rot-Grün oder Rot-Grün vom Grünspan? - Sie dürfen raten, weil die Antwort nichts ändert. Im Gegenteil.

      Was hat das nun mit einander zu tun, der Irak und das Dollarproblem? Vielleicht klärt ein neuer Slogan aus dem Pentagon die Frage: "Viel schlimmer als der Terrorismus", war zu hören, "sei die kommende Klimakatastrophe". Kommt uns vertraut vor, finden Sie nicht? CIA-Chef George Tenet zeigte sich noch nicht ganz "up to date", denn er warnte bei seinem monatlichen Bedrohungsbriefing am 24.2. vor dem dafür ausgewählten Senatskomitee für noch immer vor dem "Anwachsen der antiamerikanischen Jihadisten-Bewegung". Die Predigt enthielt aber - abgesehen von weniger interessanten Details über Islamisten - immerhin den bisher in Washington kaum gehörten Hinweis, daß "verzweifelte soziale und wirtschaftliche Bedingungen" den terroristischen und kriminellen Gruppen weiteren Zulauf sichern könnten. Hat dieser neue Zungenschlag etwa doch etwas mit der neuen Politikwendung zu tun?

      Sagt der "Wetteralbtraum des Pentagons", wie die Zeitschrift "Fortune", die neue Linie überschrieb, etwas dazu? Nachdem der US-Senat die Sache die CO2-Emissionsgeschichten im Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll als "unwissenschaftlich" abgelehnt hatte, zieht das Pentagon die Klimakatastrophe neu aus der Tasche. Es kümmert sich weniger um das CO2 (aber Kyoto ist noch dabei), sondern vor allem um die Katastrophenszenarios, mit denen man uns in den letzten Jahren geschreckt hat. Es tut das amerikanisch, d.h. größer, schneller, schrecklicher.

      Weil eine "Klimaerwärmung" im Grunde wenig schreckt, und die Amerikaner im letzten Winter ganz andere Erfahrungen gemacht haben, greift man eine Idee auf, die sich der Potsdamer Professor Stephan Rahmdorf aus Hypothesen Anderer zurechtgerechnet und die ihm immerhin eine 1 Million US$ schwere Anerkennung eingebracht hatte. Danach führt die angebliche Klimaerwärmung durch CO2 nicht zu einem angenehm wärmeren Klima, sondern über die Abschwächung des Golfstroms zu einer neuen Eiszeit, die vor allem Europa heimsuchen wird. Die neue Klimakatastrophe bedeutet daher: "Abkühlung, Trockenheit und mehr Stürme", das wiederum senkt die "Carrying Capacity der Erde" d.h. die Erde kann deutlich weniger Menschen "mit Nahrung Trinkwasser und Energie versorgen" und das führt zu "Grenzproblemen, globalen Konflikten und Wirtschaftsmalaise" und - damit zu mehr Terroristen. Damit ist im Grunde der gesamte Inhalt des Papiers wiedergegeben. Der Rest malt das Szenario nur etwas bunter aus, wie: "In Zukunft werden Kriege unser gesamtes Leben bestimmen".

      Das Papier sagt wie bei Grünen üblich nicht, daß es so eintreten wird, sondern nur, daß es so eintreten könnte, und man sich deshalb auf diese Eventualität vorzubereiten habe. Damit ist es so realistisch, wie die Ankündigung des nächsten Meteoriteneinschlags. Beides hat es gegeben. Ein Meteoriteneinschlag soll die Dinosaurer vernichtet haben. Die kleine Eiszeit mit Hungerkatastrophen und Hexenprozessen (weil diese angeblich daran schuld waren) fand zwischen 1400 und 1860 statt. Sie hatte allerdings nichts mit vermehrtem CO2 Ausstoß zu tun, sondern mit einer abrupt eingetretenen, vorübergehenden Trägheit der Sonne.

      Auszuschließen ist nicht, daß so etwas wie die kleine Eiszeit bald wiederkommt. Nur, geht es dem neuen Pentagon-Papier darum? Wenn das der Fall wäre, würde man alle Anstrengungen unternehmen, 1. das blöde CO2-Argument endlich aufgeben, 2. die Nutzung der Kernenergie weiterzuentwickeln und 3. möglichst schnell die Kernfusion in den Griff zu bekommen? Nichts dergleichen geschieht, aus vielerlei Gründen, und weil dafür kein Geld übrig ist. Denn das vorhandene Geld soll das Weltfinanzsystem retten (und das Klima ist der Vorwand) und allenfalls noch die internationale Polizei gegen den Terrorismus angemessen bewaffnen. Tenet ist also noch im Boot.

      Jedenfalls muß den Leuten erklärt werden, warum sie sich in Zukunft kräftig den Gürtel werden enger ziehen lassen müssen, und zwar so eng, daß es eine große Anzahl Menschen nicht überleben wird, und daß es keinen Zweck hat, als "Terrorist" dagegen aufzumucken. An der ganzen eingetretenen Malaise ist dann natürlich auch nicht die moralische und geistige Armut der herrschenden Elite Schuld, sondern, wie in den USA üblich, die anderen. Dieses Mal sind es alle Unersättlichen, die für die Obereliten keine ausreichenden Geldgewinnmöglichkeiten bereitstellen und für die Carrying Capacity der Erde einen Platz vorsieht.

      Der Milliardär Gary Comer und andere weniger bekannte US-Krösose nehmen sich der neuen Sache an und machen die Verkündigung der Klimakatastrophe nun plötzlich zu ihrer philanthropischen Herzensangelegenheit. Das Weltwirtschaftsforum in Davon hatte bereits auf seinem letzten Treffen Robert Gagosian vom Massachusetts Institut die Politikmacher ermahnen lassen, die Möglichkeit einen abrupten plötzlichen Klimawechsels in den nächsten 20 Jahren ins Auge zu fassen. Und Hollywood kündigt für den kommenden Sommer mit "Der Tag nach dem Morgigen" einen entsprechenden Film an. In ihm wird Dennis Quaid als Wissenschaftler die Welt vor der kommenden Eiszeit retten, die durch die Klimaerwärmung ausgelöst wird.

      Verantwortlich für die neue Gruselstudie zeichnen Andrew Marshall, Peter Schwarz und Dough Randall. Der 82 jährige Marshall betreibt seit 1973 einen geheimnisumwobenen Think Tank, in dem für das Verteidigungsministerium künftige Bedrohungen und entsprechende Gegenmaßnahmen angedacht werden. Donald Rumsfeld hatte ihn zum Beispiel damit beauftragt die "Transformation" des US-Militärs zu ihrer Rolle als Kämpfer gegen weltweite Terroristen vorzubereiten. Er tat das, und schlug dafür gleich ein ganzes Arsenal neuer Wunderwaffen vor. Der andere hat eine jüngere, dafür bewegtere Geschichte. Er kam ursprünglich aus der Nachwuchs-Führungsschicht von Royal Dutch/Shell, arbeitete dann für mehrere Organisationen darunter auch für den CIA und entwarf für Steven Spielberg futuristische Filmszenarios z.B. für Minority Report. Schließlich gehörte er zusammen mit Coautor Doug Randall zur Aufsichtgruppe des Global Business Network.

      Man sieht, es geht um Business nicht um Klima. Wie immer, wenn eine Elite mit ihrem Latein am Ende ist, werden Kriege angezettelt. Da es keine Feinde mehr gibt, deren Eroberung zu einer nennenswerten Gewinnmaximierung beitragen könnte, bleibt nur der Druck nach innen.

      Dann sind da noch folgende Ereignisse: In vier Wochen will die EU die "Allokation" von CO2-Emissionszertifikaten vornehmen, um dann der in Europa noch für die Versorgung der Menschen produzierenden Industrie bereits "am Tag zuvor" langsam den Energiehahn zuzudrehen. Der Wirtschaftsberater Putins, Andreiy Illarion hatte vor einem internationalen Forum das Kyoto Protokoll als "Wirtschaftsauschwitz für Rußland" abgelehnt, weil es den Wiederaufbau Rußlands und anderer Länder mit entsprechendem bedarf entlang der "Neuen Seidenstraße" verhindern würde. Ohne Rußland und die USA (für die es ohnehin nicht gedacht war) wird das Kyoto-Protokoll aber nicht verbindlich. Sind die Russen dazu zu zwingen?

      Manche meinen, die Studie kündige die Wahlentscheidung der Elite für Kerry an, andere sehen darin eine Daumenschraube für Rußland - das mag ja sein, ist aber unerheblich. Es geht um den anstehenden Zusammenbruch des Finanzsystems und "den Tag danach", und um Ihre Alternative zum herrschenden Szenario. Haben Sie eine? Ich schon, aber die will keiner der Schlauberger hören.
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 16:47:09
      Beitrag Nr. 1.432 ()
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      Die Zukunft von Arbeit und Familie



      von Jean-Didier Lecaillon, Professor für Wirtschaftswissenschaften, Paris*

      Das Berufsleben und das Familienleben werden oftmals als Gegensätze dargestellt. Diese Betrachtungsweise ist zu einfach, um nicht zu sagen naiv. Mit einem etwas positiveren Ansatz wird von einem Zusammenspiel zwischen Familien- und Berufsleben gesprochen. Gewiss geht es hier um ein brisantes Thema, das jedoch meistens einseitig behandelt wird. Denn die beiden Komponenten des gesellschaftlichen Lebens der Frau - die Mutterschaft einerseits und ihre Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben anderseits - stehen nicht auf gleicher Stufe. In der Realität ist es das mehr oder weniger explizit anvisierte Ziel, das Berufsleben der Frau zu begünstigen und gleichzeitig - weil es schwierig ist, es nicht zu tun - auch auf die Familiensituation Rücksicht zu nehmen. Diese Haltung ist ein Ausdruck des Neofeminismus, der zuerst in den nordischen Ländern auftauchte.

      Der Rahmen unserer Überlegungen ist nun bekannt. Es geht nun zuerst darum, etwas Abstand zu nehmen und eine kritische Geisteshaltung zu zeigen. Denn wenn man den Sachverhalt genau betrachten will, scheint dieser Gegensatz von Arbeit und Familie zu schematisch. Es ist insbesondere angebracht, die Dinge dynamisch zu betrachten und daran zu erinnern, dass sich Prioritäten im Laufe des Lebens verändern können. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, sich zu vergegenwärtigen, dass sich die Rolle der Frau als Mutter und ihre Verfügbarkeit mit dem Alter der Kinder verändert. Es ist daher völlig falsch, einen grundsätzlichen Gegensatz herzustellen zwischen der Hausfrau und Mutter und der berufstätigen Frau, wie dies Ideologen gerne tun.

      Weiter ist es unerlässlich, am gemeinsamen Grundwert der Wahlfreiheit festzuhalten. Es geht nicht um ein Glaubensbekenntnis, sondern um Effizienz und Realismus. Infolgedessen können wir nicht nur das Bedürfnis der Frauen, sich voll und ganz ihrer Familie zu widmen, ignorieren, sondern wir müssen auch anerkennen, dass es nicht nur eine Art der Entfaltung gibt (im vorliegenden Fall die Berufstätigkeit), auch wenn das Streben nach mehr Autonomie, finanzieller Sicherheit oder Selbstverwirklichung nicht geringgeschätzt werden soll.

      Kinder sind eine Investition in die Zukunft
      Von diesen Überlegungen ausgehend, soll unser Beitrag einige wissenschaftliche Erkenntnisse darlegen, die geeignet sein könnten, in dieser Frage mehr Klarheit zu erhalten.

      Die erste Erkenntnis, die berücksichtigt werden muss, ist, dass die Arbeit zu Hause Reichtum schafft und deshalb echte Anerkennung verdienen würde. Sicherlich müssen die nationalen Buchhalter noch grosse Fortschritte machen und vieles umlernen, da bis heute der «Hausarbeit» kaum ein ökonomischer Wert zugesprochen wird - und dies obwohl es auf Grund moderner ökonomischer Analysen möglich ist aufzuzeigen, dass Kinder auf die Welt zu bringen und zu erziehen Tätigkeiten sind, die eine Investition darstellen: Anfängliche Ausgaben (Kosten) - die meist zum grossen Teil von den Familien übernommen werden - werden zur Quelle von höheren Einnahmen in der Zukunft, von denen ein Teil der Gemeinschaft zugute kommt.
      Dieses «menschliche Kapital» erscheint sehr wohl als eine wichtige Quelle des Wachstums und als ein Fundament der wirtschaftlichen Entwicklung. Die demographische Dynamik allein genügt dazu sicherlich nicht; nichtsdestotrotz ist sie eine notwendige Bedingung, da bis heute kein Land bekannt ist, dass sein Wirtschaftswachstum sichern konnte bei gleichzeitigem demographischem Stillstand. Was die Erziehung betrifft, so erscheint sie heute als einer der hauptsächlichen Faktoren des Wachstums; man spricht deshalb gerne von «menschlichen Ressourcen». Im übrigen wissen wir sehr wohl, dass der kleine Mensch zuerst im Schosse der Familie eine Anzahl Qualitäten erwirbt, die ihm später seine Eingliederung in die Welt der Arbeit ermöglichen werden.
      Elternschaft - keine Aufgabe ausserhalb der Gesellschaft
      Auf Grund dieser Ausführungen sind wir in der Lage, einen konkreten Vorschlag zu machen: Die Mutterschaft (und Vaterschaft) muss dringend wieder aufgewertet werden. Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir uns nicht mehr damit zufrieden geben können, die Elternschaft als eine Aufgabe ausserhalb der gesellschaftlichen Organisation zu betrachten. Insbesondere darf - um in unserem Fachbereich zu bleiben - die wirtschaftliche und soziale Funktion der Eltern nicht vernachlässigt werden. Hierzu gäbe es genug Arbeit für ein spezifisches Forschungsprogramm.

      Da es in diesem Beitrag darum geht, sich mit den Entwicklungen innerhalb der Arbeitswelt und der Familie auseinandersetzen, beenden wir unsere Ausführungen mit einigen Anregungen, die Gegenstand von Diskussionen sein könnten:

      Die neuen Technologien erlauben es, Entwicklungen hinsichtlich einer besseren Verbindung von Familien- und Berufsleben ins Auge zu fassen.
      Die in Erziehung und Organisation des Familienlebens erworbenen Erfahrungen müssen im Berufsleben berücksichtigt und entsprechend valorisiert werden.
      Unternehmen, denen die Entfaltung ihrer Mitarbeiter als Faktor der Leistungsfähigkeit und Effizienz wichtig ist, vernachlässigen die Bedingungen des Familienlebens nicht.
      Bei diesem Stand unserer Überlegungen wollen wir noch zwei Gedanken als Anregung hervorheben: Könnte man die Hausfrau und Mutter nicht auch als Unternehmerin bezeichnen? Und wäre es nicht an der Zeit, die Hausarbeit als echte Arbeit anzuerkennen?

      * Jean-Didier Lecaillon, 1951, verheiratet, Vater von sieben Kindern, seit 1990 Professor für Wirtschaftswissenschaften in Paris. Präsident der Académie dÉducation et dÉtudes sociales (A.E.S). Weltweite Expertentätigkeit im Bereich Wirtschaft und Familie.



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      Schweiz

      Kinderkrippen und Berufstätigkeit der Frauen

      von Marie-France Oberson, Siviriez FR
      Anfang letzten Jahres wurden die Resultate einer Studie publiziert, welche die Unterbringungsstrukturen für Kleinkinder in der Westschweiz untersucht hatte. Die Ergebnisse wurden von den Gleichstellungsbüros der französischsprachigen Kantone verbreitet.

      Der Titel dieser Studie lautet: «Die Krippe ist rentabel. Ihr Fehlen verursacht Kosten.» Auf rund 40 Seiten werden mit Hilfe von Zahlen und Graphiken die Rentabilität der Krippen, ihre wirtschaftliche Bedeutung, ihre Steuerbilanz und die Verteilung der Nettoeinnahmen dargestellt. Den Kindern ist im ganzen Text nur ein einziger Satz gewidmet: Die Kinder «profitieren ihrerseits von einer besseren Sozialisierung und einer grösseren Sicherheit».

      Man kann durchaus verstehen, dass Wirtschaftskreise, deren Aufgabe es ist, wirtschaftliche Entwicklung und Rentabilität zu fördern, die Einrichtung von Kinderkrippen unterstützen. Denn Krippen sind tatsächlich in dem Masse rentabel, wie sie den Frauen erlauben, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, also zu konsumieren. Berufstätige Frauen kurbeln die Wirtschaft an, das ist unleugbar.

      Aber wie kommt es, dass die Linke, die weitgehend für die Einrichtung der Gleichstellungsbüros verantwortlich ist, diese Studie unterstützt hat und ihre Ergebnisse mit Applaus zur Kenntnis nimmt - wo sie sich doch sonst mit Kritik an der liberalen Wirtschaft kaum zurückhält?

      Meiner Meinung nach hat das zwei Gründe: Erstens mag die Linke «befreite» Frauen. Befreit und durch ihre Arbeit aufgewertet, natürlich. Sie setzt deshalb alles daran, Gesetze auszuarbeiten, die berufstätige Frauen unterstützen. Frauen aus bescheidenen Verhältnissen, die ihre Kinder selbst grossziehen wollen, erhalten keinerlei Unterstützung. Sie sehen sich somit gezwungen zu arbeiten. Die Frauen haben keine Wahl. Sie sind gezwungen zu arbeiten.

      Zweitens wird auch das Kind mit Hilfe der Krippe «freier». Es ist befreit von seiner Mutter, von ihrem Einfluss und wird so schneller autonom und unabhängig, gleichzeitig aber auch empfänglich für die Erziehung durch eine Gesellschaft, die es gemäss ihrer gerade gültigen Ideologie formen wird. Eine machiavellistische Strategie …

      Es ist Unsinn zu behaupten, dass das Kind von einer besseren Sozialisierung profitiert. Man weiss, dass ein Kind bis zum Alter von drei Jahren eine individualisierte Erziehung benötigt und dass das Kollektiv von morgens bis abends, fünf Tage in der Woche, ein Kind destabilisiert und aggressiv macht. Sicherlich «lockert» die Krippe das Kind «auf». Aber bedeutet aufgelockert sein auch glücklich sein? Wenn die Tränen der ersten Tage vorbei sind, passt sich das Kind an. Man sagt dann, dass es sich gut an die Krippe gewöhnt hat und diese sogar mag.

      Aber bedenkt man da, wie gut ein Kind in der Lage ist, seinen Kummer zu verbergen, sich anzupassen, um nicht Gefahr zu laufen zu missfallen und nicht mehr geliebt zu sein? Hat man sich gefragt, was ein ganz kleines Kind empfindet, wenn es früh morgens geweckt, durch die Stadt geschleppt wird, und abends dasselbe wieder, im gleichen Tempo, während es eigentlich die Streicheleinheiten seiner Mutter bräuchte, wenn es das Fläschchen auf ihren Knien trinkt? Hat man sich im Zusammenhang mit dieser Studie in den Gleichstellungsbüros einmal gefragt, was sich im Unbewussten eines solchen Kindes abspielt? Hat man sich in diesen Büros gefragt, ob der Hindernislauf, den eine berufstätige Mutter täglich absolvieren muss - auch schon nur mit einem Kind -, ob der Stress, den all das hervorruft, sich nicht auf das Verhalten des Kindes auswirkt? Diese Frage zu stellen, bedeutet, sie zu beantworten und festzustellen, dass man auf dem Holzweg ist. Aber dies würde nie zugegeben!

      Sind Kinderkrippen wirklich rentabel? Man müsste ebenso eine Studie durchführen, mit der die Einsparungen zugunsten der Gesellschaft berechnet würden, die durch Mütter entstehen, die ihre Kinder selbst aufziehen, durch ihre Verfügbarkeit und ihre ehrenamtliche Tätigkeit. Eine Studie, die sich auch mit dem Unglücklichsein und der Gewalt auseinandersetzt, die immer jüngere Menschen betreffen. Denn, was wäre, wenn diese Gewalt ein Hilferuf aus der Tatsache heraus wäre, dass man sie so früh «an der Garderobe abgegeben» hat?

      Artikel 10: Zeit-Fragen Nr.8 vom 1.3.2004, letzte Änderung am 2.3.2004
      Zum Artikel-Anfang: auf den roten Balken klicken!
      http://www.zeit-fragen.ch/
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 16:58:46
      Beitrag Nr. 1.433 ()
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 17:08:16
      Beitrag Nr. 1.434 ()
      Fachstellungnahme von Prof. Uwe Berlit zu den Gesetzesentwürfen zur Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe

      Mit Zustimmung der Redaktion der Fachzeit des „info also” - Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht ist es Tacheles e.V. möglich diese erste Fachstellungnahme zur den regierungsamtlichen Entwürfen zu einem neuen SGB II und SGB XII zu veröffentlichen.

      Nach Einschätzung von Prof. Berlit weisen die Gesetzesentwürfe schwere verfassungsrechtliche Mängel auf.

      So kritisiert Berlit, dass Arbeitslose gezwungen werden sollen, eine „Eingliederungsvereinbarung” mit der Arbeitsverwaltung abzuschließen. Dies greife „unverhältnismäßig” in die durch Artikel 2 Grundgesetz geschützte Vertragsfreiheit ein. Der Rückgriff auf die Vertragsform stelle einen „Formenmissbrauch des Gesetzgebers” dar, dem auch das Sozialstaatsgebot nach Artikel 20 Grundgesetz entgegen stehe. Denn die Arbeitslosen würden damit einem „sanktionsbewehrten Zwang zur rechtsgeschäftlichen Selbstunterwerfung” ausgesetzt.

      Zudem wird die Rechtsschutzgarantie nach Artikel 19 Grundgesetz in Frage gestellt. Denn den Arbeitslosen könne für den Fall, dass sie sich später gegen den Inhalt der Eingliederungsvereinbarung zur Wehr setzen, immer „ihre Zustimmung zum Vertrag entgegengehalten werden”.

      Dies ist nach Berlit`s Ansicht um so gravierender, als nach den Gesetzesentwürfen „auch objektiv willkürliche, fachlich sinnwidrige oder solche Eingliederungsleistungsangebote, die vertretbare und Erfolg versprechende Eigenplanungen” der Arbeitslosen „konterkarieren”, als „zumutbar” gelten würden. Die Betroffenen hätten daher „keinen wirksamen Schutz” vor „unqualifizierten, überforderten oder gar böswilligen Fallmanagern” der Arbeitsverwaltung.

      Nach den Gesetzesentwürfen müssen Arbeitslose, die momentan nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind, auch sonstige „Arbeitsgelegenheiten” übernehmen, für die sie nur eine geringe Aufwandsentschädigung erhalten - und zwar auch dann, wenn dies ihre Eingliederungschancen auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht erhöht. Bei Ablehnung dieser Arbeiten sind verschärfte Sanktionen vorgesehen. Berlit wirft die Frage auf, ob solche Sanktionen nicht mit dem Verbot der Zwangsarbeit nach Artikel 12 Grundgesetz kollidieren könnten. Diese Frage stelle sich „zumindest” dann, „wenn die Arbeitskraft nicht zu marktnahen Bedingungen eingesetzt werden soll”.

      Die Leistungsmessungen der neuen Leistungen „Grundsicherung für Arbeitssuchende” und die reformierte Sozialhilfe ist nicht „armutsfest”, sie führen zu einer „Vielzahl von Verletzungen” des Bedarfsdeckungsprinzips führen, das wegen des Sozialstaatsgebots zwingend zu beachten sei. Das Ziel einer „armutsfesten” Leistung werde verfehlt. Berlit kritisiert vor allem die Pauschalierung bisheriger „einmaliger Leistungen” des Sozialhilferechts und deren Einbeziehung in die Regelsätze. Zum einen würden Leistungen pauschaliert, die „nicht sinnvoll pauschalierbar” seien. Zum anderen seien die Pauschalen so knapp bemessen, dass für einmalige Sonderbedarfe kein „Puffer” vorhanden sei. Auch fehlten Härtefallregelungen.

      Verfassungsrechtlich fragwürdig ist nach Einschätzung von Berlit nicht zuletzt auch, dass in den Gesetzesentwürfen keinerlei Kriterien für die Leistungshöhe benannt und es außerdem unterlassen habe, die Regelsätze „auf der Grundlage eines Statistikmodells und einer aktuellen, methodisch sauber aufbereiteten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe” festzusetzen.

      Erhebliche Bedenken hat Berlit ferner gegen die im Gesetzentwurf enthaltene Verordnungsermächtigung, die es Clement erlauben würde, im Einvernehmen mit Bundesfinanzminister Hans Eichel zu bestimmen, „welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind”. Diese Verordnungsermächtigung genüge nicht dem Bestimmtheitsgebot nach Artikel 80 Absatz 1 Grundgesetz.

      Prof. Uwe Berlit ist Richter am Bundesverwaltungsgericht

      Die Tacheles-Online-Redaktion bedankt sich an dieser Stelle nochmal für das Vorveröffentlichungsrecht. Der Aufsatz von Berlit wird in der Ausgabe des info also 5/2003 erscheinen

      Harald Thomé / Tacheles Online Redaktion

      http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2003/fachstellu…
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 17:12:40
      Beitrag Nr. 1.435 ()
      Wucherzinsen –
      Wie eine Bank Kunden ruiniert

      | Di 02.03.04|21:55





      Fast 30.000 Menschen mussten im vorigen Jahr Privatinsolvenz beantragen, weil sie ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnten. Banken spielen dabei immer öfter eine unrühmliche Rolle, weil sie zu großzügig bei der Darlehensvergabe verfahren.

      Leichte und schnelle Kredite bei der Citibank

      Besonders der Düsseldorfer Citibank wird von Schuldnerberatungsstellen und Verbraucherzentralen vorgeworfen, im Ratenkreditgeschäft „die Einkommen ihrer Kunden schön zu rechnen und damit systematisch in die Überschuldung zu treiben“ (Zitat Verbraucherzentrale Bremen). Jeder zweite Überschuldungsfall, so Schuldnerberater, hat mit der Citibank zu tun.

      Schuldenfalle: Kettenkredite und Restschuldversicherungen

      Wie kaum eine andere Bank in Deutschland, sagen Schuldnerberater und Verbraucherschützer unisono, habe die Citibank das Geschäft mit sogenannten Kettenkreditverträgen professionalisiert. Diese werden mit teuren Restschuldversicherungen kombiniert. Fast immer läuft es so wie im Fall von Peter Förmer. Obwohl bei der Schufa einschlägig bekannt (er hatte früher schon einmal Schulden und war mehrfach in Zahlungsverzug gewesen), bekam er von der Citibank einen Sofortkredit über rund 4 300 Euro, plus Dispo-Kredit über 2.500 Euro, EC-Karte und zusätzlich eine Visa-Kreditkarte.

      Das war 1995. In den folgenden sieben Jahren hatte er vier weitere Kredite erhalten, jedes Mal über einen höheren Betrag (wobei der alte Kredit vorher abgelöst wurde), jedes Mal wieder mit drei Prozent Bearbeitungsgebühren und jedes Mal mit einer sog. Restschuldversicherung. Der letzte, im Jahr 2002 vergebene Kredit belief sich auf rund 40.000 Euro.

      Einer Kreditanalyse des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen zu Folge kam für Peter Förmer inklusive aller Kosten eine Effektivverzinsung zwischen 20,5 und 23,5 Prozent heraus. Gegenüber den üblichen Ratenkrediten mit einer Effektivverzinsung von elf Prozent (in 2002) hätte er rund 20.000 Euro sparen können, wenn er sich das benötigte Geld zum Beispiel bei einer Sparkasse ohne die überflüssigen Restschuldversicherungen besorgt hätte.

      Peter Förmer wird jetzt Privatinsolvenz anmelden. Das bedeutet, dass er sieben Jahre lang nur das Nötigste zum Leben vom Einkommen für sich behalten darf – aber den teuren Citibank-Kredit nicht mehr komplett abstottern muss.

      Die Verbraucherzentralen warnen deshalb eindringlich vor Kettenkrediten. Vor der Kreditaufnahme sollten Verbraucher genau prüfen, ob die Rückzahlung aus dem verfügbaren Einkommen wirklich möglich ist und die teuren Restschuldversicherungen meiden. Wer schon in der Kreditfalle sitzt, sollte möglichst umgehend eine Schuldnerberatungsstelle oder Verbraucherzentrale aufsuchen.

      Von Franz Jägeler

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 2. März 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040302_4.html
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 17:15:41
      Beitrag Nr. 1.436 ()
      Renten-Kürzungen:
      Deutschlands stärkste Lobby wehrt sich

      | Di 02.03.04|21:55
      (ob`s die Masse macht?)




      Eine Schreckensnachricht für Deutschlands Rentner: Zum ersten Mal in der Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung werden die Renten gekürzt. Droht vielen Rentnern jetzt die Altersarmut? „Nein“, antwortet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Nach einer DIW-Studie sind Rentner auch nach dem 1. April finanziell deutlich besser gestellt als Familien mit Kindern.

      Auf viele Rentner kommen ab April höhere Belastungen zu, als bisher bekannt. Neben dem doppelten Beitrag zur Pflegeversicherung (1,7 Prozent der Bruttorente) könnten auch höhere Krankenkassenbeiträge fällig werden. Wenn sich der Kassenbeitrag zwischen dem 1. Februar 2003 und dem 1. Januar 2004 verändert hat, wird das am 1. April an die Rentner weitergegeben. Nur wenige Krankenkassen haben aber ihre Beiträge zum 1. Januar gesenkt. Dagegen haben viele Kassen, insbesondere die Betriebskrankenkassen, ihre Beiträge in diesem Zeitraum angehoben.

      Die neuen Belastungen bedeuten die erste Rentenkürzung in der Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung für die rund 20 Millionen Rentner.

      Schon zum Jahreswechsel mussten viele Rentner Einschnitte hinnehmen. Seit Januar wird auf Betriebsrenten der volle Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung fällig. Auch die ursprünglich für den 1. Juli geplante Rentenerhöhung fällt aus. Ab 2005 soll zudem der steuerpflichtige Teil der Rente von bisher rund 27 Prozent auf 50 Prozent angehoben werden.

      Ist die Mehrheit der Rentner arm? Ganz und gar nicht, so das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach leben von den rund 14 Millionen steuerpflichtigen Rentnern mehr als die Hälfte in Zweipersonenhaushalten. Und deren Netto-Jahres-Einkommen liegt bei durchschnittlich 20.000 Euro (rund 1.700 Euro monatlich). Damit liegt das Einkommen dieser Gruppe deutlich über dem von Familien mit zwei Kindern.

      Deren Netto-Jahres-Einkommen beträgt nur rund 18.000 Euro (1.500 Euro monatlich). Die Mehrzahl der Rentner hat auch ein deutlich geringeres Armutsrisiko als eine Durchschnittsfamilie mit Kindern. Laut DIW-Studie ist das Einkommen der Rentner in den vergangenen 20 Jahren um 10 Prozent gestiegen, wogegen das der Familien mit Kindern in etwa gleich geblieben ist. Das DIW schlägt vor, die Steuern für wohlhabende Rentner deutlich stärker zu erhöhen als bisher geplant. Im Gegenzug könnten den Beziehern kleiner Renten weitere Lasten erspart werden.

      Von Rainer Müller-Delin und Dorina Rechter

      Dieser Text gibt den Inhalt des Fernseh-Beitrages von [plusminus vom 2. März 2004 wieder, ergänzt um Zusatzinformationen der Redaktion. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

      http://www.ndrtv.de/plusminus/20040302_6.html
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 17:31:28
      Beitrag Nr. 1.437 ()
      verschuldung

      Wenn der Gerichtsvollzieher klingelt

      Drei Millionen deutsche Haushalte sind ruiniert - so viele wie nie. Firmenpleite, Jobverluste und Ehescheidungen bringen die Lebensplannung durcheinander. Und Landespolitiker nehmen den Schuldnern auch noch die letzte Chance
      :( :confused: :mad:

      Von Wolfgang Uchatius



      http://www.zeit.de/2004/10/86berschuldete

      © D. Cooper/zefa
      Der Abstieg der Karin Krug beginnt damit, dass einem Arbeiterviertel die Arbeiter ausgehen. Also die Leute, die Geld haben. Jahrzehntelang hatten die Subventionen der Bundesregierung die Industrie in Berlin-Neukölln am Leben erhalten. Mitte der neunziger Jahre sind die Fabriken bankrott. Wer es sich leisten kann, ruft den Umzugswagen. Zurück bleiben Menschen, die anderswo keine Wohnung kriegen, die keinen Job finden oder kein Deutsch sprechen. Neukölln ist jetzt ihr Viertel, und sie haben wenig übrig für die Klöpse und den Käsekuchen im Café Paradies in der Hermannstraße 175.

      Das Café gehört Karin Krug*.

      Anfang der Neunziger hat sie es eröffnet. „Det war die Puppenstube von Neukölln“, sagt sie heute. Viele Blümchen, viele Deckchen, viel bunter Schnickschnack. Und zunächst auch viele Gäste. Die Kellner finden kaum den Weg durch die schwatzenden Kaffeetrinker.

      Als die Wirtschaftskrise eine unangenehme Ruhe im Raum verbreitet, entlässt Frau Krug erst einen, dann zwei, schließlich alle acht Angestellten. Von nun an kocht und serviert sie allein. Sie kommt morgens um sieben, geht abends um zehn, von Montag bis Sonntag, aber das war in Ordnung. „Ick hatte noch nie Angst vor der Arbeit“, sagt sie. Den letzten Stammkunden trägt sie das Essen in die Wohnung. Umsatz, denkt sie, kommt von Überlebenwollen.

      Jahre später, am 1. Februar 2001, hinkt eine erschöpfte Frau in ein Berliner Hinterhofbüro. Karin Krug hat Schmerzen in der Hüfte und seit Monaten nicht richtig geschlafen. Sie ist 43 Jahre alt und hat 30000 Euro Schulden.

      JEDEN DONNERSTAG morgen stellen sich in einem Hinterhof in Berlin-Neukölln die Verlierer in die Schlange. 40, 50, manchmal 60 Leute stehen da, junge und alte, Männer und Frauen, manche im Anzug, andere in Trainingshosen. Architekten sind unter ihnen, Friseurinnen, Klempner und Arbeitslose. Gemein haben sie nur eines: Sie sind überschuldet. Sie haben so viele Verbindlichkeiten, dass Gehalt, Ersparnisse, Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe zum Zurückzahlen nicht reichen. Nie reichen werden.

      Neben der Glastür am Anfang der Schlange hängt ein Schild des Neuköllner Arbeitskreises Neue Armut, darauf steht: „Sprechstunde Donnerstag ab neun Uhr“. Um neun öffnet sich die Tür, und dann fangen die Schuldnerberater der Neuen Armut an, Rechnungen und Mahnungen zu sichten, Kontoauszüge, Gehaltszettel und Kreditverträge. Oft sagen sie den Ruinierten aller Art, die da zu ihnen kommen, erst einmal eines: dass sie ja nicht glauben sollen, sie seien die Einzigen, die ihre Schulden nicht zahlen können.

      Rund drei Millionen Haushalte in Deutschland sind überschuldet, schätzt das Bundesfamilienministerium. Mehr als je zuvor. Anderthalb mal so viel wie vor zehn Jahren.

      Hinter dieser Zahl verbergen sich Schicksale, die viel erzählen über ein Land, in dem das Pro-Kopf-Einkommen inzwischen unter dem EU-Durchschnitt liegt. In dem bankrotte Selbstständige vor einem Leben in Armut stehen, zerbrechende Ehen mühsam aufgebautes Vermögen vernichten und die Leute bei stagnierendem Wohlstand von Jahr zu Jahr mehr Kredite aufnehmen. Kurz, über ein Land, in dem das Scheitern so leicht fällt wie nie zuvor: das Deutschland des Jahres 2004.




      MANCHE ÜBERSCHULDETE sind tief gefallen, so wie die Schlagersänger Drafi Deutscher und Matthias Reim oder der Fernsehmoderator Wofgang Lippert. Andere hoben nie richtig ab, und wieder andere bewegten sich stets irgendwo auf halber Höhe, in der Mitte der Gesellschaft. So wie Karin Krug.

      Das eigene Café war ihr kleiner Traum. Zur Eröffnung lieh sie sich von Freunden 2500 Euro, mehr nicht, anders als andere Existenzgründer wollte sie keinen großen Kredit aufnehmen. Lieber sparte sie am Mobiliar. Erst als ihr jemand das Auto zu Schrott fährt und sie von der Versicherung 6000 Euro einstreicht, steckt sie das Geld nicht in die Tasche, sondern in das Café. Warum auch nicht, der Laden läuft ja. „Ick kann mich nich beklagen“, denkt sie. Sie wohnt in einer 120-Quadratmeter-Wohnung gleich neben dem Lokal.

      Ein paar schöne Jahre später stürzt ein Bekannter ins Café, erzählt, ein paar Halbwüchsige hätten ihm auf offener Straße das Handy abgenommen. Stammgäste verabschieden sich und ziehen fort. Die Laufkundschaft bleibt aus, die Berliner fahren nicht mehr nach Neukölln.

      Zum Schluss zählt sie an manchem Abend 40 Euro aus der Kasse. Das Wirtschaftsamt bietet ihr Beratung an. Die Stadt will sie halten, will das Viertel retten, in dem jeder Fünfte von Sozialhilfe lebt. Neukölln droht zum Ghetto derer zu werden, die Soziologen als A-Bevölkerung bezeichnen: Ausländer, Arbeitslose, Arme.

      Früher habe es das in Deutschland nicht gegeben, sagt der Berliner Stadtforscher Andreas Kapphan: „Früher waren sozial Schwache in den Städten stärker integriert.“ Inzwischen balle sich das Elend in bestimmten Vierteln, wo die Armut wie ein Virus vom einen zum anderen springe.

      Sogar Karin Krugs Vermieter will, dass sie bleibt. Er wirft sie nicht hinaus, obwohl sie die 2500 Euro im Monat für das Café nicht mehr aufbringt. Er fürchtet, für das leere Lokal keinen Interessenten zu finden, sagt, sie könne ja später bezahlen. So hält sie durch, die Einnahmen sinken, die Schulden steigen. Bis sie irgendwann sagt: „Ick kann nich mehr.“

      Seitdem gehört auch Karin Krug zur A-Bevölkerung.


      IM VERGANGENEN JAHR mussten in Deutschland 40000 Unternehmen Insolvenz anmelden. Doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Unter ihnen sind Großunternehmen wie Grundig, aber vor allem zahlreiche Mittelständler, die außer den letzten Kunden niemand kennt. Viele gescheiterte Selbstständige sind bei den 40000 noch gar nicht eingerechnet. Bankrotte Wurstbuden, Handwerker, Anwaltskanzleien und andere Ein-Mann-Unternehmen sind oft zu klein für die Statistik. Für Schulden sind sie groß genug.

      Einer, der das bezeugen kann, ist Walter Gietmann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gerichtsvollzieher Bundes. Täglich hat er mit Ruinierten zu tun, immer öfter trifft er auf Menschen, die ihr ganzes Geld in den eigenen Betrieb steckten und alles verloren, die Ersparnisse, die Altersvorsorge. „Das Problem der gescheiterten Kleinunternehmer hat enorm zugenommen“, sagt er.

      Wäre ja auch seltsam, wenn es anders wäre.

      Seit Jahren propagieren deutsche Parteien und Verbände die Selbstständigkeit. Kongresse und Wettbewerbe feiern kreative Jungunternehmer, günstige Förderkredite locken Zweifler, Peter Hartz erfand die Ich-AG. Nicht ohne Grund, wo neue Firmen entstehen, entstehen auch neue Jobs. Aber wo viele Firmen gegründet werden, gehen auch viele zu Bruch. Allein im vergangenen Jahr haben sich 165000 Arbeitslose selbstständig gemacht. Für manche bedeutet es den Schritt in eine bessere Zukunft, für andere den endgültigen Absturz. „Die Ich-AGs werden für einen neuen Überschuldungsboom sorgen“, erwartet die Insolvenz-Expertin Helga Springeneer vom Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg. Die Statistik gibt ihr Recht. Kleinbetriebe scheitern viel häufiger als Großunternehmen. Manchmal fehlt der ökonomische Sachverstand, manchmal zahlt der größte Kunde die Rechnung nicht, und manchmal liegt es auch nur daran, dass sich in Neukölln die Welt verändert.

      Frau Krug verliert ihr Café und ihre Bleibe. Sie zieht in eine kleine Sozialwohnung im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg. Wenigstens ist die Tochter aus dem Haus und kann für sich selbst sorgen.

      Knapp ein Jahr lebt Karin Krug von Sozialhilfe, dann findet sie einen neuen Job bei einer Cateringfirma. Nicht besonders gut bezahlt, 1200 Euro brutto im Monat, aber Hauptsache Arbeit. Bis ihr der Chef vergangenen Dezember erklärt, er müsse Personal abbauen, des schwachen Umsatzes wegen. Jetzt sucht sie wieder. 46 ist sie und sagt: „Ick bin ja jespannt, wer mich noch einstellt.“


      SUSANNE GÄRTNER IST GUTER DINGE, als sie im Frühjahr 2000 mit Lebensgefährte und gemeinsamer Tochter nach München zieht. Ihr Freund hat in Bayern eine interessante Arbeit im IT-Bereich gefunden, sie hatte zu Hause im Rheinland einen gut bezahlten Job als Chefsekretärin. Ihm zuliebe sucht sie sich in München eine neue Stelle. Sie ist knapp 30, er etwas älter, seit zehn Jahren sind sie ein Paar.

      Zwei Monate später lässt er sie sitzen. Er verlässt die gemeinsame Wohnung, und Susanne Gärtner merkt schnell, dass anstelle ihres Lebensgefährten auf einmal ein neuer Fixpunkt in ihrem Leben aufgetaucht ist, um den sich jetzt alles dreht: Geld. 800 Euro beträgt allein die Miete. Sie verbraucht ihre Ersparnisse, schiebt Überstunden, geht am Wochenende putzen. Sie least einen Kleinwagen, kann nicht anders, „weil ich sonst nicht zur Arbeit komme“. Aber dadurch hat sie noch höhere Kosten.

      Sie atmet auf, als sie endlich, mitten im Münchner Immobilienboom, eine billigere Wohnung findet, für sich und die neunjährige Tochter. Um die Kaution zahlen zu können, nimmt sie einen kleinen Kredit auf, 2500 Euro, eine neue Waschmaschine braucht sie auch. Bei laufendem Gehalt hat sie das in einigen Jahren zurückgezahlt, das ist ihr Kalkül.

      Da geht ihre Firma Pleite.

      Und jetzt? Die Kreditraten laufen weiter. Und die Leasingraten. Und die Miete. Und die Heizkosten. Und die Gebühren für den Kinderhort, in dem die Tochter die Nachmittage verbringt. Eigentlich sollte den der Vater bezahlen, statt Unterhalt, das war der Plan. Aber an den hält er sich offenbar nicht, denn plötzlich liegt da eine Rechnung im Briefkasten: 1500 Euro.

      Sie bekommt nur 700 Euro Arbeitslosengeld.

      Die Tochter geht morgens zur Schule, Susanne Gärtner sitzt zu Hause, schreibt verzweifelt Bewerbungen und wagt es kaum, zum Briefkasten zu gehen, weil sie nicht weiß, wovor sie mehr Angst hat, vor den Rechnungen oder vor den Absagen.

      Nach einem halben Jahr kommt eine Zusage. Ein Job bei einer Autovermietung. Nichts, was sie überfordern würde, trotzdem kriegt sie nach zwei Monaten die Kündigung. Die Bank hat ihr Gehalt gepfändet, dadurch hat die Firma von ihren Schulden erfahren. Ihr Chef fürchtet, sie könnte sich an der Kasse bedienen.

      Wieder ist sie arbeitslos. Inzwischen hat auch ihr Ex seine Stelle verloren, die Unterhaltszahlungen bleiben weiter aus. Die Tochter wird in der Schule gehänselt, weil sie keine Nike-Schuhe trägt, vor der Tür steht der Gerichtsvollzieher. „Mit dem war ich am Schluss schon per du“, sagt Susanne Gärtner. Mehrmals legt sie eine eidesstattliche Versicherung ab, dass sie über das Existenzminimum hinaus nichts besitzt.

      Zinsen, Zinseszinsen, Mahngebühren, Gerichtskosten: Die Schulden steigen auf 15000 Euro.

      Schließlich hat sie doch noch Glück. Im Herbst 2003 findet sie wieder Arbeit als Sekretärin. Zwar ist die Stelle auf ein Jahr befristet, aber immerhin. Ihre Schuldnerberaterin von der Caritas hat die Gläubiger dazu gebracht, den neuen Arbeitgeber nicht zu informieren. Denn der weiß nichts von den Schulden, soll nichts wissen.


      GESCHICHTEN VON RUINIERTEN sind Geschichten vom Wenn und vom Dann. Wenn die Beziehung zwischen Susanne Gärtner und ihrem Lebensgefährten nicht zerbrochen wäre, dann hätte sie keinen Kredit aufgenommen. Wenn nicht ihr Arbeitgeber Pleite gegangen wäre, dann hätte sie die Schulden zurückzahlen können. Wenn sie nicht überschuldet gewesen wäre, dann hätte sie den nächsten Job behalten.

      Wenn sich in einem Land das Unerwartete häuft, dann steigt die Zahl der Bankrotteure.

      Es gibt viele gute Gründe, einen Kredit aufzunehmen. Ein Auto gibt einem vielleicht die Chance auf den Job, der sonst unerreichbar wäre. Ein Haus mit Garten bietet den Kindern womöglich ein schöneres Leben als die enge Hochhauswohnung.

      Wer sich aber ein Auto kauft, ein Haus, wer aus welchen Gründen auch immer Schulden macht, der schließt eine Wette ab. Er wettet, dass er in den nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahren keine finanziellen Probleme hat. Dass sein Gehalt steigt, seine Ehe hält und dass er nicht den Arbeitsplatz verliert. Jahrzehntelang konnte sich der Großteil der Deutschen sicher sein, die Wette zu gewinnen.

      „Die hohe Überschuldung ist Folge einer stark gewachsenen Unsicherheit“, sagt der Münchner Sozialforscher Dieter Korczak, der dazu mehrere Studien geschrieben hat.

      Jedes Jahr werden in Deutschland 200000 Ehen geschieden. Auf einmal sind dann Unterhalt, höhere Steuern und ein zweiter Haushalt fällig. 1,3 Millionen Bundesbürger sind seit mehr als zwölf Monaten arbeitslos. Seit Mitte der Neunziger sind die realen Nettolöhne kaum gestiegen. Auf einmal ist dann kein Geld mehr da.

      Und dann ist die Wette verloren.


      ALS THORSTEN HEUER im Autohaus vor dem glänzenden Wagen steht, nur so zum Schauen, denkt er: „Hübsch!“ Weil man ihm das offenbar ansieht, eilt der Verkäufer auf ihn zu und fragt: „Na, wäre der nicht was für Sie?“

      Thorsten Heuer, 45 Jahre alt, Angestellter der Stadt Augsburg, ist frisch geschieden. Er hat sich eine Wohnung gemietet, das einst für die Familie gebaute Eigenheim aber ist noch nicht abbezahlt, der Kredit läuft weiter. Die vier Kinder leben bei der Exfrau, Heuer zahlt 1000 Euro Unterhalt im Monat. Von seinem Gehalt bleibt nicht viel übrig, nach der Trennung hat er das unterschätzt und zu viel Geld ausgegeben. Er hat sein Konto überzogen, hat einen neuen Kredit aufgenommen, um die Raten für den alten zu begleichen. Nach der Arbeit fährt er jetzt Pizzen aus, bis tief in die Nacht, trotzdem hat er mehrere zehntausend Euro Schulden. Und deshalb sagt er jetzt zu dem Verkäufer: „Reizen würde mich der Wagen, aber leisten kann ich ihn mir nicht.“

      „Ich bitte Sie, das kriegen wir hin“, sagt der Verkäufer.

      Ein paar Tage später hat Heuer ein Angebot auf dem Tisch: der neue Wagen auf Kredit. Obwohl jede Bank, die für einen Autohändler solche Geschäfte finanziert, bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) eine Auskunft einholt. Obwohl die Bank also von Heuers Schulden weiß, hat er wieder Kredit bekommen. Denn sonst würde der Händler noch weniger Autos absetzen.

      Inzwischen werden 70 Prozent der an Privatleute abgegebenen Neuwagen auf Raten gekauft oder geleast. „Die Hersteller versuchen abzufischen, was möglich ist“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automarketing in Gelsenkirchen.

      Seit Jahren stagniert in Deutschland der private Konsum. Die Bundesbürger kaufen weniger Autos und weniger Kühlschränke. Vor allem aber bezahlen diejenigen, die trotzdem weiter Geld ausgeben, immer öfter mit fremdem Geld. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist jeder vierte Haushalt verschuldet. Solange die Mehrheit ihre Verbindlichkeiten begleicht, können die Banken mit den Zinseinnahmen die Ausfälle kompensieren. Der Kauf auf Kredit sichert Jobs und verhindert, dass die Umsätze endgültig einbrechen. So kommt der große Geldverleih vielen zugute. Nur nicht denen, die ihre Wetten verlieren.

      Thorsten Heuer hat das Auto nicht gekauft.

      EINE REGIERUNG kann nicht per Gesetz verhindern, dass Ehen scheitern. Sie kann nicht anordnen, dass Existenzgründer genug Kunden finden, und sie kann nicht verbieten, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter entlassen.

      Aber eines kann sie doch tun.

      „Man muss dafür sorgen, dass die Leute eine zweite Chance bekommen“, sagt Frank Wiedenhaupt vom Arbeitskreis Neue Armut in Neukölln. Wiedenhaupt war früher Unternehmensberater, jetzt berät er Überschuldete, die früher Unternehmer waren. Er sagt: „Es nützt niemandem, wenn die Betroffenen von Schulden erdrückt werden, die sie im Leben nicht zurückzahlen können.“

      Seit 1999 gilt auch in Deutschland, was in anderen Industrieländern längst Realität ist: Ruinierte Privatleute können ähnlich wie Firmen Insolvenz anmelden – vorausgesetzt, sie haben niemanden betrogen und ihr Vermögen nicht verschleudert. Sechs Jahre lang müssen sie ihr Einkommen offen legen und jeden Euro, der den Pfändungsfreibetrag überschreitet, an die Gläubiger abgeben. Was von den Schulden übrig bleibt, wird erlassen. Theoretisch.

      In der Praxis braucht, wer hierzulande private Insolvenz beantragen will, juristische Beratung und eine Bescheinigung, dass eine Einigung mit den Gläubigern nicht möglich war. Beides bekommt er von den Insolvenzberatern der Kommunen und Wohlfahrtsverbände. Die werden von den Bundesländern finanziert, und sie haben inzwischen so viel zu tun, dass die Wartezeit oft bei anderthalb Jahren liegt. Die Landesregierungen müssten also mehr Geld für die Insolvenzberatung ausgeben, aber das wollen sie nicht. Sie wollen sparen.

      Anfang des Jahres hat die hessische Regierung von Ministerpräsident Roland Koch die Finanzierung der Insolvenzberatung gestoppt – Teil der „Operation sichere Zukunft“. Gleiches plant die bayerische Regierung von Ministerpräsident Edmund Stoiber – Teil des Programms „Perspektiven für Bayern schaffen“. Weitere Länder dürften folgen. Vielen Menschen, denen es ergangen ist wie Karin Krug oder Susanne Gärtner, bliebe dann die zweite Chance, das Leben nach den Schulden verwehrt. Hessische wie bayerische Sozialpolitiker entgegnen: Auch Rechtsanwälte können Insolvenzberatung leisten. Dabei hatte die bayerische Regierung selbst vor zwei Jahren ein Gutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis kam, Anwälte könnten die kostenlose Schuldnerberatung nicht ersetzen, „wegen fehlender wirtschaftlicher Anreize“. Sprich: Anwälte wollen Geld verdienen.

      Wer aber überschuldet ist, hat kein Geld mehr.


      * Die Namen der Schuldner sind geändert

      (c) DIE ZEIT 26.02.2004 Nr.10

      ZUM ARTIKELANFANG
      Avatar
      schrieb am 03.03.04 17:33:04
      Beitrag Nr. 1.438 ()
      versicherungen

      Auf Treu und Glauben

      Von wegen reich in Rente: Die Abrechnungen der Lebensversicherungen sind oft fehlerhaft


      Von Andreas Kunze





      http://www.zeit.de/2004/10/G-Lebensversicherungen
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 18:18:49
      Beitrag Nr. 1.439 ()
      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Alarmstufe Armut

      Dachverband der Wohlfahrtsverbände fordert »neue APO« gegen Sozialkahlschlag


      Die Bereitschaft, der Sozialkahlschlagspolitik der Bundesregierung aktiven Widerstand entgegenzusetzen, wächst offenbar auch in den etablierten, traditionellen Sozialverbänden. Mit sichtbarer Empörung verurteilten Vertreter der Nationalen Armutskonferenz (NAK), einem Zusammenschluß aller großen Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Diakonisches Werk und Deutsches Rotes Kreuz, und verschiedener Verbände sowie freier Träger am Donnerstag in Berlin die geplanten Neuregelungen bei der Sozialhilfe, die im April im Bundestag verabschiedet werden und im kommenden Jahr in Kraft treten sollen.

      Die »Gewährung der Menschenwürde ist inzwischen in Deutschland offenbar konjunkturabhängig«, bewertete der scheidende NAK-Sprecher Paul Saatkamp die geplante Gesetzesnovelle und darüber hinaus die pauschale Absenkung der Arbeitslosenhilfe. Durch die Neuberechnung der Regelsätze und die Pauschalierung von Sonderausgaben wie Kleidung würden dann insgesamt fünf Millionen Menschen, darunter 1,4 Millionen Kinder und Jugendliche, in ein »Armutsghetto« abgeschoben werden. Es sei bezeichnend, daß besonders Paare mit Kindern und Alleinerziehende durch die Neuregelungen überproportional belastet würden. Ferner seien die beträchtlichen Mehraufwendungen, die durch Praxisgebühren und andere Zuzahlungen im Gesundheitswesen auf Bedürftige zukämen, in keiner Weise bei der pauschalierten Regelsatzberechnung berücksichtigt worden. Da die Anpassung der Regelsätze zudem nicht an die Steigerung der Lebenshaltungskosten, sondern an die Rentenerhöhungen gekoppelt sind, würden sich die Existenzbedingungen für diesen Personenkreis kontinuierlich weiter verschlechtern, so Saatkamp. Dabei sei allgemein bekannt, daß das Niveau der Sozialhilfe kaufkraftbereinigt bereits jetzt zehn Prozent unter dem von 1992 und 16 Prozent unter dem sogenannten soziokulturellen Mindestbedarf liegt. Er bezifferte das Gesamtvolumen der geplanten Leistungskürzungen für Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger im kommenden Jahr auf bis zu sieben Milliarden Euro.

      Saatkamps Nachfolger im NAK-Sprecheramt, Hans-Jürgen Marcus, wies besonders auf den Zusammenhang zwischen der Absenkung von Sozialleistungen und des allgemeinen Lohnniveaus hin. Durch die Vorgaben der »Agenda 2010« und der »Hartz-Gesetze« solle die existenzsichernde Funktion der Unterstützung für Erwerbslose bewußt ausgehebelt werden. Erklärtes Ziel sei es, daß Arbeitslose »jede Arbeit zu jedem Preis« annehmen – mit entsprechenden Folgen für das allgemeine Lohnniveau. Auch Studien von Sozialwissenschaftlern und vom DGB schlagen Alarm: Demnach gehören bereits zehn Prozent aller Erwerbstätigen zur Gruppe der »Einkommensarmen«, die trotz Erwerbstätigkeit Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen hätten. Durch die »faktische Wiedereinführung der Tagelöhnerei« werde für viele Menschen die Zukunft von einem »Drehtüreffekt« zwischen Sozialleistungen unterhalb des Existenzminimums und zeitweiligen Billigjobs geprägt sein, prophezeite Saatkamp.

      Als besonders skandalös bezeichnete es der scheidende NAK-Sprecher, der sich nach eigenem Bekunden seit Jahrzehnten »als Sozialdemokrat den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verpflichtet fühlt«, daß »ausgerechnet eine SPD-Regierung für eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verantwortlich ist«. Generell sehe er bei den Politkern, egal welcher Partei, keine Bereitschaft mehr, sich mit dem Problem der wachsenden Armut überhaupt auseinanderzusetzen. Nur eine »schlagkräftige neue APO«, also eine außerparlamentarische Opposition nach dem Vorbild der 68er Studentenbewegung in der BRD, böte die Chance, die soziale Frage wieder in den Mittelpunkt der politischen Diskussion in Deutschland zu befördern. Die geplanten Großdemonstrationen in Berlin, Köln und Stuttgart im Rahmen der Europäischen Aktionstage für Arbeit und soziale Gerechtigkeit am 2. und 3. April seien dabei ein wichtiger Schritt.
      http://www.jungewelt.de/2004/03-05/001.php
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 18:24:55
      Beitrag Nr. 1.440 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Die Post bringt’s

      Die neuen Rentenbescheide und -informationen – Dokumente des Sozialabbaus


      Die Deutsche Post AG wird sich freuen. In diesem März werden rund 22 Millionen Rentenbescheide an die 19 Millionen Empfänger von gesetzlichen Alters- und Hinterbliebenenrenten verschickt. Weniger freuen werden sich vermutlich die meisten Empfänger, denn Hauptpunkt der Bescheide wird die Erläuterung der zum 1. April 2004 wirksam werdenden Rentenkürzungen sein. In weiser Voraussicht, daß der Überbringer der schlechten Nachricht in der Regel für den Schuldigen gehalten wird, baten die Spitzenvertreter der deutschen Rentenversicherungsträger deshalb am Donnerstag in Berlin Vertreter der Medien, für milde Stimmung bei den Opfern der Sozialkahlschlagspolitik der Bundesregierung zu sorgen. Die Rentenversicherungsträger seien »aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung gehalten, die Beitragsveränderungen in der Kranken- und Pflegeversicherung durch Abzug von der Rentenzahlung zu vollziehen«, erklärte Klaus Michaelis, Mitglied der Geschäftsführung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Widersprüche gegen die neuen Bescheide seien zwar rechtlich möglich, hätten aber keinerlei aufschiebende Wirkung. Auch seien die Erfolgsaussichten generell gering, da es sich um gesetzliche Vorgaben handele »und nicht erkennbar ist, daß diese mit der Verfassung nicht vereinbar sind«.

      Die direkteste Kürzung erfolgt in Form der vollen Umlage der Beiträge zur Pflegeversicherung auf die Rentner, die in Zukunft 1,7 statt bisher 0,85 Prozent ihrer Bezüge dafür abführen müssen. Jedoch gebe es auch Beitragserhöhungen bei einigen Krankenkassen, räumte Michaelis ein. Da zudem viele Rentner von der Neuregelung bei Betriebsrenten betroffen seien, wo sie in Zukunft die volle Beitragslast für die Krankenversicherung tragen müssen, und zudem die Rentenanpassung in diesem Jahr ausgesetzt wird, gebe es durchaus negative »kumulative Effekte« für die verfügbaren Einkünfte vieler Rentner.

      Wesentlich gravierender sind allerdings die Einschnitte, die künftige Rentner zu erwarten haben. Man werde daher die gesetzlichen Neuregelungen und die zu erwartende »geringere Dynamisierung« der Renten in die künftig jährlich an alle gesetzlich Versicherten zu verschickenden Renteninformationen einarbeiten, kündigte Franz Ruland, Geschäftsführer des Verbandes der Deutscher Rentenversicherungsträger, an. Die Hochrechnung der bisher erworbenen Rentenansprüche auf die späteren Zahlungen werde auf Grundlage eines »Dynamisierungskorridors«, von 1,5 Prozent jährlich erfolgen. Dieser ergebe sich aus angenommenen durchschnittlichen Lohnerhöhungen von 2,2 Prozent jährlich und den »Nachhaltigkeitsfaktor« genannten Abschlag bei der Rentenanpassung von 0,7 Prozent. Ruland räumte jedoch ein, daß auch diese, im Gegensatz zu den bisherigen individuellen Renteninformationen wesentlich realistischeren Berechnungen nur bedingte Aussagekraft hätten. Zum einen basierten sie auf der Annahme, daß der Versicherte sein aktuelles Lohn- und somit auch Beitragsniveau bis zum Erreichen der Altersgrenze ohne Unterbrechung halten würde, und ferner seien mögliche gesetzliche Änderungen bei der Anrechnung von Ausbildungs- und anderen Ausfallzeiten noch nicht berücksichtigt. Generell gehe es bei den Renteninformationen ohnehin darum, die Versicherten auf drohende Versorgungslücken aufmerksam zu machen und zu verstärkter privater Vorsorge zu animieren, erläuterte Michaelis den Sinn der Aktion.

      Unabhängig von der Höhe der späteren Altersbezüge, gibt es für alle Versicherten, die das Renteneintrittsalter erreichen, auch noch ein besonderes »Begrüßungsgeschenk«. Ab dem 1. April 2004 erhalten Neurentner ihre erste Überweisung erst nach Ablauf des ersten Rentenmonats statt wie bisher zu Beginn. Alleine dadurch würden die Versicherungskassen um jährlich 750 Millionen Euro entlastet, freute sich Ruland.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-05/011.php
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 18:28:39
      Beitrag Nr. 1.441 ()
      Interview
      Interview: Ralf Wurzbacher

      Demographische Langzeitprognosen: Horrorszenario auf wackligen Füßen?

      jW sprach mit Gerd Bosbach, Professor der Statistik, Mathematik und Empirik an der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen


      F: Die Alterung der Gesellschaft wird regelmäßig als Totschlagargument für »unumgängliche Strukturreformen« bei den sozialen Sicherungssystemen herangeführt. Sie dagegen sehen in der demographischen Entwicklung keinen Anlaß zur Aufregung. Wie kommen Sie dazu?

      Ich war von 1988 bis 1991 in Ministerien und Bundestag in beratender Funktion beim Statistischen Bundesamt beschäftigt. Eine meiner Grunderfahrungen von damals ist die, daß sich Langzeitprognosen in aller Regel als haltlos erweisen, da man über eine gewisse Zeitspanne nicht hinausschauen kann. Man stelle sich vor, 1950 wäre die Einwohnerzahl der Bundesrepublik für das Jahr 2000 prognostiziert worden. Seinerzeit wußte noch niemand von der Antibabypille, dem Zuzug von Ausländern, der Wiedervereinigung, der Grenzöffnung im Osten, dem Trend zur Kleinfamilie. All diese Strukturbrüche wären zwangsläufig übersehen worden. Und ähnlich problematisch ist die der öffentlichen Diskussion heute zugrundeliegende Vorausschätzung für das Jahr 2050.

      F: Es ist aber doch Fakt, daß die Deutschen zu wenige Kinder in die Welt setzen, um sich langfristig zu reproduzieren.

      Nimmt man die Geburtenziffern von heute, ist das zweifellos richtig – wobei sich mit einer kinder- und familienfreundlichen Politik einiges ändern ließe. Aber selbst wenn dieser Trend anhält, hätte das bei weitem nicht die Folgen, die von der Politik an die Wand gemalt werden. In der öffentlichen Debatte wird so getan, als müßte die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 20 und 60 Jahren nur die Älteren, sprich die über 60jährigen, versorgen. Daß auch Kinder und Jugendliche zu ernähren sind, wird einfach ausgeblendet. Fakt ist: Die Anzahl der Älteren nimmt zu, gleichzeitig geht aber auch die Anzahl der Jungen zurück, wodurch sich wieder Finanzspielräume ergeben würden. Bezieht man die Jungen in die Betrachtung ein, dann stellt sich die Situation im Jahr 2050 nicht annähernd so dramatisch dar, wie behauptet.

      Zumal dann nicht, wenn man den Faktor Arbeitszeit berücksichtigt. Wenn es 2050, wie prognostiziert, tatsächlich einen Arbeitskräftemangel gibt, dann ist absehbar, daß sich das Renteneintrittsalter bis dahin erhöht haben wird, wodurch die Zahl der »Versorgungsfälle« im hohen Alter geringer ausfallen würde. Die gängigen Langzeitprognosen gehen dagegen von demselben Renteneintrittsalter wie heute aus – eine Milchmädchenrechnung.

      F: Das klingt so, als wären Sie ein Fürsprecher von Arbeitszeitverlängerung?

      Lediglich für den Fall, daß die Versorgung der Gesellschaft durch die nachwachsenden Generationen nicht mehr gewährleistet ist, wie das laut Statistik in wenigen Jahrzehnten der Fall sein könnte. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit müßte dagegen über eine gerechtere Verteilung der Arbeit nachgedacht werden.

      F: Heute wird jedoch alles daran gesetzt, die Arbeitszeit zu verlängern und die Löhne zu drücken, und das ausdrücklich mit dem Verweis auf die alternde Gesellschaft?

      Das Horrorszenario Demographie steht immer dann hoch im Kurs, wenn es darum geht, Kürzungen im Sozialbereich, etwa bei der Rente oder im Gesundheitswesen, vorzunehmen. Es wird bei der Rente aber nicht deshalb gekürzt, weil wir in 50 Jahren mehr alte Menschen zu versorgen haben, sondern weil heute die Rentenkassen leer sind. Das Argument der Demographie wird, so vermute ich, von der Politik lediglich vorgeschoben, um von den aktuellen Problemen abzulenken und eine Rechtfertigung für Sozialkürzungen zu haben.

      F: Kürzungen, die durch eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums vermieden werden könnten ...

      Richtig, wobei hier auch die steigende Produktivität ins Spiel kommt. Wir werden aufgrund der fortschreitenden technologischen Entwicklung im Jahr 2050 deutlich produktiver arbeiten als heute. Die Herzog-Kommission geht von einer Steigerung von 84 Prozent, die Rürup-Kommission sogar von 140 Prozent aus. Wenn die Beschäftigten an diesem Fortschritt durch steigende Löhne Anteil nehmen werden, dann wäre 2050 jeder Beschäftigte in der Lage, sogar mehr Geld für Rentner und Kinder abzugeben als heute, ohne kürzer treten zu müssen. Auch dieser Aspekt wird in der Debatte schlichtweg ausgeklammert.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-05/016.php
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 18:32:26
      Beitrag Nr. 1.442 ()
      Roland Leuschel

      Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter …


      Und so scheinen die Bullen unter den Anlegern sich ruhig zurückzulegen, unbeeindruckt von dem Geschrei der Bären (Wirtschaftsflaute, wilde Devisenkursausschläge, wachsende Ungleichgewichte, Deflations- und Inflationsgeschrei) und warten geduldig auf die nächsten angekündigten Kursziele von 4.500 bzw. über 5.000 des Daxes.

      Es sind übrigens dieselben Bullen, die Anfang März 2.000, als der Dax über die 8.000er Marke (Nemax 8.559) sprang, sich ebenfalls in die Frühjahrssonne legten und geduldig auf das Erreichen der 9.000 bzw. 10.000er Grenzen warteten. Auch damals störte sie das Warngeschrei der Realisten von der irrationalen Überschwenglichkeit nicht. Tatsache aber ist, dass der Dax heute bei 4.100 liegt, und damit seit seinem Tiefstpunkt vom März 2003 (2.200) 86% zugelegt hat.

      Wer zu diesen Bullen gehört, sollte die folgenden Zeilen nicht lesen .

      Platzt demnächst die Echo - Blase am Aktienmarkt?

      Vieles deutet darauf hin, dass 2004 wieder ein dramatisches Aktienjahr werden könnte, und das obwohl der Optimismus der Marktteilnehmer alle bisherigen Rekorde schlägt, und die sogenannten Sentimentsfaktoren heute erheblich höher liegen als im Frühjahr 2000 oder im September 1987, als wir vor den größten Aktiencrashs standen. Kurzum die Euphorie scheint keine Grenzen zu kennen.

      Vermon Smith, der einen Nobelpreis für seine Arbeiten über « Behavioural Finance » bekommen hat, konnte auf Grund geschichtlicher Erfahrungen darlegen : Dem Platzen einer Blase folgt in der Regel eine ausgeprägte Kurserholung (Rallye) eine sogenannte Echo-Blase. Die Marktpsychologie bleibt in dieser Periode dieselbe wie auf dem Höhepunkt der vorherigen Blase, deren schmerzliche Folgen einfach vergessen wurden. Vermon Smith konnte nachweisen, dass erst nach dem Platzen dieser Echo-Blase, bzw. einer zweiten weiteren Echo-Blase, die Marktpsychologie sich grundlegend ändert, und die Marktteilnehmer sich wieder rational verhalten. Dieses ist für die Anleger, die mit der Elliott-Wave-Theorie vertraut sind, eine altbekannte Sache.

      Übrigens nach der Elliott-Wave-Theorie sind wir im Jahre 2001 in eine Phase der Depression eingetreten, und wenn wir es noch nicht gemerkt haben sollten, es handelt sich um das Frühstadium einer solchen Periode. Vergessen wir nicht, dass erst im Jahre 1933 die Ökonomen offiziell feststellten, dass die Wirtschaft in den USA sich in einer Depression befand, obwohl sie, wie man heute weiß, bereits 1929 bzw. Anfang 1930 begonnen hatte.

      Ich halte die seit einiger Zeit aufgestellte These einer Weltwirtschaftskrise II (Beginn 2005) nach wie vor für realistisch und befürchte, dass der mit allen Mitteln herbeigezauberte (negative reale Zinsen, gigantisches Leistungsbilanz- und Staatsdefizit, heißlaufende Notenbankgeldpresse, Währungsmanipulationen etc.) Wirtschaftsaufschwung in Amerika auf höchst wackeligen Füssen steht, bzw. nur in der Statistik mit fragwürdigen, manipulierten Zahlen (hedonisches Preissystem) stattfindet.

      Ausserdem hat die Gesamtverschuldung in Amerika alle Rekorde gebrochen und die Grenze von 300% des BIP des letzten Jahres überschritten. Wie wir alle wissen, beweisen die Mehrheit der Aktienfondsmanager ihren Hang zum Herdenverhalten. Inzwischen ist der Cash-Anteil bei amerikanischen Aktienfonds, auf unter 5 Prozent des Gesamtvermögens gefallen – etwa die selbe Größe wie im Frühjahr 2000 vor dem Aktiencrash. Die Fondsmanager verhalten sich damit genauso wie in den 70er Jahren, also am Anfang des letzten sekulären Abwärtstrendes (1968 bis 1982). Auch damals schien ihnen Liquidität verpönt, und sie hielten nur 4,5% in Cash. Erst nach der verheerenden Baisse des Jahres 1974 änderten sie ihr Anlageverhalten und erhöhten ihren Cash-Anteil auf 12%. Als 10 Jahre später die sekuläre Hausse (1982 bis 2000) begann, hielten die Manager stur an ihrem Cash-Anteil von 10% des Vermögens fest und das während den ersten 10 Jahren.

      Ich wiederhole meine Vorschläge: Legen Sie 15 bis 25% in Gold und Rohstoffe (Zertifikate), 30% in inflationsgesicherte Staatsanleihen (TIPS) oder entsprechende Fonds, und managen Sie aktiv den Rest mit Aktien und versuchen eine erfolgreiche Trading-Strategie. Vergessen Sie nicht, 10 bis 15% in Cash zu halten, um Aktienopportunitäten wahrnehmen zu können.

      Der Dax könnte durchaus seine Tiefstpunkte vom März2003 wieder testen, bevor er zu einer weiteren Echo-Blase ansetzt. Das Buch «Das Greenspan Dossier», das ich zusammen mit Claus Vogt geschrieben habe, ist jetzt im Handel verfügbar. Amazon hat am 1. März eine lange Rezension darüber im Internet geschrieben, deren Schlussfolgerung ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

      « Kritiker und Mahner haben es in einer Zeit des durchaus auch politisch bestimmten Schönredens schwer, Gehör zu finden. Deshalb ist dieses Buch ein wichtiges Werk. Nicht nur weil es gangbare Sicherungsstrategien für das Ersparte offenbart, sondern weil es zum Nachdenken zwingt und längst (über-)fällige Korrekturen anmahnt. Dieses Buch dürfte so manchem Leser und Aktienbesitzer ein bis zwei schlaflose Nächte bereiten. Dennoch, oder gerade deshalb: sehr empfehlenswert.»

      Ich wünsche Ihnen anregende und unterhaltsame Lektüre!

      Roland Leuschel, 3. März 2004

      http://nachrichten.boerse.de/anzeige.php3?id=8291a1d1
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      schrieb am 05.03.04 18:36:38
      Beitrag Nr. 1.443 ()
      arbeit

      Arme Franzosen

      In zehn Jahren stieg die Zahl der Billigarbeiter um 50 Prozent


      von Michael Mönninger

      Eine vornehmere Geschäftslage ist in Paris kaum zu finden. Wenn kurz vor Mitternacht die Schickeria anrückt, um in der Lebensmittelabteilung des Monoprix an den Champs Elysées für das Sektfrühstück einzukaufen, hat Michel Blamchard, 33, alle Hände voll zu tun. Seit zehn Jahren füllt er die Regale des Supermarktes, der wegen seines späten Ladenschlusses in ganz Paris beliebt ist.

      Blamchard ist einer von knapp drei Millionen Franzosen, die den gesetzlichen Mindestlohn Smic (Salaire minimum interprofessionnel de croissance) beziehen. Er lebt in einer neun Quadratmeter großen Dachwohnung mit Waschbecken und Außentoilette an der Avenue Montaigne und zahlt dafür 300 Euro Miete: „Mehr ist für 1100 Euro brutto im Monat nicht drin.“ Nach Abzug von Miete, Sozialbeiträgen und dem Unterhalt für seine Kinder bleiben ihm gerade mal 600 Euro. Deshalb arbeitet er zuweilen noch für ein Taschengeld im Zeitungskiosk nebenan.

      Bereits 1950 führte die französische Regierung die Mindestlöhne ein. Mittlerweile erhalten 13 Prozent aller abhängig Beschäftigten den Smic, zu Beginn der neunziger Jahre waren es noch 8 Prozent. Der minimale Stundenlohn beträgt derzeit 7,14 Euro, davon ausgenommen sind Jugendliche, Auszubildende und Behinderte.

      Anfangs arbeiteten die meisten Smic-Bezieher in Landwirtschaft und Industrie, heute sind sie mehrheitlich als Hilfskräfte in Gastronomie und Haushalt (35 Prozent), im Handel (20 Prozent) sowie in Erziehung und Gesundheit (15 Prozent) tätig. Vor allem Frauen und jüngere Kräfte erhalten den Mindestlohn, und sie arbeiten meist in Kleinstbetrieben. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten beträgt der Smic-Anteil hingegen nur knapp 5 Prozent.

      „Gäbe es den Smic nicht, würde fast die Hälfte der Betroffenen weniger als den Mindestlohn verdienen“, sagt Roland Metz, Tarifexperte der radikalen Gewerkschaft CGT in Paris. Der Smic ist für den Gewerkschafter zudem ein wirksames Mittel gegen das drohende Lohn-Dumping durch die Osterweiterung der EU.

      Doch auch der Arbeitgeberverband Medef ist kein prinzipieller Smic-Gegner. Denn zum Ausgleich für die höheren Lohnkosten erhebt der Staat keinen Arbeitgeberanteil auf den Mindestlohn, um auf diese Weise die Beschäftigung zu fördern – für die Unternehmen eine spürbare Entlastung. „Wir protestieren lediglich gegen die Lohnspirale der automatischen Erhöhungen“, sagt denn auch Arbeitgebersprecher Jean-François Baron. „Denn der Mindestlohn hat sich dadurch von der Entwicklung der Produktivität längst abgekoppelt.“ Das wiederum führe dazu, dass immer mehr Jobs unrentabel werden und verloren gehen.

      Der Sozialexperte Eric Heyer vom Pariser Wirtschaftsforschungsinstitut OFCE sieht das anders. Den Zusammenhang von Stellenstreichungen und Mindestlohn hält er keineswegs für ausgemacht. Denn gerade die Geringverdiener geben ihr Geld sofort wieder aus und fördern so die Nachfrage. Heyer: „Das Absinken des Konsumniveaus ohne Smic hätte gesamtwirtschaftlich negativere Folgen als die Möglichkeit, dass manche ungelernten Kräfte mit einem Mindestlohn überbezahlt wären und deshalb unbeschäftigt bleiben.“

      (c) DIE ZEIT 04.03.2004 Nr.11

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      http://www.zeit.de/2004/11/Praxis_Frankreich
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      schrieb am 05.03.04 18:46:36
      Beitrag Nr. 1.444 ()
      arbeit

      Arbeit um jeden Preis

      Wie viel darf ein Mitarbeiter kosten? Muss der Lohn zum Leben reichen? Gewerkschafter fordern ein gesetzliches Mindesteinkommen. Doch zur Armutsbekämpfung taugt das nicht


      Von Kolja Rudzio




      © Beck für DIE ZEIT

      Welcher Lohn ist angemessen für eine Brötchenverkäuferin? 6 Euro brutto die Stunde? Der Tarif beim Bäckerhandwerk Saarland liegt bei 5,98Euro für ungelernte Kräfte. Mancher Betrieb, der nicht tarifgebunden ist, zahlt sogar nur 4,50 Euro. Wären vielleicht auch weniger als 4 Euro genug? Gibt es überhaupt eine Grenze? Bald nicht mehr, fürchten viele Gewerkschafter. „Auf breiter Front“, warnt DGB-Chef Michael Sommer, könnten die Löhne für einfache Arbeiten ins Rutschen kommen. „Wir kriegen Armutslöhne für 6,3 Millionen Menschen, die heute schon für geringe Einkommen arbeiten.“

      Vom 1. Januar 2005 an gelten verschärfte Regeln für Langzeitarbeitslose. Sie müssen dann jeden Job annehmen – auch wenn er extrem schlecht bezahlt wird. Sonst wird ihnen das Geld gekürzt. Nur für Arbeitslose, die älter als 57 Jahre sind, gibt es eine zeitlich befristete Ausnahmeregelung. Die neuen Vorschriften sollen den Druck erhöhen auf die rund 1,5 Millionen registrierten Langzeitarbeitslosen. Gewerkschafter fürchten jedoch: Der Druck überträgt sich auf den gesamten Niedriglohnsektor – und damit ausgerechnet auf jenen Teil des Arbeitsmarktes, der schon durch Minijobs, Ich-AGs und die Konkurrenz mit osteuropäischen Billigarbeitern besonders belastet ist. Das Schreckensszenario der Gewerkschafter: Die Löhne fallen ins Bodenlose, es entsteht ein Heer von Armen, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Die neuen Zumutbarkeitsregeln müssten entschärft werden, noch ehe sie in Kraft treten, fordert deshalb DGB-Chef Sommer. Andere Gewerkschafter gehen noch weiter: Sie verlangen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

      Michael Burda, Arbeitsmarktexperte an der Humboldt-Uni in Berlin, hält das für unverständlich: „Da hat man sich endlich einmal mit einer Reform bewegt, und nun soll schon wieder alles rückgängig gemacht werden.“ Und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt, ein Mindestlohn konterkariere die Reformen und blockiere die Entstehung neuer Jobs.

      Die Debatte über Reformen auf dem Arbeitsmarkt ist neu entflammt. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage: Was soll mit jenen Menschen geschehen, die in der Hochlohnrepublik Deutschland keinen qualifizierten Job bekommen? Mit den Menschen, die über keine oder die falsche Ausbildung verfügen und sich deshalb für wenig Geld verdingen müssen? Was darf man ihnen zumuten, was den Arbeitslosen, die länger als ein Jahr keinen Job haben?

      Ursprünglich hatte die rot-grüne Bundesregierung selbst gar nicht so scharfe Regeln für die Langzeitarbeitslosen vorgesehen. Als zumutbar sollten Jobs gelten, die entsprechend dem ortsüblichen Lohn bezahlt werden. Doch im Vermittlungsausschuss setzten die unionsgeführten Bundesländer durch, dass diese Passage aus dem Hartz-IV-Gesetz gestrichen wurde. Jetzt dürfte es extrem schwierig sein, das Kompromisspaket wieder aufzuschnüren.

      Doch genau das forderte die versammelte DGB-Spitze am Montagabend bei einem Treffen mit dem Kanzler. Ihre unverhohlene Drohung: Entweder korrigiert die Regierung ihren Reformkurs, oder die Gewerkschaften werden im Superwahljahr 2004 gegen sie zu Felde ziehen. „Den Kampf um den Niedriglohnsektor“, sagt DGB-Chef Sommer, „werden wir kampagnenartig aufziehen.“ Ein bundesweites Beratungstelefon für Niedriglöhner wollen sie einrichten. Und erstmals sollen auch Nichtmitglieder Hilfe bei den Gewerkschaften erhalten.

      Allerdings zieht das Gewerkschaftslager mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen in diese Kampagne. Viele Arbeitnehmervertreter halten ebenso wie viele SPD-Linke einen Feldzug gegen die bereits beschlossenen Zumutbarkeitsregeln für aussichtslos. Ihr Alternativvorschlag: der Mindestlohn. Andrea Nahles, Mitglied im SPD-Präsidium, fordert ihn. Auch Franz-Josef Möllenberg, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, hält ihn für unausweichlich – selbst wenn die Zumutbarkeitsregeln entschärft würden. Sein Argument: Die Löhne sind längst auf dem Weg ins Bodenlose. „Früher konnten wir mit Tarifverträgen die Standards setzen“, sagt Möllenberg, „heute sind viele Betriebe gar nicht mehr tarifgebunden.“ Von den 700000 Beschäftigten im Hotel- und Gaststättenbereich werden nach Möllenbergs Schätzung mindestens 200000 von Tarifen nicht mehr erreicht. Im Bäckerhandwerk existiere in vielen Regionen überhaupt kein Entgelt-Tarifvertrag mehr – etwa in Ostdeutschland oder auch in Baden-Württemberg.

      Die Gewerkschaften sind beim Mindestlohn gespalten: IG-Metall-Chef Jürgen Peters oder DGB-Boss Sommer fürchten den Eingriff in die Tarifautonomie; die Baugewerkschaft und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dagegen sprachen sich zusammen mit Möllenbergs NGG schon einmal für ein „existenzsicherndes Mindesteinkommen“ aus – in Höhe von 1500 Euro als „Referenzgröße“. Das entspräche, bei etwa 160 Arbeitsstunden im Monat, einem Stundenlohn von 9,38 Euro – deutlich mehr als bei vielen Tariflöhnen. „Wer in Deutschland Vollzeit arbeitet“, sagt Möllenberg, „muss auch davon leben können.“

      Die Befürworter des Mindestlohns verweisen aufs Ausland. Tatsächlich kennen neun von fünfzehn EU-Staaten solche Mindeststandards, ebenso die USA (siehe nächste Seite). Die Spanne reicht von Portugal mit einem monatlichen Mindestlohn von 416 Euro bis zu Luxemburg mit 1369 Euro. Vor allem dort, wo der Einfluss der Gewerkschaften gering ist und der Abstand zwischen dem Durchschnittsverdienst und den Niedriglöhnen sehr groß, werden oft untere Limits gesetzt. In den USA zum Beispiel beschließt das Parlament die Minimallöhne, in Großbritannien entscheidet eine Kommission, in der Gewerkschafter und Arbeitgeber sitzen.

      In einigen Branchen existieren auch in Deutschland bereits Mindeststandards. Über einen Ausschuss beim Bundesarbeitsministerium können Tarifverträge zu allgemeinverbindlichen Regeln erklärt werden. Sie gelten dann für alle Betriebe einer Branche, auch für nicht tarifgebundene. Etwa am Bau: Dort beträgt der Mindestlohn für Hilfsarbeiter in Ostdeutschland 8,95 Euro pro Stunde, im Westen 10,36 Euro.

      Meist allerdings verweigern die Arbeitgeberverbände im Tarifausschuss ihre Zustimmung, und der Gesetzgeber scheut sich, gegen ihren Willen in den Markt einzugreifen. Einige Gewerkschafter fordern deshalb ein erleichtertes Verfahren für die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit, um so Branche für Branche unterschiedliche Mindestlöhne setzen zu können.

      Als eine Art generelle Untergrenze für Löhne gilt außerdem die Sozialhilfe, deren Höhe allerdings je nach individuellem Bedarf, Wohn- und Familiensituation variiert. Für Jobs, deren Bezahlung unter Sozialhilfeniveau liegt, werden kaum deutsche Mitarbeiter zu finden sein. Für Langzeitarbeitslose wird diese Untergrenze mit den neuen Regeln im kommenden Jahr aber deutlich abgesenkt. Ein alleinstehender Westdeutscher bekommt dann pauschal 345Euro plus Wohngeld. Dieser Satz wird gekürzt, wenn er ein Jobangebot ablehnt. Allerdings: Liegt die Bezahlung mindestens 30 Prozent unter dem ortsüblichen Lohn, ist das sittenwidrig. Zu einer solchen Arbeit kann niemand gezwungen werden.

      Die Politik will also die indirekte Lohnuntergrenze absenken, während einige Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach 1500 Euro auf das genaue Gegenteil abzielen – eine deutliche Erhöhung der unteren Limits. Wirtschaftsexperten lehnen den Vorstoß der Gewerkschaften fast unisono ab: Nach klassischer ökonomischer Lehre gibt es für Mindestlöhne keine Rechtfertigung. „Entweder sind sie zu niedrig, dann spielen sie auf dem Arbeitsmarkt keine Rolle“, sagt Herbert Buscher vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle, „oder sie sind zu hoch, dann vernichten sie Arbeitsplätze.“

      Empirisch nachweisen lässt sich dieser Effekt allerdings nicht ohne weiteres. Zu Beginn der neunziger Jahre erregte eine Studie der amerikanischen Ökonomen David Card und Alan Krueger Aufsehen. Sie hatten festgestellt, dass eine Erhöhung des Mindestlohns in New Jersey bei den örtlichen Schnellrestaurants nicht zu weniger, sondern sogar zu mehr Beschäftigung führte. Seither wurde eine Flut von Gegenstudien und anderen Untersuchungen mit teils widersprüchlichen Ergebnissen veröffentlicht. Jüngst erst kamen zwei Forscher zu dem Ergebnis, eine Anhebung des Mindestlohns habe in den USA keine spürbaren Folgen für die Beschäftigung, während sie in Frankreich sehr wohl Arbeitsplätze koste. Offenbar hängt die Wirkung der Lohnuntergrenzen von vielen Faktoren ab – nicht nur von ihrer Höhe, sondern von der gesamten Wirtschaftsstruktur.

      Zwei Dinge gelten allerdings als weitgehend gesichert. Erstens: Wo Mindestlöhne angehoben werden, steigt oft die Jugendarbeitslosigkeit. Da junge Beschäftigte in der Regel weder über Erfahrungen noch über besondere Qualifikationen verfügen, spielt die Lohnhöhe für ihre Anstellung eine zentrale Rolle. Zweitens: Viele Niedriglöhner leben gar nicht in einem armen Haushalt.

      „Oft sind es einfach Jugendliche, die noch zu Hause bei ihren Eltern wohnen, oder Hausfrauen, die nur etwas dazuverdienen“, sagt Thomas Rhein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Älteren Daten der OECD zufolge gehören in Deutschland fast 80 Prozent der Niedriglöhner zu einem Haushalt mit „moderatem bis hohem“ Einkommen. Ähnlich ist die Situation in Frankreich, England und den meisten Industrieländern, nur die USA fallen mit einem geringeren Wert aus diesem Bild. Das Fazit von IAB-Experte Rhein: „Zur Armutsbekämpfung taugen gesetzliche Mindestlöhne nicht.“

      Und was wären die Alternativen? Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts in München, plädiert für eine Umgestaltung der Sozialhilfe, um armen Niedriglöhnern zu helfen. Der Wirtschaftsexperte hält das von den Gewerkschaften befürchtete Szenario abrutschender Löhne im Niedrigsektor durchaus für realistisch – schon wegen des steigenden Wettbewerbs mit Osteuropa. Sinkende Löhne in diesem Bereich seien unvermeidbar. Doch der Ökonom zieht daraus einen völlig anderen Schluss als die Gewerkschaftsfunktionäre: „Der Markt schafft keine gerechten Einkommensstrukturen, aber Gerechtigkeit lässt sich auch nicht gegen den Markt durchsetzen. Wenn man Arbeitslosigkeit vermeiden will, bleibt nur die Möglichkeit, über das Sozialsystem einen gerechten Ausgleich zu schaffen.“

      Das von Sinn geleitete ifo-Institut propagiert daher die „aktivierende Sozialhilfe“. Bei diesem Modell, das sich auch der Sachverständigenrat zu Eigen machte und das in ähnlicher Form in den USA praktiziert wird, würden Geringverdiener über direkte Zahlungen aus Steuermitteln so unterstützt, dass sie ein deutlich über der heutigen Sozialhilfe liegendes Einkommen erreichten. Gewerkschafter stehen dem Modell, das auch Kürzungen für nicht arbeitswillige Sozialhilfeempfänger enthält, kritisch gegenüber. Dabei schwingt auch die Sorge mit, das allgemeine Lohnniveau könnte herabgezogen werden.

      Welche Folgen die neuen Zumutbarkeitsregeln tatsächlich haben werden und welcher Druck auf Langzeitarbeitslose entsteht, halten Arbeitsmarktexperten wie Herbert Buscher vom IWH für nicht klar absehbar. Sein Rat: „Wir sollten dieser Reform erst einmal die Chance geben zu wirken. Wenn sich dann zeigt, dass der Missbrauch wirklich überhand nimmt, kann man immer noch einen Mindestlohn einführen.“


      Mitarbeit: Ulrike Meyer-Timpe

      (c) DIE ZEIT 04.03.2004 Nr.11

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      http://www.zeit.de/2004/11/Mindestlohn
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      schrieb am 05.03.04 18:54:20
      Beitrag Nr. 1.445 ()
      arbeit

      Sorglos und zu billig

      Personal-Service-Agenturen: Das Geschäft mit der Arbeitslosigkeit floppt – trotz stattlicher Subventionen


      Von Gunhild Lütge

      Private Initiative statt Aktenverwaltung, Unternehmergeist statt Bürokratie. Das war die ursprüngliche Idee der hochkarätig besetzten Hartz-Kommission. Die rot-grüne Bundesregierung machte daraus ein Gesetz. Mehr Flexibilität sollte den Arbeitsmarkt beleben, ganz im Sinne der Agenda 2010. Ein wesentlicher Baustein der Reform: Personal-Service-Agenturen, kurz PSA genannt.

      Zunächst klingt alles ganz einfach. Arbeitsvermittler aus der Privatwirtschaft sollen ihre Kollegen von der staatlichen Bundesagentur entlasten. Die PSA stellen Arbeitslose befristet ein, um sie dann entweder an andere Unternehmen zu verleihen oder, besser noch, dauerhaft zu vermitteln. Für jeden, den sie beschäftigen, bekommen sie Geld vom Arbeitsamt. Die Subventionen sollen möglichst viele private Agenturen motivieren, Menschen einen Job zu beschaffen. Allein im vergangenen Jahr hat die Bundesanstalt dafür stattliche 175 Millionen Euro ausgegeben. Ein plausibles Konzept, so scheint es. Aber es versagt.

      Die ersten PSAs sind schon nach wenigen Monaten am Ende. Erwischt hat es vor allem die deutsche Tochter von Maatwerk, einer niederländischen Gesellschaft. Und mit ihr fast 10000 Menschen. Deren Schicksal droht nun im Strudel der neuen Affäre um den virtuellen Arbeitsmarkt unterzugehen (siehe nebenstehenden Artikel).

      Maatwerk musste Mitte Februar Insolvenz anmelden. Die Niederländer kümmern sich schon lange um ein besonders schwieriges Klientel: Langzeitarbeitslose. Und das schon seit einigen Jahren auch in Deutschland. Als die Bundesanstalt für Arbeit im vergangenen Jahr auf der Suche nach Kooperationspartnern für ihr neues Modell war, stand Maatwerk-Chef Jos Berends bereit.

      Bei der Vergabe der Lizenzen erhielt er mehr Zuschläge als alle anderen Bewerber. Weil seine Firma die „wirtschaftlichste“ war, heißt es in einer Erklärung der Behörde in Nürnberg. Der erste Fehler. Maatwerk soll zwar der billigste Bewerber gewesen sein, weil das Unternehmen weniger Geld verlangte als seine Konkurrenten. Von Wirtschaftlichkeit aber konnte keine Rede sein. Es mangelte an Erfahrung mit dem Verleih von Arbeitnehmern; es mangelte an Kontakten zur Wirtschaft. Und es mangelte offensichtlich an ökonomischem Sachverstand. Jos Berends hat sich schlicht übernommen. War das nicht absehbar? Warum vertraute man ihm seit April vergangenen Jahres gleich 10000 Menschen an? Unter ihnen übrigens auch gut qualifizierte.

      Es musste alles ganz flott gehen. Das war der zweite Fehler. Jedes Arbeitsamt sollte sich auf die Schnelle eine PSA als Vertragspartner suchen. Die wurde zudem verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Arbeitslosen schon innerhalb der ersten drei Monate fest zu übernehmen. Qualitätskriterien und Konzepte der Agenturen kamen bei der Auswahl zu kurz. Es ging vor allem um die Prämie pro Kopf, die von Fall zu Fall ausgehandelt wurde. Sie variiert nicht nur von Agentur zu Agentur, die einzelnen Arbeitslosen haben auch einen unterschiedlichen Wert. Im Schnitt gibt es für jeden 1000 Euro pro Monat. Doch das sagt nicht viel aus. Hilfskräfte liegen beispielsweise bei rund 325Euro, ein Ingenieur kann hingegen fast 2500Euro pro Monat in die Kasse spülen, zuzüglich Mehrwertsteuer. Außerdem hängt die Summe davon ab, ob der Arbeitsuchende „marktgängig“ ist. Und das hat unter anderem auch mit seinem Alter zu tun.

      Der Geldstrom vom Amt fließt ein dreiviertel Jahr lang – und das Monat für Monat. Der dritte Fehler. Denn das verführt zu Missbrauch und Mitnahmeeffekten. Überall dort, wo es wegen mangelnder Arbeitsplätze nichts zu vermitteln gibt, setzt brutale Konkurrenz ein: zwischen jenen, die vom Amt geschickt werden, und jenen, die zuvor schon nach eigener Initiative bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt waren. Pech für sie. Schließlich zahlt sich ihr Ersatz durch subventionierte Arbeitslose in barer Münze aus.

      Es geht noch dreister. Auffällig sei, dass überraschend viele PSA ihre Beschäftigten zum Monatsende einstellten und Monatsbeginn entließen, fand das hauseigene Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) heraus. Die Erklärung: „Im Extremfall kann eine nicht erfolgreiche Verweildauer eines Beschäftigten von zwei Tagen einen Anspruch auf zwei Fallpauschalen erzeugen.“ Mit anderen Worten: Ein Ingenieur brächte beispielsweise in 48 Stunden fast 5000 Euro in die Kasse. Das provoziert gerade dazu, aus einer PSA eine Menschen-Umschlagmaschine zu machen. Auf Touren bleibt die allerdings nur, wenn der Nachschub nicht ausgeht. Aber das ist bei rund 4,6 Millionen Arbeitslosen kaum zu befürchten.

      Bei seriösem Geschäftsgebaren kann die Kalkulation mit den Arbeitslosen nur dann aufgehen, wenn sie zügig verliehen oder bei einem anderen Arbeitgeber dauerhaft untergebracht werden. Denn die Zahlungen vom Amt sind degressiv gestaltet. Je länger jemand unvermittelt bleibt, um so stärker schrumpft die Prämie für ihn. Sein Gehalt, das er von der PSA erhält, läuft indes in voller Höhe weiter. Und: Nur bei Vermittlung gibt es einen Sonderbonus. Alles in allem, so heißt es in der Branche, bleibt unter dem Strich nur etwas übrig, wenn 65 Prozent der Leiharbeiter weiter vermittelt werden.

      Maatwerk konnte bei seinen fast 10000 Beschäftigten nur für 1000 neue Arbeitgeber finden; eine viel zu schlechte Quote also, um damit Geld zu verdienen. Jetzt versucht Insolvenzverwalter Gerd Weiland zu retten, was zu retten ist. Aber das ist nicht sehr viel. Denn die Bundesagentur hat ihrem Partner die Verleiherlaubnis entzogen. Nichts geht mehr. Besonders bitter für die Leiharbeiter: Im Januar und Februar erhielten sie keine Gehälter mehr. Zwar steht ihnen sowie ihren Vermittlern Insolvenzgeld zu. Doch die Abwicklung „dauert Monate,“ sagt Gerd Weiland. Seine Versuche, wenigstens die Zahlung der ausstehenden Februar-Gehälter für die 600 Maatwerk-Vermittler zu forcieren, schlugen bislang fehl. „Die Bundesagentur bewegt sich nur mit gewaltigem Geächze,“ so Weiland. „Die Folge ist ein gewaltiges Chaos.“

      Die betroffenen Leiharbeiter können zunächst wieder mit Arbeitslosengeld rechnen. Und dann? Werden sie zu anderen PSA geschickt? Die müssen sich erst einmal finden. Denn das ganze Konzept steht womöglich zur Disposition. Von den ursprünglichen Erwartungen traf jedenfalls so gut wie keine ein.

      So war die Hartz-Kommission davon ausgegangen, dass bis Ende 2005 rund 200000 der PSA-Leiharbeiter in anderen Unternehmen „kleben“ bleiben. Bislang, nach fast einem Jahr, sind es gerade einmal 6500. Auch der Bestand lässt wenig hoffen. Bis Mitte Februar übernahmen die Agenturen insgesamt 32000 Menschen. Nach dem Maatwerk-Debakel ist die Zahl um ein Drittel geschrumpft.

      Nun füchten auch die professionellen Zeitarbeitsfirmen um ihren Ruf. Sie signalisieren grundsätzlich Interesse daran, weitere PSA zu betreiben. Doch sie wissen aus ihrer langen Erfahrung, dass alles seinen Preis hat. Vor allem im Geschäft mit Zielgruppen und in Regionen, bei denen das Vermittlungsrisiko sehr hoch ist. „Wir müssen das betriebswirtschaftlich betrachten“, sagt Thomas Läpple vom Bundesverband der Zeitarbeitsfirmen (BZA) – fast entschuldigend. Denn irgendwie mutet das Vokabular aus der freien Wirtschaft ziemlich zynisch an.

      Die Konzepte der etablierten Verleihfirmen würden bedeuten, dass die Subventionen der Bundesagentur kräftig steigen müssten. Gespräche darüber hat der Verband inzwischen längst angeboten. Doch auf eine Reaktion aus Nürnberg wartet er bis heute.

      Schon im November vergangenen Jahres kamen erste Zweifel auf, ob sich das Konzept tatsächlich bewähren wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt ging Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, davon aus, dass es „eine gewisse Marktbereinigung geben wird.“ Das sei ganz normales „Geschäft“. Grundsätzlich treibt Insolvenzverwalter Weiland denn auch die Frage um, warum sich die Bundesanstalt nicht auf die Insolvenz vorbereitet hat. Die Betroffenen säßen nun auf dem Trockenen, während in Nürnberg „die Bürokratie wiehert“, so Weiland vergangene Woche. Da wusste er noch nicht, dass auch beim Debakel um den virtuellen Arbeitsmarkt keinerlei Alarmglocken schrillten.

      (c) DIE ZEIT 04.03.2004 Nr.11

      ZUM ARTIKELANFANG

      http://www.zeit.de/2004/11/PSA
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      schrieb am 05.03.04 18:56:00
      Beitrag Nr. 1.446 ()
      arbeit

      Essensmarke vom Staat

      Der Niedriglohn reicht in den USA nicht zum Leben


      Von Thomas Fischermann

      Am 19. Februar meldete die Bürgerrechtsorganisation ACORN ihren jüngsten Erfolg: Im Bundesstaat Florida unterzeichneten mehr als 50000 Einwohner eine Petition für einen höheren Mindestlohn. Er soll künftig einen Dollar über dem bundesweiten Standard von 5,15 Dollar liegen. Land für Land, Stadt für Stadt haben die Bürgerrechtler in den vergangenen Jahren ähnliche Kampagnen gestartet, häufig mit Erfolg. Erst im November wurde in San Francisco beschlossen, allen Angestellten in der Stadt mindestens 8,50 Dollar pro Stunde zu zahlen. Ein Rekordbetrag.

      Mindestlöhne gibt es in den USA seit 1912, als Massachusetts gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in „Sweatshops“, gegen Kinderarbeit und Überstunden vorgehen wollte. Eine Fülle weiterer Staaten folgte dem Beispiel, und 1938 trat mit dem Fair Labor Standards Act (FLSA) eine bundesweite Regelung in Kraft. Es geschah unter lautstarkem Protest etlicher Politiker aus den Südstaaten, wo die Löhne traditionell niedriger sind. In welchen Abständen und um wie viel Geld der Mindestlohn erhöht wird, liegt im Ermessen der Kongressabgeordneten. Seither geben politische Stimmungen und die Launen der Konjunktur den Ausschlag.

      In früheren Jahrzehnten - und vor allem unter demokratischen Kongressmehrheiten - wurde der bundesweite Mindestlohn alle ein bis zwei Jahre angehoben. Doch seit Beginn der achtziger Jahren ist er weit hinter der Preisentwicklung zurückgeblieben und hat etwa ein Viertel seiner Kaufkraft verloren. Schätzungsweise sieben Millionen Menschen verdienen heute den Mindestlohn oder unwesentlich mehr, rund sechs Prozent der Beschäftigten. In vielen Gegenden der USA wäre davon kaum eine Familie zu ernähren. Wohlfahrtsverbände und Sozialforschungsinstitute errechnen regelmäßig "minimal notwendige" Löhne, um Armut zu vermeiden - und kommen je nach Region und Methodik auf 8 bis 14 Dollar.

      So haben etliche Staaten, Städte und Kreise inzwischen eigene Standards festgesetzt. Meist auf Druck von Aktivisten wie ACORN, und in den vergangenen Jahren hat die Entwicklung an Fahrt gewonnen – nicht zuletzt wegen des Wirtschaftsbooms der späten neunziger Jahre. Für viele Billigjobber ist der Mindestlohn indes nicht die einzige Einkommensquelle. Der amerikanische Staat hilft armen Familien mit dem so genannten Earned Income Tax Credit (EITC), einer Art negativer Einkommenssteuer, und einigen Formen der Sozialhilfe wie zum Beispiel Essensmarken.

      Dass ein höherer Mindestlohn bei der Armutsbekämpfung hilft, gilt für die USA inzwischen als bewiesen. Ein altes Argument der Kritiker, nach dem die meisten Billigjobber Teenager aus Familien der Mittelschichten seien, ist falsch. Studien zum Ende der neunziger Jahre ergaben, dass ein durchschnittlicher Niedriglohnarbeiter mehr als die Hälfte des Einkommens seiner Familie beisteuert. Knapp die Hälfte aller Niedriglohnarbeiter arbeiten Vollzeit, ein weiteres Drittel 20 bis 34 Stunden pro Woche. Jared Bernstein vom Arbeitsforschungsinistitut EPI in Washington vermutet außerdem: „Weil die Wohlfahrtsreformen mehr Familien dazu zwingen, von Niedriglöhnen zu leben, dürfte eine Erhöhung des Mindestlohns heute einen größeren Einfluss denn je auf die Reduzierung von Armut haben.“

      (c) DIE ZEIT 04.03.2004 Nr.11

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/11/Praxis_USA
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      schrieb am 05.03.04 19:00:50
      Beitrag Nr. 1.447 ()
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      Global Player`s President?

      ein Kommentar zur Nominierung des Kandidaten von CDU/CSU und FDP für das Amt des Bundespräsidenten


      Egon W. Kreutzer
      05. 03. 2004

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14008KoehlerBanker.h…

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      Köhler, Horst
      Banker


      Was geht uns der IWF an, und was die Weltbank? Wir haben diese Institutionen erfolgreich aus unserem Blickfeld verbannt. Viel zu kompliziert, was die da machen und außerdem betrifft es uns nicht. Klar, in den Nachrichten haben wir von diesen irregeleiteten Globalisierungsgegnern gehört, die immer wieder Randale machen, wenn IWF und Weltbank zum Wirtschaftsgipfel rufen, aber: Hat das die Polizei nicht inzwischen ziemlich gut im Griff?

      Es ist müßig, sich an dieser Stelle über die Rolle von IWF und Weltbank zu verbreiten. Es gibt genügend Informationen im Netz . Weil Weltbank und IWF eine recht zurückhaltende Informationspolitik treiben, handelt es sich dabei vornehmlich um kritische Stimmen, aber das sollte niemand daran hindern, sich trotzdem damit zu beschäftigen. Schließlich haben sich auch Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle in den letzten Tagen damit beschäftigen müssen, bevor sie - nach langer, quälender Diskussion um viele andere Namen - in einer Nacht- und Nebelaktion gemeinsam beschlossen, den bisherigen Chef des Internationalen Währungsfonds zum Bundespräsidenten wählen zu lassen.

      Merkel und Stoiber, qua Parteizugehörigkeit "Christen" und Westerwelle, der "Liberale", können die folgende Aussage nicht übersehen haben, als sie sich für Köhler entschieden. Vor fast genau einem Jahr, am 15. Februar 2003, sagte Köhler der FAZ - mit Blick auf Europa und speziell auch Deutschland:

      "Es fehlt der Wille zur schöpferischen Zerstörung sklerotischer Strukturen.
      Die Arbeits- und Sozialkosten müssen gesenkt werden, die Steuern müssen runter, und es muß ein investitionsfreundliches Klima geschaffen werden."

      Da kommt also in wenigen Wochen ein Präsident an Bord, den die Lust am Kaputtschlagen umtreibt. Kann ein Mann, der die Interessen der Investoren über alle anderen Interessen stellt, dem Anspruch des Amtes, nämlich "Präsident aller Deutschen" zu sein, überhaupt gerecht werden?

      Er selbst wird nicht den geringsten Zweifel daran haben. Gefangen in dem Denkgebilde:

      "Sinkende Kosten schaffen bessere Chancen im internationalen Wettbewerb, bessere Chancen führen zu mehr Umsatz, mehr Umsatz erfordert mehr Produktion, mehr Produktion schafft mehr Arbeitsplätze, mehr Arbeitsplätze schaffen mehr Wohlstand",

      wird er jeden Sozialabbau, jede Lohnkürzung, jede Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die fortschreitende Entrechtung der Menschen als notwendige Vorbedingung für die Wende zum Besseren ansehen, die er als Präsident für alle Deutschen gleichermaßen anstrebt. Sich selbst sieht er möglicherweise in der Riege jener selbstlosen, tragischen Helden, die der unbarmherzige Lauf der Geschichte dazu verdammt, grausam zu sein, damit nach ihnen Friede, Freude und ewiger Wohlstand Einzug halten können.



      Ist ein Mann, der glaubt, den Interessen des Volkes nur mittelbar - über den Umweg der Interessen des Kapitals - dienen zu können, wirklich die beste Wahl für das Amt des Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland?

      Horst Köhler hat in ersten öffentlichen Äußerungen betont, dass er den Veränderungsprozess unterstützen will.

      Begleitete Johannes Rau den Veränderungsprozess bisher mit präsidialer Milde und der Mahnung, die Bevölkerung mit der Flut der Reformen nicht zu überfordern, wird sich Horst Köhler solcher Sozialschwärmereien mühelos enthalten können. Er wird immer für schnelle, harte und schmerzhafte Einschnitte plädieren.



      Sinkende Arbeitskosten verbessern die Chancen auf dem Weltmarkt. Richtig.

      Aber das sagt der IWF allen Staaten!

      ...und solange sich alle Staaten, die ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht mit der Nonchalance der USA über Notenpresse und Währungskursmanipulationen überwinden können, an diese Empfehlung halten, kann der Wettlauf um die niedrigsten Arbeitskosten nie aufhören.

      Alle Völker, die sich dem Dogma "Wachstum durch Lohnverzicht" unterwerfen und sich dem ruinösen Wettbewerb der Standorte stellen, werden sich am Ende ihrer Bemühungen in der vollständigen Versklavung wiederfinden.

      Gewinner sind die so genannten "Global Player". Investoren, deren Kapital skrupellos diejenigen Standorte bevorzugt, an denen die Selbstversklavung am weitesten fortgeschritten ist. Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle wollen den Mann, der das Konzept der Globalisierung tief verinnerlicht hat, zum Bundespräsidenten wählen lassen. Die Demoskopen sagen, das hätte sich in den Umfragewerten bereits positiv bemerkbar gemacht und Frau Schwan, die vom Regierungslager vorgeschlagene Kandidatin, hätte keine Chance.



      Bleibt also nur, Herrn Köhler alles Gute zu wünschen.

      Vor allem, dass es ihm gelingen möge, die Chancen zu nutzen, die das neue Amt bietet.

      Dem Bundespräsidenten Köhler steht es frei, den Blick weit über den Horizont von Krediten und Renditen hinauswandern zu lassen, bis hinter allen Zahlenkolonnen die Menschen zu erkennen sind. Eine Aussicht, die dem Banker Köhler womöglich nie vergönnt war.

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      Avatar
      schrieb am 05.03.04 19:07:44
      Beitrag Nr. 1.448 ()
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      Ausbildungsplatzabgabe
      Nachdenken über ein häßliches Wort


      Kommentar von Egon W. Kreutzer
      05.03.2004
      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14007Arbeitsplatzabg…

      Der Titel der Gesetzesvorlage kann nur noch schlimmer klingen:


      "Gesetz zur Erhebung einer Abgabe zur Gewährleistung einer Ausbildungsgarantie für ausbildungswillige Ausbildungsberechtigte und Ausbildungsberechtigtinnen",

      oder so ähnlich. Spass beiseite.


      Teile der SPD; so hört man von einfühlsamen Kommentatoren, fordern einen Beweis dafür, dass die SPD sich immer noch einen Rest sozialdemokratischen Gedankengutes bewahrt hat. Müntefering glaubt, so hört man, diesen Beweis antreten zu können, indem er mit der so genannten Ausbildungsplatzabgabe winkt.



      Ein Gesetz, dass selbstverständlich überhaupt nicht gelten soll, außer, die Wirtschaft sorgt nicht selbst ganz unauffällig dafür, dass der alljährliche Rummel um die Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz nun endlich und endgültig aufhört. Was Selbstverpflichtungen der Wirtschaft wert sind, kann man sehr gut am Gerangel um den Mehrweganteil bei der Getränkeverpackung erkennen, Stichwort: Dosenpfand.


      Aber bleiben wir beim Thema:

      Die Befürworter der Ausbildungsplatzabgabe tragen zwei Argumente vor:

      Es kann doch nicht sein, dass wir den jungen Menschen, kaum dass sie der Pubertät entronnen sind, die Mitteilung machen, dass sie nicht gebraucht werden, und

      Es kann doch nicht sein, dass die einen Unternehmen ausbilden, während die anderen nicht ausbilden, bei Bedarf aber die fertig ausgebildeten Menschen abwerben.
      Beide Argumente sind gut gemeint, aber kaum mehr als dümmliches Geschwätz.

      Erstens ist es eben durchaus so, dass ein Teil der Jugendlichen, die alle Jahre aus den Schulen kommen und ins Berufsleben einsteigen wollen, von der Wirtschaft tatsächlich nicht gebraucht werden und
      Zweitens, wird es immer so sein, dass Menschen, die eine bestimmte gefragte Qualifikation besitzen, bei der erstbesten Gelegenheit abgeworben werden.

      Beide Argumente sind völlig unzureichend, um die Verpflichtung nicht ausbildender Unternehmen zur Zahlung einer Straf-Abgabe zu rechtfertigen.



      Die Gegner der Ausbildungsplatzabgabe gehen auf diese Argumente gar nicht ein, sie stellen ihre eigenen Behauptungen auf:

      Betriebe, die bisher "noch" ausbilden, werden, wenn die Abgabe kommt, nicht mehr ausbilden, sondern sich durch Zahlung der Abgabe von der Ausbildungspflicht freikaufen.

      Die Ausbildungsplatzabgabe belastet die Kalkulation, mindert die Wettbewerbsfähigkeit und führt zu Arbeitsplatzvernichtung und zu noch weniger Ausbildungsplätzen.
      Diese Argumente sind noch nicht einmal mehr gut gemeint, sie sind bloßes Geschwätz.

      Dass ein Betrieb, der bisher Jahr für Jahr drei bis vier Auszubildende einstellt, damit aufhören sollte, wenn andere Betriebe, die nicht ausbilden, eine Abgabe zahlen müssen, ist hirnrissig, und kann einem vernunftbegabten Menschen nicht einleuchten.

      Dass eine Ausbildungsplatzabgabe die Kalkulation nicht ausbildender Betriebe belastet, ist richtig und der Zweck der Übung.

      Kaum vorstellbar ist allerdings, dass es sich dabei um Beträge handeln könnte, die für ein Unternehmen existenzbedrohend sind. Im Gegenteil: Wenn das konkurrierende Unternehmen A - auf der Straßenseite gegenüber - Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt, führt die Entscheidung des Unternehmens B, nicht auszubilden zu einem Kostenvorteil. Wenn der Wegfall dieses Kostenvorteils zur Insolvenz des Unternehmens B führt, war dieses Unternehmen sowieso nicht mehr wettbewerbsfähig.

      Bildet das Unternehmen A auf der anderen Straßenseite jedoch ebenfalls nicht aus und es kommt dazu, dass beide zur Ausbildungsplatzabgabe herangezogen werden, bleibt die Wettbewerbssitutation dadurch unverändert.



      Wo ist also das Problem?

      Dass zwischendurch immer wieder die Information gestreut wird, ein großer Teil der Jugendlichen sei weder ausbildungswillig noch ausbildungsfähig, ist kein Argument, sonderln lediglich eine zweckdienliche Behauptung, die durch überzogene Ansprüche nicht ausbildungswilliger Betriebe nach Belieben belegt werden kann, ohne dadurch allerdings wirkliche Relevanz zu erlangen.



      Wenn also zwei Parteien um die Frage, ob eine Ausbildungsplatzgarantie für jährlich ca. 20.000 bis 30.000 junge Menschen gesetzlich erzwungen werden soll und kann, mit völlig untauglichen Argumenten hantieren, liegt der Verdacht nahe, dass es eigentlich um etwas ganz anderes geht.

      Was sich die Befürworter nicht zu sagen wagen, weil es in unserer Gesellschaft ein Tabuthema außerhalb des Rahmens der political correctness ist, und was die Gegner fürchten, wie der Teufel das Weihwasser, ist die Tatsache,

      dass mit der gesetzlichen Verankerung einer Ausbildungsplatzgarantie praktisch auch das Menschrecht auf Arbeit offiziell anerkannt würde.



      Vor diesem Hintergrund wird einsichtig, dass die Ausbildungsplatzabgabe eines der heißesten politischen Themen ist, das die Republik überhaupt zu bieten hat. Während sich die Regierung einerseits nach Kräften bemüht, noch vor dem Ende der Legislaturperiode den als notwendig und unausweichlich proklamierten Kahlschlag im Arbeits- und Sozialrecht zu vollenden, um den Investoren, also dem Kapital, ein freundliches Klima zu verschaffen, muss sich die gleiche Regierung mit dem Versuch der eigenen Basis herumquälen, ihrer gesamten Reformagenda mit der Anerkennung und Einführung des Menschenrechts auf Arbeit, den Boden zu entziehen!

      Was wäre denn die logische Folge einer Ausbildungsplatzgarantie?

      Klar: Als nächstes steht, mit der gleichen Berechtigung, die "Übernahmegarantie" auf der Agenda. Wer ausgelernt hat, muss auch einen Arbeitsplatz bekommen. Stellen die Arbeitgeber nicht ein, wird eine "Übernahmeabgabe" fälllig.

      Von da aus ist es, bei konsequenter Verfolgung der einmal für richtig erkannten Ideen, nur noch ein kleiner Schritt bis zur Verpflichtung aller Unternehmer, für jeden Arbeitslosen, dem kein Job angeboten wird, eine "Einstellungsabgabe" zu berappen.



      Die Folgen klingen für den gebeutelten Sozialstaatsinsassen wie die Verheißung eines Wunders:

      Es entstünde nämlich ein unmittelbarer Zwang zur Vollbeschäftigung, der sich - weil auf Grund zu hoher Produktivität nicht für alle Arbeitswilligen eine 35- oder 37-Stunden-Woche sinnvoll mit Arbeit füllen lässt - schnell zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung führen würde.

      Dies wiederum wäre das Ende der Erpressbarkeit der Arbeitnehmer, die heute nicht mehr Aufwand erfordert, als den schlichten Hinweis auf die in beliebiger Anzahl verfügbaren Arbeitslosen. Es wäre auch das Ende der Erpressbarkeit der Arbeitslosen, die heute nicht mehr Aufwand erfordert, als den schlichten Hinweis darauf, dass es keinen Grund gibt, ihnen einen Job zu geben, es sei denn, sie schrauben ihre Ansprüche gegenüber den derzeitigen Arbeitsplatzbesitzern deutlich zurück.

      Dies wiederum wäre das Ende der Teilnahme Deutschlands an dem aberwitzigen globalen "Wettbewerb der Standorte", der von den Global Playern ausgelobt wurde, um die Prostitution der Volkswirtschaften um die Gunst des Kapitals zu immer groteskeren Anstrengungen zu treiben, und eben nicht, um den Wohlstand der Bevölkerung des devotesten Standortes zu mehren.



      Es bleibt ein Traum. Eine Ausbildungsplatzgarantie wird es weder unter dieser Regierung, noch während der darauf folgenden Ära Merkel geben. Das Menschenrecht auf Arbeit steht in zu krassem Widerspruch zu den Interessen der Wirtschaft. Leichter wird ein Banker Bundespräsident, als dass das Menschenrecht auf Arbeit den Weg in ein deutsches Gesetzbuch fände.





      Hinzuweisen ist noch darauf, dass das Menschenrecht auf Arbeit seit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 einen weltweiten Gültigkeitsanspruch hat und dass sich die Mitglieder der Vereinten Nationen zur Umsetzung verpflichtet haben.

      Hier der Artikel 23 der Menschenrechtserklärung im Wortlaut:

      Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.
      Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
      Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.
      Jeder hat das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.



      Zum Vergleich der Artikel 12 des deutschen Grundgesetzes:

      (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
      (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen
      allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
      (3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.




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      Avatar
      schrieb am 05.03.04 19:11:24
      Beitrag Nr. 1.449 ()
      MAN kommt in Fahrt und streicht Stellen
      (und man sage "Wachstum schafft Arbeitsplätze"!?)

      Profit schießt in die Höhe / Konzernchef verspricht für 2004 einen "nochmals kräftigen Ergebnisschub"

      Obwohl der MAN-Vorstand mit höherem Gewinn rechnet, will die Führungsriege rund 1000 Jobs kappen und Töchter verkaufen. Aktionäre können sich dagegen freuen.


      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 19:16:57
      Beitrag Nr. 1.450 ()
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      Die Zinssenkung kommt


      Von Dirk Harbecke

      Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen wieder einmal unverändert bei 2,0 Prozent belassen. Das Zinsniveau sei angemessen und unterstütze die wirtschaftliche Belebung, sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet, und ließ sich darüber hinaus nicht den kleinsten Hinweis auf eine zukünftige Anpassung des Leitzinses entlocken. Dabei hatten gerade die verunsicherten Devisenhändler auf ein verstecktes Signal, ein zusätzliches Wörtchen wie "derzeit" gehofft: Die Zinsen sind "derzeit angemessen", das hätte die Spekulationen um die zukünftige EZB-Politik angefacht. So bleiben die Börsianer auf ihren eigenen Verstand angewiesen. Meiner sagt, dass eine baldige Zinssenkung im Euro-Raum unausweichlich ist.

      Gerade Europas größte Volkswirtschaft, Deutschland, steht auf der Kippe. Aktuell sind die Auftragseingänge der Industrie nach sieben Monaten der Erholung wieder rückläufig, Vorlaufindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima oder der Einkaufsmanagerindex erleiden ebenfalls Rückschläge. Sie deuten zwar noch auf ein mäßiges Wachstum, aber ohne Dynamik.

      Sorgen bereitet vor allem die miese Stimmung unter den Verbrauchern und die stagnierende Kaufkraft. In den vergangenen zehn Jahren sind die Nettolöhne der Arbeiter in Deutschland gesunken, die der Angestellten gerade einmal unverändert geblieben. Ganz im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien können sich die Deutschen auch nicht über Wertzuwächse ihrer Häuser oder Wohnungen freuen. Die Immobilienpreise und eventuelle Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind seit Jahren im Niedergang, viele der einst als sichere Anlage gepriesenen Immobilienfonds stehen vor dem Kollaps.

      Konsumschwäche, starker Euro, gedrückte Stimmung. Kein Wunder, dass immer mehr Banken über eine Reduzierung ihrer ursprünglichen Wachstumsprognosen für das Jahr 2004 nachdenken, nicht nur in Deutschland. Was vor diesem Hintergrund eine Zinssenkung vereitelt, kann nur die von Trichet erwartete "erhöhte Volatilität der Inflationsrate" sein. Doch nicht nur Deutschland, sondern der Großteil der Euro-Länder sorgen für Preisstabilität mit einer auf das Jahr hochgerechneten Inflation von deutlich unter 2 Prozent.

      Die EZB steht vor einem Dilemma, das sich seit der Einführung des einheitlichen Währungsraumes abzeichnet: Sie kann nicht mehr alle Interessen und alle Länder unter einen Hut bringen. Selbst wenn sie laut Statut vor allem für die Preisstabilität verantwortlich ist, hat sie die moralische Pflicht, der Euro-Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Das richtige psychologische Signal wäre eine baldige Zinssenkung.


      Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.


      [ Freitag, 05.03.2004, 14:51 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10139462.html
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 19:24:54
      Beitrag Nr. 1.451 ()
      Berliner Bankenkrise

      "Ja, wo iss’n nu’ die Kohle?"

      Keiner der Verantwortlichen im Skandal um die Berliner Bankgesellschaft weiß was, und natürlich hat auch keiner was veranlasst — der harte Kampf der Ermittler in einem Fall, der die Stadt Berlin bis zu acht Milliarden Euro kosten könnte.....

      Von Marcus Jauer
      http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/872/27845/
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 20:19:28
      Beitrag Nr. 1.452 ()
      US-Arbeitsmarktdaten enttäuschen alle Erwartungen

      von Jochen Steffens

      Manchmal frage ich mich, was das soll. Umfrageergebnisse, Analystenschätzungen, die Aussagen von Greenspan ... Alles Quatsch!

      Nein, immer noch keine Beruhigung auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigten in den USA (ohne Landwirtschaft) ist lediglich um magere 21.000 gestiegen. Erwartet wurden 120.000 bis 135.000 neue Arbeitsplätze nach zuvor 97.000 (revidiert von 112.000).

      Ich hatte mich gestern schon nach den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe, wie Sie wissen, gewundert, wo diese Steigerung her kommen soll. Aber mit so einem desaströsen Ergebnis hätte ich nach den vielen positiven Nachrichten nicht gerechnet. Ich weiß zwar, dass man an den Börsen nicht allem Glauben schenken soll, was Analysten, Notenbänker, Nachrichtendienste so verbreiten, aber die guten Zahlen vom letzten Monat hatten ihre Aussagen sehr wahrscheinlich gemacht.

      Nein, immer noch keine Entwarnung. Immer noch eine Konjunkturerholung, die sich von Monat zu Monat mehr und mehr enttarnt, als das was sie immer war: Eine liquiditätsgetriebene Hausse, der die Substanz fehlt. Ich frage mich, ob das nicht langsam auch der Masse der Anlegern bewusst wird. Wir werden sehen, was die Amis heute gegen Schluss aus dieser Nachricht machen. Wahrscheinlich werden Sie zunächst steigen, die bereits eingepreiste Zinssenkungsangst wird aus dem Markt genommen und dann, zum Schluss hin, könnte die schlechtere Aussicht für die US-Konjunktur eingepreist werden, so dass die Kurse wieder in sich zusammenbrechen und die Amis unverändert oder leicht schwächer schließen.

      Am deutlichsten reagierte der Euro auf die Arbeitsmarktdaten: Der Euro explodierte, das lag an den viele Investoren, die auf bessere Arbeitsmarktdaten gesetzt hatten und die im Euro short (auf fallende Kurse gesetzt hatten) waren. Diese mussten ihre Positionen schnell zurückkaufen, das führte zu einer sogenannten Short-Squeeze, die den Euro mal eben um knapp 2 Cent auf 1,24 Dollar nach oben schießen ließ.

      Das gleiche gilt für die Märkte. Auch hier gibt es eine Short-Squeeze: Viele Anleger werden sich auf fallende Märkte ausgerichtet haben. Diese springen alle gerade aus den Shorts raus, das führt zu steigenden Kursen.

      Die Börsen gehen mal wieder den Weg des größten Schmerzes. Heute werden sich sehr, sehr viele Investoren die Finger, wenn nicht die ganze Hand verbrannt haben und ein sehr unschönes Wochenende erleben. Ich erinnere mich in solchen Situationen immer wieder an die Frage in einem Board: "Wie erklärt ihr das eigentlich euren Frauen?"

      Aber nicht nur hier wurden Anleger auf die falsche Fährte geführt:

      Diese Gerüchte im Bankensektor. Ich weiß nicht, wie viel Geld welche Institutionen, Menschen, Trader, Piraten bereits damit gemacht haben, dass sie einfach ein Übernahmegerücht im Bankensektor in die Welt gestreut haben. Wahrscheinlich nachdem sie sich Ihre Taschen vorher mit der entsprechenden Aktie gefüllt hatten. Wenn Sie einige Zeit als Trader arbeiten, wissen Sie: Wenn das Gerücht endlich bei Ihnen angekommen ist, ist bereits alles zu spät. Ich neige dazu, auf solche Gerüchte nicht zu reagieren, mich zurückzulegen und lächelnd dem Treiben zuzuschauen. Ich denke dann immer, mein Gott, der arme, der ganz oben kauft. Wie sagen wir so schön: "Und der Letzte macht das Licht aus."

      Bei der Deutschen Bank war es eine Schnapszahl: 77,77 Euro. Zu diesem Wert hat irgendein armer Investor Deutsche Bank Aktien einem glücklichem Investor abgekauft. Wahrscheinlich hat er vorher eine Stunde lang den immer weiter steigenden Kursen hinterhergeschaut, dann riss ihm irgendwann der letzte Nerv und er drückte den "Kaufen"-Button, nachdem er etwas von einem Übernahmekurs von 90 Euro gehört hatte.

      Vielleicht wird derjenige, der gestern das Licht bei 77,77 Euro ausmachte, sich bald doch noch freuen können, vielleicht wird die Deutsche Bank tatsächlich übernommen, vielleicht auch für höhere Kurse, ich würde es ihm gönnen. Im Moment sieht es allerdings eher so aus, als wäre das gestern nur eines dieser typischen Gerüchte gewesen
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      Die Amerikaner sollten Kerzen kaufen!

      von unserem Korrespondenten Bill Bonner

      Wenn es um Haushaltsdefizite geht, dann gibt es zwei gegensätzliche Einschätzungen. Das merkt man, wenn man sich den gerade beginnenden Wahlkampf in den USA ansieht. Auf der einen Seite sind die neo-konservativen Republikaner, die sagen, dass "Defizite egal sind". Auf der anderen Seite sind die neo-konservativen Demokraten, die sagen, dass sofort die Steuern erhöht werden müssten, um den Haushalt auszugleichen.

      Es ist schwer, zu entscheiden, wen man zuerst auslachen soll.

      Es stimmt, dass "Defizite egal sind" – solange sie den Gläubigern egal sind. Ein Mann kann so viele Schulden anhäufen, wie er will, wenn das dem Gläubiger egal ist. Das ist egal ... bis es nicht mehr egal ist. Solange er sich immer weiter verschulden kann, ist es egal. Das ist ein bisschen so wie der Sprung von einem Hochhaus ... das kann ganz schön aufregend sein ... bis ganz zum Schluss. Wenn die Gläubiger plötzlich ihr Geld zurückhaben wollen ... oder kein neues Geld mehr leihen wollen ... dann ist das so, als ob der vom Hochhaus Springende plötzlich den Betonboden erreicht hat. Und dann gehen in beiden Fällen die Lichter aus.

      Es gab einmal eine Zeit, als die Gläubiger des amerikanischen Staates die amerikanischen Sparer waren. Selbst damals waren Defizite nicht egal; aber sie waren nicht ganz so wichtig, denn die Regierung konnte ihre eigenen Bürger leicht ausnehmen. Sie musste nur ein bisschen die Inflation anfachen ... was den Wert der Anleihen und Ersparnisse fallen ließ; die kleinen Sparer hätten es besser wissen sollen.

      Aber als die Amerikaner mit dem Sparen aufhörten, da musste sich die US-Regierung an die Ausländer wenden. Jetzt benötigen die USA fast 80 % der gesamten Ersparnisse der Welt, nur damit die Amerikaner weiterhin auf die Weise leben können, an die sie sich gewöhnt haben. Die durchschnittlichen Anleger in Japan und Deutschland sind wahrscheinlich auch nicht klüger als der durchschnittliche amerikanische Anleger, aber sie sind mobiler – besonders ihre Zentralbanken. Sie können ihr Geld schnell aus der Dollarzone abziehen und in Euro tauschen ... oder in Yen ... oder in Yuan. Wenn die Ausländer entscheiden, dass sie genug haben ... wenn sie aufhören, den USA Geld zu leihen, und ihre US-Vermögensanlagen verkaufen – dann wird der Zeitpunkt erreicht sein, an dem Defizite nicht mehr egal sind. Dann werden die amerikanischen Sozialausgaben gekürzt werden müssen, ob die Amerikaner es mögen oder nicht. Der amerikanische Lebensstandard wird fallen. Jobs werden abgebaut werden. Und dann wird die US-Wirtschaft in eine lange, dunkle Nacht der Rezession, Deflation und Finanzkrise fallen.

      Steuern erhöhen? Nun, ja ... warum sollte man darauf warten, dass die Ausländer die eigene Wirtschaft zum Zusammenbruch bringen, wenn man das selbst erledigen kann? Wenn die Amerikaner mehr Steuern bezahlen müssen, dann werden sie weniger für den Konsum übrig haben. Und die Konsumausgaben machen 70 % des Bruttoinlandsproduktes aus. Wenn die Leute beginnen, weniger zu konsumieren ... dann wird die Konsumwirtschaft stocken ... und auch dann kommt die lange, dunkle Nacht.

      So oder so gehen die Lichter aus. Die Amerikaner sollten Kerzen kaufen.

      Und jetzt ... mehr News:

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      Es gibt wahrscheinlich schlechtere Investments als Gold

      von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York

      Sowohl Bullen als auch Bären sind derzeit erschöpft; kein Lager ist wirklich zufrieden. Der Goldpreis ist gefallen, hat sich dann wieder erholt; der Dollar stieg deutlich, dann sackte er wieder ab; und der Dow Jones wusste auch nicht so recht, was er machen sollte.

      Was bedeutet das alles? Ich bin weder besonders brillant noch naiv genug, um Ihnen das beantworten zu können. Ich weiß allerdings, dass volatile Märkte langfristig der beste Freund der Investoren sind – wenn sie auch für kurzfristige Trader gefährlich sind. Denn die kurzfristigen Rückschläge bieten oft exzellente Kaufmöglichkeiten ... zumindest im Nachhinein.

      Während ich gestern Morgen im Union Square Park aus einem Plastikbecher meinen morgendlichen Cappuccino trank, hörte ich einen Typen, der nicht weit entfernt auf einer Bank sitzend in sein Mobilfunkgerät sprach. "Ich fühle mich so dumm", beklagte er sich, "ich WUSSTE, dass ich mein ganzes Geld hätte nehmen sollen, um damit diese Aktie zu kaufen. Ich hätte Tausende verdient." Ach, schon wieder eine Kaufgelegenheit versäumt ... aber es wird andere gehen, und auch ein paar Verkaufsmöglichkeiten. Der Markt ist sehr gerecht; jeden Tag liefert er sowohl Kauf- als auch Verkaufsmöglichkeiten. Das Problem ist, dass viele Investoren beide verwechseln.

      Und was ist mit dem Hier und jetzt? Was soll man vom jüngsten Rückgang des Goldpreises halten? Seit dem 18. Februar hat das gelbe Edelmetall rund 20 Dollar verloren. Kaufgelegenheit oder Verkaufsmöglichkeit?

      Pierre Lassonde, Präsident der riesigen Goldminengesellschaft Newmont Mining, meint, dass man von der Volatilität am Goldmarkt profitieren sollte. "Sagen Sie mir nicht, dass der Bullenmarkt bei Gold schon vorüber sei. Er hat kaum begonnen", so Lassonde während einer Konferenz in Florida.

      "Der letzte reale Bullenmarkt beim Gold war in den 1970ern", erklärte Lassonde. "Der lief 9 Jahre, von 1971 bis 1980. Was wir in den letzten 20 Jahren hatten, waren Bärenmarkt-Rallys. Also, wenn man liest, dass der durchschnittliche Bullenmarkt beim Gold 40 Monate dauert, und wir haben schon 36 Monate davon hinter uns, und das sei schlecht ... nun, wissen Sie, dann hat derjenige, der das geschrieben hat, nicht bis in die 1970er zurückgeblickt."

      Die Zuversicht von Lassonde in Bezug auf eine weitere Goldpreis-Rally wird gestützt durch seine Skepsis, dass die amerikanischen fiskalischen Ungleichgewichte schmerzlos korrigiert werden können. "Wir haben noch nicht einmal begonnen, die amerikanischen finanziellen Ungleichgewichte der letzten drei Jahre zu korrigieren", erklärte er.

      "Amerika wird derzeit durch die ausländischen Geschenke der asiatischen Zentralbanken finanziert, denn die pumpen Dollar ins Land, um zu verhindern, dass die US-Konsumenten ihre Kaufkraft verlieren, die ihren Appetit für Importe dämpfen könnte. Es gibt nicht eine Zentralbank, die so viele Dollar anhäufen müsste, wie es die Asiaten tun, nur um den Zyklus am laufen zu halten ... Das ist der größte Verkäuferkredite-Zyklus, den man jemals in der Geschichte der Welt gesehen hat."

      Lassonde sagt einen "manisch depressiven Dollar" voraus, der mit fallendem Wert zunehmend volatil werden wird.

      Außerdem prognostiziert der Präsident von Newmont, dass die Goldproduktion beginnen wird, zu fallen. "In den 1990ern gab es große neue Goldminen, die wir in Afrika, Südamerika und hinter dem zuvorigen Eisernen Vorhang eröffnen konnten. Wir befinden uns (jetzt) in einem anderen Produktionsstatus."

      Die Schlussfolgerung des Investor`s Daily: Es gibt wahrscheinlich schlechtere Investments als Gold.
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      Die moderne Armut

      von Marc Faber

      Ich bin gerade aus Thailand zurückgekehrt, von einer langen Reise, die mich im Mittleren Osten, Europa, Argentinien, den USA und Japan herumgebracht hat. Ich habe bei meinen Reisen bemerkt, dass es derzeit an den diversen Investmentmärkten nur sehr wenige Schnäppchen gibt. Ich habe außerdem gemerkt, dass die Lebenshaltungskosten in den meisten westlichen Industrieländern in der Tat ziemlich hoch sind. Es stimmt, die Preise vieler Güter sind gefallen, aber genauso sind die Kosten für viele Güter, an die sich die Leute gewöhnt haben, gestiegen.

      Als ich ein Kind war, da hatte meine Familie ein Auto, einen Fernseher, ein Radio, einen Plattenspieler, eine Fotokamera, einen Kühlschrank, einen Toaster und einen Herd. Sie werden wissen, wie viel elektrische Geräte sich heute in den privaten Haushalten finden, besonders in denen mit Kindern. Was ich damit sagen will: Während es technologischen Fortschritt gab und sich der Lebensstandard geändert hat (und ich bezweifle, dass er sich in der westlichen Welt stark erhöht hat), haben sich die Kosten, die notwendig sind, um an dieser "New Economy" teilhaben zu können, deutlich erhöht.

      Zu diesem Thema habe ich gerade ein vor kurzem herausgegebenes Buch gelesen, mit dem Titel "The Two Income Trap", von den Harvard-Professorinnen Elisabeth Warren und Amelia Warren Tyagi. Die erklären, "warum die Familien der (amerikanischen) Mittelklasse pleite gehen."

      Ich zitiere Elisabeth Warren, die zu diesem Thema extensive Untersuchungen angestellt hat:

      "Bedenken Sie ein paar Fakten. Unsere Studie zeigte, dass verheiratete Paare mit Kindern doppelt so wahrscheinlich Pleite gehen als kinderlose Paare. Eine geschiedene Frau, die ein Kind aufzieht, wird dreimal so wahrscheinlich Pleite gehen wie eine Single-Frau, die niemals Kinder hatte."

      "Im amerikanischen Leben ist es ganz normal geworden, dass Leute Pleite gehen (damit sind persönliche Bankrotterklärungen wegen Überschuldung gemeint). In diesem Jahr (2003) werden mehr Bürger Pleite gehen, als Leute einen Herzinfarkt bekommen werden. Es wird mehr Pleiten als Krebsdiagnosen geben. Es wird mehr Pleiten als Universitätsabsolventen geben. Und ( ...) es wird mehr Pleiten als Scheidungsanträge geben."

      Laut den Autoren ist es nicht etwa "übermäßiger Konsum", der die Familien der Mittelklasse in die Pleite treibt, sondern das Fehlen von Sicherheitsnetzen. Denn für die Armen gibt es staatliche Unterstützungsprogramme, für die sich die Mittelklasse-Familien aber nicht qualifizieren.

      Das Problem mit Familien, bei denen beide Elternteile arbeiten, ist, dass sie nicht einplanen, dass einer von beiden arbeitslos werden könnte. Eigentlich sollten sie versuchen, mit nur einem Arbeitseinkommen klar zu kommen, und das zweite Arbeitseinkommen sparen. Denn für Familien mit zwei arbeitenden Elternteilen gibt es in den USA kein Sicherheitsnetz.

      Das Lesen dieses Buches fand ich sehr interessant, und auch traurig. Wie ich bereits oben gesagt habe: Die steigenden Lebenskosten in den westlichen Industrienationen haben dazu geführt, was ich "moderne Armut" nenne. Ein großer Teil der Mittelklasse hat es schwer, seine Hypotheken, Steuern, Versicherungsprämien, Essen und Ausbildung bezahlen zu können. Diese Familien mögen zwar das 70 oder 100fache eines Gärtners in China verdienen, aber trotz ihrer relativ hohen Einkommen sind sie sehr anfällig gegenüber dem Arbeitsausfall eines Elternteils (bei Doppelverdienern).

      Nun, aber egal, wie schwarz das wirtschaftliche Bild sein mag – für Investoren und Spekulanten werden sich immer wieder die Möglichkeiten für substanzielle Kapitalgewinne bieten, selbst auf dem derzeitigen Niveau. Sie sind einfach nur schwieriger zu identifizieren.

      http://www.investor-verlag.de/
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 20:21:37
      Beitrag Nr. 1.453 ()
      Am Markt für Rohöl braut sich Unangenehmes zusammen – Die Opec beginnt nervös zu rudern – Preise von 60 $ plus ?
      (04.03.2004)

      Es ist ungewöhnlich, aber nicht zu bezweifeln: Der Preis für Rohöl hält sich, in US-Dollar betrachtet, auf einem Niveau, das Sorgen bereiten muss. Eigentlich wäre es an der Zeit für den saisonal bedingten Preisrückgang, der den erforderlichen Wiederaufbau der Vorräte in den Verbraucherländern auf der nördlichen Halbkugel einleiten sollte.

      Aus der Opec melden sich Stimmen, die vermuten lassen, dass man dort nicht glücklich ist mit der Preisentwicklung. Im Klartext bedeutet dies wohl, dass das Kartell seine am 10. Februar verkündeten Beschlüsse zur Verringerung des Angebots zu bedauern beginnt. Es muss befürchten, dass es, wenn es seine Entscheidung wirklich durchsetzen sollte, Ölpreise provoziert, die der ohnehin noch beziehungsweise wieder fragilen Erholung der Wirtschaft in der westlichen Hemisphäre zusetzt. Sollte die Konjunktur auch wegen eines zu hohen Ölpreises kippen, würde die Nachfrage nach dem Energierohstoff zurückgehen, und zwar möglicherweise so stark, dass die Opec um ihre Einnahmen fürchten müsste.

      Doch das ist nur ein Teil des Dilemmas, und zwar der noch zu bewältigende. Der andere Teil offenbart sich, wenn man bedenkt, dass die Opec, ohne Berücksichtigung des Irak, bereits Ende Januar über freie Förderkapazitäten von nur noch knapp 2 Millionen Barrel täglich verfügte. Zuverlässige Angaben für den Februar liegen noch nicht vor, doch ist zu vermuten, dass es Ende vergangenen Monats nicht wesentlich anders aussah.

      Eine Kapazitätsreserve der Opec von vielleicht 1,9 Millionen Barrel am Tag ist das gerade noch erträgliche Minimum zur Gewährleistung einer steten Versorgung von dieser Seite. Hindernisse bei der Förderung, Wartungs- und Reparaturen an den Förderanlagen sowie ähnliches erfordern einen solchen Puffer.

      Unter diesen Umständen stehen die Chancen, dass die sehr niedrigen Vorräte in den bedeutenderen Verbraucherländern jetzt, der üblichen saisonalen Tendenz entsprechend, wieder aufgebaut werden können, überhaupt nicht gut.

      Bedenkt man zudem, dass es in Venezuela, einem Opec-Mitglied mit einer Tagesförderung von knapp 3 Millionen Barrel am Tag, zunehmend rumort, ist der Ölmarkt jetzt gefordert, eine Risikoprämie für den Fall anhaltender Versorgungsprobleme in den Preis einzubauen. Wie hoch sie sein könnte, muss sich im freien Spiel der Kräfte herausbilden.

      Eine solche Risikoprämie hätte aber auch die dringend erforderliche Funktion, Anreize zu mittel- bis langfristigen Produktionssteigerungen zu schaffen. Wenn die Prämie diese Aufgabe erfüllen soll, muss sie schon beachtlich sein.

      In diesem Fall müsste man wohl in Preiskategorien von 40 Dollar plus sprechen. Doch besser jetzt erst einmal 40 Dollar plus als später 60 Dollar plus.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 20:33:14
      Beitrag Nr. 1.454 ()
      Einführung in die Größentheorie von Leopold Kohr Teil IV

      http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/39465.htm
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 20:35:40
      Beitrag Nr. 1.455 ()
      3000 Menschen gaben Sebstständigkeit wieder auf


      Warum die Ich-AG zu floppen droht


      veröffentlicht: 04.03.04 - 06:10,
      Autor: Antje Höning


      Vor einigen Monaten geründet, jetzt bereits pleite. Viele floppen mit der Ich-AG. Foto: Archiv
      Düsseldorf (RP/rpo). Nicht nur die aktuellen Arbeitsmarkt-Zahlen machen den Ämtern Sorgen. Auch die bisher hoch gelobte Ich-AG entwickelt sich immer mehr zum Flop. Mehrere tausend Selbstständige, die im vergangenen Jahr eine Ich-AG gegründet hatten, gaben bereits wieder auf. Arbeitsmarktexperten rechnen mit vielen weiteren Pleiten.
      3000 der 92000 Gründer, die 2003 mit Hilfe des Arbeitsamtes eine Ich AG gestartet haben, mussten inzwischen wieder aufgegeben, wie die Bundesagentur für Arbeit auf Abfrage der Rheinischen Post erklärt. „Ich erwarte, dass es in diesem Jahr noch deutlich mehr werden“, sagt Rainer Schmidt, Arbeitsmarktexperte beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

      Denn erstens müssen die Ämter auch aussichtslose Gründungen fördern, keiner prüft das Konzept. Und zweitens wird es erst nach einem Jahr richtig ernst. Im ersten Jahr bekommen die Betreiber einer Ich AG einen monatlichen Zuschuss von 600 Euro, im zweiten Jahr 360 Euro und im dritten Jahr 240 Euro, worauf noch Sozialabgaben zu zahlen sind.


      RP Online
      bei Vodafone live:
      Lesezeichen auf Ihr Handy

      „Schnellschüsse bei der Gründung sind tödlich“, warnt auch Jens Hüper, Geschäftsführer der IHK Düsseldorf. Die Hälfte der Gründer gebe in den ersten fünf Jahren auf - viele wegen der zu kurzen Kapitaldecke, noch mehr, weil sie naive Vorstellungen über Markt und Absatzchancen haben.

      „Ohne Unternehmenskonzept mit kleiner Marktanalyse und Rentabilitätsplanung sollte man nicht mal einen Kiosk eröffnen“, so Hüper. Besser als die Ich AG findet er das Überbrückungsgeld. Sechs Monate zahlt das Amt diesen Zuschuss in Höhe des Arbeitslosengeldes - aber nur, wenn Banken oder IHK das Konzept vorher geprüft haben.


      Immerhin gehe Ich AGlern, die Schiffbruch erlitten haben, der Rest-Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht verloren, so das Landesarbeitsamt. Wer etwa Anspruch auf ein Jahr Arbeitslosengeld hatte, davon vor dem Sprung in die Selbständigkeit aber nur acht Monate „verbraucht“ hat, kann nach dem Abschied von der Ich AG erneut vier Monate lang Arbeitslosengeld beantragen.

      http://www.rp-online.de/public/article/nachrichten/wirtschaf…
      Avatar
      schrieb am 05.03.04 20:39:13
      Beitrag Nr. 1.456 ()
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      Weltrekord im Ausbeuten der Arbeiter

      Puma, Nike und Adidas wittern vor Olympia das große Geschäft. Doch dass der neue Schuh oder das hippe Accessoire rechtzeitig auf den Markt kommt, ist nur vermehrtem Druck auf die Zulieferer zu verdanken, sagen NGOs und Gewerkschaften


      AUS BERLIN ANNETTE JENSEN

      Olympia-Jahre sind gute Jahre für die Sportindustrie: Springende und rennende Menschen im Fernsehen regen die Zuschauer an, neue Sportklamotten zu kaufen. So erwartet die Industrie wegen der Spiele dieses Jahr steigende Einnahmen - nach 58 Milliarden Dollar im vorletzten Jahr. Oxfam, die Kampagne für saubere Kleidung und internationale Gewerkschaften, rief das Internationale Olympische Komitee und Firmen wie Puma, Nike und Adidas auf, "sauber" zu produzieren. "Play Fair at the Olympics" heißt die Kampagne.


      Denn: Während Umsätze und Gewinne ständig steigen, sinken die Löhne für die Arbeiter. Das belegt ein Report, den die Kampagnenmacher gestern veröffentlicht haben. So berichtet ein Hersteller von Sportartikeln aus Honduras, dass die Abnahmepreise in den vergangenen drei Jahren um 23 Prozent gesunken sind. Längerfristige Lieferbindungen sind selten geworden. Der Auftrag geht an den weltweit Billigsten und Schnellsten.

      Adidas verfolgt beispielsweise das Ziel, die Zeit zwischen Entwurf und Auslieferung von Sportklamotten von 120 auf 90 Tage zu verkürzen. Näherinnen sind damit gezwungen, unmenschlich lang zu arbeiten. Vor allem in China, wo es keine freien Gewerkschaften gibt, müssen die ArbeiterInnen in Stoßzeiten 16 bis 18 Stunden am Tag schuften - manchmal sieben Tage die Woche. Wie die AutorInnen der Studie herausfanden, werden diejenigen, die Überstunden verweigern oder in Spitzenzeiten kündigen, mit Strafgebühren oder völligem Lohnverlust belegt. In Flautezeiten erhalten sie dagegen manchmal nicht mal den staatlichen Mindestlohn von umgerechnet 41 Dollar........

      http://www.taz.de/pt/2004/03/05/a0127.nf/text.ges,1
      Avatar
      schrieb am 07.03.04 23:32:33
      Beitrag Nr. 1.457 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      http://www.spatzseite.de


      Wo stehen wir? 07.03.2004
      DIESE WOCHE
      In diesem Grundlagenbeitrag stellt der Spatz mit seltener Klarheit wirtschaftliche Zusammenhänge dar, die in den Vorlesungen der Wissenschaftler deutlich zu kurz kommen. Er demonstriert die Systembrüche der Marktwirtschaft, und weshalb durch Angst vor angeblich kommenden Katastrophen verknappt werden muß - und zeigt am Schluß eine Alternative auf.

      Der Versuch eines Überblicks
      auf zwei Seiten



      Die Höhe der deutschen Staatsverschuldung beträgt zurzeit 1,3 Billionen Euro (Deutschland ist kein Einzelfall sondern entspricht der Regel im freien Westen). Sie steigt in jeder Sekunde um 2.255 Euro an. So schnell sind Staatsschulden noch nie gewachsen, vor allem nicht in Friedenszeiten. Doch auch Renten und Pensionsansprüche gehören zu den Verbindlichkeiten des Staates. Sie treiben die Staatsschuld auf 4,8 Billionen Euro. Damit ist sie doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Seit Mitte der 60er Jahre hat sich die Staatsschuld um das 28-fache vermehrt. Die staatlichen Zinsverpflichtungen stiegen um das 37-fache. Staatsschulden sind nur ein Teil der allgemeinen Verschuldung. Es macht keinen Sinn, auch diese aufzuführen, denn sie ist inzwischen unbezahlbar.

      Die neu hinzukommenden Verbindlichkeiten entsprechen nicht, wie es bei einer ordentlichen Haushaltsführung noch anginge, Investitionen minus Abschreibungen z.B. Maschinen oder Infrastruktur. Im Gegenteil man "schrumpft sich gesund". Das Wichtigste wird "privatisiert" der Rest beseitigt. Das heißt, das gesamte Investitionsvolumen wird kleiner während die Schulden zunehmen. Fällige Zins- und Tilgungszahlungen werden aus neuen Schulden bezahlt. Zu deutsch, der Staat, und wer es sich leisten kann, treibt - in neuen, beschönigten Formen - Wechselreiterei. "Schuldenabbau" gibt es weder bei der öffentlichen Hand noch sonst wo, von einzelnen angesehen.

      Der Staat (und nicht nur der) ist - legt man vernünftige Maßstäbe zugrunde - bankrott. Das gleiche gilt für die meisten größeren Institutionen und zunehmend auch für kleinere Firmen und Privathaushalte. Was regiert ist die "Solange wir noch dran sind" Mentalität. Über Reformen und sonstwie wird herausgepreßt, was geht, um gerade noch am Offenbarungseid vorbeizuschrammen. Dabei wird sogar - das ist die Eigenart der grünen Welle - die Wertschöpfung (Produktion) noch weiter gedrosselt, um Geld statt in Investitionen in die angebliche Dämpfung des Schuldenanstiegs, die beschönigte Wechselreiterei, zu stecken: Jede Mark wird zusammengekratzt, um wieder ein Jahr ungeschoren über die Runden und damit der Pension einen Schritt näher gekommen zu sein. Doch wer kommt für den Rentenanspruch auf?

      Die Ursachen für diese Entwicklung und die Resignation, mit der man sich auf allen Ebenen abfindet, ist vor allem ideologische Verblendung, die Verengung der Optik auf den Geldgewinn (ohne zu bedenken, was "Geld" eigentlich ist). Man krallt sich an die Marktwirtschaft als die beste aller Welten, weil sie es für einen Teil der Menschen bisher auch war, ohne ihren Mechanismus begreifen zu wollen. Man verklebt sich den Verstand mit "Fakten", Zahlen und Einzelheiten, ohne auf das treibende "Prinzip" zu achten. "Ideologie als Entideologisierung" ist die Geisteshaltung, wenn die Granaten explodieren und sich jeder nur noch ein Fuchsloch zum Überleben sucht.

      Der scheinbare Vorteil der Marktwirtschaft ist ihr Hauptproblem: Einzig verbleibendes, wirtschaftliches Handlungsmotive ist der Geldgewinn. Dieser ließ Marktwirtschaftler ursprünglich nach jedem zahlungsfähigen gesellschaftlichem Bedarf Ausschau zu halten: Wo läßt sich eine zahlungsfähige Not durch ein entsprechendes Angebot wenden? Jeder war "frei" und konnte sich beteiligen. Wer allerdings am Markt vorbeiproduzierte, verlor seine Freiheit, seinen wirtschaftlich bestimmenden Posten, konnte aber als Befehlsempfänger für die mit dem Blick fürs Notwendige arbeiten. Daher der Jubel: Das Einzelindividuum ist sich selbst genug, der Markt ersetzt jede gesellschaftliche Einigung, seine Freiheit entbindet von jeder wirklichen Verantwortung, der Mensch braucht nicht gut zu sein. Was will man mehr?

      Solange aus vormarktwirtschaftlicher Zeit vorhandene Zahlungsfähigkeit abzuschöpfen war, bewährte sich der Markt, solange konnten die fähigsten Marktwirtschaftler die Befehlszentren der Gesellschaft im In- und dann auch im Ausland erobern, weil den anderen Kräften mit der Zeit die Mittel ausgingen. Schließlich war nur noch diejenige Zahlungsfähigkeit in der Gesellschaft vorhanden, die von den Marktwirtschaftlern (die von Individuen hatten längst bezahlte Vorstände eingenommen) selbst in Form von Löhnen, Gehältern, Steuern und sonstigen Zahlungen in Umlauf gebracht worden sind und damit nur den Kosten entsprachen. D.h., mit dem gesamten Angebot ließen sich im besten Fall nur die Kosten zurückholen, wirkliche Gewinne waren unmöglich. Geldwechseln macht wirtschaftlich keinen Spaß. Also schuf man fiktive Gewinne. Im Geld verbanden sich wirkliche und fiktive Gewinne ununterscheidbar.

      Die 1. Stufe fiktiver Gewinne ging auf Kosten der Konkurrenz. Erreicht war wieder die Ebene des Tauschhandels: der Vorteil des Einen war der Nachteil des Anderen. Seine Berechtigung hatte der Tausch, weil er Überfluß- und Mangelunterschiede ausglich. Er schafft aber keinen Wert. Adam Smith konnte Denkfaule betören, und ihnen das als Zugewinn, als Quasiwert erscheinen lassen. Diese Stufe ist durch Vermögensübernahme und Firmenkonzentration gekennzeichnet. Man nahm sich gegenseitig Marktsegmente mit noch vorhandener Zahlungsfähigkeit ab.

      Die 2., eigentliche Stufe fiktiver Gewinne waren Buchungstricks, erst quasi erlaubte, heute sind es die quasi verbotenen (Enron, Parmalat etc.), und das ist systembedingt: Die Kredit- oder Eigenfinanzierung der Gewinne durch die Firmen über die Konten anderer. Man stelle möglichen Abnehmern die benötigten Zahlungsmittel zum Erwerb der Angebote zur Verfügung und schob die in Zahlungsmittel umgewandelten Forderungen wie einen "Schwarze Peter" anderen zu. (Daher das Anwachsen der Schulden ringsum). Gewinne häufen sich als offene Forderungen an. Das fiel zunächst nicht auf, weil sich die Forderungen an andere - zum Teil - als Zahlungsmittel verwenden ließen. Das Überleben im Moment wird durch Verpfändung der eigenen oder der Zukunft derer, von denen das letzte Indossament auf den Zahlungsmitteln stammt, gerettet. Den letzten beißen die Hunde. "Privatisierung" ist der Versuch, zweifelhafte Zahlungsmittel gegen etwas "Reales" z.B. ein Wasserwerk, das noch Ausbeute versprach, einzutauschen.

      Die Kreditfinanzierung der Marktgewinne funktioniert solange der Produktivitätszugewinn die inflationäre Tendenz des wachsenden Zahlungsmittelumlaufs einigermaßen wettmacht. Für die Gewinne kam zum Teil die schleichenden Geld- und Vermögensentwertung des Publikums auf. Die "hedonistische Buchführung" versucht dem gerecht zu werden: Sie kaufen z.B. einen Computer heute wie gestern für 100 Geldeinheiten, der inzwischen leistungsfähigere Computer hätte gestern noch 110 Geldeinheiten gekostet, also wird er heute zu 110 verbucht (obwohl nur 100 Geld geflossen sind). Nach dem Muster werden heute amtliche "Wachstumszahlen" gestrickt. Mag so etwas bei Computern vielleicht stimmen, mit Sicherheit stimmt es nicht für den gesamten Warenkorb und nicht für eine "reale" Gewinnrechnung. Die fiktive Geldgewinnrechnung überzeugt, solange man das Fiktive am Geld übersieht.

      Damit sind wir auf der 3.Stufe, bei der Selbstkannibalisierung der Marktwirtschaft. Käufer können nicht einmal den ihnen als Kostenanteil überlassenen Betrag auf den Markt bringen, weil ein wachsender Teil davon Gläubigern verpfändet ist. Alle Taschen, die sich mit fiktiven Zahlungsmitteln, also Schulden, vollstopfen ließen, sind bis an die Grenzen der Tragfähigkeit voll, insbesondere die des Staates, also des Generalunternehmers. Der Markt bleibt trotzdem in der permanenten Überangebotskrise. Um wenigstens die Preise (den fiktiven Geldgewinn) zu halten, wird das Angebot verknappt. Die Noch-Marktteilnehmer "schrumpfen sich gesund". Zur Rechtfertigung schuf man die rotgrüne Umweltbewegung mit gewissen, vorhandenen Umweltproblemen als Vermarktungsmittel. Daß die reale Nachfrage, d.h. die Not gleichzeitig wächst, spielt "in der Wirtschaft" keine Rolle. "Gesparte" Investitionen werden zum Erwerb "fiktiver" (Zinsbringender) Wertpapiere verwendet, um deren negativen Wert (Schulden) als positiven Marktwert ("Wert"papiere) erscheinen zulassen. Sie erhalten ihren Wert durch die Verpfändung einer ungewissen Zukunft (daß sie "zurückgekauft" werden - beim Kredit war das früher die künftige Leistungsfähigkeit der dafür neu geschaffenen Produktionsstätte gewesen). Wir sind wieder auf der Stufe des Bankgeschäfts im Mittelalter. (Der gesamte Unsinn kann, weil er sich bisher "ausgezahlt" hat, als Wirtschafts"wissenschaft" studiert werden).

      Zur Zeit verlieren die Papiere, und damit das Geld, die Glaubwürdigkeit, und damit realisiert sich die westliche Gesellschaft in ihrem Prinzip, im Kampfe Jedes gegen Jeden, oder in der absolutistischen Machtergreifung derer (wenn es sie gab oder gibt?), die den Marktprozeß von Anfang an durchschaut und als Weg zur Macht in Gang benutzt hatten. Sie müßten nun wie die Herren der vorantiken Hochkulturen die Regelung der Gesellschaft ohne wirtschaftliches Versteck in die Hand nehmen, und mit nackter Gewalt dafür sorgen, daß der Mensch in ihrem Sinne "gut" sei. Ihr freier Markt war von Anfang an ein Trick oder Betrug. Sein angeblich aus der Natur abgeleitetes Prinzip, wonach jeder für das eigene Überleben auf Kosten des Überlebens anderer kämpfen muß, gilt nicht einmal in dieser. Selbst in der Natur herrscht mehr Symbiose, Zusammenwirken (und nicht nur auf Kommando einer bestimmenden Instanz) als Konkurrenz.

      Die Realisierung dieses Zusammenwirkens bei gleichzeitiger Freiheit und Selbstverantwortung für erwachsene (d.h. zur Vernunft gekommene) Individuen, setzt die Existenz einer "gemeinsamen Geistesmasse" voraus, einer Art volontée general und darüber hinaus anderer Motivations- und Entschädigungsmuster. Nachdem die materielle Existenzversorgung auf einem materiell angenehmen Niveau (also nicht "gerade so") sichergestellt ist, könnte der weitere Gewinn oder Entlohnung in der Beteiligung an sinnvollen Projekten bestehen. Entsprechende "Abenteuer" würden im Grunde alle, auf die Verbesserung der Biosphäre hinauslaufen und die Ausweitung ihrer Existenz über das Sonnensystem hinaus. Ihnen hätte eine neue, sie tragende, menschheitliche Kultur zu entsprechen. Auch in diesem Fall müssten diejenige, die das wollen, aus ihrem wirtschaftlichen Versteck heraustreten. Soll`s beim "Hannemann geh Du voran!" bleiben?
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 17:41:38
      Beitrag Nr. 1.458 ()
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      Energierationierung: wie funktioniert der Emissionshandel?


      Ab 2005 wird in der Europäischen Union ein Emissionshandelssystems zwangsweise eingeführt, das im Effekt eine Energierationierung darstellt. Das wird offiziell mit dem Protokoll von Kyoto begründet, obwohl dieses nach dem Ausscheiden Amerikas und Rußlands gar nicht bindend wäre. Dieser kleine Grundlagenbeitrag beleuchtet die dem System zugrundeliegenden Mechanismen und die in ihm zum Ausdruck kommende Ideologie.

      Der "Nationale Allokationsplan"
      Schon jetzt sind ca. 2.600 Großanlagen überall in Deutschland erfaßt worden, Maschinen, die nützliche Güter produzieren und dafür Energie verbrauchen. Für diese Anlagen werden ab 2005 CO2-Quoten festgelegt und in der Form handelbarer Wertpapiere, der sogenannten Treibhausgasemissionsberechtigungen, verbrieft. Im Effekt ist dies also eine Rationierungsmaßnahme - auch wenn die anfänglich kostenlos zugewiesene Menge solcher "Klimascheine" noch so bemessen ist, daß eine nennenswerte Auswirkung auf die Produktionskosten zunächst nicht zu erwarten ist.

      Das Handelssystem
      Der Anlagenbetreiber muß für den Betrieb seiner Produktionsmittel nunmehr solche "Klimascheine" verbrauchen. Um dies zu erzwingen, wird ein "robustes Regime der Überwachung" (Grünbuch der EU) installiert, d.h., ein Kontrollsystem. "Verbraucht" der Anlagenbetreiber weniger "Klimascheine", als er hat, kann er die überzähligen Zertifikate an andere Unternehmen verkaufen; will er hingegen mehr Güter produzieren, muß er zusätzliche Erlaubnisscheine von anderen Unternehmen nachkaufen. Hierzu wird derzeit ein elektronisches Handelssystem unter dem Regime des Umweltbundesamtes eingerichtet, das damit zugleich auch die Überwachungsbehörde ist - oder die Planbehörde, denn nichts anderes als eine Planwirtschaft in marktwirtschaftlichem Gewand ist dieses System.

      Langsame Strangulierung
      Nach Einführung des Zwangssystems soll dann die erlaubte Gesamtmenge des angeblichen Klimagases CO2 pro Jahr um 1,5% reduziert werden, was eine langsame Strangulierung der Energieversorgung bedeutet. Die "Klimascheine" erfüllen damit gleich mehrere Funktionen - neben ihrer Funktion als Produktionsbremse bieten sie eine hervorragende zusätzliche Einnahmequelle des Staates, denn sie sind faktisch nichts als eine handelbare Steuer auf Luft - neben der Öko- und den vielen anderen Steuern, versteht sich, denn keine Steuer soll hierfür gesenkt werden. Die ohnehin schon extreme Steuerlast steigt daher noch weiter, nur tut sie dies unauffälliger als früher.

      Wem es wirklich nützt
      Die geplante Verknappung soll durch Verringerung der Gesamtzahl der Emissionszertifikate erreicht werden. Also wird deren "Marktwert" steigen, denn die Gesetze von Angebot und Nachfrage gelten auch auf Zwangsmärkten. Anders als bei Aktien, die bekanntlich auch ins Bodenlose abstürzen können, würden "Klimascheine" sehr wertstabil sein, denn ihr Angebot ist administrativ geregelt und ihre Nachfrage wird erzwungen - ein Scheinmarkt mit Teilnahmezwang, eine "moderne" Wiedereinführung der alten Lebensmittelkarten: Denn dies führt auch dazu, daß aus Spekulation in solche Zertifikate viel höhere Gewinnerwartungen möglich sind als in Produktion und Verkauf nützlicher Güter - kein Wunder also, daß der Widerstand der Industrie sich bisher in sehr engen Grenzen hält. Ist die CO2-Rationierung erstmal richtig in Fahrt gekommen, kann man einfach die Werke schließen, die Mitarbeiter entlassen und nur noch vom Verkauf der Emissionsscheine leben. Bei der großen Energiekrise in Kalifornien 2001 wurde es bereits so gemacht. Wir haben aber nichts daraus gelernt.

      Ziel eigentlich längst erreicht
      Nach den Plänen der EU ist der CO2-Ausstoß von 1990 das Basisjahr, auf dessen Grundlage die Rationierung und Kürzung bemessen werden soll. Deutschland emittiert schon jetzt 18% weniger CO2 als es im Jahre 1990 ausstieß - was nicht an technologischen Verbesserungen, sondern der Demontage der alten DDR-Industrie liegt. Wer wissen will, wer den Preis hierfür gezahlt hat, sollte die Arbeitslosen fragen. Es ist also nicht schwer zu prognostizieren, daß deren Zahl bald noch viel weiter steigt. Mit der CO2-Rationierung erreicht die EU offenbar spielend, was die Alliierten Siegermächte mit Morgenthau-Plan und Römischen Verträgen nie erreicht haben: in ihrer ideologischen Verblendung wollen die Deutschen nämlich "auf Wunsch ihrer eigenen Regierung" 75% des Gesamtkürzungszieles der ganzen EU (!) übernehmen - obwohl sie ihr eigenes Klassenziel eigentlich schon vor Beginn der Rationierung erreicht haben.

      Weiterer Nutzen für die Wirtschaft
      Haben wir oben schon demonstriert, weshalb die Wirtschaft letztlich Nutzen aus dem Zertifikatehandel ziehen kann, so läßt sich ein weiterer Vorteil für die Industrie identifizieren: Länder wie Indien oder China sind nämlich ausdrücklich von Kyoto ausgenommen, so daß die materielle Produktion dorthin verlagert werden kann. Hier am Klimascheinhandel "verdienen" und dort produzieren - das ist die Strategie, die derzeit den Managern feuchte Träume bereitet. Der CO2-Wahnsinn der EU ist damit indirekt auch eine massive Entwicklungshilfe für Länder, die das eigentlich gar nicht mehr brauchen - aber natürlich auf Kosten der Deutschen, im wesentlichen der deutschen Arbeitnehmer, die den Hauptteil der Zeche zahlen.

      Keine wissenschaftliche Basis
      Unter diesem Blickwinkel verwundert es nicht, daß der ganzen Treibhausideologie jegliche wissenschaftliche Basis fehlt. Schon ob überhaupt ein Temperaturanstieg besteht, ist unter Wissenschaftlern umstritten, und falls es einen Treibhauseffekt gibt ist ungewiß, ob dieser vom Menschen verursacht oder auch nur beeinflußbar ist- das hat kürzlich sogar die bekanntlich ökosozialistische »TAZ« zugegeben. Und selbst wenn es einen Temperaturanstieg wirklich gibt, so könnte dieser sehr nützlich sein, denn im Mittelalter war das Temperaturniveau höher als heute, was man richtigerweise als "mittelalterliches Optimum" bezeichnet: damals wuchs Wein in Süd-Grünland (oder Neufundland), das daher bei den Wikingern "Vinland" hieß. Kein Wunder also, daß Tausende von Wissenschaftlern, darunter zahlreiche Nobelpreisträger, die derzeitige Klima-Ideologie als "Irrationale Ideologie" bezeichnet haben. Am Rande könnte übrigens interessieren, daß vor ca. 30 Jahren die genau entgegengesetzte Ideologie herrschte - es könne einen globalen Winter geben. Der ist bekanntlich ausgeblieben. Pikanter Weise sind es aber die gleichen "Wissenachaftler", die einst von der globalen Abkühlung schwadronierten, die heute mit dem vorgeblichen Treibhauseffekt ihre üppigen Forschungsmittel sichern.

      Abstruse Auswüchse
      Über einige Auswüchse der Klima-Ideologie kann man lachen, zum Beispiel über die Flatulent Animal Tax, die Furzsteuer auf die Blähungen von Schafen, die es in Neuseeland inzwischen gibt - zur Planetenrettung, versteht sich. Weniger witzig sind 15.000 Hitzeleichen, die es letzten Sommer alleine in Frankreich gegeben hat. Viele dieser Menschen könnten noch geben, wäre genug Strom für Klimaanlagen vorhanden gewesen. Und ist uns nach den zahlreichen Riesen-Stromausfällen des letzten Jahres das Lachen schon im Halse steckengeblieben, so hat die spanische EU-Kommissarin Loyola de Palacio schon Energierationierung ab 2007 angekündigt. Dies ist also nicht nur der dritte sozialistische Versuch auf deutschem Boden, nach dem nationalen- und dem realen Sozialismus diesmal der Ökosozialismus, sondern in all seiner Verachtung für die Lebensäußerungen des Menschen ein ausgewachsener Ökofaschismus, dem man heute freilich genauso mit Beschwichtigung begegnet wie einst den Expansionsgelüsten Hitlers. Kein Wunder also, daß Andrej Illarionow, Wirtschaftsberater von Präsident Putin, das Kyoto-Protokoll als Auschwitz für die Wirtschaft bezeichnet hat.

      Das Ende der Fahnenstange
      Hier ist noch lange nicht Schluß, denn wenn sich das Zwangssystem mit Industriebetrieben "bewährt", und davon ist auszugehen, wird es vermutlich bald auf andere Anlagen ausgedehnt. Flugzeuge zum Beispiel, oder Gebäudeheizungen, denn diese sind relativ leicht zu überwachen. Bei "mobilen Kleinquellen" - Autos! - dürfte die Maut das Überwachungsinstrument der Zukunft sein, was ganz zwanglos begründet, weshalb man mit solchem Starrsinn an der Satellitengestützten Maut festhält, denn sie ist als Kontroll- und Erzwingungsmittel unerläßlich, müssen die Autofahrer erstmal vor Fahrtantritt Klimascheine kaufen.

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 17:45:22
      Beitrag Nr. 1.459 ()
      8.3.04 Lange Gesichter bei Tui & Co

      Die goldenen Zeiten der Touristikbranche sind vorbei. Preiskrieg und Billigflieger haben den Wettbewerb verändert. Und den Kunden ...


      ... Last-Minute, Online, Baustein-System heißen die neuen Zauberworte zum Erfolg. Sogar die gute alte Pauschalreise ist in der Krise. Weltweit musste die Touristik-Branche 2003 erneut einen Rückgang von 1,2 Prozent hinnehmen - mit neun Millionen Reisenden weniger als im Vorjahr ist dies nach Angaben der Welttourismusorganisation sogar der stärkste Abfall seit Jahrzehnten. ... Dazu passt, dass die Reisebestellungen im vergangenen Jahr insgesamt bei TUI, Thomas Cook, Rewe und Co. trotz einer nie da gewesenen Preisschlacht um fünf bis sieben Prozent zurückgingen.

      ...Die neueste schrille Werbeaktion zum Kundenfang: Im Sommerflugplan nimmt TUI mit Bari und Klagenfurt zwei neue Reiseziele auf. Der Clou dabei: Die Passagiere der konzerneigenen Billigfluglinie Hapag-Lloyd-Express bestimmen für die kommenden Erstflüge im April und Mai den Preis selbst. Seit gestern läuft der telefonische Countdown für die Anmeldung. Erst an Bord der Maschine zahlt der Fluggast freiwillig den Betrag in bar, den er für angemessen hält.

      ... Und noch einer Sparte im Geschäft mit dem Reisen geht es schlecht: Deutschlands Hoteliers leiden ebenfalls unter dem Ausbleiben nationaler und internationaler Gäste. "Das vergangene Jahr", sagt Stephan Gerhard, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Treugast, "war das bisher schlimmste." Die Folge eines ebenfalls desaströsen Preiskrieges der Hoteliers: Auslastung und Preis gingen massiv zurück: seit 2001 um 22 Prozent. Zurzeit stehen Nacht für Nacht zwei von drei Betten leer. ... (Wams 7.3.04)




      Kommentar: Die Reisebranche ist ein guter Indikator dafür, wie sich die Kaufkraft der Bevölkerung entwickelt. Nimmt diese zu, dann steigt auch die Reiselust, fällt diese hingegen – wie heute - dann deutet das auf eine rückläufige Kaufkraft hin. Wie solle s jedoch je einen“Aufschwung“ geben, wenn die Leute immer weniger Geld in der Tasche haben? Auch die Tendenz hin zur Deflation zeigt sich deutlich in den fallenden Preisen und Schwierigkeiten der Reiseveranstalter.



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      US-Arbeitsmarktzahlen enttäuschen





      Das hatten sich George W. Bush und die Wirtschafts-Experten anders vorgestellt - die neusten Arbeitslosenzahlen der USA enttäuschen auf breiter Front. Auch auf Europa hat das Auswirkungen: einen erneut steigenden Euro.

      Von Marc Hujer




      Die Beschäftigungsmisere in den Vereinigten Staaten hält unvermindert an. Die Zahl der Beschäftigten im Februar stieg deutlich geringer als erwartet, es wurden lediglich 21.000 neue Stellen geschaffen. Analysten hatten mit dem Fünffachen gerechnet. An den Devisenmärkten gab der Dollar deutlich nach.




      In der Privatwirtschaft gar keine neuen Stellen

      Die zusätzlichen Stellen wurden ausschließlich im öffentlichen Dienst geschaffen, in der Privatwirtschaft stagnierte die Beschäftigung dagegen.




      ... Nach Berechnungen von Analysten sind mindestens 200.000 neue Arbeitsplätze pro Monat nötig, um allein mit der zunehmenden Nachfrage nach Arbeitsplätzen durch das Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Nach Angaben der Wirtschaftsagentur Bloomberg blieb die Arbeitslosenquote gegenüber dem Januar unter anderem deshalb unverändert, weil viele Arbeitslose die Suche aufgaben und damit nicht mehr in der Statistik auftauchten. ... (SZ, 6.3.04)




      Kommentar: Da wurde noch vor kurzem von extrem hohen Wachstumszahlen in den USA geredet und nun reagiert der Arbeitsmarkt gar nicht darauf. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass dieser angebliche „Aufschwung“ in den USA nur künstlich oder manipulativ entfacht wurde und real für den Bürger gar keine Auswirkungen hat. Es kann auch gar nicht anders sein, denn allein die enorme Verschuldung der USA verhindert jede positive Entwicklung und erstickt jede Erholung bereits im Keim.

      ---------------------


      7.3.04 Sturmlauf gegen das Reformpaket der Union


      CDU-Arbeitnehmerflügel nennt Pläne "unannehmbar" - IG-Metall-Chef Peters: "Amoklauf" ... Dem Papier zufolge will die Union das Arbeits- und Tarifrecht weitgehend lockern. Zudem soll der Kündigungsschutz bei Neueinstellungen für vier Jahre komplett ausgesetzt werden. Arbeitslose über 50 sollen bei einer Wiedereinstellung gar nicht mehr vom Kündigungsschutz profitieren. Ferner sollen Arbeitgeber das Recht erhalten, unbezahlte Mehrarbeit einzuführen, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert werden können. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen soll abgeschafft, die Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag freigegeben werden.

      Diese Pläne lösten nicht nur beim Arbeitnehmerflügel der Union, sondern auch bei den Gewerkschaften blankes Entsetzen aus. IG-Metall-Chef Jürgen Peters sprach von einem "Amoklauf" auf Arbeitnehmerrechte und die soziale Demokratie in Deutschland. "Die Arbeitnehmer sollen sich nach dem Willen der Union vollends den Unternehmen unterwerfen", sagte Peters dieser Zeitung. Mit der CDU/CSU gehe es für Arbeitnehmer "zurück ins 19. Jahrhundert". Nach Ansicht von Verdi-Vize Margret Mönig-Raane führen die Vorschläge in die Verarmung und zu einem kälteren Klima in der Gesellschaft. ... (Wams, 7.3.04)




      Kommentar: Insgesamt gesehen führt jeder Kündigungsschutz, Mutterschutz etc. nur dazu, dass weniger Arbeitskräfte eingestellt werden, weil der Arbeitgeber befürchten muss, ungeeignete Arbeitskräfte nicht mehr los zu werden. Solche „Schutz“-Gesetze nutzen nur denjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, verhindern jedoch, dass Arbeitslose eingestellt werden. Anders herum wird jedoch nicht das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst, indem der Kündigungsschutz abgebaut wird, weil das Grundproblem ganz woanders (in den Kapitalkosten der Unternehmen) liegt. Dies ist wieder ein Beispiel dafür, dass die Politik nur Symptome, statt Ursachen bekämpft und auch bekämpfen will.


      Kommentare v. Günter Hannich
      http://www.geldcrash.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 17:46:57
      Beitrag Nr. 1.460 ()
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 18:11:02
      Beitrag Nr. 1.461 ()
      Gutsherrenart

      Verdi attackiert Schlecker, Aldi und Lidl

      Schlecker, Aldi, Lidl - Namen, mit denen gemeinhin Erfolg und Profit verbunden werden. Doch wenn es um ganz normale Arbeitnehmerrechte wie etwa die Mitbestimmung geht, zeigen sich schnell die dunklen Seiten der Discountriesen. Gewerkschaftsboss Bsirske schimpft lautstark.







      Wenn die meisten Kunden noch im Bett liegen, beginnt für tausende Kassierinnen bei Aldi, Lidl und Schlecker ein echter Knochenjob. Um kurz nach 5:00 Uhr rollen die Laster an, bringen palettenweise frische Ware, die bis zur Ladenöffnung in den Regalen verstaut sein muss. Danach noch schnell die Filiale durchwischen, die neuen Reklameposter ins Fenster hängen und dann stundenlang an der Kasse sitzen.



      Drohungen sollen gefügig machen
      Wer bei den Discountern arbeitet, muss hart im Nehmen sein. Pausen sind verpönt, Überstunden die Regel. Besonders schwer haben es Betriebsräte und Gewerkschaftsmitglieder. "Drohungen sind keine Einzelfälle, das Klima der Angst und Einschüchterung ist Geschäftsmodell", sagt Verdi-Chef Frank Bsirske. Die Gewerkschaft machte am Montag in mehr als 1000 Filialen der Handelsriesen Aldi Süd, Lidl und Schlecker mobil.

      Über drei Viertel der insgesamt 100.000 Beschäftigten seien teilzeitbeschäftigte Frauen, die oft unter "menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen" schufteten. Dabei würden Tarifverträge systematisch missachtet. Verdi-Vertreter verteilten deshalb am Montag fleißig Info-Broschüren und ermunterten die Mitarbeiter, sich gegen ihre oft allmächtigen Vorgesetzten aufzulehnen und Betriebsräte zu bilden.



      Fließbandarbeit
      Eine Kassiererin bei Aldi oder Lidl sieht täglich fast 600 Kunden, doch für einen kleinen Plausch bleibt keine Zeit. Die Frauen, die für neun bis zwölf Euro brutto die Stunde arbeiten, müssen mindestens 40 Waren pro Minute über den Scanner ziehen. Im Nacken sitzen ihnen strenge Filial- und Bezirksleiter. Rutscht im Alltagsstress ein Artikel unbezahlt über den Scanner, droht schnell eine Abmahnung.

      Wagt es gar eine Mitarbeiterin, für den Betriebsrat zu kandidieren, kann sie sich auf eine Sonderbehandlung gefasst machen, erzählen betroffene Kassiererinnen. "Dann steht ständig ein Testkäufer an der Kasse. Machst du einen Fehler, sind deine Tage gezählt", sagt eine Frau, die ihren Namen nicht nennen will. Auch Taschenkontrollen und Videoüberwachung sollten renitente Mitarbeiter zur Räson bringen.



      » Drohungen sind keine Einzelfälle, das Klima der Angst und Einschüchterung ist Geschäftsmodell. «

      Verdi-Chef Frank Bsirske
      Langwierige und teure Arbeitsgerichtsprozesse gehören ebenfalls zur Drohkulisse der Unternehmen. Eine Schlecker-Betriebsrätin musste sich ihren Job mühsam wieder einklagen, weil die Firma ihr fristlos gekündigt hatte. Begründung: Die Fahrtkostenabrechnung sei um rund drei Euro zu hoch ausgefallen.



      Schlecker ist der schlimmste Blockierer
      Europas größter Drogist Schlecker (13.500 Filialen, etwa 6,6 Milliarden Euro Umsatz) sei beim Blockieren von Betriebsräten unerreicht, berichtet Verdi. Von 35.000 Beschäftigten in Deutschland sei nur etwa ein Drittel durch Betriebsräte vertreten. Mit dem Unternehmensgründer Anton Schlecker liegt die Gewerkschaft seit Jahren im Clinch.

      Wegen Lohndumpings wurden Anton und Christa Schlecker vor fünf Jahren vom Stuttgarter Landgericht zu hohen Geldstrafen und Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Danach unterschrieb der Unternehmer zwar Tarifverträge, doch die Kritik seitens der Arbeitnehmer reißt nichta b.



      Aldi Nord wird humaner
      Auch bei Deutschlands zweitgrößtem Discounter Lidl (2500 Filialen) gebe es bundesweit nur fünf Betriebsräte, bei Aldi Süd (1500) nur in einer einzigen Niederlassung. "Alle bisherigen Initiativen wurden in der Regel im Keim erstickt", sagt ein Gewerkschaftssprecher. Dagegen seien die Strukturen bei Aldi Nord nicht mehr so geheimnisvoll. Dort schauen Manager inzwischen sogar bei Betriebsversammlungen vorbei und trinken einen Kaffee mit den Kolleginnen von der Kasse.

      (sueddeutsche.de/dpa)
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      schrieb am 08.03.04 18:13:10
      !
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      schrieb am 08.03.04 18:16:18
      Beitrag Nr. 1.463 ()
      40-Stunden-Woche

      Siemens und Porsche machen Ernst

      Die Zeiten im Freizeit-Paradies Deutschland ändern sich: Nach Daimler-Chrysler prüfen nun auch Siemens und Porsche die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. Der neue Tarifvertrag macht`s möglich.






      Porsche-Produktion in Stuttgart-Zuffenhausen.
      Foto: dpa


      Mehrere deutsche Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie prüfen nach einem Bericht des Handelsblatts die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. Wie eine eine Umfrage der Finanzzeitung ergab, sind von der Neuregelung Zehntausende Arbeitsplätze betroffen.

      Nachdem DaimlerChrysler bereits angekündigt hatte, seine Ingenieure wieder länger arbeiten zu lassen, erwägen nun unter anderem auch Porsche und Siemens, hoch qualifizierte Mitarbeiter bei vollem Lohnausgleich künftig 40 statt bisher 35 Wochenstunden zu beschäftigen, schreibt die Zeitung.




      Auch der Autozulieferer Bosch und der Reifenhersteller Continental prüfen eine Arbeitszeitverlängerung.

      Der Münchner Elektrokonzern Siemens hat dazu bereits Gespräche mit dem Betriebsrat aufgenommen, bestätigte eine Siemens-Sprecherin dem Handelsblatt.

      Möglich wird die Verlängerung der Wochenarbeitszeit durch den im Februar vereinbarten Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie.

      (sueddeutsche.de/dpa)
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 18:17:16
      Beitrag Nr. 1.464 ()
      Automobilindustrie

      Volkswagen verhängt Einstellungs-Stopp


      Wegen der schlechten Marktlage will Europas größter Automobilhersteller offenbar bundesweit keine weiteren Arbeiter einstellen. Mittelfristig soll auch Personal in erheblichem Umfang abgebaut werden.




      Das berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Konzernkreise. Das größte Unternehmen der Branche in Europa mit derzeit 330.000 Beschäftigten will demnach mittelfristig in erheblichem Umfang Personal abbauen.



      Arbeitsplatz-Abbau in vierstelliger Höhe
      Durch das Nichtbesetzen frei werdender Stellen soll dem Bericht zufolge ein Arbeitsplatz-Abbau in jährlich vierstelliger Höhe erreicht werden. Außerdem sollen Überstunden künftig nicht mehr in der gewohnten Höhe vergütet werden, meldet das Blatt weiter.

      (sueddeutsche.de/dpa)
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 18:23:59
      Beitrag Nr. 1.465 ()
      Titel
      Rainer Balcerowiak

      Gesetzlose Pillenlobby

      Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie droht mit Abgabenboykott


      Obwohl es den Pharmakonzernen gelungen ist, durch massiven Einfluß auf die Verhandlungen zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) weitgehend ungeschoren zu bleiben, droht der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bereits kurz nach Inkrafttreten der »Gesundheitsreform« mit einem Abgabenboykott. Die Zahlungen der Firmen an die Krankenkassen auf Grundlage der im GMG festgelegten Erhöhung der Rabattierung verschreibungspflichtiger Medikamente von sechs auf 16 Prozent müßten bei Erreichen der in der Gesetzesbegründung genannten Zielgröße von einer Milliarde Euro pro Jahr gekappt werden, forderte der BPI-Vorsitzende Bernd Wegener am Montag in Berlin. Zwar habe man den »unternehmens- und investitionsfeindlichen Zwangsrabatt« zähneknirschend akzeptiert, da er gegenüber der ursprünglich geplanten Positivliste verschreibungsfähiger Medikamente das kleinere Übel sei, eine Kappungsgrenze sei aber notwendig, um »standorttreue Unternehmen« vor dem Ruin zu bewahren, so Wegener.

      Da man bereits 2003 die damals angepeilte Zielgröße von 420 Millionen Euro Rabattabgaben um 220 Millionen »übererfüllt« habe, müßte diese »Vorleistung« in vollem Umfang auf das Soll von 2004 angerechnet werden. Der Verband erwäge deshalb die Einstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Rabattzahlungen, wenn in diesem Jahr die Marke von 780 Millionen Euro erreicht sei, was laut BPI-Berechnungen vermutlich Anfang August der Fall sein wird. Zu diesem Schritt werde man gezwungen, da entsprechende Vorsprachen bei der Regierung auf »keinerlei Resonanz gestoßen« seien, begründete Wegener die offensichtlich rechtswidrige Drohung des Verbandes. Auch im Falle eines vermutlich langwierigen Rechtsstreits sieht man sich dabei am längeren Hebel. Da die Krankenkassen den Wegfall regelmäßiger Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe »nicht lange durchstehen werden«, würde der Druck auf die Politik wachsen, eine Regelung im Sinne des BPI zu treffen und das Geld für das Gesundheitssystem woanders einzutreiben.

      Der Optimismus des Verbandes erscheint nicht unbegründet. So ist es ihm und anderen Lobbygruppen bereits mehrere Male gelungen, die Einführung einer Positivliste verschreibungsfähiger Arzneimittel zu verhindern. Mittels einer solchen Liste wären unter anderem bei therapeutischer Gleichwertigkeit nur noch die preiswerteren Medikamente im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verblieben. Unabhängige Experten, wie der Gesundheitsökonom Ulrich Schwabe, bezifferten das Einsparvolumen auf mindestens 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Während die Pharmaindustrie der Bundesregierung entsprechende Pläne zur Senkung der Arzneimittelkosten im Jahr 2001 für lächerliche 204 Millionen Euro regelrecht abkaufte, konnte sie bei den »Konsensgesprächen« zur »Gesundheitsreform« Ende 2003 darauf bauen, daß besonders die CDU darauf beharren würde, entsprechende Vorhaben der Bundesregierung nicht zu realisieren.

      Natürlich weiß man beim BPI ganz genau, wo das Geld für die eigenen Profite zu holen sei. Neben einer Umstellung der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine einkommens- und vermögensunabhängige »Kopfprämie« verlangt die Pharmalobby auch eine umfassende Deregulierung des Gesundheitsmarktes. Letzteres betrifft z. B. den Umgang mit nichtverschreibungspflichtigen Medikamenten, die – von wenigen Ausnahmen wie beispielsweise Johanniskraut gegen leichte Depressionen abgesehen – nicht mehr von den Krankenkassen erstattet werden. Weniger aus Sorge um therapeutisch sinnvolle Behandlungen denn aus Angst vor Profiteinbrüchen fordert der BPI von der Bundesregierung, die geplante »Ausnahmeliste«, die am 1. April verabschiedet werden soll, beträchtlich zu erweitern. Auch Restriktionen bei der freien Vermarktung nun nicht mehr zu Lasten der Kassen verschreibungsfähiger Medikamente will man beseitigt sehen, um die Ausfälle zu kompensieren. Das besondere Augenmerk gilt dabei dem Paragraph zwölf des Heilmittelwerbegesetzes, der werbliche Empfehlungen dieser Mittel in bezug auf bestimmte Krankheiten stark einschränkt. Dieser Paragraph solle »ersatzlos gestrichen« werden, forderte Wegener. Wenn das Realität wird, dürfte so manch Supermarktbesucher bald vor überquellenden Regalen voller Präparate stehen, die Heilung von so ziemlich allen Leiden versprechen. Denn letztendlich kann es den BPI-Mitgliedsfirmen ja egal sein, ob ihre Aktionäre dank überteuerter Kassenmedikamente oder frei verkäuflicher »Wundermittel« jubeln.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-09/001.php
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 18:25:38
      Beitrag Nr. 1.466 ()
      Kommentar
      Daniel Behruzi

      Nachwirkungen

      Metallunternehmen verlängern Arbeitszeit


      »Wir haben die 35-Stunden-Woche gesichert.« Das behauptete die IG Metall in einem Flugblatt nach dem im Februar geschlossenen Tarifkompromiß. Die Realität sieht anders aus. Der Vertrag bedeutet eine Aufweichung der für Westdeutschland 1990 erkämpften 35 Wochenstunden. Daß es sich dabei nicht um folgenloses Fingerhakeln handelte, zeigt sich jetzt: Nach einer Umfrage des Handelsblatts wollen diverse Großkonzerne und Zulieferer – DaimlerChrysler, Porsche, Siemens, Bosch, Continental und Mahle – in Teilen ihres Unternehmens die Arbeitszeiten auf 40 Wochenstunden ausweiten. Zehntausende Beschäftigte sind davon betroffen. Sie erhalten die zusätzlichen Stunden zwar bezahlt, aber sonst anfallende Mehrarbeitszuschläge gibt es nicht. Die notwendige Zustimmung der Betriebsräte wird in all diesen Unternehmen sicherlich problemlos erteilt werden. Viele von ihnen sehen es ohnehin inzwischen als ihre heiligste Pflicht, die Wettbewerbsfähigkeit »ihres« Unternehmens zu steigern. Aber selbst wenn sie wollten, könnten sich die erpreßbaren Betriebsräte der Arbeitszeitverlängerung wohl kaum in den Weg stellen.

      Die Ausweitung der Arbeitszeit dürfe »nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen führen«, heißt es in der getroffenen Vereinbarung. Das ist lächerlich! Arbeitszeitverlängerung bedeutet Arbeitsplatzvernichtung. Wenn nun zum Beispiel Porsche für die rund 3 000 in seinem Entwicklungszentrum beschäftigten Kollegen die Arbeitszeit erhöht, um eine vierte Baureihe zu entwickeln, muß der Konzern die für diese zusätzliche Arbeitsleistung sonst notwendigen 375 Neueinstellungen nicht tätigen.

      Unmittelbar betrifft die Regelung Betriebe, in denen jeder zweite Beschäftigte hochqualifizierte Tätigkeiten verrichtet. Daimler-Personalchef Günter Fleig hat aber bereits angekündigt, die Arbeitszeiten »auch für andere Konzernsparten« verlängern zu wollen. Dafür hat der Tarifvertrag ebenfalls Möglichkeiten geschaffen – allerdings muß hier die IG Metall (noch) zustimmen.

      Die Unternehmer halten es mit der Arbeitszeit, wie es ihnen gerade paßt. Während die Beschäftigten in dem einen Konzern länger schuften müssen, wird anderswo – z. B. bei Ford und der Telekom – die Arbeitszeit verkürzt. Das aber bei gleichzeitigem Lohnverlust. Statt diese Spielchen mitzumachen und sich, wie es im Metalltarifvertrag heißt, um die »Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und Investitionsbedingungen« zu sorgen, sollten die Gewerkschaftsspitzen endlich konsequente »Klientelpolitik« für die abhängig Beschäftigten betreiben.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-09/002.php
      Avatar
      schrieb am 08.03.04 18:43:57
      Beitrag Nr. 1.467 ()
      Thema
      Guido Grüner*

      Klassenkampf von oben

      Verarmte Erwerbslose in bankrotten Kommunen. Ab Januar 2005 wird das Arbeitslosengeld II eingeführt


      * Eine große Koalition aus CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD hat beschlossen, den 1.1.2005 zum großen Verfallstag sozialer Leistungen zu machen. An die Stelle von Arbeitslosenhilfe und alter Sozialhilfe treten Arbeitslosengeld II (Sozialgesetzbuch II) und neue Sozialhilfe (statt Bundessozialhilfegesetz BSHG dann SGB XII). Beiden Gesetzen gemeinsam ist die Deckelung der Leistungen für individuellen Hilfebedarf. Wichtiges Ziel der ganzen Aktion ist, den Bund von Kosten für die Massenarbeitslosigkeit zu befreien. Erwerbslose und Kommunen mit hoher Erwerbslosigkeit sind die absehbaren Opfer dieser Politik. *


      Mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe1 entfällt eine Leistung, die seit Anfang der 90er Jahre bei ständig wachsender Massenarbeitslosigkeit eine immer größere Bedeutung erlangte. (Befördert wurde diese Entwicklung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992, Aktenzeichen 1 BvL 8/87, das den verfassungswidrig niedrigen Einkommensfreibeträgen für Ehepartner und Kinder des Erwerbslosen ein Ende machte und den Zugang zur Arbeitslosenhilfe eines Arbeitslosenhilfe beantragenden Erwerbslose in ehe(ähn)lichen Partnerschaften wesentlich erleichterte. Hinzu kam ein vom Gesetzgeber bestimmter pauschaler Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von zuletzt rund 150 Euro. So wuchs die Zahl der Personen mit Arbeitslosenhilfebezug von durchschnittlich 759 187 (im Jahr 1993) auf zuletzt 2 034 062 im Jahr 2003. Zugleich stieg der Anteil der Arbeitslosenhilfe Beziehenden an den Leistungsbeziehern des Arbeitsamtes von 28,7 auf knapp 50 Prozent. Mit dem Anwachsen der überwiegend aus Steuermitteln des Bundes finanzierten Arbeitslosenhilfe wuchs die vom Bund getragene Last der Massenarbeitslosigkeit. Dieser sucht sich der Bund mit der Folge verschärfter Altersarmut und der Altersgrundsicherung mehr und mehr zu entziehen, erstens durch geringere Rentenbeiträge und zweitens durch die Senkung der für Arbeitslosenhilfe Beziehende entrichteten Beiträge zu den Krankenkassen, womit dreistellige Millionenbeträge auf die Beitragszahler abgeschoben wurden.

      Von wegen Entlastung

      Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 bürdet nun den Kommunen gewaltige Kosten auf. In Oldenburg rechnet die Stadtverwaltung für 2005 mit 1,5 Millionen Euro Mehrausgaben. So wurde nach einer Sitzung von SPD-regierten Ruhrgebietsstädten vermeldet: »Die SPD-Fraktionsvorsitzenden des Ruhrgebiets haben auf ihrem Treffen am 30. Januar 2004 in Oberhausen ausführlich die finanziellen Auswirkungen der gesetzlichen Maßnahmen im Rahmen von Hartz IV erörtert. Hierbei wurde deutlich, daß statt der angestrebten finanziellen Entlastung der Kommunen tatsächlich eine Mehrbelastung zu erwarten ist. ›Für die Stadt Herne wird die Mehrbelastung zwischen 6,5 und 10,5 Millionen Euro jährlich betragen‹, schildert Horst Schiereck, Sprecher der Runde, das Ergebnis konkreter Herner Berechnungen.« (Nord-West-Zeitung, 16.2.04) Dies bewirkt das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und -rat vom Dezember 2003: die Teilträgerschaft der Kommunen für das Arbeitslosengeld II.

      Entgegen der Regierungspropaganda, wonach die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe die Kommunen entlasten soll, werden sie nun Träger und Finanzier eines erheblichen Teils der Leistungen der »Grundsicherung für Arbeitssuchende« sein. Den Rest trägt die Bundesagentur für Arbeit, finanziert aus Steuern des Bundes und aus der Arbeitslosenversicherung.

      Die Bundesagentur trägt

      – die Regelleistung (RL) des Arbeitslosengelds II für Lebensunterhalt, Bekleidung, Wohnungseinrichtung, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (345 bzw. 331 Euro [West/Ost] bzw. anteilige Beträge für Haushaltsangehörige, Kinder; deren Regelleistung heißt Sozialgeld; Paragraphen 20 und 28 SGB II);

      – Mehrbedarfe für werdende Mütter (17 Prozent der RL), Alleinerziehende (36 Prozent der RL bis drei Kinder, zwölf Prozent mehr je Kind ab dem vierten, höchstens 60 Prozent), erwerbsfähige Behinderte (35 Prozent der RL) und für kostenaufwendige Ernährung aufgrund von Krankheit (§ 21);

      – Leistungen zur beruflichen Förderung; nur als »Kann«-Leistung gibt es das, was heute beim Arbeitsamt bekannt ist (ABM, Lohnkostenzuschuß, Bewerbungskosten, Trainingsmaßnahmen, berufliche Bildung, »Ich-AG« etc.), zudem das »Einstiegsgeld«, ein für eine gewisse Zeit gezahlter Zuschlag zur Regelleistung, wenn ein Niedriglohnjob angenommen wird (§ 29).

      Die Kommune trägt Kosten für

      – »angemessene« Unterkunft und Heizung, die regional unterschiedlich pauschaliert werden können (§ 22, § 27);

      – die Erstausstattung der Wohnung (einschließlich Hausrat), für Bekleidung (auch für Schwangerschaft und Geburt), die auch pauschal oder als Sachleistung erbracht werden können (§ 23);

      – mehrtägige Klassenfahrten.

      Die Kommune kann Kosten tragen für weitere Leistungen zur Eingliederung in das Erwerbsleben wie

      – Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder häuslich gepflegter Angehöriger;

      – Schuldner-, psychosoziale oder Suchtberatung (§ 23,2);

      – darlehensweise Mietschuldenübernahme, wenn bei drohender Wohnungslosigkeit eine konkrete Arbeitsaufnahme verhindert würde (§ 22,5);

      – Mietschuldenübernahme per Zuschuß oder Darlehen zur Sicherung der Unterkunft (SGB XII § 34 ).

      Werden Einkommen oder Vermögen der »Hilfebedürftigen« (das sind alle im Haushalt lebenden Personen; auch wer gegebenenfalls 40 Stunden arbeitet gehört dazu, § 9) auf die Leistungen der Grundsicherung angerechnet, mindert das zuerst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit (§ 19,2). Auch Kindergeld zählt zum Einkommen. Diese Entlastung nutzt dem Bund. Nur wenn die Anrechnung über den dem Bund zuzurechnenden Teil hinausgeht, wird die Kommune entlastet.

      Die letzten beißen die Hunde

      Den Lebensunterhalt zahlt der Bund, Unterkunft usw. die Kommune. Eine Prognose des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums (BMWA) erwartet – bei ohne Reform unterstellten 1,9 Millionen Arbeitslosenhilfe Beziehenden für 2005 – 3,08 Millionen erwerbsfähige Arbeitssuchende in 2,05 Millionen Alg-II-Haushalten. Während die Kommunen von den Regelsatzleistungen der bisherigen erwerbsfähigen Sozialhilfe Beziehenden entlastet werden, müssen sie die Unterkunftskosten der ehemaligen Arbeitslosenhilfe Beziehenden sowie von deren Haushaltsangehörigen tragen. Die Belastung der jeweiligen Kommune durch Alg II ist am größten, wenn wenige »ihrer« Sozialhilfe Beziehenden ins Alg II wechseln (diese bekommen die Regelleistung fortan vom Bund) und sie vielen ehemaligen Arbeitslosenhilfe-Beziehenden die Unterkunft zahlen muß. Diese Konstruktion trifft vor allem die neuen Bundesländer, was deren Bundestagsabgeordnete und Regierungen nicht daran hinderte, dieser Aufgabenteilung zuzustimmen. Daran dürfte auch nichts Wesentliches ändern, daß die neuen Bundesländer »zum Ausgleich von Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und der daraus entstehenden überproportionalen Lasten bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige« für die Jahre 2005 bis 2009 jährlich folgende »Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen« erhalten:

      Brandenburg: 190 000 000 Euro,

      Mecklenburg-Vorpommern:128 000 000 Euro,

      Sachsen: 319 000 000 Euro,

      Sachsen-Anhalt: 187 000 000 Euro,

      Thüringen: 176 000 000 Euro.

      So der neue Absatz 3a des Paragraphen 11 des Artikels 5 des »Gesetzes zur Fortführung des Solidarpakts und zur Abwicklung des Fonds ›Deutsche Einheit‹ (Solidarpaktfortführungsgesetz – SFG)«, vgl. Artikel 30 des Hartz IV-Gesetzes.

      Die Agenturen für Arbeit können die Kosten für die Regelleistung des Alg II durch provozierte Sperrzeiten (»Verfolgungsbetreuung«) senken. Den Kommunen bleibt, die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung zu drosseln. Aus Sachsen wurde der quer von der Forderung von Kommunen berichtet, für das Alg II eine Unterkunftspauschale von 50 Euro festzusetzen. Absehbar sind Mietschulden, Obdachlosigkeit, Billigst- und Elendsquartiere, Armenvertreibung. Politische Alternative wäre, sich dieser Politik der gesellschaftlichen Individualisierung und Dezentralisierung von Folgen und Kosten der Massenarbeitslosigkeit entgegenzustellen.

      »Aktivierungsmaßnahmen«

      Die Kommune kann sich entscheiden (bei Zustimmungspflicht der obersten Landesbehörden), die Grundsicherung für Arbeitssuchende ganz zu tragen (§ 6a). Näheres, z. B. zu den Pauschalen für Bedarfsgemeinschaften, die aktivierenden Leistungen, die Verwaltungskosten, Kooperationsmöglichkeiten zwischen Kommune und Agentur, was zu tun ist, wenn auf dem Gebiet einer Gebietskörperschaft (z.B. Landkreis) bisher zwei Arbeitsämter zuständig waren, sollen bis April 2004 in einem eigenen Bundesgesetz geregelt werden.

      In der Debatte um diese »Option« sind einige Anhaltspunkte zu finden, wie »Aktivierung« von Alg-II-Beziehenden aussehen soll. Wobei unter »Aktivierung« Maßnahmen jeder Art verstanden werden – vom Ein-Euro-Job bis hin zu Kombilohnmodellen. Unterschieden wird nach der Aktivierungsquote, d. h. wieviel Prozent bestimmter Personengruppen betroffen sein sollen, und dem durchschnittlichen Aufwand je Maßnahmeteilnehmer 2. Auffällig ist u. a., daß die Aktivierungsquote bei den Alg-II-Beziehenden zwischen 15 und 24 Jahren nur 52 Prozent betragen soll. Denn gesetzlich vorgesehen ist, diese Arbeitslosen »unverzüglich nach Antragstellung auf Leistungen ... in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln« (§ 3,2). Wird erwartet, daß für 48 Prozent dieser Arbeitslosen bei Meldung zum Alg II im JobCenter sofort eine Arbeit auf dem freien Markt gefunden wird? Oder kalkuliert das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bereits ein, daß Maßnahmen für diese Arbeitslosengruppe nur schikanös genug gestaltet werden müssen, um einen erheblichen »Schwund« erreichen zu können – zurück zu Eltern, in Schwarz- oder Gelegenheitsjobs? Die durchschnittlichen Maßnahmekosten je Teilnehmer sagen bei näherer Betrachtung viel über die spärliche Qualität der ins Auge gefaßten Aktivierungsmaßnahmen aus. (An dieser Stelle ist in der Printausgabe der jW eine Tabelle eingefügt, die hier leider nicht wiedergegeben werden kann - Red.)

      Viele Lohnabhängige und Gewerkschafter haben die soziale Härte des in Gesetzesform gegossenen Alg II noch nicht ganz erfaßt. So schrieb die IG-Metall-Zeitschrift direkt im Januar, nach Bezug von Arbeitslosenhilfe gebe es zum Alg II für zwei Jahre einen Zuschlag, der bis zu zwei Drittel der Einbuße (Differenz) ausgleiche. Dabei sagt das Gesetz in aller Deutlichkeit, daß der befristete Zuschlag nur innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nach Ende des Arbeitslosengeldbezuges gezahlt wird, bei einer Obergrenze von 160 Euro im ersten und 80 Euro im zweiten Jahr (§ 24,1). Diesen Zuschlag erhält zudem nur, wer weniger Alg II/Sozialgeld bekommt als vormalig Arbeitslosengeld zuzüglich Wohngeld (= Differenzbetrag).

      Berechnung: (Alg + erhaltenes Wohngeld) - (Alg II + Sozialgeld) = Differenzbetrag.

      Ergebnis: Hat ein Haushalt (zwei Erwachsene, zwei Kinder) von einem Erwerbseinkommen (zzgl. Kinder- + Wohngeld) gelebt und verliert der Erwerbstätige seine Arbeit, wird es beim späteren Wechsel ins Alg II den Zuschlag nicht geben, da der Alg II/Sozialgeldbetrag für vier Personen einschließlich Unterkunft das Alg zzgl. Wohngeld in der Regel übersteigen wird.

      Kinderzuschlag und Freibetrag

      Was es heißt, wenn Regierungsparteien schreiben, sie hätten sich »zum Ziel gesetzt, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Armut von Kindern zu vermindern«, ist am Hartz-IV-Gesetz abzulesen. Denn den neuen Kinderzuschlag (KiZu) erhalten nur die Haushalte mit minderjährigen Kindern, deren Einkommen reicht, den Alg-II-Bedarf der Erwachsenen zu decken. Der KiZu beträgt 140 Euro und wird unabhängig von der Zahl der Kinder und maximal für die Dauer von drei Jahren gezahlt. Je zehn Euro, die das Elterneinkommen ihren eigenen Alg-II-Bedarf übersteigt, sinkt der Kinderzuschlag um sieben Euro.

      Hieß es bis Oktober 2003 noch, vom Einkommen sollte Erwerbslosen beim Alg II ein Sockel in Höhe von 20 Prozent der Regelleistung (ca. 68 Euro) bleiben, von jedem Euro mehr weitere 15 Cent, haben die Berliner Parteien solchem »Großmut« nun ein Ende gemacht. Beim Alg II bleiben Erwerbstätigen vom bereinigten Nettoeinkommen (nach Abzug von Steuern, Beiträgen, Werbungskosten) bei einem Bruttolohn von

      – bis zu 400 Euro monatlich 15 Prozent,

      – zwischen 400 und 900 Euro 30 Prozent,

      – zwischen 900 und 1 500 Euro 15 Prozent.

      Das Ergebnis dieser Krönung von Verwaltungvereinfachung und Bürgerfreundlichkeit will ich versuchen, in drei Beispielen aufzuzeigen:

      1. Wer heute bei Arbeitslosenhilfe-Bezug 300 Euro dazu verdient, behält davon in der Regel 165 Euro für sich; beim Alg II bleiben 45 Euro.

      2. Im Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt behalte ich die z.B. mit Zeitungsaustragen verdienten 35 Euro aufgrund des Sockelfreibetrages für mich; beim Alg II bleiben 5,25 Euro!

      3. Wer 900 Euro brutto verdient, erhält (bei Steuerklasse III) zirka 703 Euro netto. Für die ersten 400 Euro dieses Einkommens behält er als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit Alg-II-Bezug 60 Euro (15 Prozent), von den weiteren 303 Euro bleiben 90,09 Euro (30 Prozent), insgesamt 150,09 Euro. Bei einem Einkommen von 1 500 Euro brutto würde der Freibetrag um gerade noch 70 Euro steigen, obwohl der Nettoverdienst um rund 480 Euro zunimmt.

      An dieser Freibetragsregel des Sozialgesetzbuches II sind dessen Grundprinzipien gut abzulesen: Ziel des Gesetzes ist es, den Umfang der Hilfebedürftigkeit zu verringern, daher wird Einkommen auf die gezahlte Leistung hart angerechnet. Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnbereich sollen gefördert werden, daher ist im Bereich bis 900 Euro brutto der vergleichsweise günstigste Einkommensfreibetrag zu finden. »Mensch soll sich nicht in der Arbeitslosigkeit einrichten«, wird uns häufig entgegengebracht. Daher entfällt der Grundfreibetrag der heutigen Sozialhilfe bzw. der 165-Euro-Freibetrag der Arbeitslosenhilfe.

      Workfare und Arbeitszwang

      Und wo es absehbar mangels Jobs (von lohnenden ganz zu schweigen) kaum legale Auswege aus der Hilfebedürftigkeit gibt, haben Workfare-Modelle (Arbeit gegen Sozialhilfe) Hochkonjunktur. Die Idee, Zivildienstleistende durch Arbeitslose zu ersetzen, erläuterte Hermann Scherl, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, nach Studium der neuen Pflichten der Alg-II-Erwerbslosen3. Er plädiert entgegen anderer Varianten zur Beschäftigung der Erwerbslosen (ABM, Midi-Jobs) für die Workfare-Lösung, da diese besonders kostengünstig sei, vor Arbeitsentwöhnung schütze, Leistungsmißbrauch und Schwarzarbeit verringere und zu intensiverer Stellensuche bei größerer Konzessionsbereitschaft am regulären Stellenmarkt aktiviere.

      Das Ziel des SGB II ist die Verhinderung der Inanspruchnahme von Leistungen trotz Hilfebedarf. Noch bestehende Arbeitsmarktregularien sollen über den Druck auf Erwerbslose bzw. deren materielle Not gekippt werden. Dagegen hilft – so traurig das ist – auch keine Tarifautonomie. Vielmehr muß die Durchsetzung gesellschaftlicher Standards zu Einkommen und Arbeitsbedingungen sichern, daß Tarife nicht immer weiter in den Keller gedrückt werden. Aufstehen für gesetzlichen Mindestlohn in ausreichender Höhe, gegen die Deregulierung aller Lebens- und Arbeitsverhältnisse steht auf unserer Tagesordnung.

      1 Paragraphen betreffen das Sozialgesetzbuch II, die Grundsicherung für Arbeitssuchende, in dem das Alg II geregelt ist. Änderungen des SGB II sind noch vor dem 1.1.2005 zu erwarten, z.B. im Rahmen der Verabschiedung eines Gesetzes zur »Option« alleiniger Trägerschaft des Alg II durch Kommunen. Eine Übersicht der SGB II-Detailregelungen von Johannes Steffen steht im Netz unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/.

      2 Laut Unterlage aus dem BMWA, 13.02.2004, IIC 1 -20033, S. 3; im Netz: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/seiten/3_gesetze_gesetzgebung.
      htm

      3 H. Scherl: Workfare statt Zivildienst: Eine beschäftigungspolitische Chance; www.sozialpolitik.wiso.uni-erlangen.de/down/workfare.pdf

      * Guido Grüner ist Redakteur der Arbeitslosenzeitrschrift quer: Postfach 13 63, 26003 Oldenburg. Tel.: 04 41/9 55 84 49, Fax: 04 41/9 55 84 43. E-Mail:
      quer.infos@web.de

      http://www.jungewelt.de/2004/03-09/004.php
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      schrieb am 08.03.04 21:57:40
      Beitrag Nr. 1.468 ()
      Wirtschaft 08.03.2004

      Einzelhandel blutet aus

      Der deutsche Einzelhandel hat im vergangenen Jahr den stärksten Stellenabbau seit dem Zweiten Weltkrieg verzeichnen müssen. 50.000 Arbeitsplätze seien verloren gegangen - deutlich mehr als befürchtet, berichtete der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) am Montag in Düsseldorf. Dies sei auch eine Nachwirkung des katastrophalen Geschäftsjahres 2002 gewesen, sagte Verbandspräsident Hermann Franzen. Die Branche beschäftigt noch rund 2,8 Millionen Menschen.


      http://www.dw-world.de/german/0,3367,150...361_1_A,00.html
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      schrieb am 08.03.04 22:32:07
      Beitrag Nr. 1.469 ()
      Avatar
      schrieb am 09.03.04 23:47:37
      Beitrag Nr. 1.470 ()
      Titel
      Jürgen Elsässer

      Deutschland säuft ab

      Aktuelle Katastrophenmeldungen: Produktionsrückgang, feindliche Übernahmen, Managergier


      Der deutsche Kapitalismus, einst die zweitstärkste Wirtschaftsmacht des Planeten, säuft ab. Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gibt es keine Rettungsboote. Mit Sprüchen wie »Keine Panik auf der Titanic« oder »Der Aufschwung kommt« werden wir bei Laune gehalten – während die Profiteure des Untergangs sich längst mit allem, was nicht niet- und nagelfest ist, aus dem Staub gemacht haben.

      Einige Meldungen aus den letzten 48 Stunden:

      Kaufstreik: Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) klagt über schrumpfenden Absatz. Im Weihnachtsgeschäft ist der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel eingebrochen, im Vergleich zu 1999 hat er sich sogar mehr als halbiert. Auf das gesamte letzte Jahr bezogen betrug der Rückgang 0,9 Prozent. Deswegen sind 50 000 Stellen abgebaut worden – mehr als je zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Weitere 30 000 Arbeitsplätze dürften dieses Jahr folgen, so HDE-Präsident Hermann Franz. Ein weiterer Verbandsfunktionär warnte vor einem »Vernichtungswettbewerb« – immer mehr kleine Geschäfte müßten aufgeben.

      Produktionsrückgang: Die Industrie und das übrige produzierende Gewerbe verzeichneten im Januar einen Fertigungsrückgang gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,0 Prozent. Auch Deutschlands (und Europas) größter Autobauer Volkswagen ist in der Krise. Im vergangenen Jahr wurde der Gewinn der Wolfsburger mit 1,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert. Der eingebrochene Dollar kostete den Konzern 1,6 Milliarden Euro. (siehe Seite 16)

      Export-Suizid: Das Miniwachstum der deutschen Gesamtwirtschaft (2003 bei gerade 0,4 Prozent) wird nur noch vom Export getragen. Mit einer Warenausfuhr im Wert von 664 Milliarden Euro und einem Exportüberschuß von 135 Milliarden Euro war das letzte Jahr das beste in der Geschichte des deutschen Außenhandels – Deutschland ist mit diesen Zahlen weltweit die Nummer eins. Doch der Preis dafür ist hoch: Die Staaten, die deutsche Waren importieren, verschulden sich zunehmend. So lag das Handelsdefizit Estlands im letzten Jahr bei fast 15 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung, meldete Financial Times Deutschland am Dienstag – »fünfmal soviel wie in Argentinien, bevor dort 2001 die Finanzkrise begann«. Ab 1. Mai aber gehört Estland zur Europäischen Union und erhält dann Ausgleichszahlungen der EU. Genauer gesagt: Der Steuerzahler muß den Esten recht und schlecht ersetzen, was deutsche Konzerne dort herausgeholt haben.

      Managergier: Besonders aufschlußreich sind die Vorgänge bei der Deutschen Bank. Deren Chef Josef Ackermann hat im vergangenen Jahr fast 60 Prozent mehr verdient als 2002. Nach Angaben aus Frankfurter Bankenkreisen kletterten seine Bezüge für 2003 auf elf Millionen Euro. Im Zusammenhang mit umstrittenen Millionenzahlungen an Vorstände des früheren Mannesmann-Konzerns steht Ackermann derzeit in Düsseldorf vor Gericht. Mit dem Elf-Millionen-Euro-Paket steigt der Deutsche-Bank-Chef zum Spitzenverdiener unter den deutschen Managern auf. Gleichzeitig führte das Finanzinstitut Fusionsgespräche mit der US-amerikanischen Citigroup, der weltgrößten Bank. Vor allem ranghohe Investmentbanker, die sich bei einem Zusammengehen der Institute üppige Abfindungszahlungen versprechen, seien an dem Deal interessiert, berichtete die Welt am Sonntag. Mit anderen Worten: Dieselbe hochbezahlte Managerclique, die sich wegen der Verscherbelung des Mannesmann-Konzernes derzeit verantworten muß, plant nun mit der Deutschen Bank dasselbe.

      Damit spitzt sich der Widerspruch zwischen den klassischen Kapitalisten und den postmodernen Managern zu. Die großen deutschen Firmenimperien (Daimler, Henkel, ALDI-Albrecht, BMW-Quandt, Porsche, Springer) setzen auf die Ausbeutung der Arbeitskraft, was immerhin den Vorteil hat, daß sie an altmodischen Dingen wie Produktion und indirekt auch an Arbeitsplätzen ein gewisses Interesse haben. Aus diesen Kreisen kommt mit die schärfste Kritik am Verhalten von Ackermann. Dieser steht wie kein zweiter für die kurzfristige Abzocke, die Ausschlachtung von Firmen und ganzer Branchen. Das hat nichts mehr mit Mehrwertproduktion zu tun, sondern ist Raub.

      In diesem Machtkampf haben die klassischen Kapitalisten schlechte Karten – und sie sind selber schuld: Je schlechter sie ihre Arbeiter bezahlen und je mehr sie entlassen, umso weniger können die sich die hergestellten Waren kaufen. Dann schlägt die Stunde der Aasgeier. Sie eignen sich mit kriminellen Mitteln die aufgehäuften Reichtümer an, die aufgrund der Rezession nicht mehr investiert werden. So beraubten die Ackermänner Mannesmann – und so berauben die Bushisten den Irak.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-10/001.php
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      schrieb am 09.03.04 23:50:48
      Beitrag Nr. 1.471 ()
      Kommentar
      Dieter Schubert

      Zahlenspielerei

      Rente: Regierungskoalition streitet um Prozente


      Ein wenig mutet die aktuelle Rentendiskussion an, als bemühten sich Regierung und Opposition tatsächlich um eine Regelung dieses Problems für die kommenden sechsundzwanzig Jahre. So stritt man am Dienstag in Koalitionskreisen noch darüber, ob denn das Rentenniveau 2030 bei 43 oder bei 46 Prozent des ohnehin immer seltener werdenden »Eckrentners« mit 45 Beitragsjahren liegen solle. Eine kleine Schar »Abweichler« aus der SPD-Linken war für 46, der Rest des lustigen Haufens für 43 Prozent.

      Natürlich ist das alles großer Blödsinn. Was auch immer im Jahr 2030 sein sollte, es wird mit den von der aktuellen Politik durchgehechelten Sachverhalten und Zahlen eher wenig zu tun haben. Bereits jetzt ist unklar, wie und in welchem Umfang die Renten in den kommenden Jahren gezahlt werden können. Das Defizit der Rentenkasse wird nach Expertenvorhersagen bald kaum noch finanzierbar sein. Da helfen auch Kaffeesatzleseversuche und Spielereinen im »Superwahljahr« 2004 nichts.

      Die Renten sind sicher, propagierte Kohls damaliger Adlatus, Norbert Blüm, in den Neunzigern, und er wiederholte sich so oft, bis ihm die meisten Leute glauben wollten. Aber bereits damals war abzusehen, daß es eine Alterssicherung auf solidarischer Basis – dem sogenannten Generationenvertrag – nicht mehr lange geben würde. Heute ist das noch deutlicher. Immer weniger abhängig Beschäftigte müßten immer mehr in die Rentenkasse zahlen, eine Vorstellung, die nicht einmal theoretisch zu einem plausiblen Ergebnis führt. Hinzu kommt, daß seit Riester die Unternehmen es geschafft haben, sich sukzessive aus der vermeintlichen Solidargemeinschaft davonzustehlen. Statt dessen, so das Argument der Politik, sollten die Bürger mehr auf Eigenvorsorge setzen. Ja, aber wie und vor allem, wovon denn? Wieviele Haushalte müssen bereits heute mit tausend Euro oder noch weniger auskommen. Mieten, Gebühren, Strom, Gesundheitskosten und Lebensmittel sind allesamt nicht gesunken. Da bleibt vielen, gerade im Osten, nichts zum Vorsorgen. Und neue Jobs, mit denen man mehr verdient als den Sozialhilfesatz gibt’s auch kaum. Fast fünf Millionen offiziell Erwerbslose, über zweieinhalb Millionen Sozialhilfeempfänger und Hunderttausende in diesen Statistiken gar nicht erfaßte Menschen wissen schon jetzt nicht, wie sie morgen überleben sollen. Und die vermeintlich ach so gut gestellten derzeitigen Rentner werden demnächst auch wieder geschröpft: Sie zahlen ihren Anteil an der Pflegeversicherung ab April voll. Wen interessiert dann, was im Jahr 2030 sein wird?

      http://www.jungewelt.de/2004/03-10/002.php
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 00:00:53
      Beitrag Nr. 1.472 ()
      Thema
      Eckart Spoo

      Pressefreiheit

      Mißbrauch publizistischer Macht. Die Demokratie in Deutschland und die Eigentumsverhältnisse in den Medien. Eine Analyse (Teil 1)



      * Eckart Spoos Analyse zur Medienmacht in der Bundesrepublik, die wir in zwei Teilen veröffentlichen, ist ein Auszug aus dem dieser Tage erscheinenden Jahrbuch des Komitees für Grundrechte und Demokratie in Köln »Medien, Bürgerrechte und Politik«.

      Nehmen wir mal an, ich wäre Verleger einer regionalen Monopolzeitung; sagen wir im Westerwald. Und konstruieren wir den Fall: Mein Sohn hätte Drogenprobleme, die Polizei hätte ihn bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz erwischt, die Staatsanwaltschaft hätte ihn angeklagt, ein Amtsrichter hätte das Verfahren eröffnet – und das alles hier bei mir im Westerwald. Würde ich es dann zulassen, daß einer meiner Redakteure in meinem Blatt diese rein private Angelegenheit öffentlich macht? Dürfte ich es dulden, daß mein Blatt dazu mißbraucht wird, den Jungen, der später einmal das Unternehmen leiten soll, und damit die ganze Familie in Verruf zu bringen, also dem Unternehmen zu schaden? Niemals könnte ich das verantworten. Schlimm genug, daß der Junge in Gefahr ist, verurteilt zu werden. Würde nicht besser einer meiner Redakteure mal kritisch darstellen, was in diesem Amtsgericht vorgeht, was das für Juristen sind, die es wagen, so rücksichtslos gegen uns vorzugehen? Wofür bin ich denn Verleger, wenn ich mein Blatt nicht mehr für meine Interessen nutzen dürfte? Das Eigentum und sein freier Gebrauch stehen doch bei uns, bitte schön, immer noch unter Grundrechtsschutz.

      Beenden wir diesen fiktiven Monolog über einen nicht ganz fiktiven Fall und wenden wir uns statt dessen zum Beispiel Alfred Neven DuMont zu, dem Verleger des Kölner Stadtanzeigers. Als die IG Metall begann, die 35-Stunden-Woche zu fordern, mahnte er die Redaktion schriftlich zur Zurückhaltung – später könne ja auch die eigene Branche von solchen Forderungen betroffen sein.

      Die Meinungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über eine Arbeitszeitregelung – im Presse- ebenso wie im Metallunternehmen – konnten, ja mußten auseinandergehen. Gerade deswegen erhob der Arbeitgeber Neven DuMont den Anspruch, über die Tendenz von Veröffentlichungen über dieses Thema zu entscheiden.

      Dieser Verleger gebietet inzwischen über das Pressemonopol in Köln und Umgebung, nachdem er zum Kölner Stadtanzeiger und regionalen Boulevardblatt express auch die konkurrierende Kölnische Zeitung erworben hat. Nach der »Wende« konnte er sich überdies die Mitteldeutsche Zeitung in Halle aneignen. Die Tochter- und Beteiligungsgesellschaften (auch im Rundfunk) aufzulisten würde zu weit führen.

      Seit langem spielt Neven eine wichtige Rolle im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), zeitweilig war er dessen Präsident. Er war auch tonangebend beteiligt, als in den 1970er Jahren Tarifverhandlungen zwischen den Journalistenorganisationen und dem BDZV über eine von den Redakteuren geforderte »Kompetenzabgrenzung« geführt wurden (»innere Pressefreiheit« war damals die Parole). Die Verleger, denen ein Vertrag darüber von vornherein zuwider war, ließen sich eine Zeitlang auf Verhandlungen ein und erklärten sich bereit, den Redakteuren eine »Detailkompetenz« einzuräumen, sofern klargestellt sei, daß die »Grundsatzkompetenz« bei ihnen, den Eigentümern des Pressebetriebs, liege. Die Verhandlungen scheiterten, als die Verleger zusätzlich eine »Richtlinienkompetenz« beanspruchten. Wenn zum Beispiel, so erläuterten sie, im Verbreitungsgebiet des Blattes eine Landratswahl anstehe, müsse der Verleger das Recht haben, darüber zu entscheiden, wie im Blatt über die einzelnen Kandidaten geschrieben werde, denn hier könnten seine unmittelbaren Interessen berührt sein. Das heißt: Die Verleger wollten von ihrer publizistischen Macht nichts abgeben. Und dabei ist es geblieben; ihre Macht ist derweil permanent gewachsen.

      Unisono dasselbe Lied

      Die Demokratie in Deutschland – und in anderen Ländern desgleichen – ist den Eigentumsverhältnissen in den Medien unterworfen. Aber wer merkt es?

      Der größte Pressekonzern in Deutschland ist der Axel-Springer-Verlag. Ihm gehören Bild und Welt, Bild am Sonntag, Welt am Sonntag, BZ, Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt und vieles mehr. Die bei Springer beschäftigten Journalisten sind allesamt auf das marktwirtschaftliche System verpflichtet, den Kapitalismus. Es ist ihre Aufgabe, den vielen Millionen Lesern von Springer-Zeitungen und -Zeitschriften immerzu die Botschaft einzuträufeln, der Kapitalismus sei gut für sie, besser als alles sonst Erdenkliche, einfach das Bestmögliche.

      Zum Springer-Konzern gehören auch die Lübecker Nachrichten, die Monopolzeitung in Lübeck und Umgebung. Wie alle Springer-Zeitungen preist dieses Blatt tagtäglich die Konkurrenz, den freien Markt, auf dem sich alles zum Besten fügt. Wer bemerkt diesen grotesken Widerspruch, diese Verlogenheit: daß ein Monopolblatt den freien Markt preist?

      In den meisten Regionen Deutschlands erscheint nur noch je eine Zeitung. Im Bundesland Rheinland-Pfalz beispielsweise gibt es vier Tageszeitungen, je eine in den vier (früheren Regierungs-) Bezirken Mainz, Koblenz, Ludwigshafen und Trier; die Verbreitungsgebiete sind genau gegeneinander abgegrenzt.

      In Ostdeutschland erschienen bis 1989 neben den SED-Bezirkszeitungen noch Zeitungen der anderen Parteien, die aber, auch wenn sie sich in Einzelheiten unterschieden, alle den Sozialismus und die damaligen Machtverhältnisse priesen. Die SED-Bezirkszeitungen wurden dann sämtlich von westdeutschen Pressekonzernen übernommen; die anderen Blätter wurden eingestellt. Die in Monopolzeitungen umgewandelten früheren SED-Blätter preisen jetzt alle den Kapitalismus und die heutigen Machtverhältnisse.

      Monopolisierung

      Obwohl die regionale Monopolisierung der Presse auch in Westdeutschland weitgehend – bis auf wenige Regionen wie Berlin, München, Frankfurt/Main, Düsseldorf – abgeschlossen ist (teilweise mit dem Ergebnis, daß zwar noch zwei Zeitungen nebeneinander erscheinen, die aber demselben Verlag gehören, so in Hannover und Nürnberg), geht die Pressekonzentration weiter. Die großen Konzerne erbeuten nach und nach die Monopolblätter, wie es Springer in Lübeck getan hat. Der Holtzbrinck-Konzern zum Beispiel (Die Zeit, Handelsblatt, Der Tagesspiegel u. a.) hat sich den Südkurier, die Lausitzer Rundschau und die Saarbrücker Zeitung (die einzige Zeitung im Saarland) zugelegt, und jedes Holtzbrinck-Blatt stimmt mit jedem Springer-Blatt im Lobpreis des Kapitalismus überein, der angeblich die Grundlage aller Freiheit ist. Und die Blätter des Bertelsmann-Konzerns (Gruner+Jahr), des Essener WAZ-Konzerns und der anderen großen Verlage singen unisono dasselbe Lied.

      Wo einmal ein Monopol besteht, da kann Konkurrenz nicht wiedererstehen. Kleine Versuche hat es gelegentlich hier und da gegeben. In Osnabrück und Umgebung, wo schon seit Jahrzehnten die Neue Osnabrücker Zeitung allein erscheint, trat einmal eine Neue Freie Presse mit der Parole »Brecht das Meinungsmonopol der NOZ« an. Der Versuch war schnell gescheitert. Selbst der reiche Heinrich-Bauer-Verlag schaffte es nicht, in dem kleinen Verbreitungsgebiet der Husumer Nachrichten ein Konkurrenzblatt zu etablieren. Aber nach der »Wende« bedachte ihn die Treuhandanstalt mit der Volksstimme, der früheren SED-Zeitung im Bezirk Magdeburg und Umgebung. So konnte dieser mächtige Zeitschriftenkonzern endlich doch ins Zeitungsgeschäft hineinwachsen.

      All diese Monopolzeitungen agitieren für das Privateigentum an der Presse, für die Privatwirtschaft überhaupt und für die Privatisierung alles dessen, was noch gemeinwirtschaftlich ist: Nahverkehr, Wasserversorgung, Kliniken, zuletzt wahrscheinlich auch noch Schulen und Gefängnisse, jedenfalls soweit sich daraus Geld schlagen läßt.

      Albrecht Müller, einst Berater und Redenschreiber Willy Brandts, konstatierte Anfang 2003 in der Frankfurter Rundschau: »Einer sagt: Mit dem Umlageverfahren ist die Altersversorgung nicht mehr zu finanzieren – und alle einflußreichen Multiplikatoren sagen es nach. Einer sagt: Wir leben in einem Gewerkschaftsstaat – und Hunderte sagen es nach. Einer sagt: Keynes ist out – und von Abertausenden schallt es zurück. Einer sagt: Wir brauchen endlich einen Niedriglohnsektor – und Legionen wiederholen es. Usw., usw. Dadurch, daß viele das Gleiche wiederholen, wird die Lüge zur Wahrheit, diagnostizierte George Orwell.«

      Sie agitieren gegen das Tarifvertragsrecht, gegen das Streikrecht, gegen das Koalitionsrecht. Sie agitieren für die Lockerung, möglichst Abschaffung des Kündigungsschutzes, für die Verlängerung der Arbeitszeit bis hin zur Aufhebung aller Arbeitszeitregelungen, für die Senkung der Lohnkosten, also der Löhne und aller Sozialabgaben, zu denen die Unternehmer je verpflichtet worden sind, und mit der Hingabe eines Kirchenchores verbreiten sie die frohe Botschaft, der Sozialabbau werde den wirtschaftlichen Aufschwung bringen, der dann auch Arbeitsplätze schaffen werde.

      Das alles ist so inhuman wie irrsinnig – aber gerade deswegen ist dieser gewaltige publizistische, nein propagandistische Aufwand erforderlich, damit das Volk nicht auf andere, realistischere Gedanken kommt.

      So werden Politiker gemacht


      Die Medien haben in Deutschland viel Freiheit. Sie dürfen über alle möglichen Absonderlichkeiten berichten, auch über frei erfundene, und manchmal zeigen sie sich zu starkem Engagement imstande, so Springers BZ zeitweilig für den armen »Euro-Fritz«, den die Berührung von Geldscheinen angeblich impotent gemacht hatte; die Zeitung führte ihm Frauen zu, die ihn sexuell stimulieren sollten.

      Aus der Macht der Medien, einzelne Menschen bekannt zu machen, hat sich ein glänzendes Geschäft entwickelt: das Show-Geschäft. Ohne die Medien kann niemand bekannt werden. Wegen welcher Eigenart oder Fähigkeit sie einen Menschen bekannt machen, ist nicht entscheidend; hier zählt nur der Effekt, eben die Bekanntheit – die sich vielfältig nutzen läßt. Wenn einer Schlager singt, interessiert an ihm nicht nur die Stimme, und am Fußballspieler interessieren nicht nur die Beine, sondern er darf auch Schlager singen, und besonders wichtig sind seine Liebschaften. Je öfter einer erwähnt und möglichst auch im Bild gezeigt wird, desto höher steigt sein Marktwert. Schließlich darf er sogar für Gummibärchen oder Telekom-Aktien werben, wodurch seine Bekanntheit und sein Einkommen Spitzenwerte erreichen. Ghostwriter drängen sich ihm auf, die ihn auch zum Buchautor machen; unabhängig vom Inhalt des Buches ist von vornherein eine hohe Auflage garantiert. Die Berichterstattung über Pressebälle, auf denen die kleinen Stars um die großen kreisen, indiziert den Marktwert jedes einzelnen. Es versteht sich von selbst, daß nur derjenige Marktwert bekommen darf, der sich als Werbeträger für das marktwirtschaftliche System eignet. Daß er – eigentlich ein Nobody – ihn bekommt, gilt als Beweis für die Güte dieses Systems.

      So werden auch Politiker gemacht. Ein Beispiel aus den USA: Der mittelmäßige Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan hatte erfolgreich im Fernsehen für Seifenartikel geworben; außerdem hatte er unter McCarthy Kollegen als Kommunisten denunziert. Kalifornische Multimillionäre befanden: Wer Borax-Produkte an den Mann und vor allem auch an die Frau bringe, der könne, wenngleich eigentlich Mitglied der Demokratischen Partei, auch die Politik der Republikanischen Partei verkörpern und Gouverneur von Kalifornien werden. Sie finanzierten seinen Wahlkampf, und er wurde Gouverneur. Ähnlich inzwischen Arnold Schwarzenegger.

      Auch wer in Deutschland Kanzler werden will, kann nie genug Fernsehauftritte bekommen. Für den zeitweiligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder war es besonders nützlich, als er in der Fernsehfilmserie »Der große Bellheim« den Ministerpräsidenten spielen durfte.

      Nachdem sich Gerhard Schröder 1996 in Hamburg auf einer Bundesversammlung des CDU-Wirtschaftsrates vorgestellt hatte und dort für geeignet befunden worden war, die Nachfolge des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl anzutreten, taten alle deutschen Medienkonzerne, was sie konnten, um die SPD zu bewegen, Schröder als Kanzlerkandidaten aufzustellen. Die letzte Hürde, die er nehmen mußte, war die niedersächsische Landtagswahl im Frühjahr 1996. Nie unterstützten die Medien dermaßen entschlossen und geschlossen einen SPD-Kandidaten wie in jenem Landtagswahlkampf, und erfolgreich suggerierten sie, daß sich dort entscheide, welcher Sozialdemokrat bei der Bundestagswahl gegen Kohl antrete. Unter dem Druck der Medien knickte die SPD ein – die sich vorher deutlich gegen Schröder entschieden hatte.

      Sobald Schröder zum Kanzler gewählt war, übten die Medienkonzerne doppelten Druck aus: Erstens prügelten sie auf die SPD ein, sich Schröders Politik zu eigen zu machen, auch und gerade wenn diese Politik den Beschlüssen der Partei und dem Programm, mit dem sie sich zur Wahl gestellt hatte, widersprach. Zweitens ließ vor allem der Springer-Konzern – an den sich Schröder eng anlehnte und von dem er sich einen stellvertretenden Chefredakteur der Bild -Zeitung, der ihm schon als Biograph gedient hatte, als Regierungssprecher holte – den Kanzler bald spüren, daß grundsätzlich die CDU zum Regieren ausersehen ist und daß es Mittel und Wege gibt, regierende Sozialdemokraten abzulösen: In Hamburg schrieben damals Bild und Hamburger Abendblatt einen ebenso dummen wie reaktionären Amtsrichter zum politischen Hoffnungsträger hoch und verschafften ihm rund 20 Prozent der Stimmen. Mit diesem Koalitionspartner konnte dann die CDU die Landesregierung übernehmen, was ihr aus eigener Kraft nicht möglich gewesen wäre.

      Es geht noch viel direkter und brutaler, wie wir aus Italien wissen. Da kauft sich der reichste Unternehmer des Landes Zeitungen und Rundfunkanstalten, kandidiert selbst für das Amt des Ministerpräsidenten, das er in einer Koalition mit Separatisten und Neofaschisten auch erhält, und nutzt fortan zusätzlich auch die staatlichen Sender für eine Propaganda, die seinen persönlichen Interessen dient, z. B. dem, vor Strafverfolgung geschützt zu werden.

      Im Mai 2003 verbot Berlusconi den Journalisten in den von ihm abhängigen Medien, einen Wahlerfolg der Linken bei Regionalwahlen als Erfolg darzustellen. Im Juni verbot er ihnen, über ein von der Linken in Gang gebrachtes Referendum zur Sicherung und Stärkung des Kündigungsschutzes zu berichten. Die Totschweigetaktik war erfolgreich: Das Referendum – erschwert auch durch Differenzen innerhalb der Linken – scheiterte an zu schwacher Beteiligung.

      Kritische Wissenschaft?

      Eine freie Presse ist laut Bundesverfassungsgericht »schlechthin konstituierend« für die Demokratie. Wie frei die Presse ist (frei wovon? frei wozu?) und welchen Gebrauch sie von ihrer Freiheit macht, müßte permanent untersucht werden: von Medienwissenschaftlern, von Bürgerrechtsorganisationen, von Gewerkschaften.

      Die Gewerkschaften wehren sich kaum noch gegen die unablässige Diffamierung in den Konzernmedien; es ist sehr lange her, seit die IG Metall einmal Professor Erich Küchenhoff beauftragte, die antigewerkschaftliche Hetze der Bild -Zeitung zu analysieren.

      Um so erfreulicher, daß sich eine Bürgerrechtsorganisation, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, im neuen Jahrbuch mit dem Thema »Medien, Bürgerrechte und Politik« befaßt. Das erinnert mich an das Komitee für Abrüstung und Demokratie, das 1967 das heute noch nützliche Buch »Imperium Springer« herausgebracht hatte, dessen Befunde die 68er Forderung »Enteignet Springer!« nahelegten.

      Die Medienwissenschaft dient weitgehend den Medienkonzernen und der werbungtreibenden Wirtschaft, die möglichst genau wissen wollen, mit welchen Methoden sie noch intensiver auf die Öffentlichkeit und aufs Unterbewußtsein der Konsumenten einwirken können, um ihre Interessen durchzusetzen. Solche Studien bleiben uns meist verborgen. Aber gelegentlich kommen auch Studien mit demokratischer Tendenz zustande wie die von Norbert Jonscher über »Inhalte und Defizite des lokalen Teils in der deutschen Tagespresse« als Dissertation an der Universität Göttingen. Da können wir dann erfahren, daß alle vier untersuchten Monopolzeitungen im östlichen Niedersachsen die Aufgabe, umfassende und vielfältige Informationen und Meinungen zu vermitteln, durch die den Lesern eine eigene Meinungsbildung zu kommunalpolitischen Themen ermöglicht würde, »nicht oder nur mangelhaft erfüllen«, indem sie unliebsame Themen (z. B. Umweltverschmutzung durch ortsansässige Unternehmen) bewußt vernachlässigen und auf Kritik und Kontrolle von Politikern und Behörden weitgehend verzichten. Über bestimmte gesellschaftliche Bereiche wie Kirche und Wirtschaft werde fast nie negativ berichtet. In den Lokalteilen, so Jonscher, tauchten immer die gleichen Handlungsträger auf (Parteien, Vereine, Bürgermeister), andere kämen äußerst selten zu Wort. Meist werde über Veranstaltungen berichtet, Hintergrundinformation fehle gewöhnlich. Konsequenz: »Nicht nur die Partizipationsmöglichkeiten der Bürger werden erschwert, auch ihr allgemeines Demokratiebewußtsein wird durch diese Nichtbeteiligung an unmittelbar interessierenden, überschaubaren kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen geschwächt.«

      * Morgen: Enttabuisierung des Militärischen

      http://www.jungewelt.de/2004/03-10/004.php
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 00:16:26
      Beitrag Nr. 1.473 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Golf auf Halde

      Autos kaufen keine Autos: VW-Konzern beklagt schwaches Geschäftsjahr. 2004 begann »miserabel«


      Europas – immer noch – größter Automobilkonzern Volkswagen hat Grund zur Klage. Das vergangene Jahr sei nicht so toll gewesen, und die ersten drei Monate 2004 bezeichnete VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder vorab gar als »miserabel«. Auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens am Dienstag in Wolfsburg kündigte der Konzernchef zugleich an, 2 500 Arbeitsplätze in Deutschland und weltweit 5 000 Stellen abbauen zu wollen. Außerdem werde VW vier Milliarden Euro bis Ende 2005 »einsparen«.

      Das Problem Nummer eins des Konzerns ließe sich mit den legendären Worten von Oskar Lafontaine bezeichnen: »Autos kaufen keine Autos.« Pischetsrieder sah in einem unsicheren sozialen Umfeld eine der Hauptursachen für ein wenig erfreuliches Konzernergebnis 2003. In Zeiten schwächelnder Konjunktur legen die potentiellen Autokäufer lieber ihr Geld auf die hohe Kante,
      (wer legt, welches Geld auf die hohen Kante? Nur wer Geld im Überfluss hat, kann was auf die hohe Kante legen und auf den Großteil der Bevölkerung trifft dies eher nicht zu. Die Lebenshaltungskosten steigen, Löhne sinken und jeder wundert sich über Umsatzeinbußen. Haben diese gewissen Herren einen Wundersamen Geldregen erwartet? Dann lass sie mal schön weiterträumen.)
      statt sich das neueste PWK-Modell zu ordern. Gelänge es, die Sparquote in der Bundesrepublik von derzeit zwölf Prozent nur um einen Prozentpunkt zu senken, so würde dies eine Kaufkraft von 15 Milliarden Euro mobilisieren, so der VW-Chef.




      Zwar habe VW im vergangenem Jahr den Umsatz leicht um 0,2 Prozent auf 87,15 Milliarden Euro erhöhen können, baute über fünf Millionen Autos, aber die Gewinnmargen waren wohl zu gering. So wies der Konzern laut Pischtsrieder ein operatives Ergebnis, sozusagen der Bruttogewinn aus der Autoproduktion des Jahres, von 1,78 Milliarden Euro aus. Das waren fast 63 Prozent weniger als im Vorjahr. Hinzu kam, daß der Großteil des Profits von der Nobelmarke Audi beigesteuert wurde, die allein gut eine Milliarde Euro verdiente. Der Massenproduzent Volkswagen brachte es nur auf etwa zwei Drittel des Audi-Ergebnisses. Ein Signal, das auch Pischetsrieder zu denken geben müßte. In der Schicht der Besserverdienenden wird anscheinend noch ausreichend konsumiert, der frühere typische Golf-Kunde allerdings spart nicht, sondern hat es wohl einfach nicht mehr so dick.

      An schlechten Autos soll es nicht gelegen haben, daß VW Sorgen hat. Tolle Modelle habe man präsentiert, der neue Golf war hochgelobt worden. Seit dessen Einstand im vergangenem Jahr habe man allerdings lediglich 210 000 Stück davon produziert, eine Zahl die deutlich unter den Erwartungen lag. Dennoch, so der Konzernchef, werde man weiter auf Qualität setzen und sich nicht an den Rabattschlachten auf dem Automarkt beteiligen.

      Allerdings hat Qualität ihren Preis. Stellenabbau und Einsparungen sollen dazu führen, daß VW konkurrenzfähig bleibt. Auch zeigte der Vorstand des Unternehmens Realitätssinn bei der Zukunftsprognose. Man schließe nicht aus, daß das »Worst-case«-Szenarium eintreffen werde: Euro bei 1,30 US-Dollar und die wirtschaftliche Talsohle werde nicht schnell durchschritten. Personalvorstand Peter Hartz – der Mann der Hartz-Gesetze – werde in Kürze Gespräche mit dem Betriebsrat beginnen. Ziel sei es, die Erfolgsprämien zu kürzen und die Überstundenvergütung zu reduzieren. Dennoch bräuchten die insgesamt 337 000 Mitarbeiter Entlassungen nicht zu fürchten. Die Personalkürzungen sollen über Ruhestand und anderes normales Ausscheiden geregelt werden.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-10/016.php
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      schrieb am 10.03.04 00:17:32
      !
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      schrieb am 10.03.04 00:20:20
      Beitrag Nr. 1.475 ()
      Tabaksteuer:
      Wie die Erhöhung zu weniger Einnahmen führt

      BR | 09.03.2004 | 21.55

      Für die Zigarettenindustrie und den Tabakeinzelhandel in Deutschland sind schwere Zeiten angebrochen, die Kunden bleiben aus. Bereits in den ersten Wochen dieses Jahres ist der Zigarettenabsatz um rund zwei Milliarden Stück eingebrochen - das ist ein Umsatzrückgang von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Offenbar trotzen mittlerweile viele Raucher der jüngsten Tabaksteuererhöhung, die jede Zigarette um 1,5 Cent verteuert hat.
      Ein Umsatzrückgang bedeutet aber nicht gleichzeitig Konsumverzicht, denn Deutschlands Raucher rauchen weiter. Sie kaufen nur woanders ein. So lautet zumindest das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, die sich ausführlich mit den Folgen einer Tabaksteuererhöhung auseinandergesetzt hat. Dazu Dr. Friedrich Vogelbusch, Steuerexperte aus Dresden: „Wir wissen aus den Untersuchungen, dass Zigaretten ein besonderes Gut sind. Die Preise gehen hoch durch die Steuererhöhung und dann weichen die Leute einfach aus und rauchen billigere Zigaretten oder kaufen im Ausland ein. Auf der anderen Seite der Grenze sind die Zigaretten wesentlich billiger und dann geht der inländische Konsum nicht zurück, aber der inländische Umsatz und das inländische Steueraufkommen“.

      Eine These, die sich in der Praxis bestätigen lässt. Wir besuchen einen Verkaufsmarkt gleich hinter der deutsch-tschechischen Grenze. Auf den ersten Blick gibt es hier hauptsächlich Kleidung und Uhren, doch unter dem Ladentisch blüht der Handel mit Zigaretten. Für eine Stange Marlboro Lights zum Beispiel zahlen wir 11 Euro – und damit nicht einmal ein Drittel des deutschen Preises. Kein Wunder also, dass wir auf viele Landsleute treffen, die sich hier mit Zigaretten eindecken. Eine Stange pro Person dürfen sie legal einführen – wie viele zusätzlich geschmuggelt werden, weiß niemand genau.

      Tatsache ist jedenfalls, dass der Zigarettenschmuggel Hochkonjunktur hat. Fast täglich werden die mobilen Kontrollgruppen der Hauptzollämter bei ihren Einsätzen auf Deutschlands Straßen fündig. Sie suchen in erster Linie nach großen Mengen unversteuerter Zigaretten, die von der so genannten Zigaretten-Mafia auf den deutschen Markt geworfen werden sollen. Aber auch Privatpersonen müssen sich den Kontrollmaßnahmen der Beamten unterziehen. Bei einer Razzia auf der A1 in der Nähe von Hannover zieht die mobile Kontrollgruppe einen Lkw-Fahrer aus dem Verkehr, der zwei Stangen Zigaretten über dem Führerhaus seines Lastwagens versteckt hatte. Sie waren wohl für seinen privaten Gebrauch bestimmt, denn Profis schmuggeln geschickter. Carsten Gerstmann, Leiter der mobilen Kontrollgruppe des Hauptzollamtes Hannover: „Wir haben die Problematik, dass alles sehr gut versteckt wird und wir können hier nur präventiv tätig werden und dem auf diese Art und Weise entgegenwirken.“

      Der Einfallsreichtum der Schmuggel-Mafia kennt keine Grenzen. Sie verstecken die Zigaretten beispielsweise in alten Autoreifen oder - fein säuberlich aneinander gereiht – in hohlen Holzbalken. Fast 400 Millionen unversteuerte Glimmstängel wurden allein im vergangenen Jahr beschlagnahmt. Und das ist wohl nur die Spitze des Eisberges. Expertenschätzungen zufolge ist jede sechste in Deutschland gerauchte Zigarette Schmuggelware. Auf diese Weise entgehen dem deutschen Fiskus schon jetzt Jahr für Jahr rund eine Milliarde Euro Tabaksteuer. Die EU-Osterweiterung wird das Problem voraussichtlich noch erheblich verschärfen, denn ab Mai fallen die Grenzen zu Tschechien und Polen. Leonhard Bierl, Pressesprecher des Zollkriminalamtes in Köln: „Von der deutsch-polnischen Grenze und der Grenze zur Tschechischen Republik zieht sich der Zoll zurück und dann ist es sicherlich leichter als bisher, dass Zigaretten aus anderen Ländern in die Europäische Union eingeschmuggelt werden.“

      Es sieht also ganz so aus, als würde der Beschluss, die Tabaksteuer in Deutschland zu erhöhen, nicht den von der Regierung gewünschten Erfolg aufweisen. Schon jetzt sind viele Raucher nicht mehr bereit, die Preiserhöhung zu akzeptieren und weichen auf billige Ware aus dem Ausland aus. Das Nachsehen haben Industrie und Handel – und natürlich nicht zuletzt der deutsche Fiskus, der mit den erhofften Mehreinnahmen eigentlich die maroden Krankenkassen unterstützen wollte. Daraus wird möglicherweise nichts werden.

      Bericht: Lisa Wurscher
      Stand: Mitte März `04

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      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=154
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      schrieb am 10.03.04 00:26:37
      Beitrag Nr. 1.476 ()
      Rabatt-Schlacht:
      Wie die Fahrzeug-Hersteller aus der Krise kommen wollen

      BR | 09.03.2004 | 21.55

      Die Autoindustrie kämpft um ihre Kunden: Selten gab es beim Neuwagenkauf so hohe Rabatte wie derzeit. Sogar bei aktuellen Modellen wie dem Golf 5 oder neuem Opel Astra geben die Hersteller bereits Sonderausstattungen gratis dazu. Doch damit nicht genug. Die Autohändler beider Marken geben zudem noch kräftige Rabatte. Bei VW sind derzeit bis zu 8% drin, bei Opel sogar bis zu 10%. Und die Konkurrenz aus Frankreich oder Japan bietet noch deutlich höhere Nachlässe. Die Rabattschlacht ist voll im Gang und das nicht ohne Grund.
      Tausende von Neuwagen warten vergebens auf einen Käufer. Denn die Deutschen sparen gegenwärtig selbst bei ihrem liebsten Kind. Nicht einmal die derzeitigen Preisnachlässe helfen.

      Der Autoexperte Prof. Willi Diez von der Fachhochschule Nürtingen: "Wir müssen in diesem Jahr wahrscheinlich mit einem weiteren Anstieg bei der Rabattsituation rechnen, weil sich der Markt nur schwach erholen wird. Auf der anderen Seite haben wir massive Überkapazitäten in Europa in der Größenordnung von 4 - 8 Millionen Fahrzeuge, die also mehr produziert werden könnten als im Moment der Markt aufnimmt. Insofern bleibt natürlich der Druck auf dem Markt extrem hoch."

      Trübe Aussichten also für die deutschen Autofirmen. Betroffen sind vor allem Massenhersteller wie zum Beispiel Opel.: Seit Jahren schreibt man hier rote Zahlen - trotz gewaltiger Sparmaßnahmen und Arbeitsplatzabbau.
      Und bei der Konkurrenz in Wolfsburg sieht es inzwischen auch ziemlich düster aus. Nach massiven Gewinneinbrüchen im vergangenen Jahr sollen jetzt Milliarden eingespart und Stellen gestrichen werden.

      Die Autoindustrie - bisher noch einer der wenigen Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft- kommt zunehmend ins Schlingern.
      Selbst im oberen Preissegment wird die Luft dünner.
      Beispiel Audi: Hier belastet das Geschäft nicht nur die sinkende Inlandsnachfrage, sondern auch der schwache Dollar: Um fast 12% ist der Gewinn allein im vergangenen Jahr eingebrochen.
      Absatzprobleme und Gewinneinbußen bei den Autobauern haben auch gewaltige Konsequenzen für die Zulieferer. Einige Autohersteller verlangen von den meist mittelständischen Unternehmen inzwischen Preissenkungen von 15 - 20 Prozent in den kommenden drei Jahren. Ein Preisdruck, dem viele Betriebe nicht mehr gewachsen sind. Studien zufolge sind bereits ein Drittel der Zulieferer existenziell bedroht.
      Dazu Arndt Kirchhoff von der Firma Kirchhoff Automotive:
      "Es kann nicht einseitig Druck nur auf den Zulieferer gemacht werden. Denn dann gehen wir ein oder weichen aus ins Ausland mit der unweigerlichen Konsequenz, dass die Arbeitsplätze verloren gehen.“

      Auswirkungen, die man überall in Deutschland spüren wird. Denn jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt von der Automobilindustrie ab. Mehr als 200.000 Arbeitsplätze könnten - so Branchenexperten- in den nächsten Jahren wegfallen.

      Einige Zulieferer wie der Reifenhersteller Continental zum Beispiel ziehen bereits Konsequenzen und wollen – um Kosten zu senken- eine Rückkehr zur 40 Stundenwoche. Für Gewerkschaftsvertreter in der Regel eine inakzeptable Forderung. Allerdings sieht das Unternehmen – jetzt schon in vielen Ländern der Welt vertreten- keine andere Chance um Standorte in Deutschland überhaupt noch halten zu können. Denn die Arbeitskosten sind hier schlicht zu hoch. Und weil sich die Gewerkschaften häufig querstellen, hat der Reifenkonzern bereits reagiert: So entstanden in den vergangenen Jahren neue Werke in Polen, der Slowakei, Rumänien und Ungarn mit rund 10.000 Arbeitsplätzen. Ähnlich sieht es bei anderen Zulieferern und auch bei den Herstellern selber aus. Und während also die Gewerkschaften versuchen, ihre Pfründe zu sichern und für immer weitere Lohnerhöhungen kämpfen, wandern Tag für Tag weitere Arbeitsplätze ab.

      Die Rabattschlachten der vergangenen Monate verschärfen die Situation zusätzlich. Fest steht: der Konkurrenzkampf sollte nicht allein über den Preis geführt werden, so Dr. Bernhard Ebel von der Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners. "Andernfalls reagieren die Unternehmen mit Kostenanpassungen. Sowohl im Bereich Automobilhersteller als auch Zuliefererunternehmen oder auch Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, nach Osteuropa beispielsweise, so dass am Ende des Tages der Verbraucher vielleicht ein günstiges Auto erhalten hat, aber der Arbeitsplatz verschwunden ist."

      Immer billigere Produkte bei laufend steigenden Löhnen - (wo gibt es denn steigende Löhne? Ah ja, da gibt es noch ein paar gierige Manager! bin wohl auf dem falschen Dampfer)eine Kombination, die auf Dauer nicht funktionieren kann. Auch die Automobilbranche bekommt das jetzt zu spüren. Rettungsanker soll der langersehnte Aufschwung sein. Die strukturellen Probleme jedoch kann der auch nicht lösen.

      Bericht: Martina Schuster/Johannes Thürmer
      Stand: Mitte März `04

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      Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 09.03.2004 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
      http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=155
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 13:46:30
      Beitrag Nr. 1.477 ()
      Spekulative Blasen so weit das Auge reicht – Und ausgerechnet die Fed pumpt sie immer weiter auf – Das kann nur in Tränen enden, es sei denn ...
      (10.03.2004)

      Es ist schon bemerkenswert, wie häufig und eindringlich angesehene Anlagestrategen internationaler Investmentbanken in letzter Zeit auf die Gefahren der Geldpolitik hinweisen, die vor allem die amerikanische Notenbank (Fed) betreibt. Kern der Sorge ist, dass sie praktisch unbegrenzt Liquidität anbietet, die auch nur zu bereitwillig abgerufen wird und dann „irgendwo verschwindet“.

      Diese Strategen treibt nicht die Gefahr explosionsartig steigender Inflation um, wie es auf den ersten Blick zu vermuten wäre, wenn die alten Denkmuster noch gelten würden. Vielmehr ist es die Sorge über eine gigantische Fehlleitung der Liquidität. Diese Strategen erklären ganz zu Recht, dass die Liquidität in immer neuen Bereichen spekulative Blasen entstehen lässt, die letztlich zum Platzen verurteilt sind und eine neue, weltweite Rezession und dann eine breit gefächerte Deflation herrufen könnten.

      Blicken wir einmal auf der Szene herum, so erkennen wir spekulative Blasen auf jeden Fall an den Rohstoffmärkten. Auch die Immobilienmärkte befinden sich in einigen Ländern in einem bedenklichen Zustand. Bei Aktien würden wir ebenso argumentieren. Ganz gewiss gibt es Exzesse auch in einigen Bereichen der Anleihemärkte, doch wir stimmen jenen nicht zu, die von einer spekulativen Blase bei den Staatsanleihen aus Länder mit vergleichsweise hoher Bonität sprechen. Sie werden sich, neben Gold, als letzter sicherer Hafen erweisen, wenn die anderen Exzesse implodieren.

      Stephen Roach, der Chefökonom von Morgan Stanley, hat Alan Greenspan in der vergangenen Woche in einem zunächst in Newsweek veröffentlichten „Offenen Brief“ aufgefordert, den Satz für Tagesgeld umgehend von 1 Prozent auf 3 Prozent anzuheben, um, wie wir es ganz kurz fassen wollen, die entstandenen Blasen zu „entlüften“.

      Stephen Roach liegt mit seiner Forderung richtig. Zutreffend hält er den ersten Schock deutlich höherer Leitzinsen, die dann ja wieder zurückgenommen werden könnten und wohl auch müssten, für eher verkraftbar als das Platzen von Blasen mit all ihren hässlichen Konsequenzen.

      Das eigentliche Problem dieser Blasen ist ihre Struktur. Ganz abgesehen davon, dass sie sich langsam bilden und somit Gewöhnungseffekte eintreten, die das, was abnormal ist, mit der Zeit als „ganz normal“ erscheinen lassen.

      Diese Blasen sind zu großen Teilen kreditfinanziert, bestehen also wesentlich aus Schulden. Die von der Fed so großzügig bereitgestellte, von der realen Wirtschaft nur in Grenzen benötigte Liquidität ist die Quelle, aus der sich die Schuldenmacher reichlich bedienen und die Exzesse entstehen lassen. Das hat nichts mehr mit freier Marktwirtschaft zu tun, sondern es sind die Nägel für den Sarg dieser Form von Marktwirtschaft.


      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
      -----------------


      Wussten Sie schon, dass...?
      (10.03.2004)

      „Die Verbraucherausgaben in den USA sind seit dem Platzen der spekulativen Blase im März 2000 durchschnittlich um 3,1 Prozent gestiegen. Die Löhne haben sich seither hingegen real nicht erhöht. Die so entstandene Lücke ist durch eine Kombination von Steuersenkungen und neuen Schulden überbrückt worden, zu deren Finanzierung die asiatischen Zentralbanken nur zu gerne bereit gewesen sind.“


      David Bowers, Merrill Lynch

      www.taurosweb.de
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 17:42:27
      Beitrag Nr. 1.478 ()
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 18:02:20
      Beitrag Nr. 1.479 ()
      -------------------


      Der Fluss des Geldes

      Grundlagenwissen zum besseren Verständnis des Geldes und der vom Geldsystem hervorgerufenen Probleme


      Teil 11
      Irrtümer und Täuschungen im Umgang mit dem Geld

      Dem Markt Geld entziehen - unmöglich!
      Wirklich unmöglich?


      Verfasser: Egon W. Kreutzer, Stand 17. Februar 2004


      http://home.knuut.de/EWKberater/Geld/Grundlagen11.html

      Wo soll das angeblich gehortete Geld denn bleiben?

      Wer über dieser Frage ins Grübeln gerät, ist in guter Gesellschaft. Der logische Kurzschluss, der unvermittelt in den Irrtum führt, ist verlockend:



      Wenn es stimmt,
      dass die Existenz von Geld an die Existenz von Schulden gebunden ist, woraus folgt,
      dass Schulden und Guthaben zwangsläufig gleich hoch sein müssen,

      dann muss doch auch
      mit jeder Neuverschuldung die Summe der Guthaben wachsen und umgekehrt
      dann muss es zu jedem neuen Guthaben auch einen neuen Kredit geben,

      folglich ist die These vom Geldmangel durch Hortung falsch, weil
      ein Geldmangel überhaupt nicht auftreten kann, solange das Geld - zwangsläufig systembedingt - mit jedem Kredit wieder neu in Umlauf kommt.



      Fatalerweise kommt diesem Gedankengang auch noch das Credo jener puristischen Notenbankgeld-Philosophen entgegen, die in dem Glauben leben, Geld könne dem Markt gar nicht entzogen werden, es sei denn, man holt sich tatsächlich Banknoten nach Hause und polstert die Sessel damit.



      Die Argumentation wird aber dem tatsächlichen Wesen des Geldes nicht gerecht.

      Sie übersieht vollständig die Rolle der Banken sowie die realen Folgen internationaler Geldtransfers und sie verschließt die Augen davor, dass die Liquidität eines großen, leicht veränderlichen Anteils der Geldmenge ausschließlich für die Abwicklung spekulativer Geschäfte vorgehalten wird.



      Dabei ist Geldhortung so einfach:

      1. Systembedingte Geldhortung durch das Bankwesen

      Wer ein Guthaben bei der Bank begründet, ist in jedem Fall zum Gläubiger der Bank geworden, denn die Bank schuldet ihm Geld.

      Ist das Guthaben auf einem Girokonto verzeichnet, kann der Kontoinhaber sein der Bank geliehenes Geld jederzeit zurückfordern, seine Liquidität ist also davon nicht beeinträchtigt.

      Wer allerdings Geld - ob Bargeld oder Sichteinlagen - in langfristige Geld-Anlagen umwandelt, verfügt nicht mehr über das Zahlungsmittel Geld, sondern stattdessen über Geldvermögen, genauer gesagt, über einen terminierten Anspruch auf Geld.

      Im Klartext, wer er eine längerfristige Anlageform wählt, kann sein Geld - ohne Verluste in Kauf zu nehmen - erst nach Ablauf einer vereinbarten Frist von der Bank zurückfordern, denn das Geld ist Gegenstand eines Darlehensvertrag mit festgelegtem Rückzahlungstermin zwischen der Bank als Darlehensnehmer und dem Bankkunden als Darlehensgeber. Der Bankkunde hat in diesem Fall seine Liquidität aufgegeben.


      Die Bank hat prinzipiell zwei Möglichkeiten, die ihr geliehenen Mittel zu verwenden:

      a) zur Bezahlung der Aufwände des laufenden Geschäfts

      Die Bank verwendet das Geld, das sie sich von ihrem Kunden geliehen hat, um damit die Gehälter ihrer Angestellten, Lieferantenrechnungen oder sonstige Kosten ihres Geschäftsbetriebes zu bezahlen, immer in der begründeten Hoffnung, die Gelder bis zum Ablauf der Kreditlaufzeit durch Gewinne aus dem Bankgeschäft wieder erwirtschaften zu können. In dem Masse, wie die Bank die Mittel aus dem erhaltenen Kredit auf diese Weise verwendet, sie also an eigene Mitarbeiter und/oder Lieferanten weitergibt, bleibt das angenommene Geld im Umlauf.

      b) zur Ausreichung von Darlehen

      Die Bank verwendet das Geld als Refinanzierung für Darlehen, die sie ihrerseits an andere Bankkunden ausreicht, in der Hoffnung, ihre Darlehensnehmer würden das ausgeliehene Geld pünktlich zurückzahlen, so dass auch sie ihrer Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Einleger pünktlich nachkommen kann.

      Hier kommt Geld nur in dem Masse in Umlauf, wie die Kreditkunden die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel an Dritte weitergeben.


      c) als Reserve.

      Ein gewisser Anteil der Einlagen wird alleine dadurch, dass das Geld einer Bank übertragen wird, definitiv stillgelegt.

      Dieser Anteil entspricht mindestens der Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve. Doch die wenigsten Banken schöpfen das theoretisch mögliche Kreditvolumen voll aus. Die Differenz zwischen Einlagen und Ausleihungen wird unter normalen Umständen etwa 20 bis 25 Prozent der Einlagen ausmachen.

      Diese 20 - 25 Prozent fehlen als Liquidität in der Realwirtschaft. Sie führen ein nahezu unbewegtes Dasein in den Büchern der Banken. Aus ihrer Existenz erklärt sich der größte Teil der Differenz zwischen Sollzinsen und Habenzinsen.

      Ein Beispiel:

      Eine Bank, die zugesichert hat, für ihre Einlagen in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich 5% Zinsen zu zahlen, muss dafür alljährlich 5 Millionen Euro erwirtschaften.

      Hat sie gleichzeitig, was durchaus realistisch ist, durchschnittlich nur 75 Millionen Euro weiterverliehen, kann sie aus dem eigenen Kreditgeschäft die benötigten 5 Millionen Euro nur gewinnen, wenn der durchschnittliche Zinssatz dafür bei mindestens 6 2/3 Prozent liegt.

      Wenn wir die Vermögenswerte bilanzieren, stellen wir fest:

      a) Summe der Schulden

      Die Bank schuldet den Einlegern 100 Millionen Euro, die Kreditnehmer schulden der Bank 75_Millionen Euro, in Summe bestehen also Schulden in Höhe von insgesamt 175 Millionen Euro.

      b) Summe der Guthaben

      Die Einleger haben Guthaben von 100 Millionen Euro und die Bank verzeichnet Guthaben gegenüber ihren Kreditnehmern in Höhe von 75 Millionen Euro.

      Die Höhe von Guthaben und Schulden sind also - wie erwartet - exakt gleich hoch.


      Gleicheitig stellen wir aber fest, dass die am Markt verfügbare Liquidität, bzw. das aus Schulden und Guthaben entstandene Geld, keinesfalls der Höhe der Guthaben entspricht.

      Liquide Mittel erscheinen auf dem Markt nur in dem Umfang, in dem der Kreditnehmer seinen Kredit einsetzt, um damit Rechnungen zu bezahlen, oder sich an der Kasse mit Bargeld zu versorgen.

      Aus ursprünglich 100 Millionen Euro Liquidität sind zwar Guthaben und Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 175 Millionen Euro entstanden. In unserem Beispiel können dem Markt davon aber nur 75 Millionen Euro als Liquidität zurückgegeben werden.

      Es gilt:

      Geld, das von der Bank nicht selbst ausgegeben, oder an Darlehensnehmer weitergegeben wird, bleibt im System "Bank" gefangen. Die daran gebundene Liquidität ist der der Realwirtschaft entzogen. Das Geld ist gehortet.

      Erst dadurch, dass die von der Bank ausgeliehenen 75 Millionen Euro von den Kreditnehmern ausgegeben werden und auf den Konten der Zahlungsempfänger wiederum als Guthaben auftauchen, sind "die Banken" in der Lage, auf Basis dieser Guthaben neue Kredite auszureichen, doch auch hierbei wird wiederum ein Teil der anfänglichen Einlage stillgelegt.

      Es gilt:

      Nur über die zusätzliche Ausweitung von Schulden und Guthaben, also nur über eine zusätzliche Zinsbelastung ist es möglich, die stillgelegte Liquidität wieder zu ersetzen.







      2. Stilllegung von Geld durch Außenwirtschaft


      Geld lässt sich - heute leichter denn je - aus dem eigenen Wirtschaftsraum abziehen. Wer im Ausland einkauft, egal ob Ware aus dem Ausland importiert wird, oder ob im Ausland investiert wird, entzieht dem eigenen Wirtschaftsraum Kaufkraft.

      Technisch funktioniert das - verkürzt und bildhaft ausgedrückt - so, dass die ausländische Notenbank die zur Bezahlung der Auslandsrechnung verwendeten Euros ankauft und als Währungsreserve in den Safe legt und dafür eine entsprechende Menge Geldes ihrer eigenen Währung im eigenen Wirtschaftsraum zusätzlich in Umlauf bringt.

      Jeder Import ausländischer Waren und jede Urlaubsreise ins Ausland mindert also die Liquidität im Inland. Andererseits bringen Exporterlöse zusätzliche Liquidität ins Land.



      Eine besondere Rolle spielen die so genannten Auslandsinvestitionen.

      Wenn ein bisher auf dem Binnenmarkt tätiges Unternehmen im Ausland eine Fertigung errichtet, überträgt es nicht nur Arbeitsplätze ins Ausland, sondern gleichzeitig auch Liquidität, was in Zeiten knappen Geldes für die abgebende Volkswirtschaft eine Belastung darstellt.

      Investitionen von Ausländern im Binnenmarkt bringen hingegen Arbeit und Liquidität, sollten also grundsätzlich zu begrüßen sein.

      Doch über die anfänglichen Effekte hinaus muss berücksichtigt werden, dass Gewinne aus Auslandsinvestitionen unter den Bedingungen der Globalisierung zumeist weder im Binnenmarkt verbleiben, noch im Wirtschaftsraum des Ausländers ankommen, sondern dort angesammelt werden, wo es aus fiskalischen Überlegungen heraus am günstigsten erscheint.

      Auslandsinvestitionen sind als von beiden Wirtschaftsräumen her mit großer Vorsicht zu beurteilen. Der Zufluss von Liquidität durch Auslandsinvestitionen wird über die Zeit durch Gewinntranfsfer wieder abgebaut und - wenn es ein erfolgreiches Engagement war - wird dadurch sogar deutlich mehr abgezogen, als zugeflossen ist.

      Der Abfluss von Liquidität zum Zwecke des Investments im Ausland bringt nur in den seltensten Fällen einen Ausgleich durch Gewinnrückflüsse in den Wirtschaftsraum der ursprünglich abgebenden Volkswirtschaft.

      Gewinner sind die weltweit agierenden Zocker (Global Player) und ihre zumeist anonymen Finanziers (Shareholder). Auslandsinvestitionen entziehen in der Regel den Warenmärkten beider Volkswirtschaften Liquidität und führen sie letztlich spekulativen Anlagen zu.

      Wenn, im schlechtesten Fall, ausländische Investoren, um des anfänglichen Liquiditätszuwachses willen, mit großzügigen Subventionen angelockt werden und ein Großteil dieser Subventionen unmittelbar zur Bezahlung der Importe von Maschinen und Anlagen verbraucht wird, kann der Liquiditätssaldo für die Binnenwirtschaft sogar von Anfang an negativ sein.



      3. Die Spekulation - Geld außerhalb der Realwirtschaft

      Das Spekulationskarussel dreht täglich vielstellige Milliardenbeträge rund um den Globus und durch die Börsensäle.

      Gewinne und Verluste gleichen sich bei diesem Spiel aus (sieht man von Gebühren und Provisionen ab, die immer fällig werden), es geht also nirgends wirklich Geld verloren, aber trotzdem hat jegliche Spekulation ganz erhebliche Wirkungen auf die Liquidität der Realwirtschaft.

      Ein bestimmter Anteil der Liquidität verabschiedet sich beim Einstieg in die Spekulation aus der Realwirtschaft. Er verschwindet in Depots und auf Konten, die ausschließlich der Mehrung von Geldvermögen durch Aktivitäten außerhalb der realen Wirtschaft dienen. Diese Konten und Depots saugen in Hausse-Phasen erhebliche Mengen von Geldvermögen, aber auch von liquidem Geld aus der Realwirtschaft ab. Häufig wird das dafür erforderliche Geld sogar eigens durch Kredite geschaffen, aber es findet - wenn überhaupt - nur in geringem Umfang als Liquidität zurück in die Realwirtschaft, nämlich nur soweit, wie Spekulationsgewinne oder die Reste verspielter Vermögen in Konsum umgewandelt werden.

      Liquiditätsverluste durch Spekulation treten aber insbesondere dann ein, wenn in einer Phase stetig steigender Kurse der Geldbedarf der Spekulation so viel vom möglichen Kreditvolumen der Banken für sich beansprucht, dass für die Realwirtschaft zu wenig übrig bleibt.

      Aktien werden ja im Börsensaal nicht gegen Spar- oder Pfandbriefe abgegeben. Geldvermögen, das zur Spekulation eingesetzt werden soll, muss zuerst in Liquidität, also in Geld umgewandelt werden. Dazu müssen entweder neue Kredite ausgereicht oder bestehende aufgelöst werden. Eine Hausse ist also in mehrfacher Hinsicht ein Desaster für die Liquidität in der Realwirtschaft.

      Das unausweichliche Platzen der Spekulationsblase stellt im Hinblick auf die Sicherung der Geldversorgung nur den Schlusspunkt einer fatalen Entwicklung dar, denn die Probleme die dann kulminieren, werden schon mit der Finanzierung der Hausse-Spekulation aufgebaut und sind - vom Crash abgesehen - kaum mehr aus der Welt zu schaffen.

      Werte, die es nur in der überhitzten Fantasie von Spekulanten gibt, entstehen auch nicht dadurch, dass sie in einer langdauernden Hausse immer höher und höher bewertet werden. Platzt die Spekulation, bleiben auf der einen Seite gigantische Schulden übrig, für deren Tilgungs- und Zinslasten die Realwirtschaft aufkommen muss. Auf der anderen Seite stehen riesige Forderungen aus dem Geldvermögen der Spekulationsgewinner, die jegliche Liquidität unbarmherzig aufsaugen.


      Warum die Realwirtschaft am Ende bezahlen muss ist klar, oder?

      Arbeiter und Angestellte, die sich verspekuliert haben, tilgen emsig ihre Schulden oder versuchen, verlorenes Vermögen erneut anzusparen. Der Konsum wird entsprechend vermindert. Die Realwirtschaft schrumpft.

      Unternehmer, die sich an der Börse verspekuliert haben, kürzen die Investitionen und entlassen Mitarbeiter. Die Realwirtschaft schrumpft.

      Banken und Versicherungen, die sich verspekuliert haben, entlassen Mitarbeiter und erhöhen die Zinsen bzw. die Versicherungsprämien, um die Verluste auszugleichen. Die Mehrbelastung aller Darlehensnehmer und Versicherten beeinträchtigt die Realwirtschaft.

      Ein reiner Spekulant, der sich verspekuliert hat, ist pleite.

      Hat er Schulden, bleiben diese an der Bank hängen. Die Bank entläßt Mitarbeiter und erhöht die Zinsen, um den Verlust auszugleichen.


      Folgerungen

      Um Geld zu horten braucht es nicht den Entenhausener Dagobert Duck und seinen Geldspeicher.

      Alleine durch das Funktionsprinzip des Bankensystems werden dem Wirtschaftskreislauf große Mengen Liquidität entzogen. Weitere Fluchtmöglichkeiten eröffnen sich durch den Transfer ins Ausland und nicht zuletzt durch die Anlage in Objekten der Spekulation.

      So entstanden - und entstehen weiterhin - riesige, aufgehäufte Ansprüche des Geldvermögens auf Geld, dem am Gütermarkt kein Äquivalent gegenübersteht. Dieses "Fehlen" der Güter und Leistungen resultiert nun aber nicht aus der Faulheit der Beschäftigten oder daraus, dass der Staat und der Kleine Mann über ihre Verhältnisse gelebt hätten.

      Das Fehlen der Güter hat seine Ursache darin, dass ein Großteil der Vermögen eben nicht aus produktiver Leistung, sondern aus weitestgehend leistungsfreien Einkommensquellen wie Zins, Pacht, Raub, Betrug, Erpressung, Wucher, überhöhten Gewinnen, zu niedrigen Löhnen und überhaupt aus der Nutzung jeglicher Chance entstanden sind, am äußersten Rande und auch außerhalb der Legalität Profite zu machen.

      Die Eigentümer dieser Vermögen sind in der Lage, durch spekulative Aktionen erhebliche Störungen im wirtschaftlichen Gleichgewicht auszulösen. Sie können die Geldversorgung ganzer Volkswirtschaften beinahe nach Belieben regeln, ohne von den desaströsen Folgen für Volkswirtschaft und Bevölkerung in ihrer Lebensführung auch nur im Geringsten tangiert zu sein.


      Die übervollen Stauseen des Geldvermögens, deren Eigentümer längst aufgehört haben, die bedarfsgerechte Bewässerung der fruchtbaren Niederungen sicherzustellen, sondern stattdessen aus spekulativem Kalkül abwechselnd Dürrekatastrophen und verheerende Überflutungen heraufbeschwören, dürfen nicht länger unkontrolliert als Mittel der maßlosen Bereicherung einiger Weniger verwendet werden.

      Es wird Zeit, dass auch hier dem Grundgesetz wieder Beachtung geschenkt wird, das in Artikel 14 bestimmt:

      (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

      (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

      (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, ...


      Mit einer spürbaren Besteuerung der höchsten Vermögen, mit der Wiedereinführung von Devisenkontrollen und mit dem Instrument der (nach der Höhe gestaffelten) Transaktionsabgaben, können Mittel freigesetzt werden, die dringend gebraucht werden, um die Geldversorgung in den Warenmärkten bedarfsgerecht sicherzustellen, während gleichzeitig das Gefahrenpotential der "Horte" gebändigt wird.

      Silvio Gesell hat seine richtungsweisenden und von mir hoch geachteten Gedanken auf der Basis eines heute nicht mehr existenten Geldkonzeptes entwickelt. Helmut Creutz`, dessen Arbeiten über das Geld einen unersetzlichen Wissenschatz bergen, beharrt auf einer strikten logischen Trennung zwischen Notenbankgeld und Bankengeld, die aus den Ideen Gesells herrührt. Doch vom Notenbankgeld unserer Tage ist keine Rettung zu erwarten. Es hat seine besondere Qualität verloren und ist - trotz seiner körperlichen Existenz - im Grunde ebenso ohne eigenen Wert, wie die Ziffern auf einem Kontoauszug. Eine Banknote ist im Prinzip nichts anderes, als ein umlauffähiger Kontoauszug in genormter Stückelung.

      Zu Gesells Zeiten war die Banknote immer noch ein realer Anspruch auf Edelmetall und hatte von daher tatsächlich einen völlig anderen Stellenwert im Geldsystem, als heute - sie war nämlich einzig und allein in der Lage, Schulden zu tilgen.

      Schulden wirklich tilgen, ohne dafür neue Schulden in die Welt setzen zu müssen, ist aber heute nur möglich, wenn man frisches, völlig unbelastetes Geld als "Geschenk" in den Kreislauf einspeist.

      So wie früher, als jedes kleinste Nugget, das aus dem Sand goldführender Bäche gewaschen wurde, in der Lage war, eine Schuld - und den mit ihr verbundenen Zinsanspruch - definitiv und endgültig aus der Welt zu schaffen.



      Siehe dazu auch Grundlagen 7, Die Lösung
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 18:08:52
      Beitrag Nr. 1.480 ()
      Sozial ist, was Arbeit schafft?

      ein Kommentar zu dem höchst fragwürdigen Leitmotiv
      des CDU-CSU-Regierungsprogramms



      von Egon W. Kreutzer
      08.03.2004

      http://home.knuut.de/EWKberater/Meinung/14009wasArbeitschaff…


      Als Parlamentarier hat man es leicht.

      Der Schutz der Immunität wird nicht wegen jeder verbalen Entgleisung aufgehoben; da hätte das Parlament viel zu tun. Was die Herren Glos oder Laurenz-Mayer über den politischen Gegner sagen, darf daher ruhig einmal die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten, Schwamm d`rüber!

      Der Bürger, der seinem Ärger gerne gleichermaßen kraftvoll Ausdruck verleihen möchte, muss vorsichtiger sein. Die Meinungsfreiheit ist uns teuer. Deshalb muss man sehr sparsam damit umgehen.



      Dass die CDU / CSU ihr Regierungs-Programm mit dem Slogan überschrieben hat:

      "Sozial ist, was Arbeit schafft",

      ist so ein Fall, der mich zwingt, meine spontan aufkommende Meinung absolut für mich zu behalten. Erst nach einer längeren Abkühlungsphase stellte ich fest, dass ich meine Meinung zu diesem Slogan gar nicht sagen muss. Es reicht völlig, ein paar schlichte und unangreifbare Tatsachenbehauptungen in die Debatte zu werfen.



      Bitte sehr:

      Krieg schafft Arbeit;
      erst in der Rüstungsindustrie, dann bei den Kriegshandwerkern, dann beim Wiederaufbau und bei den Suchdiensten.

      Hunger-, Erdbeben- und Überschwemmungskatastrophen schaffen Arbeit;
      unter anderem für Spendensammler, Transportflugzeugpiloten sowie Dauerbackwaren-, Zelt- und Deckenhersteller.

      Die Baumwollpflanzer der amerikanischen Südstaaten schufen vor gar nicht so langer Zeit sehr viel Arbeit,
      so viel, dass man eigens Arbeitskräfte aus Afrika importieren musste, um die viele Arbeit zu bewältigen. Das lag wohl daran, dass weitsichtige Politiker damals ein besonders günstiges Investitionsklima geschaffen hatten. Der Staat war schwach, die Steuern waren niedrig, die Arbeitskosten waren noch niedriger und weit und breit behinderte kein Sozialgesetz die freie Entfaltung der Kräfte des Marktes.



      Bitteschön. Dann ist eben DAS jetzt SOZIAL. Bei den Reformen haben wir den semantischen Sinneswandel schließlich auch hingenommen. Muss einem ja nur gesagt. werden.

      Aber ein kleiner Zweifel bleibt. Sind CDU und CSU wirklich auf dem richtigen Weg?

      Wird es Merkel, Merz und Stoiber gelingen, auch bei uns die Voraussetzungen für eine prosperierende Wirtschaft zu schaffen? Auf den ersten Blick sieht es nicht danach aus:


      Politiker schaffen nämlich keine Arbeit,
      indem sie gedankenlos Staatsbedienstete wegsparen, um Haushalte zu sanieren. Im Gegenteil: Damit vernichten sie Arbeit, oder?

      Politiker schaffen natürlich auch keine Arbeit,
      indem sie die Steuern senken. Bestenfalls verteilen sie damit Arbeit um. Der Staat nimmt weniger Geld ein und muss in der Folge - beispielsweise - noch ein paar Lehrer entlassen. Mit viel Glück werden die dann von einer Privatschule für höhere Töchter wieder eingestellt. Arbeit schafft das auch nicht, oder?

      Politiker schaffen erst recht keine Arbeit,
      indem sie den Kündigungsschutz aushöhlen und die Tarifverträge außer Kraft setzen. Sie senken damit bloß die Löhne, dann fehlt Kaufkraft, und fehlende Kaufkraft schafft auch nicht direkt Arbeit, oder?





      Nun, das darf man alles nicht so eng sehen!
      Im globalen Maßstab kommt die Arbeit in Sicht!

      Politiker, die Arbeitnehmerrechte aufheben, Steuern senken und den Staat immer ärmer und damit handlungsunfähiger machen, schaffen nämlich ein günstiges Investitionsklima.

      Wir werden es erleben. Plötzlich ist die Arbeit da. Wie damals in Virginia.





      ...und Baumwolle wächst bald auch in Deutschland. Wegen der globalen Erwärmung. Schon vergessen?

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      Avatar
      schrieb am 10.03.04 18:19:06
      Beitrag Nr. 1.481 ()
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      Die US-Wirtschaft steckt in Schwierigkeiten


      von F. William Engdahl

      Die meisten Zeitungen sind zurzeit voll von Meldungen über eine zunehmende Erholung der amerikanischen Wirtschaft nach einer dreijährigen Rezessions- und Stagnationsphase. Präsident Bush spricht von einem stetigen Wachstumsschub. Der Chef der Zentralbank, Alan Greenspan, sagt mehr oder weniger das gleiche. Die Aktien an der Wall Street steigen auf Grund des erhofften Booms. Nüchterne Realität ist allerdings, dass die amerikanische Wirtschaft nur künstlich am Leben erhalten wird. Die Bush-Regierung tut alles in ihrer Macht stehende, um bis zu den Wahlen im November die Illusion einer Erholung zu nähren, die man ebenso gut als «virtuelle Erholung» bezeichnen könnte.

      In den bisher üblichen Rezessionsphasen nach dem Krieg reduzierten die Unternehmen ihre Schulden, entliessen Arbeiter und taten alles, um ein besseres Verhältnis von Schulden und Einnahmen zu schaffen. Private Haushalte haben in einer normalen Rezession üblicherweise ihre Schulden reduziert und weniger ausgegeben. Hier handelt es sich aber nicht um eine normale Rezession. Die Situation ist alarmierend und hat nichts mit einer normalen Erholungsphase zu tun. Erstmals seit der grossen Depression im Jahre 1930 erhöhen amerikanische Familien ihre privaten Schulden während und nach dem sogenannten Ende der Rezession, die im November 2001 offiziell verkündet worden war. Statt der üblichen Phase des Sparens und der Vorsicht bei Geldgeschäften haben sich die Familien in Rekordhöhe verschuldet. Seit dem Zusammenbruch des Dot.Com-Marktes im März 2001 hat die Zentralbank Greenspans die grösste Konsumentenverschuldungsorgie der Weltgeschichte gefördert.

      Die Schulden der Haushalte wachsen und Stellen gehen verloren
      Seit dem Ende des Jahres 2000 ist die Verschuldung der Privathaushalte von 70% des Bruttosozialprodukts auf heute 82% hochgeschnellt. Im April 2003 belief sich die Summe der Schulden aller privaten Haushalte aus Kreditkäufen, Hypotheken und anderen Schulden (auf Autos, Kreditkarten usw.) auf 9,3 Billionen Dollar. Das ist ein gewaltiger Anstieg. Der Grossteil der Schulden stammt aus Hypotheken auf Liegenschaften und damit zusammenhängenden Kreditaufnahmen. Hier sind die Gesamtschulden auf über 7 Billionen Dollar gestiegen. Das bedeutet eine Pro-Kopf-Verschuldung von 25000 Dollar - für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind. Allein die durchschnittlichen Schulden, die aus Kreditkartenforderungen stammen, belaufen sich auf 12000 Dollar und die Zinsen, die hierfür an die Banken entrichtet werden müssen, liegen bei über 14% pro Jahr.

      Solange das Familieneinkommen steigt, können weitere Schulden gemacht werden. Aber das Gegenteil ist heute in den USA der Fall. Im letzten Jahr stiegen die Einkommen offiziell um 2%. Die individuellen Schulden sind jedoch um nahezu 10% angestiegen. Schulden für Autos, Kreditkarten und ähnliches sind zum ersten Mal auf 2 Billionen Dollar angestiegen. Die Schulden der Privathaushalte, einschliesslich der Hypothekarschulden, stiegen im Jahr 2003 um 925 Milliarden Dollar, während Löhne und Gehälter lediglich um 190 Milliarden Dollar zunahmen. Die Amerikaner versinken in Schulden, um die Wirtschaft am Leben zu erhalten. Eine Umfrage ergab, dass 28% der Amerikaner ihre Schulden als das grösste Problem betrachten. Nur niedrigste Zinsen haben diese gefährliche Situation so lange möglich gemacht. Aber das kann nicht ewig dauern. Bush hofft darauf, dass es wenigstens bis zu den Wahlen im November hält.

      Um einen Zusammenbruch der US-Wirtschaft nach dem Absturz der Informationstechnologie-Branche zu verhindern, senkte Greenspan die Zinsen mehr als 13mal auf einen absoluten Tiefstand von 1%, das erste Mal in 43 Jahren. Dies ermutigte Familien dazu, neue oder grössere Häuser zu erwerben. Das wiederum führte zu einem Preisanstieg für Immobilien. Im vergangenen Jahr stiegen die Immobilienpreise für bereits gebaute Häuser landesweit um 14%, für Neubauten um 18%.

      Während die persönlichen Schuldenberge wachsen, ist das Einkommen zur Tilgung der Schulden nicht gestiegen. Seit dem Zusammenbruch der Aktienmärkte und der Rezession des Spätjahres 2001 ist das Bruttosozialprodukt der Vereinigten Staaten insgesamt um 7,2% gestiegen. Im gleichen Zeitraum stiegen Löhne und Gehälter lediglich um 2%, unter Berücksichtigung der Inflation sogar nur um 0,6%; also beinahe gar nicht. Dennoch sind die persönlichen Schulden explodiert. Solch eine Situation hält nur so lange, bis die Menschen nicht mehr in der Lage sind, Schulden aus Autokäufen, Kreditkarten oder Hauserwerb zu tilgen.

      Am 28. Januar hat Greenspan nochmals eine Rede gehalten und versprochen, die Zinsen nicht so bald wieder zu erhöhen. Trotzdem besteht er darauf, dass sich die Wirtschaft in einer gesunden Erholungsphase befinde. Wenn die wirtschaftliche Erholung gesund ist, warum steigen die Zinsen dann nicht auf Normalniveau? Die Antwort kann nur sein, dass es sich nicht um eine gesunde Erholung der Wirtschaft handelt. Einige Ökonomen nennen es die zweite grosse Depression, deren ernsthafte Auswirkungen nur durch die extrem niedrigen Zinsen und durch die gewaltigen Defizitausgaben der Bush-Regierung verschleiert werden, verbunden mit der fortgesetzten Bereitschaft von Japanern und Chinesen, für Hunderte von Milliarden Dollar US-Staatsanleihen zu kaufen, um das Defizit der Bush-Regierung zu finanzieren, was den Amerikanern selbst nicht möglich ist.

      In ganz Amerika verschwinden Arbeitsplätze im Rekordtempo. Offiziell sind seit 2001 etwa 2,7 Millionen Arbeitsplätze verlorengegangen. Inoffiziell beläuft sich diese Zahl nach Aussage eines früheren Ökonomen der amerikanischen Notenbank auf 7 Millionen. Ganze Industriezweige gehen auf Grund von Billigimporten aus China, Indien oder Mexiko verloren. Chinesische Textil- und Möbelimporte sind in den letzten zwei Jahren so gewaltig angestiegen, dass ganze Bereiche der Vereinigten Staaten zu industriellen Geisterstädten werden. Und nicht nur Arbeitsplätze von Arbeitern, sogenannte «blue-collar-jobs» gehen verloren. In den letzten 18 Monaten haben wichtige US-Banken und grosse Firmen zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten ganze Bereiche ihrer Datenverarbeitung und dazugehörige Dienstleistungen nach Indien oder anderswohin ausgelagert («outsourcing»). Zum ersten Mal sind damit auch hochbezahlte Arbeitsplätze im Bereich der «white-collar-jobs» wie Softwareprogrammierer, Ingenieure oder Buchhalter betroffen.

      Aber man sagt doch, die Arbeitslosigkeit würde sinken. Das kommt darauf an, wie man zählt. Das amerikanische Ministerium für Arbeit zählt nur jene als Arbeitslose, die sich aktiv um eine Beschäftigung bemühen. Hat man es aufgegeben, eine Arbeit zu suchen, dann verschwindet man auch aus der Statistik. Hunderttausende von Arbeitslosen haben sich auf diese Art in Luft aufgelöst. Somit liegt die offizielle Arbeitslosenrate lediglich bei 5,6%.

      Die Regierung hat unterschiedliche Masse für Arbeitslosigkeit. Zählt man Unterbeschäftigte, die einen Ganztagesjob annehmen würden, würde man ihnen einen anbieten und diejenigen, die es aufgegeben haben, Arbeit zu finden, mit dazu, dann läge die Gesamtarbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten bei 10,9% und nicht bei den in den Schlagzeilen gemeldeten 5,6%. Und dies zitiert nur die offiziellen Angaben der US-Regierung (Table A-12, «Alternative Measures of Labor Underutilization»). Allerdings werden diese Zahlen nie in der Presse publiziert. Unabhängige Ökonomen schätzen die wirkliche Anzahl sogar noch bedeutend höher. Und selbst wenn man andere offizielle Messinstrumente zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verwendet, ist deren Zahl geringer als nach jeder Rezessionsphase seit dem Zweiten Weltkrieg.

      Jene Amerikaner, die in den vergangenen drei Jahren glücklich einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, hatten zumeist nicht das Glück, eine bessere Stelle zu finden. Eine neue Studie des Economic Policy Institute stellte fest, dass Wirtschaftszweige, die neue Arbeitsplätze schaffen, im Durchschnitt 21% weniger zahlen als jene Wirtschaftsbereiche, die die Zahl der Arbeitsplätze kürzen. In der Autoindustrie in Michigan gehen gutbezahlte Arbeitsplätze in Produktion und Konstruktion verloren, während neue Arbeitsplätze in der Gesundheitsfürsorge und ähnlichen Bereichen 26% weniger Lohn bringen. Immer mehr Amerikaner sind dazu gezwungen, Teilzeitarbeitsplätze anzunehmen, und das oft ohne Krankenversicherung und ähnliche Leistungen. Etwa 4,8 Millionen Menschen arbeiten teilzeitbeschäftigt, weil keine Ganztagsstellen zur Verfügung stehen.

      Der dramatischste Wandel zeigt sich im ständigen Rückgang von Arbeitsplätzen in der Industrie seit dem Jahre 2000. Die US-Fabriken haben einen neuen Rekord aufgestellt und in 42 Monaten in Folge Arbeitsplätze abgebaut. Was heute als Aufschwung angepriesen wird, heisst nichts anderes, als dass die amerikanische Industrie nahe am Rande einer Depression mit nur 76% ihrer Kapazität arbeitet. Die Waren werden statt dessen in Asien hergestellt. Die asiatischen Zentralbanken, besonders diejenigen Chinas und Japans, unterstützen wiederum den US-Markt, ihren grössten Absatzmarkt, indem sie Regierungsanleihen und anderes mit ihren riesigen Dollarüberschüssen aus diesem Handel aufkaufen. Der Effekt ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Aber nicht Arbeitsplätze in Amerika, wo sie allmählich verschwinden, sondern in Asien. Die Angelegenheit ist ein ziemlich heisses politisches Eisen geworden.

      Platzt die Eigenheim-Seifenblase?
      Angesichts einer tatsächlichen Arbeitslosigkeit von nahezu 11% und Löhnen, die stagnieren oder sogar sinken, ist es nicht überraschend, dass einige Familien Probleme mit dem Überleben haben. Die Zahl bankrotter Haushalte ist auf einem Rekordhoch. Und nun zeigen sich zum ersten Mal Anzeichen dafür, dass die Familien trotz tiefster Zinsraten seit 43 Jahren Probleme bekommen, ihre Hypothekarzinsen zu zahlen. Heute ist das Verhältnis von privaten Schulden zu persönlichem Vermögen auf einem einmaligen Höchststand von 22,6%. Viele Familien sind gezwungen, zwei oder drei Jobs anzunehmen, um ihre Rechnungen zahlen zu können, insbesondere die Kosten der Hypotheken auf ihrem Haus.

      Die Preise für Häuser sind in den letzten drei Jahren dramatisch angestiegen, da niedrige Zinsen die Banken dazu verleitet haben, selbst Familien mit hohen Risiken Geld zu verleihen. Staatliche oder halbstaatliche Agenturen wie Fannie Mae oder Freddie Mac verlagern das Risiko des Geldverleihs örtlicher Banken auf den amerikanischen Steuerzahler. Über hundert Jahre lang verliehen US-Banken Geld für den Hauskauf auf Grund sehr konservativer Regeln, die es erforderlich machten, einen beträchtlichen Anteil - üblicherweise 25-30% der Hypothekarschuld - bar zu bezahlen und zu belegen, dass die Familie über zusätzliche Sicherheiten oder Vermögenswerte verfügte, die den Wert des neuen Heims überstiegen und im Falle von Zahlungsschwierigkeiten absicherten. Mit neuen Finanzierungsinstrumenten und staatlichen Garantien verleihen die Banken heute ohne überhaupt eine gründliche Kreditprüfung durchzuführen. In einigen Fällen erreichen die Kredite 125% des Wertes des Eigenheims. Ausserdem plant der amerikanische Kongress ein Gesetz zu verabschieden, «The Zero Down Payment Act of 2004», das bestimmten Käufern erlauben würde, Immobilien ohne einen Cent Eigenkapital zu erwerben. Das ist ein Spiel mit dem Feuer.

      Dass der Verkauf von Eigenheimen im Jahre 2003 alle Rekorde brach, ist kein Wunder angesichts von Zinssätzen von 5,7% für Hypotheken mit 30 Jahren Laufzeit, dem niedrigsten Wert seit 43 Jahren. Da noch kein Ende von Alan Greenspans grosszügiger Kreditpolitik absehbar ist, werfen die Banken den Eigenheimkäufern billige Kredite nur so nach. Das Problem liegt darin, dass sich mit stetigem Wachstum der Arbeitslosenzahlen und stagnierenden Löhnen ein Ende der künstlichen Eigenheim-Kauf-Blase offensichtlich abzeichnet.

      In Colorado Springs, einem der wirtschaftlich stärksten Gebiete im Staat Colorado, haben die Zwangsversteigerungen - ein Vorgang, bei dem die Bank oder die Regierung das Haus ohne Bezahlung in Besitz nimmt -, innerhalb eines Jahres um 21% zugenommen und stehen auf einem 12-Jahres-Hoch. Die Region hat seit 2001 ungefähr 9000 hochbezahlte Stellen in der Informationstechnologie-Branche verloren. Portland/Oregon hat die höchste Zwangsversteigerungsrate im Land, und allein in diesem Gebiet befinden sich jeden Monat 50000 Leute mit der Bezahlung ihrer Hypotheken im Rückstand. Gewöhnlich ist der Grund dafür der Verlust des Arbeitsplatzes. Landesweit befinden sich die Zwangsversteigerungen auf dem höchsten Stand seit der grossen Rezession in den frühen 1970er Jahren.

      Selbst dort, wo die Preise für Eigenheime am stärksten gestiegen sind, geraten viele Familien in Schwierigkeiten. Das hängt damit zusammen, dass die Vermögenssteuer in den Städten auf dem Marktwert der Eigenheime erhoben wird. In Seattle, der Heimat von Microsoft und einem der stärksten Eigenheimmärkte des Landes, sind Pensionäre dazu gezwungen, ihre schon lang in ihrem Besitz befindlichen Eigenheime zu verkaufen, weil die örtliche Vermögenssteuer zu stark gestiegen ist, um sie von ihren Pensionen finanzieren zu können.

      Familien mit zu grossen Schulden haben nur drei Möglichkeiten: das Einkommen zu erhöhen, mehr Geld aufzunehmen oder zahlungsunfähig zu werden und Privatkonkurs anzumelden. Konkursanmeldungen befinden sich auf einem nie dagewesenen Höchststand. Die Zinsen jedoch verbleiben auf einem historisch niedrigen Stand. Wenn die Zinsen wieder zu steigen beginnen, und das müssen sie bald einmal, und sei es nur, um den Fall des Dollars zu stoppen, befürchten Ökonomen eine Flut neuer Konkurs-und Zahlungsunfähigkeitserklärungen bei Hypotheken, weil die Familien nicht mehr in der Lage sind, die steigenden Zinsen zu zahlen. Dies wiederum würde eine neue Welle von Arbeitslosigkeit, Betriebsschliessungen, Lohnkürzungen und Wertverfall bei Aktien auslösen. Das Problem ist diesesmal, dass die Vereinigten Staaten bereits alle Möglichkeiten, die bei der Bekämpfung einer normalen Rezession zur Verfügung stehen, ausgeschöpft haben.

      Greenspans Notenbank hat die Zinsen bereits so weit wie nie zuvor gesenkt. Der Verlust von Arbeitsplätzen hat Rekordausmasse erreicht, und Familien haben Kredite in Rekordhöhen aufgenommen. Vermutlich wird es noch eine grosse Ausgabewelle geben, wenn die amerikanischen Familien im April dieses Jahres ihre Steuerrückzahlungen auf Grund der Steuerreform des letzten Jahres erhalten.

      Das ist eine explosive Mischung. Es ist vorprogrammiert, dass die Zeit nach den Wahlen im November eine der dramatischsten in der US-Wirtschaftsgeschichte sein wird. Die Notenbank, das Federal Reserve, wird dann versuchen, wie verrückt Dollars zu drucken, um den Kollaps in den Griff zu bekommen. Die Auswirkungen der neuen US-Wirtschaftskrise werden weltweit zu spüren sein - sie wird die Welt etwa zur gleichen Zeit treffen, wenn die ersten alarmierenden Anzeichen für das Überschreiten der Höchstfördermenge für Erdöl und dessen Folgen für die Welt spürbar werden.

      Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.9 vom 8.3.2004, letzte Änderung am 9.3.2004 http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_114c/T01.HTM
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 18:24:59
      Beitrag Nr. 1.482 ()
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      Spaß beiseite - Köhler kommt

      Mathias Bröckers 10.03.2004
      Deutschland muss endlich wieder rechnen lernen


      Dass Deutschland nach dem altersmilden Anstands-Rau-Rau nun einen Banker als Bundespräsident bekommt hat einen Vorteil: der Mann kann rechnen und uns Bürgern vielleicht auch klar machen, dass wir wieder Rechnen lernen müssen. Wenn in China ein Facharbeiter für 61Cent die Stunde antritt, während in Deutschland 16 Euro Kosten für eine Arbeitsstunde fällig werden - wo wird ein vernünftig kalkulierender Unternehmer seine nächste Produktionsstätte einrichten? Wenn ein deutscher Arbeiter in zwei Wochen soviel verdient wie der chinesische Kollege im ganzen Jahr, kann sich dann nicht jeder ausrechnen, wo in Zukunft Millionen Arbeitsplätze entstehen - und wo sie weiter abgebaut werden?




      Für den frommen Bruder Johannes waren derlei Dilemmata der Globalisierung zu finster, als dass er sie den Bürgerinnen und Bürgern erklärt und nahegebracht hätte - Rau erinnerte lieber daran, nicht alles auf das Materielle zu reduzieren und weiter auch den "Menschen" zu sehen.

      Das wird sich mit seinem Nachfolger jetzt wohl ändern. Aus seinem letzten Job beim Internationalen Währungsfond kennt er die Länder, wo für 61 Cent die Stunde gearbeitet wird, aus dem Effeff - und weiß wohin die Reise geht:
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      Deutschland steht noch vor weiterem schwierigen Wandel, wenn es seinen Wohlstand sichern möchte. Bundeskanzler Schröder hat mit der Agenda 2010 den richtigen historischen Schritt zurückgelegt. Wir müssen den Sozialstaat durch Umbau sichern, daran gibt es gar keinen Zweifel.
      Köhler in einem seiner ersten Interviews nach der Nominierung



      Man merkt, der Mann ist internationales Parkett und diplomatischen Umgangston gewohnt: "den Sozialstaat durch Umbau sichern" klingt irgendwie besser als "Reform", "Anpassung" oder gar "Abbau". Fragt sich nur, wie wir das mit den 15, 39 EU Lohn pro Stunde lösen, die zwischen unseren Werktätigen und denen in China klaffen. Auf Zeit zu setzen, auf dass bei dem potentiellen Milliardenheer von 61-Cent-Sklaven die Bedürfnisse steigen, die Kranken- und Rentenversicherung durchgesetzt, Tarifrechte eingeführt werden und das Lohniveau sich angleicht, scheint für die kommenden Jahrzehnte völlig aussichtslos. Alle heimischen Arbeiter/innen zu entlassen und in Ich-AGs zu verwandeln, die dann wiederum auf eigene Rechnung zwei, drei Chinesen einstellen, funktioniert ebenfalls nur theoretisch, und vor allem nur, wenn die billigen Hilfskräfte bleiben, wo sie sind. Sobald sie in Deutschland wohnen, essen, U-Bahn fahren und zum Arzt gehen müssen, haut das ja mit den 61 Cent pro Stunde nicht mehr hin.


      Wie aber sollen die Millionen von neuen Ich-AGs kontrollieren, ob ihre Abermillionen von neuen Angestellten im fernen China auch richtig arbeiten ? Organisatorisch ist das kaum zu bewältigen, es sei denn, man zieht um. Aber wer zieht schon freiwillig in ein Land, wo er nicht einmal die Fußballergebnisse lesen kann? Wenn wir also die Chinesen nicht herholen können, weil Europa zu eng und zu teuer ist, und selbst nicht nach China übersiedeln wollen, was bleibt?

      Wir werden tendenziell nicht darum herumkommen, auch in Europa chinesische Verhältnisse einzuführen: Maloche für`n Appel und`n Ei ist angesagt, der Trend geht zum Sklavenlohn - ansonsten wandert die Arbeit gnadenlos aus. Helfen könnten nur Handelsschranken, Zollbarrieren, Abschotten der Binnenmärkte - Instrumente, die der Bundespräsident in spe gut kennt und bei seinem letzten Arbeitgeber IWF verurteilen musste wie der Teufel das Weihwasser. Das wird er auch weiterhin tun - und auf seine Erklärungen sind wir gespannt. Denn, so der Kandidat gestern in der "Bild"-Zeitung:


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      Die Politik hat den Bürgern bisher nicht erklären können, warum sie sparen müssen, deshalb haben viele das Vertrauen in die Politik verloren.


      Da braucht es in der Tat einen international versierten Rechenkünstler, der uns das erklärt - vor einem Jahr meldete "Radio China International" noch:


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      Der derzeit in China weilende Präsident des Internationalen Währungsfonds, Horst Koehler, stellte am Montag fest, Asien sei immer noch der Dreh- und Angelpunkt der globalen Wirtschaft. Das rasche Wachstum der chinesischen Wirtschaft und der weiter wachsende Handel kämen der globalen und regionalen Wirtschaft zugute.

      Wie es dem "Standort Deutschland" und Europa zugute kommen soll, wenn VWs nicht mehr in Wolfsburg, sondern in China zusammengeschraubt werden, dies seinen Schäfchen vorzurechnen hat Koehler als Bundespräsident fünf Jahre Zeit
      - und übt sich derweil, beim ersten TV-Auftritt in der "Johannes B. Kerner"-Show mit der künftigen First Lady schon mal im präsidialen Gutzureden und Johannes-artigem Salbadern: "Es ist nicht alles schwarz zu sehen" und: "Es gibt keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen". Na denn - verdrücken wir uns fröhlich auf die Rechenbank...

      Mathias Bröckers
      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/glosse/16933/1.html
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 20:37:23
      Beitrag Nr. 1.483 ()
      Titel


      Rente im Tollhaus

      Bundestag berät heute über die schnellsten Wege zur Kürzung der Altersbezüge


      In zweiter und dritter Lesung berät der Bundestag am heutigen Donnerstag über das Gesetz zur »Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz«. Für den Tagesordnungspunkt fünf sind eine Stunde und fünfzehn Minuten eingeplant, die Abstimmung erfolgt namentlich. Ein zu erwartender Einspruch des Bundesrates kann von der Regierungsmehrheit zurückgewiesen werden. Die Zustimmung fast aller Abgeordneten der Regierungsparteien von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gilt als sicher.

      Drei Jahre nach der sogenannten Jahrhundertreform der Rentenversicherung, durch die das System der Altersbezüge in der Bundesrepublik zum Teil der internationalen Finanzspekulation übergeben wurde, folgt die nächste Kürzung. Bereits der Titel des Gesetzes kommt direkt aus dem Tollhaus: Gesichert wird durch das Gesetz nichts, es sei denn, die Entwicklung des Kapitalismus in den nächsten 25 Jahren ließe sich per Dekret festlegen. Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf Anfang Dezember 2003 beschlossen. Bei einer Anhörung von Experten und Sozialverbänden im zuständigen Bundestagsausschuß am 11. Februar war der Entwurf auf heftige Kritik gestoßen.

      Unter anderem sieht das Gesetz vor, einen »Nachhaltigkeitsfaktor« in die Berechnung der jährlichen Rentenanpassung einzuführen. Damit wird zukünftig das zahlenmäßige Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern berücksichtigt, was zu jährlichen Rentenkürzungen führen kann. Angesichts der Altersstruktur der deutschen Bevölkerung und der Massenarbeitslosigkeit wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

      Rückwirkend zum 1. Januar 2004 soll die Altersgrenze für den frühestmöglichen Bezug von Rente nach Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeitarbeit auf 63 Jahre angehoben werden. Eingeführt wird außerdem eine Berichtspflicht der Bundesregierung ab dem Jahr 2008 über die Rahmenbedingungen einer Anhebung der Regelaltersgrenze, d. h. deren Anhebung auf über 65 Jahre ist geplant, wird aber noch nicht gesetzlich festgeschrieben. Beide Maßnahmen laufen angesichts des tatsächlichen Beschäftigungsgrades Älterer auf eine drastische Rentenkürzung hinaus. Am Mittwoch teilte das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln mit, daß in Deutschland nur noch vier von zehn Angehörigen der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren erwerbstätig sind.

      Vorgesehen ist ferner, daß Studienzeiten an Hochschulen nicht mehr auf die Rente angerechnet werden. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) bezifferte die Renteneinbußen für Akademiker durch diese Maßnahme auf etwa fünf Prozent.

      Begründet wird dieser offiziell »Rentenreform« genannte Kahlschlag mit der Notwendigkeit, die Lohnnebenkosten zu senken und so für einen hohen Beschäftigungsstand zu sorgen. Offenbar ist das Vertrauen in die belebenden Wirkungen von Senkung der Steuern und der Sozialbeiträge aber so gering, daß es zum Sturm im Fraktionswasserglas von SPD und Bündnis 90/Die Grünen kam. Die zuständige Ministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte schlicht die gesetzliche Bestimmung, daß die sogenannte Eckrente nach 45 Arbeitsjahren 67 Prozent des Durchschnittseinkommens betragen müsse, ersatzlos gestrichen. Mit Hilfe des Nachhaltigkeitsfaktors und durch die Rentenreform des Jahres 2001 wäre damit eine Senkung der Renten unter das Sozialhilfeniveau gesichert worden. Dem wollten die sogenannten Linken in den Regierungsfraktionen nicht folgen und erreichten in den letzten Tagen mit einigem Klamauk, daß per Gesetz festgeschrieben wird: Bis zum Jahr 2020 sinken die Renten nicht unter 46 Prozent des Durchschnittslohns.

      Die deutschen Sozialverbände sehen auch nach dieser Festlegung eines »Mindestniveaus« die Altersbezüge im »freien Fall«. Der Verband der Rentenversicherungsträger rechnet damit, daß das Rentenniveau im Jahr 2030 zehn Prozent unter dem heutigen Stand liegt, der SoVD sprach von 20prozentiger Kürzung. SoVD-Präsident Adolf Bauer erklärte bereits am Montag, langfristige demographische Prognosen seien »Kaffeesatzleserei«, zumal 45 Versicherungsjahre schon lange nicht mehr die Regel seien. Bauer meinte: »Für viele, die darunter bleiben, ist der Weg in die Altersarmut vorprogrammiert.« Ziel müsse sein, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und nicht die Rentnerinnen und Rentner.

      Ergänzend zu dem heute bevorstehenden parlamentarischen Theater erklärten CDU und CSU in den letzten Tagen, mehr als eine »Grundsicherung« seit trotz jahrzehntelanger Beitragszahlungen in die Rentenkasse zukünftig nicht drin.

      Der Kapitalismus bereitet sich darauf vor, den Unterhalt seiner Bevölkerung demnächst nicht mehr gewährleisten zu können.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-11/001.php
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 20:39:36
      Beitrag Nr. 1.484 ()
      Kommentar
      Arnold Schölzel

      14 Euro

      Horst Köhler sagt, wo es langgeht


      Am selben Tag, an dem der Kandidat von CDU/CSU und FDP für das Amt des Bundespräsidenten, zum ersten Mal über "Bild" zu zwölf Millionen Lesern sprach, beschloß das Bundeskabinett, daß die Bezieher des sogenannten Arbeitslosengeldes II, das am 1. Januar 2005 an die Stelle von Arbeitslosen- und Sozialhilfe treten soll, »der Würde des Menschen entsprechend« – wie aus dem Bundessozialministerium verlautete – 345 Euro in West- und 331 Euro in Ostdeutschland erhalten werden. Das lehrt: Der Artikel 1 des Grundgesetzes läßt sich quantifizieren – im Osten ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde für 14 Euro weniger zu haben als im Westen.

      Horst Köhler kennt sich, ist anzunehmen, als ehemaliger Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) gut mit solchen Zahlen aus. Eine Institution, die seit 1990 vor allem dafür da ist, in Arbeitsteilung mit dem Pentagon die Neuaufteilung der Welt zu koordinieren – »Globalisierung« genannt – kann die Einführung von massenhaftem Hunger in Südostasien im Gefolge der Währungskrise von 1997 oder die Armutsexzesse nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Argentiniens korrekt bilanzieren. Der IWF hatte sie schließlich wesentlich verursacht.

      In der Bundesrepublik geht es nicht ums Verhungern – vielleicht soll man langsam hinzufügen: Noch. Den Mythos vom Kleinhalten und Kleinkriegen der Kleinen, damit das große Ganze erhalten bleibt, den predigt Horst Köhler aber in Vollendung. Er denke, sagt er in "Bild", seine internationale Erfahrung könne »Deutschland helfen, Dinge zu bewegen.« Z. B. habe die Politik den Bürgern bisher nicht erklären können, warum sie sparen müssen.

      Das klappte schon beim IWF nicht richtig. Warum die Länder der »Dritten Welt« stets mehr in den Norden transferieren als sie je an Krediten aufgenommen haben, ist dort offenbar noch immer nicht begriffen worden. Möglich, daß es sich in der Bundesrepublik ähnlich verhält. Horst Köhler kann heute im Bundestag besichtigen, wie ein Gesetz verabschiedet wird, das der langfristigen Sicherung der Renten dienen soll. Sein Inhalt besteht darin, daß dafür die Rente abgeschafft wird, nachdem sie stetig gekürzt wurde. Es liegt auf der Hand, daß es sich nur um ein »Vermittlungsproblem« handeln kann, wenn deutsche Rentner für solchen Sparkurs noch keine Feiern abhalten. Wer seine Kunden richtig enteignet oder umgebracht hat, verkauft ja auch bekanntlich am besten. U. a. deswegen kann die Ost-Sozialhilfe 14 Euro weniger betragen.

      "Bild" und Köhler gemeinsam erklären das alles und schaffen wieder Vertrauen.
      http://www.jungewelt.de/2004/03-11/002.php
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      schrieb am 10.03.04 20:40:48
      Beitrag Nr. 1.485 ()
      Kommentar


      Schönredner des Tages

      Deutsche Telekom

      Glaubt man den Konzernverlautbarungen vom Mittwoch, dann ist die Deutsche Telekom ein rundum gesunder Betrieb. 1,253 Milliarden Euro Gewinn wurden 2003 erwirtschaftet. Da fallen die 46,6 Milliarden Euro Schulden, das Mautdesaster sowie weitere tickende Zeitbomben, wie die zweifelhafte Amortisierung der UMTS-Investitionen und der drohende Verkauf von Aktienbeständen des Bundes, kaum noch ins Gewicht. Und da man jetzt einen Kai-Uwe Ricke als Vorstandschef hat, braucht man auch keinen Manfred Krug mehr, um das Volk für dumm zu verkaufen und zum Kauf völlig überbewerteter Aktien zu animieren. Denn Ricke weiß, wie man unternehmerisches Versagen ausbügelt: durch Stellenstreichungen und Lohnkürzungen. Das fand die Börse in den letzten Monaten auch ganz Klasse. Dennoch geht den Couponschneidern jetzt die Muffe. Kurz nach Bekanntgabe der Zahlen stürzten die T- und T-Mobile-Aktien regelrecht ab. Denn einige »Problemchen« hat Ricke bei seiner Präsentation »vergessen« zu erwähnen. So wird sich die Festnetzsparte T-Com im Bereich Ferngespräche aufgrund der Internetkonkurrenz ziemlich warm anziehen müssen, und ferner droht ein Donnerwetter aus Brüssel wegen des Quasimonopols auf den »letzten Meter« bei Festnetzanschlüssen. Außerdem gibt es keine Dividende. Der UnionInvestment-Fondsmanager Frank Heise mahnte denn auch noch mehr »Sparsamkeit« an, da 10 000 gestrichene Arbeitsplätze nicht reichen würden. Damit wird er bei Ricke sicher auf offene Ohren stoßen. (balc)
      http://www.jungewelt.de/2004/03-11/003.php
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      schrieb am 10.03.04 20:48:29
      Beitrag Nr. 1.486 ()
      Inland
      Rainer Balcerowiak

      Wankender Riese

      Wie der VW-Konzern den tendenziellen Fall seiner Profitrate bekämpfen will


      Das Geschrei war groß, nachdem der Volkswagenkonzern am Dienstag auf seiner Jahrespressekonferenz einen kräftigen Gewinneinbruch für das Jahr 2003 bekanntgab und quasi als Zugabe ein »miserables Ergebnis« für das erste Quartal des laufenden Jahres ankündigte. Natürlich ist der Konzern, der alleine an seinem Stammsitz Wolfsburg 48 000 Menschen in einer eigenen »Autostadt« von acht Quadratkilometern Größe beschäftigt, weit davon entfernt, in seiner Existenz gefährdet zu sein. Indikatoren wie Eigenkapitalquote, Kapitalrendite und Ergebnis pro Aktie weisen in der 2003er Bilanz zwar steil nach unten, befinden sich aber durchaus noch im »grünen Bereich«. Dennoch werden die nächsten beiden Jahre die Entscheidung bringen, ob das »Modell VW«, also die Aufrechterhaltung eines industriellen Großbetriebes mit vergleichbar hohem Niveau der tariflichen und sozialen Absicherung der Mitarbeiter, Zukunft hat oder bald zur bundesdeutschen Industriegeschichte gehört.

      Ein Teil der Ursachen der ökonomischen Talfahrt des Konzern ist sicherlich auf hausgemachte Managementfehler zurückzuführen. Die Fokussierung auf mehrere neue Modelle im Premiumsektor – neben der Eigenkreation Phaeton laufen auch die Nobelmarken Bentley und Lamborghini unter dem Konzerndach – ging einher mit der Vernachlässigung der Stammsegmente. Die Produktpalette vom Lupo bis zum Passat gilt allgemein als veraltet, wenig innovativ und zu teuer. Dazu kommen die »Billigkonkurrenz« aus dem eigenen Haus (Skoda), die erbitterten Rabattschlachten besonders auf den amerikanischen Märkten und die anhaltend lahmende Binnenkonjunktur auf dem deutschen Stammmarkt, wo man sich zudem wachsender Konkurrenz asiatischer Produzenten gegenüber sieht. Aufgrund der getätigten hohen Anlaufinvestitionen für die Marktpräsenz im Premiumsektor ist eine radikale Umkehr in der Produktpolitik zumindest kurzfristig unmöglich und laut Vorstandschef Bernd Pischetsrieder auch nicht gewollt.

      Doch der Gewinneinbruch gebietet schnelles Handeln. Abhilfe schaffen soll jetzt das Programm »ForMotion«, mit dem in den kommen Jahren Einsparungen in Höhe von vier Milliarden Euro realisiert werden sollen.

      Die einzelnen Elemente dieses Programmes sind wohlbekannt und gehören zum Standardrepertoire von Restrukturierungen nicht nur in der Automobilindustrie. Den größten Sparbatzen von 800 Millionen will man bei den Produktkosten realisieren, denn der Konzern baut zumindest mittelfristig nicht auf die Erhöhung der Gesamtproduktion, sondern auf die Verbesserung des Erlöses pro verkauftes Auto. Kernpunkt ist dabei die Ausweitung der modularen Produktion. Das bedeutet, daß immer mehr standardisierte Komponenten in immer mehr Modellen verwendet werden können.

      Die angestrebte »Senkung der Gemeinkosten« um 600 Millionen Euro umfaßt nicht nur den Abbau von weltweit 5 000 Stellen, sondern auch die Zusammenlegung von Dienstleistungsstandorten wie beispielsweise Rechenzentren sowie Überprüfung und Neuausschreibung von Fremdaufträgen. Ferner werden beträchtliche »Effizienzsteigerungen« bei Vertrieb und Kundendienst avisiert.

      Wachsende Erlöspotentiale sieht der Konzern besonders auf dem boomenden chinesischen Markt und in den osteuropäischen EU-Beitrittsländern. Demzufolge wird ein Großteil der insgesamt drastisch gekürzten Investionsmittel auch in den Aufbau neuer Produktionskapazitäten in diesen Ländern fließen, während in Südeuropa und Südamerika mit Kapazitätsreduzierungen bis hin zu Werksschließungen zu rechnen ist. Als strategische Option ist ein »Angriff auf den japanischen Markt« in Vorbereitung.

      Zunehmende Bedeutung für die Gesamtertragslage sollen jedoch Bereiche außerhalb des Kerngeschäftes erhalten. Bereits im vergangenen Jahr steuerten die Finanzdienstleistungen mit einem satten Plus von 24 Prozent 894 Millionen Euro zum operativen Gesamtergebnis des Konzerns von knapp 2,5 Milliarden Euro bei – mehr als die Markengruppe Volkswagen. Diese Marge soll unter anderem durch Finanzierungsangebote für Gebrauchtwagen gesteigert werden. Erweitert werden soll auch der Bereich Autovermietung.

      Doch all diese Maßnahmen werden nichts fruchten, wenn der Absatz auf dem deutschen Kernmarkt weiter lahmt. So verwundert es nicht, daß seitens des VW-Vorstandes die üblichen Forderungen nach Senkung der Lohnnebenkosten und drastischen Einschnitten in die Sozialsysteme ausblieben. Im Gegenteil: Pischetsrieder beklagte die unverändert hohe deutsche Sparquote (zwölf Prozent), die eine direkte Folge der wachsenden sozialen Unsicherheit sei und allen binnenmarktzentrierten Unternehmen schwer zu schaffen mache.

      Noch strahlt das deutsche Flaggschiff der »alten« Ökonomie am Stammsitz Wolfsburg eine gewisse Stärke und Solidität aus. Man tritt als Sport- und Kunstmäzen in Erscheinung, sorgt für eine gute städtische Infrastruktur und verweist zu Recht auf eine vorbildliche Ausbildungs- und Behindertenquote sowie umfassende Angebote für die Beschäftigten weit über das eigentliche Arbeitsverhältnis hinaus. Doch es bleibt die Frage, wie lange dieses kooperatistisch konzipierte Überbleibsel des »rheinischen Kapitalismus« dem neoliberalen Sturm noch standhalten kann.
      http://www.jungewelt.de/2004/03-11/012.php
      Avatar
      schrieb am 10.03.04 20:53:51
      Beitrag Nr. 1.487 ()
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      Aktienfondsfieber


      Von Claus Vogt

      Die Mittelzuflüsse US-amerikanischer Aktienfonds betrugen im Januar knapp 41 Milliarden US-Dollar. Nur zweimal vertrauten Anleger den Aktienfondsmanagern mehr Geld an. Im Januar 2000 waren es knapp 43 Milliarden Dollar und im Februar 2000 rund 46 Milliarden Dollar. Der Dow Jones Industrial Average erreichte sein Allzeithoch im Januar 2000, S&P 500, Nasdaq und Dax hingegen erst im März 2000. Zufall? Sicherlich nicht. Zwar hören wir immer wieder das Argument, Mittelzuflüsse seien doch Kaufkraft und erhöhten die Nachfrage nach Aktien, folglich würden sie zu steigenden Kursen führen. Allein, diese Schlußfolgerung hält einer Prüfung in der Realität nicht stand. So schreibt beispielsweise John P. Hussman (www.hussmanfunds.com) in seinem Marktkommentar vom 17. Februar, daß Mittelzuflüsse und Aktienkurse statistisch sehr wohl korreliert seien, allerdings nicht in der oben geschilderten Weise. Stattdessen seien sie positiv korreliert mit den Kursbewegungen der Vergangenheit und negativ korreliert mit denen der Zukunft. Das heißt, man kann aus hohen Mittelzuflüssen darauf schließen, daß es in den vorangegangenen zwölf Monaten deutliche Kurssteigerungen an den Aktienmärkten gab. Oder man kann nach ausgeprägten Kurssteigerungen auf bevorstehende hohe Mittelzuflüsse schließen. Man kann aber nicht aufgrund hoher Mittelzuflüsse künftige Kurssteigerungen prognostizieren. Ganz im Gegenteil gilt hier eine negative Korrelation. Man muß also von hohen Mittelzuflüssen auf eine unterdurchschnittliche zukünftige Kursentwicklung schließen. Laut Hussman sei dieser hier geschilderte statistische Zusammenhang in beiden Richtungen besonders stark ausgeprägt für Zeiträume von jeweils zwölf Monaten.

      Aktienfonds voll investiert

      Bereits im Dezember 2003 war der Anteil der liquiden Mittel US-amerikanischer Investmentfonds auf einen extrem niedrigen Wert gefallen. Nur ein einziges Mal hielten die Aktienfondsmanager weniger Cash bereit, nur ein einziges Mal waren sie weniger risikoavers und noch mehr darauf bedacht, den erwarteten Kursaufschwung nur ja nicht zu verpassen. Können Sie sich vorstellen, wann das gewesen sein mag? Hinweis: Anfang 2000.

      Der Cashbestand der US-Investmentfonds ist offensichtlich dabei, einen ausgeprägten Doppelboden zu bilden. Er wurde von mehr als 13 Prozent kurz vor dem ersten Irakkrieg Anfang der 1990er zügig auf 8 Prozent reduziert und schwankte Mitte der 1990er einige Jahre lang zwischen 8 bis 9 Prozent. Dann begann die größte Spekulationsblase aller Zeiten und die liquiden Mittel wurden Ende der 1990er rapide abgebaut und erreichten im Jahr 2000 mit rund 3 Prozent ein historisches Tief. Die verheerende Baisse der Jahre 2000 bis 2002 veranlaßte die Fondsmanager, ihren Investitionsgrad etwas zu reduzieren, der Cashbestand stieg ganz kurz auf rund 7 Prozent. Danach wurde er zügig wieder nach unten gefahren und hat im Dezember 2003 fast das Rekordtief des Jahres 2000 eingestellt.

      Ganz ähnlich verhielten sich die Fondsmanager Anfang der 1970er Jahre, also am Anfang des letzten säkularen Abwärtstrends. Auch damals mochten sie sich von ihren Aktienbeständen zunächst nicht trennen. Auch damals schien ihnen die Liquidität Löcher in die Taschen zu brennen. Erst während der verheerenden Baisse des Jahres 1974 änderten sie ihr Anlageverhalten, dann aber nachhaltig. Als fast zehn Jahre später endlich die nächste säkulare Hausse begann, hatten die Manager den Cashanteil ihrer Fonds längst deutlich erhöht. An dieser vorsichtigen Strategie hielten sie während der ersten zehn Jahre der neuen Hausse fest. Erst Ende der 1990er bauten sie den hohen Anteil liquider Mittel wieder ab. Ob es ihnen dieses Mal ähnlich ergehen wird?


      Claus Vogt leitet das Research der Berliner Effektenbank.


      [ Mittwoch, 10.03.2004, 15:42 ]
      http://www.instock.de/Nachrichten/10139617.html
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      schrieb am 10.03.04 20:58:59
      Beitrag Nr. 1.488 ()
      Auf einem Auge blind - Ökonomie als Standortnachteil

      In der einseitigen Ideologie der Wirtschaftswissenschaft sehen Kritiker einen Grund für deutsche Wachstumskrise und Arbeitslosigkeit

      VON MARKUS SIEVERS



      Eine schlechte Wirtschaftspolitik kann viele Ursachen haben. Aus Sicht nicht weniger Menschen sind die Politiker - "die Idioten da in Berlin" - zu blöd, um einen Aufschwung hin zu bekommen. Aus deren Perspektive sind die Verhältnisse schuld: Die Globalisierung und der Euro stören, die Interessenverbände blockieren, die Bürger stellen zu hohe Ansprüche.

      Es könnte aber sein, dass die Misserfolge im Kampf gegen Wachstumsschwäche und Massenarbeitslosigkeit eine ganz andere oder zumindest eine weitere Ursache haben: Möglicherweise verstehen die Deutschen zu wenig von ökonomischen Zusammenhängen, weil ihre Wirtschaftswissenschaftler der Öffentlichkeit bestenfalls dürftige Erkenntnisse liefern.

      Diese kritische Einschätzung über die Arbeit in den hiesigen Universitäten und Forschungsinstituten dominierte auf einer Veranstaltung, mit der sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bei dem Berliner Professor Jürgen Kromphardt für fünf Jahre Tätigkeit im Sachverständigenrat bedankte. Für diesen Club der "Fünf Weisen" darf der DGB einen Kandidaten vorschlagen. Der so Ausgewählte fällt stets durch seine Minderheitsvoten auf, in denen er seine Kritik an der Mehrheitsmeinung des Sachverständigen-Gutachtens aufschreibt.

      Regelmäßig legte auch Kromphardt Einspruch ein, immer wieder im Kapitel über den Arbeitsmarkt und von Jahr zu Jahr mit fast identischen Überschriften: "Eine andere Meinung zur Lohnpolitik". Während die vier anderen Weisen in friedvoller Eintracht und in Übereinstimmung mit dem Mainstream Arbeitnehmer zu Mäßigung und Bescheidenheit aufriefen, plädierte Kromphardt für Tarifanhebungen zumindest gemäß dem Produktivitätsanstieg.

      Derlei Differenzen sind weit mehr als zufällige Meinungsverschiedenheiten bei einem Einzelthema. Sie spiegeln einen tiefen Graben wider, der die große Masse der deutschen Wirtschafts-Professoren von einer kleinen Zahl an Abweichlern trennt.

      Für die Anhänger der "herrschenden Lehrmeinung" leidet Deutschland an einem Arbeitsmarktproblem: Die Vorschriften sind zu rigide, die Löhne nicht flexibel nicht genug, die Gewerkschaften zu mächtig. Dies ist die "mikroökonomische Perspektive", die den Blick auf den einzelnen Betrieb, seine Kosten und seinen Kampf ums Überleben im internationalen Standortwettbewerb richtet.

      Dem stellen die wenigen Alternativen unter den Ökonomen die "makroökonomische" Sicht entgegen: Sie betrachten vornehmlich die Gütermärkte, also die volkswirtschaftliche Nachfrage: Zunächst müssen die Konsumenten, der Staat und die Unternehmen Geld ausgeben, erst dann kann die Wirtschaft Fahrt aufnehmen, erst dann entstehen neue Stellen. Bei Kromphardt liest sich das so: "Der Arbeitsmarkt kann sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen." An anderer Stelle heißt es: "Der Anstoß zu mehr Beschäftigung kann nicht von der Lohnpolitik kommen, sondern nur von den Gütermärkten."

      Einen Missstand in Deutschland hält Kromphardt für besonders schädlich und überflüssig: die Unversöhnlichkeit, mit der sich beide Lager gegenüber stehen. Die einen kümmern sich ausschließlich um kleinteilige Strukturreformen auf der Mikro-Ebene, die anderen interessieren sich für das Große und Ganze, die Konjunktur beziehungsweise Makroökonomie. Helfen könnte ein Pragmatismus wie in den USA, meinte DGB-Vorstand Heinz Putzhammer: "In der Tat ist die Debatte in Deutschland im Vergleich zu den USA, zur Europäischen Union, zu den europäischen Nachbarstaaten von einem geradezu klerikalen Dogmatismus gekennzeichnet." Der Sachverständigenrat sollte künftig, meint Putzhammer, die alte Weisheit beherzigen, "wonach der Ökonom zwei Augen braucht: eins für Nachfrage und eins für Angebot".

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…


      oder siehe hier
      Auf Arbeitslosigkeit programmierte Wirtschaft


      http://www.equilibrismus.de/de/themen/wirtschaftsordnung/ds-…
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      schrieb am 10.03.04 21:01:30
      Beitrag Nr. 1.489 ()
      Nicht nur die Armen fürchten das Alter

      Briten erleben Krise der privaten Rentenversorgung / Labour-Regierung zögert mit radikalen Reformen


      VON PETER NONNENMACHER



      Rente in Great Britain (ap)


      Mit einem Mal ist Großbritannien in einer Krise erwacht, die es bis dahin nur außerhalb der eigenen Landesgrenzen wahrnahm: Die Säulen der Altersversorgung auf der Insel beginnen bedrohlich zu wanken. Mit einem Notprogramm zur Stützung der wackelnden Firmenrenten hat die Regierung Blair jetzt auf das Problem reagiert. Doch die Krise reicht tiefer - und an die Fundamente wagt sich London nicht heran.

      Noch vor wenigen Jahren war "Rentenkrise" etwas, was in britischen Augen nur die rapide alternden Kontinentaleuropäer betraf. Die Altersstruktur auf der Insel änderte sich nicht so dramatisch wie etwa die Deutschlands oder Frankreichs. Die demografische Entwicklung ließ eine wesentlich bessere Relation zwischen arbeitender und pensionierter Bevölkerung erhoffen.


      Eine Billion Euro Vorsorge

      Das niedrige Niveau der gesetzlichen Renten drückte nicht gar so schwer auf den Staatssäckel wie anderswo. Der Anteil gewinnträchtiger Betriebsrenten und privater Versicherungen an der Altersversorgung war beträchtlich höher: Mit 700 Milliarden Pfund (gut eine Billion Euro) verfügte das Vereinigte Königreich noch zur Jahrtausendwende weltweit über die umfangreichste Absicherung dieser Art - nach den USA.

      Gerade mit dieser privaten und betrieblichen Vorsorge haben die Briten aber in jüngster Zeit einen katastrophalen Einbruch erlebt. Drei Jahre sinkender Börsenkurse und niedriger Zinssätze haben den Wert des nicht-staatlichen Rentenvolumens drastisch gesenkt. In Reaktion auf diese Entwicklung, und auf drohende Defizite, haben immer mehr Firmen ihre Betriebsrenten für Neuzugänge gesperrt - mittlerweile sind schon 60 Prozent dieser Renten "in Auflösung" begriffen, während 60 000 Arbeitnehmer nach Jahren der Einzahlung ihre Rentenansprüche verloren haben.

      In der Tat beschränkt sich die Reformbereitschaft der Londoner Regierung bislang auf Notaktionen für die kriselnden Betriebsrenten. Ein neues Gesetz soll den Angehörigen von zahlungsunfähigen Betrieben von 2005 an mindestens 90 Prozent ihrer diesbezüglichen Rentenansprüche garantieren - wobei die Kosten von anderen Firmen getragen werden müssen. In zweiter Lesung ist diese Reform vom Unterhaus angenommen worden, wobei noch um die Ansprüche der Opfer verschwundener Betriebsrenten gestritten wird, für die keine Entschädigung vorgesehen ist.

      Kritische Stimmen im Parlament und in der Londoner City betrachten diese Maßnahme freilich auch nur als einen Tropfen auf den heißen Stein der sich abzeichnenden britischen Rentenkrise. Dem britischen Bürgertum droht ein unverhofft mageres Alter. Enorme private Verschuldung im Königreich macht die Sache nicht besser. Außerdem gehen Statistiker davon aus, dass auch in Britannien steigende Lebenserwartung und sinkende Kinderzahl in den nächsten Jahrzehnten zu einer gänzlich veränderten Alterspyramide führen werden.

      Zwar sollen auf einen britischen Rentner im Jahr 2050 noch immer 2,5 arbeitende Briten kommen - auf dem europäischen Kontinent sind es im Schnitt nur noch 1,5. Doch wächst die Last für die jüngere Generation, die zudem wenig Aussichten hat, sich selbst ausreichend zu versichern oder auf dem vollkommen überhitzten Immobilienmarkt der Insel mit dem Erwerb einer Wohnung oder eines Häuschens Fuß zu fassen.

      Am schockierendsten stellt sich die Lage für den ärmeren Teil der Bevölkerung, für die besitzlosen Schichten, dar: Millionen Briten sind, ohne die Möglichkeit privater Absicherung, ganz auf ihre Staatsrente angewiesen, die laut Londoner Guardian unter Labour "ein skandalös geiziges Niveau erreicht hat". Mit einem Viertel aller britischen Rentner unter der offiziellen Armutsschwelle - mit einem Einkommen von weniger als 168 Euro pro Woche - ist es nach Ansicht der Hilfsorganisation "Help the Aged" kein Wunder, dass jeden Winter zwischen 20 000 und 45 000 ältere Menschen in Großbritannien mehr sterben als in den wärmeren Jahreszeiten.

      Für viele, meint "Help the Aged"-Direktor Mervyn Kohler, reiche das Geld schlicht nicht zum Wärmen der Wohnung, und zur Sicherung der eigenen Existenz: Das Königreich habe "den höchsten Anteil derartiger Todesfälle in der Europäischen Union". Leider weigere sich die Regierung Blair aber, "die Reform der Staatsrenten endlich auf die Tagesordnung zu setzen".

      Die Hoffnung der Regierung, weiterhin mit einem staatlichen Rentenbudget operieren zu können, das nur fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts Britanniens ausmacht, halten Finanz-Fachleute für "eine Illusion". Selbst die oppositionellen Konservativen fassen inzwischen einen Anteil von zehn Prozent ins Auge.

      http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirt…
      Avatar
      schrieb am 11.03.04 22:18:59
      Beitrag Nr. 1.490 ()
      Thema
      Knut Mellenthin

      Zypern vereint in die EU?

      Am 20. April stimmen die Zyprioten über die Zukunft des von Bürgerkrieg und Vertreibungen gezeichneten Landes ab


      Am 1. Mai wird zusammen mit neun weiteren Staaten – acht davon aus dem ehemals sozialistischen Osteuropa sowie zusätzlich Malta – auch Zypern in die Europäische Union aufgenommen. Genauer gesagt, und da liegt das Problem, aufgenommen wird die Republik Zypern, also der fast ausschließlich von Griechen bewohnte Teil der gespaltenen Insel. Ob auch die 1983 proklamierte Türkische Republik Nordzypern, die von keiner Regierung der Welt außer Ankara anerkannt ist, als Teil eines gemeinsamen Staatswesens in die EU einziehen wird, soll sich in diesen Tagen in einem Verhandlungsmarathon entscheiden. Die Griechen stellen die große Mehrheit der Inselbevölkerung. In beiden Teilen Zyperns gibt es nach Bürgerkrieg und Vertreibung nur noch wenige Angehörige der jeweils anderen Volksgruppe. Nach Schätzung der UNO wurde die Hälfte der türkischen und ein Drittel der griechischen Zyprioten mindestens einmal gewaltsam vertrieben.

      Das Referendum

      Die Republik Zypern beantragte 1990 ihre Aufnahme in die damalige Europäische Gemeinschaft (EG). Drei Jahre später billigte die inzwischen geschaffene EU dem Staat der griechischen Zyprioten den Kandidatenstatus zu. 1995 begannen formelle Aufnahmeverhandlungen. Vorherrschende Theorie der europäischen Großmächte war zu dieser Zeit noch, daß das Lockmittel EU-Mitgliedschaft automatisch eine ganz starke Attraktivität auch auf das türkische Nordzypern ausüben würde. In diesem Klima, so behauptete man, werde auch die Spaltung der Insel überwindbar werden.

      Die Hoffnung trog, alle Verhandlungen endeten in Sackgassen. In dieser Situation entschloß man sich, den gordischen Knoten auf sehr einseitige Weise zu zerschlagen:
      Im Dezember 1999 verkündeten die EU-Regierungschefs, daß eine Überwindung der Spaltung den Beitritt Zyperns zwar erleichtern würde, dies aber keine Bedingung für
      die Aufnahme sei. Im Dezember 2002 gab die EU ihre Entscheidung bekannt, die Republik Zypern unter allen Umständen am 1. Mai 2004 aufzunehmen.

      Mit diesem Vorgehen war jeder Druck, Zugeständnisse zu machen und konstruktiv zu verhandeln, von der griechischen Seite genommen. Er lastet seither ausschließlich auf den türkischen Zyprioten und auf der Türkei, der unmißverständlich klargemacht wurde, daß die Aussichten ihres eigenen, ohnehin auf die lange Bank geschobenen Aufnahmeantrags in die EU allerengstens mit einer politischen Lösung auf Zypern verbunden sind.

      In den Jahren 2002 und 2003 hatte UNO-Generalsekretär Kofi Annan detaillierte Vorschläge zur Beendigung der Teilung der Insel zur Diskussion gestellt. Aber erneut liefen sich mehrere Verhandlungsrunden fest, die schließlich abgebrochen wurden. Am 23. Januar beschloß der Nationale Sicherheitsrat der Türkei – ein etwas außerhalb demokratischer Standards stehendes Gremium, in dem das Militär erhebliches Gewicht hat – die Wiederaufnahme der Verhandlungen.

      Die neue Verhandlungsbereitschaft Ankaras wurde – neben dem Druck der EU und der USA – durch den Stimmungsumschwung im türkischen Teil der Insel beeinflußt. Während Nordzyperns extrem nationalistischer Präsident Rauf Denktasch die Vorschläge Annans vehement ablehnte, erreichte bei den Wahlen im Dezember die Opposition, die Verhandlungen grundsätzlich aufgeschlossen gegenübersteht, eine knappe Mehrheit. Sie stellt nun mit Mehmet Ali Talat den neuen Regierungschef. Erstmals demonstrierten mehrere zehntausend Bewohner Nordzyperns für eine flexible Verhandlungsführung, um die einmalig günstige Chance zum Anschluß an die EU nicht zu verpassen.

      Die griechische Republik Zypern gilt, in erster Linie dank der Einnahmen aus dem Tourismus, wirtschaftlich als »gesündester« der zehn Staaten, die im Mai der EU beitreten werden. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt ungefähr auf gleicher Höhe wie in der Tschechischen Republik. Es ist damit rund zweieinhalb Mal so hoch wie in Nordzypern, das noch unter dem Niveau der Türkei und etwa gleichauf mit Bulgarien liegt. Viele türkische Zyprioten versprechen sich eine Besserung durch den Eintritt in die EU. Ob diese Erwartungen realistisch sind, oder ob der Anschluß eher zu einer völligen Zerstörung der ohnehin schwachen Wirtschaft Nordzyperns führen würde, wie Kritiker befürchten, steht auf einem anderen Blatt.

      Inzwischen gibt sich auch der 80jährige Denktasch, der nur noch dank Rückendeckung Ankaras weiterhin Verhandlungsführer ist, verhalten kompromißbereit. Er hält aber an seiner alten Position fest, daß der Annan-Plan den Untergang der türkischen Zyprioten bedeuten würde. Das ist nach seiner Ansicht nur zu vermeiden, wenn wesentliche Veränderungen an den Vorschlägen des UNO-Generalsekretärs vorgenommen werden. Die Aussicht dafür ist jedoch schlecht, weil auch die griechische Seite den Annan-Plan noch zu ihren Gunsten korrigieren will.

      Geeinigt hat man sich bisher nur auf einen Zeitplan. Bis zum 22. März haben griechische und türkische Zyprioten Zeit, sich zu verständigen. Kommt bis dahin keine Einigung zustande, werden Ankara und Athen an den Verhandlungen beteiligt, um Druck auf ihre Klienten auszuüben. Wird trotzdem bis zum 29. März kein positives Ergebnis erreicht, soll Kofi Annan für die Dissenspunkte seine eigenen Vorschläge einsetzen. So oder so soll am 20. April in beiden Teilen der Insel ein Referendum stattfinden – entweder über ein gemeinsames Paket, falls es zu einer Verständigung kommt, oder anderenfalls über Annans Vorschläge. Den Bevölkerungsgruppen wird in jedem Fall ein Buch von über 200 Seiten zur Abstimmung vorliegen.

      Zankapfel imperialer Mächte

      Zypern war wegen seiner strategischen Bedeutung jahrhundertelang ein Zankapfel imperialer Mächte. Das Osmanische Reich, das die Insel 1571 den Venezianern abgenommen hatte, trat sie 1878 de facto an England ab, auch wenn es nominell noch die Souveränität ausübte. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 annektierte England die Insel offiziell. Der Partisanenkampf gegen die britische Besatzung in den fünfziger Jahren wurde ausschließlich vom griechischen Bevölkerungsteil unter der Losung der »Enosis«, des Anschlusses an Griechenland, geführt. Eine Folge war, daß die türkischen Zyprioten nicht nur abseits blieben, sondern viele sich in den Dienst der Kolonialmacht stellten.

      Woher kommt die Schärfe der Konfrontation zwischen den beiden Volks- und Religionsgruppen? Die Geschichte der Befreiungskämpfe der Griechen, Serben, Montenegriner und Bulgaren gegen das Osmanische Reich, die ungefähr um 1800 begannen, ist geprägt durch gegenseitige Massaker an der Zivilbevölkerung und durch Wellen von Vertreibungen. Diese trafen, als die historischen Verlierer dieser Auseinandersetzung, in erster Linie Türken und Moslems.

      Der letzte große militärische Konflikt wurde 1920 durch den Versuch Griechenlands ausgelöst, die Mittelmeerküste der Türkei, wo seit mehr als 2 000 Jahren viele Griechen lebten und in einer Reihe von Städten die Mehrheit ausmachten, zu annektieren. Nach Anfangserfolgen verlor Griechenland diesen Krieg. Ergebnis war ein riesiger »Bevölkerungsaustausch«: Rund zwei Millionen Griechen wurden aus der Türkei ausgesiedelt. Im Gegenzug mußten 1,4 Millionen Moslems Griechenland verlassen. Es lag daher nahe, daß die Türken Zyperns mit der Parole »Enosis« nicht Befreiung, sondern ihre drohende Vertreibung von der Insel verbanden.

      Als England die Insel 1960 in die Unabhängigkeit entließ, sollten ein umfangreiches Vertragswerk – mit England, Griechenland und der Türkei als Garantiemächten – und eine komplizierte Verfassung für eine gesicherte Gewaltenteilung sorgen. Dazu gehörte auch, daß Griechenland und die Türkei als »Schutzmächte« Truppen stationieren durften. Aber was für die türkische Seite Sicherheit vor einer Majorisierung der Staatsorgane durch die Griechen bedeutete, etwa weitgehende Veto-Rechte und totale kommunale Autonomie, wurde von griechischer Seite als ständige Blockade wahrgenommen.

      Seit 40 Jahren gespalten

      Im November 1963 unternahm deshalb der Präsident Zyperns, der griechische Erzbischof Makarios, einen Vorstoß für weitreichende Verfassungsänderungen, die die formale Gewaltenteilung einschränken sollten, um die »Arbeitsfähigkeit« von Regierung und Verwaltung zu gewährleisten. Das Ergebnis waren bewaffnete Zusammenstöße und der Rückzug der Türken aus allen gemeinsamen Staatsorganen. Seit dieser Zäsur erstreckt sich die tatsächliche Souveränität der Republik Zypern nur noch auf die von Griechen bewohnten Gebiete. Im März 1964 wurde an den wichtigsten Konfliktpunkten, unter anderem in der gespaltenen Hauptstadt Nikosia, eine UNO-Friedenstruppe stationiert.

      Betrachtet man eine ethnische Karte der Insel aus der Zeit der Unabhängigkeitserklärung 1960, sieht man, daß beide Volksgruppen über die ganze Insel mosaikartig verteilt waren. Die heutige strikte Teilung in den türkischen Norden, der über 36 Prozent der Insel umfaßt, und in die griechische Republik Zypern ist erst das Resultat von immer wieder ausbrechenden bewaffneten Konfrontationen. 1967 putschte sich in Athen eine rechtsextreme Generalsjunta an die Macht. Das Drehbuch hatten CIA und NATO geschrieben. Über das auf Zypern stationierte Militär und durch Unterwanderung der griechisch-zypriotischen Nationalgarde baute die Junta ihre Macht auf der Insel aus, mit dem Ziel, diese schließlich zu annektieren. Am 15. Juli 1974 stürzten Anhänger der Athener Junta Erzbischof Makarios, riefen den als mehrfachen Mörder überführten Faschisten und »Türkenfresser« Nicos Sampson zum Präsidenten aus und begannen eine brutale Offensive gegen isolierte türkische Siedlungsgebiete.

      Fünf Tage später landeten türkische Truppen im Nordteil der Insel und vergrößerten trotz mehrerer Waffenstillstände systematisch das von ihnen besetzte Gebiet, wobei nun wiederum viele griechische Einwohner vertrieben wurden. Grundsätzlich konnte sich die Türkei bei ihrem Vorgehen nicht nur auf ihre Verpflichtung aufgrund des 1960 geschlossenen Garantievertrags berufen, sondern auch darauf, daß weder NATO, noch UNO, noch Großbritannien – das auf der Insel zwei große Stützpunkte mit mehreren tausend Soldaten besitzt – eingegriffen hatten, um die türkische Bevölkerung vor dem Terror der faschistischen Putschisten zu schützen.

      Ein unmittelbares Ergebnis der türkischen Intervention war durchaus positiv: Die Putschisten waren den türkischen Truppen weit unterlegen, ihr Unternehmen brach in kürzester Zeit zusammen. Als Folge des Abenteuers verlor auch die Athener Junta ihren Kredit bei bürgerlichen Kreisen, die sie bis dahin noch unterstützt hatten, und dankte ab. Griechenland konnte die Rückkehr zur Demokratie feiern, womit noch kurz zuvor selbst Optimisten nicht gerechnet hatten. Das zweite Ergebnis der Intervention war, daß die türkische Armee seither mit über 30 000 Mann auf der Insel präsent ist. Zehntausende Griechen flohen aus Nordzypern und verloren nahezu alles, was sie besessen hatten. Ihre Plätze nahmen Einwanderer und Siedler aus der Türkei ein.

      Umsiedlung für 100 000 Türken?

      Der am schwersten verhandelbare Teil des Annan-Planes ist der Versuch, die seit 1974 geschaffenen Realitäten teilweise rückgängig zu machen. So sieht der Plan vor, den türkischen Teil Zyperns von etwas über 36 Prozent auf rund 29 Prozent zu verkleinern. 47 000 Türken, so die offizielle Kalkulation der UNO, sollen in diesem Zusammenhang zwangsweise umgesiedelt werden. Etwa die Hälfte von ihnen, auch das ist offizielle UNO-Rechnung, wurde schon einmal oder mehrfach vertrieben. Hinzu kommen laut Annan-Plan 15 000 bis 18 000 Türken, die in anderen Teilen Nordzyperns aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben werden sollen, um es früheren griechischen Eigentümern zurückzugeben. Insgesamt würden, so Annan, 62 000 bis 67 000 Personen, also bis zu einem Drittel der Bevölkerung Nordzyperns, ihr Heim verlieren. Viele von ihnen sind Bauern, und auf türkischer Seite wird argumentiert, daß die geforderten Gebietseinbußen die besten Anbauflächen des noch stark von der Landwirtschaft abhängigen Nordzyperns betreffen würden.

      Auf türkischer Seite fürchtet man, daß in Wirklichkeit alles noch erheblich schlimmer kommen wird. Vor allem die seit 1974 Eingewanderten machen sich große Sorgen. Nicht ohne Grund, denn im offiziellen Internetauftritt der griechischen Republik Zypern heißt es lapidar: »Zur Bevölkerung gehören nicht 115 000 türkische Siedler, die illegal im türkisch besetzten Teil Zyperns leben.« Nur 87 600 türkische Zyprioten gelten nach offizieller griechischer Auffassung als legitime Bewohner der Insel. Im Gegensatz dazu gibt Nordzypern seine Einwohnerzahl mit über 200 000 an. Auf türkischer Seite fürchtet man daher, daß über 100 000 Menschen von der Insel vertrieben werden sollen.

      Gestritten wird in diesem Zusammenhang auch um die Frage, wer überhaupt Staatsbürger eines vereinigten Zypern werden darf. Die griechische Seite will das Bürgerrecht beschränken auf Personen, die schon 1960 auf der Insel lebten, sowie deren Nachkommen. Die seit 1974 in den Norden eingewanderten Türken sollen bestenfalls ein humanitär begründetes Bleiberecht erhalten, aber die meisten von ihnen sollen Zypern verlassen. Die türkische Seite hingegen verlangt, daß alle Bürger des Nordstaates automatisch auch Bürger eines vereinigten Zypern werden und daß auch künftig jeder Landesteil selbstständig über die Verleihung der Staatsbürgerschaft entscheiden kann.

      Annans Kompromißvorschlag sieht vor, daß alle 1963 auf Zypern Lebenden sowie deren Nachkommen, zudem alle mit Zyprioten Verheirateten oder auf der Insel Aufgewachsenen, Staatsbürger werden können. Außerdem sollen beide Bevölkerungsteile bis zu 45 000 Personen nominieren können, die ebenfalls Anrecht auf die Staatsbürgerschaft haben, obwohl sie keine der genannten Voraussetzungen erfüllen.

      Auf griechischer Seite halten viele, insbesondere natürlich der einflußreiche Vertriebenenverband, die im Annan-Plan vorgesehene Zahl ehemaliger Bewohner, denen ihr früheres Eigentum direkt zurückerstattet werden soll, für viel zu niedrig. Zwar sieht der Plan für die übrigen eine finanzielle Entschädigung vor. Aber angesichts des großen Unterschieds zwischen dem Wirtschaftsniveau beider Landesteile meinen viele Griechen, daß es in erster Linie sie selbst sein würden, die letztlich die Entschädigungen bezahlen müßten. Diese Einschätzung ist plausibel, denn zum Gesamthaushalt der Insel würde der griechische Teil 93 bis 95 Prozent beitragen. Noch schlimmer wäre die Lage, falls die Türkei, die bisher aus strategischen Gründen Nordzypern mit jährlich über 100 Millionen Dollar subventioniert, ihre Zahlungen einstellen würde. Von seiten der EU und der USA, die verbal stark auf Einigung drängen, gibt es bisher zwar allgemeine Ankündigungen über die Durchführung einer »Geberkonferenz« und das Versprechen »großzügiger« Hilfe, aber noch keine konkreten finanziellen Zusagen.

      Probleme wirft in den Verhandlungen auch die Freiheit der Wahl des Wohnsitzes auf. Die griechische Seite fordert das Recht, sich überall in Nordzypern uneingeschränkt niederlassen zu können. Viele türkische Zyprioten befürchten, dann bald zur Minderheit im eigenen Landesteil zu werden. Der Annan-Plan sieht eine sehr komplizierte, zeitlich abgestufte Quotenregelung für die nächsten 20 Jahre vor, mit der keine der beiden Seiten zufrieden ist.

      Schließlich ist auch noch die Machtverteilung in den gemeinsamen Staatsorganen zu klären. Das ewige Dilemma besteht darin, daß einerseits die Türken davor geschützt werden sollen, daß die griechische Mehrheit den Staat im Alleingang regiert, andererseits aber auch die griechische Seite vor einer Dauerblockade durch die türkische Minderheit sicher sein will. Das Problem scheint praktisch kaum lösbar. Die Vorschläge, die Annan zur Machtteilung vorträgt, sind im Großen und Ganzen fast genau die gleichen, die schon bei der Staatsgründung 1960 in die Verfassung geschrieben wurden – und von Anfang an nicht funktionierten.

      Und wenn es keine Einigung gibt?

      Was passiert, wenn es zu keiner Einigung kommt und wenn das Referendum in einem oder in beiden Bevölkerungsteilen negativ ausgeht? Dann hätte die EU ein Mitglied, das einen aggressiven Alleinvertretungsanspruch gegenüber einem Gebiet erhebt, von dem es behauptet, es sei Teil seines Staatsterritoriums und derzeit von feindlichen Truppen besetzt. Daß der »Feind« Mitglied der NATO ist und schon vor der Tür der EU steht, verkompliziert die Lage.

      Eine höchst unerfreuliche, tendenziell sogar gefährliche Perspektive. Der britische Außenminister Jack Straw hat deshalb schon eine Warnung ausgegeben: Sollte die Einigung an einem griechischen Nein scheitern – worauf zur Zeit alle Meinungsumfragen hindeuten! – werde die EU sehr ernsthaft prüfen, ob man wie bisher den Anspruch der griechisch-zypriotischen Regierung anerkennt, für die gesamte Inselbevölkerung zu sprechen.

      Aber auch im Fall einer Einigung würden der Insel und der EU noch schwere Zeiten bevorstehen. Denn die vorgesehenen Maßnahmen sind zwar schnell zu unterschreiben, aber langwierig und schwierig durchzusetzen.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-12/004.php
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      schrieb am 11.03.04 22:21:32
      Beitrag Nr. 1.491 ()
      Ausland
      Wolfgang Pomrehn

      Schuldenpoker

      Argentinien bedient seine IWF-Verbindlichkeiten und hofft auf Teilabschreibung seiner Staatsanleihen


      Der Konflikt zwischen Argentiniens Regierung und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist zunächst einmal ein bißchen entschärft. 3,075 Milliarden US-Dollar wurden am Dienstag abend mitteleuropäischer Zeit dem IWF überwiesen. Obwohl diese Summe ein empfindliches Loch in die ohnehin nur schmal gefüllte Devisenkasse reißt, ist man in Buenos Aires erleichtert. Das Gerangel um die Schulden des Landes kann in die nächste Runde gehen.

      Präsident Nestor Kirchner läßt seit Monaten keine Gelegenheit aus, den privaten Gläubigern des hochverschuldeten Landes klar zu machen, daß sie einen großen Teil ihrer Forderungen abschreiben können. Er hatte zudem gedroht, Argentinien würde auch die anstehenden Zahlungen an den IWF nicht leisten, wenn seine Bedingungen in punkto Forderungsverzicht nicht erfüllt würden.

      Aber Argentinien braucht auch frischen Kredit: Für Umschuldungsprogramme, für den Staatshaushalt, für die alltäglichen Handelsbeziehungen, die – davon kann Kuba ein Lied singen – sehr mühselig sind, wenn sie in Devisen abgewickelt werden müssen, weil es nicht einmal kurzfristige Handelskredite gibt. Erste Adresse ist für ein Land wie Argentinien der IWF, der mit seinen Krediten das internationale Finanzsystem stabilisieren soll, das bei Zahlungsunfähigkeit eines Staates Schaden nehmen würde. Deshalb bedient Argentinien auch bisher seine IWF-Schulden wie auch die anderer internationaler Finanzinstitutionen, während die privaten ausländischen Gläubiger seit dem großen Zusammenbruch im Dezember 2001 nicht einmal Zinsen zu sehen bekommen.

      Am 22. März soll nun in Washington vom IWF-Vorstand über eine weitere Kredit-Tranche für das lateinamerikanische Land entschieden werden. So nennt man die Teilsumme eines im Prinzip bereits bewilligten Kredits. Die Freigabe ist allerdings an die Bedingung geknüpft, daß der Vorstand die wirtschaftliche Entwicklung, den »Reformeifer« der Regierung und die Verhandlungen über Umschuldungsprogramme positiv bewertet. Ein entsprechender Bericht einer IWF-Kommission wird gerade erstellt. Die argentinische Regierung hatte eine Kreditzusage gefordert, bevor sie die 3,074 Milliarden US-Dollar überweisen wollte.

      Bis zur letzten Minute hatte Präsident Kirchner daher am Dienstag mit der derzeitigen IWF-Chefin gepokert. Anne O. Krueger, bisher stellvertretende IWF-Direktorin, führt in Washington derzeit die Geschäfte, nachdem ihr Chef Horst Köhler kurzfristig zurückgetreten war, um in Deutschland für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Am Ende versprach Krueger, dem Vorstand, in dem die USA und die EU-Staaten über die Mehrheit der Stimmen verfügen, die Annahme des Kommissionsberichts zu empfehlen. Argentinien sagte im Gegenzug zu, mit allen Konsortien privater Gläubiger zu verhandeln. Bis zum Juli soll nach Möglichkeit ein Umschuldungsabkommen mir diesen erreicht werden. Folgt der IWF-Vorstand Kruegers Empfehlung, dann bekommt Argentinien am 23. März 3,1 Milliarden US-Dollar ausgezahlt – fast genau jenen Betrag, der jetzt überwiesen wurde. Damit könnte Argentinien seine mageren Devisenreserven von nur etwa zwölf Milliarden US-Dollar schnell wieder auffüllen.

      Kern des Streits mit dem IWF ist die Behandlung der ausländischen Gläubiger. Argentinien hat Dank seiner Militärdiktaturen und einem Jahrzehnt neoliberalen Crash-Kurses unter Präsident Carlos Menem eine enorme Schuldenlast von etwa 190 Milliarden US-Dollar angehäuft. Nach unterschiedlichen Quellen sind davon 88 bis 100 Milliarden Staatsanleihen, die in US-Dollar (47 Prozent), Euros (48 Prozent) und Yen (drei Prozent) gezeichnet wurden. Keiner der Inhaber dieser hochverzinslichen Papiere hat seit Dezember 2003 Zinsen bekommen, geschweige denn, daß fällige Anleihen ausbezahlt worden wären. Die Regierung fordert von den Anlegern, auf 75 Prozent des Nennwertes zu verzichten, der Rest würde mit langen Fristen und zu Zinsen zurückgezahlt, die an das Wirtschaftswachstum gekoppelt sind. Gläubigergruppen klagen, daß der Verlust sich auf bis zu 90 Prozent belaufen könnte. Kirchners Regierung verweist im Gegenzug darauf, daß sich so mancher von ihnen seine Papiere aufgrund der seit langem schwelenden argentinischen Krise günstig auf dem grauen Finanzmarkt gekauft hat.

      Die Auseinandersetzung um diese Frage wird in den nächsten Monaten voraussichtlich in die entscheidende Runde gehen. Kirchner hat wiederholt angekündigt, daß er keine Bedingungen akzeptieren wird, die Argentiniens beginnende wirtschaftliche Erholung gefährden könnten. Im letzten Jahr hatte man vor allem aufgrund stark gestiegener Agrarexporte nach China 16 Milliarden US-Dollar Handelsbilanzüberschuß. Die Wirtschaft wuchs um sieben Prozent, für dieses Jahr werden fünf bis sieben Prozent erwartet.

      Ob das Land am Rio de la Plata diesen Erfolgskurs fortsetzen kann, wird von den Regierungen der reichen Länder abhängen, die im IWF-Vorstand das Sagen haben Bisher hat sich interessanterweise ausgerechnet die Bush-Administration vergleichsweise wohlwollend gegenüber Kirchner verhalten, während Unbill eher aus Europa droht. Schweden und einige andere skandinavische Länder haben angedeutet, daß sie sich am 22. März wahrscheinlich enthalten werden. Ein bißchen Druck der hiesigen Globalisierungskritiker könnte da Argentinien durchaus helfen.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-12/009.php
      Avatar
      schrieb am 12.03.04 17:25:33
      Beitrag Nr. 1.492 ()
      Koch fordert 41-Stunden-Woche


      Koch fordert die 41-Stunden-Woche (Foto: ddp)
      Arbeitnehmer sollen künftig 41 Stunden pro Woche arbeiten. Das zumindest fordert Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Die Deutschen müssten sich auf mehr Arbeit für weniger Geld einstellen. "Ich glaube, dass das geht", sagte er bei einer Veranstaltung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller.


      Kündigungsschutz lockern
      Außerdem plädierte der Ministerpräsident für mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt. Dazu gehöre auch, den Kündigungsschutz zu lockern und Beschäftigungsverhältnisse bereits nach vier Jahren wieder auflösen zu können.


      Jobmisere Diskutieren Sie mit


      Auch Stoiber für höhere Arbeitszeit
      Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Wochenarbeitszeit zu erhöhen. "Die generelle Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche darf auch für die Tarifpartner nicht länger ein Tabu sein. Wir müssen in diesem Jahr ernsthaft über den Abschied von der 35-Stunden-Woche reden", sagte er dem Magazin "Focus".


      Wirtschaft ankurbeln
      Der CSU-Vorsitzende

      glaubt fest daran, dadurch die Wirtschaft anzukurbeln. Obwohl eine solche Forderung als unpopulär gilt, rechnet er fest mit dem Verständnis der Arbeitnehmer. Die meisten seien bereit, für den gleichen Lohn pro Woche ein oder zwei Stunden länger zu arbeiten, "wenn so Arbeitsplatz und Einkommen gesichert werden können", ist er überzeugt.


      40-Stunden-Woche Auch Stoiber forderte Rückkehr


      Union legte Reformpapier vor
      Die Präsidien von CDU und CSU hatten erst vor kurzem ein Papier zur Reform des Arbeits- und Tarifrechts verabschiedet, das erhebliche Einschnitte für Arbeitnehmer vorsieht. So soll der Kündigungsschutz nicht für Arbeitslose gelten, die älter als 50 Jahre sind und bei ihrer Einstellung schon für den Fall ihrer Entlassung eine Abfindung ausgehandelt haben. Außerdem sollen Arbeitgeber das Recht erhalten, Langzeitarbeitslose im ersten Jahr unter Tarif zu bezahlen.


      Arbeitsmarkt Was die Union fordert


      "Anschlag gegen Beschäftigte, Arbeitslose und ihre Familien"
      DGB-Chef Michael Sommer kritisierte die Pläne von CDU und CSU für Reformen am Arbeitsplatz als eine "radikale Umverteilungspolitik von unten nach oben". Die Union habe einen "Anschlag gegen Beschäftigte, Arbeitslose und ihre Familien" vor. So eine Politik "mag vielleicht Investmentbankern und strammen Konservativen gefallen. Sie verstößt aber brutal gegen das Gemeinwohl, von dem Politik sich leiten lassen sollte", sagte Sommer.


      Hintergrund Eckpunkte

      http://onnachrichten.t-online.de/c/17/31/48/1731482.html

      Sozial ist was Arbeit schafft?
      Hier habt hier eín Reformplan
      Nennst sie von mir aus Agenda "Sozialstaat von morgen" , kleingedruckt , aber nur für Gut Betuchte
      Die Arbeitszeit wird von Jahr zu Jahr %ual gesteigert.
      natürlich ohne Lohnausgleich,
      Feiertage werden abgeschafft,
      Urlaub wird sufenweise veringert, Löhne werden stufenweise verringert bis nur ein Recht auf Kleidergeld und Lebensmittelmarken bestehen bleibt.
      Streikrecht wird aufgehoben
      weil alles andere
      den Aufschwung verhindert und die Wettbewerbsfähigkeit zerstört und nur so schaffen wir ein günstiges Investitionsklima . Arbeitsplatzmangel und Arbeitslosigkeit wird Geschichte sein.

      Manager von Großfirmen sind davon ausgeschlossen, Sie haben auch keinen Lohn und Einkommenssteuer zu bezahlen.
      Die Sozialversicherung besteht nur noch aus Einzelvorsorge.
      Großunternehmen werden auf "Lebenszeit" von der Steuer befreit .
      Jedes Großunternehmen hat ein Recht auf Subventionen in Milliardenhöhe.
      Für Managementfehler der Unternehmen haftet der Staat.....



      und wer weiß was die noch so alles fordern werden. alles damit angeblich die Wirtschaft am Leben bleibt.
      Die werden dann bald die Sklavenarbeit fordern und jegliche Barrieren beseitigen, damit ein günstiges Investitionsklima geschaffen wird, weil die Rezepte die sie einlösen, nicht die Ursachen bekämpfen , sondern die Symptome verstärken.
      Sozial ist was Gerechtigkeit schafft und alles was dagegen verstößt ist asozial auch wenn die CDU/CSU meint sozial ist was Arbeit schafft.


      Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen


      Am 10. Dezember 1948 genehmigte und verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, deren vollständiger Wortlaut im folgenden wiedergegeben wird. Im Anschluß an dieses historische Ereignis ersuchte die Versammlung alle Mitgliedstaaten, den Wortlaut dieser Erklärung bekanntzumachen und für seine Veröffentlichung, Verbreitung, Verlesung und Erörterung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ohne Unterschied des jeweiligen politischen Status der betreffenden Länder oder Territorien zu sorgen.
      JAVIER PÈREZ DE CUÈLLAR
      Generalsekretär der Vereinten Nationen
      Artikel 1
      ......
      http://www.leserzeitung.de/menschen.html

      Artikel 23
      1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.
      2) Alle Menschen haben ohne jede unterschiedliche Behandlung das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
      3) Jeder Mensch, der arbeitet, hat das Recht auf angemessene und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert und die, wenn nötig, durch andere soziale Schutzmaßnahmen zu ergänzen ist.
      4) Jeder Mensch hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Berufsvereinigungen zu bilden und solchen beizutreten.
      Avatar
      schrieb am 12.03.04 21:10:50
      Beitrag Nr. 1.493 ()
      Inland
      Mag Wompel*

      Schwarze Agenda

      Kolumne

      Seit einer Woche herrscht viel Aufregung um die von den Unionsparteien verabschiedeten Papiere zur Umgestaltung des Steuersystems und zum Arbeitsmarkt. Die Aufregung ist unverständlich, denn es handelt sich bestenfalls um eine »Agenda 2010 plus«, und zwar selbst in der Hardcore-Version der Generalsekretäre von CDU und CSU.

      Die in der Nacht zum Montag gemachten Konzessionen an die CDU-Sozialausschüsse sind reines Theater. Inhaltlich wird immer wieder vorgeprescht werden, um die Stimmung zu testen – das kennen wir spätestens, seit Bundeskanzler Schröder die Hartz-Kommission zur »Reform« des Arbeitsmarktes einsetzte. Der kleine Rückzieher von CDU – unter anderem nahm man Abstand von der Forderung nach Abschaffung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und nach Aussetzung des Kündigungsschutzes für vier Jahre bei Neueinstellungen – und CSU ist eher wahltaktischer Natur. Will die Union die nächsten Wahlen tatsächlich gewinnen, wäre sie gut beraten, vor der Wahl keine Grausamkeiten zu verraten, und andererseits der SPD keine Steilvorlagen zu bieten, die sie vergleichsweise sozial erscheinen lassen.

      Steuern? Steilvorlage – ausgerechnet – für den amtierenden Finanzminister, der der Union soziale Ungerechtigkeit attestieren konnte, weil Besserverdienende erheblich mehr entlastet würden als Kleinverdiener. Der Unterschied zum SPD-Konzept besteht indes lediglich darin, daß die Agenda der Unionsparteien so klar formuliert ist, daß selbst der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poß erkennen konnte: Die Krankenschwester bezahlt die Steuerentlastung des Chefarztes. Die gleich ausgerichtete Steuerreform der Koalition wird von den Gewerkschaftsführungen immer noch verteidigt …

      Arbeitsrecht? Nix Neues. Selbst der Spruch »Sozial ist, was Arbeit schafft« ist von der SPD geklaut, und die »Revitalisierung des Niedriglohnbereichs« längst Gesetz. CDU und CSU verlangen, Langzeitarbeitslose müßten bis zu einem Jahr untertariflich bezahlt werden dürfen. Dabei gibt es ab 2005 mit dem Inkrafttreten von Hartz IV ohnehin keine Grenzen mehr. Auch die Unionsforderung, daß Leiharbeiter erst nach einem Jahr gleichen Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen wie Festangestellte haben sollten, haben die Gewerkschaften mit der Unterzeichnung der neuen Tarifabschlüsse schon umgesetzt, und zwar ohne zeitliche Begrenzung. Der Rest des Unionskonzepts ist die Eins-zu-eins-Übernahme der Forderungen des Kapitals. Otmar Schreiner von der SPD-»Linken« sieht in dem Unionspapier zum Arbeitsmarkt eine »schier grenzenlose Kampfansage an Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Arbeitslose«. Dabei hat er einer solchen selbst zugestimmt, als er für »Agenda 2010« und Hartz-Gesetze votierte. Und der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering findet, die Unionsparteien gingen »mit ungenierter Brutalität« an die Zerstörung der Arbeitnehmerrechte. Also haben sie schon wieder nichts von Sozialdemokraten und Grünen gelernt, denn einige von denen genieren sich immerhin noch ein kleines bißchen.

      Bestenfalls aus dem schwarzen Forderungskatalog herausragend war die Forderung nach Kürzung des Arbeitslosengeldes im ersten Monat um ein Viertel – und die ist gestrichen worden, weil heutzutage auch in der Klientel von CDU und CSU allzu viele davon potentiell betroffen wären. Und wer den jüngsten Tarifabschluß der IG Metall mit dem Ziel kritisiert, die Tarifautonomie weiter auszuhöhlen, hat ihn im Gegensatz zu den Unternehmen, die bereits die Arbeitszeiten ausweiten, nicht gelesen.

      Natürlich sollten die schwarzen Forderungen nicht verharmlost werden – die bereits beschlossenen Gesetze der Koalition aber auch nicht. Denn es geht nicht um parteipolitische Nuancen – hier wird versucht, einen gesellschaftlichen Konsens festzuklopfen, den dann der für das Bundespräsidentenamt nominierte Horst Köhler glaubwürdig vertreten kann. Michael Rogowski, Präsident des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nahm die Unionsentscheidung für den IWF-Direktor mit Wohlwollen auf: Er sei »eine Persönlichkeit, die uns nach außen als weltoffenes Land repräsentiert und nach innen mit den zum Teil unangenehmen, aber nötigen Reformen versöhnt«. Köhler zeigte auch sogleich, daß er den Erwartungen der Wirtschaftsbosse gerecht wird, und forderte: »Die deutschen Renten- und Gesundheitsversicherungen müssen dringend von unbezahlbaren Ansprüchen befreit werden.«

      Die Reaktion der Gewerkschaftsvorstände (das sind die, die allem zustimmen, was angeblich die Konjunktur ankurbelt) zeigt indes, daß es ihnen nicht um Inhalte, sondern doch immer noch um die Schonung der SPD geht. Die Unionspläne seien eine offene Bedrohung der Beschäftigten, kommentierte ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske. Die Vorschläge führten zu Verarmung und zu einem kälteren Klima in der Gesellschaft, monierte seine Stellvertreterin Margret Mönig-Raane. IG-Metall-Chef Jürgen Peters sah einen »Amoklauf gegen Arbeitnehmerrechte«∞ von »Grausamkeiten« sprach Hermann-Josef Arentz, Vorsitzender der Christlichen-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).

      Dies klingt, als hätte es die Grausamkeiten der Regierung von SPD und Grünen nie gegeben und als seien Proteste gegen den von ihr vorangetriebenen Sozialabbau nicht mehr nötig. Demgegenüber muß unsere Taktik klar sein: Wenn wir die Agenda der Regierungskoalition weghauen, hat auch eine schwarze keine Chance. Dafür müßte es aber nicht nur am 3. April krachen, sondern auch am Freitag, dem 2., in den Betrieben, in den Arbeits- und Sozialämtern. Und möglichst auch noch vorher und nachher – täglich.

      * Unsere Autorin ist Redakteurin von LabourNet Germany (www.labournet.de)

      http://www.jungewelt.de/2004/03-13/016.php
      Avatar
      schrieb am 12.03.04 21:12:53
      Beitrag Nr. 1.494 ()
      Der Alcopop-Effekt: bald Ökosteuer auf Computer?

      Offensichtlich besteht jetzt doch eine Einigkeit zur Einführung einer Sondersteuer auf alkoholhaltige Erfrischungsgetränke, die sogenannten Alcopops. Ziel ist hier natürlich, die von diesen Getränken ausgehende Suchtgefahr speziell bei Jugendlichen zu vermindern, indem man ihren Konsum verteuert. Die Alcopop-Sondersteuer folgt dabei dem gleichen steuersystematischen Quersubventionierungsgedanken wie die Erhöhung der Tabaksteuer dieses Jahr, die auch der Finanzierung des Gesundheitswesens dienen sollte. Aber in diesem Handlungsmuster steckt auch eine große Gefahr, oder einfacher gesagt, die deutsche Krankheit.

      So ist es naheliegend zu vermuten, daß bald auch über Sondersteuern für Gummibärchen und Kartoffelchips nachgedacht wird, denn die machen bekanntlich dick, und die Steuer auf Schlagsahne, Zucker, Torten und alles, was sonst noch suß ist, kann die Krankenversicherung der Diabetiker ein wenig entlasten... Die Burger-Steuer gegen zweifellos lebensgefährliche Produkte wie Coca Cola oder Hamburger von diversen Schnellrestaurants wurde ja schon allen Ernstes gefordert. Möglicherweise gibt es daher bald eine große Zahl von Sonder- und Ausnahmesteuern auf die Vielzahl von Produkten, die bei unsachgemäßer oder übertriebener Anwendung irgendwie schädlich sein können - der diesbezüglichen Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Welchen gewiß erheblich vereinfachenden Einfluß dies auf das Steuerrecht haben dürfte, kann sich jeder selbst ausmalen: Der deutsche Virus des kompliziertesten Steuerrechts der Welt ist also noch lange nicht ausgerottet.

      Da offensichtlich besonders Suchtartikel von solchen Sonderabgaben betroffen sein werden, wundert es nicht, daß auch schon Computer ins Fadenkreuz der Steuererhöher geraten sind. Hier ist die Argumentationslinie aber eine etwas andere, nämlich eine noch zeitgeistigere als bei der Gesundheitsargumentation: so wird in einer kürzlich veröffentlichten Studie von Eric Williams und Rüdiger Kehr der relative Ressourcenverbrauch im Vergleich zum Gewicht des Endproduktes berechnet, und die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß PCs bezogen auf ihr Gewicht mehr Rohstoffe verbrauchen als Autos, die ja bekanntlich schon lange das besondere Ziel der Steuerrechtler ("Abzocker") sind. Da nunmehr aber auch Computer in fast jedem Haushalt stehen, wären sie eine ergiebig sprudelnde Steuerquelle: soll also mit dem Ressourcen-Argument die Einführung einer Ökosteuer auf Computer vorbereitet werden?

      Eigentlich wissen wir das aber alle schon seit 1789, als Benjamin Franklin nämlich schrieb "In this world nothing is certain but death and taxes".

      http://www.bwl-bote.de/index.htm
      Avatar
      schrieb am 12.03.04 21:18:38
      Beitrag Nr. 1.495 ()
      11.3.04 Köhler mahnt höheres Reformtempo an


      Präsidentschaftskandidat Horst Köhler hat der Politik vorgeworfen, zu langsam zu entscheiden und den Menschen in Deutschland notwendige Reformschritte nicht ausreichend vermittelt zu haben. Der „Bild“-Zeitung (Mittwochausgabe) sagte er, die Politik habe den Bürgern bisher nicht erklären können, warum sie sparen müssen. „Deshalb haben viele das Vertrauen in die Politik verloren.“

      ... Vor dem Hintergrund der Reformdiskussion unterstrich Köhler, dass manche Nachbarstaaten Deutschlands schneller entscheiden. Er sagte: "Wir sind in Deutschland gewohnt, mitunter sehr lange zu diskutieren. Daran muss sich etwas ändern: Wir müssen schneller entscheiden - und auch besser erklären, warum Reformen notwendig sind." Der ehemalige Geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungfonds (IWF) äußerte auch die Überzeugung, dass sich Deutschland anstrengen müsse, um im Vergleich zu anderen Staaten nicht weiter zurückzufallen. Man stehe vor der Herausforderung, "unseren Wohlstand zu sichern und unser Land wetterfest zu machen". ... (Handelsblatt.com, 11.3.04)




      Kommentar: Sparmaßnahmen führen volkswirtschaftlich nur dazu, dass an anderer Stelle weniger konsumiert wird und in der Folge die Wirtschaft insgesamt über einen deflationären Prozess abgewürgt wird. Auch „schnelle Entscheidungen“ helfen nicht weiter, solange nicht die Ursachen der Probleme bekämpft werden, sondern reine Symptompfuscherei betrieben wird.


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      "Knurrige, verstörte, misstrauische Kunden"


      ... Im vergangenen Jahr hat der Einzelhandel mehr Arbeitsplätze abgebaut als je zuvor. Fast 50.000 Stellen wurden gestrichen, deutlich mehr als der HDE selbst noch vor wenigen Monaten befürchtete. Nie seit Ende des Zweiten Weltkrieges fiel der Stellenabbau in der Branche so brutal aus. In diesem Jahr dürften bis zu 30.000 weitere Arbeitsplätze im Handel den Sparbestrebungen zum Opfer fallen oder durch Insolvenzen und Geschäftsaufgaben verloren gehen, so die HDE-Prognose. Dies sei die Folge des anhaltenden Käuferstreiks und der ruinösen Rabattschlachten, die sich die Branche seit dem Wegfall des Rabattgesetzes liefert. Die Branche beschäftigt noch rund 2,8 Millionen Menschen.

      ... 58 Prozent der Einzelhändler stuften ihre Geschäftslage als schlecht ein, nur ein Fünftel als gut. Mehr als ein Drittel will die Zahl der Mitarbeiter in der ersten Jahreshälfte verringern, nur fünf Prozent will sie aufstocken.

      ... Das Kölner Marktforschungsinstitut ifm Wirkung und Strategien appellierte bereits nach Kundenbefragungen an den Handel: "Stoppt die inflationäre Rabatt-Flut! Macht wieder klare Preise! Deutschlands Verbraucher sind es überdrüssig, im Labyrinth von Rabatten, Kundenkarten, Coupons, Treueprämien, Sonderaktionen herumzuirren." Die Kunden wollten eine stabile Orientierung. Der Handel züchte sich zurzeit "einen knurrigen, verstörten, misstrauisch abwägenden Kunden heran, dem die Lust am Konsum zunehmend verloren geht". (SPIEGEL ONLINE - 08. März 2004)




      Kommentar: Die immer schlimmere Wirtschaftslage zwingt die Unternehmen zu weiteren Preissenkungen, um überhaupt noch verkaufen zu können. Weil die Preise sinken, warten die Verbraucher auf immer tiefere Schnäppchenpreise. Ein Ende des Dilemmas ist erst dann gekommen, wenn die Kaufkraft der Bürger wieder zunimmt und tatsächlich wieder mehr gekauft wird. Dies kann jedoch erst dann geschehen, wenn die immer größeren Kapitalkosten für die Schulden wegfallen. Wenn dieses Problem nicht gelöst wird, versinkt die Wirtschaft automatisch in einer Deflation. Mehr in der Neuerscheinung Deflation – die verheimlichte Gefahr“.



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      10.3.04 Krisentest Osteuropa: Riesige Außendefizite belasten die baltischen Länder


      ...Wenige Wochen vor der EU-Osterweiterung wächst die Sorge vor Krisen in den Beitrittsländern. Die FTD prüft, welche Staaten besonders anfällig sind.

      Auf den ersten Blick wirkt Estland wie ein höchst akuter Krisenkandidat: Das Defizit in der Leistungsbilanz lag vergangenes Jahr bei fast 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist fast fünfmal so viel wie in Argentinien, bevor dort 2001 die Finanzkrise begann. Außerdem hat Estland die eigene Währung mit einem ähnlichen System an den Euro gekoppelt wie damals die Argentinier, die vergeblich versucht hatten, den Peso zum Dollar stabil zu halten.

      "Die Balten haben alle damit zu kämpfen, dass sie viel mehr importieren als sie exportieren", sagt Gregor Eder von der Dresdner Bank. Lettland hatte laut der Deka-Bank 2003 ein Leistungsbilanzdefizit von 8,3, Litauen von 5,6 Prozent. So etwas sei "auf Dauer nicht tragbar" und damit "die große Schwachstelle der Balten", sagt Eder.

      Hohe Arbeitslosigkeit

      Als problematisch gilt unter Volkswirten außerdem die hohe Arbeitslosenquote, die sich laut Eurostat zwischen 9,7 Prozent in Estland und 11,8 in Litauen bewegt. Auch das Pro-Kopf-Einkommen der Balten liegt noch weit unter dem EU-Durchschnitt. Das Gehalt eines lettischen Arbeiters beträgt laut Deka-Bank nicht einmal 40 Prozent dessen, was in der Europäischen Union bezahlt wird. Nicht viel besser sieht es in Estland und Litauen aus.

      Trotzdem geben sich die Ökonomen optimistisch, dass den Balten das Schicksal Argentiniens erspart bleibt. "Ich halte die Wirtschaft im Baltikum insgesamt für viel stabiler und die Probleme nur für vorübergehend", sagt Dietmar Hornung, Osteuropa-Experte bei der Deka Bank.

      ... Solide Staatsfinanzen

      Ebenfalls gegen eine hohe Krisenanfälligkeit sprächen die soliden Staatsfinanzen im Baltikum. Die Esten erwirtschafteten 2003 einen Überschuss von 2,2 Prozent des BIP. Der lettische Staat verschuldete sich mit 2,6 Prozent, die Litauer hatten ein Minus von 2,2 aufzuweisen. "Man sieht also, dass das Baltikum insgesamt ganz gut aufgestellt ist", sagt Dietmar Hornung.

      ... Ebenfalls vor einer Finanzkrise bewahren könnte die Balten der schnelle Beitritt zum Euro, den die Staaten zum erstmöglichen Zeitpunkt 2007 einführen wollen. Als einzige unter den osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten erfüllen die drei baltischen Staaten schon heute die Maastricht-Kriterien zum Euro-Beitritt. "Durch den nahenden Euro wird es unwahrscheinlich, dass Spekulanten Blut lecken", so Hornung. (FTD, 9.3.04)




      Kommentar: Wenn ein wichtiger Wirtschaftsindikator wie das Handelsbilanzdefizit massiv aus dem Ruder läuft, dann hilft es wenig, wenn ein anderer Faktor wie bspw. Der Staatshaushalt momentan im Lot ist. Insgesamt ist die Volkswirtschaft deutlich gestört, Ungleichgewichte bauen sich auf. Wenn dazu noch die Währung mit festen Wechselkursen an den Euro gebunden wird, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis dies Ungleichgewichte eine Krise erzeugen. Dabei ist es nicht hilfreich, dass es sich um kleine Länder handelt – im Gegenteil: Die Krise kommt umso massiver, weil das Finanzvolumen der Staaten viel kleiner ist. Argentinien wurde auch vor der Krise in allen Tönen gelobt – ebenso oder noch schlimmer wird es den baltischen Staaten ergehen. Die richtige Vorgehensweise hier wäre: Sofortige Auflösung der Euro-Bindung. Wenn diese Länder nun den Euro ganz übernehmen, nehmen nicht etwa die Probleme ab, sondern es entsteht eine massive Kapitalflucht und das Handelsbilanzdefizit weitet sich weiter aus.



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      Keine Angst vor einer neuen Blase

      Jahrestag des High-Tech-Booms lässt Börsianer innehalten - Aber Optimismus dominiert


      von Daniel Eckert

      Berlin - Für viele Anleger ist heute eine Art Gedenktag, der sie daran erinnert, wie vergänglich das Glück in der Welt der Finanzen ist. Denn vor genau vier Jahren, am 10. März 2000, erreichten die High-Tech-Märkte weltweit historische Höchststände. Danach kam der Crash. Die amerikanische Technologiebörse Nasdaq schloss damals bei einem Stand von 5049 Punkten. Heute kämpft der Index darum, die 2000-Punkte-Marke zu halten.

      ... Immerhin: In den vergangenen Monaten haben sich die Tech-Märkte deutlich von ihren langjährigen Crash-Tiefs abgesetzt. Dies und jenseits des Atlantiks haussierten sie so sehr, dass Skeptiker behaupten, längst habe sich eine neue Bubble aufgebaut. Doch die meisten Profis bewahren ruhig Blut. "Die jetzige Situation ist mit der damaligen nicht zu vergleichen", meint Marc Schädler, Fondsmanager bei Nordinvest. Damals sei "die beste aller Welten" in die Kurse der Tech-Werte eingepreist gewesen. Von einem solchen Überschwang könne jetzt - zumindest was den breiten Markt angeht - keineswegs die Rede sein.

      ... Wer sich nicht zutraut, den Überblick zu behalten, kann die Arbeit einer Investmentgesellschaft überlassen und einen Tech-Fonds kaufen. Ein Fonds hat zudem den Vorteil, dass er das Risiko auf eine ganze Anzahl von Titeln verteilt. Um nicht Gefahr zu laufen, am Höchstpunkt einzusteigen, können Anleger durch regelmäßige Anzahlungen das Risiko auch zeitlich streuen. (Welt, 11.4.03)




      Kommentar: Die Lage am Aktienmarkt ist nicht weniger, sondern sogar noch schärfer als vor vier Jahren. Im letzten Jahr wurden die Börsenkurse künstlich, ohne fundamentale Rechtfertigung nur durch bloße Hoffnung auf einen „Aufschwung“ deutlich nach oben getrieben. Da es jedoch in unserem System allein wegen der explodierenden Kapitalkosten keinen „Aufschwung“ mehr geben kann, müssen die Aktienwerte früher oder später massiv einbrechen – der Crash ist vorprogrammiert. Hier schützt es jedoch niemanden vor Verlusten, wenn er statt in Einzelaktien in Fonds investiert – im Gegenteil: Mit Fonds verliert er die Kontrolle über sein Geld.

      Kommentare v. Günter Hannich
      Geldcrash.de
      Avatar
      schrieb am 12.03.04 21:25:24
      Beitrag Nr. 1.496 ()
      argument

      Die privatisierte Not

      Mehr Verantwortung für den Einzelnen erhöht langfristig die Kosten für alle

      Von Marie-Luise Hauch-Fleck

      Den einen oder anderen mag es ja immer noch wundern, wieso sich Sozial- und Christdemokraten in ihren Bemühungen, den Sozialstaat zu reformieren, nur noch graduell unterscheiden. Wirklich erstaunlich ist das nicht. Denn innerhalb der beiden Parteien hat sich nahezu zeitgleich eine bemerkenswerte Umorientierung in der Frage vollzogen, für wen sie Politik machen. Es ist nicht mehr der Bürger, der der vorsorgenden Fürsorge des Staates bedarf, um den Unbilden des Lebens zu trotzen.

      Neues Leitbild für das politische Handeln ist der mündige Mensch, der selbstverantwortlich sein Schicksal in die Hand nehmen möchte und nicht vom Staat vorgeschrieben bekommen mag, was gut für ihn ist. Die logische Schlussfolgerung, die die Modernisierer in beiden Parteien daraus gezogen haben, heißt: weniger Staat und mehr Eigenverantwortung in allen Lebensbereichen – und die ist ablesbar in den von den Parteitagen abgesegneten Reformprogrammen. Mit denen haben die beiden großen deutschen Volksparteien nach jahrelangem parteiinternem Ringen endgültig die ideologische Kehrtwende in Richtung Liberalismus vollzogen.

      Dessen Leitbild war seit seiner Entstehung im 18. Jahrhundert ein Gemeinwesen, in dem staatlichem Handeln zugunsten individueller Freiheit enge Grenzen gezogen werden und in dem die Bürger die Verantwortung für ihr materielles Wohlergehen selbst übernehmen. Dieses Wohlergehen werde sich, davon waren die Verfechter des Liberalismus überzeugt, schon automatisch ergeben, wenn nur jedermann ungehindert von staatlichen Fesseln seine Talente und seinen Fleiß zur freien Entfaltung bringen könnte.

      Der Staat als Hemmschuh für Wachstum und unternehmerische Initiative? Es klingt wie die aktuelle Analyse von Schröder und Merkel, Clement und Merz: Warum kommt die Wirtschaft nicht in Schwung? Weil bürokratische Fesseln die freie Entfaltung dynamischer Unternehmen nachhaltig bremsen – also weg mit dem Kündigungsschutz! Warum sind Millionen Arbeitnehmer ohne Arbeit? Weil das fein gesponnene soziale Netz jede Eigeninitiative lähmt, auf Kosten der Leistungsbereiten – also wird das Arbeitslosengeld gekürzt. Warum sind die Staatsfinanzen zerrüttet? Weil der Staat eine überbordende Fürsorge an den Tag legt – also werden Zuwendungen gekürzt.

      Den Protagonisten des Politschwenks weg vom solidarisch (SPD) beziehungsweise paternalistisch (CDU) motivierten Sozialstaat hin zu einem wirtschaftsliberal orientierten Staat kommen die Finanzprobleme der Sozialsysteme dabei durchaus gelegen. „Es geht ökonomisch nicht anders“ ist ein wunderbares Argument, um jede politische Debatte darüber im Keim zu ersticken.

      Das genau aber ist die Crux des derzeitigen Reformprozesses. Denn anders als zu den Hochzeiten des Liberalismus im 19. Jahrhundert lässt sich Not nicht mehr so einfach wie damals privatisieren. Da ist die bundesdeutsche Verfassung davor, die festschreibt, dass die Bundesrepublik nicht nur ein Rechts-, sondern auch ein Sozialstaat ist. Mit anderen Worten: Der Staat hat die Pflicht, den in Not geratenen Bürgern mindestens das Existenzminimum zu garantieren. Deshalb gibt es die Sozialhilfe. Und die wird über Steuern finanziert.

      Solange diese Grundversorgung aber garantiert ist, läuft jede Kürzung staatlich verordneter Vorsorge zugunsten privater Gefahr, langfristig die Kosten für die Steuerzahler zu erhöhen. Denn diese Grundversorgung gibt es quasi umsonst, die private Vorsorge hingegen erfordert einen möglicherweise sogar hohen Konsumverzicht im Vergleich zu den zu erwartenden Leistungen. Die logische Konsequenz: Diejenigen, die sich keinen erkennbaren materiellen Vorteil versprechen, werden zugunsten des Konsums auf eine private Vorsorge verzichten.

      Wie virulent das Problem ist, zeigt aufs schönste die Riester-Rente. Obwohl sogar noch massiv vom Staat gefördert, bleibt die Nachfrage bislang weit hinter den Erwartungen zurück. Ändert sich das nicht, dürfte in etwa 30 Jahren, wenn all die Kürzungen in der Rentenversicherung tatsächlich zu Buche schlagen, die Altersarmut rapide ansteigen. Die dann Erwerbstätigen und ihre Arbeitgeber können sich vielleicht über niedrige Rentenbeiträge freuen. Die Steuern allerdings dürften im Jahr 2030 deutlich höher sein als heute.

      Dieses Problem haben die Reformer in SPD und CDU durchaus erkannt. Nur nach einer Lösung fahnden sie bisher vergeblich. Immer häufiger wird laut darüber nachgedacht, ob bei der privaten Vorsorge nicht vielleicht die Freiwilligkeit durch Zwang ersetzt werden könnte, die Riester-Rente also obligatorisch für alle werden sollte. Als Rechtfertigung wird dabei gern die Kfz-Haftplichtversicherung angeführt, die schließlich auch vom Staat vorgeschrieben und trotzdem mit privaten Firmen abgeschlossen wird.

      Der Vergleich allerdings hinkt ganz erheblich. Denn wer kein Geld für eine solche Versicherung hat, wird es sich überlegen, ob er sich ein Auto leisten kann. Und wer nur Geld für die Versicherung eines Kleinwagens hat, wird sich kaum ein Luxusmodell zulegen. Wer aber kein Geld für eine private Altersvorsorge hat, weil diese für ihn etwa infolge gesundheitlicher Risiken exorbitant teuer ist, kann den natürlichen Alterungsprozess nicht einfach aufhalten. Das aber hieße für den Gesetzgeber, dass er, sollte er die private Vorsorge verpflichtend machen, nur zwei Möglichkeiten hätte: Entweder müsste der Staat die private Vorsorge entsprechend den individuellen Risiken bezuschussen. Oder er müsste die Versicherer zwingen, alle Bürger ohne Risikoprüfung zu gleichen Bedingungen aufzunehmen.

      Was aber wäre damit gewonnen? Im ersten Fall würden die Steuerzahler für individuelle Risiken der Privatversicherten zur Kasse gebeten. Im zweiten Fall hingegen würde wieder eine klassische Solidargemeinschaft entstehen, in der individuelle Risiken für die Prämienhöhe keine Rolle spielen und damit die Grenzen zum staatlichen Solidarsystem verschwimmen. Der wesentliche Unterschied dabei wäre nur, dass die privaten Unternehmen die Prämien so kalkulieren würden, dass ihnen unterm Strich auf jeden Fall ein Gewinn bliebe, um ihn an ihre Aktionäre auszuschütten.

      Dass sie zwar viel von Freiheit reden, im Ernstfall die Bürger aber lieber doch zu ihrem Glück zwingen, haben die Parteien jedenfalls schon bewiesen: Jeder, der nicht gesetzlich pflegeversichert ist, muss sich privat versichern – egal, ob er will oder nicht.

      (c) DIE ZEIT 11.03.2004 Nr.12

      ZUM ARTIKELANFANG
      http://www.zeit.de/2004/12/Argument_2fsoz__Freiheit

      Freie Marktwirtschaft hört da auf, wo es den Bürgern zu Gute kommt.:mad: :confused:
      Avatar
      schrieb am 12.03.04 21:39:03
      Beitrag Nr. 1.497 ()
      "Ich bin Köhler!"

      Andreas Hagen 12.03.2004
      Ein Großteil der Deutschen kennt Horst Köhler nicht - doch nicht nur im Lichte seiner Vergangenheit betrachtet, scheint er das Kontrastprogramm zu Johannes Rau zu werden


      Die ersten Duftmarken die Prof. Dr. Horst Köhler in den Medien setzte, waren durch und durch präsidiabel: Optimismus, Bildung und Innovation, Arbeitsplätze für Deutschland und den Menschen die Welt erklären. Das waren die Schlagworte der ersten offiziellen Vorstellung des Kandidaten am 7. März nach einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU in Berlin. Etwas Neues hatte Horst Köhler also erst einmal nicht zu verkünden, aber wie sollte er auch, schließlich hat er Deutschland eine längere Zeit nur aus der Außenperspektive betrachten können. Die bis zur Wahl am 23. Mai verbleibende Zeit möchte er für eine Perspektivverbreiterung nutzen, durch das Land reisen, und sich in Gesprächen "die Sorgen und Vorstellungen der Menschen" anhören.






      Auch FDP-Chef Guido Westerwelle ließ es sich nicht nehmen, den gemeinsamen Oppositionskandidaten medienwirksam vorzustellen. Dabei sprang er ihm sogleich zur Seite, als dieser meinte, dass die Agenda 2010 zwar richtig sei, aber nicht weit genug gehe, und fügte hinzu, da Deutschland sowieso mehr Liberalismus brauche, freue er sich schon sehr auf den Bundespräsidenten Horst Köhler. Dem konnte der gesamte Tross der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände nur zustimmen, was sie dann auch taten.

      Die öffentlich Gegenreaktion der Regierungskoalition beschränkte sich auf die Nominierung von Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Die dicken Sorgenfalten aber, die so manche Stirn im rot-grünen Lager beim Namen Köhler zierten, ließen eher eine distanziert kritische Reaktion sichtbar werden. Noch mehr Sorgen macht man sich bei der globalisierungskritischen Organisation "Attac", wo man das Bundespräsidialamt zukünftig schon als "Teil des neoliberalen Machtzentrums" sieht. Horst Köhler sei ein "rhetorischer Süßholzraspler", der als IWF-Chef, wenn es darauf ankam, "knallharte neoliberale Maßnahmen" durchsetzte, so die Organisation in einer Stellungnahme.

      Abseits der Politik fragt sich indes der Rest der Republik, wer denn dieser Horst Köhler eigentlich ist. Unzweifelhaft ist er der Kandidat einer momentan absoluten Mehrheit, denn, wären in diesen Tagen Bundestagswahlen, könnte die CDU/CSU ohne Koalitionspartner die Regierung stellen. Nachdem dies kürzlich bei der Wahl in Hamburg schon der Fall war, schwebt die Union nun auf "Wolke Sieben". Im Hinblick auf die Regierungsübernahme 2006 förderte und forderte dies eine stärkere Profilierung gegenüber der Schröder-Regierung, in welche auch die Kandidatenkür von Horst Köhler eingepasst wurde.





      Dabei scheint das von Friedrich Merz (CDU) einmal propagierte "Ende der Sozialdemokratisierung der CDU" immer greifbarer zu werden. Denn, natürlich sehe er sich als unabhängige Person: "Ich bin Köhler", so Köhler über Köhler, aber:




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      Ich machen keinen Hehl daraus, die Grundlagen von CDU/CSU und FDP...sind die Grundlagen, die ich intellektuell und konzeptionell für die Richtigen und Guten halte.
      (Horst Köhler nach seiner Vorstellung in den Präsidien von CDU und CSU




      Soweit so gut, denn eine gewisse Parteinähe konnte einem zukünftigen Bundespräsidenten auch in der Vergangenheit nicht abgesprochen werden. Die zeitnahen Aussagen sowohl von Edmund Stoiber (CSU) als auch Peter Müller (CDU) legen aber den Schluss nahe, dass die Politik innerhalb der CDU/CSU sich wendet und in Zukunft sogar über das von Angela Merkel angestoßenen Projekt "Neue Soziale Marktwirtschaft" hinaus geht. Peter Müller möchte einen "starken Staat", der sich auf die Kernkompetenzen Eigentumsschutz und Sicherheit nach Außen und Innen beschränkt, während sich Edmund Stoiber kurz nach der Präsentation von Horst Köhler zur Steuerpolitik äußerte. Der Staat müsse die Steuerpolitik so anlegen, dass er sich auf seine originären Aufgaben beschränkt und mit Steuern nicht mehr politisch lenkend eingreift, sagte er. Unabhängig von den tatsächlichen Realitäten wäre dies in der Tat ein politischer Paradigmenwechsel des bürgerlichen Lagers, dem der ehemalige IWF-Chef Köhler sicher zustimmen könnte.

      Egal ob Horst Köhler als internationaler Finanzfachmann die CDU/CSU-Wendemanöver beeinflusst hat oder ob die Parteivorsitzenden der Union endlich die Gelegenheit fanden, das auszusprechen, was sie schon lange dachten, sich aber nie zu sagen trauten: Wahrscheinlich sitzt Guido Westerwelle freudig erregt in seiner Berliner Dachgeschoßwohnung und denkt sich: "Nun seht her, ich hab` Euch doch schon immer gesagt wie`s geht, danke Horst." Denn, falls die Opposition diese politische Linie bis zur Bundestagswahl durchhält, wird die FDP die wenigsten Probleme bekommen, ihre Politik liegt genau auf dieser Linie. Die aus den Neuen Bundesländern stammende Angela Merkel aber könnte die große Verliererin der kommenden Bundespräsidentenwahl werden, denn liberale Wirtschaftspolitik hilft auch bei zweistelligen Arbeitslosenraten nicht wirklich weiter - und die CDU hat starke Landesverbände.

      Eines hat Horst Köhler seiner Mitbewerberin Gesine Schwan schon jetzt voraus: Die Medienpräsenz ist ungleich höher, und falls es tatsächlich noch eine Chance für die Wahl (23. Mai) der Kandidatin der Regierungskoalition geben sollte, schwindet diese durch das schlechtere PR-Management von Tag zu Tag. Vielleicht gibt es auch hier bei Rot-Grün ein Vermittlungsproblem, vielleicht ist die Ursache aber auch das dieser Tage sehr angespannte Verhältnis von Kanzler Schröder zu den Medien. Jedenfalls ist der "Wirtschaftsmann" Horst Köhler in der Öffentlichkeit schon in der Kandidaturphase deutlicher zu vernehmen als der "Kirchenmann" Johannes Rau nach fünf Jahren Amtszeit.


      http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16938/1.html
      Avatar
      schrieb am 14.03.04 17:22:30
      Beitrag Nr. 1.498 ()
      Quergedacht: Was viele denken aber wenige auszusprechen wagen
      Anstößige Texte zum Runterladen und Weiterverbreiten
      spatzseite.de


      Über Geld und Hunger: 14.03.2004

      DIESE WOCHE
      In einem zornigen Artikel untersucht der Spatz die Ursachen der Unterentwicklung und der technischen Stagnation. Er findet, weshalb Verknappung und Rationierung der Wirtschaft dient, und wessen Interessen hinter der Finanzwirtschaft stecken. Damit beantwortet er Fragen, die in anderen Medien nicht gestellt werden.


      Wie, und mit wem aus der Krise?



      Die Hälfte der Weltbevölkerung, etwa 3 Milliarden Menschen, verdient weniger als 2 US$ pro Tag, und für 500 Millionen sind es weniger als einer. Nach dem FAO Bericht von 2002 hungern 815 Millionen Menschen ständig und sind daher deutlich unterernährt. Das sind 13,5% der Weltbevölkerung. 11 Millionen Kinder sterben jährlich aus "leicht zu vermeidenden Gründen", denn 600 Millionen Kinder leben in ärmlichen Verhältnissen und 150 Millionen sind stark unterernährt, so daß ihre körperliche und geistige Entwicklung darunter leidet. Selber schuld oder Ergebnis der die Welt beherrschenden westlichen "Freiheit". Eine tolle Erfolgsbilanz nach über 50 Jahren Völkergemeinschaft und Demokratie-Propaganda. Aber, werden die Betroffenen oder, die von ihnen, die anders können, sich damit auf Dauer abfinden? Würden Sie es?

      Nein, ich will Ihnen kein schlechtes Gewissen machen und Sie auch nicht zum Spenden aufrufen, damit Sie mit ihrem Geld ein paar Bürokraten finanzieren und etwas davon der notleidenden Finanzwirtschaft zu Gute kommen und natürlich auch etwas zu den wirklich Notleidenden hindurchtröpfeln zu lassen. Hier geht es um die materielle Basis der westlichen Wertegemeinschaft, um die Weltfinanzen und wie die zu sanieren wären. Ich will mit den obigen Zahlen nur sagen, zu tun gäbe es wirtschaftlich gerade genug. Zu den Hungernden kommen ja noch die tatsächlichen Umweltschäden, die Bodenerosion, die Vergiftung der Grundwässer durch fehlende und eingesparte Filter, Kläranlagen, mangelnde Meerwasserentsalzung, Aufforstung um nur die gröbsten Dinge zu nennen, hinzu. Denkt man zum Beispiel an eine vernünftige Infrastruktur, nur um den innerstädtischen Verkehr der Ballungsräume vernünftig zu regeln, dann könnte einem über das, was zu tun, ich meine wirtschaftlich zu tun wäre, Angst und Bange werden. Aber es wird nicht getan. Dafür ist einfach kein Geld vorhanden. Und wofür - bitte schön - ist Geld vorhanden? Für Unterhaltungsdienstleistungen der blödesten Art, einen Rausch der Häßlichkeit, der als "Kunst und Kultur" verkauft wird, ein paar Luxuspaläste für die erfolgreichsten Abzocker und gehobenen Lebensstandard für ihre willfährigsten Helfershelfer, dazu etwas für diejenigen, die noch etwas Spielraum an Kreditwürdigkeit haben, um sich noch etwas zusätzlich verschulden zu können. Der Rest der Menschheit und ihre dringendsten und interessantesten Probleme sind wirtschaftlich schon längst tot, uninteressant und bereits auf dem Abfallwagen der Weltmüllentsorgung namens "Krieg gegen den Terrorismus".

      Betriebe haben nichts zu tun, entlassen Leute und heben, weil sie aufwendiger produzieren müssen, heben die Preise an - oder beuten Drittweltler zu Hungerlöhnen aus. Sie tun das auch, weil ihre Kapitalkosten trotz der niedrigen Zinsen immer weiter steigen. Um die Preise anheben zu können, bedarf es marktgerecht einer gewissen Verknappung, die sich dank der Konzentration der Wirtschaft, der Oberaufsicht der Finanzwelt und der Umweltbehörde über die Wirtschaft recht einfach bewerkstelligen läßt. Gleichzeitig werden die Kosten gesenkt, damit sich das Ganze rentiert. Die Folgen sind bekannt: Weniger zahlungsfähige Nachfrage auf den Gütermärkten, erneuter Preisdruck nach unten, erneute künstliche Verknappung und ein wachsendes Heer an Arbeitslosen und mehr Humanabfall - und mehr Wut auf diesen bei jenen.

      Offensichtlich läuft etwas schief. Wie soll man es ändern? Sollen die Betriebe ihre Güter verschenken? Sie wären bald Pleite, sie sind es in der Regel schon: "überschuldet". Sollen die Banken mehr Geld drucken - noch mehr? Sie drucken ja schon wie die Weltmeister, um das notleidende Finanzsystem aufrechtzuerhalten. Woher - meinen Sie - kommen die Zinsen der 8.750 Billionen (deutsche, nicht amerikanische) Dollar allein an Derivatpapieren, die zur Zeit bei einem weltweiten Nettojahresprodukt von 41 Billionen US$ Jahres auf den Weltfinanzmärkten über oder unter der Hand verschoben werden? Das Nettoprodukt der Welt entspricht weniger als einem halben Prozent allein der Derivatzinsen, dabei sind all die anderen Wertpapiere nicht mitgerechnet. Wer wollte ein Wertpapier kaufen, das nur ein halbes Prozent pro Jahr abwirft? Und das nur, wenn niemand anderes sonst etwas vom Nettojahresprodukt bekäme. Täglich werden - konservativ geschätzt - 3 Milliarden US$ Wertpapiere verschoben. Wer kommt für die Provisionen auf, die dabei fließen und wer für die Zinsen, mit denen die Papiere locken und die - jedenfalls bisher in den meisten Fällen ja auch noch fließen, wenn auch mit zunehmend mehr Hängen und Würgen. Geld wird im Übermaß gedruckt, um damit den Dollar und die wachsenden Defizite nicht nur der USA zu finanzieren. Aber dieses Geld saugen die unersättlichen Finanzmärkte mit der Gier eines Erstickenden weg. Und hinter diesen Märkten steht die Horde derer, die brüllen: Where is my money, I want my money back. Z.B. "Investoren" in Argentinien-Obligationen. Was haben die "investiert"? Sie sind leere Versprechungen von Abzockern und Kettenbriefverkäufern auf den Leim gegangen, die sich als Bankiers und Experten ausgegeben haben.

      Die meisten dieser Leute wissen nicht mehr, was sie sonst noch kaufen könnten, weil sie alles andere schon haben: Häuser, Autos, Perversitäten, Politiker - alles was die Gier begehrt (ein paar wollen für später und inflationsbereinigt etwas Geld auf die hohe Kante legen). Sie wollen Geld zurückhaben, weil sie wissen, daß sie, wenn sie es nicht mehr haben, wie die Hälfte der Weltbevölkerung, wirtschaftlich nicht mehr existent sind, zur Überbevölkerung zählen, die einfach verschwinden soll. Die Hälfte der Weltbevölkerung ist wertlos, weil sich damit kein mehr Geld machen läßt (weil sie keines haben) - das ist das Finanzsystem, für das sich die Politiker mit Hängen und Würgen ins Zeug legen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Die Einsicht, daß das Ganze im Grunde nur ein Mafiabetrug war und ist, daß ihm die Ideologie der Früh-Mafia zu Grunde liegt. Wissen Sie, wer die Mafia war? Es waren die Jäger, d.h. die Aufseher über die Leibeigenen, die sowohl diese wie ihre Arbeitgeber, die Adeligen, übers Ohr gehauen haben, die den Bauern abgepreßtes und den Adeligen veruntreutes Getreide zu Spaghetti weiter verarbeitet haben. Diese "bürgerliche" Mittelschicht entwickelte sich in Zeiten des Absolutismus in vielen Ländern. Nicht überall konnten sie sich (mit Hilfe einer Adelsclique gegen eine andere) als gesellschaftlich bestimmende Kraft durchsetzen.

      Diese Ideologen suchten die "Emanzipation vom Druck der Moral", und hielten sich dafür Hoftheoretiker wie einen Hobbes, Locke, einen Bentham und viele andere "progressive" Rationalisten und Deisten bis hin zu Aufklärern wie Walter Benjamin (von dem das Zitat stammt) oder dem 68er Guru und CIA Agenten Herbert Marcuse, der "die Befreiung des Denkens, Forschens, Lehrens und Lernens von dem bestehenden System der Werte und Verhaltensweisen" betrieb (Kultur und Gesellschaft 2, 1965, S. 161).

      Der Mensch darf schweinisch sein, wie er will oder wie es ihm die "die Natur" einbläst. Der Markt sorgt dafür, daß etwas herauskommt, das dem neuen (alten) Gott, nämlich der Mutter Natur mit ihren heiligen Trieben zur Ehre gereicht. Hat das nicht der Professor für "Moraltheorie", Adam Smith so gelehrt? Auf ihn geht die ganze geistige Dünnbrettbohrerei zurück, die uns als "Freiheit" verkauft wurde und wird. Wie viele Wissenschaftler, Experten, Priester, Kirchenleute und "Künstler" gaben sich dafür her, diesen Betrug als selbstverständlichen und richtigen Lauf der Dinge zu rechtfertigen? Wie viel Rot-grüne jammern zwar über das Elend in der Welt und lehren, genau das im Namen der Umwelt in Kauf nehmen zu müssen, und versprechen das Paradies auf Erden - wenn, nun was? - wenn die Überbevölkerung erst einmal weg ist. Das sind die Leute, die Sie sich im Fernsehen ansehen, die ihren "Protest" auf die Mühlen des Establishments umlenken dürfen, denen Sie Beifall klatschen und deren Absonderungen Sie als Stand des Wissens nachbeten und an die Sie sich klammern. Warum? Damit es so bequem weiterginge wie bisher. Betrogene Betrüger!

      Und wie soll`s weitergehen? Fragen Sie ihre Experten und Politiker. Was hören Sie von denen: "Schwierige Zeiten, gewiß! Aber eine Krise? Nein, die gibt es nicht. Eine vorübergehende Rezession, dont worry, be happy, der Aufschwung ist schon in Sicht! Alles ist in guten, in unseren Händen! Aber hinter den schalldichten Konferenztüren kann man, wenn man will und nicht nur das hören will, was so bequem wäre, sie sich anschreien hören, kann man erfahren, wie sie sich anbrüllen und Prügel androhen oder gar umbringen, wenn einer droht aus der Reihe zu tanzen, wie vor Jahren der letzte von der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, danach war es bald eine britische Bank...

      Verlassen sie denn nicht schon das sinkende Schiff? Horst Köhler vom IWF konnte nicht schnell genug die Fliege machen. Damit es nicht so auffällt, schlupft er schnell als Bundespräsidentschaftskandidat unter, und rührt die "Reform"-Trommel: "Solang Reform die Groschen zwingt, der Schlendrian sich weiter bringt!" Tim Frost, der 16 Jahre für J.P. Morgan den Derivate-Schacher betrieb, "The World`s Largest Derivate Trader", schmiß Hals über Kopf die Brocken hin, wahrscheinlich um in England etwas Ähnliches zu werden. Es gibt andere (in den dreißiger Jahren sprangen sie aus dem Fenster - doch von denen erfährt man heute nichts mehr).

      Für die Antwort fehlt uns der Platz, aber ohne daß der ganze Papierplunder, die ganze, unbezahlbare Finanzabzocke in den Papierkorb wandert, wird es keine Wende geben. Die Schwierigkeit ist, wessen Rente und Ersparnisse sollen davon ausgenommen werden, und, wo packen wir zu erst an, damit schnellst möglich wieder eine an der Versorgung der Menschen, Verbesserung der Umwelt und Erweiterung unseres geistigen und technischen Horizonts orientierte Wirtschaft in Gang kommt. Bei den derzeitigen "Experten" und Politikern werden Sie darauf keine Antwort finden. Trotzdem wird die Antwort eine politische, möglichst eine demokratische sein. Doch wer ist noch so moralisch lebenstüchtig, daß er dazu vernünftige, nachvollziehbare Gedanken hat. Die etwas geboten haben wollen, werden sich wieder ihre Gebieter wählen, und die führen nach wie vor zur Schlachtbank.
      Avatar
      schrieb am 15.03.04 15:57:04
      Beitrag Nr. 1.499 ()
      Was wir schon lange über die Wirtschaftslage wissen müssten, aber nicht gesagt bekommen – Augenwischerei oder barmherzige Lügen ? – Die Wahrheit wird auf brutale Weise ans Licht gelangen
      (15.03.2004)

      Es ist schon bemerkenswert, wie eindeutig manche Strategen an den Finanzmärkten die Risiken darlegen, mit denen diese Märkte zu kämpfen haben. Doch bei der Schilderung der Konsequenzen für die einzelnen Volkswirtschaften und für die Weltwirtschaft als Ganzes halten die meisten dann doch inne. Dabei läge es doch auf der Hand, folgerichtig weiterzudenken. Doch davor scheuen sie dann doch zurück.

      Das ist in gewisser Weise verständlich. Verhielten sie sich anders, würden nämlich sie an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Es ist unschwer zu erkennen, dass einige dieser Experten, die in der Vergangenheit deutlicher geworden sind, von ihren Brot- und Dollar-Gebern aus der Frontlinie zurückgezogen worden sind oder einen Maulkorb verpasst bekamen. Schriftlich vernimmt man nichts mehr von ihnen, was die verordnete Hausmeinung in Frage stellen könnte. Doch äußern sie sich in den häufig auf hohem Niveau geführten Frage-und-Antwort-Spielen zum Beispiel bei CNN oder CNBC, erahnt man an Gestik und Mimik, was sie denken, aber nicht explizit zu sagen wagen.

      Wer Näheres von den kritischen bis ausgesprochen pessimistischen Stimmen hören will, muss in der Regel über die Fähigkeit verfügen, Abstraktes in konkrete Handlungsanweisungen zu übersetzen. Und es ist vielleicht auch gut, dass die letzte Empfehlung nicht ausgesprochen wird. Das hat nichts mit Entzauberung zu tun, sondern es zeigt, dass jeder letztlich für sich selbst verantwortlich zu sein hat, eine Maxime, die vielen im Laufe sozialistisch geprägter Jahrzehnte aberzogen wurde.

      Bei allen Äußerungen, die von den wirklich Wissenden stammen, ist unschwer das tragende Thema auszumachen: die Verschuldung. Wir befinden uns hier sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor noch immer in der Kulminationsphase. Und da geschieht Eigenartiges. In den USA und im Euroraum wird ein scheinbar freundliches Konjunkturklima mit überproportional steigenden staatlichen Schulden erkauft, um ein paar läppische, zum Teil mit einer Null vor dem Komma versehene Prozentpunkte an Wachstum zu gewinnen.

      Das Verhältnis zwischen der Neuverschuldung und dem Wirtschaftswachstum ist eklatant unverhältnismäßig. Wir müssen erneut das Bild vom immer wieder auftretenden Kreislaufkollaps bemühen, der akut behandelt werden muss, ohne dass die zugrunde liegende Erkrankung kuriert wird. Irgendwann werden die Medikamente, die den Organismus noch einigermaßen funktionieren lassen, nicht mehr wirken. In diesem akuten Stadium ist es auch nicht mehr sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, ob die Grundtherapie die richtige war. Wofür übrigens alles spricht.

      Und dann??? Wir kennen zwar die Antwort, aber wir wissen nicht, wann und auf welche Weise dies geschieht. Dramatisch wird es ganz gewiss. Und dann ist es sicher zu spät, um noch Vorsorge zu treffen zu können, weil alle zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche zu tun versuchen. Das geht nie gut, wie wir sicher wissen.

      Arnd Hildebrandt

      Herausgeber
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      Wussten Sie schon, dass...?
      (15.03.2004)

      „Die amerikanische Notenbank ist ins Kreuzfeuer zwischen Inflation und Deflation geraten... Sie muss mehr tun, als nur mit Worten zu spielen. Paul Volcker hatte 1979 den Mut, gegen die Inflation anzutreten. Jetzt ist es an Alan Greenspan, einen ähnlich heroischen Kampf zu führen. Amerika kann sich keine Notenbank leisten, die sich aus Gründen wehrlos zeigt, die sie selbst verursacht hat.“

      Stephen Roach, Morgan Stanley

      www.taurosweb.de
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      schrieb am 15.03.04 22:19:12
      Beitrag Nr. 1.500 ()
      Inland
      Thomas Klein

      DGB dankt Roland Koch

      Forderung nach 41-Stunden-Woche als Mobilisierungshilfe für die Demos gegen Sozialabbau am 3. April


      Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat sich in den zurückliegenden Jahren bei Gewerkschaften ganz sicher keine Freunde gemacht. Seine Politik des Sozialkahlschlags führte in Hessen vielmehr zu heftigen Protesten. Umso erstaunlicher mag es da anmuten, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Wochenende mit einer Danksagung an die Adresse Kochs an die Öffentlichkeit gegangen ist. Allerdings wird der CDU-Mann wenig Freude an den Dankesworten haben. Denn zu der Forderung des hessischen Ministerpräsidenten nach der Einführung der 41-Stunden-Woche bei gleichzeitiger Kürzung der Einkommen, erklärte DGB-Sprecher Hilmar Höhn in Berlin: »Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bedankt sich bei Roland Koch für die vorzügliche Mobilisierungshilfe für den Aktionstag am 3. April«. An diesem Tag werden in Köln, Stuttgart und Berlin Großdemonstrationen gegen Sozialabbau stattfinden.

      Roland Koch, so Höhn, sei »offenkundig völlig ausgeflippt. Die Arbeitszeit auf 41 Stunden zu erhöhen, würde den Verlust von Hundertausenden Arbeitsplätzen bedeuten: Arbeitszeiten hoch, Einkommen runter und Arbeitnehmerrechte streichen, ist ein Programm zur Ruinierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt.« Gerade Berliner Kaufleute und Industrielle, vor denen der Ministerpräsident am letzten Donnerstag in Berlin geredet habe, wüßten genau: Die Geschäfte liefen schlecht, weil den Menschen das Geld zum Konsum fehle. Und die Arbeitslosigkeit in Berlin sei unerträglich hoch, weil es keine Arbeitsplätze gebe. Höhn weiter: »Der DGB ist Herrn Koch dankbar, daß er sich zu dem bekennt, was er wirklich denkt«.

      »Brutalstmöglich« wollte Koch einst den CDU-Schwarzgeld-Skandal aufklären. Inzwischen scheint er sich in der Rolle zu gefallen, »brutalstmöglich« den Umbau der Gesellschaft nach neolibarelen Politikkonzepten voranzutreiben. So hatte die CDU-Landesregierung z.B. im Dezember letzten Jahres erklärt, Hessen werde die Tarifgemeinschaft der Länder verlassen, um so die geplante Verlängerung der Arbeitszeit im Öffentlichen Dienst besser durchsetzen zu können. Das Land werde zum 31. März 2004, so die Ankündigung Ende letzten Jahres, aus der Gemeinschaft austreten.

      http://www.jungewelt.de/2004/03-16/011.php
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